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Rotary Magazin 11/2020

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Rotary Magazin 11/2020

SCHWERPUNKT – ROTARY

SCHWERPUNKT – ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN – NOVEMBER 2020 ROTARISCHES INTERVIEW MIT DEM GUTEN BEISPIEL V 36 «Rotary und Politik» – passen diese beiden Begriffe überhaupt zusammen? Urs Klemm, vormaliger Vertreter des Distrikts 1980 im Council on Legislation (CoL) und künftiges Mitglied im Board of Directors, kennt die Satzung von Rotary International so gut wie seine Hosentasche. Als ehemaliger Vizedirektor des Bundesamts für Gesundheit ist er mit den Mechanismen der Schweizer Politik bestens vertraut. Er erklärt: «Es steht Rotary als Organisation nicht an, Regierungen vorzuschreiben, was sie zu tun haben.» Zahlreiche Schweizer Rotarierinnen und Rotarier sind politisch engagiert. Haben Sie dafür eine Erklärung? Urs Klemm: Rotary will einerseits Persönlichkeiten mit Führungseigenschaften in seinen Reihen haben und anderseits für die Allgemeinheit etwas bewirken. Diese beiden Absichten sind deckungsgleich. Leute mit Leadership-Qualitäten sind prädestiniert, auch in der Politik Führungsverantwortung wahrzunehmen. In seinem Code of Policies bekennt sich Rotary als politisch neutrale Organisation. Rotary selbst darf keine politischen Initiativen ergreifen und auch nicht zu politischen Themen Stellung nehmen. Weshalb? Rotary will weltweit alle politischen Kreise involvieren, um humanitäre Ziele zu erreichen oder sich in anderen Themen wie etwa Umweltfragen zu engagieren. Niemand soll aufgrund seiner politischen oder religiösen Gesinnung ausgeschlossen werden. Es wäre also falsch, wenn Rotary zu einer Art Partei umfunktioniert würde. Rotary konzentriert sich darauf, in welche Richtung die Entwicklung führen soll und leistet praktische Unterstützung, damit ideelle Zielsetzungen erreicht werden können. Ist diese politische Neutralität noch zeitgemäss. Darf Rotary schweigen, wenn zum Beispiel Menschenrechte mit Füssen getreten werden? «ES WÄRE ALSO FALSCH, WENN ROTARY ZU EINER ART PARTEI UMFUNKTIONIERT WÜRDE» Entscheidend ist, dass sich Rotarierinnen und Rotarier für benachteiligte Menschen engagieren und mit dem guten Beispiel vorangehen. Aber es steht Rotary als Organisation nicht an, Regierungen vorzuschreiben, was sie zu tun haben. Solches wäre weder zielführend noch wirkungsvoll. Rotary war eine von 42 internationalen Organisationen, welche im Jahr 1945 einen aktiven Beitrag zur Gründung der Vereinten Nationen, der UNO, leisteten. Hat Rotary mit seiner Initiative politisch gehandelt oder nicht? Bei der UNO handelt es sich sicher um eine politische Institution. Aber gerade bei ihrer Gründung hat es sich gezeigt, wie Rotary Wirkung erzielen kann. Amerika vertrat damals eher einen isolationistischen Kurs. Es waren namhafte Rotarier des RC New York, welche den Delegierten der USA das Potenzial einer internationalen Vernetzung aufzeigten. Sie luden sie zu Lunches ein und veranschaulichten anhand von Rotary, was man gemeinsam weltweit bewirken kann. Dieser wichtigen «Geburtshilfe» ist es zu ver- danken, dass Rotary International bei der UNO heute noch einen Beobachterstatus geniesst, sich in die Diskussionen einbringen und Ideen platzieren kann. Auf solche Art kann man wertvolle Beiträge leisten, ohne dass man einem bestimmten politischen Lager zugeordnet wird. Rotary International fördert die Durchführung von Friedenskonferenzen. Auch vergibt RI Stipendien an junge Leute, welche Studienlehrgänge im Bereich der Friedensförderung absolvieren. Haben diese Aktivitäten einen politischen Hintergrund? Frieden ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass unsere Aktivitäten erfolgversprechend umgesetzt werden können. Ohne Frieden kann man keine Wasserversorgungen bauen, kann man nicht dafür sorgen, dass weniger Mütter sterben, kann man keine Ausbildungen fördern. Natürlich hat Friedensförderung eine politische Dimension, aber nicht im Sinne einer parteipolitischen Stellungnahme. Unsere Peace Fellows «NATÜRLICH HAT FRIEDENSFÖRDERUNG EINE POLITISCHE DIMENSION, ABER NICHT IM SINNE EINER PARTEIPOLITISCHEN STELLUNGNAHME» bringen unterschiedliche Parteien an einen Tisch, vermitteln unter unterschiedlichen Interessen und sind so bestrebt, Konflikte auf friedliche Art zu lösen. Das ist nur möglich, weil Rotary nicht a priori politische Standpunkte einnimmt und damit als eine Art Treuhänder akzeptiert wird. Als bestes Beispiel dafür verweise ich auf den Einsatz von Alejandro Reyes Lozano vom RC Bogotá Capital. Rotarier Lozano unterstützte auf vorbildliche Weise die Ver-

SCHWERPUNKT – ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN – NOVEMBER 2020 ORANGEHEN handlungsdelegationen, denen es im Jahr 2017 gelang, die Feindseligkeiten zwischen der Regierung und den revolutionären Streitkräften Kolumbiens, der FARC, nach 50 Jahren bewaffneter Konflikte im Land zu beenden. «ROTARY PROFITIERT AN VIELEN ORTEN VON EINEM HOHEN POTENZIAL AN VERTRAUEN» Kommt es vor, dass mit politischen Absichten Druck auf Rotary erzeugt wird? Rotary profitiert an vielen Orten von einem hohen Potenzial an Vertrauen. Es gibt Länder, in welchen man sagt, man kooperiere besser mit Rotary als mit Behördenorganisationen. Es ist sonnenklar, dass immer wieder versucht wird, Rotary vor den eigenen Karren zu spannen, auch für politische Anliegen. Hier gilt es, wachsam zu bleiben und an der vorgegebenen Linie festzuhalten. Nur so kann man auch langfristig Glaubwürdigkeit bewahren. Die einheitliche Verfassung für Rotary Clubs sieht vor, dass an Meetings über politische Themen gesprochen werden soll. Im Artikel 14 heisst es dazu: «Fragen des allgemeinen Wohlergehens des Gemeinwesens, des Staates und der Welt bilden einen angemessenen und ernstzunehmenden Gegenstand sachlicher und überlegter Diskussionen auf Clubzusammenkünften.» Diskussionen sind wichtig, um zu erken- nen, wo Handlungsbedarf besteht. Sie sollen jedoch sachlich geführt werden, ohne einzelne Clubmitglieder auszuschliessen oder in eine Ecke zu stellen. Auf keinen Fall darf in einem Rotary Club propagiert werden, wie etwa in einer bevorstehenden Gemeindeversammlung oder Volksabstimmung zu entscheiden sein wird. Politische Stellungnahmen von Rotary Clubs sind tabu. Auch ist es nicht erwünscht, dass in einem Club offiziell debattiert wird, wer für ein politisches Amt geeignet ist und wer nicht. Aber in manchen Freundschafts- oder Plauderlunches wird zwischen den Formalien politisiert, dass die Balken krachen. Es wäre fatal, wenn Rotary als Zensurbehörde auftreten würde. Unzulässig ist, rassistische oder sexistische Bemerkungen zu platzieren und einzelne Menschen in ihrer Würde zu verletzen. Aber es gehört zu unserer Kultur, dass man politische Themen in aller Offenheit und unter Wahrung des gegenseitigen Respektes miteinander diskutiert, auch um entgegengesetzte Meinungen erfahren und einordnen zu können. 37 Ist es erlaubt, in einem Wahlkampf darauf hinzuweisen, dass man Rotarierin oder Rotarier ist? Das ist nicht verboten. Wer das Rotary- Rädchen an seinem Revers trägt, bekennt Farbe, bestätigt, dass sie oder er die Grundwerte von Rotary teilt. Rotary ist keine Geheimorganisation. Jedoch ist es gemäss dem Rotary Code of Policies ausdrücklich untersagt, den Namen oder das Emblem von Rotary oder anderweitige rotarische Marken in politischen Kampagnen einzusetzen. K PDG Paul Meier | A zvg «Leute mit Leadership-Qualitäten sind prädestiniert, auch in der Politik Führungsverantwortung wahrzunehmen», anerkennt Urs Klemm, künftiges Mitglied im Board of Directors von Rotary International

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