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Rotary Magazin 11/2020

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Rotary Magazin 11/2020

SCHWERPUNKT – ROTARY

SCHWERPUNKT – ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN – NOVEMBER 2020 ROTARISCHES INTERVIEW BRAUCHT DIE POLITIK ROTARY? 30 «Das Wohl aller Beteiligten hat in der Politik zweifellos eine wichtige Bedeutung, aber es ist nicht möglich, sämtliche Wünsche zu erfüllen», sagt Rot. Beat Walti und ergänzt: «Falls Minderheiten unverhältnismässig eingeschränkt oder betroffen werden, sind dem Entscheid der Mehrheit jedoch Grenzen gesetzt.» Der Zürcher Rechtsanwalt und Nationalrat ist Präsident der freisinnigen Fraktion im Bundeshaus. Sein Vater Heinrich Walti war 1998/1999 Governor des Distrikts 2000. Zwischen den Grundwerten von Rotary und von politischen Parteien gibt es viele Gemeinsamkeiten. Braucht Rotary die Politik? Direkt nicht. Aber es gibt sicher eine Wechselbeziehung zwischen Menschen, welche rotarisch aktiv sind und solchen, welche in der Politik tätig sind. Beiderseits handelt es sich um Menschen, deren Interessen und Engagement nicht an der eigenen Türschwelle enden. Da findet man sich wieder bei den Grundwerten von Rotary. Braucht die Politik Rotary? Die Politik kann von Organisationen wie Rotary profitieren, weil die Politik von gesellschaftlich Verbindendem, von funktionierenden Strukturen und persönlichem Engagement lebt. Politik ist kein mechanischer Apparat. Politik bewegt sich in einem Verhandlungs- und Beziehungsgeflecht. Hier sehe ich zwischen Rotary und der Politik gegenseitig bereichernde Gemeinsamkeiten. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass zahlreiche Rotarierinnen und Rotarier in der Schweiz auch Spitzenpositionen in der Politik einnehmen? Eine direkte Kausalität gibt es dafür, so glaube ich, nicht. Aber es ist sicher kein Zufall, dass Leute, die der Res Publica gegenüber offen sind, sich in Organisationen wie Rotary wiederfinden. Ein Vorurteil lautet, bei Rotary handle es sich um eine Hochburg stramm bürgerlich denkender Leute. Ich nehme Rotary nicht als politisch gefärbte Institution wahr. Politik kann in rotarischen Runden Gegenstand von lebhaften Diskussionen sein. Es mag sein, dass sich Vertreter bürgerlicher Ausrichtung von Rotary eher angezogen fühlen als besonders progressiv denkende Leute. Der rotarische Appell an die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft ist aber sehr liberal und offen. Fakt ist: Die Werte von Rotary sind universell und damit für alle politischen Meinungen zugänglich. Könnte die rotarische Vierfragenprobe auch ein Verhaltenskodex für den Diskurs in der Politik sein? «DIE WERTE VON ROTARY SIND UNIVERSELL UND DA- MIT FÜR ALLE POLITISCHEN MEINUNGEN ZUGÄNGLICH» Zusammengenommen, als eine Art Werte-Set, ja. Mit Unwahrheiten zu operieren, ist weder in der Politik noch in der Gesellschaft tauglich. Die Fragen «Ist es fair für alle Beteiligten?», «Wird es Freundschaft und guten Willen fördern?» und «Wird es dem Wohl aller Beteiligten dienen?» würde ich unter dem Aspekt Streitkultur und Respekt zusammenfassen und je nach Themen und Situationen beantworten. Wichtig scheint mir, dass unterschiedliche Meinungen mit Anstand ausdiskutiert werden. Kein Standpunkt ist allein absolut richtig. Letztlich zählt das Ergebnis einer Diskussion. Dazu gehört, dass man eine Entscheidung auch akzeptiert, wenn sie nicht der eigenen Position entspricht. Das Wohl aller Beteiligten hat in der Politik zweifellos eine wichtige Bedeutung, aber es ist nicht möglich, sämtliche Wünsche zu erfüllen. Falls Minderheiten unverhältnismässig eingeschränkt oder betroffen werden, sind dem Entscheid der Mehrheit jedoch Grenzen gesetzt. Werden überparteiliche Beziehungen unter den aktuell 32 Rotarierinnen und Rotariern in der Bundesversammlung auch dazu genützt, um Koalitionen zu schmieden? Bis jetzt habe ich das so nicht erlebt. Das hat weniger mit Rotary zu tun als mit der hohen Kadenz in der Tagespolitik. Jedoch kann man bei informellen Gesprächen unter Rotary-Mitgliedern feststellen, ob und wie gewisse Ideen mit Sympathie mitgetragen werden oder nicht. Nach 14 Jahren als Zürcher Kantonsrat haben Sie seit 2014 einen Sitz im Nationalrat. Aktuell präsidieren Sie die Fraktion der FDP.Die Liberalen mit 29 Mitgliedern in der grossen Kammer und zwölf Mitgliedern im Ständerat. Was ist einfacher: Eine Versammlung mit lauter Alphatieren zu führen oder einen Sack Flöhe zu hüten? Sie sind nicht der Erste, der mich auf den «Sack Flöhe» anspricht. In den beiden Räten sitzen erfahrene Politikerinnen und Politiker mit klaren Vorstellungen. Diese wissen, wie sie eigene Überzeugungen durchsetzen möchten. Sie in konkreten Fragen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, ist nicht immer einfach. Ich erlebe diesen Prozess häufig als anstrengend, aber gleichwohl befriedigend. Die Kraft der Argumente bildet die beste gemeinsame Basis. Auch wer mit einem Beschluss der Fraktion nicht hundert Prozent glücklich ist, hatte die Möglichkeit, sich in die Diskussion einzubringen und kann verste-

SCHWERPUNKT – ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN – NOVEMBER 2020 hen, weshalb die Mehrheit zu einem anderen Ergebnis gefunden hat. Wir können nicht das Prinzip Befehl und Gehorsam praktizieren. Vielmehr sind wir auch bei schwierigen Themen dazu aufgefordert, uns zusammenzuraufen. Wenn man Sie in Diskussionen beobachtet, erhält man den Eindruck, nichts könne Sie aus der Ruhe bringen. Dieser Eindruck stimmt wohl nur teilweise. Mindestens nach aussen versuche ich, Ruhe zu bewahren. Ich bin eher der Typ, der einmal durchatmet, wenn er sich innerlich ärgert, der sagt, schau das Ganze an, wäge ab, bevor du reagierst. Sicher kann ich auch Emotionen zeigen. Letztendlich dreht sich alles um die Frage, wie man einen Prozess mitgestalten will. Können Sie sich vorstellen, eines Tages auch ein Exekutivamt auszuüben? Zum Beispiel als Bundesrat oder als Regierungsrat? Ich fühle mich ausserordentlich glücklich als Milizpolitiker und empfinde es als Privileg, in verschiedenen Rollen unterwegs sein zu dürfen: In der Politik, im Beruf und in der Familie. In der Politik bin ich nicht abhängig von dem, was ich geschäftlich unternehme und umgekehrt. Politische Karriereplanung ist nicht meine Sache und ich habe null Bedarf, meinen Beruf aufzugeben. Haben Sie angesichts Ihrer grossen Verpflichtungen genügend Zeit für Ihren Rotary Club? In bestimmten Lebensphasen kommt vieles zusammen. Da geht es leider häufig eher um eine Verzichtsplanung. Ich selbst habe das Bedürfnis, mich mit einer gewissen In- tensität mit Rotary auseinanderzusetzen. Ein «Papier-Rotarier» will ich nicht sein. Der Wert einer Rotary-Mitgliedschaft erschliesst sich aus der Art der Mitwirkung im Club. Ich sehe darin auch ein langfristiges Engagement. Wie kommen Sie mit der Präsenzpflicht zurecht? Diese ist für mich formal kein Problem, weil in unserem Club die Teilnahme an den Sessionen des Parlamentes als Präsenzen angerechnet werden. Ich will mich aber auch sonst mit genügender Intensität und Ernsthaftigkeit mit Rotary befassen. Das klappt insgesamt nicht schlecht. «ICH FÜHLE MICH AUSSERORDENTLICH GLÜCKLICH ALS MILIZPOLITIKER» Haben Sie einen Wunsch, den Sie Rotary mit auf den Weg geben möchten? Das Leben ist häufig kurzatmig und unverbindlicher geworden. Auch für Rotary besteht eine Aufgabe darin, sich durch eine kontinuierliche Erneuerung des Mitgliederbestandes in diesem Umfeld zu entwickeln. Sich in der Vergangenheit oder in der Gegenwart zu bewegen, genügt nicht. Rotary muss sich auf die Herausforderungen der Zukunft einstellen. K PDG Paul Meier | A zvg Ihr Vater Heinrich Walti wurde 1967 Mitglied des RC Zurzach-Brugg, später wechselte er in den RC Zürich. Er war Governor 1998/1999 des Distrikts 2000. Sie haben Jahrgang 1968 und sind seit 2009 ebenfalls im RC Zürich Mitglied. Die rotarische DNA ist Ihnen sozusagen also in die Wiege gelegt worden. Was bedeutet das für Sie? «In die Wiege gelegt» klingt vielleicht etwas überzeichnet. Mein Elternhaus hat mich nicht rotarisch «indoktriniert». Rotary war aber in meiner Jugendzeit stets präsent. Die Ideen und Werte von Rotary waren mir deshalb nicht fremd. Ich schätze es, heute Mitglied im Rotary Club Zürich zu sein. Rotarische Familie: PDG Heinrich Walti (links) mit seinem Sohn, Nationalrat und Rotarier Beat Walti (rechts). Beide sind Mitglieder des RC Zürich

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