Aufrufe
vor 10 Monaten

Quality Engineering 04.2023

  • Text
  • Digitalisierung
  • Multisensorik
  • Nachhaltigkeit
  • Qualitaetsmanagement
  • Fertigungsmesstechnik
  • Messtechnik
  • Software
  • Engineering

IM FOKUS »

IM FOKUS » Nachhaltigkeit Daten aus der Fertigungsmesstechnik als Enabler für Nachhaltigkeit Der Kontext ist der Schlüssel Um eine nachhaltige Produktion zu erreichen, ist umfassendes Prozesswissen erforderlich. Dafür spielt die Fertigungsmesstechnik eine entscheidende Rolle. Doch die erfassten Daten liegen häufig unstrukturiert und ohne ausreichende Kontextinformationen vor. Durch die Anwendung der Fair-Prinzipien beim Datenmanagement lassen sich diese Herausforderungen bewältigen. Bild: WZL/RWTH Aachen Die geometrische Inspektion von additiv gefertigten Bauteilen beispielsweise produziert große Datenmengen sowie zugehörige Metadaten und Kontextinformationen. Diese müssen langfristig nutzbar gemacht werden, um drängende Fragestellungen der Nachhaltigkeitsbetrachtung zu adressieren. Matthias Bodenbenner Gruppenleiter Large- Scale Metrology Mark Sanders Leiter des Industriearbeits - kreises Präzisionsfertigung von Großbauteilen Robert Schmitt Direktor WZL | RWTH Aachen www.wzl.rwth-aachen.de Die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen in der Produktionstechnik hat zwei Aspekte: auf der einen Seite die nachhaltige Gestaltung der Produkte und Produktionsprozesse selbst. Auf der anderen Seite steht die Skalierung der Produktion von Nachhaltigkeitstreibern – beispielsweise im Bereich der erneuerbaren Energien. In beiden Fällen liegt ein erhebliches Potenzial in datengetriebenen Ansätzen. Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt auf, dass die technische Vernetzung und Integration von Messsystemen in die Fertigung und die damit verbundene breite Erfassung von Messdaten bereits weitgehend zum Alltag geworden sind. Die erfassten und gespeicherten Daten sind jedoch häufig unstrukturiert und unzureichend mit Kontextinformationen versehen. Häufig werden ausschließlich die gemessenen Werte gespeichert. Dies ist jedoch problematisch, da sich der zeitliche und organisatorische Horizont der Datennutzung durch langlebigere Produkte, welche eine inhärente Nachhaltigkeitsstrategie darstellen, deutlich verlängert. Das Fehlen von Kontextinformationen führt dazu, dass Werte Jahre später oder von Dritten nicht verstanden und verwendet werden können. Zu diesen Kontextinformationen gehören beispielsweise die gemessene Größe oder verwendete physikalische Einheit. Herausforderung ist daher die Inklusion messtechnischer und prozessspezifischer Metadaten in erfasste Datensätze. Diesen Defiziten und Herausforderungen kann durch die konsequente Anwendung der Fair-Prinzipien begegnet werden. Obwohl ursprünglich zur Etablierung von nachhaltigem Forschungsdatenmanagement entworfen, sind die Fair-Prinzipien auch für das industrielle Datenmanagement anwendbar. Ziel der Fair-Prinzipien ist die langfristige Auffindbarkeit, 28 Quality Engineering » 04 | 2023

Erreichbarkeit, Interoperabilität und Wiederverwendbarkeit von Daten (engl. Findability, Accessibility, Interoperability, Reusability). Der Punkt Findability – also Finden gespeicherter Daten - beinhaltet: Messdaten müssen mit vielen dazugehörigen Metadaten wiederauffindbar gespeichert werden. Im Kontext der Fertigungsmesstechnik sind das zu den Grundinformation über Messgerät und Messgröße auch weiterführende Informationen über die Messaufgabe oder den überwachten Prozess. Mit zusätzlichen Schlagworten versehen wird so sichergestellt, dass Daten im Nachhinein noch gefunden, verstanden, und nachvollzogen werden können. Zugriff auf Daten muss gewährleistet sein Accessibility bedeutet, dass der Zugriff auf gefundene Daten gesichert sein muss. Ein offener und dokumentierter Protokollund Datenformatstandard ermöglicht einen dauerhaften, flexiblen, und automatisierten Zugriff auf Daten und Metadaten. Dies bedeutet explizit nicht, dass Daten offen verfügbar sein müssen. Gemäß der Fair-Prinzipien gelten auch solche Daten als erreichbar, für die die Zugriffsregeln klar definiert und transparent kommuniziert sind. Autorisierung des Datenzugriffs über standardisierte Protokolle ist ein wesentlicher Baustein bei der Umsetzung von effizientem Datenmanagement aber gleichzeitiger Wahrung von Datenschutz und -souveränität. Hinzu kommt, dass die Verfügbarkeit der Messdaten über sehr lange Zeiträume hinweg sichergestellt werden muss, da verschiedene Daten-getriebene Anwendungen gegebenenfalls erst Monate oder Jahre nach der Datenerfassung auf diese Daten angewiesen sind. Ein Beispiel dafür ist die Bewertung, wie ein Produkt in weitere Lebenszyklen wiederverwendet kann (zum Beispiel Reuse, Remanufacturing oder Repurpose). Hier können Qualitätsdaten aus der Produktion relevant sein, die je nach Produkt Jahre zurückliegen kann – etwa bei einer Waschmaschine. Sind Kontextinformationen und Metadaten außerdem langfristig erreichbar, können Messdaten, welche gegebenenfalls nicht (mehr) vorliegen, mithilfe der Fertigungsmesstechnik reproduziert werden. Beim Punkt Interoperability geht es um ein einheitliches Verständnis der abgerufenen Daten. Die Interoperabilität von Daten umfasst zwei Dimensionen. Zum einen die technische Kompatibilität, die sich auf die Verwendung einheitlicher Standards der Datenformatierung bezieht. Zum anderen die semantische Interoperabilität, welche die Verwendung eines einheitlichen Vokabulars erfordert. Um ersteres zu erreichen, sollten bewährte und verbreitete domänenspezifische Standards genutzt oder Lösungen aus anderen Domänen angepasst werden (zum Beispiel OPC UA oder die Verwaltungsschale). Zweiteres kann durch die Etablierung und Verwendung von standardisierten Ontologien zur Beschreibung der Daten erreicht werden. Dies beinhaltet im Wesentlichen genormte Terminologien, die maschinenlesbar aufbereitet sind. Ein Beispiel dafür ist die QUDT-Ontologie, welche Definitionen aller physikalischen Messgrößen bereitstellt und einen umfassenden Katalog aller physikalischen Einheiten sowie die Zusammenhänge zwischen den Basis SI-Einheiten und Einheiten zusammengesetzter Größen beinhaltet. Das letzte der vier Fair-Prinzipien steht für Reusability – also der Wiederverwendung von Daten. Dies bezieht sich vor al- lem auf die notwendigen Informationen, die für die Entscheidung über die Verwendung von Daten erforderlich sind. Aus legislativer Sicht ist dies in erster Linie die Angabe einer Lizenz, welche die Wiederverwendung und damit verbundene Bedingungen definiert. Im Rahmen der Qualitäts- und Nachhaltigkeitsbetrachtung in der Fertigung ist das wichtigste Kriterium jedoch die Belastbarkeit und Vertrauenswürdigkeit der Daten. Die metrologische Rückführbarkeit gewährleistet die Belastbarkeit von klassischen Messdaten durch eine nachweisbare Verbindung zu international anerkannten Standards über eine lückenlose Kalibrierkette. Weitere Bedingung zur Sicherstellung der Belastbarkeit von digitalen Messdaten ist die digitale Rückführbarkeit. Dies ist besonders im Bereich der Datenverarbeitung von großer Bedeutung. Messdaten dürfen nicht nachträglich oder in böswilliger Absicht verändert werden können, ohne dass diese Änderungen nachverfolgbar und überprüfbar sind. Um die vertrauenswürdige Weitergabe und Verarbeitung von Messdaten zu ermöglichen, werden beide Aspekte der Rückführbarkeit digital abgebildet. Dazu wird eine Kombination aus einem digitalen Kalibrierzertifikat, einer modellbasierten Datenrepräsentation, und einer lückenlosen kryptographischen Chain of Trust vom Messwert bis zum nationalen Metrologie-Institut genutzt. Industrielle Messtechnik im Fokus Vom 26. bis zum 28. September 2023 findet die 3D Metrology Conference in der Metropolregion Bilbao statt. An der Konferenz mit dem Fokus industrielle Messtechnik nehmen bis zu 200 Anwender und akademisch renommierte Experten teil. Ein laut Veranstalter hochkarätiges Vortragsprogramm wird gepaart mit einer offenen Industrieausstellung, Special-Interest-Sessions und dedizierten Netzwerk-Formaten. Die 3DMC wird bereits zum achten Mal vom WZL der RWTH Aachen in Zusammenarbeit mit dem National Physical Laboratory (NPL), dem University College London (UCL), der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) sowie den Partnern Tekniker und Ideko organisiert. Weitere Informationen: www.3dmc.events Quality Engineering » 04 | 2023 29

Quality Engineering

© 2018 by Yumpu