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Compendium Volume 8 German

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Olympischen Spiele 2020

Olympischen Spiele 2020 entworfen hat. Also flog Tabanca für ein Treffen nach Tokio. Es sollte ein Treffen Gleichgesinnter werden. In der Umgebung des OMM stehen viele traditionelle osmanische Gebäude – was strenge Planungsauflagen zur Folge hatte, zudem erwies sich die Hanglage als eine weitere Herausforderung. Kuma zeigte sich begeistert von der „bagdadi, der speziellen Bauweise dieser Häuser, bei der Holzbalken versetzt aufeinandergelegt und dann fixiert werden“, so Tabanca. Der dem abschüssigen Gelände folgende, in Form verschieden proportionierter Holzkisten in Szene gesetzte Gebäudekomplex erlaubt Passanten einen Blick ins Innere und wirkt trotz 4.500 Quadratmeter Nutzfläche stets unaufdringlich und einladend. Die Nachfolgefrage wurde mit der Übergabe der Leitung an seine Tochter Idil Tabanca frühzeitig geklärt, schließlich möchte man sein Vermächtnis in guten Händen wissen. Ihr Geschmack ist, wie Tabanca betont, noch abenteuerlicher als sein eigener, und während er selbst figurative Kunst bevorzugt (Fahrelnissa Zeid etwa nennt er „eine der wichtigsten türkischen Künstlerinnen der Jetztzeit“), zeigt sich Idil auch von Konzeptkünstlerinnen wie Inci Eviner begeistert. Erol Tabanca gewinnt dem Clash der Generationen auch positive Seiten ab: „Sicherlich gibt es manchmal kleinere Reibereien, aber daraus kann auch Neues entstehen. Es hat Vorteile, mehrere Perspektiven zu haben. Ich halte es für richtig, die Entscheidung beim Kunstkauf nicht immer subjektiv zu treffen.“ Doch Geschmäcker können auch generationsübergreifend übereinstimmen. „Das Sammeln macht nicht nur einen Teil unserer Stiftung aus – für uns ist es ein Way of Life“, so Othman Lazraq, Architekt und Direktor der Fondation Alliances, einer gemeinnützigen Organisation, die sich der kulturellen Entwicklung in Marokko verschrieben hat und die er gemeinsam mit seinem Vater Alami Lazraq, dem Gründer des in Casablanca ansässigen Immobilienunternehmens Groupe Alliances, ins Leben gerufen hat. „Kunst ist bei uns immer Tischgespräch, und unterwegs besuchen wir stets gemeinsam Museen und Galerien.“ Alami begann mit dem Sammeln lange vor Othmans Geburt, der ein besonderes Interesse für die Fotografie entwickeln und sein erstes Kunstwerk mit 20 erstehen sollte. Eines Tages wurde den beiden bewusst: „Okay, wir haben jetzt mehr als 2.500 Werke. Es ist an der Zeit, dass wir irgendetwas machen, von dem der Kunst-Mikrokosmos hier in Marokko profitiert.“ Die Gedankenspiele mündeten in das Musée d’Art Contemporain Africain Al Maaden MACAAL in Marrakesch (das erste Privatmuseum des Landes) und in die Errichtung des angrenzenden Skulpturenparks, die beide für sich einen Besuch wert sind. Des Weiteren entstand eine Reihe weiterer Initiativen zur Unterstützung der Kunstbranche in Marokko, auch um die Aufmerksamkeit von Besuchern auf sich zu lenken. D ie ursprünglich auf marokkanische Kunst fokussierte Sammlung bietet mittlerweile auch Raum für Kreatives aus ganz Afrika und tastet sich an Kunst aus Südasien und Lateinamerika heran. „Marrakesch galt schon immer als Tor nach Afrika“, erzählt Lazraq und fährt fort: „Wir liegen an der Spitze des Kontinents, Europa und Amerika direkt vor Augen. Also war die Idee, in gewisser Weise einen Knotenpunkt zwischen Afrika und dem Rest der Welt zu schaffen. Das ist unsere Mission. Und um dieses Ziel zu erreichen, haben wir ein starkes Netzwerk aufgebaut, das uns bei Fragen zur afrikanischen Kunst und ihrer Zukunft beratend zur Seite steht.“ Er ergänzt: „Wer sammelt und ein Museum betreibt, kann nicht nur seine Vision verfolgen, sondern trägt auch Verantwortung. Wenn ich ein Werk kaufe, weiß ich, dass ich es irgendwann ausstellen muss, also muss es etwas von Relevanz sein und die Sammlung bereichern. Gleichzeitig schaffe ich auch Werke von aufstrebenden Künstlern an.“ Gerade diese bedürfen dieser Art der Öffentlichkeit für ihre Kunst. „Am Eröffnungstag des MACAAL kam der marokkanische Künstler Mustapha Akrim auf mich zu und bedankte sich. Auf meine Frage, wie ich zu dieser Ehre käme, antwortete er: ‚Für Ihren Einsatz, der es mir ermöglicht, meine Kunst in meinem Heimatland zu präsentieren. Ich muss nicht länger im Westen Klinken putzen, um Anerkennung zu finden. Ich finde sie nun hier.‘“ Wie fast alle hochwertigen Museen verfügt auch das MACAAL über einen Shop und ein Café, doch wenn es um die Auffächerung des Angebots und die Hinzunahme von Einzelhandel und Gastronomie geht, vermag keine private Kunsteinrichtung dem Château La Coste in der Nähe von Aix-en-Provence das Wasser zu reichen. Die Landschaft um das Anwesen aus dem 17. Jahrhundert, auf dem noch heute Wein, Oliven und Lavendel angebaut werden, ist gespickt mit über 40 oft ortsspezifischen Werken von Größen wie Ai Weiwei, Louise Bourgeois oder Alexander Calder sowie mit Gebäuden einiger Stararchi- 88

tekten wie Tadao Ando, Frank Gehry, Renzo Piano und Richard Rogers. Da sich selbst Kunstparks mit Tausenden von zahlenden Besuchern täglich niemals selbst tragen können, hat der Eigentümer Paddy McKillen, der unter anderem an der Eigentümergesellschaft der Londoner Hotels Claridge’s, Connaught und Berkeley beteiligt ist, ein breiter aufgestelltes Projektportfolio aufgelegt und steckt die damit generierten Einnahmen in die Erhaltung des Parks. Den Anfang machte ein Weingut, gestaltet von Jean Nouvel. Es folgten diverse Restaurants, die aktuell von Hélène Darroze und Francis Mallmann geleitet werden, und schließlich mit Villa La Coste noch ein fantastisches Hotel. Es gehört zu den gerade einmal 31 Häusern in Frankreich, denen die Ehre der Zuerkennung der Distinction Palace zuteilwurde, was es auf eine Stufe mit dem The Ritz, dem Plaza-Athénée und anderen Grandes Dames in Paris stellt. La Coste mag ein florierendes Unternehmen sein, doch was „mich umtreibt, ist die Frage, was passiert, wenn ich morgen vom Bus überfahren werde“, gibt McKillen zu bedenken. „Schließlich möchte ich nicht, dass das Ganze für die Hinterbliebenen zu einer Belastung wird. Château La Coste muss sich selbst tragen und aus sich selbst heraus weiterentwickeln können.“ Zum Glück trägt McKillen Langlebigkeit in seinen Genen. Aber wie jeder Auktionshausmitarbeiter bestätigen wird, bieten vor allem die „drei Ds“ den Anlass für den Verkauf von Kunst: Death, Debt and Divorce – also Tod, Schulden und Scheidung. Ein Verkauf im Vorgriff auf das Ableben ist eher unüblich – doch der damals 83-jährige Baulöwe Benedict Silverman aus New York tat genau das. Im Laufe von über 40 Jahren trug er eine Sammlung deutscher und österreichischer Kunst (Max Beckmann, Otto Dix, Gustav Klimt, Oskar Kokoschka, Oskar Schlemmer) sowie Möbelstücke der Wiener Werkstätten und des Jugendstils zusammen. Seine drei Kinder zeigten jedoch kein Interesse, und Ronald Lauder hatte mit der Neuen Galerie bereits ein Museum für deutsche und österreichische Kunst in New York etabliert. Silverman war auch Philanthrop und förderte Alphabetisierungsprogramme, denn „was soll aus einem Kind werden, das nie lesen gelernt hat? Wo soll es hin? Ziellos umherwandern? Oder ins Gefängnis? Ich weiß es nicht. Aber ein Kind, das zumindest lesen kann, hat eine Chance“. Der Wert seiner Sammlung wurde mit 160 Millionen USD bemessen und der Erlös aus dem Verkauf ging an die Wohlfahrtsorganisation Literacy Trust. Einst spürte Galerist Richard Nagy für Silverman Werke auf, später organisierte er den Verkauf. Er erinnert sich: „Er gehörte zu den wenigen Sammlern, die sich täglich mit ihrer Kunst beschäftigten. Er schenkte sich ein Glas Wein ein, setzte sich vor ein Bild und dachte über Zeit, Ort, Art und Weise der Entstehung ebenso nach wie über die Motivation des Malers. Mir fällt kein anderer Sammler ein, der sich so intensiv auf Kunstwerke eingelassen hat wie er. Daher vermutete ich immer, dass er sich schwer damit tun würde, sich von ihnen zu trennen.“ D och Silverman ging das Thema philosophisch an. „Ich habe für mein Leben gern gesammelt“, erzählte er Nagy während des Verkaufs. „Es war großartig. Ich bin Objekten nachgelaufen und brannte vor Leidenschaft, wenn ich etwas haben wollte. Ich genoss jeden Moment, wenn ich sie dann in meinem Wohnzimmer bestaunen konnte. Das gefiel mir besser als jedes Museum. Doch wir sind immer nur vorübergehende Verwalter. Die Leute fragen mich, ob es nicht schmerzen würde, die Sammlung aufzugeben, ob ich ein Gefühl von Verlust verspüren würde? Nein, nichts von alledem.“ Er habe beschlossen, „ein anderes Leben zu führen. Ich habe genug gegeben und genommen. Das war ein Teil meines alten Lebens, und es war fantastisch. Aber jetzt blicke ich in die Zukunft.“ Vier Jahre später starb er. Sein Vermächtnis lebt in den Hunderttausenden junger Menschen weiter, die durch seine Hilfe das Lesen gelernt haben. Vielleicht werden sie eines Tages Kunst ebenso lieben, wie er es tat. Ich habe genug gegeben und genommen. Das war ein Teil meines alten Lebens, und es war fantastisch. Aber jetzt blicke ich in die Zukunft. — Benedict Silverman 89

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