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BASTIAN BAKER - Finanz Und Wirtschaft

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| KUNSTSAMMLER | von Francesca Serra – Fotos: Vincent Calmel<br />

PASSION<br />

WAS HABEN SCHWEIZER SAMMLER GEMEINSAM? SIE ÜBEN SICH IN<br />

ZURÜCKHALTUNG UND PROFITIEREN VON IDEALEN RAHMENBE-<br />

DINGUNGEN. DANK TIEFEN STEUERN, DEN ZOLLFREIZONEN UND<br />

WEIL ES KEIN FOLGERECHT GIBT, DAS BEIM WIEDERVERKAUF ABGABEN<br />

AUF DEN ERLÖS EINES KUNSTWERKS ERHEBT, KÖNNEN SIE IHRER<br />

LEIDENSCHAFT UNTER OPTIMALEN VORAUSSETZUNGEN FRÖNEN.<br />

WIR HABEN UNS MIT FÜNF PASSIONIERTEN SAMMLERN UNTERHALTEN.<br />

Was treibt uns dazu, Kunst zu sammeln?<br />

Eitelkeit? Ein innerer<br />

Drang? Emotionen? Die geheimen Beweggründe<br />

sind undurchschaubar. Fest<br />

steht aber, dass alle Sammler fest genug<br />

an die Kunst und ihre Macht glauben, um<br />

ihr Geld dort anzulegen. Im Allgemeinen<br />

sind es das soziale Gewissen eines<br />

Künstlers, die Schönheit oder Originalität<br />

seiner Bildsprache oder die Exklusivität<br />

eines Objekts, die den Kunstfreund<br />

ansprechen. Häufi g fl iesst aber auch das<br />

Urteil der Meinungsträger, Kuratoren,<br />

Medien oder Händler mit ein.<br />

KUNST ALS INVESTITION<br />

Interessant an der Gegenwartskunst<br />

ist zudem die Tatsache, dass niemand sagen<br />

kann, welchen Wert ein zeitgenössisches<br />

Werk in dreissig Jahren haben wird.<br />

Diese Ungewissheit macht solche Investitionen<br />

umso spannender. Der Sammler<br />

wagt sich auf die Äste hinaus, geht Risiken<br />

ein und fühlt sich wie ein Abenteurer,<br />

denn schliesslich kann das Ansehen eines<br />

Künstlers jederzeit in Frage gestellt werden.<br />

Da Künstler heute nicht mehr im Alter<br />

von 35 Jahren an Tuberkulose sterben<br />

und ihre Schaff ensperiode locker bis zum<br />

80. Lebensjahr dauern kann, müssen sie<br />

ihr Genie über einen längeren Zeitraum<br />

unter Beweis stellen. Für den Investor bedeutet<br />

das zusätzliche Unsicherheit.<br />

Sammler kaufen nicht nur ein, ihre Besitztümer<br />

sind unwillkürlich einem Hin<br />

und Her ausgesetzt. So wie die Werke ihren<br />

Urheber auf seinem Weg begleitet haben,<br />

begleiten sie jetzt den neuen Besit-<br />

28 | <strong>Finanz</strong> und <strong>Wirtschaft</strong> LUXE<br />

zer, bevor sie in andere Sammlungen oder<br />

in ein Museum übergehen. Es mag traurig<br />

erscheinen, dass über Jahre hinweg<br />

sorgfältig ausgewählte und zusammengetragene<br />

Werke beim Verkauf der Familiensammlung<br />

in alle Winde verstreut werden,<br />

auf der anderen Seite sollte man sich<br />

aber auch freuen, dass die Meisterwerke<br />

in neuen Umgebungen neu und anders<br />

wahrgenommen werden. Die Galeristen-<br />

und Händlertätigkeiten der Familie<br />

Runnqvist zum Beispiel erfährt nach<br />

zwei Generationen eine Pause, denn Anne<br />

Sheperd-Runnqvist hat beschlossen, die<br />

Arbeit ihrer Eltern nicht weiterzuführen<br />

und einen Teil des Erbes zu verkaufen.<br />

Grosse Sammlungen landen meistens<br />

in einem Privatmuseum oder in einer Stiftung.<br />

So auch die von Jean-Claude Gandur,<br />

der sein Geld im Ölgeschäft verdient<br />

hat. In seinem Besitz stehen einige der<br />

wertvollsten Kunstwerke der Griechen,<br />

Römer und Ägypter sowie die nach dem<br />

Centre Pompidou wichtigste Sammlung<br />

abstrakter Malerei aus der Nachkriegszeit.<br />

Damit seine Schätze unter den besten<br />

Bedingungen aufb ewahrt und einem<br />

möglichst breiten Publikum gezeigt werden<br />

können, hat sie Gandur über seine<br />

Stiftung dem Genfer Musée d’Art et<br />

d’Histoire vermacht.<br />

Der Verwendungszweck anderer<br />

Sammlungen wie die von Cristina und<br />

Thomas Bechtler, die zu den 13 wichtigsten<br />

Schweizer Sammlern zählen, ist nicht<br />

bekannt. In der jedes Jahr vom Magazin<br />

Artnews veröff entlichten Liste erscheinen<br />

ihre Namen neben denen anderer<br />

grosser Kunstkenner wie Gabi und Werner<br />

Merzbacher, Monique und Jean-Paul<br />

Barbier-Müller, Monique und Max Burger,<br />

Friederich Christian Flick oder Esther<br />

Grether. Wie Cristinas Aussagen<br />

zeigen, wurde der Kunstmarkt mit dem<br />

Aufstreben neuer Schwellenländer stark<br />

globalisiert und ist hart umkämpft. Seit<br />

sie mit der Unterstützung von Bice Curiger<br />

damit begonnen hat, die von ihrem<br />

Schwager Ruedi Anfang der 1990er-Jahre<br />

angefangene Sammlung konzeptueller<br />

Fotografi e zu vervollständigen, hat sich<br />

die Zahl der Käufer vervielfacht und die<br />

Preise sind in die Höhe geschnellt.<br />

AM PULS DES MARKTES<br />

Bei der Wahl der Künstler, die sie und<br />

ihr Mann betreuen, kommt es auf das<br />

richtige Timing an: Man muss möglichst<br />

viele Arbeiten des vielversprechenden<br />

Künstlers sammeln, bevor die Preise steigen.<br />

Wahrscheinlich spannen sie deshalb<br />

mit künstlerischen Schiedsrichtern wie<br />

den Kuratoren Bice Curiger, Hans-Ulrich<br />

Obrist und Beatriz Ruf zusammen, weil<br />

sie an der Spitze eines immer breiteren<br />

und vielfältigeren Markts bleiben wollen.<br />

Zugang zu den relevanten Informationen<br />

und Schnelligkeit sind für einen<br />

guten Kauf entscheidend. Nicolas Ferretjans,<br />

der für eine Zürcher Grossbank<br />

arbeitet, hebt deshalb auch die Bedeutung<br />

der Recherchen hervor, die er anstellt, sobald<br />

er auf einen Künstler aufmerksam<br />

wird. Um immer am Puls des Marktes<br />

zu sein, hat er sich mit einer Pariser Galerie<br />

zusammengetan, die die Werke aufstrebender<br />

Künstler ausstellt. Im Übrigen<br />

beschränkt sich kaum ein Sammler zeitgenössischer<br />

Kunst in seiner Anfangsphase<br />

auf eine einzige Tätigkeit. Sabine<br />

Parenti, die gemeinsam mit ihrem Mann<br />

Alessandro eine wunderbare Auswahl<br />

an Objekten von Künstlern aus dem In-<br />

und Ausland besitzt, sitzt unter anderem<br />

im Ausschuss des Swiss Institute in New<br />

York. Sie sehen das Sammeln von Gegenwartskunst<br />

in erster Linie als eine Art, mit<br />

der Zeit zu leben.<br />

CRISTINA BECHTLER<br />

Cristina Bechtler und Ehemann<br />

Thomas zählen zu den weltweit bedeutendsten<br />

Kunstsammlern. Die Familie<br />

Bechtler besitzt eine lange Geschichte<br />

und ein grosses Kunsterbe, weshalb<br />

Cristina bei drei Sammlungen aktiv ist.<br />

Bei der ersten handelt es sich um die<br />

Familienstiftung, die ihr Schwiegervater<br />

Walter vor 60 Jahren ins Leben gerufen<br />

hat und die Skulpturen sammelt, die im<br />

öff entlichen Raum ausgestellt werden.<br />

Die zweite ist eine Kollektion konzeptioneller<br />

Fotografi e des Unternehmens<br />

Zellweger Luwa, das von Ehemann<br />

Thomas präsidiert wird. Zusammen mit<br />

Ruedi Bechtler und Bice Curiger hat sie<br />

1990 die Sammlung begonnen, die 2011<br />

erstmals in den Kunstmuseen Bonn und<br />

St. Gallen gezeigt wurde. <strong>Und</strong> die dritte<br />

ist eine noch nie öff entlich gezeigte<br />

Privatsammlung, die u.a. Minimal Art<br />

von Sol Lewitt und Donald Judd und<br />

Gegenwartskunst von Grössen wie<br />

Jenny Holzer, Damien Hirst, Doug<br />

Aitken, Christopher Wool und Rebecca<br />

Warren umfasst. Aus der Schweiz sind<br />

Stars wie Fischli/Weiss, Pipilotti Rist<br />

und Mai-Thu Perret vertreten.<br />

«Wir sammeln sehr fokussiert, entdecken<br />

die Künstler in ihren Anfängen,<br />

bevor ihre Werke unerschwinglich werden.<br />

Da wir sie über längere Perioden<br />

beobachten, legen wir einen grossen<br />

Fundus desselben Künstlers an.» Wird<br />

für die Kollektion eines Tages ein Museum<br />

gebaut? «Wir haben keine Entscheidung<br />

getroff en, aber wir denken<br />

darüber nach.» Neben ihrem Verlag für<br />

zeitgenössische Kunst kümmert sich<br />

Cristina Bechtler gegenwärtig um die<br />

dritte Ausgabe der von ihr initiierten<br />

Engadin Art Talks, die am 25. und 26.<br />

August in Zuoz stattfi nden. Für die<br />

künstlerische Leitung zeichnen gemeinsam<br />

Hans Ulrich Obrist, Co-Direktor<br />

der Serpentine Gallery, London, und<br />

Beatriz Ruf, Direktorin der Kunsthalle<br />

Zürich, verantwortlich.

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