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INHALT.ausgabe 26<br />
IN DIESER AUSGABE<br />
Stephan Heublein, Chefredakteur<br />
Perfektion auf und<br />
neben der Strecke<br />
Stunde der Perfektion - Ein glänzender Tisch, ein gut aufgelegter<br />
Interviewpartner und die blitzende Kamera unseres Fotografen.<br />
Doch irgendetwas stimmt an diesem Bild nicht: wo<br />
kommen die Stühle her, die eben noch von uns weggeräumt<br />
waren, um den Blick auf <strong>McLaren</strong>-CEO Jonathan Neale und unsere<br />
Chefredakteurin Kerstin nicht zu versperren, urplötzlich aber<br />
wieder an Ort und Stelle stehen? Wer sich in das Reich von Ron<br />
Dennis begibt, muss auf alles gefasst sein - auch auf tüchtige<br />
Hospitality-Mitarbeiterinnen, die in Windeseile jeden Stuhl<br />
<strong>zurück</strong>beamen und im perfekten Winkel ausrichten. Unser Fotograf<br />
sagt es treffend: »Wenn du in der <strong>McLaren</strong>-Fabrik einen Papierschnipsel<br />
fallen lässt und dich umdrehst, ist er wie auf wundersame<br />
Weise verschwunden.« In unserer Titelgeschichte ergründen<br />
wir die verlorene Perfektion und den Weg <strong>zurück</strong> zu selbiger.<br />
Stunde der Wahrheit - Mit der Perfektion seiner Königsklasse<br />
hat Casey Stoner abgeschlossen. Am Saisonende hängt einer der<br />
besten Motorradrennfahrer der Gegenwart seinen Helm an den<br />
Nagel - aber nicht, ohne vorher ausführlich mit unserem Motorradexperten<br />
Falko über sein neues Leben als Familienmensch zu<br />
plaudern. Offen, ehrlich und ohne Umschweife zieht Stoner Bilanz,<br />
erkennt, warum er nur langsam, wirklich schnell ist und verrät,<br />
wieso für ihn heutzutage zu viele Leute nach Perfektion suchen.<br />
Was wohl Ron Dennis davon hält?<br />
Formel 1<br />
mclaren: Silber <strong>schlägt</strong> <strong>zurück</strong> 22<br />
mclaren: Interview - Jonathan Neale 26<br />
top-teams: Entwicklungsrennen 30<br />
red bull: Die Auferstehung des Mark Webber 36<br />
top-5: Fernando Alonso 40<br />
interview: Daniel Ricciardo 44<br />
pirelli: Reifen-Geheimnis gelüftet 48<br />
Statistik: Buntes Gold 52<br />
history: Nürburgring Highlights 54<br />
Automobil<br />
interview: Hans-Jürgen Abt 60<br />
wrc: Der fast Unbezwingbare 64<br />
Nachwuchsstars: Plan B 66<br />
interview: Daniel Abt 68<br />
technik: Nissan GT-R GT3 70<br />
splitter: ADAC <strong>Motorsport</strong> 72<br />
Motorrad<br />
interview: Casey Stoner 76<br />
nicky hayden: Widerspenstiger Zähmer 82<br />
top-5: Rossis Fiaskos 86<br />
interview: Dani Pedrosa 90<br />
saison 2012: CRT - Eine Bilanz . 94<br />
interview: Andrea Dovizioso 98<br />
moto2: Ohne Moos nix los 102<br />
moto3: KTM - Ready to win 106<br />
wsbk: Max Biaggi auf Titeljagd 108<br />
x-fighters: Traum vom Freestyle-Gold 108<br />
Service<br />
Boxenstopp 4<br />
Kolumnen 14<br />
ZIELGERADE 112<br />
Impressum 114<br />
Foto: adrivo/Sutton Titelfotos: adrivo/Sutton, milagro, RACEPRESS<br />
2 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Pro VS.<br />
Formel 1 bei Olympia<br />
+++ PRO +++<br />
+++ CONTRA +++<br />
Lewis Hamilton<br />
durfte die<br />
olympische<br />
Fackel tragen<br />
Fotos: london 2012<br />
Die Formel 1 muss Olympisch werden! Warum auch nicht? Immerhin<br />
hat das IOC die FIA Ende 2011 für zwei Jahre provisorisch anerkannt.<br />
Der Motorradsport zählt bereits länger zu den anerkannten Sportarten<br />
- ebenso wie Schach, Bridge und Tauziehen.<br />
Die Kritikpunkte lassen sich schnell entkräften: Profisportler sind bei<br />
Olympia schon längst etabliert und die Rolle der Technik ist in anderen<br />
Disziplinen nicht minder groß. Egal ob beim Bobfahren, Segeln oder<br />
Schießen - das Sportgerät hat längst Hightech-Dimensionen erreicht.<br />
Bereits 1908 standen in London Motorbootrennen im Olympischen<br />
Programm, wo liegt da der Unterschied zu Auto- oder Motorradrennen?<br />
Ja, die Technik ist entscheidend, aber gerade die diesjährige F1-Saison<br />
zeigt mit sieben verschiedenen Siegern in den ersten sieben Rennen,<br />
dass der Fahrer einen großen Einfluss hat. Klar, HRT oder Marussia<br />
hätten wohl keine realistische Chance auf eine Olympiamedaille, aber<br />
haben diese 100m-Sprinter aus Amerikanisch-Samoa, dem Instelstaat<br />
Tuvalu oder der Republik Kiribati?<br />
Kein Ausrichter wird gezwungen, neben den ohnehin schon überteuerten<br />
Olympiaanlagen auch noch Unsummen in eine Rennstrecke zu<br />
investieren. Aber warum sollte ein F1-Rennen vor oder während der<br />
Olympischen Spiele nicht den Titel »Olympia Grand Prix« tragen und<br />
zusätzlich zu WM-Punkten auch olympische Medaillen vergeben werden?<br />
Schöner als so mancher Pokal wäre das allemal und der Wert<br />
für Fahrer, Fans und den Sport sicher grenzenlos.<br />
Text: Stephan Heublein<br />
Schneller, höher, weiter hinaus - so lautet das Motto der Olympischen<br />
Spiele. In diesem Punkt haben Olympia und die Formel 1 viel gemein,<br />
denn auch im Rennsport geht es darum, schneller und besser zu werden.<br />
Nichtsdestotrotz werden in den Schränken von Vettel, Hamilton<br />
& Co. weiterhin nur Pokale zu finden sein und kein olympisches Edelmetall<br />
- es sei denn, sie wechseln die Sportart.<br />
Fakt ist, dass die Formel 1 niemals eine olympische Disziplin werden<br />
wird. Bei Olympia steht der Athlet im Vordergrund und nicht die Technik.<br />
»Der menschliche Faktor muss vorherrschen«, betont IOC-Präsident<br />
Jacques Rogge immer wieder. Sicher sind auch Bobfahrer oder Segler<br />
auf technische Hilfsmittel angewiesen, nur spielt in diesem Fall die<br />
Technik eine untergeordnete Rolle.<br />
Bei der Formel 1 gehen Athlet und Technik Hand in Hand. Selbst ein siebenfacher<br />
Weltmeister kann ohne das nötige Equipment keine Erfolge<br />
einfahren. Dass es die Piloten reizen würde, einen »Olympia Grand Prix«<br />
auszutragen, ist verständlich. Doch selbst sie müssen zugeben, dass ein<br />
derartiger Grand Prix ins Land der Träume und Wunschvorstellungen gehört.<br />
»Wie soll eine Rennstrecke in die Olympischen Spiele aufgenommen werden?<br />
So etwas ist einfach nicht realistisch«, sagt Heikki Kovalainen. Michael<br />
Schumacher meint: »Ich bin damit aufgewachsen, dass die Formel 1 nicht<br />
olympisch ist, insofern fehlt mir nichts.« Dass das Thema dennoch alle<br />
vier Jahre auftaucht, liegt weniger an den Fahrern als an den Medien.<br />
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
4 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Text: Maria Pohlmann<br />
Kitschige Postkarte<br />
König Ludwig II. hätte Augen gemacht. Zur Einstimmung auf die Red Bull X-Fighters in München sprangen Eigo Sato und<br />
Mat Rebeaud vor Schloss Neuschwanstein in den bayrischen Alpen eine Reihe von Tricks. »Kitschig wie auf der Postkarte«,<br />
lachte Rebeaud, als er sich die Bilder später ansah. Ein Spektakel wie es das auch vor 150 Jahren zu Zeiten von<br />
Ludwig II. Otto Friedrich Wilhelm von Bayern gab, nur eben etwas moderner.<br />
Fotos: milagro, jörg mitter/red bull content pool<br />
hallo<br />
Taxi!<br />
Wahre Solidarität im Fahrerlager<br />
zeigt sich erst, wenn ein Pilot so<br />
richtig in der Klemme steckt.<br />
Während Max Biaggi in Monza<br />
der Sprit ausging, schmiss<br />
Valentino Rossi seine Ducati in<br />
Laguna Seca in den Kies. Beide<br />
mussten nicht warten, bis sich ein<br />
Teammitglied mit dem Scooter an<br />
die Strecke bequemte, sondern<br />
wurden komfortabel von Carlos<br />
Checa beziehungsweise Nicky<br />
Hayden abgeschleppt. So fair<br />
kann Motorradsport sein.<br />
5 Fragen an<br />
Alvaro Bautista<br />
1. Wenn es einen Film über dich gäbe, wie würde der Titel lauten?<br />
Vielleicht ‚Wie realisiere ich meinen Traum‘.<br />
2. Welcher Superheld wärst du gern?<br />
Superman, er ist eher eine Person wie du und ich. Er führt ein<br />
normales Leben. Die Kraft hat er in sich, er bekommt sie nicht<br />
für irgendetwas.<br />
3. Wann hast du das letzte Mal richtig einen<br />
draufgemacht?<br />
Ich kann mich an nichts mehr erinnern! [lacht] Nein, war<br />
nur ein Spaß. Das letzte Mal war glaube ich bei einer<br />
Weihnachtsparty.<br />
4. Was ist dein Lieblings-Anmachspruch?<br />
Schwierig... das hängt immer von der Frau ab. Ich sage einfach ein paar<br />
nette Dinge über sie. [lacht] Keine Ahnung.<br />
5. Welchen Star würdest du gern einmal treffen?<br />
Da bin ich mir nicht sicher, aber wenn es ein Schauspieler sein soll, dann<br />
sicher Nicolas Cage. Er ist sehr sympathisch. Man sieht ihn immer in den<br />
Filmen und ich würde gerne wissen, ob er in Realität genauso ist. Er ist<br />
mein Lieblingsschauspieler, also würde ich mich gern mit ihm treffen.<br />
6 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Prost!<br />
Auch von Colin Edwards wollten wir wissen: Wenn es einen Film<br />
über dich gäbe, wie würde der Titel lauten? Der Texaner musste<br />
lange nachdenken. »Ich weiß es nicht.« Ihm falle partout nichts ein.<br />
Er hatte allerdings eine andere Idee: »Warum klären wir das nicht,<br />
nachdem wir einen Drink hatten? Dann wird es sicher noch<br />
lustiger. [lacht] Ja, lass uns das später machen!« Aus einem wurden<br />
wahrscheinlich mehrere Drinks, denn Edwards war später nicht<br />
mehr aufzufinden.<br />
Traum-Ehe?<br />
»2003 waren wir Feinde, 2005 waren wir noch<br />
größere Feinde, 2008 waren wir immer noch<br />
Feinde. Nun umarmen wir uns, vielleicht<br />
heiraten wir ja in ein paar Jahren.«<br />
Jorge Lorenzo über die verbesserte Beziehung<br />
zu Dani Pedrosa
GT-WM<br />
wird<br />
World GT<br />
Die erst seit 2010 ausgetragene FIA-<br />
GT1-Weltmeisterschaft wird es schon<br />
ab dem Ende dieser Saison nicht mehr<br />
geben. Chronische Unterfinanzierung<br />
und der daraus resultierende Teilnehmermangel<br />
zwangen den Schöpfer<br />
der Serie, Stéphan Ratel, neuerlich<br />
zum Umdenken. So tüftelt der<br />
Sportwagen-Zampano zwar schon an<br />
einer Nachfolgeserie namens World<br />
GT, doch diesmal ohne eine Kooperation<br />
mit der FIA. Das neue Championat<br />
soll primär eines sein: bezahlbar.<br />
Gedopt und gesperrt<br />
A. J. Allmendinger steht vor dem<br />
Aus seiner NASCAR-Karriere. Der<br />
Kalifornier wurde bei einer offiziellen<br />
Dopingkontrolle positiv auf das<br />
Aufputschmittel Adderall getestet<br />
und von seinem Team Penske vor<br />
die Tür gesetzt, obwohl dieses ihm<br />
anfangs volle Unterstützung zugesprochen<br />
hatte. Allmendinger teilt<br />
damit das Schicksal von Ex-F1-Pilot<br />
Tomáš Enge, der ebenfalls wegen<br />
Dopings eine Sperre erhielt.<br />
Da waren‘s<br />
nur noch drei<br />
Ende im NASCAR-Gelände: Dodge wird sich im<br />
kommenden Jahr nicht mehr in Amerikas populärstem<br />
Zuschauersport engagieren. Schweren<br />
Herzens proklamierte der US-Autobauer, aufgrund des<br />
Weggangs des großen Penske-Rennstalls keine<br />
Aussichten auf weitere Erfolge zu haben. Ralph Gilles,<br />
Dodge-Mann und Überbringer der schlechten<br />
Nachricht, verabschiedete die Fans der Marke mit<br />
dem Widder typisch amerikanisch mit einem »big<br />
hug«, einer großen Umarmung.<br />
8 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Text: Yannick Bitzer<br />
Frustration bei Barrichello<br />
»Ich bin hier, um zu gewinnen«, stellte Rubens Barrichello<br />
unmissverständlich klar. Der ehemalige<br />
GP-Sieger ist gegenwärtig nicht zufrieden, was<br />
seine Bilanz in der amerikanischen IndyCar-Serie<br />
anbelangt. Nach dem zwölften Saisonlauf in Lexington,<br />
Ohio, monierte er offen die Situation in seinem<br />
Team KV Racing. 2013 wird er für selbiges nicht<br />
mehr an den Start gehen; stattdessen kokettiert er<br />
mit einer konkurrenzfähigeren Crew.<br />
Fotos: adrivo/Sutton, indycar, gt1 wm, Dodge, NASCAR<br />
Indycar-Umsteiger<br />
Mario Andretti<br />
Emerson Fittipaldi<br />
Nigel Mansell<br />
Jean Alesi<br />
Der Italiener ist einer der Piloten,<br />
die in der Formel 1 und der<br />
IndyCar-Serie den Titel gewannen.<br />
1984 gewann er den<br />
Indycar-Titel, bereits sechs Jahre<br />
zuvor gelang ihm in der Königsklasse<br />
der ganz große Wurf<br />
Heute pflegt der 66-Jährige eine<br />
Orangenbaumplantage und<br />
produziert Zigarren, doch noch in<br />
den 90ern war bei »Emmo«<br />
Racing angesagt. Erst mit 50<br />
verließ er die IndyCar Serie, die er<br />
1989 gewann. In den Jahren<br />
1972 und 1974 wurde er<br />
obendrein F1-Weltmeister.<br />
Zum erlesenen Kreis der Formel-1-<br />
und IndyCar-Champions zählt auch<br />
die »Red Five«. Nigel Mansell ist<br />
bis dato gar der einzige Pilot, der<br />
- wenn auch nur kurz - gleichzeitig<br />
Meister beider Serien war. 1992<br />
siegte er in der Königsklasse, 1993<br />
in Amerika.<br />
Es gab jedoch auch weniger glanzvolle<br />
IndyCar-Versuche vormaliger<br />
F1-Größen, etwa Jean Alesi. Nach<br />
201 GP-Starts ging er beim diesjährigen<br />
Indy 500, dem ersten und<br />
vermeintlich einzigen seiner Karriere,<br />
auf dem 33. Gesamtrang buchstäblich<br />
unter.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 9
Zukunfts-<br />
Motor<br />
Ab 2014 ist die Königsklasse mit 1,6 l<br />
V6-Turbomotoren unterwegs - die alten<br />
2,4 l V8-Aggregate haben dann ausgedient,<br />
sehr zum Leidwesen vieler Fans,<br />
die um den unverwechselbaren Sound der<br />
Formel 1 fürchten. Im Sinne eines grüneren<br />
Sports beinhaltet das neue Motorenreglement<br />
viele Einschränkungen, etwa<br />
beim Benzinfluss - ausgeweitet werden<br />
sollen Energierückgewinnungssysteme.<br />
Zudem wird die Motorleistung auf 15.000<br />
Umdrehungen pro Minute reduziert.<br />
Akute<br />
Probleme<br />
Mit PURE soll unter Federführung<br />
von Craig Pollock zukünftig<br />
ein weiterer Motorenhersteller<br />
hinzukommen. Doch das französische<br />
Projekt, das für seine<br />
Entwicklung unter anderem die<br />
ehemaligen Toyota-F1-Hallen<br />
bei Köln nutzt, musste den<br />
Betrieb aufgrund finanzieller<br />
Schwierigkeiten einstellen.<br />
<strong>McLaren</strong>-Teamchef Martin<br />
Whitmarsh wundert das nicht.<br />
Der Brite geht davon aus, dass<br />
es in der Saison 2014 ohnehin<br />
nur drei Motorenlieferanten<br />
geben wird, die die Teams mit<br />
den neuen V6-Aggregaten<br />
versorgen: Mercedes, Renault<br />
und Ferrari.<br />
Prominente<br />
Schrauber<br />
Prominenter Besuch im Mercedes-AMG-Werk in Affalterbach:<br />
Die Silberpfeil-Werkspiloten Nico Rosberg und<br />
Michael Schumacher schauten bei ihren Kollegen vorbei<br />
und halfen beim Zusammenbau eines Achtzylindertriebwerks.<br />
Rosberg erklärte anschließend: »Ich bin<br />
fasziniert von dem hochmodernen Unternehmen und<br />
dem professionellen Umfeld. Für mich war das auch<br />
ein spannender Vergleich zum letzten Jahr.« 2011 hatte<br />
der China-Sieger gemeinsam mit seinem Teamkollegen<br />
bereits dem F1-Motorenwerk in Brixworth einen Besuch<br />
abgestattet und dort im Wettstreit gegen die Zeit einen<br />
V8-Antrieb montiert.<br />
Fotos: adrivo/Sutton, mercedes-benz<br />
10 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Text: Frederik Hackbarth<br />
Erfolgreichste Motorenhersteller<br />
Ferrari<br />
Die Scuderia ist der mit Abstand erfolgreichste Motorenhersteller in der Formel<br />
1. Mit Ausnahme von Sebastian Vettels Sensationssieg im Toro Rosso 2008 in<br />
Monza holte Ferrari alle Siege mit dem Werksteam. Aktuell treten auch Sauber<br />
und Toro Rosso mit Ferrari-Power an.<br />
Ford<br />
Zwischen 1967 und 2004 belieferte Ford in Zusammenarbeit mit<br />
der Motorenschmiede Cosworth unzählige F1-Teams mit Antrieben.<br />
Über die Jahre erzielte Ford stolze 176 GP-Triumphe. Ein<br />
Einstieg als Konstrukteur, 2000 als Jaguar Racing, floppte jedoch<br />
gewaltig, was Ford dazu bewegte, Cosworth zu verkaufen.<br />
Renault<br />
1977 stiegen die Franzosen als Pioniere in die F1 ein und prägten durch die Einführung<br />
ihres erfolgreichen Turbomotors jahrelang das Gesicht des Sports. 1985<br />
verließ Renault die Königsklasse zum ersten Mal. Mit Renault und Red Bull feierte<br />
der Hersteller seit 2005 vier Fahrertitel.<br />
Mercedes<br />
Die Marke mit dem Stern war bereits 1954 und 1955 werksseitig<br />
erfolgreich in der F1 unterwegs. 1994 kehrten die Stuttgarter als reiner<br />
Motorenlieferant in die Königsklasse <strong>zurück</strong>, wobei Ende der 90er<br />
Jahre gemeinsam mit <strong>McLaren</strong> die größten Erfolge bejubelt wurden.<br />
Seit 2010 treten die Silberpfeile wieder mit einem Werksteam an.<br />
Motoren im Wandel der Zeit<br />
1950 ........................ 4,5 l Saug-, 1,5 l Kompressormotor<br />
1954 ..... 2,5 l Saugmotor, 750 ccm Kompressormotor<br />
1961 ......................................................1,3-1,5 l Saugmotor<br />
1966 .3,0 l Saug-, 1,5 l Turbo- oder Kompressormotor<br />
1972 ..............max. 12 Zylinder, Mindestgewicht 550 kg<br />
1986 ................................................................... 1,5 l Turbos<br />
1987 ........................ 1,5 l Turbos und 3,5 l Saugmotoren<br />
1989 ...............................................nur 3,5 l Saugmotoren<br />
1995 ............................................................... 3,0 l Motoren<br />
2005 .......................................................Motoren für 2 GP<br />
2006 .......................................2,4 l V8 oder limitierter V10<br />
2007 ................................................... max. 19.000 U/Min.<br />
2008 .................................................................. nur 2,4 l V8<br />
2009 .........KERS, 8 Motoren/Jahr, max. 18.000 U/Min.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 11
Boxenspion<br />
BOXENSPION<br />
Ein Toro Rosso im<br />
deutschen<br />
Sommerregen<br />
Mark Sutton<br />
Life Through a Lens<br />
Deutscher Sommer<br />
Dieses Foto habe ich aus einem Versteck in der Garage der FIA Safety Cars<br />
geschossen - so blieb ich trocken und konnte mit meinem 500mm Objektiv<br />
durch den Regen fotografieren. Toro Rosso Mechaniker schoben eines der<br />
Autos vom Scrutineering <strong>zurück</strong> und ließen es stehen, als es anfing zu gießen.<br />
Normalerweise sind die Räder und Frontflügel unter der Abdeckung versteckt,<br />
aber hier sind sie zu sehen, was etwas mehr Details zeigt. Man sieht, wie die<br />
Regentropfen vom Boden <strong>zurück</strong>prallen - es war ein bemerkenswert starker<br />
Regenschauer, der aber für ein schönes Bild sorgte.<br />
Die Vettel-Wachsfigur<br />
wurde aus dem<br />
Paddock verbannt<br />
Falscher Vettel<br />
Diese Wachsfigur von Madame Tussauds wurde<br />
am Sonntag in Hockenheim gesichtet. Eigentlich<br />
wollte RTL sie bei der Fahrerparade einsetzen, um<br />
die Fahrer damit zu filmen - das wäre sehr witzig<br />
geworden, aber stattdessen flog die Figur aus dem<br />
Paddock! Ich glaube, sie hatten keine Erlaubnis von<br />
der FOM, um sie ins Fahrerlager zu bringen und sie<br />
wollten keine Werbung machen. Dennoch war es<br />
lustig, zu sehen, wie die Vettel-Wachsfigur herumgeschoben<br />
wurde, während die Lady sein Makeup<br />
auffrischte und die Frisur richtete.<br />
Heiße Stimmung<br />
auf den Tribünen<br />
in Ungarn<br />
Verrückte Fans<br />
Jeder liebt Budapest. Es ist nicht allzu teuer,<br />
die Menschen sind sehr freundlich, es ist eine<br />
wundervolle Stadt und die Strecke ist nicht weit<br />
weg. Da verzeiht man sogar, dass die Rennen<br />
oft nicht besonders spannend sind. Ich weiß<br />
nicht, aus welchem Land dieser Fan stammt,<br />
ich glaube, er war Brite, er könnte aber auch<br />
Finne gewesen sein! Er lief nach der Siegerehrung<br />
herum und die Fans durften am Zaun<br />
hinaufklettern, so lange sie nicht in die Boxengasse<br />
stürmten. Es herrschte eine großartige<br />
Atmosphäre - viele Finnen, Schweden,<br />
eine Mischung vieler Nationalitäten.
+++ videos +++<br />
<strong>McLaren</strong> ist bierernst und versteht keinen Spaß?<br />
Mit der neuen Serie »Tooned« beweist der<br />
Rennstall von Ron Dennis das Gegenteil: ab sofort<br />
produziert <strong>McLaren</strong> lustige Cartoon-Videos mit<br />
Lewis Hamilton und Jenson Button. Gleich ansehen:<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com/goto/tooned<br />
bei der<br />
dtm geht<br />
die post<br />
ab!!!<br />
2.<br />
1.<br />
3.<br />
Fotos: adrivo/Sutton, racepress<br />
1. Kerstin und Stephan legten mit<br />
Daniel Ricciardo dessen Karrierefahrplan<br />
fest - wie es mit ihm weitergeht,<br />
lesen Sie ab S. 44<br />
2. Rund, schwarz und das Thema der Saison: Paul Hembery<br />
hatte Stephan viel über die Pirelli-Reifen zu erzählen...<br />
3. Freier Blick auf Jonathan Neale und<br />
Kerstin, kurz nach dem Foto räumten die<br />
fleißigen <strong>McLaren</strong>-Bienchen schon wieder<br />
die Stühle hin (mehr zum <strong>McLaren</strong>-Perfektionismus<br />
s. Editorial auf S. 2).<br />
Tipp mal<br />
wieder...<br />
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www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 13
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
Auszeit von<br />
den Egomanen<br />
rennfahrer geben an f1-wochenenden unzählige interviews. aber was geschieht, wenn die kameras aus sind?<br />
Vier Wochen Rennpause in der Formel 1. Diese Pause hatten nicht nur<br />
die Formel-1-Teams und Fahrer nach elf Stationen einer rastlosen<br />
Welttournee nötig. Auch wir Journalisten waren ganz froh über die<br />
kleine Auszeit von kräfteraubenden Interviews mit so manchem auf<br />
sich bezogenen Selbstdarsteller. Als Journalist verbringt man im Fahrerlager<br />
fast mehr Zeit wie im eigenen zu Hause und lernt dabei die<br />
Macken der Fahrer, Teamchefs und Pressesprecher, aber auch der<br />
Journalistenkollegen sehr gut kennen. Über die Marotten mancher<br />
Personen könnte man sogar ein Buch in dem Umfang eines Werks von<br />
Tolstoi verfassen. Sorry, mit Namen kann ich nicht dienen. Allerdings<br />
möchte ich vorwegnehmen, dass es sich hierbei nicht um Kimi Räikkönen<br />
handelt, wie viele wohl sofort vermutet haben. Der große Schweiger<br />
aus Finnland ist sicherlich kein Musterbeispiel für den perfekten<br />
Interviewpartner, doch man muss Räikkönen zu Gute halten, dass er<br />
sich seit dem Großen Preis von Spanien immerhin bemüht, auf halbwegs<br />
gescheite Fragen auch eine halbwegs gescheite Antwort zu geben.<br />
Sebastian Vettel hat gerne<br />
mal einen lustigen Spruch<br />
auf Lager<br />
Dass er dabei unverblümt sagt, was er denkt, ist für einige Journalisten<br />
erfrischend, für andere ein gefundenes Fressen. Das weiß auch Räikkönen:<br />
»Ich bin lange genug in der Formel 1 und kenne den Bullshit, der rund um<br />
das Rennfahren passiert. Die Leute wollen ihre Storys verkaufen und dafür<br />
werden irgendwelche Sätze aus dem Kontext gerissen, aber das kümmert<br />
mich nicht. Wenn man sich damit zu viel beschäftigt, wird man nur wütend<br />
und das hilft einem nicht.« Mancher Rookie sagt daher lieber erst gar nichts<br />
oder nur nichtssagende Floskeln, ehe er etwas Falsches sagt. Für einen<br />
Journalisten sind solche Interviews völlig unbrauchbar, dennoch kann man<br />
die Lage dieser Jungs gut verstehen, stehen doch schon hunderte anderer<br />
Talente in der Warteschlange auf ein Formel-1-Cockpit. Andere Neulinge<br />
hingegen scheinen beim Aufstieg in die Königsklasse ihre Manieren vergessen<br />
zu haben. Diese Art von Youngsters »schweigt« nicht aus Angst,<br />
sondern aus Arroganz. Als hätten sie bereits mehrfach die Weltmeisterschaft<br />
gewonnen, reagieren sie auf jede Frage gelangweilt, blicken nach vier<br />
Fragen, die sie lediglich mit Ja oder Nein beantwortet haben, genervt zur<br />
Pressesprecherin und fragen, ob sie nun endlich gehen dürften.<br />
Was macht ein Journalist in dieser Situation? Ich kann nur sagen: Nicht<br />
das, was man eigentlich machen würde. Es ist nun einmal für zukünftige<br />
Interviews nicht gerade von Vorteil, wenn man dem Gegenüber an die<br />
Gurgel springt. Daher lächelt man freundlich und erlöst den Gequälten<br />
aus der Interview-Hölle - und damit auch sich selbst. Mir ist durchaus<br />
bewusst, dass wir hier im Rennsport sind und nicht im Streichelzoo.<br />
Rennfahrer dieser Kategorie müssen geborene Egomanen sein. Denn<br />
wer das auf der Rennstrecke nicht ist, der wird auch nicht Weltmeister.<br />
Sebastian Vettel hat es vortrefflich erklärt: »Ein Arsch auf der Rennstrecke<br />
sein, aber nicht im Leben.« Und um die Piloten auch ein wenig in Schutz<br />
zu nehmen - es gibt auch Journalisten, die in die erste Kategorie fallen.<br />
Wie kleine Kinder heulen sie den Kommunikationschefs vor, wie sehr die<br />
Fragen des Kollegen nicht zum eigenen Interview-Thema gepasst hätten.<br />
Wie es dann kommt, dass die Fragen vom Kollegen in deren Interview<br />
auftauchen, lassen wir einfach mal so stehen. Aber schön, auch von<br />
diesen Leuten eine Auszeit gehabt zu haben...<br />
Fotos: adrivo/Sutton, red bull<br />
14 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Text: Stephan Heublein<br />
Gefahr für<br />
Leib und Leben<br />
<strong>Motorsport</strong> ist gefährlich. Sir Stirling moss glaubt sogar, rennsport müsse es sein. eine fragwürdige ansicht.<br />
Johnny Herberts<br />
schlimmer Unfall in der<br />
Formel 3000<br />
Dieser Unfall<br />
beendete die<br />
Karriere von Stirling<br />
Moss<br />
Lebensgefahr, Adrenalinrausch, Formel 1: ein Sport für echte Männer.<br />
Dieses Bild der todesmutigen Draufgänger ohne Angst vor dem damals<br />
Unvermeidlichen ist längst überholt. Felipe Massa, Robert Kubica, Jacques<br />
Villeneuve und viele andere Fahrer verdanken den verbesserten Sicherheitsvorkehrungen<br />
der Neuzeit ihr Leben. Stärkere Monocoques, striktere<br />
Crashtests, weite Auslaufzonen und vieles mehr haben die Boliden sicherer<br />
gemacht.<br />
»Es ist ein Jammer, denn wir hatten noch Spaß daran, Leib und Leben zu<br />
riskieren, aber so etwas gibt es heute einfach nicht mehr.« Die Worte klingen<br />
wie blanker Hohn. Doch sie stammen von jemandem, der es selbst beurteilen<br />
kann: Sir Stirling Moss gilt als der wohl beste Fahrer, der nie einen WM-Titel<br />
gewann. Für ihn war die Gefahr ein grundlegender Teil der Freude am Rennsport:<br />
»Wenn du nichts riskieren möchtest, dann spiel eben Tennis.« Dabei<br />
endete seine Karriere ausgerechnet nach einem schweren Unfall in Goodwood<br />
1962. Ein Hirntrauma, ein Monat im Koma und eine vorübergehende, halbseitige<br />
Lähmung waren die Folge.<br />
»Stirling hat es wieder gesagt!«, entfährt es Johnny Herbert auf seine ihm<br />
eigene Art, als ich ihn im Paddock auf Moss‘ wiederholte Sicherheitskritik<br />
anspreche. »In gewisser Weise stimme ich ihm ein kleines Bisschen zu«, meint<br />
Johnny, der eine ganz besondere Beziehung zur Gefahr im Rennsport besitzt.<br />
Schließlich hatte er in Brands Hatch 1988 selbst einen schlimmen Formel-<br />
3000-Unfall, bei dem er sich beide Füße und Knöchel mehrfach brach. Die<br />
Ärzte gingen davon aus, dass er nie wieder laufen würde können. Trotzdem<br />
gab Johnny nur sieben Monate nach seinem Unfall sein F1-Debüt in Brasilien!<br />
Er konnte kaum laufen, beendete seinen ersten Grand Prix jedoch als überragender<br />
Vierter. Noch heute erzählt er lebhaft die Anekdote, wie sich jahrelang<br />
Gras- und Gummirückstände von dem Unfall ihren Weg aus seinen Füßen<br />
bahnten.<br />
Dies gibt Einblick in die Psyche eines Rennfahrers vom alten Schlag, zeigt,<br />
wie er tickt oder ticken muss, um mit Unfällen und Verletzungen klarzukommen,<br />
wie sie heute kaum noch vorkommen. »Wenn ich meinen Unfall in den heutigen<br />
Autos gehabt hätte, wäre ich wahrscheinlich ohne jede Verletzung ausgestiegen«,<br />
ist Johnny überzeugt. Das bedeutet allerdings nicht, dass die F1 sich<br />
auf ihren hohen Sicherheitsstandards ausruhen sollte. »Es gibt immer seltsame<br />
Umstände wie bei den Unfällen von Henry Surtees oder Felipe Massa«, betont<br />
er. Eine Bestätigung der Unvorhersehbarkeit des Rennsports war der Aerotest-<br />
Unfall von Maria De Villota in diesem Sommer, bei dem die Spanierin ihr rechtes<br />
Auge verlor.<br />
Eine zu sichere Formel 1 wird es nie geben. Die Gefahr fährt immer mit, dumme<br />
Zufälle wie abgerissene Räder oder wegfliegende Federn lassen sich nie gänzlich<br />
ausschließen, selbst die viel zitierte Cockpitkuppel würde neue, unerwartete<br />
Gefahren mit sich bringen. Beim Anblick eines alten Boliden aus den 70er<br />
Jahren im <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> schaudert es eine Team-Pressesprecherin:<br />
»Wahnsinn, dass sie früher damit Rennen gefahren sind - an der Front gab es<br />
überhaupt keinen Schutz«, weist sie auf den wunden Punkt hin. »Kein Wunder,<br />
dass die ganzen ehemaligen Fahrer heute als TV-Experten wegen schwerer<br />
Beinverletzungen nur noch durchs Fahrerlager humpeln.«<br />
Dennoch ist an Moss‘ Aussagen das berühmte Körnchen Wahrheit dran. Supersichere<br />
Autos und weitläufige Asphaltauslaufzonen, die selbst in einst berüchtigten<br />
Mutkurven Vollgas erlauben und viele Fehler verzeihen, als ob nichts<br />
gewesen wäre, geben den Fahrern das Gefühl, dass sie mit allem durchkommen.<br />
»Früher wusste man, wenn man auf das grüne Zeug kommt, ist es aus«,<br />
erinnert sich Johnny. Heute gibt es immer weniger ‚grünes Zeug‘ neben der<br />
Strecke, bei Regen wird hinter dem Safety Car gestartet oder abgebrochen.<br />
»Sie sind die besten Fahrer der Welt«, betont Johnny, »und sie sollten auch<br />
bei den schwierigsten Bedingungen fahren können.«<br />
Fotos: milagro, adrivo/Sutton<br />
16 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
+++ IM Vergleich +++ IM Vergleich +++ IM Vergleich+++<br />
Batman gibt vollgas Die Fledermaus macht die <strong>Motorsport</strong>welt unsicher: Gresini Honda Pilot Michele<br />
Pirro versuchte sich auf dem Bat Bike und Lotus ließ seine Fahrer auf das Batmobil los. »Kimi war sehr gelassen und es hat ihm sehr<br />
gefallen«, beschreibt unser Fotograf Mark Sutton das Fotoshooting mit Kimi Räikkönen und Romain Grosjean. »Ehrlich gesagt glaube ich,<br />
dass Kimi am liebsten mit dem Batmobil auf der Strecke gefahren wäre!« Keine Spur von Langeweile, der Finne lachte, scherzte und ließ<br />
sich sogar das Cockpit erklären - er genoss einen PR-Termin! »Das war so ganz und gar untypisch für Kimi.« Wer weiß? Vielleicht soll der<br />
Spitzname Iceman ja nur ablenken von seiner wahren Identität als dunkler Rächer...<br />
Fotos: adrivo/Sutton, dtm<br />
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Text: FALKO SCHOKLITSCH<br />
Siege und<br />
Niederlagen<br />
Valentino Rossis Rückkehr zu Yamaha sorgte für Siege und Niederlagen, sollte aber auch zu denken geben.<br />
Valentino Rossi macht<br />
eine Rolle rückwärts: von<br />
Ducati geht es <strong>zurück</strong> zu<br />
Yamaha<br />
Die Sportwelt ist immer wieder eine paradoxe Sache. Da reden Athleten von Herausforderungen,<br />
die sie meistern wollen, von den großen Zielen, die sie erreichen wollen,<br />
nur um dann oft genug selbst die Kehrtwende zu machen und zu erklären, dass ein<br />
anderer Weg vielleicht doch der Bessere sei. In einer Welt, in der es im Normalfall<br />
nur einen Ersten gibt, ist das aber so. Helden steigen auf, Helden fallen, interessanterweise<br />
gibt es aber auch beim Absturz Sieger.<br />
Nehmen wir etwa Casey Stoner. Nie wurden sein Talent und sein Können höher eingeschätzt<br />
als nach Valentino Rossis beginnendem Absturz mit Ducati. Immerhin hatte der<br />
Australier 2010 mit der Ducati noch drei Siege, zwei zweite und vier dritte Plätze geholt<br />
- mit eben jener Ducati, auf der Rossi danach kein Bein auf die Erde brachte. Stoner fuhr<br />
derweil mit der Honda zu seinem zweiten WM-Titel und dominierte die MotoGP beinahe<br />
nach Belieben. Der Australier verlässt die MotoGP damit als Sieger, obwohl er 2012<br />
aufgrund verschiedenster Umstände vielleicht nicht Weltmeister werden wird.<br />
Und Rossi? Nun der hat seiner Legende sicher keinen guten Dienst erwiesen und seiner<br />
Marke sowieso nicht. Dennoch ist er in gewisser Weise auch ein Gewinner. Er durfte<br />
trotz zwei Jahren Krise miterleben, dass ihm fast überall die Türen offenstanden, um<br />
sich in sonnigere Gefilde aufzumachen. Egal wie er Honda und Yamaha früher auch<br />
verlassen hatte, er hätte bei beiden Herstellern unterkommen können, wobei er bei<br />
Honda in ein Satelliten-Team gemusst hätte, wo er Werksmaterial fahren hätte dürfen.<br />
Da war die Variante Yamaha logischer. Und er durfte merken, dass er wohl nach wie<br />
vor der größte Sponsoring-Magnet in der gesamten MotoGP ist, immerhin stellten sich<br />
gleich einige Geldgeber an, um seinen Wechsel, wohin auch immer, zu unterstützen.<br />
Rossi bekam also trotz seiner Niederlage bei Ducati weiter von allen Seiten sein<br />
Ego gestreichelt - es soll einem Schlimmeres passieren können. Und dank der<br />
Abschiedsgedanken des Italieners durfte auch Nicky Hayden einen Sieg feiern.<br />
Stand seine Vertragsverlängerung lange Zeit auf der Kippe, ging es vor Laguna<br />
Seca plötzlich ganz schnell und er konnte sich darüber freuen, auch 2013 wieder<br />
in einem Werksteam unterzukommen.<br />
Aber dank Rossis Niederlage mussten auch andere Fahrer leiden. Nicht zuletzt die<br />
beiden Tech-3-Piloten Andrea Dovizioso und Cal Crutchlow. Beide hatten auf einen<br />
Platz im Yamaha-Werksteam gehofft, auf jenen Platz, den Ben Spies von sich aus<br />
schon frühzeitig freimachte. Aber den wollte Rossi haben, dadurch mussten beide<br />
alternative Angebote annehmen, obwohl sie doch von Saisonbeginn nur den Aufstieg<br />
im Visier gehabt hatten.<br />
Die Erkenntnis aus der ganzen Geschichte ist eine einfache, die der MotoGP aber nicht<br />
besonders gut zu Gesicht steht. Egal wie gut die junge Generation an Fahrern ist, ein Typ<br />
wie Valentino Rossi wird an der Spitze gebraucht, sonst ergibt sich ein Aufmerksamkeits-<br />
Problem. Und egal wie toll Rossi und Ducati auf dem Papier auch zusammenpassten,<br />
das Experiment ist gescheitert und als der Italiener das selbst einsah, musste er sich<br />
nicht viel Mühe geben. Schon früh versprach ihm Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta, er werde<br />
2013 eine starke Maschine haben, mit der Yamaha wird er die bekommen. Den Wünschen<br />
des Superstars wurde wieder entsprochen und das wahrscheinlich noch zum Wohl aller.<br />
Denn nur mit einem starken Rossi stößt die MotoGP auch am Massenmarkt auf breites<br />
Interesse. Für die Macher der Königsklasse muss man dabei nur hoffen, dass sie auch<br />
einen Plan in der Schublade haben, was nach Rossi kommt, wenn Niederlagen nicht<br />
mehr so einfach in Siege umzuwandeln sein werden.<br />
Fotos: milagro<br />
18 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
DEBATTE: Maria Pohlmann, Eva Wagner & Falko Schoklitsch<br />
Yamahader<br />
einfache Weg?<br />
Falko Schoklitsch: Dass Valentino Rossi mit seiner Rückkehr zu Yamaha<br />
die eigene Niederlage bei Ducati quasi eingesteht, ist ja schön und gut.<br />
Aber was wird ihm nun in seiner neuen alten Heimat blühen? Immerhin<br />
kommt er nicht mehr als Heilsbringer, er kommt jetzt in Jorge Lorenzos<br />
Team. Also wenn er glaubt, dass er es bei Yamaha viel besser und leichter<br />
haben wird als bei Ducati, dann hat er sich womöglich geschnitten.<br />
Der Doktor kommt nach<br />
Hause zu seinem Baby -<br />
der Yamaha M1<br />
Maria Pohlmann: Etwas leichter wird Rossi es im alten/neuen Team<br />
sicherlich haben. Allein die M1 scheint leichter fahrbar zu sein. Der<br />
Doktor wird sich sicherlich schnell wieder auf die Yamaha einschießen,<br />
obwohl er zwei Jahre ausgesetzt hat. Fraglich ist nur: wie kann<br />
er damit umgehen, dass er zum ersten Mal in seinem Leben hinten<br />
ansteht? Lorenzo ist und bleibt für Yamaha die klare Nummer eins,<br />
auch wenn Rossi die nötigen Absatzzahlen <strong>zurück</strong>bringt.<br />
Eva Wagner: Rossi hat sich diese Entscheidung sicher nicht leicht gemacht.<br />
Er hat in den letzten Jahren gemerkt, dass es ihn nicht befriedigt, um Plätze<br />
6 bis 10 zu fahren. Er will siegen, sich duellieren und zeigen, was er drauf<br />
hat - aber er wird auch nicht jünger. Um trotzdem nochmal an der Spitze<br />
mitzufahren, ist dieser Schritt <strong>zurück</strong> zu Yamaha unumgänglich, auch wenn<br />
er zunächst sicher lernen muss, sich unterzuordnen. Er ist erfahren und reif<br />
genug, um sich zu behaupten, auch wenn er nicht zwangsläufig die Nummer<br />
eins sein wird.<br />
Falko: Rossi kommt sicher als Nummer zwei <strong>zurück</strong>, doch er ist einerseits<br />
heiß, andererseits ist er ein Marketing-Magnet und dürfte dem Yamaha-<br />
Werksteam wieder die Sponsoren bringen, die es seit seinem Abschied<br />
Ende 2010 so schmerzlich vermisst hat. Wenn der Rubel im Team wieder<br />
rollt, könnte man sich schnell eines Besseren besinnen. Andererseits wird<br />
vieles davon abhängen, wie sich Rossi gegen Lorenzo behauptet und angesichts<br />
der Entwicklung, die der Spanier in den vergangenen Jahren genommen<br />
hat, wird es einiges brauchen, um ihn zu biegen.<br />
Maria: Jetzt hat Lorenzo das Ruder in der Hand und obwohl er<br />
meinte, dass es ihn nicht stört, wieder Rossi in der Garage zu haben,<br />
scheint sein Status mit dem Star nebenan etwas in Gefahr. Der Mallorquiner<br />
könnte mit Leichtigkeit <strong>zurück</strong>schießen, nachdem ihm<br />
Rossi beim Yamaha-Einstieg vorgeworfen hatte, dass er sich mit dem<br />
von Rossi entwickelten Bike ins gemachte Nest gesetzt hat. Bleibt<br />
zu hoffen, dass Lorenzos Arbeit und Treue gegenüber Yamaha belohnt<br />
wird und sich der Nummer-1-Status nicht in wenigen Wochen zugunsten<br />
der Verkäufe und Fans in Luft auflöst.<br />
Eva: Vielleicht schätzen wir ihn auch alle falsch ein und Rossi genießt es, als<br />
Fahrer nicht den Nummer-1-Status, aber dennoch das Vertrauen des Teams<br />
und vor allem der Sponsoren auf seiner Seite zu haben. Das wiederum könnte<br />
auch eine Herausforderung für Lorenzo darstellen. Denn dann ist er wirklich<br />
gefragt.<br />
Maria: Ob Nummer eins oder Nummer zwei: Rossi geht mit dem<br />
Wechsel erneut ein Risiko ein, die Fans wollen ihn gewinnen sehen,<br />
auch er will wieder aufs Podest krabbeln. Sollten diese Erwartungen<br />
enttäuscht werden, wird er den Helm wohl an den Nagel hängen<br />
können.<br />
Falko: Nur wie er den Helm dann an den Nagel hängt, wäre wohl<br />
seiner bisherigen Karriere kaum würdig. Eigentlich ist es fast deprimierend,<br />
wenn man daran denkt, dass Rossi nach dem Scheitern bei<br />
Ducati nun bei Yamaha auch untergehen könnte und sich sein aktuell<br />
angeknackstes Denkmal damit komplett zerstört. Es ist wohl anzunehmen,<br />
dass er wieder Rennen gewinnen wird, immerhin ist die<br />
Yamaha M1 seine große Liebe, auch wenn sie sich seit seinem<br />
Abschied verändert hat. Ob aber das alleine reicht, um die Öffentlichkeit<br />
wieder zufriedenzustellen, ist offen. Vielleicht wird er Lorenzo<br />
schlagen müssen, damit er wieder obenauf ist - und das wird eine<br />
harte Nuss.<br />
Eva: Rein theoretisch kann er nur gewinnen. Er zeigt, dass er sich der Konkurrenz<br />
mit Lorenzo stellt. Und nach seiner Ankündigung, in zwei Jahren<br />
aufzuhören, steht sowieso fest, dass er sich nach 2014 aus dem Geschäft<br />
<strong>zurück</strong>ziehen wird - mit welcher Begründung auch immer.
20 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Foto: red bull<br />
schlüssel<br />
zum titel<br />
Von wegen Sommerpause:<br />
David Coulthard<br />
und Red Bull mischten<br />
mit einem Showrun die<br />
Innenstadt von<br />
Kopenhagen auf.<br />
Eigentlich führt kein Weg daran vorbei, dass Fernando<br />
Alonso in diesem Jahr seinen dritten WM-Titel einheimst.<br />
Wegen des widererstarkten F2012-Boliden<br />
oder seinen fahrerisch überragenden Qualitäten? Nein,<br />
der Hauptgrund heißt Felipe Massa. In keinem anderen<br />
Top-Team herrscht solch eine große Diskrepanz zwischen<br />
zwei Teamkollegen wie bei Ferrari. Davon profitiert<br />
allein Alonso, denn der Fokus der Scuderia ist<br />
komplett auf den spanischen Alleinherrscher gerichtet.<br />
Massa verkommt zur Randnotiz. Mit hundertprozentiger<br />
Unterstützung im Rücken kann der Titel nur<br />
über Alonso führen, weil sich bei den anderen Teams<br />
noch immer keine Nummer 1 herausgebildet hat. -<br />
Robert Seiwert<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 21
McLa<br />
<strong>McLaren</strong> gilt als Synonym für Perfektion. Doch auch ein Perfektionsteam ist<br />
vor Fehlern und Rückschlägen nicht gefeit. Wer den Titel gewinnen will, muss<br />
Misserfolge verkraften und sich <strong>zurück</strong>kämpfen. Das ist <strong>McLaren</strong>-mercedes<br />
bravourös gelungen.<br />
22 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
en<br />
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
is back<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 23
Das Adrenalin steigt, der Körper ist angespannt, obwohl<br />
jeder Handgriff tausendmal trainiert wurde. Alles folgt<br />
einer detaillierten Choreographie. Die Vorgaben sind<br />
klar - schnell und perfekt muss alles über die Bühne<br />
gehen. Pannen oder Slapstickeinlagen dürfen nicht mehr vorkommen. Dann<br />
geht es los, alles passiert innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde. Zum<br />
Überlegen bleibt keine Zeit, jeder muss sich auf seinen Instinkt verlassen. Der<br />
erlösende Moment erfolgt mit dem Blick auf das Zeitmessgerät - 2,31<br />
Sekunden, Weltrekord! Ein Mensch benötigt in etwa diese Zeit, um viermal in<br />
die Hände zu klatschen. Das Boxenballett von <strong>McLaren</strong> wechselte in Hockenheim<br />
in diesem Zeitraum vier Reifen. »Die Jungs haben einen phänomenalen<br />
Job gemacht. Sie können echt stolz sein«, lobte Jenson Button seine Crew.<br />
Noch zu Saisonbeginn war der Boxenstopp die wohl größte Problemzone bei<br />
<strong>McLaren</strong> und ließ Teamchef Martin Whitmarsh und der restlichen Führungsmannschaft<br />
trotz perfekter Wintervorbereitung und dem Auftaktsieg in<br />
Melbourne ein graues Haar nach dem anderen wachsen. »<strong>McLaren</strong> wird in<br />
der Öffentlichkeit gern als Perfektionsteam gesehen, aber auch <strong>McLaren</strong><br />
macht Fehler. Fehler sind nur natürlich, obwohl wir in der Presse dafür<br />
kritisiert werden«, erklärt <strong>McLaren</strong>-Geschäftsführer Jonathan Neale. Den Ruf<br />
als Perfektionsteam - egal ob positiv oder negativ behaftet - hat sich <strong>McLaren</strong><br />
hart erarbeitet. Mit acht Konstrukteurs- und zwölf Fahrertiteln schrieb der<br />
Rennstall neben Ferrari den größten Teil der Formel-1-Historie mit. Auf dem<br />
Hungaroring fuhr der britische Rennstall die 150. Pole Position in der<br />
Team-Geschichte ein.<br />
»Wenn ich mir das Auto im<br />
Detail betrachte - es einfach<br />
nur ansehe - dann sieht es<br />
nicht so aus wie die anderen.<br />
Es ist ein signifikanter<br />
Unterschied. Ich bin kein<br />
Aerodynamiker, aber da muss<br />
irgendetwas sein.«<br />
»Das ist ein wichtiger und weiterer Meilenstein für unser Team. Das zeigt, wie<br />
lange und erfolgreich wir schon in der Formel 1 sind. Vor 25 Jahren als<br />
<strong>McLaren</strong> in den Sport einstieg, war Ferrari die Mega-Marke und wir nur ein<br />
kleines Team. In all den Jahren sind wir als Marke enorm gewachsen und das<br />
ist entscheidend«, sagt Whitmarsh stolz. Doch in der Formel 1 ist ein Team<br />
nur so gut wie der letzte Erfolg und so wurde bei <strong>McLaren</strong> der Pole-Position-<br />
Meilenstein nicht großartig gefeiert. »Wenn man schon so lange wie ich in der<br />
Formel 1 dabei ist, dann verhält es sich mit solchen Meilensteinen wie mit<br />
Geburtstagen. Man macht einfach normal weiter, ohne groß zu feiern«,<br />
erklärt Whitmarsh.<br />
Die Ziele für die zweite Saisonhälfte sind klar definiert. Auf die Siege von<br />
Australien, Kanada und Ungarn sollen weitere folgen. Am Ende der Saison<br />
24 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
will <strong>McLaren</strong> mit einem seiner Piloten nach vier Jahren Abstinenz den<br />
Fahrertitel gewinnen. Noch länger wartet der erfolgsverwöhnte Rennstall auf<br />
den Konstrukteurstitel, zuletzt ging der Pokal 1998 nach Woking. Dass<br />
<strong>McLaren</strong> kurzzeitig sogar nur auf Platz vier der Konstrukteurswertung lag, war<br />
ein schwer verdaulicher Rückschlag. »Die Dinge ändern sich in dieser Saison<br />
sehr schnell. Wir erlebten in Valencia und Silverstone zwei enttäuschende<br />
Rennen und das Ergebnis davon war Platz vier«, erklärt Neale. Dabei sah es in<br />
den ersten drei Rennen der Saison danach aus, als wäre <strong>McLaren</strong> das Team,<br />
das es 2012 zu schlagen galt. Doch in diesem Jahr ist in der Formel 1 nichts so<br />
wie es scheint. Ferrari lief <strong>McLaren</strong> den Rang als bestes Entwicklungsteam ab<br />
und auch Red Bull tauchte wieder auf dem Siegertreppchen auf. Nach dem<br />
Debakel in Bahrain und Silverstone wurde daher auch die Kritik auf Fahrerseite<br />
lauter.<br />
Erfolgsstatistik*<br />
Erster GP-Start: Monaco 1966<br />
Rennstarts: 714<br />
Konstrukteurstitel: 8<br />
Fahrertitel: 12<br />
GP-Siege: 178<br />
Pole Positions: 150<br />
Schnellste Runden: 149<br />
WM-Punkte insgesamt: 4.843,5<br />
*Stand: Nach dem Ungarn GP 2012<br />
»Wenn ich mir das Auto im Detail betrachte - es einfach nur ansehe - dann<br />
sieht es nicht so aus wie die anderen. Es ist ein signifikanter Unterschied. Ich<br />
bin kein Aerodynamiker, aber da muss irgendetwas sein«, klagte Jenson<br />
Button. Bereits bei der Präsentation des MP4-27 stieß dieser signifikante<br />
Unterschied allen Betrachtern ins Auge. <strong>McLaren</strong> ging seinen eigenen Weg<br />
und verzichtete im Gegensatz zur Konkurrenz auf die wegen ihrer wenig<br />
schmeichelhaften Ästhetik gescholtene Stufennase. Die weltweite Presse fragte<br />
sich, ob der Bolide so den Titel gewinnen könne oder doch nur einen<br />
Schönheitspreis. Neale gesteht, dass es zu Beginn Momente gab, in denen das<br />
Team am eingeschlagenen Weg gezweifelt hat. »Als die neuen Autos präsentiert<br />
wurden, waren wir sehr nervös und haben uns gefragt: ‚Wissen wir etwas,<br />
was die anderen nicht wissen oder haben wir uns massiv geirrt?‘ Aber als wir<br />
das Auftaktrennen in Australien gewonnen haben, war klar, dass unser Weg<br />
richtig war.«<br />
Nichtsdestotrotz brauchte <strong>McLaren</strong> ein Facelift, das war auch Hamilton klar,<br />
der nach dem Rennen in Silverstone SOS in Richtung Woking funkte: »Ich<br />
habe mir das Herz aus dem Leib gefahren, aber es fehlte uns generell an<br />
Tempo. Da ist einiges an Zeit, die wir irgendwo finden müssen. Wir müssen<br />
Fotos: adrivo/Sutton, mclaren<br />
irgendwoher viel Abtrieb bekommen.« Eine konkrete Idee<br />
konnte allerdings auch Hamilton nicht auf den Tisch legen.<br />
»Ich weiß nicht, wie die Jungs das anstellen sollen, aber ich<br />
bete dafür, dass sie es tun.« Sein Gebet wurde von den<br />
Ingenieuren erhört. Nach Hockenheim brachte <strong>McLaren</strong> ein<br />
großes Update-Paket und mit diesem Facelift kam auch der<br />
Erfolg <strong>zurück</strong>.<br />
Durch den Umbau der Heckpartie verfügt der MP4-27 über<br />
deutlich mehr Grip, wodurch die Hinterreifen nicht mehr so<br />
stark leiden. In Hockenheim fuhr <strong>McLaren</strong> wieder auf<br />
Augenhöhe zu Ferrari sowie Red Bull und hatte Chancen auf<br />
den Sieg, der eine Woche später in Budapest schließlich folgte.<br />
»Unser Update-Paket am Auto ist sehr viel versprechend. Ich<br />
denke, damit werden unsere Fahrer wieder an der Spitze<br />
mitkämpfen und <strong>McLaren</strong> dorthin bringen, wo wir hingehören«,<br />
ist Neale überzeugt. Button und Hamilton können<br />
durchaus Mut fassen, denn der Titel scheint wieder realistisch<br />
- und <strong>McLaren</strong> hat vor, das hohe Entwicklungstempo weiterzugehen.<br />
»Wenn man Weltmeister werden will, muss man das<br />
Auto in jedem Rennen weiterentwickeln. Wir müssen für jedes<br />
Rennen ungefähr 0,25 Sekunden finden, also alle vier Rennen<br />
eine Sekunde schneller werden«, rechnet Whitmarsh vor.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 25
Fotos: adrivo/Sutton<br />
26 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Die<br />
Magie<br />
des<br />
Sports<br />
Hoch und runter: <strong>McLaren</strong> erlebte eine turbulente erste Saisonhälfte. Das<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> sprach mit Geschäftsführer Jonathan Neale über das<br />
Entwicklungsrennen, Perfektionismus und die Magie der Formel 1.<br />
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
MSM: Die Sommerpause ist vorbei. Werden<br />
wir jetzt bald ein klareres Bild von den Favoriten<br />
erhalten?<br />
JONATHAN NEALE: Vielleicht noch nicht<br />
sofort in den ersten Grand Prix, aber in den<br />
darauffolgenden Rennen. Natürlich ist unser<br />
Plan, dass <strong>McLaren</strong> zu den Favoriten gehört.<br />
Wir pushen sehr hart, wenn es um die Entwicklungen<br />
für die kommenden Rennen geht. In<br />
den letzten Wochen haben wir einen Schwung<br />
an neuen Ideen entwickelt. Wir werden<br />
bestimmt nicht nachlassen, sondern es wird<br />
noch einiges kommen. Ich freue mich schon<br />
sehr, die Ideen auf dem Auto zu sehen. Sorgen<br />
mache ich mir erst, wenn uns die Ideen ausgehen,<br />
aber im Moment ist das nicht der Fall.<br />
Die erste Saisonhälfte war turbulent, mit sieben<br />
verschiedenen Siegern in sieben Rennen.<br />
Jonathan Neale<br />
ist mit dem<br />
Aufwärtstrend<br />
zufrieden<br />
Doch nicht jeder war damit glücklich.<br />
Für die Formel 1 und die Fans war die erste<br />
Saisonhälfte großartig. Für die Teamchefs und<br />
die Fahrer weniger, aber dass verschiedene<br />
Piloten ein Rennen gewinnen oder auf dem<br />
Podium stehen können, macht die Formel 1<br />
aufregend. Das lässt den WM-Kampf offen und<br />
jeden weiterhin über den Sport sprechen.<br />
Was muss passieren, damit <strong>McLaren</strong> am Ende<br />
der Saison beide WM-Wertungen anführt und<br />
welcher Titel wäre für Sie von größerer<br />
Bedeutung?<br />
Es ist ganz einfach, wir müssen in Sachen Entwicklungen<br />
weiter pushen. Die Basis des Autos<br />
stimmt, wir haben zwei großartige Fahrer, jetzt<br />
entscheidet das Entwicklungsrennen, wer am<br />
Ende den Titel gewinnt. Welcher Titel für mich<br />
die größere Bedeutung hat, ist wirklich eine →<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 27
<strong>McLaren</strong> legte<br />
einen besseren<br />
Saisonstart hin<br />
als 2011<br />
knifflige Frage. Natürlich ist für den Fahrer der<br />
Fahrertitel der Wichtigste. Ich persönlich<br />
würde aber lieber die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft<br />
gewinnen.<br />
Wie zufrieden sind Sie generell mit dem Entwicklungsprozess<br />
über die Saison hinweg und<br />
was steht in der zweiten Saisonhälfte auf der<br />
»To-do«-Liste?<br />
Mitte September werden wir beginnen, uns<br />
Gedanken über die Saison 2013 zu machen. Der<br />
Fokus wird aber weiterhin auf dieser Weltmeisterschaft<br />
liegen. Wir wollen um den Titel mitkämpfen<br />
und sind überzeugt, dass wir schnell<br />
genug sind und das auch können. Deshalb heißt<br />
es weiter pushen.<br />
Welchen Effekt hat die Verpflichtung von Sam<br />
Michael auf das Team gehabt?<br />
Sam wurde als Sportdirektor ins Team geholt.<br />
Er ist dafür zuständig, dass wir eine gute, konstruktive<br />
Beziehung zur FIA und den Rennstewards<br />
pflegen. Wir mussten dieses Jahr das eine<br />
oder andere Mal zu ihnen - wenn auch nicht so<br />
häufig wie im letzten Jahr. [lacht] Sam ist ein<br />
echter Racer und stellt sicher, dass unsere Fahrer<br />
an einem Rennwochenende in Bestform sind.<br />
Sein Hauptaufgabenbereich umfasst allerdings<br />
die Arbeit an der Strecke. Er hat den Überblick<br />
Jonathan Neale erklärt dem<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>, wie <strong>McLaren</strong><br />
<strong>zurück</strong>schlagen konnte<br />
über die Vorgänge in der Box, bei den Boxenstopps,<br />
etc. Er ist dafür verantwortlich, dass wir<br />
gute Leute in der Box haben und dass die Disziplin<br />
über die Saison hinweg aufrecht erhalten<br />
bleibt. Dieses Jahr lief der eine oder andere<br />
Boxenstopp nicht perfekt, aber wir haben uns<br />
in diesem Bereich stark verbessert, sowohl bei<br />
der Konstanz als auch der Schnelligkeit. Ich bin<br />
sehr froh, dass Sam zu uns gestoßen ist.<br />
Die Patzer bei den Boxenstopps sorgten in der<br />
ersten Saisonhälfte tatsächlich für Gesprächsstoff.<br />
Viele stellten sich die Frage, wie einem<br />
Perfektionsteam à la <strong>McLaren</strong> solche Fehler<br />
unterlaufen konnten?<br />
Bei einem Boxenstopp geht es um Technik, Athletik,<br />
Fahrerposition und Glück. Gerade in<br />
einem Bereich wie diesem, in dem die Leute hart<br />
pushen und an ihre Grenzen gehen, passieren<br />
sehr leicht Fehler. Aber wir haben uns verbessert.<br />
In Silverstone absolvierten unsere Piloten<br />
vier Stopps und bis auf einen Stopp waren alle<br />
unter drei Sekunden. In Hockenheim legte<br />
unsere Boxencrew sogar den schnellsten Boxenstopp<br />
in der Formel-1-Geschichte hin. Wir<br />
bewegen uns auf einem derart hohen Niveau,<br />
dass alles zählt - unter anderem, dass die Fahrer<br />
sich bei ihrem Stopp perfekt zu den Jungs mit<br />
den Schlagschraubern positionieren. Deshalb<br />
wird den Fahrern stets mitgeteilt, wenn sie 100<br />
Fotos: adrivo/Sutton, mclaren<br />
28 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
mm zu weit vorne oder 25 mm zu weit hinten<br />
stehen. Was passieren kann, wenn der Bolide<br />
nicht perfekt positioniert wird, hat man bei<br />
Kamui Kobayashi in Silverstone gesehen. In solchen<br />
Fällen können Menschen verletzt<br />
werden.<br />
Ferrari sah bei den Wintertests und zu Beginn<br />
der Saison alles andere als nach einem WM-<br />
Favoriten aus. Plötzlich führte Fernando Alonso<br />
die Fahrerwertung an. Wie konnte das passieren<br />
und machen Sie sich Sorgen wegen des Riesenfortschritts<br />
bei Ferrari?<br />
Also, um fair zu bleiben. Wir haben Ferrari niemals<br />
unterschätzt. Ferrari ist ein starker Rennstall<br />
und wir haben nie geglaubt, dass sie lange hinten<br />
sein würden. Obwohl wir auf der Strecke Konkurrenten<br />
sind, so sind wir abseits davon Freunde.<br />
Fernando ist ohne Zweifel ein sehr guter Fahrer.<br />
Er hat das Team durch die ersten Rennen gebracht<br />
und hat es verdient, die Weltmeisterschaft anzuführen.<br />
Es liegt jetzt an uns, Alonso und Ferrari<br />
in der WM einzufangen. Wir haben zwei Fahrer,<br />
die das schaffen können, wenn wir ihnen ein gutes<br />
Auto hinstellen. Das ist unser Job als Team.<br />
Nach seinem Sieg in Australien fuhr Jenson Button<br />
seiner Form hinterher, kämpfte mit dem Auto<br />
und den Reifen. Erst seit Valencia scheint er sich<br />
im Auto wohler zu fühlen. Was hat diese Veränderung<br />
ausgelöst?<br />
Das ist eine gute Frage. Jenson hatte größere<br />
Schwierigkeiten mit der Inkonstanz der Reifen<br />
und des Autos. Das prinzipielle Problem war, dass<br />
er Probleme hatte, die Reifen auf Temperatur zu<br />
bringen und die Temperatur im Reifen aufrecht<br />
zu halten. Wir arbeiten hinter den Kulissen hart,<br />
um ein Setup zu finden, das ihm entgegenkommt.<br />
Wir scheinen nah dran zu sein, denn mit dem<br />
Update-Paket, das wir in Hockenheim hatten, war<br />
Jenson von Beginn an schnell. Er scheint nun<br />
endlich ein Paket gefunden zu haben, das ihm<br />
wieder Selbstvertrauen gibt. In dieser Saison ist<br />
Konstanz ein großes Problem - mal war Lotus<br />
sehr schnell, mal waren sie im Mittelfeld. Auch<br />
die Lücke zwischen Alonso und Felipe Massa war<br />
mal größer, mal kleiner. Das Gleiche war bei Red<br />
Bull der Fall. Wenn ein Fahrer in der Vergangenheit<br />
zwei Zehntel langsamer war, dann verlor er<br />
ein oder zwei Startplätze, die Realität in diesem<br />
Jahr sieht so aus, dass ein Fahrer bis zu zehn Startplätze<br />
verlieren kann. Das ist schmerzhaft.<br />
Jenson äußerte Kritik an der Nase des MP4-27.<br />
<strong>McLaren</strong> ging in diesem Punkt einen ganz anderen<br />
Weg als die Konkurrenz - war es der Richtige?<br />
»In dieser Saison ist Konstanz ein groSSes Problem<br />
- mal war Lotus sehr schnell, mal waren<br />
sie im Mittelfeld. Auch die Lücke zwischen Alonso<br />
und Massa war mal gröSSer, mal kleiner.«<br />
[lacht] Naja, wir mögen schöne Autos und ich<br />
denke, dass das Auto mit unserem Update-Paket<br />
von Deutschland noch schöner aussieht. Aber am<br />
Ende des Tages kommt es darauf an, dass das Auto<br />
siegfähig ist. Die Höhe der Nase ist diese Saison<br />
reglementiert. Doch es geht nicht um die Frage<br />
Stufennase ja oder nein, sondern wie hoch man<br />
das Chassis bauen will. Unser Chassis liegt ungefähr<br />
20 mm tiefer als die Chassis der Konkurrenz,<br />
was zur Folge hat, dass wir keine Stufennase<br />
haben. Und ich behaupte, es war kein Fehler.<br />
<strong>McLaren</strong> hat weder eine Stufennase, noch ein<br />
Doppel-DRS. Lotus testete das System, ähnlich<br />
dem von Mercedes. Gerüchten zufolge soll auch<br />
Red Bull an einer eigenen Version arbeiten. Wie<br />
groß ist der Vorteil dieses Systems?<br />
Wir wissen nicht, wie viel Zeit das System an den<br />
jeweiligen Autos bringt. Wir vermuten, dass das<br />
System so funktioniert, dass ab einer gewissen<br />
Geschwindigkeit Luft durch ein Eingangsloch im<br />
Heckflügel über zwei Luftkanäle in den Frontflügel<br />
geleitet wird. Das System birgt definitiv einen Vorteil,<br />
sonst hätten die Teams es gar nicht erst entwickelt.<br />
Wir haben uns ebenfalls das System genau<br />
angesehen und bis jetzt haben wir noch nicht entschieden,<br />
ob wir uns damit näher beschäftigen<br />
sollen, weil wir denken, dass es andere Bereiche<br />
gibt, die womöglich mehr Vorteile mit sich bringen.<br />
Aber natürlich sehen wir uns wie jedes Team<br />
genau an, was die anderen machen. Arroganz ist<br />
hier falsch. Wir wollen offen für neue Ideen sein.<br />
Dass Teams immer wieder mit neuen technischen<br />
Ideen aufwarten, macht einen Teil der Magie<br />
dieses Sports aus.<br />
Lewis Hamilton<br />
beendete die<br />
<strong>McLaren</strong>-Flaute<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 29
Text: Kerstin Hasenbichler & Stephan Heublein<br />
Entwicklungsrennen<br />
In der unberechenbaren<br />
Saison 2012 zählt jedes Tausendstel,<br />
das die Designer im<br />
Windkanal oder Computer finden<br />
können. Das <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong> nimmt die Top-Teams<br />
unter die Lupe: Wer liegt im<br />
Entwicklungsrennen vorne?<br />
»Ferrari hat einfach gut kopiert.«<br />
Marc Surer<br />
Ursprungsspeed: 2 von 5<br />
Zuverlässigkeit: 4 von 5<br />
Update-Rate: 4 von 5<br />
Erfolgsquote: 5 von 5<br />
Fazit: Ferrari hat die Kritiker eines Besseren<br />
belehrt und aus einer Gurke ein Top-Auto gemacht.<br />
30 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Fotos: adrivo/Sutton, ferrari<br />
Ferrari machte aus<br />
einem hässlichen<br />
Entlein eine rote Göttin<br />
Ferrari<br />
Luca di Montezemolo platzte der Kragen: »Ich will wissen, warum wir uns in dieser Lage befinden!« Die<br />
Wintertestfahrten entsprachen aus Sicht des Ferrari-Präsidenten einem Desaster. Marc Surer kann sich<br />
noch gut an den ersten Test in Jerez erinnern: »Man konnte optisch sehen, dass der Ferrari überhaupt<br />
nicht liegt. Die Piloten hatten zu tun, das Auto überhaupt auf der Piste zu halten. Bis zum Ende der Tests<br />
wurde das auch nicht besser, wobei immer aufgefallen ist, dass das Auto im Renntrimm - also mit vollen<br />
Tanks - stets besser lag, als wenn sie versucht haben, auf Zeit zu fahren. Somit war die Situation nicht<br />
ganz hoffnungslos.« Mit dem Sieg im zweiten Rennen gelang Ferrari allerdings etwas, womit keiner<br />
gerechnet hatte. Experten und die weltweite Presse schrieben den Sensationssieg Fernando Alonso und<br />
nicht dem Auto zu. »Fernando hat in Sepang mit einem Kübel von Ferrari gewonnen«, stellte Niki Lauda<br />
klar. Erst ab dem Europa-Auftakt hatte Ferrari das Auto im Griff. »Ferrari hat einfach gut kopiert. Alles, was<br />
auf dem Auto aufgetaucht ist, haben sie sich abgeschaut. Ich habe keine eigene Entwicklung gesehen,<br />
was legitim ist, wenn man in eine falsche Richtung gearbeitet hat«, erklärt Surer die Wende. Das Entwicklungsrennen<br />
entschied Ferrari in der ersten Saisonhälfte klar für sich, obwohl Teamchef und Fahrer den<br />
F2012 richtigerweise weiterhin nicht als schnellstes Auto im Feld bezeichnen. Experten sehen darin vor<br />
allem taktische Gründe, denn während die Performance von Red Bull und <strong>McLaren</strong> bergauf und bergab<br />
ging, hat sich Ferrari vom ersten Rennen an stetig gesteigert. »Zudem haben sie sich keine Fehler geleistet<br />
wie beispielsweise <strong>McLaren</strong>. Das Auto ist konstant und für die Fahrer leicht zu steuern. Deshalb führen sie<br />
jetzt die Fahrer-WM an«, sagt Johnny Herbert. Zumindest eine Innovation des Ursprungs-F2012 scheint<br />
sich bezahlt zu machen: die ungewöhnliche Zugstangen-Vorderradaufhängung, die es seit einem Jahrzehnt<br />
nicht in der Formel 1 gegeben hat und für die Ferrari bei den Wintertests skeptische Blicke erntete.<br />
Für 2013 soll sich nun sogar <strong>McLaren</strong> diese Lösung ansehen.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 31
Red Bull Racing<br />
Löcher im Unterboden, flexible Flügel, verstellbare Fahrhöhen und unerlaubte<br />
Motorenkennfelder - die Liste der umstrittenen Red Bull Innovationen<br />
der letzten Zeit ist lang. Doch egal, ob Red Bull diese teils<br />
erlaubten, teils nicht erlaubten Komponenten tatsächlich einsetzte (die<br />
Konkurrenz nickt heftig mit dem Kopf, Adrian Newey und Christian Horner<br />
beteuern im gleichen Rhythmus gebetsmühlenartig das Gegenteil), allein<br />
der Umstand, dass die Rivalen Red Bull solche Kniffe nachsagten, auf<br />
die sie selbst nicht gekommen sind, zeigt, welche Innovationskraft den<br />
Erfindern des angeblasenen Diffusors zugetraut wird. Trotzdem ist die<br />
Dominanz des vergangenen Jahres wie verflogen, nach den ersten Saisonläufen<br />
wurde Red Bull deswegen sogar in eine Krise geschrieben.<br />
Experimente mit zwei verschiedenen Auspuffvarianten gingen nicht wie<br />
gewollt auf. »Red Bull versucht verzweifelt, an seine Dominanz aus dem<br />
Vorjahr anzuschließen«, sagt Marc Surer. Johnny Herbert ergänzt: »Das<br />
ist aber immer so in der Formel 1. Es gibt ein dominierendes Team, dann<br />
holen die anderen auf.« Der berüchtigte Wellenverlauf in den Formkurven<br />
<strong>McLaren</strong><br />
Mit fester Überzeugung sagte Ex-F1-Pilot Martin Brundle dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
im Winter: »Wenn <strong>McLaren</strong> die Saison einmal mit einem<br />
guten Auto beginnen würde, hätten sie eine wirklich gute Chance,<br />
Sebastian Vettels Siegesserie zu stoppen.« Gesagt, getan. <strong>McLaren</strong><br />
galt nach den Wintertests als Topfavorit, Jenson Button gewann den<br />
Saisonauftakt in Melbourne und dann ging urplötzlich nichts mehr:<br />
ungewohnte Teamfehler, verpatzte Boxenstopps und unerklärliche<br />
Reifenprobleme beim einstmaligen Reifenflüsterer Button. »<strong>McLaren</strong><br />
hatte im Gegensatz zu den vergangenen Jahren einen sehr guten Winter.<br />
Sie hatten in den ersten Rennen das schnellste Auto, doch dann<br />
folgte ein Down«, bestätigt Johnny Herbert. Auch Marc Surer attestiert<br />
dem Team einen perfekten Saisonstart. »<strong>McLaren</strong> hatte sofort die richtige<br />
Auspufflösung am Auto, die schlussendlich von fast allen Teams<br />
kopiert wurde«, erklärt er. Aber das Team machte aus diesem Paket<br />
im ersten Saisondrittel zu wenig. »Das Auto war immer gut, im Qualifying<br />
und im Rennen, aber die Resultate waren bescheiden«, kritisiert<br />
Für <strong>McLaren</strong> ging<br />
es 2012 auf und<br />
ab - zuletzt zeigte<br />
die Formkurve<br />
definitiv wieder<br />
nach oben<br />
Fotos: adrivo/Sutton, mclaren, red bull<br />
32 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
der Topteams, der von konstanten Reglements gefördert wird. »In den<br />
letzten Jahren funktionierte bei ihnen alles bestens«, erinnert der ehemalige<br />
F1-Designer Gary Anderson im Gespräch mit dem <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>. »In diesem Jahr hat sich aber einiges verändert, vor allem<br />
durch den Wegfall des angeblasenen Diffusors, den sie perfekt optimiert<br />
hatten.« Ohne diesen Vorteil hatte Red Bull die restlichen Performancegebiete<br />
des Autos noch nicht so perfekt im Griff wie die Konkurrenz.<br />
Diese Hauarbeiten mussten sie erst mühsam während der ersten Saisonhälfte<br />
nachholen. Trotzdem reagiert der RB8 noch nervöser als der<br />
Ferrari oder der <strong>McLaren</strong>. Auch die Topspeed-Schwäche ist dem Team<br />
aus den vergangenen Jahren erhalten geblieben. »Vettel reagiert wahrscheinlich<br />
etwas empfindlicher darauf, wenn das Auto nicht perfekt ist«,<br />
erklärt Marc Surer die Probleme des Champions. »Webber fährt einfach<br />
und macht seine Punkte. Vettel kann zwar immer noch eins draufsetzen,<br />
aber nur wenn das Auto stimmt.« Auf dem Weg dorthin hat Red Bull<br />
noch etwas Arbeit vor sich.<br />
»Ihr Level ist nicht gesunken,<br />
sondern die anderen haben viel<br />
mehr gleichgezogen.« Johnny<br />
Herbert<br />
Ursprungsspeed: 3 von 5<br />
Zuverlässigkeit: 4 von 5<br />
Update-Rate: 3 von 5<br />
Erfolgsquote: 4 von 5<br />
Fazit: Red Bull musste sich erst<br />
mit der neuen Rolle anfreunden.<br />
Es gilt, bis zum Ende<br />
nachzulegen.<br />
Red Bull hat mit dem 2012er Boliden mehr Arbeit als dem<br />
Weltmeisterteam lieb ist. Mit der Zeit wuchs jedoch das<br />
Verständnis für die neueste Schöpfung von Adrian Newey<br />
Surer. Die Probleme hatten allerdings nicht mit der fehlenden Stufennase<br />
zu tun, sondern viel mehr mit den Reifen. »Die hatten sie wohl<br />
nicht so im Griff, wie sie gedacht hatten«, meint Surer. Aber <strong>McLaren</strong><br />
gab nicht auf und fand zur Saisonmitte zu alter Entwicklungsstärke<br />
<strong>zurück</strong>. »Das spricht für ein gutes Team - sie wissen, wo sie ansetzen<br />
müssen«, lobt der Schweizer. Erst mit dem Hockenheim-Update bekam<br />
das Team die Räder wieder richtig auf den Boden. Button bedankte<br />
sich mit Platz zwei, Hamilton hätte ohne seinen Reifenschaden ebenfalls<br />
ganz vorne mitgemischt. Herbert sah den MP4-27 zur Halbzeit<br />
als das schnellste Gesamtpaket an, auf jeden Fall aber als das am<br />
einfachsten zu fahrende Auto im Feld. »Die Lenkbewegungen von Lewis<br />
sind sehr geschmeidig«, beobachtete er. Das Problem ist in Herberts<br />
Augen die fehlende Konstanz. »Jenson war in vielen Rennen nirgendwo,<br />
Lewis war zwar schnell, aber dann hatten sie entweder Pech oder<br />
machten Fehler.« Vor allem die Setupprobleme von Button kosteten<br />
wichtige Punkte und verursachten viele chromfarbene Haare.<br />
»Ich finde es toll, dass <strong>McLaren</strong> im Gegensatz zu Ferrari seinen eigenen Weg gegangen ist und damit Erfolg hat.« Marc Surer<br />
Ursprungsspeed: 4 von 5 • Zuverlässigkeit: 4 von 5 • Update-Rate: 3 von 5 • Erfolgsquote: 3 von 5<br />
Fazit: Gut begonnen, etwas nachgelassen und dann? Wenn <strong>McLaren</strong> an alte Entwicklungs-Tugenden anknüpft, ist noch alles drin.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 33
Lotus<br />
Ein Einstand nach Maß: Das galt sowohl für Rückkehrer Kimi Räikkönen<br />
bei seinem Wechsel zu Lotus 2012 als auch für den Saisonstart des Teams<br />
im Jahr 2011. In Australien und Malaysia fuhr Lotus Renault im vergangenen<br />
Jahr zwei Mal aufs Podest - doch mit jedem weiteren Rennen<br />
fiel die Leistungskurve des Teams weiter ab. Der Mut zum Risiko zahlte<br />
sich nicht aus, die radikale Auspufflösung erwies sich als Fehler. Mit dem<br />
E20 beschritt Lotus daher konservativere Wege, mutige Lösungen waren<br />
nur auf dem zweiten Blick erkennbar. Der Weg erwies sich als richtig, von<br />
Beginn an präsentierte sich der Lotus konkurrenzfähig. Im Gegensatz zu<br />
2011 fiel die Formkurve nicht ab, stieg je nach Strecke und Bedingungen<br />
sogar an. Um den Level über die Saison hinweg zu halten, unternahm das<br />
Team alle notwendigen Schritte, inklusive Ausbau einer Erweiterung des<br />
Windkanals und der Computeranlagen. »Bei Lotus stellt sich mir nur die<br />
Frage, warum sie bisher kein Rennen gewonnen haben? Das Auto ist<br />
konkurrenzfähig. Dass sie mit diesem Auto nur Podestplätze eingefahren<br />
haben, war für mich überraschend«, sagt Damon Hill. In Bahrain war Lotus<br />
Mercedes<br />
Als Filmstar erblickte der dritte Silberpfeil der Neuzeit das Licht der F1-Welt.<br />
Noch vor dem ersten offiziellen Testtag Ende Februar in Barcelona legte<br />
das Auto etliche hundert Kilometer bei privaten Film- und Testtagen <strong>zurück</strong>.<br />
Der Grund: der F1 W03 debütierte erst beim zweiten von nur drei Wintertests,<br />
um so viele Erkenntnisse wie möglich aus dem Windkanal in die Entwicklung<br />
einfließen zu lassen. Das zahlte sich zu Saisonbeginn aus. Vor allem das<br />
sagenumwobene »Doppel-DRS« zog die Blicke - und Beschwerden - der<br />
Konkurrenz magisch an. Im Rennen profitiert Mercedes davon kaum, im<br />
Qualifying bringt der gezielte Strömungsabriss beim Einsatz von DRS allerdings<br />
wertvolle Zehntel. Die Folge waren starke Qualifyingvorstellungen<br />
wie in Australien, China und Monaco. Auch in den Grand Prix lief es zunächst<br />
viel besser - die Krönung war Nico Rosbergs erster Sieg in Shanghai.<br />
»Mercedes hatte ein Siegerauto - auch nach China hatten sie ein Auto, mit<br />
dem sie Chancen auf ganz vorne hatten«, betont Marc Surer. Doch konnte<br />
das Team das Potenzial aus unterschiedlichen Gründen nicht immer umsetzen.<br />
»Was unverzeihlich ist, sind die vielen Fehler«, kritisiert Surer. »Ein Rad<br />
»Mercedes hat durchaus ein<br />
Siegerauto, wenn auch nicht in<br />
jedem Rennen.«<br />
Marc Surer<br />
Fotos: adrivo/Sutton, mercedes-benz, lotus<br />
Ursprungsspeed: 3 von 5<br />
Zuverlässigkeit: 3 von 5<br />
Update-Rate: 2 von 5<br />
Erfolgsquote: 2 von 5<br />
Fazit: Der Schwung vom<br />
Saisonstart und dem ersten Sieg<br />
flachte im Verlauf der Saison ab.<br />
34 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
am ersten Sieg nah dran, denn anders als die Konkurrenz-Boliden geht<br />
der E20 bei hohen Temperaturen besonders gut mit den Pirelli-Reifen um.<br />
Fehlende Konstanz in der ersten Saisonhälfte ließ bessere Ergebnisse<br />
aber nicht zu. »Sie waren mal ganz vorne, dann wieder etwas hinten. Sie<br />
konnten ihren Speed nicht in Ergebnisse umsetzen«, erinnert sich Johnny<br />
Herbert. Als größte Schwachstelle erwies sich das Qualifying. Kimi Räikkönen<br />
und Romain Grosjean hatten bislang Probleme, das Potenzial des<br />
Autos auf einer schnellen Runde umzusetzen. »Im Renntrimm war das<br />
Auto schnell. Sie fuhren oftmals die schnellste Rennrunde und waren ganz<br />
nah dran, aber die Piloten starteten von so weit hinten, dass sie ihren<br />
Speed nicht ausspielen konnten«, erklärt Herbert. Bis dato holte Räikkönen<br />
das Maximum aus den Möglichkeiten heraus, während Romain Grosjean<br />
oftmals zu ungestüm in der ersten Kurve oder beim Überholen vorging.<br />
Mit einem besseren Qualifying könnte sich dieses Problem relativieren.<br />
Lotus arbeitete deshalb fleißig an einem »Doppel-DRS« à la Mercedes, um<br />
der Qualifying-Schwäche Herr zu werden.<br />
»Dass Lotus mit diesem Auto nur<br />
Podestplätze eingefahren hat,<br />
war überraschend.«<br />
Damon Hill<br />
Ursprungsspeed: 4 von 5<br />
Zuverlässigkeit: 3 von 5<br />
Update-Rate: 3 von 5<br />
Erfolgsquote: 4 von 5<br />
Fazit: Wenn Lotus seine Qualifying-Schwäche<br />
in den Griff<br />
bekommt, sind Siege in der<br />
zweiten Saisonhälfte drin.<br />
nicht festziehen, wie es bei Michael Schumacher passiert ist, das darf es<br />
einfach nicht geben.« Hinzu kamen technische Schwierigkeiten, die fast<br />
ausschließlich das Auto des Rekordweltmeisters betrafen, während der<br />
Silberpfeil seines Teamkollegen in den Rennen wie ein Uhrwerk lief. Die<br />
größte Schwäche des Autos sind die Reifen, die Mercedes schon in den<br />
letzten Jahren Sorgenfalten bescherten. Nach einigen Rennen gab sich<br />
Teamchef Ross Brawn noch optimistisch, dass der F1 W03 sorgsamer mit<br />
den Pneus umgehen würde. »Die Reifen sind das große Geheimnis und wer<br />
sie einen Tick besser hinbekommt, kann daraus viel Kapital schlagen«,<br />
weiß Schumacher. Im Nassen gelang das Mercedes sehr gut. Die Regen-<br />
Performance war in Silverstone und Hockenheim überraschend gut. Dafür<br />
hatten die Fahrer zu starkes Untersteuern in den lang gezogenen Kurven<br />
in Ungarn. »In Monaco hatten wir das stärkste Auto, in Montreal war es<br />
auch sehr gut«, erinnert Rosberg. »Seitdem haben wir flacher weiterentwickelt<br />
und andere Teams etwas besser gearbeitet. Die Basis unseres<br />
Autos stimmt aber nach wie vor.«<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 35
Mark Webber hat sein Tief aus der<br />
Saison 2011 überwunden und knüpft<br />
in diesem Jahr an alte Tugenden aus<br />
der Saison 2010 an<br />
36 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Mark<br />
Webbers<br />
auferstehung<br />
Klare Nummer 2 bei Red Bull, Karriereaus Ende 2012. Sogar der Tag stand<br />
schon fest. Doch es kam anders, als viele erwartet hatten. Mark Webber<br />
meldete sich fulminant <strong>zurück</strong>, Vertragsverlängerung inklusive. Das<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> ergründet die Auferstehung des ‚Nummer-2-Fahrers‘.<br />
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
sekunden fühlen sich wie Minuten an, Minuten wie<br />
eine Ewigkeit. Bangen, Hoffen und Daumen<br />
drücken. Fünf Runden vor der schwarz-weißkarierten<br />
Flagge ist es geschafft. Mark Webber geht<br />
an Fernando Alonso vorbei und krönt sich vor den heimischen<br />
Red-Bull-Fans zum Sieger des Großbritannien GP. Ausgelassene<br />
Stimmung auf den Tribünen und Jubelschreie im<br />
Cockpit. Rückblick 2010 - gleicher Schauplatz, gleiches<br />
Ergebnis, aber eine völlig andere Reaktion des Australiers.<br />
»Nicht schlecht für eine Nummer 2«, sagte Webber zynisch<br />
nach seinem ersten Sieg in Silverstone. Die Stimmung bei Red<br />
Bull Racing ist auf dem Tiefpunkt, obwohl das Team nach<br />
außen hin versucht, den Schein zu wahren. Doch die eisige<br />
Kälte zwischen Webber und Sebastian Vettel ist für jeden<br />
spürbar. Zwei Jahre später sind die Wogen geglättet. Seitenhiebe<br />
in Richtung Team und Teamkollege spart sich Webber.<br />
Fotos: red bull<br />
»Mark ist gereift. Seine aggressive Art gegen Vettel zu schießen,<br />
hat er abgelegt. Er hat gemerkt, dass das nur Zeit und<br />
Energie kostet, aber nichts bringt«, erklärt Christian Danner.<br />
Wer den Australier in dieser Saison abseits der Rennstrecke<br />
beobachtet, sieht tatsächlich einen Mann, der bei sich<br />
angekommen zu sein scheint. Dabei schien es 2011, als hätte<br />
der jüngste Doppel-Weltmeister der Formel-1-Geschichte<br />
Webber in die Knie gezwungen. Es fehlte dem Australier an<br />
Speed, an Zuverlässigkeit, aber vor allem am nötigen Biss, um<br />
an der Spitze mitzukämpfen. »Am Ende der vergangenen<br />
Saison war mein Energielevel sehr niedrig«, gibt Webber offen<br />
zu. Mit dem auslaufenden Vertrag bei Red Bull Ende 2012<br />
schien das Karriereende des Australiers vordatiert zu sein.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 37
Mentale Stärke als<br />
Erfolgsfaktor<br />
Doch statt sich seinem Schicksal zu ergeben,<br />
erhob sich Webber 2012 wie Phönix aus der<br />
Asche. In der ersten Saisonhälfte stand er als einziger<br />
Pilot abgesehen von Fernando Alonso und<br />
Lewis Hamilton zwei Mal auf dem Siegerpodest.<br />
Im teaminternen Qualifyingduell bot er seinem<br />
Teamkollegen mit 5:6 die Stirn. Im Vorjahr war<br />
er gegen Vettel in der Qualifikation chancenlos.<br />
»Vettel kann immer noch einen drauflegen, wenn<br />
das Auto perfekt ist. Wenn das Auto nicht so<br />
perfekt ist, dann kommt Webber besser klar als<br />
Vettel. Er sagt sich: ‚So ist es einfach‘ und holt die<br />
Punkte, die er holen kann und wenn das Auto<br />
gut ist, dann gewinnt er auch«, sagt Marc Surer.<br />
Der entscheidende Erfolgsfaktor beruht allerdings<br />
auf der mentalen Stärke, die sich Webber<br />
in den Wintermonaten in seiner australischen<br />
Heimat Stück für Stück neu aufgebaut hat.<br />
Auch Formel-1-Experten ziehen vor Webbers<br />
Leistung in dieser Saison den Hut. »So ein<br />
Durchhängejahr wie 2011 nagt an der Psyche<br />
eines Fahrers und sich dann so zu ‚resetten‘, wie<br />
er das getan hat, dass er so unvoreingenommen,<br />
so frisch, so motiviert in die Saison gehen kann,<br />
das ist unfassbar«, meint Danner. Als sich zu<br />
Saisonbeginn herausstellte, dass die Dominanz<br />
von Red Bull aus den vergangenen Jahren verpufft<br />
war, blieb Webber ruhig und gelassen.<br />
Fehlte es ihm im Vorjahr noch an Konstanz, ließ<br />
er 2012 kaum Punkte auf der Strecke liegen. »Er<br />
nahm den Kopf runter und ist da durchmarschiert«,<br />
lobt Danner. Vier Mal in Folge punktete<br />
Webber als Vierter. Auf den Ausfall in Spanien<br />
folgte der erste Saisonsieg in Monaco, drei Rennen<br />
später stand er wieder ganz oben auf dem<br />
Podest, was ihn in der WM-Halbzeitabrechnung<br />
auf Rang zwei katapultierte.<br />
»Die zwei Siege in Monaco und Silverstone fühlten<br />
sich extrem gut an, weil es nicht irgendwelche<br />
Rennen waren. Ich habe derzeit viel Selbstvertrauen<br />
und feuere aus allen Zylindern«, betont<br />
Webber. Selbstbewusst kann er auch sein,<br />
schließlich hat er seinen Kritikern gezeigt, was<br />
für ein Fahrerkaliber er ist. Als Ferrari ein Auge<br />
auf den Australier geworfen hatte, zögerte Red<br />
Bull Racing keine Sekunde und ließ früher als<br />
eigentlich geplant einen neuen Vertrag für Webber<br />
aufsetzen. Vor der Sommerpause war alles<br />
unter Dach und Fach, dabei hatte vor der Saison<br />
kaum einer - vermutlich auch nicht Webber - mit<br />
einer Vertragsverlängerung gerechnet.<br />
Ende Weltmeister zu werden, wie das bei einem<br />
jungen Piloten der Fall ist. Mark ist ein erfahrener<br />
Pilot, der sich absolut wohl in seiner Haut fühlt<br />
und dadurch ganz vorne mitmischt«, meint<br />
Coulthard.<br />
Diesen Level gilt es für Webber zu halten. Mit<br />
dem RB8 steht ihm ein Auto zur Verfügung, das<br />
Ferrari und Fernando Alonso gefährlich werden<br />
kann. Experten erwarten die Titelentscheidung<br />
erst in den allerletzten Rennen. Doch der Kampf<br />
wird härter - auf und abseits der Strecke. Webber<br />
gibt sich wie bei allem in diesem Jahr cool. »Mich<br />
als Rennfahrer zu beschreiben, ist sehr einfach.<br />
Ich bin keiner von jenen, die denken: ‚Hey, seht<br />
Der Australier darf auch<br />
2013 weiter fleißig aus<br />
Red-Bull-Dosen trinken<br />
Der Sieg beim Saisonfinale 2011 in Brasilien gab<br />
Webber neuen Auftrieb. »Er hat mir ins Gedächtnis<br />
gerufen, wie sehr ich es genieße, auf diesem<br />
hohen Niveau Rennen zu fahren«, verrät Webber.<br />
Um endgültig den Kopf frei zu bekommen und<br />
die Akkus neu aufzuladen, nahm er Abstand vom<br />
F1-Zirkus und suchte die Ruhe im Wasser. »Nach<br />
dem Saisonfinale verbrachte ich acht Wochen auf<br />
meinem Surfbrett. Es ging mir darum, mich<br />
daran zu erinnern, wie sehr ich es liebe, Dinge<br />
am Limit zu bewegen. Das war unglaublich wichtig<br />
für mich«, verrät der Australier dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.<br />
Schlechtere Fahrer wären laut<br />
Red-Bull-Teamchef Christian Horner an dem<br />
Druck unter dem Webber stand zerbrochen.<br />
»Aber Mark ist nicht so. Er nutzt den Druck, um<br />
sich selbst zu motivieren«, betont Horner.<br />
Die beste Red-Bull-Wahl<br />
Laut den Experten hat Red Bull alles richtig<br />
gemacht. »Selbst wenn Webber dieses Jahr nicht<br />
den Titel holt oder im Vergleich zu Vettel wieder<br />
etwas abfallen sollte, dann ist er immer noch gut<br />
genug, um dem Team zu helfen, Konstrukteurs-<br />
Weltmeister zu werden«, betont Danner. »So<br />
einen Fahrer wie Webber muss man erst mal da<br />
draußen finden. Sicher fördert Red Bull auch<br />
junge Fahrer, aber ich behaupte, dass Ricciardo<br />
zehn Rennen auf dem Niveau von Webber fährt<br />
und zehn Rennen einen Scheiß baut. Das kannst<br />
du als Team vergessen - so pragmatisch muss<br />
man das sehen.« Der gleichen Meinung ist Surer:<br />
»Webber ist eine fantastische Nummer 2.« Ein<br />
Blick in die Statistik bestätigt: In den vergangenen<br />
sechs Jahren holte die Paarung Webber/Red Bull<br />
neun Siege, 31 Podestplätze und zehn Pole Positions.<br />
Wie Webber sagte, nicht schlecht für einen<br />
‚Nummer-2-Fahrer‘...<br />
Nach außen zeigt sich der Australier von der<br />
Vertragsverlängerung unberührt. »Es ist ein gutes<br />
Gefühl, aber mein Fokus liegt voll und ganz auf<br />
den Rennen und nicht auf dem, was nächstes<br />
Jahr passiert.« David Coulthard überrascht die<br />
Entspanntheit des Australiers nicht. »Mark weiß,<br />
dass sein Karriereende deutlich näher liegt als<br />
der Beginn seiner Karriere. Er hat kein Interesse<br />
an einem Fünfjahres-Vertrag mit dem Ziel am<br />
»Der Sieg in Brasilien hat mir ins Gedächtnis gerufen, wie sehr ich es genieSSe,<br />
auf diesem hohen Niveau Rennen zu fahren. Nach dem finale verbrachte ich<br />
acht Wochen auf meinem Surfbrett. Es ging mir darum, mich daran zu erinnern,<br />
wie sehr ich es mag, Dinge am Limit zu bewegen.«<br />
38 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Keine zynischen<br />
Kommentare mehr im<br />
Funk: Webber hat sich<br />
<strong>zurück</strong>gekämpft<br />
mich an, ich bin ein Formel-1-Pilot! Ich bin ehrlich,<br />
geradlinig und nur hier, um das Auto zu<br />
fahren.« Doch dass er sein Herz auf der Zunge<br />
trägt, hat ihm in der Vergangenheit nicht immer<br />
geholfen.<br />
»Sicherlich hat Mark mit seinen Kommentaren<br />
in der Vergangenheit das Leben von Horner nicht<br />
immer einfach gemacht. Aber zeig mir eine Person,<br />
die zu jeder Zeit alles richtig macht«, nimmt<br />
Coulthard Webber in Schutz.<br />
Wenn gegen Ende der Saison die Messer gewetzt<br />
werden, wird sich zeigen, ob Webbers neue, mentale<br />
Stärke ausreicht, um nicht wieder in alte<br />
Verhaltensmuster <strong>zurück</strong>zufallen. In seinem<br />
zehnten Formel-1-Jahr könnte er sich erstmals<br />
zum Weltmeister krönen und damit sicherstellen,<br />
dass seine Formel-1-Karriere über 2013 hinausgeht.<br />
»Die Sehnsucht nach dem Titel ist groß. Ich<br />
würde dieses Ziel gern erreichen, keine Frage.<br />
Aber man darf nicht zu weit denken, sondern<br />
muss sich auf jedes Rennen konzentrieren.« In<br />
der Formel 1 zählen eben nur Ergebnisse, somit<br />
hat es Webber 2012 selbst in der Hand, ob er am<br />
Ende wie in Silverstone jubeln kann.<br />
Fotos: red bull, adrivo/Sutton<br />
Mark Webber könnte die<br />
ganze Formel-1-Welt<br />
küssen: 2012 läuft es bei<br />
ihm wieder rund<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 39
Text: Kerstin Hasenbichler & Stephan Heublein<br />
Ein schwaches Auto zu Saisonstart, fünf andere<br />
Weltmeister und die chaotischste Saison seit Jahren -<br />
nichts scheint Fernando Alonso aufhalten zu können.<br />
Schnell, konstant und meistens fehlerlos - mancher<br />
hält den Ferrari-Star sogar für den perfekten Rennfahrer.<br />
Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> erklärt die fünf<br />
gröSSten Stärken des Spaniers.<br />
5. Glück<br />
Nein, Fernando Alonsos Erfolge in<br />
dieser oder jeder anderen Saison sind<br />
sicherlich nicht rein dem Glück<br />
geschuldet. Doch das nötige Quäntchen<br />
Glück gehört auch beim besten<br />
Rennfahrer dazu - sonst hätte Sebastian<br />
Vettel seinen Titel 2010 nicht im<br />
letzten Rennen gewonnen oder hätte<br />
Heikki Kovalainen 2008 nicht seinen<br />
bislang einzigen Grand Prix Sieg nach<br />
einem Motorschaden von Felipe<br />
Massa in der letzten Runde erzielt.<br />
Dieses Glück des Tüchtigen können<br />
und müssen sich die Piloten in der<br />
Formel 1 hart erarbeiten. »Im Moment<br />
spielt alles in die Hände von Fernando<br />
- und bei uns läuft nicht alles reibungslos«,<br />
gestand Red-Bull-<strong>Motorsport</strong>chef<br />
Helmut Marko zur Saisonmitte.<br />
Gemeint war, dass Alonso seine<br />
wenigen Fehler im Freien Training<br />
unterliefen bzw. Ausrutscher im<br />
Regen-Qualifying ohne Folgen blieben,<br />
während andere in der Qualifikation<br />
oder dem Rennen mit Kollisionen<br />
oder Defekten ausfielen. Marko<br />
gibt der Konkurrenz jedoch Hoffnung:<br />
»Niemand kann die ganze Zeit durch<br />
Glück gesegnet sein, die Glückssträhne<br />
von Alonso findet früher oder<br />
später ein Ende.«<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
40 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
4. Fehlerquote<br />
Ein Bild mit Seltenheitswert: Statt mit einer roten Stufennase kehrte<br />
Fernando Alonso im Freitagstraining in Silverstone mit einem schwarzen<br />
Loch in der Fahrzeugfront an die Box <strong>zurück</strong>. Es war einer der<br />
wenigen Ausrutscher des Spaniers in diesem Jahr. »Das große Plus<br />
von Alonso ist, dass er im Rennen keine Fehler macht und konstant<br />
punktet«, erklärt Marc Surer. Für Mercedes-Teamchef Ross Brawn ist<br />
Alonso sogar einer »der Besten aller Zeiten«: »Er gewinnt Rennen, die<br />
er nicht gewinnen sollte, Rennen, bei denen er kein Recht hat, zu<br />
gewinnen. Das ist das Kennzeichen eines großartigen Fahrers.« Natürlich<br />
ist auch ein Alonso nicht perfekt, das betont selbst sein Renningenieur<br />
Andrea Stella, der in der Vergangenheit schon mit Michael<br />
Schumacher und Kimi Räikkönen gearbeitet hat. Dennoch kommt der<br />
Spanier in Stellas Augen nahe an die Perfektion heran: »Fernandos<br />
Stärke ist, dass er keine Schwächen hat. Er ist unter allen Bedingungen<br />
stark, von trocken bis extrem nass.«<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 41
3. Speed<br />
Einem Doppelweltmeister wie Alonso lässt sich der Speed nur schwer absprechen. Doch selbst Alexander Wurz kommt beim Spanier<br />
anno 2012 ins Schwärmen: »Alonso ist in einer Überform und selbst an einem schlechten Tag kann man ihm nicht mehr so leicht<br />
Punkte wegnehmen.« Der Ferrari-Pilot selbst stapelt tief: »Wir sind nirgendwo die Besten, aber überall gut.« Egal ob in der Qualifikation,<br />
auf Stadtkursen oder im Regen, der Ferrari sei nirgends der Schnellste. Laut Niki Lauda gilt das im Umkehrschluss allerdings<br />
nicht für den Spanier: »Fernando ist einfach einer der besten Piloten, die es gibt. Er hat in Sepang mit einem Kübel von Ferrari das<br />
Rennen gewonnen.« Auch Surer stimmt dem dreimaligen Weltmeister bei dessen Beurteilung zu. Alonso hole stets das Maximum<br />
oder sogar noch ein bisschen mehr aus dem Auto heraus. »Wenn man sieht, wo Felipe Massa herumfährt, weiß man, wie gut der<br />
Ferrari wirklich ist«, betont der Schweizer. Ohne Alonsos Fähigkeiten am Steuer hätte sich der Albtraum der Wintertests für die Tifosi<br />
wohl über die gesamte Saison hinweg fortgesetzt.<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
2. Weiterentwicklung<br />
Selbst in den heiligen Hallen der Scuderia ist es kein<br />
Frevel, den F2012 der Wintertestfahrten als wenig<br />
geglücktes Rennauto zu bezeichnen. Dem Boliden mangelte<br />
es an Performance und Ferrari gestand dies offen<br />
ein. Alonso gehörte zu den Antreibern, die auch nach den<br />
ersten Saisonsiegen in Malaysia und Valencia stets<br />
betonten, dass noch viel Arbeit vor ihnen liege, um zu<br />
den schnellsten Autos aufzuschließen. »Es ist unglaublich,<br />
wie Ferrari es geschafft hat, das Auto von einer<br />
Gurke zu einem absoluten Top-Auto umzubauen - auch<br />
da steckt Alonso dahinter«, verrät Alexander Wurz.<br />
Obwohl Alonso gerne Zaubertricks vorführt, kann auch<br />
er keine Abtriebspunkte und Zehntelsekunden aus dem<br />
Hut zaubern, um den F2012 an <strong>McLaren</strong> oder Red Bull<br />
vorbei zu katapultieren, doch sein technisches Feedback<br />
und seine Rolle als unermüdlicher Antreiber brachten<br />
Ferrari fast <strong>zurück</strong> zu alter Stärke. »Ich muss meinen<br />
imaginären Hut vor diesem Mann ziehen«, sagt Wurz.<br />
»Er gibt einfach nie auf.«
1. Cleverness<br />
Ein schwerer Gasfuß und ein gut eingestelltes Popometer<br />
reichen in der modernen Formel 1 nicht mehr<br />
aus. Auch ein kluger Kopf ist für Siege unumgänglich.<br />
Für Niki Lauda ist Alonso der abgebrühteste Pilot von<br />
allen. »Er verfügt über Verstand und weiß genau, was<br />
er zu tun hat.« Dazu gehört auch strategisches Denken<br />
während des Rennens. Alonso riskiert keine<br />
unnötigen Ausfälle, Kollisionen oder Strafen - ganz<br />
im Gegensatz zu Lewis Hamilton im letzten oder<br />
Pastor Maldonado in diesem Jahr. Der Spanier gibt<br />
sich auch mal mit einer Punkteplatzierung zufrieden,<br />
wenn das Auto nicht mehr hergibt. Er agiert überlegt<br />
und geduldig, nicht unkontrolliert und aggressiv. »Er<br />
ist auch außergewöhnlich darin, das Team zu motivieren«,<br />
betont Patrick Tambay. Diese enge Bindung<br />
zu seinem Team ist ein weiterer cleverer Schachzug,<br />
den vor ihm schon Michael Schumacher in Maranello<br />
praktizierte. Alonso sagt seinen Ingenieuren genau,<br />
was er haben möchte. »Er ist wohl einer der wenigen,<br />
die so eine Beziehung zu ihrem Team haben«, sagt<br />
Johnny Herbert. »Fernando ist in seiner Persönlichkeit<br />
stärker und stärker geworden und Ferrari hat ihn<br />
verstanden.«<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 43
44 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Immer einen Scherz auf den Lippen. Daniel Ricciardo<br />
weiSS, wie viel er in seiner Karriere schon geschafft<br />
hat. Doch sein Weg ist noch lange nicht<br />
zu Ende, der Australier hat noch viel vor. Dem<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> verriet er seine groSSe<br />
Sehnsucht und geheime Ratschläge.<br />
Text: Kerstin Hasenbichler & Stephan Heublein<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 45
MSM: Daniel, vor einem guten Jahr hat uns<br />
dein Teamchef Franz Tost verraten, dass er sich<br />
sehr darauf freue, eines Tages mit dir und Jean-<br />
Eric Vergne zusammenzuarbeiten - das ist nun<br />
eingetroffen. Ist die Zeit seit deinem GP-Debüt<br />
wie im Flug vergangen?<br />
DANIEL RICCIARDO: Die Zeit ist nur so verflogen.<br />
Selbst in diesem Jahr geht alles noch<br />
ganz schnell. Meine halbe Saison mit HRT war<br />
im Nu vorbei und ich bin sehr glücklich, dass<br />
ich jetzt bei Toro Rosso fahren darf. Damit habe<br />
ich mein erstes Ziel erreicht.<br />
Franz Tost suchte damals nach dem nächsten<br />
Superstar - könntest du das sein?<br />
Oh, sagen wir so, ich wäre es gerne. Wir haben<br />
einige gute Resultate erzielt, aber das reicht<br />
noch nicht, wir müssen noch nachlegen, um das<br />
Interesse aufrechtzuerhalten. Ich bin mit meiner<br />
Saison zufrieden. Klar, es könnten gerne mehr<br />
Punkte auf meinem Konto sein, aber ich bin mit<br />
meinen Fortschritten glücklich. Das Ergebnis<br />
mag vielleicht bei jedem Rennen ähnlich aussehen,<br />
aber ich eigne mir immer mehr Wissen<br />
und Erfahrung an.<br />
Was war der beste Ratschlag, den du in deiner<br />
Formel-1-Zeit bislang erhalten hast?<br />
Werde Weltmeister und trete dann <strong>zurück</strong>.<br />
Das wäre unter Umständen eine kurze<br />
Karriere...<br />
Franz Tost und Giorgio Ascanelli haben mir vor<br />
Saisonbeginn gesagt, dass viel Druck auf mir<br />
lasten würde und viele von mir erwarten würden,<br />
besser abzuschneiden als Sebastien Buemi<br />
und Jaime Alguersuari im letzten Jahr. Das<br />
Wichtigste ist jedoch, Spaß zu haben und das<br />
Fahren zu genießen - wenn dir das gelingt, kommen<br />
der Speed und die Rundenzeit zwangsläufig,<br />
so lange du das nötige Talent dazu hast. Es<br />
klingt sehr einfach, aber es ist die Wahrheit.<br />
Dein Teamchef glaubt an vier Attribute, die ein<br />
junger Fahrer benötigt, um in der Formel 1 erfolgreich<br />
zu sein: Talent, Disziplin, Leidenschaft und<br />
Innovation. Kannst du dich darin<br />
wiedererkennen?<br />
Diese vier Punkte helfen dir in deiner Weiterentwicklung<br />
garantiert sehr. Ich glaube auch, dass ich<br />
diese Eigenschaften besitze, aber ich ziehe es vor,<br />
lieber nicht zu viel über mich selbst zu sprechen.<br />
Die Formel 1 gehört zu meinen Leidenschaften<br />
und jeder hier muss sehr diszipliniert sein, um<br />
hart zu trainieren und »Nein« zu gewissen Dingen<br />
wie Partys sagen zu können. Es gehört zu unserem<br />
Job als Rennfahrer, am Samstagabend zu trainieren<br />
und nicht in einer Bar zu sitzen. Diese Disziplin<br />
hat mich in meiner Karriere weitergebracht.<br />
Die fünfte Eigenschaft sollte also »Spaß«<br />
lauten...<br />
»Franz Tost und Giorgio<br />
Ascanelli haben mir gesagt,<br />
dass viel Druck auf<br />
mir lasten würde. Das<br />
Wichtigste ist jedoch,<br />
SpaSS zu haben und das<br />
Fahren zu genieSSen -<br />
wenn dir das gelingt,<br />
kommen der Speed und<br />
die Rundenzeit zwangsläufig,<br />
so lange du das<br />
nötige Talent dazu hast.«<br />
Genau, Spaß und ein bisschen Aggressivität. Ich<br />
weiß, dass ich diese habe, auch wenn ich sie<br />
nicht immer zeige.<br />
Hat es dich zu Beginn deiner Karriere überrascht,<br />
wie schnell die Formel-1-Laufbahn<br />
eines Fahrers vorbei sein kann?<br />
Sicher, aber ich habe rasch verstanden, wie es<br />
funktioniert. Es gibt immer Fahrer, die nachrücken<br />
wollen und vielleicht sogar schneller sind<br />
als du. Es ist sehr schwierig, in die Formel 1 zu<br />
gelangen, aber dort zu bleiben, ist wahrscheinlich<br />
noch härter. Wenn du die Erwartungen<br />
nicht erfüllst, kann es schnell vorbei sein - das<br />
ist Teil der Formel 1. Andererseits ist es in allen<br />
Sportarten so, egal ob Fußball oder Cricket -<br />
selbst der Kapitän wird manchmal ausgewechselt,<br />
weil er nicht gut gespielt hat.<br />
Du gibst dich wie du bist, sagst, was du denkst<br />
- ist das eine typische, australische Eigenschaft?<br />
Nicht alle Formel-1-Fahrer sind bei<br />
Interviews so offen und redselig wie du - und<br />
wir sprechen hier nicht über Kimi...<br />
Wirklich? [lacht] Ich glaube schon, dass es<br />
typisch australisch ist. Wir sind ehrliche Menschen,<br />
sagen meistens, was wir denken. Es<br />
macht in meinen Augen keinen Sinn, mich<br />
anders zu geben, als ich tatsächlich bin. In so<br />
einer Rolle würde ich mich nicht wohl fühlen.<br />
So lange es nichts Kontroverses ist, sage ich zu<br />
99,9% auch das, was ich denke. Die Leute sollen<br />
mich kennen, wie ich bin.<br />
Euer Saisonstart verlief gut, doch in den weiteren<br />
Rennen schien es, als ob ihr einen Schritt<br />
<strong>zurück</strong> gemacht habt. Stimmst du dem zu?<br />
Ich würde nicht von einem Rückschritt sprechen.<br />
Es war vielmehr so, dass wir nur einen<br />
kleinen Schritt nach vorne gemacht haben,<br />
während die anderen Teams große Fortschritte<br />
erzielten. Wir haben das Auto verbessert - ein<br />
neuer Unterboden, ein neuer Auspuff. Damit<br />
fühlte es sich besser an, jedoch haben die anderen<br />
Rennställe in diesen Bereichen größere<br />
Schritte gemacht. Die großen Teams werden<br />
immer etwas schneller entwickeln und dadurch<br />
gegen Saisonende den Abstand ein bisschen<br />
vergrößern. Im Vergleich zu ihnen haben wir<br />
einige Positionen, aber nicht allzu viel Zeit<br />
verloren. Hoffentlich können wir mit den<br />
nächsten Updates wieder näher an die Top-10<br />
heranrücken und ein paar Punkte mitnehmen<br />
- so lange die anderen Teams nicht selbst mehr<br />
nachlegen. Drücken wir die Daumen, dass sie<br />
schon am Limit angekommen sind. [lacht]<br />
Das ist besonders in dieser Saison entscheidend,<br />
wo zwei Zehntel einen enormen Unterschied<br />
ausmachen können...<br />
Es ist schön, wenn es so eng zugeht. Wenn man<br />
eine perfekte Runde hinlegt und ein, zwei<br />
Fotos: adrivo/Sutton, toro rosso<br />
46 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
andere Fahrer kleine Fehler machen, kannst<br />
du leicht einige Plätze gutmachen. Gleichzeitig<br />
setzt es uns unter Druck, immer das Beste aus<br />
unserem Paket herauszuholen - nur dann können<br />
wir ein gutes Resultat erzielen.<br />
Wie sieht dein nächster Karriereschritt aus:<br />
2013 wieder Toro Rosso und 2014 dann vielleicht<br />
Red Bull?<br />
Das ist noch ein sehr langer Weg bis dahin.<br />
Selbst das nächste Jahr ist noch weit weg und<br />
ich schaue nicht gerne zu weit nach vorne.<br />
Dann meint man, dass die Zeit noch schneller<br />
vergeht und man vergisst, das Hier und Jetzt<br />
zu leben. Natürlich wäre es großartig, ein weiteres<br />
Jahr bei Toro Rosso zu fahren und mich<br />
weiter zu steigern. Alles, was danach kommt,<br />
hängt von meinen Resultaten ab - das ist noch<br />
viel zu weit weg.<br />
Ähnlich weit weg ist deine Heimat in Australien.<br />
Du bist erst der 17. Formel-1-Fahrer aus<br />
deinem Land, nur drei davon haben Grand<br />
Prix gewonnen, zwei wurden Weltmeister. Wie<br />
schwierig ist es, Familie und Freunde aufzugeben<br />
und nach Europa zu kommen?<br />
Das ist definitiv der größte Schritt und ich<br />
glaube auch der Knackpunkt, an dem viele<br />
australische sowie nord- oder südamerikanische<br />
Talente zerbrechen. Entweder sie setzen<br />
sich durch oder sie scheitern daran. Ich habe<br />
das bei einigen Fahrern aus nichteuropäischen<br />
Ländern miterlebt. Sie bekommen Heimweh<br />
oder denken, dass sie auf eigene Faust, fern<br />
von zuhause, tun und lassen können, was sie<br />
wollen. Partys sind okay, aber eben nicht ständig.<br />
Das führt uns wieder zur Disziplin. In<br />
dieser Zeit hat es mir sehr geholfen, dass ich<br />
hart zu mir selbst gewesen bin und mich nicht<br />
von den schönen Dingen des Lebens habe<br />
ablenken lassen. Stattdessen sagte ich mir:<br />
Vielleicht kann ich in fünf Jahren dann noch<br />
schönere Dinge erleben. Wenn man seinen Job<br />
genügend mag, fällt einem das recht leicht. Ich<br />
liebe das Rennfahren und am Ende war es für<br />
mich keine schwierige Entscheidung, mich<br />
zwischen Partys und Racing zu entscheiden.<br />
Ihr könnt jeden Formel-1-Fahrer im Paddock<br />
fragen - jeder von ihnen hat diese Disziplin<br />
und Stärke, sich selbst Regeln aufzuerlegen.<br />
Das bedeutet nicht, dass man keinen Spaß<br />
haben darf, man hat ihn vielleicht nur etwas<br />
später... [lacht]<br />
Genau, nachdem du dann Weltmeister geworden<br />
und <strong>zurück</strong>getreten bist...<br />
Richtig, dann kann man machen, was man will.<br />
Am liebsten wahrscheinlich in deiner Heimat.<br />
Du hast zuletzt bei twitter geschrieben, dass<br />
du den Sommer vermisst...<br />
Oh ja, ich habe dieses Foto im Dezember<br />
gemacht, als ich in Australien war. Wir waren<br />
am Strand fischen und sind Quad gefahren...<br />
Wenn man wie ich in England lebt und nur<br />
einen Sommertag im Jahr hat, ist das nicht<br />
besonders schön. [lacht] Aber ich freue mich<br />
wirklich sehr darauf, an Weihnachten wieder<br />
zuhause zu sein. Mehr als vier, fünf Wochen<br />
kann ich im Jahr nicht dort sein. Das ist für<br />
mich die beste Zeit des Jahres.<br />
Daniel Ricciardo gab sein Formel-1-Debüt<br />
2011 für HRT. In dieser Saison wechselte der<br />
Australier zu Toro Rosso, für die er Anfang<br />
2011 als Freitagstestfahrer im Einsatz war. Als<br />
Mitglied des Red-Bull-Junior-Teams gilt er als<br />
potenzieller Nachfolger von Mark Webber<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 47
Text: Stephan Heublein<br />
Reifen<br />
Geheimnis<br />
Die Formel-1-Welt steckt voller Geheimnisse.<br />
Eines der am besten gehüteten ist das optimale<br />
Arbeitsfenster der Reifen. Nicht zu heiSS,<br />
nicht zu kalt, alles muss exakt stimmen. Um<br />
seinen Lesern das Phänomen zu erklären, holt<br />
das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> Pirelli-<strong>Motorsport</strong>direktor<br />
Paul Hembery zur Hilfe.<br />
ein herzhaftes Lachen entfährt<br />
Paul Hembery, womit er problemlos<br />
das lautstarke Prasseln<br />
der Regentropfen auf dem<br />
Dach des Pirelli-Motorhomes<br />
übertönt. Der <strong>Motorsport</strong>direktor des italienischen<br />
Reifenherstellers hat allen Grund<br />
zur Freude. Die Formel-1-Saison 2012 ist<br />
eine der spannendsten seit Jahrzehnten und<br />
seine Reifen sind nicht nur eines der<br />
heißesten Gesprächsthemen im Fahrerlager,<br />
sondern auch zum Teil für die viel diskutierte<br />
Action verantwortlich. Hembery muss<br />
also ein sehr zufriedener Mann sein. »Natürlich<br />
bin ich glücklich, allen voran für die<br />
Fans, die die Rennen genießen können«, sagt<br />
er. Bescheiden macht er dies aber nicht nur<br />
an den Pneus fest, sondern an einer Kombination<br />
aus Regeländerungen und Reifen.<br />
Das Verbot des angeblasenen Diffusors und<br />
der flexiblen Frontflügel ließ die Teams<br />
näher zusammenrücken. In der Vergangenheit<br />
lagen nur ein paar wenige Spitzenautos<br />
innerhalb einer Sekunde, in dieser<br />
Saison sind es 12 bis 14. »In so einer Situation<br />
hat jede kleine Änderung einen<br />
enormen Einfluss«, betont Hembery. Der<br />
kleinste Fahrfehler kann bereits zwei oder<br />
drei Startpositionen kosten, ein Setupproblem<br />
noch mehr. Es kommt auf jedes Zehntel<br />
an. »Das wiederum lässt auch den Reifen<br />
eine wichtigere Rolle zukommen«,<br />
erklärt er. »Natürlich sind die Reifen an<br />
jedem Rennfahrzeug wichtig, aber wenn<br />
man die Leistung des Pakets maximieren<br />
kann, erzielt man bessere Resultate.«<br />
Dabei finden die Teams eine größere Herausforderung<br />
vor, als sie Pirelli vor der Saison<br />
vermutete. Die Italiener verfügen bekanntlich<br />
nicht über ein aktuelles Testfahrzeug<br />
und konnten so einige Dinge nicht erahnen,<br />
denen sich die Teams in dieser Saison gegenübersehen.<br />
Der Grund dafür sind aber keine<br />
großen Veränderungen an der neuen Reifengeneration.<br />
Im Gegenteil: Hembery<br />
glaubt, dass die Herausforderung mit den<br />
letztjährigen Reifen womöglich noch größer<br />
wäre. »Einige der härteren Reifenmischungen<br />
von 2011 würden sich heute<br />
anfühlen, als ob die Fahrer auf Eis fahren.<br />
Mit den heutigen Abtriebswerten würde sie<br />
niemand ins Temperaturfenster bringen.«<br />
Dieses berüchtigte Arbeitsfenster gehört<br />
zum Grundwortschatz aller Piloten. Was es<br />
genau bedeutet, können aber selbst einige<br />
Fahrer nicht so richtig in Worte fassen. Wer<br />
wäre wohl besser dazu geeignet, dies den<br />
Lesern des <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>s zu erklären,<br />
als der Reifenchef persönlich? Paul<br />
Hembery lacht erneut. Also dann, gehen wir<br />
dem Reifen-Phänomen auf den Grund...<br />
Fotos: adrivo/Sutton, mclaren, pirelli<br />
48 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Aerodynamik hin, Motorpower her, das schwarze<br />
Gold spielt in der Formel-1-Saison 2012 eine<br />
größere Rolle denn je<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 49
Einflussfaktor: Temperatur<br />
So sicher wie das Amen in der Kirche fällt an jedem Rennwochenende der Satz: »Ich bekam die Reifen nicht auf Temperatur.« Das bedeutet<br />
allerdings nicht, dass der Fahrer mit Eisklötzen an den vier Ecken seines Fahrzeugs herumfuhr. Stattdessen war die Temperatur der Hinterreifen<br />
sehr hoch, die der Vorderreifen genügte jedoch nicht aus. »In dieser Saison haben wir schon 20 Grad Unterschied zwischen<br />
Vorder- und Hinterreifen gesehen - so etwas hatten wir vorher noch nie erlebt«, erklärt Hembery. »Normalerweise liegt der Unterschied<br />
bei fünf oder sechs, nie mehr als zehn Grad.« Das Ergebnis ist ein inkonstantes Fahrverhalten. »Wenn die Vorderreifen im Einklang mit<br />
den Hinterreifen sind, fühlt der Fahrer sich wohl, wenn nicht, verliert er Grip.« Erschwerend kommen Temperaturschwankungen innerhalb<br />
eines Wochenendes oder Tages hinzu. Gerade bei den europäischen Rennen liegt die Spanne von 10 oder 12 Grad bis zu 40 Grad - und<br />
zwischenzeitlichen Regenschauern. »Wechselhaftes Wetter sind die schwierigsten Bedingungen in der Formel 1«, weiß Hembery. »Wenn<br />
man nach Bahrain reist, weiß man, dass es heiß sein wird - egal ob 35 oder 45 Grad, es wird verdammt heiß sein. In Deutschland<br />
kann es hingegen sehr heiß, sehr<br />
kalt oder richtig nass sein. Die Europasaison ist deshalb eine große Herausforderung.«<br />
Einflussfaktor: Asphalt<br />
Die Reifen sind die einzige Verbindung des Autos zur Strecke. Umso wichtiger ist es für<br />
Fahrer, Teams und Reifenhersteller, die verschiedenen Asphaltoberflächen der 20 Grand-<br />
Prix-Kurse in- und auswendig zu kennen, angefangen bei Straßenkursen über Stadtkurse<br />
bis hin zu High-Speed-Tempeln wie Monza. »Wir fertigen Computermodelle der Streckenoberflächen<br />
an, es ist praktisch wie ein Gebissabdruck«, stellt Hembery die Vorgehensweise<br />
stark vereinfacht dar. »Der Asphalt verhält sich wie Sandpapier, auch davon<br />
gibt es verschiedene Stärken und Arten.« Vereinfacht gesprochen ist es beim Streckenbelag<br />
ähnlich: »Wenn man die Reifen daran reibt, nutzen sie sich ab.« Pirelli simuliert die Abnutzung<br />
der Reifen auf einer durchschnittlichen Runde in Computermodellen unter Berücksichtigung<br />
der möglichen Umgebungstemperatur und Streckenoberfläche. »Je nachdem<br />
wie rau die Strecke ist, nimmt der Reifen mehr oder weniger Energie auf.« Der größte<br />
Faktor seien aber mit Sicherheit verschiedene Temperatureinflüsse auf den Reifen. »Das<br />
ist der Schlüssel zu dieser Saison.«<br />
Fotos: adrivo/Sutton, mclaren, pirelli<br />
50 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Einflussfaktor: Fahrer<br />
Der Kerl, der im Cockpit am Lenkrad dreht,<br />
hat ebenfalls einen gewissen Einfluss auf die<br />
Abnutzung der Reifen - so viel steht fest. Was<br />
Jenson Button aber in den Rang eines Reifenflüsterers<br />
erhebt, ist hingegen weniger klar.<br />
»Frag am besten Perez und Grosjean, was sie<br />
in Kanada gemacht haben«, hält sich Hembery<br />
aus der Frage heraus. Besagter Sergio Perez<br />
sieht kein Geheimnis im Umgang mit den Reifen.<br />
»Du fühlst den Reifenabbau, die fehlende<br />
Traktion oder Stabilität«, sagt er kurz angebunden.<br />
Nico Hülkenberg spürt weniger Grip<br />
und die schlechtere Haftung des Autos. »Für<br />
einen Normalsterblichen, der nur mit einem<br />
Straßenauto unterwegs ist, ist das nicht vorstellbar«,<br />
verrät Hülkenberg. »Denn da bauen<br />
die Reifen nicht ab oder er fährt erst gar nicht<br />
so schnell durch die Kurve, dass er am Limit<br />
des Autos wäre.« Ein Profirennfahrer spürt das<br />
aber sehr wohl. »Du fährst ein paar Kurven,<br />
dann merkst du, der Grip greift hinten, vorne<br />
aber noch nicht so gut.« Diese Erfahrungswerte<br />
aus den Trainings werden im Qualifying<br />
und Rennen angewandt, um die Reifen auf der<br />
schnellen Runde im richtigen Fenster zu halten;<br />
die Outlap nicht zu schnell, aber auch<br />
nicht zu langsam anzugehen. »Alles muss stimmen«,<br />
betont Hülkenberg. »Klar, die Reifen<br />
sind sehr sensibel, aber das ist auch eine<br />
Herausforderung für den Fahrer.«<br />
Einflussfaktor: Auto<br />
Das Verbot des angeblasenen Diffusors führte zu einem enormen Abtriebsverlust<br />
an der Hinterachse. Dies bewirkt unter Umständen stärker durchdrehende<br />
Räder, besonders in langsamen Kurven. »Wenn die Reifen zu<br />
stark durchdrehen, überhitzen sie und bauen aufgrund der hohen Temperatur<br />
ab«, erklärt Hembery. »Dann verlieren sie schneller an Performance.«<br />
Noch gravierender ist jedoch die Veränderung der Fahrzeugbalance im<br />
Laufe eines Rennens. Beim Start ist der Tank mit rund 150 kg bis zum Rand<br />
gefüllt, bis zur Zielflagge ist er im optimalen Fall jedoch fast leer. »Das ist,<br />
als ob zwei Leute auf dem Auto sitzen, zu einem Punkt springt der eine<br />
runter und am Ende auch noch der andere«, vergleicht Hembery. Das<br />
bedingt die Leistungsunterschiede zwischen dem Qualifying und Rennen.<br />
»Wenn man sein Paket im Qualifying zu aggressiv einstellt, könnte das zu<br />
Problemen im ersten Rennstint führen.« Erschwert wird die Anpassung an<br />
die abnehmende Spritmenge durch die festgelegte Gewichtsverteilung. »Das<br />
ist die große Herausforderung in der Formel 1.«<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 51
Text: Stephan Heublein<br />
Schwarz und WeiSS war gestern: Pirelli führte in dieser Saison rote (superweich), gelbe<br />
(weich), weiSSe (medium), silberne (harte), blaue (Regen) und grüne (Intermediate) Reifenmarkierungen<br />
ein. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> nimmt das bunte Gold genau unter die Lupe.<br />
Foto: lotus<br />
Pirelli produziert für jedes Rennen in dieser<br />
Saison 1.800 bis 2.000 Reifen in der Fabrik<br />
im türkischen Izmit. Die Produktion eines<br />
Formel-1-Reifens von Anfang bis Ende dauert<br />
fünf Stunden. Der Durchmesser der Slicks<br />
liegt bei 660 mm, die Vorderreifen sind 245<br />
mm breit, die Hinterreifen 325 mm.<br />
Bei den Europa GP werden die Pneus zunächst per Lkw aus<br />
der Türkei ins britische Didcot transportiert - die Distanz von<br />
etwa 3.100 km legen die Reifen in drei Tagen <strong>zurück</strong>. Aus der<br />
Logistikzentrale in Didcot geht es dann an die jeweilige Rennstrecke.<br />
In der Saison 2011 legten die Pirelli-Trucks 925.326<br />
km <strong>zurück</strong>.<br />
In diesem Jahr stellt Pirelli rund 45.000 Formel-1-Reifen<br />
her, sowie weitere 25.000 für die GP2 und GP3. Alle im<br />
F1-Jahr 2011 eingesetzten 34.600 Reifen wurden recycelt.<br />
Die durchschnittliche Laufleistung<br />
eines Reifens<br />
beträgt 120 km. Der Reifenabrieb<br />
in allen 19 Grand Prix<br />
2011 belief sich auf 10.200<br />
kg. Die optimale Arbeitstemperatur<br />
liegt bei 90 Grad<br />
Celcius.<br />
52 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Ein Vorderreifen wiegt 8,5 kg, ein Hinterreifen<br />
9,5 kg - jeweils mit Felge, die<br />
vom Team gestellt wird. Das Gesamtgewicht<br />
aller Reifen, das jeder Monteur<br />
während der Saison 2011 heben<br />
musste beläuft sich auf 16.389 kg.<br />
Um einen Reifen auf die Felge aufzuziehen,<br />
benötigt ein erfahrener Monteur 2:30 Minuten.<br />
Sebastian Vettel brauchte bei einem Selbstversuch<br />
5:13 Minuten. Für alle an einem Rennwochenende<br />
eingesetzten Pneus braucht das<br />
Pirelli-Team zwei Tage.<br />
Bei einer Geschwindigkeit von 300 km/h absolviert<br />
ein Rad 42 Umdrehungen pro Sekunde. Beim Top-<br />
Speed eines Formel-1-Autos sind es 50 Umdrehungen.<br />
Die höchste erreichte Geschwindigkeit eines<br />
Pirelli-Reifens bei Prüfstandtests waren 450 km/h.<br />
Ein Regenreifen verdrängt bei<br />
300 km/h mehr als 60 Liter Wasser<br />
pro Sekunde. Das ist mehr<br />
als sechsmal so viel wie ein Pkw-<br />
Reifen, der bei deutlich langsameren<br />
Geschwindigkeiten rund<br />
10 Liter pro Sekunde verdrängt.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 53
Fotos: adrivo/Sutton<br />
Triumphe der<br />
Nordschleife<br />
Nürburgring, Nordschleife - zwei Worte, die bei<br />
jedem Rennsportfan für Gänsehaut sorgen. Das<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> fühlt einem Mythos auf den<br />
Zahn, der als ‚Grüne Hölle‘ der Formel 1<br />
Berühmtheit erlangte und erinnert an die<br />
legendärsten Siege auf einer Strecke, wie sie<br />
auf dieser Welt wohl einmalig ist.<br />
Text: Frederik Hackbarth<br />
54 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
John Surtees gewinnt<br />
im Ferrari 156 auf der<br />
Nordschleife des<br />
Nürburgrings<br />
Fotos: adrivo/Sutton
Jacky Ickx siegt 1972<br />
im Ferrari 312B beim<br />
Großen Preis von<br />
Deutschland<br />
für besondere Leistungen, Ruhm und Heldentaten<br />
bedarf es besonderer Umstände<br />
- die Nordschleife des Nürburgrings als<br />
solchen zu bezeichnen, wäre aber wohl<br />
Majestätsbeleidigung. Der deutsche Vorzeigekurs<br />
ist keine normale Rennstrecke, er ist<br />
eine Naturgewalt. Wer die 22,8 Kilometer lange<br />
Waldachterachterbahn in einem Formel-1-Wagen<br />
besiegen konnte, der hatte seine Feuertaufe<br />
in einem über die Maßen gefährlichen Sport mit<br />
Bravour bestanden - und das in einer Zeit, in der<br />
die Boliden noch zusammengeschraubten Blechkisten<br />
glichen, in der die Grid Girls noch die<br />
Verlobten der Piloten waren und in der man sich<br />
nie sicher sein konnte, aus der nächsten Runde<br />
überhaupt lebend <strong>zurück</strong>zukehren.<br />
Mythos Nordschleife, das sind vor allem die<br />
größten Rennen der Besten ihrer Zunft. Durch<br />
den Einzug der Formel 1 brach in der Eifel eine<br />
neue Zeitrechnung in Sachen Rennsport an. Den<br />
ersten legendären Meilenstein in der Ring-Historie<br />
besorgte 1957 Juan Manuel Fangio. Bereits in<br />
den vorangegangenen Saisons hatte der Argentinier<br />
auf dem Nürburgring zwei Siege gefeiert,<br />
einen mit Mercedes und einen mit Ferrari. Sein<br />
persönliches Meisterstück gelang dem fünfmaligen<br />
Weltmeister jedoch auf Maserati. Von der<br />
Pole Position aus ins Rennen gegangen, schien<br />
für Fangio zunächst alles rund zu laufen. Vor<br />
seinem ersten Service in Runde zwölf brach er<br />
mehrfach den Rundenrekord und lag mit seinem<br />
Maserati 250F komfortable 28 Sekunden vor seinen<br />
Ferrari-Verfolgern Peter Collins und Mike<br />
Hawthorn - als er wieder auf die Strecke <strong>zurück</strong>fuhr,<br />
hatte er nach einem völlig verpatzten<br />
Boxenstopp gute 50 Sekunden Rückstand auf die<br />
Spitze. Zehn Umläufe vor Schluss eine aussichtslose<br />
Lage - sollte man meinen. Was folgte, war<br />
eine der größten Aufholjagden der Formel-1-<br />
Geschichte. Der Maserati-Pilot flog seinen Verfolgern<br />
nur so hinterher, zauberte eine perfekte<br />
Runde nach der anderen auf den Asphalt, während<br />
die beiden Briten, im Wissen um ihren<br />
schier uneinholbar wirkenden Vorsprung, ganz<br />
vorne etwas die Pace herausnahmen. Ein teurer<br />
Irrtum, wie sich später herausstellen sollte,<br />
tauchte der in die Jahre gekommene Champion<br />
in Runde 20 doch auf einmal wieder in den Rückspiegeln<br />
der Ferrari auf. Möglich gemacht hatte<br />
es Trick 17, den Fangio aber nur ob seiner überragenden<br />
fahrerischen Klasse ausspielen konnte.<br />
In den schnellen Kurven war er unter höchstem<br />
Risiko einfach in den höheren Gängen geblieben<br />
und hatte dem Führungsduo so teilweise zwölf<br />
Sekunden pro Runde abgenommen. Anschließend<br />
schnappte er sich mit zwei Rädern auf dem<br />
Gras in der Nordkurve erst Collins, nur um in<br />
der vorletzten Runde auch noch den verdutzten<br />
Hawthorn abzufangen und mit 3,6 Sekunden<br />
Vorsprung zu gewinnen. Nach der Zieldurchfahrt<br />
unterstrich der Argentinier seine Schicksalsfahrt<br />
mit nur einem einzigen, legendären Satz: »Ich<br />
bin in meinem Leben noch nie so schnell<br />
gefahren und ich glaube auch nicht, dass ich dazu<br />
noch einmal imstande bin.« Fangio behielt Recht<br />
- sein größter Grand-Prix-Sieg sollte gleichsam<br />
sein letzter bleiben.<br />
»Ich bin in meinem Leben noch nie so schnell gefahren<br />
und ich glaube auch nicht, dass ich dazu<br />
noch einmal imstande bin.« Fangio behielt Recht - sein<br />
gröSSter GP-Sieg sollte sein letzter bleiben.<br />
Sechs respektive sieben Jahre später sorgte ein<br />
anderer Pilot für seine persönliche Legendenbildung.<br />
Als mehrfacher Motorradweltmeister zog<br />
es John Surtees Anfang der Sechzigerjahre auf<br />
der Suche nach einer neuen Herausforderung auf<br />
vier Räder. Bereits in seinem zweiten F1-Rennen<br />
konnte das Allroundtalent aufs Podium fahren,<br />
weitere Podestplatzierungen ließ er schnell folgen.<br />
Was bis zum 4. August 1963 fehlte, war die<br />
Krönung und Surtees hätte sich für eben diese<br />
als Schauplatz keinen besseren Ort als die Nordschleife<br />
heraussuchen können. Von Platz zwei<br />
aus gestartet, kristallisierte sich schnell ein →<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 55
Der legendäre Jim<br />
Clark führt das Feld in<br />
seinem Lotus 25 an<br />
Jackie Stewart und<br />
Jack Brabham<br />
amüsieren sich<br />
Duell des Ferrari-Fahrers mit dem in seiner<br />
ersten WM-Saison unnachahmlich überlegenen<br />
Jim Clark heraus. Der Schotte hatte seinen ersten<br />
Startplatz zu Beginn zwar nicht in die Führung<br />
ummünzen können, nachdem er jedoch als Sieger<br />
der letzten vier Rennen in die Eifel gereist<br />
war, war klar, wen es zu schlagen galt. An diesem<br />
Tag fand der neue Meister seinen Meister in Surtees.<br />
Nach der Hälfte der Renndistanz war dieser<br />
Clark trotz des augenscheinlich langsameren<br />
Bolidens bereits 5,3 Sekunden enteilt - beim<br />
Lotus-Piloten setzte derweil ein technischer<br />
Defekt ein und er konnte fortan nur noch auf<br />
sieben Zylinder <strong>zurück</strong>greifen. Im Ziel hatte Surtees<br />
weit über eine<br />
Minute Vorsprung,<br />
holte seinen ersten GP-<br />
Sieg und avancierte zum<br />
ersten Mann, der im selben Jahr sowohl den<br />
Deutschland GP als auch das 1000-Kilometerrennen<br />
auf dem Nürburgring gewinnen konnte.<br />
Doch der ‚Ringmeister‘ hatte noch nicht genug.<br />
1964 sicherte sich Surtees erneut den Sieg in der<br />
Eifel - sein Gegner hieß in den ersten Runden<br />
wieder Jim Clark, dann entwickelte sich jedoch<br />
ein intensives Duell um die Führung mit Dan<br />
Gurney, das über mehrere Runden andauerte und<br />
oftmals Rad an Rad ausgefochten wurde. Erst als<br />
Niki Lauda holte sich<br />
im Ferrari die Pole<br />
Position mit der ersten<br />
Runde unter 7 Minuten<br />
der Amerikaner aufgrund eines überhitzenden<br />
Motors seinen Speed reduzieren musste, konnte<br />
Surtees sicher vornewegfahren und wie schon im<br />
Vorjahr überlegen gewinnen.<br />
Die Furcht und der gleichsam große Respekt vor<br />
der Nordschleife rührte jahrelang nicht nur von<br />
der reinen Gefährlichkeit des Kurses, der mit fünf<br />
tödlichen Unfällen bis heute die Strecke ist, auf<br />
der die meisten Piloten in der Königklasse ihr<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
56 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Die Furcht und der gleichsam groSSe Respekt vor der<br />
Nordschleife rührte jahrelang nicht nur von der<br />
reinen Gefährlichkeit des Kurses, auch das berühmtberüchtigte<br />
eifelwetter trug seinen teil dazu bei.<br />
Leben ließen - auch das berühmt-berüchtigte<br />
Eifelwetter trug seinen Teil zur Legende von der<br />
‚Grünen Hölle‘ bei. 1968 bot sich bei starkem<br />
Regen und Nebel die Kulisse für den wohl bis<br />
heute überlegensten Sieg eines F1-Fahrers überhaupt.<br />
Eigentlich hätte das Rennen wegen der<br />
katastrophalen äußeren Bedingungen abgesagt<br />
werden müssen - doch vor dem Druck von<br />
250.000 bereits angereisten Zuschauern, wurde<br />
schlussendlich mit einer Stunde Verzögerung die<br />
Startfreigabe erteilt. Zunächst übernahm Graham<br />
Hill die Führung, vor Chris Amon, Jochen Rindt<br />
und Jackie Stewart. Letzterer war an jenem verregneten<br />
Sommertag jedoch in einer ganz anderen<br />
Liga unterwegs. Noch vor dem Ende der ersten<br />
Runde schnappte sich der Matra-Pilot die Führung.<br />
Anschließend baute er diese kontinuierlich<br />
aus. Einen Vorteil konnte Stewart zwar aus seinen<br />
der Konkurrenz überlegenen Dunlop-Regenreifen<br />
ziehen - die unglaublichen vier Minuten Vorsprung<br />
auf den Rest der Welt, mit denen der<br />
Schotte bei verschwindend geringer Sicht nach 14<br />
Umläufen den Zielstrich überquerte, konnte das<br />
aber nicht einmal annähernd erklären. Selten wurden<br />
in der Geschichte der Formel 1 derartige Wetterverhältnisse<br />
während eines Rennens dokumentiert<br />
- später war von einigen Piloten zu<br />
vernehmen, dass Überholmanöver stattgefunden<br />
hätten, die ob des Blindfluges keiner der beteiligten<br />
Piloten jemals wahrgenommen hatte. Obwohl<br />
Stewart später noch dreimal Weltmeister wurde<br />
- die Fahrt auf dem verregneten Nürburgring<br />
adürfte seine größte Glanzleistung<br />
gewesen sein.<br />
ls ausgewiesener Nürburgring-Spezialist<br />
galt auch Jacky Ickx. Der Belgier hatte das<br />
Rennen bereits 1969 für sich entschieden, sein<br />
erinnerungswürdigster Triumph gelang ihm<br />
jedoch 1972. Bei diesmal sonnigen und warmen<br />
Bedingungen nützte er seine Pole Position für<br />
die Führung. Anschließend wurde sein Ferrari<br />
312B2, trotz technischer Probleme gegen Schluss,<br />
bis ins Ziel von den Verfolgern nicht mehr gesehen.<br />
Den bis dato gültigen Rundenrekord von<br />
François Cevert aus dem Vorjahr pulverisierte<br />
Ickx im Rennverlauf um ganze sieben Sekunden.<br />
Drei Jahre später gab es ein weiteres Ferrari-<br />
Highlight auf dem Nürburgring. Mit einer Rundenzeit<br />
von 6:58,6 Minuten markierte Niki Lauda<br />
in der Qualifikation die schnellste Runde, die<br />
jemals auf der Nordschleife gefahren wurde und<br />
durchbrach erstmals an einem Rennwochenende<br />
die magische Schallmauer von sieben Minuten.<br />
Nur ein Jahr später sollte ausgerechnet der<br />
schlimme Feuerunfall des Österreichers im Streckenabschnitt<br />
Bergwerk den traurigen Schlusspunkt<br />
für die Formel 1 auf der Nordschleife<br />
setzen, die den Kurs anschließend für immer<br />
verließ. Während die Durchschnittsgeschwindigkeit<br />
der Rennen auf dem Nürburgring innerhalb<br />
von nur 25 Jahren um weit mehr als 50<br />
Stundenkilometer angestiegen war, wurde der<br />
Ring, ganz passend zu seinem wilden Charakter,<br />
einfach zu schnell für sich selbst - die Legende<br />
eines Ideals von einer Rennstrecke, lebt<br />
Vier Minuten Vorsprung<br />
trotz schlechter Sicht:<br />
Stewart ließ alle weit<br />
hinter sich<br />
Jackie Stewart gewinnt<br />
das Rennen auf der<br />
Nordschleife 1968 im<br />
Matra MS10<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 57
58 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Foto: citroen<br />
Nicht den<br />
Absprung<br />
verpassen<br />
Thierry Neuville ließ bei<br />
der Rallye Finnland die<br />
Steine fliegen - bis er<br />
eine Pace-Note falsch<br />
verstand und sich im<br />
Graben einfand<br />
Jedes Jahr ziehen die tapferen Helden der WRC aus,<br />
um Sebastien Loeb endlich seinen WM-Titel zu entreißen<br />
- bisher mit mäßigem Erfolg. Nach acht Titeln<br />
in Folge ist Loeb auch 2012 nicht zu bremsen. Er<br />
gewinnt, was es zu gewinnen gibt, und fährt Kreise<br />
um seine staunenden Kontrahenten. Gleichzeitig sollte<br />
er aber wissen, wann die Zeit für einen Abschied<br />
gekommen ist. Bereits 2011 sägte sein junger Teamkollege<br />
Sebastien Ogier mächtig an der Statue des<br />
Unbesiegbaren, scheiterte aber knapp - fraglich, wie<br />
lange sein Denkmal noch in Stein gemeißelt bleibt.<br />
Sollte Loeb - wie von vielen Seiten vermutet - nach<br />
dieser Saison der WRC den Rücken kehren, bleibt er<br />
der ungeschlagene Champion. - Marion Rott<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 59
Volle<br />
Kraft<br />
voraus<br />
Coolness, Lockerheit und Wehmut –<br />
das Leben als DTM-Teamchef verlangt<br />
Hans-Jürgen Abt viel ab. Im <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong> verrät der Audi-Mann, welche<br />
Herausforderungen sich seiner Mannschaft<br />
im Alltag der Saison 2012 in den<br />
Weg stellen und wie sie diese meistert.<br />
Text: Frederik Hackbarth<br />
60 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Foto: racepress<br />
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Hans-Jürgen Abt hat<br />
vom Kommandostand<br />
ein Auge auf alles, was<br />
sich im Team tut<br />
MSM: Wie ist die Stimmung im Team, haben<br />
Sie die Sommerpause zur Erholung genutzt, um<br />
in der zweiten Hälfte anzugreifen?<br />
HANS-JÜRGEN ABT: Bei uns geht es immer<br />
volle Kraft voraus, die Stimmung ist sehr gut.<br />
Aber erzwingen kann man gar nichts. Man kann<br />
jetzt nur versuchen, absolut konkurrenzfähig zu<br />
sein und die beste Performance herauszuholen.<br />
Wenn wir in der Team- und Fahrermeisterschaft<br />
noch ein Wörtchen mitreden wollen, zählen<br />
fortan in erster Linie Siege. Uns ist klar, dass wir<br />
alles geben müssen, um uns vorne zu positionieren.<br />
BMW und Mercedes tun natürlich das Gleiche.<br />
Jetzt hoffen wir, dass wir dieses Quäntchen<br />
besser sind.<br />
Liegt der Fokus auf der Verbesserung der Renn-<br />
Pace, nachdem es im Training und Qualifying<br />
ja ohnehin ganz gut lief, im Rennen dann aber<br />
meist schlechter?<br />
Es geht immer um das Gesamtpaket. Man muss<br />
in der DTM auch im Qualifying schnell sein, um<br />
vorne zu sein - das ist ganz wichtig. Letztendlich<br />
gibt es da eine ganz eigene Abstimmung am Fahrzeug,<br />
um das Maximum aus den Reifen herauszuholen.<br />
Dann muss man aber auch versuchen,<br />
über den Long Run konstant die beste Pace zu<br />
erzielen. Daran muss man natürlich immer<br />
arbeiten, um alle Faktoren wie Fahrwerk, Reifen<br />
und Aerodynamik in Einklang zu bringen. Alles<br />
muss optimal ergänzt werden. Auch muss man<br />
im Stande sein, auf die verschiedenen Konstellationen<br />
der Rennstrecken zu reagieren. Das ist<br />
dieses Jahr mit dem A5 DTM natürlich neu gewesen,<br />
verbessert sich aber über die vielen Tests,<br />
weil man viel mehr Erfahrung und Daten vom<br />
Fahrzeug und den Bedingungen erlangt.<br />
Inwiefern haben sich durch das neue Auto die<br />
Abläufe für das Team verändert?<br />
Der Gesamtablauf ist eigentlich immer gleich<br />
und wie mit dem A4. Es ist nur so, dass man<br />
einfach gewisse Daten und situationsspezifische<br />
Informationen noch nicht hat. Diese muss man<br />
neu herausfahren und herausfinden. Wir haben<br />
aber ein sehr zuverlässiges Auto und von dieser<br />
Seite aus ist das Team top organisiert. Etwas<br />
schwieriger und langsamer geworden sind die<br />
Boxenstopps. Die Räder sind größer und<br />
schwerer. Für die Mechaniker ist es mit den<br />
hohen Gewichten deshalb schwieriger geworden,<br />
letztendlich können wir aber auch das kompensieren.<br />
Es steckt also schon ein gewisser Anstieg<br />
der Sportlichkeit dahinter, aber von der technischen<br />
Seite und vom Ablauf am Rennwochenende<br />
hat sich nichts geändert. Was sich aber<br />
geändert hat, ist die Leistungsdichte. Diese ist<br />
noch extremer geworden. Zwei Zehntel Rückstand<br />
im Qualifying bedeuten Platz sieben bis<br />
zehn. Man hat gesehen: Wenn drei Hersteller<br />
aufeinander losgelassen werden, muss alles perfekt<br />
sein, wenn man ganz vorne sein will.<br />
Zu Saisonbeginn gab es viele Back-to-back-<br />
Rennen - ist die Kalenderaufteilung nicht ganz<br />
ideal?<br />
2012 ist für alle <strong>Motorsport</strong>serien diesbezüglich<br />
ein schwieriges Jahr. Wenn im Fernsehen acht<br />
Stunden am Tag Olympia gezeigt wird, braucht<br />
keiner fahren, genauso wenig wie während einer<br />
Fußball Europameisterschaft. <strong>Motorsport</strong> ist ein<br />
wichtiger Bereich, aber gegen Fußball und Olympia<br />
können wir uns noch nicht durchsetzen und<br />
gegen die Formel 1 zu fahren, sollten wir wohl<br />
auch lieber lassen. Dann gibt es noch Hersteller,<br />
die fahren in Le Mans und das soll sich auch nicht<br />
überschneiden. Heuer war es deshalb besonders<br />
schwierig, die richtigen Termine und freien<br />
Wochenenden zu finden. Optimal ist es natürlich<br />
nicht, wenn man immer an aufeinander fol-<br />
Viel zu tun: Abt<br />
Sportsline setzt in<br />
dieser Saison vier neue<br />
Audi A5 DTM ein<br />
genden Wochenenden fahren muss - gerade auch<br />
in unserem Fall, wenn man ein bisschen hinten<br />
dran ist und aufholen muss.<br />
Wie sehen an einem Rennwochenende Ihre<br />
genauen Aufgaben als Teamchef aus?<br />
Grundsätzlich trägt man als Teamchef die Verantwortung<br />
- in unserem Fall für 52 Menschen.<br />
Man muss wissen, wo die Schlüsselpositionen<br />
sind - vom Technischen Direktor, über die Ingenieure,<br />
bis hin zur Kommunikation zwischen<br />
Ingenieur und Fahrer. Als Teamchef muss man<br />
die finale Entscheidung in puncto Strategie treffen,<br />
gerade wenn man schnell reagieren muss.<br />
Auch geht es darum, sich vor das Team zu stellen<br />
und immer an der Stelle zu helfen, wo es notwendig<br />
ist, um den Teamgedanken und Teamgeist<br />
zu fördern. <strong>Motorsport</strong> und die DTM sind<br />
ein Mannschaftssport. Es arbeiten sehr viele<br />
Menschen für den Erfolg. Dabei geht es ja nicht<br />
62 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
nur um die Teams, sondern auch um die Koordination<br />
mit dem Hersteller, in unserem Fall<br />
Audi. Wenn es einmal klare Entscheidungen zu<br />
treffen und Verantwortung zu übernehmen gibt,<br />
gilt es, dass der Teamchef auch klar hinter der<br />
Entscheidung steht, egal ob sie nun richtig oder<br />
manchmal auch falsch ist. Man muss Verantwortung<br />
übernehmen und keine Opfer oder Schuldigen<br />
suchen. Wo Menschen sind, passieren<br />
Fehler. Die Aufgabe ist es, sich damit auseinanderzusetzen<br />
und die Fehler abzustellen oder zu<br />
korrigieren. Da ist ein gewisses Management<br />
gefordert, dass man sich nicht gegenseitig zerfleischt,<br />
sondern eine einheitliche Linie vorlebt<br />
und den Hersteller vertritt. Mit vier Fahrzeugen,<br />
wie in unserem Fall, ist man da schon sehr eingespannt<br />
und muss deshalb auch eine gewisse<br />
Coolness und Lockerheit haben, um das sauber<br />
abzuarbeiten. Letztendlich gilt es, zu delegieren,<br />
zu motivieren und einen kühlen Kopf zu bewahren.<br />
Es ist wichtig, dass es eine Person gibt, die<br />
für die Themen geradesteht und versucht, die<br />
richtige Entscheidung zu finden.<br />
Es ist mit Sicherheit Wehmut mit dabei, wenn<br />
man weiSS, wie der Erfolg zustande kam und<br />
wie hart alle gearbeitet haben, damit Martin<br />
Tomczyk auch einmal Meister wird.<br />
Wie läuft die Zusammenarbeit mit Audi und<br />
<strong>Motorsport</strong>chef Dr. Wolfgang Ullrich?<br />
Von meiner Seite aus ist das Verhältnis mit Audi<br />
hervorragend. Wir sind schon sehr lange Partner,<br />
wir kennen eigentlich gar nichts anderes und<br />
werden auch nichts anderes kennenlernen, denn<br />
wir sind mit Audi und VW sehr, sehr loyal - auch<br />
mit unserem normalen Geschäft. Wenn man in<br />
der DTM über zehn oder elf Jahre zusammenarbeitet<br />
und fünf Meisterschaften sowie drei Teamtitel<br />
und 40 Siege holt, weiß man, was man aneinander<br />
hat. Wenn es einmal nicht so läuft,<br />
werden die Probleme analysiert, aber dann wird<br />
gemeinsam der Blick nach vorne gerichtet. Das<br />
macht die Stärke aus, denn man hat gegenseitiges<br />
Vertrauen und genau das braucht man in diesem<br />
Geschäft. Wenn man sich nicht blind versteht,<br />
kann man so eine Last und so ein Projekt auch<br />
gemeinsam gar nicht stemmen. Klar ist aber<br />
auch: Man muss kritikfähig sein. Gegenseitige<br />
Schuldzuweisungen und Unzufriedenheit sind<br />
fehl am Platz.<br />
Mattias Ekström hat sich vor der Saison sicher<br />
mehr erwartet - wie schätzen Sie seine Chancen<br />
ein, doch noch in den Kampf um die Meisterschaft<br />
einzusteigen?<br />
Man hat gesehen, wie schnell Gary Paffett seinen<br />
Vorsprung herausgefahren hat. Auch hat man<br />
schon oft gesehen, wie schnell man so einen Vorsprung<br />
wieder verlieren kann. Mattias braucht<br />
man nicht motivieren. Er ist ein sehr, sehr wichtiger<br />
Mann in unserem Team und bei Audi, weil<br />
er sehr viel von der Technik und der Materie<br />
versteht. Ich denke, die Chancen für die zweite<br />
Jahreshälfte sind für uns positiv. Mattias gibt nie<br />
auf, sein Motto lautet nicht umsonst: ‚Go hard or<br />
go home!‘ Man kann stolz sein, wenn man so<br />
Hans-Jürgen Abt traut<br />
Mattias Ekström in der<br />
zweiten Saisonhälfte<br />
noch viel zu<br />
einen Fahrer im Team hat und die Vergangenheit<br />
hat schon öfter gezeigt, dass die zweite Saisonhälfte,<br />
die Ekström-Hälfte ist. Es ist noch alles<br />
drin und man sollte ihn nicht so schnell abschreiben.<br />
Sollte es nicht klappen, ist es trotzdem wichtig,<br />
dass man zeigt, dass unser Auto siegfähig ist<br />
und wir für nächstes Jahr absolut aussortiert sind.<br />
Da kann man auch schon wichtige Zeichen<br />
setzen.<br />
Wie bewerten Sie nach einem halben Jahr den<br />
Abgang von Martin Tomczyk in Richtung BMW?<br />
Letztes Jahr fuhr er für Phoenix, ist aber ja auch<br />
bei Abt ein alter Bekannter...<br />
Herr Tomczyk würde nicht bei BMW fahren, wenn<br />
er bei uns nicht angefangen hätte - das ist einmal<br />
sicher. Er kam damals als 19-Jähriger mit unserem<br />
TT in die DTM: Wir haben an seine Qualität<br />
geglaubt. Ähnlich wie nun Adrien Tambay war er<br />
wahnsinnig schnell, kam aber nicht oft ins Ziel, weil<br />
er immer irgendwo Probleme hatte. Über die vielen<br />
Jahre hat er sich jedoch ein großes Know-how angeeignet<br />
und deshalb auch von Audi viel Zeit bekommen,<br />
sich in Ruhe zu entwickeln. Im zehnten Jahr<br />
hat er das mit dem Meistertitel bestätigt, auch wenn<br />
andere das vielleicht ein bisschen früher geschafft<br />
haben. Er hat mit 19 bei null angefangen und ist<br />
heute mit 30 ein fertiger Rennfahrer. Bei BMW hat<br />
er nun eben seine zweite Chance gesucht. Das muss<br />
man akzeptieren. Er war über zehn Jahre im Audi-<br />
Lager, aber ich glaube, Dr. Ullrich hat bei seinem<br />
Abgang bereits alles gesagt und ihm auf dem weiteren<br />
Weg viel Erfolg gewünscht. Man sieht schon,<br />
dass er jetzt ausgereift ist, viel Erfahrung hat und<br />
BMW in der DTM wirklich hilft.<br />
Wie viel Wehmut ist mit dabei, wenn sich so<br />
jemand, den man mitaufgebaut und lange begleitet<br />
hat, dann verabschiedet - gerade nach einem<br />
großen Erfolg?<br />
Es ist mit Sicherheit Wehmut mit dabei, wenn man<br />
weiß, wie der Erfolg zustande kam und wie hart alle<br />
gearbeitet haben, damit Martin Tomczyk auch einmal<br />
Meister wird. Aber man kann da eben nicht<br />
reinschauen. Ich war bei dieser Thematik nicht<br />
wirklich involviert, da er dann ja schon ein Jahr weg<br />
und bei Phoenix war. Nun hat er die zweite Chance<br />
bei BMW gesucht und sich wahrscheinlich auch<br />
gesagt, dass er bei Audi eben schon alles erreicht<br />
hat. Er hat sich für alles sehr oft bedankt, sich nun<br />
aber dazu entschlossen, seinen zweiten Karriereabschnitt<br />
- und im Tourenwagensport ist das eben<br />
so: ab 30 ist man im letzten Abschnitt - einem anderen<br />
Hersteller zu widmen, wo er seine Erfahrung<br />
weitergeben kann. Das ist eben manchmal das Leid,<br />
wenn man Menschen aufbaut.<br />
Fotos: audi, racepress<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 63
Fast<br />
unbezwingbar<br />
Text: Marion Rott<br />
Schon wieder:<br />
Die Zwischenbilanz<br />
der Loeb-Jäger<br />
fällt auch 2012<br />
ernüchternd aus.<br />
Das <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong> blickt auf<br />
die Gewinner und<br />
Verlierer der bisherigen<br />
WRC-Saison<br />
und erinnert<br />
an besondere Momente<br />
der ersten<br />
Jahreshälfte<br />
Der Unbesiegbare:<br />
Sebastien Loeb<br />
»Wir haben acht WM-Titel<br />
in Folge gewonnen und es<br />
kann für 2012 nur ein Ziel<br />
geben: Titel Nummer<br />
neun.« Diese Worte mögen<br />
für den einen oder anderen<br />
arrogant klingen, aber<br />
Sebastien Loeb sagte im<br />
November 2011 nur das,<br />
was er momentan in die<br />
Tat umsetzt. Der Franzose<br />
dominiert wie selten zuvor<br />
und lässt die Konkurrenz<br />
ratlos aussehen. Teamkollege<br />
Mikko Hirvonen musste<br />
feststellen, dass selbst<br />
mit gleichem Material und<br />
ohne Teamorder gegen<br />
den achtfachen Weltmeister<br />
nur schwer ein Kraut<br />
gewachsen ist. »Um Sebastien<br />
zu schlagen, reicht<br />
eine exzellente Rallye nicht<br />
aus - sie muss mehr als<br />
perfekt sein«, betont<br />
Hirvonen.<br />
Siegquote: 6 Siege bei 8<br />
Teilnahmen (75<br />
Prozent)<br />
Bestzeiten: 44<br />
(26,93 Prozent)<br />
Der ewige Zweite:<br />
Mikko Hirvonen<br />
Mikko Hirvonen verfolgt<br />
das Sprichwort: ‚Kannst du<br />
den Feind nicht besiegen,<br />
verbünde dich mit ihm.‘<br />
Nach jahrelangem Kampf<br />
gegen Sebastien Loeb tritt<br />
er 2012 an dessen Seite bei<br />
Citroen an. Anstatt seinen<br />
Spitznamen ‚der ewige<br />
Zweite‘ aber endlich loszuwerden,<br />
untermauert ihn<br />
jede weitere Rallye ein<br />
Stückchen mehr. Nur<br />
Regen, Schlamm und katastrophale<br />
Sicht konnten<br />
Hirvonen helfen: Sieg in<br />
Portugal. Wie in Stein<br />
gemeißelt stand allerdings<br />
sein Pech: Sein Citroen fiel<br />
durch die technische<br />
Abnahme und er wurde<br />
disqualifiziert. Bei den<br />
meisten anderen Rallyes<br />
musste Hirvonen - seinem<br />
Spitznamen gerecht - ab<br />
einem gewissen Punkt<br />
bremsen, um einen Doppelsieg<br />
hinter Loeb nicht zu<br />
gefährden.<br />
Siegquote: 0 Siege bei 8<br />
Teilnahmen(0 Prozent)<br />
Bestzeiten: 24<br />
(14,63 Prozent)<br />
64 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Die »klare«<br />
Nummer zwei:<br />
Petter Solberg<br />
Nach Jahren der Geldsorgen<br />
und Sponsorensuche<br />
wünschte sich Petter Solberg<br />
nichts sehnlicher, als<br />
endlich wieder für ein Werksteam<br />
anzutreten. Der Traum<br />
ging in Erfüllung: Hirvonen<br />
wechselte zu Citroen und der<br />
Weltmeister von 2003<br />
konnte seinen Platz einnehmen<br />
- nicht aber dessen<br />
Nummer-1-Status. Von<br />
Anfang an war klar, dass der<br />
Norweger nur gewinnen<br />
durfte, sollte Jari-Matti Latvala<br />
nicht unmittelbar hinter<br />
ihm liegen. Nach der Hälfte<br />
der Saison ist Ford aber<br />
gezwungen umzudenken;<br />
während die eigentliche<br />
Nummer 1 unter ferner liefen<br />
unterwegs ist, fährt Solberg<br />
regelmäßig in die Punkte und<br />
ist der erste<br />
Citroen-Verfolger.<br />
Siegquote: 0 Siege bei 8<br />
Teilnahmen (0 Prozent)<br />
Bestzeiten: 37<br />
(22,56 Prozent)<br />
Das aufstrebende<br />
Talent: Mads<br />
Östberg<br />
Der erste Sieg. Abgehakt.<br />
Vom Podium herunterschauen,<br />
in dem Wissen, alle<br />
besiegt zu haben. Fehlanzeige.<br />
Erst einige Stunden<br />
nach dem Ende der Rallye<br />
Portugal wurde Mads Östberg<br />
sein erster WRC-Erfolg am<br />
grünen Tisch zugesprochen.<br />
So hatte sich das der Norweger,<br />
der von vielen als potenzieller<br />
zukünftiger Weltmeister<br />
gehandelt wird, nicht vorgestellt.<br />
»Ich jage immer noch<br />
nach meinem ersten richtigen<br />
Sieg und es wird etwas<br />
Besonderes sein, wenn ich<br />
zum ersten Mal oben auf dem<br />
Podest stehe«, sagt er. Die<br />
Vorzeichen stehen gut: Mit<br />
einem Triumph und zwei<br />
Podestplätzen 2012 entspricht<br />
seine Ausbeute jener<br />
des Ford-Werkspiloten Jari-<br />
Matti Latvala - mit dem Unterschied,<br />
dass Östberg eine<br />
Rallye weniger bestritten hat,<br />
durch seine Konstanz aber<br />
dennoch vor dem Finnen in<br />
der Gesamtwertung liegt.<br />
Der gefallene<br />
Favorit: Jari-Matti<br />
Latvala<br />
Schnee, Eis, wilde Natur und<br />
mittendrin ein strahlender<br />
Ford-Pilot, der gerade seinen<br />
ersten Saisonsieg feiert und<br />
glaubt, damit die Kehrtwende<br />
in der WM geschafft zu haben.<br />
Doch statt dem Aufschwung<br />
folgte eine Serie aus Pleiten,<br />
Pech und Pannen - unter<br />
anderem ein Schlüsselbeinbruch<br />
beim Skilanglauf. Mal<br />
war es ein anderes Auto, mal<br />
eine Eisplatte, mal sogar ein<br />
Zaun. Der geneigte Betrachter<br />
könnte meinen, dass Jari-<br />
Matti Latvala 2012 bei fast<br />
jeder Rallye Steine - oder in<br />
seinem Fall Felsen - in den<br />
Weg gelegt wurden. »Ich<br />
erwischte in diesem Jahr zu<br />
viele Felsen und ich muss an<br />
dieser Schwachstelle<br />
arbeiten«, ist das ernüchternde<br />
Fazit des geläuterten<br />
WM-Anwärters. Platz fünf in<br />
der Gesamtwertung und keine<br />
reelle Chance mehr auf den<br />
Titel sind die frustrierende<br />
Bilanz für den 27-Jährigen.<br />
Siegquote: 1 Sieg bei 7<br />
Teilnahmen (14,29<br />
Prozent)<br />
Bestzeiten: 36<br />
(24,83 Prozent)<br />
Foto: adrivo/sutton<br />
Siegquote: 1 Sieg bei 6<br />
Teilnahmen<br />
(16,67 Prozent)<br />
Bestzeiten: 3<br />
(2,42 Prozent)<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 65
BPlan<br />
Text: Fabian Schneider<br />
Im <strong>Motorsport</strong><br />
zählt nicht nur<br />
Talent, sondern<br />
auch das nötige<br />
Kleingeld. Das<br />
<strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong> hat mit<br />
drei Nachwuchsfahrern<br />
gesprochen,<br />
die nach<br />
mehreren Saisons<br />
im Formel-<br />
Sport auf »Plan<br />
B« umschwenken<br />
mussten.<br />
Wenn man kein Glück hat, kommt auch noch<br />
Pech hinzu. So ungefähr muss sich Michael<br />
Ammermüller in der Saison 2007 gefühlt<br />
haben, als er als Titelkandidat in der GP2 an<br />
den Start ging. Unterstützt von Red Bull sollte<br />
er im Meisterteam ART Grand Prix an der<br />
Seite von Lucas Di Grassi mit der Startnummer<br />
eins um Siege und Podestplätze kämpfen.<br />
Doch als Ammermüller in neun Rennen nur<br />
einen einzigen Punkt holte, begann für den<br />
damals 21-Jährigen eine rasante Talfahrt.<br />
Ammermüller wurde kurzerhand in die<br />
Renault World Series verfrachtet und wenig<br />
später komplett aus dem Nachwuchskader<br />
von Red Bull gestrichen. »So schlimm war es<br />
nicht, man ist ja ganz schnell unten, wenn es<br />
vorbei ist«, musste er feststellen. Die ersten<br />
Testfahrten in der Formel 1 hatte er da längst<br />
absolviert. »Ich wollte einen Stammplatz<br />
bekommen, aber ohne Red Bull und einen<br />
Sponsor war das schwierig, zudem kam 2008<br />
die Finanzkrise hinzu.« Über Umwege,<br />
kleinere Rennserien und einzelne Einsätze im<br />
GT-Sport hat Ammermüller den Anschluss<br />
aber wieder gefunden. Mittlerweile kämpft er<br />
im Porsche Supercup um gute Ergebnisse und<br />
stand in seiner Debüt-Saison schon mehrfach<br />
auf dem Podium. »Wenn man sich die harten<br />
Kämpfe und das Niveau der Fahrer anschaut,<br />
ist das schon sehr nah an der GP2 dran. Jeder<br />
hat das gleiche Material und es gibt Fahrer,<br />
die schon ewig dabei sind«, urteilt Ammermüller<br />
über sein neues Arbeitsumfeld.<br />
Die Tatsache, dass der Porsche 911 GT3 mit<br />
seinen Keramik-Bremsen und dem sehr<br />
reglementierten Setup nicht unbedingt<br />
einfach zu fahren ist, hat in den vergangenen<br />
Jahren schon oft dafür gesorgt, dass längst in<br />
Vergessenheit geratene Talente wieder eine<br />
Chance bekommen. Eines der besten Beispiele<br />
dafür ist Marco Holzer, der es nach<br />
einer verpatzten Saison in der Formel 3 Euro<br />
Serie mittlerweile bis hin zum Porsche-<br />
Werksfahrer geschafft hat. Nur ungern<br />
erinnert sich Holzer an die Saison 2007. Als<br />
Dritter der Formel BMW Deutschland und<br />
mit einer Testfahrt im Formel-1-Boliden von<br />
BMW im Gepäck, ging das Nachwuchstalent<br />
in der Formel 3 mit unterlegenem Material<br />
unter. »Dabei sah es nach den Testfahrten gar<br />
nicht so schlecht aus, aber wir hatten einfach<br />
keine Chance. Und wenn es mal gut lief, wie<br />
etwa auf dem Norisring, als ich von Platz<br />
sieben bis auf den dritten Rang nach vorne<br />
fuhr, streikte die Technik.« Damals hatte<br />
Holzer die Formel 1 fest im Blick. »Da war ich<br />
17 Jahre alt und hatte noch nicht einmal einen<br />
Führerschein. Die Formel 1 war immer mein<br />
Kindheitstraum«, erinnert sich der heute<br />
24-Jährige aus Bobingen. Letztlich hat ein<br />
einziger Anruf wohl seine ganze Karriere auf<br />
den Kopf gestellt: Holzer wurde Teil des<br />
Juniorkaders von Porsche. »Im Porsche<br />
Juniorteam wurde ich nicht einfach ins kalte<br />
Wasser geworfen, stattdessen bekommt man<br />
innerhalb von drei Jahren alle wichtigen<br />
Grundlagen beigebracht. Ich hatte damals ja<br />
gar keine Erfahrung im GT-Sport«, so Holzer<br />
über seinen Einstieg bei Porsche, bei dem ihm<br />
sämtlicher Druck genommen wurde. »Ich<br />
konnte in meinem ersten Jahr völlig frei<br />
66 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Marco Holzer kommt als<br />
Porsche Werksfahrer viel<br />
herum in der Welt - egal ob<br />
ALMS, 24-Stundenrennen<br />
oder Int. GT Open<br />
1 2<br />
fahren. Ich habe auch die damaligen Werksfahrer<br />
kennengelernt und gesehen, wie sie<br />
arbeiten. Mein Ziel war es, auch so einen<br />
Werksvertrag zu erhalten. Das war damals wie<br />
eine völlig neue Karriere für mich.« Anfang<br />
2011 war es dann endlich soweit: Nach<br />
dreijähriger »<strong>Motorsport</strong>-Ausbildung«<br />
unterschrieb Holzer einen Werksvertrag bei<br />
Porsche. »Ich habe meine Chance bei Porsche<br />
genutzt. Ich fahre die größten Rennen der<br />
Welt, bin in Daytona, Le Mans und auf der<br />
Nordschleife unterwegs. Außerdem fahre ich<br />
zusammen mit richtig großen Namen in<br />
einem Team - das ist für mich schon ein<br />
echtes Highlight.«<br />
Eine solche Chance würde auch Philipp Eng<br />
gerne bekommen. Der Österreicher gewann<br />
das Formel BMW Weltfinale ein Jahr vor<br />
Holzer, konnte sich im Formel-Sport aber<br />
ebenfalls nie richtig durchsetzen, obwohl es in<br />
allen Serien für Podestplätze reichte. »Die<br />
Ergebnisse waren gut, aber ich hatte einfach<br />
nicht die finanziellen Möglichkeiten, um<br />
weitere Schritte zu realisieren.« Mittlerweile<br />
ist Eng nicht nur im Porsche Carrera Cup und<br />
Supercup unterwegs, sondern auch im ADAC<br />
GT Masters. »Zu Beginn war ich schon etwas<br />
enttäuscht. Schließlich ist es der Traum jedes<br />
Rennfahrers, in der Formel 1 zu fahren. Ich<br />
war aber schon glücklich, als ich 2011<br />
überhaupt etwas zum Fahren gefunden habe.«<br />
Mittlerweile fühlt sich der 22-jährige Salzburger<br />
in seinem neuen Umfeld pudelwohl -<br />
»Plan B« war auch in diesem Fall die goldrichtige<br />
Entscheidung.<br />
3<br />
1. Michael Ammermüller 2.<br />
Philipp Eng und 3. Marco<br />
Holzer haben ihre Heimat in<br />
einem Porsche gefunden<br />
Fotos: porsche<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 67
Text: Fabian Schneider<br />
Ein besserer<br />
Rennfahrer<br />
Die Rennsportfamilie Abt ist nicht nur in der DTM erfolgreich. Daniel Abt, Sohn<br />
von DTM-Teamchef Hans-Jürgen Abt, mischt in diesem Jahr in der GP3 mit. Mit dem<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> analysiert er seine erste Saison in der Nachwuchsserie<br />
Fotos: gp3 series<br />
MSM: Du bestreitest deine erste Saison in<br />
der GP3 Serie. Wie fällt dein Zwischenfazit<br />
aus?<br />
DANIEL ABT: Grundsätzlich glaube ich, dass<br />
die Saison bisher gar nicht so schlecht<br />
gelaufen ist. Natürlich hätte es mit ein<br />
bisschen mehr Glück und besseren Qualifying-Resultaten<br />
- gerade zu Beginn des<br />
Jahres - besser laufen können, aber die<br />
Rennen an sich waren bisher alle relativ in<br />
Ordnung. Manchmal hatten wir leider Pech<br />
mit der Reifenentscheidung, aber unsere Pace<br />
ist wirklich nicht schlecht.<br />
Wie schwierig war der Umstieg nach rund<br />
zwei Jahren in der Formel 3?<br />
Am Anfang war insbesondere der Turbo-<br />
Motor eine große Umstellung. Man muss erst<br />
einmal verstehen, wie der Motor arbeitet und<br />
wie der Turbo in schnellen Kurven einsetzt.<br />
Aber daran gewöhnt man sich schnell. Vom<br />
Handling her ist das GP3-Auto sehr angenehm<br />
zu fahren, das gefällt mir. Die breiten<br />
Reifen sorgen für sehr viel Grip an der<br />
Vorderachse, vor allem im Vergleich zur<br />
Formel 3 Euro Serie.<br />
Welche Details kannst du noch verbessern?<br />
Es sind ja meistens nur Kleinigkeiten, die<br />
fehlen. Anfang des Jahres habe ich mich<br />
schwer getan, das veränderte Grip-Level<br />
zwischen Training und Qualifying zu<br />
verstehen. Es war schwer, mit dem zusätzlichen<br />
Grip umzugehen. Jetzt kenne ich mich<br />
damit aus, und in Hockenheim, auf einer<br />
Strecke die ich wirklich gut kenne, lief es sehr<br />
gut. Man muss einfach die kurze Trainingszeit<br />
nutzen und dann im Zeittraining alles in<br />
einer einzigen Runde umsetzen, wenn die<br />
Reifen perfekt funktionieren.<br />
Wie läuft die Arbeit mit dem Team? Ist es<br />
ähnlich professionell wie bei Signature in der<br />
Formel 3?<br />
Ich würde sagen, dass sich in den Nachwuchsserien<br />
die meisten Teams auf einem<br />
sehr hohen Niveau bewegen. Es unterscheidet<br />
sich nicht viel zum letzten Jahr, wir sind nur<br />
mehr im Simulator unterwegs. Das hilft mir<br />
vor allem auf Strecken, die ich vorher noch<br />
nicht kannte. Letztlich kann mir das Team die<br />
Strecken aber auch nicht beibringen, das<br />
muss ich schon selbst im Auto herausfinden.<br />
Wie hast du dich seit deinem Titelgewinn im<br />
ADAC Formel Masters als Rennfahrer<br />
entwickelt?<br />
Das ist schwer zu sagen. Man wird als<br />
gesamter Rennfahrer besser. Das Formel<br />
Masters ist eine Nachwuchsserie, da ist man<br />
noch jung und geht oft ungestüm an die<br />
Sache heran. Auch wenn man dort Meister<br />
wird, ist man noch lange kein gemachter<br />
Rennfahrer, sondern muss noch viel lernen.<br />
Man muss auch mal Fehler machen und ein<br />
schwieriges Jahr durchleben, denn so reift<br />
man und lernt mit solchen Situationen<br />
umzugehen.<br />
Verspürst du in diesem Jahr auch mehr<br />
Druck als damals?<br />
Für mich gibt es von außen eigentlich keinen<br />
Druck, eher von mir selbst. Ich stecke mir vor<br />
der Saison Ziele und bin höchstens über mich<br />
selbst enttäuscht, wenn das nicht klappt. Ich<br />
habe einen hohen Anspruch, ich mache die<br />
ganze Geschichte ja nicht, um im Mittelfeld<br />
zu fahren. Wenn das der Fall wäre, müsste ich<br />
es wohl sein lassen.<br />
Warum ist im Winter die Entscheidung für<br />
einen Wechsel in die GP3 gefallen? Ein<br />
weiteres Jahr in der Formel 3 wäre ja auch<br />
eine Möglichkeit gewesen...<br />
Daniel Abt hat sich<br />
gut in der GP3<br />
Series eingelebt<br />
Das war auch der Plan, bevor ich in die Euro<br />
Serie gewechselt bin. Leider wusste niemand,<br />
wie es mit der Serie weiter geht. Letztes Jahr<br />
hatten wir ein extrem kleines Feld, hinzu<br />
kamen die Reifen, mit denen wir nicht gut<br />
klar gekommen sind. Dieses Jahr gab es ein<br />
neues Auto und wieder neue Reifen, da weiß<br />
man nie, in welche Richtung die Reise geht.<br />
Bei Lotus GP kennt man das GP3-Auto aus<br />
den letzten Jahren und hat schon Erfolge<br />
damit gefeiert, das war mir lieber als ein<br />
Pokerspiel.<br />
Überlegst du dir schon, wie es 2013 weiter<br />
gehen wird?<br />
Natürlich macht man sich da schon Gedanken.<br />
Aber ich muss erst einmal die Saison<br />
abschließen. Danach muss man schauen, wo<br />
man steht, wie man sich selbst einschätzt und<br />
ob die GP2 schon machbar ist. Natürlich ist<br />
es eine Option, bei Lotus aufzusteigen, aber<br />
man sollte sich zunächst überlegen, was am<br />
meisten Sinn macht.<br />
Was ist für dich in diesem Jahr noch drin?<br />
Theoretisch geht da schon noch was. Aber<br />
wenn Mitch Evans und die anderen Fahrer da<br />
vorne keine Fehler machen, ist es fast<br />
unmöglich, sie einzuholen. Für mich ist es<br />
sehr wichtig, dass ich an den Rennwochenenden<br />
das Maximum heraushole, gute<br />
Leistungen bringe und dann schaue, was die<br />
anderen machen. Letztes Jahr hat Valtteri<br />
Bottas die letzten drei Rennen gewonnen und<br />
ist dann Meister geworden, obwohl er schon<br />
abgeschlagen war. Wichtig ist einfach, dass<br />
die eigene Leistung stimmt.<br />
68 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 69
nissan GT-r gt3<br />
Japanischer Exot<br />
Mit dem Nissan GT-R GT3 ist zum ersten Mal in der Geschichte des ADAC GT Masters ein japanischer<br />
Sportwagen vertreten. Tobias Schulze erklärt im <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> die Besonderheiten<br />
und schwächen des Japan-Renners.<br />
Text: Robert Seiwert<br />
Der Motor: «Turbo statt Hubraum lautet das Motto beim GT-R. Zwar werkeln nur 3,8 Liter in<br />
unserem V6-Motor, dafür ist das Ansprechverhalten der beiden Turbos aber sehr gut. Ein Turboloch<br />
gibt es quasi nicht. Das Ärgernis beim Nissan: Mit unseren 530 PS sind wir auf der Geraden zu<br />
langsam im Vergleich zur Konkurrenz. Hätte das Auto mehr Leistung, bekämen wir arge Probleme<br />
mit dem Benzinverbrauch; der GT-R schluckt ziemlich viel Sprit.«<br />
Aerodynamik: «Der GT-R<br />
verfügt über einen extrem<br />
guten aerodynamischen<br />
Grip, das macht sich vor<br />
allem auf flüssigen Strecken<br />
wie dem Sachsenring und<br />
Zandvoort bemerkbar. Im<br />
Vergleich zu vielen anderen<br />
GT3s setzte NISMO bei der<br />
Entwicklung des Autos auf<br />
einen sehr großen Frontsplitter,<br />
deshalb verzichteten<br />
sie wohl auch auf die<br />
üblichen Flaps an der Front.<br />
Der Heckspoiler ist wie bei<br />
den Konkurrenten riesig<br />
- das sorgt für ordentlich<br />
Abtrieb, bremst uns aber<br />
auch auf den Geraden.«<br />
Fahrwerk: «Die Straßenversion des GT-R verfügt über einen Allradantrieb. Gemäß des<br />
FIA-Reglements baute NISMO unseren Boliden allerdings auf eine Version mit Heckantrieb<br />
um - eine aufwendige Aktion mit einem sehr guten Ergebnis. Manchmal fehlt uns etwas<br />
Traktion auf der Strecke, aber das liegt auch am schweren Motor mit seinem Bi-Turbo.<br />
Der GT-R neigt deshalb dazu, über die Vorderachse zu schieben.«<br />
70 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Karosserie: »Mit 1.300 kg zählt der GT-R eher zu den Schwergewichten im ADAC GT<br />
Masters. Deshalb setzten NISMO und JR <strong>Motorsport</strong> bei der Konstruktion des GT3-Boliden<br />
vorrangig auf Carbon, um mittels des leichten Verbundstoffes möglichst viel Gewicht bei<br />
der Karosserie einzusparen. Leider ist das Material extrem teuer, der Heckspoiler kostet<br />
beispielsweise rund 15.000 Euro. Ein Unfall kann extrem kostspielig werden, das hat man<br />
natürlich immer im Hinterkopf.«<br />
Auspuff: »Der Nissan GT-R verfügt über Sidepipes, die Abgase treten also<br />
an der Seite des Autos aus. Der Vorteil: Auf diese Weise konnte der Unterboden<br />
sehr glatt gestaltet werden, damit keine Luftverwirbelungen unter dem Auto<br />
auftreten. Das sieht nicht nur spektakulär aus, sondern spart zusätzlich ein<br />
wenig Gewicht. Unser V6 kann in Sachen Sound zwar nicht ganz mit den<br />
Camaros und Lamborghinis mithalten, dafür macht der GT-R bei den Schaltvorgängen<br />
ein ziemlich cooles Geräusch. Der Rennsound kommt also nicht<br />
zu kurz.«<br />
Einzigartigkeit: «Der GT-R ist der erste japanische<br />
Sportwagen in der Geschichte des ADAC GT Masters -<br />
eine schöne Abwechslung zu all den Porsches, Audis und<br />
BMWs im Fahrerlager. Unser Auto hat zwar noch die eine<br />
oder andere Schwäche, aber zumindest bei den Fans ist<br />
der Bolide sehr beliebt. Viele Zuschauer freuen sich, dass<br />
wir mit dem GT-R antreten - schließlich sollen auch die<br />
japanischen Fans auf ihre Kosten kommen. Über mangelndes<br />
Interesse an unserem Renner während der Rennwochenenden<br />
können wir uns nicht beklagen.«<br />
Fotos: adac gt masters<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 71
Jason Kremer wird im<br />
ADAC Formel Masters<br />
von der ADAC Stiftung<br />
Sport gefördert<br />
TALENT<br />
Aus Schumachers Talentschmiede<br />
Text: Robert Seiwert<br />
Jason Kremer peilt in diesem Jahr den Gesamtsieg im ADAC Formel Masters an. Das<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> unterhielt sich mit dem 17-jährigen Bonner über seine Zeit mit Michael<br />
Schumacher und den großen Traum von der Formel 1.<br />
Die Anfänge:<br />
»<strong>Motorsport</strong> liegt bei uns in der Familie: Mein<br />
Vater fuhr früher in der Formel 3 und so kam<br />
ich schon als kleiner Junge schnell mit dem<br />
Rennsport in Kontakt. Im Alter von fünf Jahren<br />
drehte ich meine ersten Runden im Kart, 2002<br />
absolvierte ich mein erstes Kart-Rennen. Über<br />
das ADAC Kart Masters und die DMV Kart<br />
Championship stieg ich ins ADAC Formel<br />
Masters auf und fahre derzeit meine zweite<br />
Saison im Formelsport. Während meiner Kartzeit<br />
war ich für das KSM <strong>Motorsport</strong> Team von<br />
Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher<br />
unterwegs.«<br />
Die Erfolge:<br />
»2008 stieg ich ins ADAC Kart Masters auf und<br />
feierte dort in meinem Debütjahr die Meisterschaft.<br />
Ein Jahr später sicherte ich mir den Titel<br />
in der DMV Kart Championship. Gerne erinnere<br />
ich mich an meinen Gesamtsieg beim<br />
prestigeträchtigen Kerpener Winterpokal<br />
<strong>zurück</strong> und natürlich auch an meine bisherigen<br />
Siege im ADAC Formel Masters - hoffentlich<br />
kommen noch ein paar hinzu.«<br />
Das Ziel:<br />
»Ist doch klar - ich möchte einmal in der Formel<br />
1 fahren, das ist schließlich der Traum<br />
eines jeden Formelfahrers. In diesem Jahr konzentriere<br />
ich mich aber erst einmal auf das<br />
ADAC Formel Masters und hoffe, in meiner<br />
zweiten Saison die Meisterschaft zu gewinnen.<br />
Der Sprung in die Formel 3 Euro Serie wäre<br />
ein guter Schritt zu meinem großen Ziel. Ich<br />
weiß, dass der Weg bis in die Königsklasse noch<br />
weit ist, aber Gewinnen beginnt schließlich im<br />
Kopf!«<br />
Die Ausbildung:<br />
»Ich bereite mich momentan auf mein Abitur<br />
auf dem CJD Gymnasium in Königswinter vor<br />
und hoffe, in zwei Jahren meinen Abschluss in<br />
der Tasche zu haben. Meine Noten könnten<br />
sicherlich ein wenig besser sein, aber für den<br />
Rennsport geht sehr viel Zeit drauf. Zum Glück<br />
unterstützen mich die Lehrer auch bei meiner<br />
<strong>Motorsport</strong>-Karriere und dank ihrer Hilfe<br />
schaffe ich es, beides unter einen Hut zu<br />
bekommen.«<br />
Die Hobbys:<br />
»<strong>Motorsport</strong> und Schule - da bleibt für Hobbys<br />
leider kaum Zeit. Rennsport betreiben, bedeutet,<br />
auf vieles zu verzichten, aber das nehme<br />
ich gerne in Kauf. Früher habe ich Schlagzeug<br />
gespielt, inzwischen gehe ich lieber ins Fitnessstudio<br />
und zum Sport, um an den anstrengenden<br />
Rennwochenenden möglichst fit zu<br />
sein. Wenn im Winter einmal Zeit ist, fahre ich<br />
sehr gern Ski in Österreich - eine schöne<br />
Abwechslung und gleichzeitig eine weitere<br />
Möglichkeit, auf der Piste Gas zu geben!«<br />
Fotos: adAC<br />
72 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Sieger der<br />
Extraklasse<br />
Mit einem Tagessieg beim ADAX MX Masters in Tensfeld meldete sich<br />
Max Nagl nach langer Rückenverletzung eindrucksvoll <strong>zurück</strong>. Sein Platz<br />
im KTM-Werksteam ist für 2013 zwar schon an Ken de Dycker vergeben,<br />
mit seinen starken Auftritten sollte der Bayer aber kein Problem haben,<br />
wieder Unterschlupf in der WM zu finden. In Gaildorf musste sich Nagl<br />
allerdings Ken Roczen geschlagen geben, der bei seinem Gastspiel nichts<br />
anbrennen ließ und mit der 450er unter dem Jubel der Fans auf Platz<br />
eins stürmte.<br />
Ken Rozen ließ der Konkurrenz im<br />
ADAC MX Masters keine Chance<br />
Roy Nissany<br />
gewann in<br />
Spielberg sein<br />
erstes Rennen<br />
Israelischer Feiertag<br />
»Das ist der großartigste Tag in der <strong>Motorsport</strong>-Geschichte Israels«,<br />
jubelte der langjährige, israelische TV-Journalist Boaz Korpel.<br />
Er erlebte in Spielberg, wie zuerst Alon Day im ATS Formel-<br />
3-Cup auf das Podium fuhr und anschließend Roy Nissany seinen<br />
Premierensieg im ADAC Formel Masters feierte. Der Name Nissany<br />
ist in der Formel 1 nicht unbekannt: Papa Chanoch durfte<br />
2005 für Minardi testen. Der Junior will noch weiter kommen:<br />
»Grundsätzlich würde ich sagen, dass die Spitze des <strong>Motorsport</strong>s<br />
mein Ziel ist.«<br />
Fahrschulbank<br />
drücken<br />
Sven Hannawald plant<br />
2013 sein Comeback<br />
im ADAC GT Masters<br />
Sven Hannawald legt in dieser Saison ein freiwilliges Lernjahr ein,<br />
um 2013 gestärkt ins ADAC GT Masters <strong>zurück</strong>zukehren. Erste Fortschritte<br />
konnte er im Training mit seinem Fahrlehrer Mathias Lauda<br />
bereits feststellen: »An den Rundenzeiten kann ich erkennen, dass<br />
ich schneller geworden bin«, verrät der ehemalige Skispringer dem<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. »Wenn ich meine Hausaufgaben mache, werden<br />
automatisch gute Ergebnisse kommen - aber natürlich wäre es super,<br />
wenn ich irgendwann einmal ein Hauptrennen einer Rennserie gewinnen<br />
könnte.«<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 77
74 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Foto: red bull content pool<br />
grober<br />
unfug<br />
Stefan Bradl machte die<br />
Straßen von San<br />
Francisco unsicher -<br />
beste Einstimmung auf<br />
die Corkscrew in<br />
Laguna Seca<br />
Das Liberty Racing Team ist wahrlich eine seltsame<br />
Truppe. Noch bevor die Saison begann, verließ der<br />
neue Teammanager Fabio Alberti das sinkende Boot<br />
aus ungeklärten Gründen. Mitten in der Saison, und<br />
zwar genau beim Heimrennen, setzte die Crew Sylvain<br />
Guintoli vor die Tür. Angeblich wegen schlechter<br />
Ergebnisse, obwohl der Franzose mit Gesamtplatz acht<br />
noch der Beste der tschechischen Truppe war. Guintoli<br />
zeigte dem Liberty Team aber gleich in Silverstone,<br />
wo der Hammer hängt: Auf der Ducati des Pata Teams<br />
gewann er den zweiten Lauf souverän unter schwierigsten<br />
Bedingungen. Tja, liebe Liberty Crew, das war<br />
wohl nicht die hellste Entscheidung. - Maria<br />
Pohlmann<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 75
d i e<br />
Fotos: milagro<br />
76 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
w a h r h e i t ü b e r s t o n e r<br />
Mit Casey Stoner verlässt einer der besten Fahrer der<br />
Gegenwart vorzeitig die MotoGP-Bühne. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
hat mit ihm über das Ende, den Anfang und so ziemlich alles<br />
dazwischen gesprochen.<br />
Text: Falko Schoklitsch<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 77
Die spannenden<br />
Zweikämpfe am Limit<br />
werden Stoner fehlen<br />
Die letzte Ausfahrt naht:<br />
Casey Stoner hängt den<br />
Helm am Ende der Saison<br />
an den Nagel<br />
MSM: Es würden wohl viele Leute sagen, dass du der schnellste Motorradfahrer<br />
bist, der im Moment auf dieser Welt lebt. Kannst du verstehen, dass<br />
sie recht traurig sind, wenn du aufhörst?<br />
CASEY STONER: Sicher werden einige Leute recht traurig sein. Andere<br />
werden sich freuen, dass ich weg bin. Das hängt wohl mit meiner Wahrheit<br />
zusammen - oder was sie ‚sich beschweren‘ nennen. Für mich ist das aber<br />
kein Problem. Ich habe für mich und meine Familie eine Entscheidung getroffen<br />
und das ist alles, was zählt.<br />
Als du deinen Rücktritt bekanntgegeben hast, sagtest du, einer der Hauptgründe<br />
sei, dass du die Richtung nicht magst, die der Sport nimmt. Am<br />
Sachsenring gab es dann aber diese schöne Aufnahme von dir, als du in der<br />
Box gesessen hast, deine Frau und dein Kind daneben und du hattest dieses<br />
breite Grinsen eines stolzen Vaters und liebenden Ehemanns. Wie sehr wirst<br />
du es genießen, mehr Zeit mit deiner Familie zu haben?<br />
Das wird toll, wenn ich ehrlich bin. Einfach mehr Zeit zu haben. Es gibt nicht<br />
viele Leute, die an der Spitze dieses Sports waren<br />
und auch mit der Familie oder ihren Frauen<br />
erfolgreich waren und lange durchhielten. Vielleicht<br />
ging es bei den Superbikes etwas länger,<br />
aber in der MotoGP ist es schwierig, an der<br />
Spitze stark mitzufahren und eine Frau mit Kind<br />
zu haben. Nicht nur, weil es in dieser Welt sehr<br />
stressig ist - zur besten Zeit ist es schwierig.<br />
Wenn es falsch läuft und man einen schlechten<br />
Tag hat, ist es hart. Wenn sie da sind und mich<br />
unterstützen, ist das toll. Jetzt muss ich aber<br />
auch ihnen etwas Unterstützung zuteil werden<br />
lassen.<br />
Es gibt diesen Eindruck von dir, dass du auf<br />
jede Maschine steigen und schnell damit sein<br />
kannst. Nach meiner Meinung steckt da mehr dahinter, da du einer der<br />
intelligentesten Fahrer zu sein scheinst. Denkst du, du wirst in dieser Hinsicht<br />
manchmal unterschätzt?<br />
78 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
»Ich war immer ehrlich und<br />
habe die Wahrheit gesagt.<br />
Ich denke, ich bin einer von<br />
wenigen Fahrern - vielleicht<br />
auch der einzige -, die konstant<br />
die Wahrheit sagen.«<br />
Ich denke, Valentino und Jeremy Burgess haben das schon bewiesen, als sie<br />
zu Ducati gingen und dachten, sie können jede Maschine hinkriegen. Das<br />
geht eben nicht so einfach. Viele Fahrer werden nicht dafür respektiert, was<br />
sie können. Dani wird nicht für seinen Speed und seine Entwicklungsarbeit<br />
respektiert. Fahrer bringen bei der Entwicklung keine Zahlen ein, sie liefern<br />
Information und Input. Das ist alles, was wir tun können. Je mehr Information<br />
und Input du liefern kannst, desto besser können die Mechaniker und Ingenieure<br />
die Maschine abstimmen und desto erfolgreicher wirst du sein. Jeder<br />
Fahrer, der konstant schnell an der Spitze fährt, wird vielleicht dabei unterschätzt,<br />
was er wirklich kann.<br />
Du scheinst ein Mensch zu sein, der Dinge gerade heraus sagt und ehrlich<br />
ist. Wenn du eine Meinung aussprichst, hast du immer auch gute Argumente,<br />
um diese zu untermauern. Denkst du, dass dir da manchmal Unrecht getan<br />
wurde, wenn du deine Meinung mit Unterstützung von Argumenten kundgetan<br />
hast, sich dann aber alles nur auf ein bestimmtes Zitat stürzte?<br />
Das ist mir oft passiert. Das ist auch ein Grund,<br />
warum ich nicht mehr hier sein will. Ich war<br />
immer ehrlich und habe die Wahrheit gesagt.<br />
Ich denke, ich bin einer von wenigen Fahrern<br />
- vielleicht auch der einzige -, die konstant die<br />
Wahrheit sagen. Jeder andere versucht, ein<br />
Schauspieler und Hollywoodtyp zu sein, um<br />
der Öffentlichkeit das zu geben, was sie will. Da<br />
ich den Medien und der Öffentlichkeit so viele<br />
Informationen und so viele ehrliche und wahre<br />
Informationen gegeben habe, dachte ich eigentlich,<br />
dass ich etwas mehr Respekt erhalten<br />
würde. Aber erst als ich meinen Rücktritt<br />
bekanntgab, merkten alle, dass es die Wahrheit<br />
ist, was ich gesagt habe. Ich nehme an, sie<br />
beginnen es jetzt zu verstehen und sie beginnen,<br />
sich die Wahrheit etwas besser anzuhören.<br />
Wenn man sich den modernen Sport ansieht, so scheint es, dass viele Ath-
Stoner gilt als einer der<br />
besten Motorradrennfahrer<br />
der Gegenwart<br />
Fotos: milagro<br />
leten sehr bedacht darauf sind, sich als Marke aufzubauen. Du warst nie<br />
so jemand. Ist das eine Entwicklung, die nach deiner Ansicht dem Sport<br />
schadet?<br />
Ich wollte immer Motorradfahrer sein, ich wollte nie Marken-Botschafter<br />
sein, ich wollte nie als Schauspieler im Kino sein, ich wollte nie etwas als<br />
Model machen. Ein Großteil meiner Gegner<br />
hat diese Dinge gemacht und es genossen, aber<br />
für mich war es nie etwas, das ich genossen<br />
habe. Ich genieße es, ruhig zu sein und für<br />
mich wird dem Sport dadurch schon geschadet.<br />
Das macht die Dinge kompliziert, daher<br />
habe ich immer versucht, den Sport so realistisch<br />
zu halten wie möglich und wollte ihn<br />
nach meiner Richtung ausrichten, nicht nach<br />
der Richtung aller anderen.<br />
Rein oberflächlich betrachtet, bist du der<br />
Traum eines jeden Marketing-Menschen. Du<br />
siehst gut aus, bist einer der Besten in deinem<br />
Sport, du bist ein Familienmensch und wirkst<br />
bescheiden. Du warst nur niemals ein Freund<br />
von PR-Arbeit. Warum ist das so?<br />
Ich mache einfach nicht das, was sie von mir wollen. Das ist etwas, das mich<br />
in meiner Karriere oft <strong>zurück</strong>gehalten hat, aber auf andere Art hat es mich<br />
dorthin gebracht, wo ich jetzt bin. Ich mache eben nicht das, was jeder andere<br />
will, ich mache das, was meine Familie will. Für mich ist dies das Wichtigste.<br />
Ich will nicht all diese anderen Leute beeindrucken. Ich will jene Leute glücklich<br />
machen, die um mich sind, die mir wichtig sind. Wie ich bereits erwähnte,<br />
viele andere Fahrer können das tun, weil sie normalerweise kein echtes Leben<br />
neben der Strecke haben. Sie haben ein paar Freunde, haben Spaß, ich habe<br />
seit einigen Jahren eine Frau und ich habe ein Kind. Daher habe ich viel<br />
wichtigere Dinge, über die ich nachdenken muss, statt einfach nur im Mittelpunkt<br />
zu stehen und nach Aufmerksamkeit zu haschen.<br />
»Ich mache einfach nicht<br />
das, was sie von mir wollen.<br />
Das ist etwas, das mich in<br />
meiner Karriere oft <strong>zurück</strong>gehalten<br />
hat, aber es hat<br />
mich hierher gebracht.«<br />
Du hast den Respekt bereits erwähnt. Du hast tolle Dinge auf einem Motorrad<br />
vollbracht. Als du in der MotoGP anfingst, warst du zunächst auf einer<br />
Satelliten-Honda und hattest dort nicht unbedingt die beste Spezifikation<br />
an Michelin-Reifen, du kamst aber im zweiten Rennen auf Pole und warst<br />
im dritten auf dem Podest. Du musstest aber hart fahren, mehr als das<br />
Material hergab und stürztest deswegen öfter als es dir lieb war - Randy de<br />
Puniet hatte später das gleiche Problem wegen<br />
der Reifen. Dir brachte das einen bösen Spitznamen<br />
ein. Dann kamst du zu Ducati und hast<br />
alle weggefegt, inklusive deines Teamkollegen.<br />
Dennoch sagte jeder, du hattest nur eine gute<br />
Maschine. Auch danach holtest du mehr raus,<br />
als die Maschine hergab, was an deinen Teamkollegen<br />
zu erkennen war. Du kamst zu Honda<br />
und wurdest sofort Weltmeister, aber es scheint,<br />
erst als du deinen Rücktritt bekannt gegeben<br />
hast, oder vielleicht auch schon etwas zuvor,<br />
zeigten dir die Leute den Respekt, den du von<br />
Anfang an verdient hattest. Denkst du, dass du<br />
lange nicht den Respekt bekamst, der dir<br />
zustand?<br />
Das war eigentlich fast meine gesamte Karriere<br />
so. Niemand erkannte, was ich, meine Familie und auch meine Mechaniker<br />
geleistet haben. Das ist aber nicht das Wichtigste für mich. Früher hat mich<br />
das vielleicht etwas mehr verärgert, weil wir nicht den Respekt bekamen, den<br />
wir verdienten. Jetzt ist es mir aber egal. Die Leute sollen denken, was sie<br />
wollen. Jeder wird immer über Gründe reden, warum wir schnell waren oder<br />
nicht. Am Ende wird die Wahrheit rauskommen und die Leute werden sie<br />
erkennen. Ich denke, Ducati hat jetzt wieder die schnellste Maschine im Feld,<br />
aber sie wollen nur einen besseren Motor, um sie zu fahren. Sie haben nicht<br />
gemerkt, als wir die schnelle Maschine hatten, war sie furchtbar zu fahren.<br />
Es war am Gas sehr schwierig, wir hatten keine Beschleunigung und keinen<br />
Grip, aber wir haben sie so gut zum Laufen gebracht, wie es ging. Zu viele<br />
Leute suchen heutzutage nach Perfektion. Ich werde stolz darauf sein, was<br />
ich in meiner Karriere geleistet habe und deswegen ist es Zeit für mich, zu<br />
gehen. Sicher werden andere Leute immer etwas zu sagen haben.<br />
→<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 79
Rolling Stoner: Stürze<br />
brachten Casey Stoner zu<br />
Karrierebeginn einen<br />
Spitznamen ein<br />
Fotos: milagro<br />
Deine Familie ist dir sehr wichtig. Sie haben dir in deiner Karriere auch<br />
sehr geholfen. Wie dankbar bist du für ihre Unterstützung?<br />
Meine Familie... ich wäre ohne sie nicht hier, kein Kind wäre ohne seine<br />
Familie und deren Unterstützung hier. Ich glaube, jeder braucht das. Sie<br />
haben tolle Dinge für mich gemacht, sie haben in den frühen Jahren viele<br />
Opfer für mich gebracht und wir haben den Rest selbst gemacht. Meine<br />
Frau und ich, wir waren dann in den Jahren danach erfolgreich. Es ist eine<br />
große Sache, die sie für mich getan haben und davor habe ich viel Respekt.<br />
Fans können kompliziert sein. Du hast viele Fans, andere Fahrer aber<br />
auch und einige Fans können recht feindschaftlich gesinnt sein. Hat dich<br />
das jemals gestört oder hast du versucht, das auszublenden?<br />
Das hat mich schon gestört. Man sieht viele<br />
Fans, die es zu schätzen wissen, was man für<br />
sie macht. Viele Fans erwarten aber, dass man<br />
etwas für sie macht. Da ich eine normale Person<br />
bin, stört mich das. Ich will das nicht tun,<br />
nur weil sie das von mir verlangen. Ich will es<br />
tun, weil sie das zu schätzen wissen. Das sieht<br />
man heutzutage bei nur wenigen Fans. Jeder<br />
ist nur hier, um zu beweisen, dass er hier war,<br />
nicht weil er sich darüber freut, hier zu sein<br />
und diese oder jene Person treffen kann.<br />
Außerdem ist es so, jedes Mal wenn man von<br />
der Strecke oder vom Wohnwagen kommt -<br />
das ist vor allem in Deutschland oft passiert,<br />
anderswo auch, aber dort besonders oft -, findet<br />
man immer die gleichen Personen vor, die<br />
jedes Mal um vier oder fünf Autogramme bitten.<br />
Diese Leute nehmen die Zeit weg, die ich den Fans geben will. Denn<br />
sie sind immer da und stehen im Weg. Sie wollen dich nicht gehen lassen,<br />
bis du ihre Sachen unterschrieben hast - immer die gleichen Leute. Ich<br />
80 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
»Jorge und Dani waren<br />
fantastische Gegner, Dovi<br />
ebenfalls. in der MotoGP gab<br />
es ein paar tolle Kämpfe mit<br />
Valentino. diese Fahrer waren<br />
meine härtesten Gegner.«<br />
hatte mit verschiedenen Leuten zu tun und wenn sie aus dem Weg gehen,<br />
ist das OK, aber die freundlichen Leute, die wirklich nur ein Autogramm<br />
wollen, werden nach hinten gedrängt. Das ärgert mich etwas, ich kann<br />
nicht so viel Zeit mit den Fans verbringen, wie ich will - zumindest mit den<br />
richtigen Fans.<br />
Du hattest viele tolle Kämpfe. Wen würdest du zu deinen besten Gegnern<br />
und welche Kämpfe würdest du zu deinen besten zählen?<br />
Es gab viele tolle Kämpfe, wenn ich ehrlich bin. In den kleinen Klassen,<br />
125er und 250er, hatte ich wohl ein paar meiner besten - in der MotoGP<br />
auch ein paar. Jorge und Dani waren fantastische Gegner, Dovi ebenfalls,<br />
denn wir kamen von den 125ern über die 250er bis hier nach oben. Als ich<br />
in der MotoGP fuhr, gab es ein paar tolle<br />
Kämpfe mit Valentino. Es waren diese drei,<br />
vier Fahrer, die meine härtesten Gegner<br />
waren. Was Kämpfe betrifft, da gab es zu viele,<br />
um einen oder zwei heraus zu picken.<br />
Gab es irgendwelche beste oder schlechteste<br />
Erfahrungen, die du mit uns teilen willst?<br />
Die beste Erfahrung war sicher der WM-Titel<br />
im Vorjahr. Wir schafften so viele Dinge an<br />
einem Tag. Das war echt etwas Besonderes für<br />
uns. Die schlimmste Erfahrung war wohl der<br />
Sturz in der 125cc-Saison 2003 in Assen. Wir<br />
hatten eine gute Chance auf ein starkes Ergebnis<br />
- mein bestes bis dahin. Leider war ich sehr<br />
krank, ich stürzte in den ersten Runden und<br />
die Fußraste stieß durch den Helm. Es war ein<br />
schlimmes Wochenende und nichts funktionierte. Es rutschte uns ein gutes<br />
Ergebnis durch die Finger, das war wohl einer der enttäuschendsten<br />
Momente.
Stoners Tochter<br />
Alessandra muss nicht<br />
mehr lange den Lärm an<br />
der Strecke ertragen<br />
Stoner schätzt die Duelle<br />
mit Valentino Rossi<br />
Als du deinen Rücktritt bekannt gegeben hast, wurde schnell darüber<br />
geredet, dass du das Racing und den Adrenalinschub vermissen wirst.<br />
Es gibt die Aussage, dass man mit jedem Auto oder Motorrad Spaß haben<br />
kann, solange man ans Limit geht. Stimmt das deiner Meinung nach?<br />
Muss man nicht unbedingt in der MotoGP fahren, um den gleichen Spaß<br />
und den gleichen Adrenalinschub zu haben?<br />
Was auf Motorrädern mehr Spaß macht als<br />
in Autos, es ist schwieriger, das Limit zu finden.<br />
Es ist viel schwieriger, man muss mehr<br />
Parameter meistern, um ans Limit zu kommen.<br />
Eigentlich gibt es nie ein Limit, man<br />
kann immer schneller. Man kann seine Körperposition<br />
und so viele Dinge auf der<br />
Maschine ändern, es gibt viele Variablen, um<br />
alles so gut wie möglich zu machen. Das<br />
macht aber auch die Attraktivität aus und<br />
deswegen ist dieser Sport so fantastisch. Mit<br />
Autos ist es relativ ähnlich, solange man ans<br />
Limit pusht und versucht, dorthin zu kommen,<br />
ist es fantastisch. Ich denke nur, Motorräder<br />
machen einem etwas mehr Angst, daher<br />
ist es aufregender und das ist das Tolle an<br />
Motorrädern.<br />
Wie sehen deine wirklichen Pläne für den Ruhestand aus? Zunächst<br />
wirst du sicher erst einmal zur Ruhe kommen wollen, aber glaubst du,<br />
danach wirst du eine neue Herausforderung in deinem Leben finden?<br />
Ich denke daran, in Zukunft bei den V8 Supercars einzusteigen. Ich bin<br />
mir nicht sicher, wann in der Zukunft. Ich habe schon einige Jahre darüber<br />
nachgedacht, das war mein Traum, nachdem ich hier aufgehört habe;<br />
weiterzumachen und dort mein Glück zu versuchen. Aber abgesehen<br />
davon, will ich mir die Zeit nehmen und mein Wohnmobil ausführen,<br />
»am Limit fahren und kämpfen<br />
- Wenn es gut läuft, ist<br />
es ein tolles Gefühl. Ich<br />
werde es aber nicht genug<br />
vermissen, um weiterhin hier<br />
zu bleiben.«<br />
um ein paar verschiedene Orte zu sehen und das Leben zu genießen.<br />
Du bist jung, hattest viel Erfolg, hast ein glückliches Familienleben,<br />
dürftest ganz gut verdient haben - wirst du trotzdem etwas bedauern,<br />
wenn du aufhörst?<br />
Ich denke, Bedauern gegenüber den Leuten,<br />
mit denen ich zusammenarbeite. Ich werde<br />
viele Leute vermissen, mit denen ich hier<br />
arbeite. Natürlich, am Limit fahren und kämpfen,<br />
wenn man gut unterwegs ist. Wenn es gut<br />
läuft, ist es ein tolles Gefühl. Ich werde es aber<br />
nicht genug vermissen, um hier zu bleiben.<br />
Deswegen will ich gehen. Ich denke nicht, dass<br />
ich es so sehr vermissen werde. Ich werde in<br />
Zukunft noch viele Erfahrungen sammeln.<br />
Du bist toll darin, eine Maschine so schnell<br />
wie möglich um eine Rennstrecke zu bewegen.<br />
Dein ganzes Können kann allerdings am<br />
besten bewundert werden, wenn es in Superzeitlupe<br />
dargestellt wird. Denkst du, es ist<br />
etwas ironisch, dass wir dich sehr langsam<br />
machen müssen, damit wir sehen, wie schnell du wirklich bist?<br />
Das ist eine gute Art, um es zu beschreiben. Es gab in den letzten Jahren<br />
ein paar wirklich schöne Zeitlupen-Aufnahmen. Ich bin froh, dass ich in<br />
dieser Zeit gefahren bin, wo man genau und klar sieht, was passiert. Ich<br />
bin stolz darauf, was für ein Fahrer ich geworden bin und wie weit ich es<br />
geschafft habe. Sicher bin ich dem Limit oder dem Maximum, das ich<br />
erreichen könnte, nicht einmal nahe. Aber ich denke, ich kann auf meine<br />
Leistungen, meinen Stil und alles stolz sein. Ja, es ist recht lustig, dass man<br />
alles langsamer machen muss, um zu bemerken, was wir leisten und wie<br />
wir es machen.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 81
Fotos: milagro<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
82 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Widerspenstiger<br />
Zähmer<br />
Nicky Hayden ist ein Kämpfer, der sich weder durch zickige<br />
Motorräder noch durch namhafte Teamkollegen unterkriegen lässt.<br />
Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> blickt mit ihm auf seine Karriere.<br />
Text: Maria Pohlmann & Falko Schoklitsch<br />
G<br />
estatten, ‚ayden, Nicky ‚ayden. Natürlich<br />
heißt es Nicky Hayden und er<br />
kommt aus einem Land, in dem einige<br />
Menschen denken, die Pizza wurde dort erfunden,<br />
egal ob sie in Stadteile mit Namen Little Italy<br />
fahren müssen, um dort die beste Pizza zu essen,<br />
die sie bekommen können. Signore Hayden weiß<br />
es natürlich besser, immerhin arbeitet er seit dem<br />
Winter 2008/2009 für Ducati und ist damit bei<br />
einem Herzstück der italienischen <strong>Motorsport</strong>-<br />
Kultur beheimatet - egal ob es dort Probleme mit<br />
dem H zu Wortanfang gibt oder nicht. In seiner<br />
Zeit beim italienischen Hersteller hat er bereits<br />
einiges mitgemacht.<br />
Nicky Hayden gibt<br />
weiter für Ducati in<br />
der MotoGP Gas<br />
Direkt vor seiner Ankunft war Marco Melandri<br />
grandios an der Ducati Desmosedici gescheitert<br />
und es war klar, die Aufgabe würde nicht einfach<br />
werden. Hayden hatte zu kämpfen, denn auch<br />
2009 blieb das Motorrad eines, das nur Casey<br />
Stoner so richtig zu meistern schien. Doch der<br />
Amerikaner blieb widerspenstig und ergab sich<br />
nicht in sein Schicksal. Egal ob Stoner ihm immer<br />
wieder um die Ohren fuhr oder Valentino Rossi<br />
nach seinem Wechsel von Yamaha zu Ducati für<br />
die Saison 2011 das Team an sich riss, ohne wirklich<br />
viel zu bewegen. Hayden machte sein Ding<br />
und er wird das auch 2013 machen, wohl auch<br />
deswegen, weil er nicht aufgab.<br />
Die Zähmung der Ducati steht für ihn weiter ganz<br />
oben auf seiner Aufgabenliste, wobei er schon in<br />
diesem Jahr bemerken konnte, dass es vorwärts<br />
geht. »Für mich ist die GP12 ein besseres Bike,<br />
ich würde sagen, sogar die beste Ducati, die ich je<br />
gefahren bin. Sie reagiert am normalsten und ich<br />
mag sie sehr. Ich wünschte mir nur, dass wir noch<br />
bessere Ergebnisse einfahren könnten«, sagt<br />
Hayden dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Das Interessante<br />
an ihm ist, es würde ihm fast jeder im<br />
Fahrerlager gönnen, sollte er wieder bessere<br />
Resultate erzielen können.<br />
Hayden gehört zu den meistgemochten Fahrern<br />
der MotoGP, als er 2006 seinen WM-Titel im<br />
Kampf gegen Valentino Rossi gewann, freute sich<br />
jeder für ihn - und nicht, weil er Rossi geschlagen<br />
hatte, sondern einfach nur deswegen, weil man<br />
ihm den Titel gönnte. Zwar gibt es nach wie vor<br />
Stimmen, die meinen, er sei nur Weltmeister<br />
geworden, weil alle Konkurrenten irgendwelche<br />
Probleme hatten, doch das lässt ihn kalt. Er →<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 83
Nicky Hayden ist<br />
stolz auf seine<br />
Erfolge<br />
ist nach wie vor sehr stolz auf seinen Erfolg. »Oh ja. Ich<br />
bin stolzer, als es sich jemals irgendjemand vorstellen<br />
kann.« Der Amerikaner mag vielleicht nicht das allergrößte<br />
Talent der Königsklasse sein,<br />
doch er arbeitet so hart wie kaum<br />
jemand. Stehen Testfahrten an, dann<br />
könnte man beinahe darauf wetten,<br />
dass Hayden die meisten Runden<br />
fahren wird, läuft etwas nicht nach<br />
Plan, analysiert er umfassend.<br />
Deswegen ist auch das Bild von ihm<br />
falsch, dass er ständig zwischen Kentucky<br />
und Europa hin und her pendelt,<br />
nur weil er es vorzieht, zuhause<br />
zu sein. »Nach jedem Rennen fliege<br />
ich nicht <strong>zurück</strong>. In den letzten sieben<br />
oder acht Wochen war ich nur<br />
vier Tage zu Hause, so oft ist es nicht. Ich stamme eben<br />
aus einer großen Familie und es gefällt mir zu Hause am<br />
Besten. Europa ist wunderschön, es gibt wunderbare<br />
Orte, aber zu Hause ist es eben am Schönsten«, meint er.<br />
84 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Vor allem aber kann er auch zuhause trainieren, immerhin ist eine Motocross-Strecke vorhanden<br />
und seine Brüder Tommy und Roger Lee sind ebenfalls professionelle Rennfahrer. Der erfolgreichste<br />
der Drei ist und bleibt aber Nicky und er verfolgt mit Sorge, dass der Nachwuchs aus<br />
den USA in der Weltmeisterschaft sehr dünn gesät ist. »Ja, das<br />
»Manchmal freue ich<br />
mich darauf, manchmal<br />
graut mir vor<br />
einem Leben ohne<br />
MotoGP. ich hoffe,<br />
dass ich noch etwas<br />
hier bleiben kann.«<br />
ist schwer. Es ist schwer in der Moto2 und Moto3. In den letzten<br />
Jahren kamen ein paar Kids rüber und probierten sich bei den<br />
Red Bull Rookies und in der 125er, aber es hat einfach nicht<br />
funktioniert. Amerika hat viele junge Talente, aber die bekommen<br />
immer alle sehr schnell Heimweh. Wir haben es in den USA<br />
ziemlich leicht, es ist nicht einfach, aber das Leben ist ziemlich<br />
gut und die meisten Kids bekommen einfach Heimweh. Wenn<br />
sie ein oder zwei Jahre hier in Europa waren, wollen sie wieder<br />
<strong>zurück</strong> und denken gar nicht dran, erneut rüber zu kommen. Es<br />
wäre schön, ein paar Talente in der der Moto3 oder der Moto2<br />
zu sehen. Da sie in der Moto2 nun mit Viertaktern fahren, denke<br />
ich, dass es sogar so kommen wird.«<br />
Vorerst wird es aber immer einsamer als Amerikaner im MotoGP-<br />
Fahrerlager, wobei Hayden ohnehin sein eigenes Ding macht. Dazu ist er aber ein genauer<br />
Beobachter, denn er weiß, im Kreis der Besten gibt es immer etwas, das andere besser machen.<br />
Daher hat er auch nicht einen Fahrer, den er genau beobachtet oder bewundert. »Es gibt für<br />
mich jetzt keinen, den ich am meisten bewundere. Es gibt immer Dinge an bestimmten Fahrern,
»Dani legt die besten Starts<br />
hin, Casey kommt schnell<br />
auf Tempo, Jorge ist der<br />
Konstanteste und Valentino<br />
weiSS am besten, wie man<br />
mit vielen leuten umgeht.«<br />
die ich mag. Dani [Pedrosa] zum Beispiel legt die besten Starts hin,<br />
die ich in meinem Leben jemals gesehen habe, Casey [Stoner]<br />
kommt schneller auf ein starkes Tempo als alle anderen, Jorge<br />
[Lorenzo] ist der Beste, den ich je gesehen habe, was die Konstanz<br />
angeht und Valentino [Rossi] weiß am besten, wie man mit Unmengen<br />
von Menschen umgeht«, sagte Hayden.<br />
Hayden schaut sich<br />
von allen Konkurrenten<br />
das Beste ab<br />
Hayden macht sich<br />
noch keine Gedanken<br />
über die Zeit danach<br />
Fotos: milagro<br />
Wobei sich durchaus sagen ließe, dass er vielleicht ebenfalls andere<br />
inspiriert hat. Seine WM-Saison 2006 war zwar nicht reich an Siegen,<br />
aber sie war ein Ausbund an Konstanz. Fahrer wie Jorge<br />
Lorenzo haben diesen Konstanz-Gedanken auf die Spitze getrieben;<br />
der Spanier will nicht nur eine Saison konstant fahren, er schafft<br />
es auch, innerhalb eines Rennens seine Runden konstant abzuspulen<br />
wie ein Uhrwerk. Wieder und wieder betont Lorenzo dazu,<br />
wie wichtig es ist, konstant zu sein. Aktuell fällt es Hayden allerdings<br />
schwer, selbst auf die Karte Konstanz zu setzen, dazu ist die<br />
Ducati noch nicht gut genug. Aber der Weg stimmt und wenn es<br />
ihm gelingen sollte, die italienische Maschine zu zähmen, dann<br />
könnte er vielleicht sagen, er hat genug erreicht.<br />
Gegenüber dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> betont Hayden allerdings,<br />
dass er noch nie ans Aufhören gedacht hat. Dennoch wird er nicht<br />
jünger und mit mittlerweile 31 Jahren ist ein Ende abzusehen. Das<br />
will er am liebsten in der MotoGP feiern und nirgendwo anders.<br />
Ein Wechsel in die Superbike-WM, wo alte Hasen wie Carlos Checa<br />
und Max Biaggi noch große Erfolge feiern, ist vorerst nicht im Plan. »Ich bin mir nicht sicher,<br />
ob ich in die Superbike gehen würde. Wenn diese Jahre hier vorbei sind, dann ist vielleicht<br />
auch meine ganze Renn-Geschichte gelaufen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich irgendwo anders<br />
hin wechseln würde, nachdem ich so lange in der MotoGP gefahren bin. Ich würde sicherlich<br />
noch etwas mit Motorrädern zu tun haben, aber ich würde sagen, dass meine Karriere dann<br />
vorbei ist.«<br />
Hayden weiß selbst gut genug, dass der Tag seines Rücktritts nicht mehr ewig weit entfernt<br />
ist, wobei er auch etwas Angst davor hat. »Ich denke, es wäre hart für mich, mich an eine<br />
solche Situation anzupassen. Das wird auf jeden Fall viel Zeit brauchen. Aber ich habe schon<br />
realisiert, dass dieser Tag nicht mehr allzu weit weg ist. In der MotoGP bleibt mir vielleicht<br />
noch ein weiteres Jahr oder sogar zwei. Manchmal freue ich mich darauf, an anderen Tagen<br />
graut mir vor einem Leben ohne die MotoGP. Also hoffe ich erst einmal, dass ich noch ein<br />
paar Jahre hier bleiben kann.«<br />
Egal wie es ausgeht, bislang hat er geschafft, was nur wenige geschafft haben. In jeder seiner<br />
bisher zehn MotoGP-Saisons fuhr er auf einer Werks-Maschine, eine elfte kommt in jedem Fall<br />
dazu. Verholfen hat ihm dazu auch seine widerspenstige Einstellung, die sich nicht damit abfindet,<br />
wenn etwas nicht funktioniert, sondern ihn zur Arbeit antreibt. Das war auch ein Grund, warum<br />
Ducati ihn halten wollte, während Valentino Rossi über den Abschied nachdachte. Ducati-CEO<br />
Gabriele del Torchio hatte sich selbst für den mit Kentucky Kid nicht mehr ganz genau benannten<br />
Amerikaner stark gemacht, weil er wusste, was das Rennteam an ihm hat. Und das könnte<br />
wiederum dazu führen, dass uns Paddock-Liebling Hayden auch über sein Karriere-Ende erhalten<br />
bleibt; als Testfahrer, Botschafter oder in einer anderen Rolle.
Text: Maria Pohlmann<br />
Rossis<br />
Fiaskos<br />
Valentino Rossi ist der beliebteste<br />
Motorradfahrer aller Zeiten.<br />
Doch auch mit neun WM-Titeln,<br />
Millionen von Fans und Euro auf<br />
dem Konto hat man Schwächen.<br />
Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> geht auf<br />
Fehlersuche.<br />
Es gibt Mütter, die sich tatsächlich wünschen, dass der Sohn<br />
einmal ein großer Fußballstar wird. Im Falle von Valentino<br />
Rossi darf man im Nachhinein feststellen: Zum Glück hat<br />
sich Papa Graziano erfolgreich gegen Mama Stefania zur<br />
Wehr gesetzt! Dieser nahm den Sohnemann nämlich nicht<br />
wie es der Lebensplan vorsah mit ins Fußballstadion, sondern<br />
auf die Kartbahn. Der Beginn einer erfolgreichen<br />
<strong>Motorsport</strong>-Karriere die ihresgleichen sucht. Mit seinen<br />
neun WM-Titeln ist Rossi nach wie vor Publikums-Liebling<br />
Nummer eins und wird von Fans, Medien und Dorna verehrt<br />
wie der Motorradgott schlechthin - was nicht zuletzt an<br />
seinem außergewöhnlichen Vermarktungstalent liegt. Doch<br />
auch Götter haben schlechte Tage und in der einen oder<br />
anderen Situation wünschte sich der Italiener sicher selbst<br />
insgeheim, dass er lieber mit 21 anderen Jungs hinter einem<br />
Ball herrennen müsste.<br />
Fotos: milagro<br />
86 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
5. Der liebe Ehrgeiz<br />
»Your ambition outweighs your talent.« Casey Stoner war sauer, schließlich hatte ihn Valentino Rossi in Jerez 2011 um wichtige Punkte gebracht. Der Italiener<br />
war bei einem etwas übermütigen Versuch, Stoner zu überholen, im Nassen weggerutscht, hatte den WM-Leader direkt mit in den Kies genommen und zur<br />
Krönung des Ganzen halfen alle Streckenposten nur dem ‚Halbgott in Weiß‘ und ließen das Känguru liegen. Rossi nahm den Helm nicht ab, als er zur Honda-<br />
Box watschelte, um sich zu entschuldigen. Die Aktion war ihm mächtig peinlich. Als fairer Sportler nahm der Australier die Entschuldigung an, konnte sich<br />
einen Kommentar aber nicht verkneifen. »Dein Ehrgeiz war wohl größer als dein Talent« - ein verbaler Schlag ins Gesicht, unter den Umständen allerdings<br />
nachzuvollziehen.<br />
4. Schulter<br />
ist kein Beinbruch<br />
Wie sich verlorene Weltmeisterschaften anfühlen,<br />
wusste Valentino Rossi dank Nicky Hayden<br />
und Casey Stoner bereits. Wie man vom eigenen<br />
Teamkollegen geschlagen wird, lernte er<br />
erst 2010 und das auf schmerzhafte Art und<br />
Weise. Bei einem Motocross-Unfall im April<br />
schlug sich der Doktor die rechte Schulter an,<br />
über die er sich fortan in jedem Training, Qualifying<br />
und Rennen beschwerte. Dabei ahnte<br />
Rossi wohl nicht, dass es noch schlimmer<br />
kommen könnte. Bei einem heftigen Highsider<br />
im Mugello-Training brach er sich Schien- und<br />
Wadenbein und musste damit die ersten Rennen<br />
seit seinem 125er Debüt 1996 auslassen.<br />
Seine schnelle Rückkehr auf dem Sachsenring<br />
freute zwar die Fans, brachte in der WM aber<br />
wenig Punkte. Die schnappte sich Jorge<br />
Lorenzo auf der anderen Seite der Box.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 87
3. Private Malheure<br />
Abseits der Rennstrecke passieren viele Dinge, die<br />
allerdings kaum wahrgenommen werden. Bei Valentino<br />
Rossi ist das anders: Dank seiner Dauerbestrahlung<br />
mit Rampenlicht kommen auch die peinlichsten<br />
Fauxpas an die Öffentlichkeit. Wer erinnert sich nicht<br />
an sein ‚kleines‘ Steuerproblem vor fünf Jahren?<br />
Rossi soll 112 Millionen Euro an den italienischen<br />
Finanzbehörden vorbeigeschleust haben, kein Pappenstiel.<br />
Angeblich hatte er es sich mit seinem Manager,<br />
Gibo Badioli, in einer Londoner Ein-Raum-Wohnung<br />
gemütlich gemacht. Die Italiener wollten ihm<br />
partout nicht glauben und verlangten 35 Millionen<br />
<strong>zurück</strong>. Mit beglichenen Rechnungen richtete sich<br />
Rossi wieder in der Heimat ein - allerdings mit Sicherheitslücken.<br />
Er stolperte beim Zuziehen seiner Vorhänge,<br />
stürzte auf einen Glastisch und verletzte sich<br />
an Hand und Fuß. Auch Rossi ist nur ein Mensch.<br />
Fotos: milagro<br />
2. Eins zu Fünf für Hayden<br />
Touchdown in Valencia - was gibt es Spannenderes als eine Entscheidung<br />
im letzten Rennen nach einer hart umkämpften MotoGP-Saison? Valentino<br />
Rossi hätte sicherlich gern auf diese Art von Action verzichtet. Er schwebte<br />
nach fünf WM-Titeln in Folge auf Wolke sieben und hatte sich den Gewinn<br />
des sechsten wohl etwas leichter vorgestellt. 2006 wurde Rossi aber<br />
schlichtweg nicht gefragt. Ein Sturz beim Kickoff, technische Probleme und<br />
ein starker Nicky Hayden machten ‚Il Dottore‘ das Leben schwer. Der US-<br />
Boy punktete mit Konstanz, ließ sich aber vom Teamkollegen ausbremsen.<br />
Rossi nahm das beim Finale lieber selbst in die Hand. Ein selbstverschuldeter<br />
Sturz, fünf verlorene Punkte, der Titel war futsch und der Meister<br />
geschlagen. Höhenflüge ade!
1. Ducati<br />
Welche Zutaten benötigt man für zwei verkorkste<br />
Jahre? Ganz einfach: den Drang nach Herausforderungen,<br />
gute Unterstützer und eine italienische Diva.<br />
Mit fünf WM-Titeln in der Tasche verließ Valentino<br />
Rossi vor neun Jahren Honda und begann sein neues<br />
Abenteuer bei Yamaha direkt mit einem Einstandssieg.<br />
Vier Titel und sieben Jahre später wollte er es<br />
mit über 30 unbedingt noch einmal wissen und ging<br />
die ‚italienische Traum-Ehe‘ mit Ducati ein. »Wir hoffen,<br />
dass wir 2012 um den Titel mitfahren können,<br />
2011 ist dies utopisch«, hieß es noch beim Antritt.<br />
Weit gefehlt! Mit Rang sieben 2011 und aktuellen<br />
Mittelfeldergebnissen ist der Bund fürs Leben<br />
gescheitert - es geht <strong>zurück</strong> in die Arme von Yamaha.<br />
Statistiken besagen, dass jede dritte Ehe geschieden<br />
wird. Rossi liegt also im Durchschnitt und muss sich<br />
nicht allzu sehr für sein Versagen schämen.<br />
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Fotos: adrivo/Sutton<br />
90 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Das Lachen<br />
des<br />
Dani<br />
fotos: milagro<br />
Pedrosa<br />
Dani Pedrosa hat mit dem Alter gelernt, auch an der<br />
Rennstrecke etwas lockerer zu werden. Was er sonst<br />
noch alles gelernt hat, darüber hat er mit dem<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> gesprochen.<br />
Text: Falko Schoklitsch<br />
MSM: Wenn Leute deinen Fahrstil beschreiben, dann sagen sie, dass du mit die saubersten Linien<br />
im ganzen Feld fährst. Hast du das erlernt oder hast du immer vorgezogen, so zu fahren?<br />
DANI PEDROSA: Das ist wohl etwas Natürliches, würde ich annehmen. Der Fahrstil, den man hat,<br />
der kommt auf natürliche Weise. Natürlich versucht man, sich zu verbessern, wenn etwas nicht gut<br />
ist, aber das kommt mit dem Fahrstil.<br />
An der Strecke wirkst du immer recht ruhig. Es gibt aber viele Geschichten, dass du ein sehr humorvoller<br />
Mensch bist, gerne viel lachst und Spaß mit Freunden hast. Ist der Unterschied zwischen<br />
dem professionellen Dani Pedrosa und dem privaten Dani Pedrosa wirklich so groß?<br />
Ja, es gibt einen. Jetzt wird der Unterschied aber immer kleiner und kleiner, denn ich werde etwas<br />
älter und entspannter. Ich glaube aber, es gibt immer einen klaren Unterschied, je nachdem, ob ich<br />
fahre oder nicht.<br />
Ich kann mich noch sehr gut an dein Debriefing nach dem Rennen in Brünn 2009 erinnern. Wir<br />
saßen in der Hospitality und im Fernsehen lief das 100 Meter Finale von der Weltmeisterschaft in<br />
Berlin. Während du Fragen beantwortet hast, hast du auch immer ein Auge auf den Fernseher<br />
gehabt. Nachdem Usain Bolt seinen Weltrekord gelaufen hatte, hast du dagesessen und warst<br />
ungefähr zehn Sekunden still. Beeindrucken dich Bestleistungen anderer Sportler und was beeindruckt<br />
dich am meisten?<br />
Ja, ich bin immer von anderen Athleten beeindruckt. Die Dinge, die sie leisten... Ich werde von Red<br />
Bull gesponsert und habe die Chance, einige andere Leute zu treffen, die mit ihnen arbeiten. Da<br />
kann ich sehen, was sie machen und was sie leisten. Es ist einfach unglaublich, wie verrückt die →<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 91
Leute rund um die Welt sind<br />
und was sie zustande bringen.<br />
Manchmal entstehen rein aus<br />
der Fantasie fantastische<br />
Dinge.<br />
Würdest du verstehen, wenn<br />
andere Leute sagen, was du<br />
auf einem Motorrad machst,<br />
ist verrückt?<br />
Das sagen sie normalerweise<br />
recht oft, ja. Aus meinem<br />
Blickwinkel würde ich aber<br />
sagen, andere sind verrückter<br />
als ich.<br />
Zurück zu deinen Leistungen.<br />
Du giltst als einer der besten<br />
Fahrer der Welt und fährst in<br />
einem der besten Teams der<br />
Welt. Kommt damit auch<br />
Druck oder zählt für dich nur<br />
der Druck, den du dir selbst<br />
machst?<br />
Mein eigener Druck zählt für mich mehr. Da<br />
geht es darum, was man tun will, wie man es<br />
tun will und der Rest liegt außerhalb deiner<br />
Kontrolle. Es geht mehr darum, was ich kontrollieren<br />
und bei mir tun kann, in meinem<br />
Kopf, beim Training, meine Vorbereitung, alles.<br />
Es geht nicht darum, was außerhalb meines<br />
Einflusses liegt.<br />
Du warst schon oft das Opfer von Pech, von<br />
Dingen, die außerhalb deiner Kontrolle lagen,<br />
die dich aus WM-Kämpfen warfen. Wie frustrierend<br />
war das für dich?<br />
Ja, es gibt auch eine harte Seite neben den Erfolgen.<br />
Aber man muss weitermachen, es gibt keine<br />
andere Wahl. Niemand entscheidet, wie viel<br />
Glück oder Pech man hat, aber man kann entscheiden,<br />
mit welcher Einstellung man mit dieser<br />
Situation umgeht. Das habe ich mit meiner<br />
Familie und all meinen Leuten, die mir helfen,<br />
gelernt. Ich habe sehr schlimme Momente erlebt<br />
und dann stehen sie hinter mir, geben mir die<br />
Kraft, wieder <strong>zurück</strong>zukommen und stark zu<br />
sein.<br />
Du bist bereits mehrfacher Weltmeister. Gibt<br />
es bestimmte Zutaten, die es braucht, um eine<br />
Weltmeisterschaft zu gewinnen?<br />
Talent, Arbeit, das Team und Wille.<br />
Gehört Glück auch dazu?<br />
Ja, Glück ebenfalls. Ohne Glück wird man es<br />
nicht schaffen.<br />
Du fährst auf einem der am besten entwickelten<br />
Motorräder der Welt. Kannst du jemandem,<br />
der nie mit so einer Maschine fahren wird,<br />
erklären, wie gut sich das anfühlt?<br />
Ich werde oft gefragt, was ich mache, wenn ich<br />
aufhöre. Ich weiß nie, was ich antworten soll,<br />
weil ich die Antwort nicht kenne. Wenn ich das<br />
gefragt werde, denke ich aber immer darüber<br />
nach, was ich tun werde, wenn ich wieder das<br />
Gefühl auf einem MotoGP-Bike haben will, es<br />
aber nicht erleben kann. Es ist einfach so<br />
unglaublich, aber ich denke darüber nach, mit<br />
welcher Tätigkeit ich dieses leere Gefühl auffüllen<br />
kann.<br />
Was ist das Beste daran, wenn man eine<br />
MotoGP-Maschine fährt?<br />
Für mich ist es die Beschleunigung der<br />
Maschine. Nicht so sehr die Kurvenfahrt, sondern<br />
der beste Teil auf der MotoGP-Maschine<br />
ist für mich, wenn man aus der Kurve kommt.<br />
Also wenn man rausfährt und Gas gibt?<br />
Ja. Die Slides machen auch Spaß, aber wenn<br />
man die Kraf t spürt, ist das am<br />
beeindruckendsten.<br />
Du willst stets gewinnen. Manchmal gibt es<br />
aber Rennen, die du nicht gewinnen kannst und<br />
wo du einfach nur mit einer bestimmten Position<br />
zufrieden sein musst. Wie schwer ist es für<br />
dich als Racer, wenn du diesen Schalter umlegen<br />
und dir sagen musst, ich muss jetzt diesen<br />
Platz nach Hause fahren?<br />
Ich denke, das ist für jeden ein wenig anders.<br />
Wenn du es hasst, zu verlieren, dann kannst du<br />
das unmöglich für dich akzeptieren. Manchmal<br />
gelingt dir alles oder du stürzt oder du wirst nur<br />
Zweiter, weil der andere Fahrer schneller ist als<br />
du. Die Tage danach sind verrückt, das steckt<br />
dir im Kopf und du willst sofort zum nächsten<br />
Rennen, um dieses Gefühl loszuwerden und<br />
Dani Pedrosa liebt<br />
die Beschleunigung<br />
wieder zu gewinnen.<br />
Brauchst du Druck, damit du stark sein<br />
kannst?<br />
Ich persönlich arbeite immer viel<br />
besser, wenn ich Druck habe,<br />
als wenn ich keinen habe. Ich<br />
brauche keine Technik, um<br />
den Druck loszuwerden.<br />
Ich bin daran gewöhnt, ich<br />
fühle mich mit Druck gut.<br />
Und wo nimmst du die Leidenschaft<br />
her, um dich<br />
anzustacheln?<br />
Die Leidenschaft? Ich weiß nicht. Die ist einfach<br />
da, seit ich ein Baby war.<br />
Wenn du den Helm aufsetzt, ist die Außenwelt<br />
ausgesperrt, du bist für dich. Was geht dann<br />
unter dem Helm vor, wenn du Gas gibst? Bist<br />
92 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Pedrosa ist auf und<br />
abseits der Strecke<br />
lockerer geworden<br />
Ich rede nicht, ich<br />
mache eigentlich<br />
nichts. Ich fühle<br />
nur, ich lebe den<br />
Moment, ich spüre<br />
meine Seele,<br />
die Freude. Das<br />
ist etwas, das ich<br />
momentan sonst<br />
nirgendwo erleben<br />
kann.<br />
du einfach nur konzentriert, trällerst du ein<br />
Liedchen, wenn es gut läuft, was passiert?<br />
Ich weiß nicht. Ich rede nicht, ich mache eigentlich<br />
nichts. Ich fühle nur, ich lebe den Moment,<br />
ich spüre meine Seele, die Freude. Das ist etwas,<br />
das ich momentan sonst nirgendwo erleben<br />
kann. Natürlich, wenn ich mit Familie und<br />
Freunden zusammen bin und eine tolle Zeit<br />
habe, ist das auch schön, aber ein völlig anderes<br />
Gefühl. Auf der Maschine bin ich alleine, es ist<br />
fast so, als ob ich das Adrenalin von meinem<br />
Körper brauche, wenn ich auf der Maschine bin.<br />
Du fährst gegen sehr starke Gegner, im Moment<br />
sind wohl Casey Stoner und Jorge Lorenzo die<br />
stärksten. Genießt du es, dass ihr euch gegenseitig<br />
antreibt? Macht dich das auch zu einem<br />
besseren Fahrer?<br />
Sicher. Ich denke, jeder auf diesem Level pusht<br />
die anderen, wenn man da noch zwei andere<br />
Fahrer hat, die genauso stark sind. Man wird<br />
dadurch einfach besser und besser.<br />
Repsol hat ein Video veröffentlicht, das dich<br />
beim Training in deinem Zuhause in der<br />
Schweiz zeigt. Du sagtest, du trainierst gerne<br />
auf dem Rad. Genießt du die Momente, wenn<br />
du alleine da draußen fährst und deinen Kopf<br />
frei bekommst?<br />
Ja, im Winter ist es völlig anders, da ist man<br />
völlig vom Rennsport weg. Während der Saison<br />
ist die Mentalität anders. Man muss es genießen,<br />
sonst wird es zu schwierig in einer so langen<br />
Karriere.<br />
Hilft dir das auch beim Abschalten, wenn du<br />
auf dem Rad deine Ruhe hast?<br />
Es hängt vom Moment ab. Manchmal ja, manchmal<br />
nein.<br />
Spanische Motorrad-Fans sind sehr leidenschaftlich.<br />
Du bist auf der ganzen Welt beliebt,<br />
in Spanien aber besonders. Wie sehr genießt<br />
du es, wenn du die Unterstützung der Fans<br />
spürst?<br />
Für mich ist es toll, so viele Leute zu sehen, die<br />
meine Kappe oder mein Leibchen tragen und<br />
ein Foto oder ein Autogramm haben wollen. Es<br />
ist natürlich unmöglich, alle glücklich zu<br />
machen. Sicher hat irgendwer keine Gelegenheit<br />
gehabt, mich zu treffen oder ich war in Eile.<br />
Aber es ist toll, wenn ich die Kinder und die<br />
Eltern sehe. Ich erinnere mich daran, als ich<br />
jung war. Es ist unglaublich, dass mir das passiert.<br />
Ich sehe mich da manchmal selbst und es<br />
ist toll.<br />
Wenn du lächelst, hast du ein sehr ansteckendes<br />
Lächeln...<br />
[lacht] Ja, das sagt jeder.<br />
Was braucht es, damit du wirklich lachen<br />
kannst?<br />
Ich weiß nicht, warum alle das sagen mit<br />
meinem Lachen. Ich muss annehmen, dass es<br />
stimmt. Ich hoffe, das hilft mir bei den Mädels<br />
weiter. Wenn ich mich gut mit den Leuten fühle,<br />
mit denen ich rede oder wenn ich einen guten<br />
Witz höre oder ein Rennen gewinne, dann lache<br />
ich. Irgendwie ist dann jeder glücklich, weil ich<br />
lächle. Ich habe das schon oft gehört. Vielleicht<br />
sollte ich einfach öfter gewinnen.<br />
Es gibt einige gute Spanier in der Weltmeisterschaft,<br />
Marquez, Vinales, Rins, um nur ein<br />
paar zu nennen. Was denkst du über sie?<br />
Das ist toll. Sie sind sehr talentiert, hart und<br />
sehr mutig. Sie werden alle in die MotoGP<br />
kommen und Spanien alle Ehre machen.<br />
Marc Marquez wird nächstes Jahr dein Teamkollege.<br />
Freust du dich darauf, mit ihm zu<br />
fahren?<br />
Im Moment freue ich mich über meinen neuen<br />
Vertrag, denn ich bin seit vielen Jahren bei<br />
Repsol Honda. Ein neuer Vertrag für zwei<br />
Jahre ist toll. Was meinen Teamkollegen<br />
betrifft, für ihn ist das natürlich sehr gut, aber<br />
für mich ändert das nicht viel.<br />
Wirst du Casey vermissen, wenn er nicht mehr<br />
da ist?<br />
Ich denke, jeder wird Casey vermissen. Er ist<br />
einfach so talentiert. Jeder genießt seine Slides<br />
und seinen Fahrstil. Er ist so natürlich und<br />
wirkt so getrieben, dass es einfach beeindruckend<br />
ist, ihm beim Fahren zuzusehen. Wenn<br />
man gegen ihn antritt, ist die Weltmeisterschaft<br />
interessanter und die WM ist dadurch lebendiger.<br />
Wir respektieren aber alle seine<br />
Entscheidung.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 93
CRT - Eine Bilanz<br />
Text: Falko Schoklitsch<br />
Desaster, gut, mittelprächtig? Die CRTs kurven seit etwas<br />
mehr als einer halben Saison auf den hinteren Rängen<br />
der MotoGP herum. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> zieht<br />
eine erste Bilanz.
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 95<br />
Fotos: milagro
In ihrem Debütjahr<br />
fahren die<br />
CRT-Maschinen<br />
hinterher<br />
CRT<br />
kommt nicht infrage.<br />
Dann bleiben wir lieber<br />
in der Moto2. Das Urteil<br />
von Marc VDS Teamchef Michael Bartholemy<br />
war gegenüber dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> eindeutig.<br />
Claiming Rule Teams, das war eine Idee,<br />
eine Hoffnung, eine schöne Vorstellung. Der<br />
Entwurf las sich ja auch nicht so schlecht. Die<br />
MotoGP sollte leistbar werden, das Feld sich füllen<br />
und auf diesem Weg dem Wohl aller gedient<br />
sein. Etwas mehr als eine halbe Saison mischen<br />
die von seriennahen Motoren befeuerten Prototypen-Chassis<br />
unter dem Hintern von mehr oder<br />
weniger verdienten Rennfahrern nun mit, die<br />
Bilanz fällt zwiespältig aus.<br />
Eine Sache ist in jedem Fall gelungen. Das Fahrerfeld<br />
ist wieder voller geworden. Gab es 2011 bei<br />
Verletzungen von Fahrern praktisch für jeden<br />
Starter Punkte und bei Ausfällen teilweise kaum<br />
zehn Fahrer im Ziel, so sind mittlerweile 21<br />
Maschinen am Start. IRTA-Präsident und Tech 3<br />
Yamaha Teamchef Herve Poncharal drückte es<br />
gegenüber dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> so aus: »Sie<br />
sind mehr als ein Erfolg. Wir haben die CRTs,<br />
denn, wie wir schon oft gesagt haben, sonst wären<br />
nur zwölf Maschinen im Feld. Jetzt haben wir dank<br />
CRT 21 Maschinen. Das ist für mich ein großer<br />
Erfolg.« Er musste hinzufügen, dass Fahrer wie<br />
Colin Edwards, Randy de Puniet oder Aleix Espargaro<br />
ohne CRT zuhause sitzen oder in anderen<br />
Klassen fahren würden.<br />
Alleine schon deswegen erachtete er das Experiment<br />
vorerst als gelungen. Auf der anderen Seite<br />
ist nicht zu verleugnen, dass Fahrer wie Edwards,<br />
de Puniet oder Espargaro aber auch in Regionen<br />
herumfahren, in denen sie normalerweise nie<br />
fahren sollten. Das Material ist gegen die Werks-<br />
Prototypen aus dem Hause Yamaha, Honda und<br />
Ducati einfach nicht konkurrenzfähig. Dazu sind<br />
die Entwicklungs-Möglichkeiten zu gering, vom<br />
Erfahrungs-Nachteil ganz zu schweigen. Während<br />
die Werke ausgefeilte Elektronik-Systeme haben,<br />
entwickeln die CRTs teilweise selbst oder müssen<br />
mit bei weitem nicht so ausgereiften ECUs (Electronic<br />
Control Units) fahren.<br />
Poncharal sah das aber nicht so problematisch.<br />
»Einige Leute waren voriges Jahr sehr negativ<br />
gegenüber CRT und sie sagten, es wird gefährlich<br />
und sie werden überrundet. Aber sie werden nicht<br />
wirklich überrundet, das ist nicht oft passiert. Die<br />
Rundenzeiten sind ordentlich. Es gab zwar ein<br />
paar Stürze, aber die beste CRT-Maschine war in<br />
Assen auf Platz acht. Randy de Puniet fuhr auf<br />
dem Sachsenring auch ein echt gutes Rennen.<br />
Sicher sind die Nicht-CRTs vorne, aber für mich<br />
gibt es nichts Schlechtes über die CRTs zu sagen.<br />
Sicher ist nichts perfekt. Ich will nicht sagen, das<br />
ist das Beste, was dem Planeten Erde passieren<br />
konnte, aber für mich hat CRT die gestellte Mission<br />
erfüllt.«<br />
Auch Dani Pedrosa war der Meinung, dass man<br />
die Claiming Rule Teams nicht vorverurteilen soll.<br />
»Diese Maschinen entwickeln sich noch und<br />
haben bislang nicht besonders viel Kraft. Wir wissen,<br />
dass es in diesem Jahr nicht das Ziel war,<br />
ebenbürtig mit den MotoGP-Maschinen zu sein.<br />
Es ist eine Innovation, die hilfreich dabei ist, mehr<br />
Fahrer im Feld zu haben und eine bessere Show<br />
zu bieten. Geben wir ihnen Zeit.«<br />
Die Frage, die sich stellt, ist allerdings, wie viel Zeit<br />
sie haben werden. FIM-Präsident Vito Ippolito<br />
hat zwar angekündigt, dass die CRTs auch 2013<br />
Fotos: milagro<br />
»Einige Leute waren<br />
voriges Jahr sehr<br />
negativ gegenüber<br />
CRT und sie sagten, es<br />
wird gefährlich und<br />
sie werden überrundet.<br />
Aber sie werden<br />
nicht wirklich überrundet,<br />
das ist nicht<br />
oft passiert.«<br />
weiter Teil der MotoGP sind, aber es ist fraglich,<br />
wer sich das antun will. So war Thomas Lüthis<br />
Manager und Teamchef Daniel Epp ähnlicher<br />
Meinung wie Bartholemy. »Ich habe nichts gegen<br />
das Konzept, aber für mich als Manager von Tom<br />
ist es so, dass ich den Fahrer aufs Abstellgleis<br />
manövrieren würde, wenn ich ihn da draufsetzen<br />
würde. Das kommt nicht in Frage. Das Konzept<br />
ist ein taktisches Konzept der Dorna, die versuchen<br />
will, den Grid zu vergrößern, weil es so<br />
wenige Bikes in der MotoGP gab. Es gefällt mir<br />
nicht, aber ich verstehe die Dorna, warum sie das<br />
so tut. Sie versuchen, die Klasse zu verändern.«<br />
CRT ist aber nicht nur eine Idee der Dorna, auch<br />
die FIM hat mitgemischt und Präsident Ippolito<br />
hat durchaus Pläne, um das Konzept weiterzuentwickeln,<br />
beziehungsweise zu transformieren. »Die<br />
MotoGP wird mit CRTs weitermachen, das Ziel<br />
ist es, dank Entwicklungs-Arbeit und passenden<br />
Regeln 2014 konkurrenzfähigere Maschinen zu<br />
bauen. Das Szenario wird sich ändern.« Es könnte<br />
sich unter anderem dadurch ändern, dass die Hersteller<br />
billige Replikas ihrer Werks-Maschinen<br />
96 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
liefern. Honda hat bereits angekündigt, ab 2014<br />
eine nicht ganz gleichwertige Kopie seiner Werks-<br />
Maschine um eine Million Euro zu verkaufen.<br />
Ippolito baute darauf, dass sich andere Hersteller<br />
anschließen werden. »Wir bei der FIM - und die<br />
Dorna stimmt zu - möchten die Hersteller davon<br />
überzeugen, diese berühmten Werks-Prototypen<br />
zu bauen, die in den 80ern und 90ern so gut funktionierten<br />
und den Bereich am Laufen hielten.<br />
Echte Rennmaschinen, konkurrenzfähig, aber<br />
nicht teuer. Das waren die 500cc-Jahre, aber das<br />
kann auch in der MotoGP funktionieren.«<br />
Aus<br />
diesem Grund haben<br />
Teams, Hersteller, Dorna<br />
und FIM in der Grand Prix<br />
Kommission auch intensiv wegen der zukünftigen<br />
Regeln verhandelt. Das Problem dabei ist klar:<br />
Honda, Yamaha und Ducati haben ihre 1000cc-<br />
Prototypen unter der Annahme gebaut, dass die<br />
Regeln für fünf Jahre einigermaßen stabil bleiben<br />
- dementsprechend sind auch die Projekte geplant<br />
und es wurde viel Geld ausgegeben. Poncharal gab<br />
aber noch anderes zu bedenken: »Es gibt viele<br />
Dinge, die man berücksichtigen muss. Es gibt<br />
potentielle neue Hersteller, die mit der Serie sprechen<br />
und interessiert sind. Wir müssen alle Anfragen<br />
zusammenfassen. Yamaha und Honda würden<br />
gerne für fünf Jahre alles so lassen, wie es ist.<br />
Ducati ist recht offen für Änderungen. Suzuki,<br />
Kawasaki, BMW und potentiell ein paar andere<br />
wie Aprilia denken über einen Einstieg nach. Aber<br />
sie hätten die Regeln gerne anders. Wir haben auch<br />
die CRTs im Feld und möchten die Lücke verkleinern.<br />
Es gibt also viele verschiedene Interessen,<br />
die man berücksichtigen muss. Entweder ist man<br />
ein Diktator und sagt, so wird es gemacht und der<br />
Rest ist mir egal oder man versucht, einen Konsens<br />
zu erzielen.«<br />
Aus seiner Sicht sollte es aber durchaus möglich<br />
sein, auf recht einfachem Weg eine 1000cc-Formel<br />
zu erschaffen, die in Zukunft für alle passend ist.<br />
»Die Moto3 hat 250cc, Viertakt und eine Einheits-<br />
ECU. Die MotoGP ist die vierfache Moto3, vier Mal<br />
250 ist 1000. Honda ist mit einer 250er und einer<br />
Einheits-ECU dabei und sie sind glücklich und es<br />
funktioniert. Warum kann man das, was in der<br />
Moto3 funktioniert, nicht für die MotoGP duplizieren?<br />
Es ist möglich. Warum akzeptiert man etwas<br />
für die Moto3, aber in der MotoGP ist es nicht<br />
akzeptabel? Es gibt also viele Sachen, die wir besprechen<br />
müssen. Wir versuchen, das so schnell wie<br />
möglich zu machen. Wir haben aber Zeit, wir müssen<br />
das nicht sofort entscheiden.«<br />
Die CRTs bleiben uns also noch länger erhalten,<br />
aber wohl nicht lange in der Form, wie wir sie bislang<br />
kennen. Das dürfte bei einigen für Aufatmen<br />
sorgen, wobei das nur dann der Fall sein dürfte,<br />
wenn die CRTs nicht mehr als reine Hinterbänkler<br />
mitfahren. Doch trotz der nicht gerade großen<br />
Konkurrenzfähigkeit haben die CRTs neben der<br />
Vergrößerung des Starterfeldes noch etwas Positives<br />
gehabt. Ein Talent wie etwa Danilo Petrucci hätte<br />
ohne sie wohl nur schwer oder über viele Umwege<br />
den Weg in die MotoGP gefunden. So aber fiel er<br />
Ducati auf und erhielt dort eine Chance mit einem<br />
Test, bei dem er sich bewies.<br />
Vor allem weil die Werke selbst gut einschätzen<br />
können, wie stark die CRT-Maschinen sind und<br />
was die Fahrer aus ihnen herausholen, bietet sich<br />
dort die Chance auf Höheres, wenn das fahrerische<br />
Talent stimmt. So sah das auch der Schweizer<br />
Dominique Aegerter, der gegenüber dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
meinte: »Ich glaube, wenn man auf<br />
einem CRT-Bike ansprechende Leistungen zeigt,<br />
gehen die Türen für einen Prototyp schnell auf.«<br />
Damit stehen die noch negativen Seiten auch ein<br />
paar positiven Dingen gegenüber. Für IRTA-Chef<br />
Poncharal war das Gesamtresümee daher auch<br />
eindeutig zweideutig: »Für mich funktioniert das.<br />
Sicher kann man es noch besser machen, aber das<br />
gilt für alles. Auf jeden Fall ist das weit davon entfernt,<br />
lächerlich zu sein.«<br />
»Diese Maschinen entwickeln<br />
sich noch und<br />
haben bislang nicht<br />
besonders viel Kraft. Wir<br />
wissen, dass es in diesem<br />
Jahr nicht das Ziel war,<br />
ebenbürtig mit den MotoGP-Maschinen<br />
zu sein.«<br />
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98 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Fotos: milagro<br />
Geschmeidiger<br />
Kämpfer<br />
Andrea Dovizioso hat sich in der MotoGP-Saison 2012 neu gefunden und<br />
gezeigt, was er kann. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> hat mit ihm über ein Jahr<br />
gesprochen, in dem alles anders wurde.<br />
Text: Maria Pohlmann & Falko Schoklitsch<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 99
MSM: Du fährst gut, holst Podeste, zeigst gute<br />
Leistungen. War es das, was du dir vorgestellt<br />
hast, als du zu Tech 3 kamst?<br />
ANDREA DOVIZIOSO: Mein Gefühl, als ich<br />
hierher kam, war wirklich gut. Es war schön, mit<br />
viel Selbstvertrauen herzukommen. Ich bin mit<br />
den Leistungen zufrieden, ich hole Podeste und<br />
in Silverstone war die Pole drin. Ich bin mit dem<br />
Team und der Maschine zufrieden.<br />
Die Yamaha ist anders als die Honda. Wie weit<br />
bist du deiner Meinung, wenn es um das Meistern<br />
der M1 geht?<br />
Das ist unmöglich zu wissen. Der gute Punkt ist<br />
aber, dass ich schneller gute Ergebnisse hole als<br />
voriges Jahr. Ich spüre aber noch Luft nach oben,<br />
ich habe also das Gefühl, ich kann besser sein.<br />
Das gibt mir viel Selbstvertrauen.<br />
Die Ergebnisse sehen aber jetzt schon gut aus...<br />
Ja, niemand hatte diese Ergebnisse von mir auf<br />
der Kunden-Yamaha erwartet. Das ist etwas sehr<br />
Wichtiges für mich, denn ich bin immer Honda<br />
gefahren und wollte ihnen eigentlich auch treu<br />
bleiben. Ich bin wirklich glücklich, jetzt auf der<br />
Yamaha zu sitzen und echt gute Ergebnisse zu<br />
holen, die teilweise sogar besser sind als das, was<br />
ich letztes Jahr bei Honda erreicht habe. Das<br />
Team arbeitet super, das Bike ist gut und ich<br />
denke, meine Arbeitsstrategie ist gut genug, um<br />
diese Rennergebnisse zu erzielen. Im Training ist<br />
es immer schwierig für uns, aber wir arbeiten auf<br />
die Rennen hin und im Rennen kommen zum<br />
Glück auch die Resultate.<br />
Was könnte vielleicht am Bike noch verbessert<br />
werden, um noch näher an die Werks-Yamaha<br />
heranzukommen?<br />
Mein Motorrad ist sehr dicht an den Werksbikes<br />
dran. Ich bin also sehr glücklich über die Unterstützung<br />
von Yamaha. Sicherlich können wir uns,<br />
was die Ergebnisse angeht, auch mit dem Motorrad<br />
noch verbessern, das ist aber sehr schwierig.<br />
Besonders weil Tech 3 nicht wirklich eine Möglichkeit<br />
hat, das Bike weiterzuentwickeln. Wir<br />
geben nur unser Feedback ab und im Werksteam<br />
wird entwickelt.<br />
Was könntest du an dir verbessern?<br />
Der Fahrstil ist ein Punkt, den ich verbessern<br />
kann. Das ist aber sehr, sehr schwer, denn seinen<br />
Fahrstil zu verbessern, ist kompliziert und wir<br />
haben keine Zeit, um daran zu arbeiten. Während<br />
der Rennwochenenden muss man zwar arbeiten,<br />
aber man hat nie einen Tag dazu Zeit, um einfach<br />
das zu tun, was man gerne möchte. Außerdem<br />
denke ich, dass ich mein Training in den letzten<br />
beiden Jahren wirklich verbessert habe. Damit<br />
bin ich jetzt glücklich, aber ich muss noch immer<br />
Fotos: milagro<br />
100 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
näher an mein Limit gehen. Es ist noch nicht so<br />
leicht für mich, die ganze Zeit am körperlichen<br />
Limit zu sein, das ist aber etwas sehr Wichtiges,<br />
um ein richtig gutes Ergebnis in der Weltmeisterschaft<br />
einzufahren.<br />
Sowohl du als auch Cal Crutchlow sind gut<br />
unterwegs. Siehst du es als Vorteil, dass ihr euch<br />
gegenseitig antreibt?<br />
Ja, sicher. Das finde ich schon viele Jahre so.<br />
Wenn zwei sehr schnelle Fahrer im gleichen<br />
Team sind, dann ist das besser, hundertprozentig.<br />
Man kann leichter Fehler machen, aber man<br />
pusht auch mehr, das ist gut.<br />
Du bist vom Honda-Werksteam zu Tech 3<br />
gekommen. Wie unterschiedlich ist die<br />
Atmosphäre?<br />
Oh, das ist ein riesiger Unterschied. Ich hatte bei<br />
HRC eine echt nette Crew, aber alle Leute in diesem<br />
Team sind wie eine Familie. Sie arbeiten auch<br />
im Werk alle eng zusammen, daher kennen sie<br />
sich sehr gut. Das macht auch bei der Arbeit am<br />
Wochenende einen großen Unterschied.<br />
Abgesehen vom Hersteller-Wechsel bei dir gab<br />
es auch den Wechsel<br />
auf 1000cc. Hat das<br />
für dich auch einen<br />
Unterschied gemacht?<br />
Nicht wirklich. Oft<br />
vergesse ich, dass ich<br />
auf einer 1000er sitze.<br />
Es gibt beinahe keinen<br />
Unterschied zwischen<br />
den Maschinen.<br />
Liegt das daran, dass<br />
die Elektronik so eine<br />
große Rolle spielt?<br />
Die Elektronik ist<br />
gleich geblieben. Der<br />
Unterschied ist nur<br />
das Drehmoment des<br />
Motors. Aber es ist<br />
alles sehr ähnlich oder<br />
eigentlich gleich.<br />
Neben der Maschine<br />
wirkst du meist recht<br />
ruhig, auf der Maschine bist du ein echter Kämpfer.<br />
Gibt es zwei verschiedene Dovis, den neben<br />
und den auf der Maschine?<br />
Ich bin auf der Maschine ein Kämpfer, aber ich<br />
bin ein geschmeidiger Kämpfer, so wie mein<br />
Charakter. Das ist sehr ähnlich.<br />
Aber wenn du verteidigst oder angreifst, machst<br />
du das schon mit Nachdruck...<br />
Ja, ich bin gut auf der Bremse, ich kämpfe gerne,<br />
da bin ich stark. Aber wie ich die Maschine<br />
bewege, wie ich die Linien wähle, da bin ich<br />
weich und geschmeidig. Das ist so wie mein<br />
Charakter.<br />
Und wie sehr genießt du deine Arbeit?<br />
Dieses Jahr sehr. Voriges Jahr war ich in einem<br />
Team, wo ich die Ergebnisse erzielen musste und<br />
wenn man nicht das hundertprozentige Gefühl<br />
hat, dann ist es schwierig, das Ergebnis zu erreichen.<br />
Dieses Jahr hat niemand viel erwartet und<br />
mein Gefühl ist viel besser als erhofft. Daher<br />
kann ich das durchaus genießen.<br />
Wer wäre dein Lieblingsteamkollege?<br />
Mein Verhältnis zu Pedrosa ist gut, wir verstehen<br />
uns ziemlich gut. Eigentlich interessiert es mich<br />
nicht, wer mein Teamkollege ist, denn das trägt<br />
nicht zu meinem Rennergebnis bei und hat auch<br />
nichts mit der Entwicklung des Motorrads zu<br />
tun. Es ändert also nichts am Ergebnis oder am<br />
Team.<br />
Was ist dein größter Traum?<br />
Ich habe viele, nicht nur einen. Davon ist aber<br />
keiner unbedingt der Größte, aber sicherlich will<br />
ich unbedingt die<br />
MotoGP-Meisterschaft<br />
gewinnen. Das<br />
ist etwas, was ich<br />
wirklich will. Ich habe<br />
aber auch eine wirklich<br />
wunder volle<br />
Tochter, das ist etwas<br />
Besonderes für mich.<br />
Ich habe schon ein<br />
bisschen Angst davor,<br />
was wird, wenn sie<br />
älter ist, wie sie sein<br />
wird, was sie tun wird.<br />
Ich sollte darüber vielleicht<br />
nicht nachdenken,<br />
aber ich hoffe,<br />
dass sie einen starken<br />
Charakter hat und mit<br />
Charakter alles tun<br />
kann, was sie will. Das<br />
ist mir wichtig.<br />
»Ich bin gut auf<br />
der Bremse, ich<br />
kämpfe gerne,<br />
da bin ich stark.<br />
Aber wie ich die<br />
Maschine bewege,<br />
wie ich die Linien<br />
wähle, da bin ich<br />
weich und geschmeidig.«<br />
Hast du jemals darüber<br />
nachgedacht mit dem Rennsport aufzuhören,<br />
als deine Tochter geboren wurde?<br />
Nein, die Geburt meiner Tochter gab mir sogar<br />
noch mehr Motivation, bessere Ergebnisse einzufahren.<br />
Vielleicht liegt es daran, dass ich jung<br />
bin und ich nicht wirklich darüber nachdenke,<br />
was passieren könnte, wenn ich stürze, schwer<br />
verletzt bin und was dann mit meiner Tochter<br />
passiert. Ich will eine wichtige Person für meine<br />
Tochter sein. Wenn sie älter ist, kann sie sich<br />
meine Ergebnisse ansehen und zu mir aufblicken,<br />
darüber denke ich nach.<br />
Was würdest du sagen, wenn deine Tochter später<br />
auch Rennfahrerin werden will?<br />
Puh... wie ich schon zuvor gesagt habe, will ich<br />
sie wirklich nicht dazu zwingen, irgendetwas<br />
Bestimmtes zu tun. Ich möchte, dass sie das tut,<br />
was sie will und das mit Charakter. Man sieht nur<br />
wenige Mädchen oder auch Jungen mit echtem<br />
Charakter und das ist so wichtig im Leben.<br />
Wie oft trainierst du zu Hause?<br />
Viel. Ich glaube wirklich, dass das hilft und es<br />
macht mir auch Spaß. Ich fahre oft Fahrrad, gehe<br />
Laufen oder ins Fitnessstudio. Unglücklicherweise<br />
haben wir keine Möglichkeiten, um mit<br />
dem Motorrad zu trainieren. Meine Leidenschaft<br />
ist Motocross und ich fahre auch oft Motocross,<br />
aber das ist wirklich etwas ganz anderes als das<br />
Straßenmotorrad.<br />
Was ist für dich der perfekte Ausgleich zu den<br />
Rennen und zum Training?<br />
Ich liebe den Sport. Ich muss einfach Sport treiben,<br />
wenn ich das nicht mache, dann kann ich<br />
nicht entspannen. Dabei ist Motocross das Beste<br />
für mich, denn obwohl es wirklich hartes Training<br />
ist, bedeutet ein Tag mit Motocross für<br />
mich einen wichtigen Ausgleich.<br />
Was war das schlimmste Erlebnis während deiner<br />
Karriere?<br />
Der größte Sturz war 2005, das war echt hart.<br />
Die schlimmste Saison für mich war aber glaube<br />
ich 2006. Wenn man ein schlechtes Gefühl für<br />
das Motorrad hat, dann macht es dir das Leben<br />
schwer. Denn schließlich lebst du mit dem Bike<br />
und überhaupt kein anständiges Ergebnis auf<br />
die Reihe zu bekommen, war wirklich<br />
schwierig.<br />
Wo siehst du die Zukunft der MotoGP?<br />
Das kann niemand wissen. Es sieht so aus, als<br />
würden sich die Regeln 2014 sehr ändern. Wenn<br />
das passiert, müssen wir genau sehen, was sich<br />
ändert. Momentan will Carmelo [Ezpeleta]<br />
ziemlich viel ändern, aber die Hersteller wollen<br />
wieder etwas anderes. Wir müssen abwarten,<br />
was sie entscheiden.<br />
Du gibst deinen Motorrädern Namen. Wie heißen<br />
die beiden M1?<br />
Ich wechsle jedes Jahr. In dieser Saison heißen<br />
sie Lorita und Antonietta. Ich benenne sie<br />
immer weiblich. Mein Vater heißt Antonio und<br />
die weibliche Form davon ist eben Antonietta.<br />
Loris Reggiani ist ein ehemaliger Rennfahrer.<br />
Lorita habe ich ausgesucht, weil sie ihn in der<br />
Vergangenheit immer Lorita nannten.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 101
quo<br />
Text: Maria Pohlmann<br />
vadis<br />
Moto2?<br />
Ungläubige Gesichter in der Moto2: Leistung und<br />
Talent scheinen nichts mehr wert zu sein. Die<br />
Teams wollen lieber Cash sehen. Wohin soll das<br />
führen? Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> hat sich im<br />
Paddock umgehört.
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 103<br />
Fotos: milagro
Geld regiert die Welt. Natürlich<br />
fahren auch Motorräder<br />
nicht ohne Sprit und Prototypen-Chassis<br />
können nicht<br />
ohne die nötigen finanziellen<br />
Mittel entwickelt werden,<br />
aber obwohl uns einige Fahrer wie Außerirdische<br />
vorkommen - sie brauchen Geld, um sich<br />
zu ernähren. Doch aktuell stecken einige Moto2-<br />
Piloten arg in der Klemme. So bangt zum Beispiel<br />
Claudio Corti um sein Budget. »Wir haben ziemlich<br />
große Schwierigkeiten. In Italien sieht es wirtschaftlich<br />
momentan sowieso schlecht aus, nicht nur bei<br />
den Sponsoren in unserem Sport«, gesteht er dem<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Momentan sei nicht einmal<br />
sicher, ob der Italiener im Italtrans Team das Ende<br />
der Saison noch miterlebt. »Das Team hat das Budget,<br />
um die Saison zu Ende zu fahren, aber wir<br />
Fahrer müssen ja immer bezahlen und es ist schwer,<br />
das Geld zusammen zu bekommen. Mir fehlen die<br />
Sponsoren«, gibt er zu bedenken. Dabei stand Corti<br />
in Le Mans bereits auf dem Podium und zeigte in<br />
der ersten Halbzeit 2012 definitiv weder schlechte<br />
Leistungen noch mangelnde Motivation.<br />
Es gibt aber tatsächlich Fahrer, die noch schlimmer<br />
dran sind. Anthony West war vor der Saison kurz<br />
davor, den Helm an den Nagel zu hängen. Alle<br />
Teams wollten nur Geld vom Australier sehen, das<br />
er schlichtweg nicht hat. »Ich dachte schon in diesem<br />
Jahr, dass ich keine Rennen mehr fahren kann,<br />
denn jedes Team will viel Geld vom Fahrer sehen,<br />
wirklich jedes! Ich habe aber keine Sponsoren aus<br />
Australien oder irgendwelches Geld. Ich fahre<br />
momentan kostenlos, ich werde also nicht bezahlt«,<br />
sagt der 31-Jährige ohne Umschweife. Jedes Moto2-<br />
Team wolle mindestens 300.000 Euro pro Saison<br />
sehen. Dabei meint West, dass er noch Glück hat,<br />
denn obwohl er gratis fährt, müsse er bei QMMF<br />
wenigstens nichts bezahlen. »Es ist wirklich schwer,<br />
für die Teams ist es hart und für die Fahrer ist es<br />
noch viel schwerer.«<br />
In der Moto2 ist Geld<br />
mehr wert als Speed<br />
Außerdem ist sich West sicher, dass beim Finanzproblem<br />
auch seine Herkunft eine Rolle spielt.<br />
Spanier hätten es da leichter. »Sie finden viel schneller<br />
Sponsoren, sogar Firmen, von denen man in<br />
Australien nicht mal ahnen würde, dass sie den<br />
Rennsport unterstützen würden«, sagt er. »Es gibt<br />
so viele seltsame spanische Sponsoren, aber in Australien<br />
ist das unmöglich. Selbst als ich MotoGP<br />
fahren sollte, konnte ich zu Hause keine Unterstützer<br />
finden, in der Moto2 ist das natürlich noch viel<br />
schwieriger.«<br />
Haben es die Spanier wirklich leichter? Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
geht der Sache auf den Grund und<br />
fragt bei den spanischen Moto2-Piloten nach.<br />
»Nein, ich habe Glück und einige Sponsoren, die<br />
mich und das Team unbedingt wollen. Ich denke<br />
und hoffe, dass es so weitergeht«, sagt Pol Espargaro.<br />
Selbst Sieger müssen<br />
in der Moto2 um ihren<br />
Platz bangen<br />
Auch Marc Marquez geht es recht gut. »Ich weiß,<br />
dass es momentan mit der Weltwirtschaftskrise<br />
schwierig ist. Dabei habe ich wirklich sehr, sehr viel<br />
Glück, denn ich habe große Sponsoren, die mir<br />
vertrauen. Ich gebe in jedem Training 100 Prozent,<br />
um vorne zu sein, das sehen sie gerne.« Toni Elias<br />
ist nach seiner Trennung vom Aspar Team zwar<br />
zunächst arbeitslos, musste sich aber auch noch<br />
nicht mit derartigen Sorgen rumplagen. »Unsere<br />
Situation ist gut«, heißt es.<br />
Viele Moto2-Fahrer würden es West gleichtun und<br />
auch ohne Gehalt an den Start gehen - aus purer<br />
Leidenschaft. »Ich bekomme zum Glück Geld und<br />
habe eine gute Vita, was mir sehr hilft. Vor vier oder<br />
fünf Jahren bin ich auch einmal ohne Bezahlung<br />
gefahren. Auch vor zwei Jahren habe ich das<br />
gemacht, als mein Team mich einfach nicht bezah-<br />
104 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
len wollte«, erinnert sich Alex de Angelis. Espargaro<br />
ist es in der spanischen Meisterschaft genauso<br />
ergangen. »Dort gibt es nicht so viele Sponsoren<br />
wie hier [im GP-Fahrerlager] und es ist so schwierig,<br />
ein Team mit so wenig Geld aufzubauen.«<br />
Selbst Marquez würde das Risiko eingehen: »Es<br />
ist die Leidenschaft. Ein Motorrad zu fahren muss<br />
man einfach genießen und wenn man es richtig<br />
genießt, dann kommen die Ergebnisse von ganz<br />
alleine«, begründet er.<br />
Für Scott Redding steht hingegen fest: Ohne<br />
Gehalt ja, aber nicht drauflegen. Am Ende ist es<br />
das Leben des Briten, der in jedem Rennen ans<br />
Limit geht und seine Gesundheit aufs Spiel setzt.<br />
Dafür noch zu bezahlen käme für ihn nicht in<br />
Frage. »Das verstehe ich nicht. Ende 2009 war<br />
meine Karriere fast vorüber, weil ich nicht dafür<br />
bezahlen wollte, fahren zu können. Am Ende kam<br />
ich ins Marc VDS Team und das ist zum Glück<br />
super«, freut er sich.<br />
»Man weiß nie, was man tun muss«, meint Elias,<br />
der sich ohne Bezahlung aber trotzdem aus dem<br />
Fahrerlager <strong>zurück</strong>ziehen würde. »Wenn man<br />
fahren will und dafür kein Geld bekommt, dann<br />
muss man aufhören.« Mika Kallio betrachtet auch<br />
die Ursprünge der Geschichte. Schließlich sei jeder<br />
Pilot zu Beginn seiner Karriere nur aus Spaß<br />
gefahren und hatte das Motorradfahren nur als<br />
Hobby betrachtet. »Sicherlich können es sich<br />
einige Fahrer leisten, für umsonst zu fahren. In<br />
meinem Alter muss man aber so viele Dinge im<br />
Privatleben bezahlen. Es ist nicht so leicht, zu<br />
sagen, dass man gratis fährt, schließlich muss man<br />
Anthony West hat kein<br />
Geld, um einen Platz<br />
zu bezahlen<br />
seine Rechnungen begleichen. Wenn ich das entscheiden<br />
müsste, würde ich sagen, dass das<br />
momentan nicht möglich ist und ich mich dann<br />
nach etwas anderem umsehen müsste«, schätzt<br />
der 29-jährige Familienvater realistisch ein.<br />
Außerdem meint Kallio: »Das ist wirklich traurig<br />
und momentan auch etwas komisch im Fahrerlager,<br />
denn viele Teams denken, dass die Fahrer<br />
dafür bezahlen müssten, diese Bikes zu fahren und<br />
das ist wirklich dumm und genau das Gegenteil<br />
von dem, was es eigentlich sein sollte. Die Fahrer<br />
riskieren ihr Leben auf den Motorrädern und niemand<br />
will sie bezahlen.« Das sei aber auch Problem<br />
der Teams, weil die keine Sponsoren finden<br />
und die Fahrer nicht bezahlen könnten. »Ich<br />
denke aber auch, dass es ein Problem der Dorna<br />
ist. Sie müssen etwas tun, die Teams unterstützen;<br />
es kann so nicht weitergehen.« Der Finne ist überzeugt,<br />
dass das Niveau der Fahrer sinkt. »Wir<br />
haben Piloten, die zwar gut dafür bezahlen können,<br />
um hier zu fahren, die aber nicht auf dem<br />
Level der Weltmeisterschaft sind. Wenn die guten<br />
Fahrer keine Bezahlung bekommen, müssen sie<br />
aufhören und sich einen anderen Job suchen.<br />
Dadurch sinkt das Meisterschaftsniveau.« Das sei<br />
definitiv nicht der richtige Weg. Kallio selbst ist<br />
schon seit elf Jahren im GP-Zirkus und bemerkt<br />
daher, dass die Löhne im Vergleich zu früher<br />
extrem gesunken sind.<br />
Auch West ist sich darüber im Klaren, dass er<br />
dringend Sponsoren finden muss, wenn er 2013<br />
weiterfahren will. »Dann kann ich regelrecht aussuchen,<br />
für welches Team ich fahren will. Wenn<br />
Damals musstest<br />
du noch gute Ergebnisse<br />
bringen,<br />
um in einem guten<br />
Team unterzukommen.<br />
du Geld hast, kannst du in jedem Team fahren. Es<br />
ist anders als früher. Damals musstest du noch<br />
gute Ergebnisse bringen, um in einem guten Team<br />
unterzukommen. Heute findest du nur noch mit<br />
viel Geld ein gutes Team.«<br />
Die Situation ist klar und fest steht: So kann es nicht<br />
weitergehen. Aber wo setzt man an? »Eine Lösung<br />
wäre, dass Spanien aus der Krise rauskommt. Das<br />
ist allerdings ein weiter Weg. Ich bin ein Fahrer und<br />
muss mich zum Glück nicht ernsthaft mit solchen<br />
Dingen beschäftigen«, schätzt sich Espargaro<br />
glücklich. Auch de Angelis macht die weltweite<br />
Wirtschaft für die Sorgen der Moto2-Fahrer verantwortlich.<br />
»Ich weiß nicht, wie wir das verbessern<br />
können. Es ist schließlich nicht nur ein kleines<br />
Problem. Aber ich glaube, es ist nur eine vorübergehende<br />
Phase, wir müssen abwarten«, meint der<br />
Forward-Pilot. Allerdings findet der San Marinese<br />
es auch positiv, dass die Rennen regelmäßig im TV<br />
übertragen werden, wodurch mehr<br />
Sponsoren angelockt werden könnten<br />
als in weniger medienpräsenten<br />
Rennserien. Redding hält fest: »Überall<br />
fehlt das Geld, die Leute müssen bezahlen.<br />
Wenn sich die Weltwirtschaft verbessert,<br />
wird sich das sicherlich auch<br />
bei uns verbessern, aber wenn es so<br />
bleibt, dann wird sich auch hier nicht<br />
viel regen.«<br />
Fotos: milagro<br />
Auch Marc Marquez<br />
blickt besorgt auf die<br />
Entwicklung<br />
Kallio ist überzeugt, dass der Tiefpunkt<br />
in der Moto2 erreicht ist. Es könne also<br />
nur noch nach oben gehen. »Zurück zu<br />
den Standards, die wir vor ein paar Jahren<br />
hatten.« Wie schnell sich dieser<br />
Zustand einfinden wird, weiß er allerdings<br />
nicht. »Sicherlich wird es ein paar<br />
Jahre dauern. Ich denke sogar, dass es<br />
zehn Jahre brauchen könnte, um wieder<br />
dahin zu kommen, wo wir vor ein paar<br />
Jahren waren. Die Situation ist momentan<br />
nicht gut, keiner weiß, was passieren<br />
wird. Das Niveau sinkt, viele Teams<br />
nehmen nur die Fahrer mit Geld, die<br />
nicht auf dem gleichen Level sind.« Eine<br />
Lösung muss her, schnell.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 105
Fotos: ktm
Text: Maria Pohlmann<br />
Ready to Win<br />
Nach der ersten Hälfte der Moto3-Saison zieht KTM ein<br />
positives Fazit. Sandro Cortese könnte ktm sogar den<br />
ersten Titel in der neuen Kategorie bescheren. Das<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> wirft einen Blick auf die Rückkehrer.<br />
KTM mischt die neue Moto3 als<br />
Rückkehrer gehörig auf. Einen großen<br />
Anteil daran hat auch Testfahrer Joan<br />
Olive. Er arbeitet unermüdlich daran,<br />
die Maschine von Sandro Cortese<br />
weiter zu verbessern<br />
Zwei Siege, sieben weitere Podestplätze,<br />
fünf schnellste Rennrunden und vier<br />
Pole Positions können sich durchaus<br />
sehen lassen. Nach dem Wiedereinstieg<br />
in die Motorrad-WM weist KTM in der Moto3<br />
eine starke Bilanz zur ersten Saisonhalbzeit auf.<br />
»Wir sind glücklich über die Ergebnisse. Es war<br />
natürlich unser Ziel, an der Spitze zu sein, aber<br />
man weiß nie, wie die Rennen ausgehen und<br />
momentan stehen wir mit all diesen Podestplätzen<br />
und Siegen sehr gut da«, schätzt Testfahrer Joan<br />
Olive ein. »Wir müssen versuchen, dieses Niveau<br />
die ganze Saison zu halten und alle KTM-Fahrer<br />
weiter so motivieren wie bisher.«<br />
Für diesen Erfolg hatten sich die Österreicher<br />
mächtig ins Zeug gelegt. »Den ersten Test hatten<br />
wir im März 2011«, bestätigt Olive, der von<br />
Beginn an intensiv an der Entwicklung der neuen<br />
Maschine beteiligt war. Zunächst habe er nur<br />
einen Prototypen getestet, der mit dem aktuellen<br />
Moto3-Bike kaum noch etwas gemeinsam hätte.<br />
»Im ersten Teil des Jahres entwickelten wir den<br />
Rahmen. Dabei konzentriere ich mich immer<br />
darauf, zu versuchen, dass das Bike richtig gut<br />
einzulenken ist, denn beim Straßenrennen lenkst<br />
du ein, bevor du wieder Gas geben kannst und<br />
dabei ist auch die Stabilität des Bikes wichtig«,<br />
erklärt er. In dieser ersten Testphase wurde mit<br />
einem Motocross-Motor gefahren, da KTM das<br />
Moto3-Triebwerk erst im Sommer des letzten<br />
Jahres lieferte. »Es war nicht so leicht, wie es jetzt<br />
aussieht. Wir hatten Ende des Jahres vor der<br />
Weihnachtspause auch ein paar Probleme, aber<br />
alle Leute von KTM haben sehr hart gearbeitet<br />
und wir konnten 2012 mit einem starken Paket<br />
beginnen«, sagt der Spanier stolz.<br />
Allein Maverick Vinales, Romano Fenati und Louis<br />
Rossi konnten KTM auf der FTR Honda in den<br />
ersten neun Rennen die Stirn bieten. »Alle wissen,<br />
dass Honda eine sehr große Firma ist und sie viel<br />
Erfahrung aufweist. Sie haben wie wir ein sehr<br />
starkes Gesamtpaket und nach Estoril beobachteten<br />
wir zum Beispiel, dass sie ihren Top-Fahrern neue<br />
Motorenteile geliefert haben. Es scheint, als seien<br />
sie bereit, schnell zu reagieren«, hat der KTM-<br />
Testfahrer erforscht, der beim Portugal GP mit einer<br />
Wildcard einen noch tieferen Einblick erhielt. Den<br />
FTR-Rahmen schätzt Olive als Vorteil ein. »Sie<br />
haben ein sehr schmales Bike und es scheint, als sei<br />
das Handling einer der starken Punkte, genauso<br />
wie der Grip am Hinterrad. In Mugello haben wir<br />
gesehen, dass auch der Top-Speed passt.«<br />
Sandro Cortese steht nach zwei Rennsiegen und<br />
sechs Podestplätzen zur Saisonhalbzeit an der<br />
Spitze der Meisterschaft. »Sandro arbeitet sehr gut<br />
und sehr ruhig. Er hat eine Menge Erfahrung und<br />
ich kenne ihn schon seit vielen Jahren. Dieses Jahr<br />
ist bisher sein bestes. Er fühlt sich im Team richtig<br />
wohl und merkt, dass das Werk für ihn arbeitet<br />
und nach vielen Jahren in der Meisterschaft ist er<br />
mit dieser Situation glücklich. Er kämpft mit<br />
einem sehr guten und jungen Fahrer wie Maverick,<br />
aber wenn ich mich entscheiden müsste,<br />
dann würde ich die Erfahrung wählen und wir<br />
sahen in den letzten Rennen, dass Sandro immer<br />
sehr konstant ist«, urteilt Olive. Auch Danny Kent<br />
sieht der 27-Jährige als schnellen Fahrer an. Der<br />
Brite bestätigte dies mit einem Sprung aufs Treppchen.<br />
»Er hat einen guten Speed und mit etwas<br />
mehr Erfahrung wird er konstant an der Spitze<br />
sein. Er ist einer der Schnellsten in dieser Kategorie.«<br />
Der Dritte im Bunde ist Arthur Sissis. »Arthur<br />
hat alle mit seinen ersten Ergebnissen überrascht;<br />
er ist ein sehr talentierter Fahrer und ein perfekter<br />
Teamkollege für die anderen.« Niklas Ajo und<br />
Zulfahmi Khairuddin werden ebenfalls von KTM<br />
beliefert und haben laut Olive beide einen großen<br />
Schritt nach vorn gemacht. »Mittlerweile schaffen<br />
sie es in die Top-10 und ich hoffe, dass wir sie<br />
schon bald auf dem Podest feiern können.«<br />
Um die Chance auf den ersten Moto3-Titel zu wahren,<br />
sind sich die KTM-Jungs sicher, dass sie auch<br />
in der zweiten Saisonhälfte nicht nachlassen dürfen<br />
und weiter hart arbeiten müssen. Olive erklärt:<br />
»Nach dem Rennen in Mugello haben wir neue<br />
Teile getestet und bis Aragon werden wir weiter ans<br />
Rennteam denken, versuchen ihnen zu helfen und<br />
ihnen das geben, was sie brauchen, um diesen Level<br />
zu halten.« Aber schon bald beginnt in Österreich<br />
die Arbeit am Motorrad für 2013.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 107
Fotos: WSBK
Ein Römer auf<br />
Text: Maria Pohlmann<br />
Titelfeldzug<br />
Max Biaggi hat es mit der Aprilia in diesem Jahr nicht leicht, aber er kämpft.<br />
Er kämpft um seine zweite Superbike-Krone und die römische Ehre - ganz nach<br />
dem Motto: Was wir zu Lebzeiten tun, hallt bis in die Ewigkeit.<br />
Ehre und Stärke. Genau diese Eigenschaften zeigt Max Biaggi<br />
- auch noch in der Saison 2012. Mit 41 Jahren hätten die<br />
meisten Fahrer ihren Helm längst an den Nagel gehängt,<br />
ein ruhiges Leben geführt und das verdiente Geld entspannt<br />
ausgegeben. Ein Römer wie Biaggi findet nach dem verlorenen Titel 2011<br />
in diesen Tagen aber erst wieder richtig zur Bestform <strong>zurück</strong>. Eine Dominanz<br />
wie im Superbike-Titeljahr 2010 gelingt ihm bisher allerdings nicht<br />
und das nicht nur, weil dem Römer die nötige Konstanz fehlt, sondern<br />
besonders aufgrund des starken Starterfelds. Dazu kommen Probleme<br />
mit seiner Aprilia. »Derzeit ist ein sehr harmonisches Gleichgewicht<br />
eingetreten, es gibt keinen Hersteller, der in irgendeiner Art und Weise<br />
hervorsticht«, formulierte es BMW Motorrad <strong>Motorsport</strong> Chef Bernhard<br />
Gobmeier. Dabei galt Biaggis Aprilia jahrelang als eine der stärksten<br />
Maschinen im Feld, doch speziell Kawasaki, Honda und BMW haben<br />
ordentlich nachgelegt und gefährden den römischen Durchmarsch.<br />
Vor Saisonbeginn stand Biaggi sogar allein auf dem Superbike-Schlachtfeld.<br />
Seine Crew wollte sich umorientieren, der Italiener musste nach<br />
neuen fähigen Leuten Ausschau halten, die die Teile seiner Aprilia zusammenhalten<br />
und ihm ein gutes Gesamtpaket hinstellen. Mit einem Sieg<br />
auf Phillip Island bewies er allerdings: Rot ist die Farbe der Götter. Denn<br />
auf seiner RSV4 dominierte Biaggi das erste Rennen - mit der neuen<br />
Crew. »Das Team ist neu, mein Geist ist frisch, meine Motivation groß<br />
und wir arbeiten gut zusammen. Die Aprilia ist ein tolles Bike, ich bin<br />
glücklich«, sagte er. Bis Großbritannien verzeichnete Biaggi nicht einen<br />
Ausfall, regelmäßige Podestplätze und sogar einen Doppelsieg in San<br />
Marino. Zäh und kampfeslustig baute er seine Führung aus, doch auch<br />
seine Gegner schliefen nicht.<br />
wertvolle Punkte mitnehmen, obwohl Melandri beide Rennen gewann.<br />
Das Tempo der Spitzengruppe konnte der Römer in der Tschechischen<br />
Republik nicht halten, die italienische Maschine machte ungekannte<br />
Probleme. »Ich war schon die ganze Zeit so am Limit als wäre es die letzte<br />
Runde. Wir konnten noch nicht ausfindig machen, was genau das Problem<br />
ist, denn Bike und Setup waren dem, was wir in Aragon genutzt haben,<br />
sehr ähnlich.«<br />
Staub und Schatten für Aprilia? Die Probleme nahmen ihren Lauf. Während<br />
Melandri weiter munter Punkte gutmachte, versuchte es Biaggis<br />
Team mit anderen Mitteln. Weniger als drei Minuten vor dem ersten<br />
Rennen in Silverstone schraubte die BMW-Crew noch an Melandris Reifen<br />
herum, das Aprilia Team bemerkte die Regelwidrigkeit und legte<br />
Protest ein. Die Italiener machten den Eindruck, als versuchten sie die<br />
Titelchance um jeden Preis zu wahren. »Die Rennleitung hat entschieden,<br />
den Fahrer Marco Melandri (Italien) mit einer schriftlichen Verwarnung<br />
und einer Geldstrafe in Höhe von 3.000 Euro zu belegen, da gegen Artikel<br />
1.19.7 verstoßen wurde.« Auch wenn die FIM die Entscheidung bestätigte<br />
- Aprilia hatte wenig davon, Biaggi war im ersten Rennen ausgefallen.<br />
»Das war bitter«, lautete sein Kommentar. Doch die Spiele gingen weiter.<br />
Dabei war ihm klar: Der Vorteil ist knapp, die Aprilia RSV4 Factory muss<br />
verbessert werden, damit sich Biaggi mit vier 250ccm-Grand-Prix-Titeln<br />
und zwei Superbike-Kronen in die Annalen der Weltmeisterschaft eintragen<br />
kann. Der Mann aus Latium wird kämpfen. Auf dass man sich<br />
seiner Taten in der Ewigkeit erinnert.<br />
In seinen schwachen Momenten schlug Hauptrivale Melandri zu, unter<br />
anderem in Brünn, auf einem der Lieblingskurse Biaggis. »Wir haben<br />
einige Probleme zu lösen. Es fühlt sich beinahe an, als würde ich auf einer<br />
anderen Strecke fahren und das ist seltsam, weil das Bike eigentlich nicht<br />
radikal verändert wurde seit dem letzten Rennen. Wir haben damit zu<br />
kämpfen in die Kurven zu kommen. Wir verlieren wirklich viel Zeit, aus<br />
ihnen rauszukommen. Vielleicht haben wir etwas im Setup vergessen«,<br />
rätselte der Italiener schon am ersten Tag. Mit Talent zum Überleben<br />
konnte Biaggi mit einem sechsten und einem vierten Platz trotzdem noch<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 107
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Der Traum vom<br />
Freestyle-Gold<br />
Text: Maria Pohlmann<br />
Dany Torres konnte die Red Bull X-Fighters 2011 nach Startschwierigkeiten für sich<br />
entscheiden. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> behielt den amtierenden Champ beim vorletzten<br />
Stopp der diesjährigen Tour in München genau im Auge.<br />
Die KTM 250 SX hebt vom Boden ab, Dany Torres<br />
lehnt sich mit dem Bike in der Luft nach hinten,<br />
klemmt beide Oberschenkel unter den Lenker und<br />
legt sich im Laufe der Rotation der Länge nach auf<br />
die Sitzbank seines Motorrads. Während er wieder<br />
in die Waagerechte kommt, greift er zum Lenker<br />
und setzt mit beiden Rädern der KTM sanft auf<br />
dem Boden auf. 30.000 Augenpaare verfolgen jede<br />
einzelne seiner Bewegungen atemlos und brechen<br />
im Münchner Olympiastadion in tosenden Jubel<br />
aus, als der Spanier wieder auf dem Dirt aufkommt.<br />
Seine Sprünge im Finale des Red Bull X-Fighters<br />
Tour-Stopp in München reichen zwar nur für Platz<br />
zwei, trotzdem kann sich Torres mit den gewonnen<br />
80 Punkten auf Rang drei der Klassifikation verbessern.<br />
»Dieses Jahr ist es wirklich schwer, denn<br />
ich wurde am Anfang des Jahres am Knöchel operiert.<br />
Nun fühle ich mich aber besser, ich würde<br />
sogar behaupten, dass ich in München wieder zu<br />
100 Prozent fit war. Jetzt will ich einfach mein Bestes<br />
geben«, erklärt er dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Ziel<br />
Nummer eins sei allerdings nicht der unerbittliche<br />
Kampf um den Titel. »Ich will einfach Spaß haben<br />
und die Events genießen.«<br />
Vor einem Jahr konnte sich Torres die X-Fighters-<br />
Krone beim Finale in Australien aufsetzen. Doch<br />
auch 2011 hatte schwierig begonnen. »Denn ich<br />
bin beim Training zu Hause heftig gestürzt und als<br />
ich den Titel in Sydney dann gewinnen konnte, war<br />
das natürlich eine riesen Überraschung«, gestand<br />
er. Nach neun Jahren Freestyle Motocross feierte er<br />
damit seinen größten Erfolg. Vor seiner FMX-<br />
Karriere war der 25-Jährige bei Motocross- und<br />
Supercross-Rennen in Spanien angetreten und auch<br />
heute hält er der Heimat die Treue. Sein liebster<br />
Veranstaltungsort der Red Bull X-Fighters ist ohne<br />
Frage Madrid. »Für mich ist Las Ventas der beste<br />
Ort der Welt, denn das ist meine Heimat, da sind<br />
meine Fans und meine Familie. Das wird sich wohl<br />
nicht ändern«, lacht er. Torres tritt nur bei ausgewählten<br />
Veranstaltungen an. »Ich fahre in der spanischen<br />
Meisterschaft und einer anderen Show in<br />
Spanien mit, aber das war‘s dann neben den Red<br />
Bull X-Fighters auch schon.« Bei der Night of the<br />
Jumps war das Ausnahmetalent bisher nicht dabei.<br />
Warum weiß er selbst nicht genau. »Ich könnte mir<br />
aber gut vorstellen, da zu fahren, besonders weil<br />
mein bester Freund Maikel Melero dabei ist. Ich<br />
würde gern dabei sein.« Das Trick-Repertoire des<br />
KTM-Fahrers schreit auf jeden Fall nach einem<br />
Podest in der Weltmeisterschaft. Am liebsten<br />
springt er Flip-Kombinationen: »Der Bar Flip Double<br />
Grab ist der Beste!« Am härtesten sei aktuell der<br />
Double Backflip, den Torres fleißig übt. »Den trainiere<br />
ich schon eine ganze Weile. Ich bin ihn bisher<br />
aber nur im Foampit gesprungen und noch nie auf<br />
Dirt. Ich würde ihn gern mal zeigen.«<br />
Beim Training lässt sich Torres wahrlich nicht lumpen.<br />
Am liebsten würde er 24 Stunden am Tag auf<br />
seinem Bike verbringen. »In meiner Freizeit fahre<br />
ich mit meinem Bruder BMX und verbringe Zeit<br />
mit meiner Familie. Ich würde am liebsten in jeder<br />
Minute auf meinem Bike sitzen. Das ist natürlich<br />
schwierig, deshalb suche ich mir einfach einen Ausgleichssport«,<br />
erklärt er. Ein Leben ohne Motorrad<br />
kann sich der Freestyler aus El Arahal nicht vorstellen.<br />
»Keine Ahnung was ich ohne MX gemacht<br />
hätte. Ich habe mir über solche Dinge noch nie<br />
Gedanken gemacht. Ich wäre auf jeden Fall im<br />
<strong>Motorsport</strong> gelandet, vielleicht wäre ich sogar ein<br />
Straßenmotorrad gefahren.« Torres ist eben Motorradfahrer<br />
durch und durch. Vor einem Run versucht<br />
er, alle störenden Gedanken auszublenden.<br />
»Bevor ich beginne, denke ich maximal an den<br />
ersten Trick und konzentriere mich ganz auf meinen<br />
Run.« Ab und an denkt der erfahrene Spanier<br />
auch an die Gefahren im Freestyle-Sport. »Besonders<br />
wenn ich einen neuen oder anderen Trick<br />
mache, dann denke ich schon über das Risiko beim<br />
Freestyle nach.« Normalerweise versucht er aber,<br />
die Risiken auszublenden. »Wenn man in der Luft<br />
ist, denkt man sowieso an nichts.«<br />
Auch beim Lazy Boy Backflip im Münchner Olympiastadion<br />
denkt Torres wenig nach, er hat einfach<br />
Spaß. »Ich war zum ersten Mal in Deutschland und<br />
es gefiel mir wirklich. Ich hatte Zeit, in die Berge zu<br />
fahren, ich mag die Umgebung.« Nach seiner Bronzemedaille<br />
bei den X-Games 2011 hat Torres noch<br />
einen großen Traum, den er sich vor dem Münchner<br />
Publikum ab 2013 erfüllen könnte. »Ich würde<br />
gern eine Goldmedaille bei den X-Games gewinnen.<br />
Ich weiß, dass das sehr hochgegriffen ist, aber<br />
ich werde dafür wirklich hart trainieren.«<br />
Torres würde am<br />
liebsten 24h am<br />
Tag Motorrad<br />
fahren<br />
Dany Torres ist<br />
gerne in der<br />
Heimat<br />
Fotos: red bull content pool<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 111
James Hunt wusste<br />
nicht nur, mit einem<br />
schnellen Auto<br />
umzugehen...<br />
drahtesel<br />
Marussia-Pilot Timo Glock hat sein<br />
Fahrrad immer dabei<br />
Sauber arbeitet mit dem FC<br />
Chelsea zusammen - nur<br />
wie weiß keiner so genau<br />
112 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
mclaren<br />
duell<br />
Lewis Hamilton und Heikki<br />
Kovalainen lieferten sich auch<br />
im kühlen Nass heiße Duelle<br />
ping pong<br />
Niki Lauda bewies auch an der<br />
Tischtennisplatte großes Geschick<br />
Fotos: adrivo/Sutton
olympia<br />
in der f1<br />
Egal ob beim Laufen, Schwimmen<br />
oder Radfahren - die Formel-1-<br />
Piloten sind auch ohne Olympia<br />
immer sportlich unterwegs.<br />
Damon Hill wagte sich<br />
1999 in Australien<br />
auf das Surfboard<br />
Michael Schumacher<br />
greift gerne einmal zum<br />
Tennisschläger<br />
spaSS<br />
am strand<br />
Rubens Barrichello wollte<br />
zumindest beim Beach<br />
Volleyball die Nummer 1 A<br />
bei Ferrari sein<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 113
Die zeit der<br />
champions naht:<br />
motorsport-magazin<br />
ausgabe 27 erscheint<br />
am 25.10.2012<br />
foto: mclaren<br />
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