BASTIAN BAKER - Finanz Und Wirtschaft
BASTIAN BAKER - Finanz Und Wirtschaft
BASTIAN BAKER - Finanz Und Wirtschaft
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
| FILM | von Francesca Serra - Foto: Fred Dufour / AFP<br />
Schauspieltalent mit Zukunft<br />
ADÈLE HAENEL VERZAUBERT MIT IHRER KLASSISCHEN SCHÖNHEIT,<br />
IHREM WIDERSPENSTIGEN WESEN UND IHREN AUSDRUCKSSTARKEN<br />
ROLLEN DAS AUTORENKINO. DAS JAHR 2012 KÜRT DIE ERST 23-JÄHRIGE<br />
ZUM NEUEN STERN AM KINOHIMMEL.<br />
Am letzten Festival von Cannes war<br />
sie gleich mit zwei Filmen vertreten.<br />
Sie spielte in «Trois Mondes», das in<br />
der Sektion «Un certain regard» gezeigt<br />
wurde, und in «Alyah», dem ersten für<br />
die Semaine de la Critique nominierten<br />
Spielfi lm. Im Februar 2012 erhielt sie an<br />
der Berlinale den Shooting Star Award,<br />
mit dem junge, aufstrebende Filmschauspieler<br />
ausgezeichnet werden. Nach der<br />
Sommerpause kommt sie mit einer kleinenRolle<br />
in «Confessions of a Child of<br />
the Century» mit Charlotte Gainsbourg<br />
und Pete Doherty in die Kinos.<br />
Die Tochter einer französischen Mutter<br />
und eines österreichischen Vaters<br />
machte 2007 im Film «La Naissance de<br />
Pieuvres» erstmals auf sich aufmerksam.<br />
Der Tintenfi sch des französischen Originaltitels<br />
ist eine Metapher für die Grazie<br />
98 | <strong>Finanz</strong> und <strong>Wirtschaft</strong> LUXE<br />
einer von ihr verkörperten Synchronschwimmerin<br />
und für die Begierde und<br />
Eifersucht, die wie Tentakeln nach ihr<br />
greifen. In Bertrand Bonellos «Haus der<br />
Sünde» sprengte sie mit ihrer sinnlichen<br />
Weiblichkeit dann regelrecht den Bildschirm<br />
und wurde für ihre Darbietung<br />
als junge Prostituierte in einem Pariser<br />
Bordell um die Jahrhundertwende 1900<br />
für den César der besten Nachwuchsdarstellerin<br />
nominiert.<br />
Mit ihrem ausdrucksstarken Spiel inmitten<br />
der in Korsetts und Mieder gezwängten<br />
Dirnen zog sie alle Blicke<br />
auf sich. Die klassische Schönheit ihres<br />
ebenmässigen Gesichts und ihre üppigen,<br />
verführerischen Formen betonten<br />
ihre herausragende Bühnenpräsenz<br />
zusätzlich und passten perfekt zu ihrer<br />
starken, rebellischen Rolle.<br />
2009 war Adèle Haenel in «Frau und<br />
frei!» von Raymond Vouillamoz in der<br />
Rolle einer Jura-Studentin zu sehen,<br />
die ein Praktikum beim Westschweizer<br />
Fernsehen absolviert und sich entscheiden<br />
muss, ob sie abtreibt. Der Fernsehfilm<br />
erzählt 40 Jahre Frauengeschichte<br />
über drei Generationen und bedient<br />
sich dabei der Archivbilder von TSR.<br />
Wie viele Filme, in der sie auftritt, befasst<br />
sich auch «Frau und frei!» auf eine<br />
sehr untypische, extrem sensible und<br />
intime Art mit dem Frausein und der<br />
Weiblichkeit.<br />
Nach ihren bisherigen, sehr intensiven<br />
Rollen zu schliessen wird die schöne<br />
Schauspielerin mit den blauen Augen<br />
und der tiefen Stimme wohl auch in<br />
Zukunft Autorenfi lmen den Vorzug vor<br />
hollywoodschen Grossproduktionen geben.<br />
Adèle Haenel schielt bereits über<br />
die Grenze. Sie träumt davon mit Terrence<br />
Malick («Der schmale Grat», «The<br />
Tree of Life»), David Lynch und Fatih<br />
Akin, für den Sie sogar auf Deutsch spielen<br />
würde, zu drehen. Wir werden bestimmt<br />
noch viel von ihr hören! |<br />
Fred Dufour/AFP<br />
Meier<br />
einzigartig und vielfältig<br />
DIETER<br />
Dieter Meier hat mir schon als Kind<br />
Angst eingejagt. Der Mitbegründer<br />
von Yello hat meine Generation nachhaltig<br />
geprägt und zusammen mit seinem<br />
Kollegen Boris Blank als einer der Godfathers<br />
des Techno Geschichte geschrieben.<br />
Mit seiner kreativen Musik und seinem<br />
absolut perfekten Stil verkörperte<br />
er die Achtzigerjahrer wie kein anderer.<br />
Wer trägt den Smoking besser als Dieter<br />
Meier – mit Ausnahme vielleicht von Bryan<br />
Ferry? Auf mich wirkte er aber immer<br />
irgendwie unheimlich. Seine durchdringenden<br />
Augen, sein kämpferischer Blick,<br />
sein Schnurrbart und sein wirrer Haarschopf<br />
begleiteten den Zürcher während<br />
seiner gesamten künstlerischen Karriere,<br />
die in den späten Sechzigern ihren Anfang<br />
nahm. Dieter machte Musik, realisierte<br />
aber auch Videos, Happenings, Filme,<br />
Zeichnungen, Konzeptkunst, Fotos,<br />
Poster und vieles mehr. Er produzierte –<br />
wie er es nannte – zunächst zeitgenössische<br />
Kunst, indem er 1971 von Passanten<br />
in New York für einen Dollar die Worte<br />
«Yes» oder «No» kaufte und ihnen dafür<br />
eine Quittung ausstellte oder indem er<br />
1972 an der Documenta eine Metalltafel<br />
einbetonieren liess, auf der geschrieben<br />
stand «Am 23. März 1994 von 15.00-16.00<br />
Uhr wird Dieter Meier auf dieser Platte<br />
stehen». Genau das tat er dann auch. Wir<br />
haben ihn an einem schönen Frühlingstag<br />
in seinem Atelier an der Zürcher Seefeldstrasse<br />
ganz in der Nähe der Büros von<br />
Blacksocks.com und des Designers Alfredo<br />
Haeberli besucht.<br />
Dieter, ich bin seit der ersten Stunde ein Fan<br />
von Ihnen und habe Ihre Musik schon als<br />
Zehn- oder Elfjähriger gehört. Sie haben mir<br />
aber ganz schön Angst eingefl össt.<br />
Ach ja?<br />
Sie haben Ähnlichkeit mit Adolf Hitler.<br />
Lustig, dass Sie mir das sagen. Mein<br />
Freund Jean-Paul Goude hat mir einmal<br />
das Gleiche gesagt. Er meinte, falls irgendwann<br />
ein Film über Hitler gedreht werde,<br />
müsste ich unbedingt die Hauptrolle spielen.<br />
Später haben mich noch zwei, drei<br />
Leute auf die Ähnlichkeit angesprochen,<br />
aber so viele waren es eigentlich gar nicht.<br />
Würde es Ihnen grosse Mühe bereiten,<br />
jemanden zu spielen, der eine so völlig andere<br />
Persönlichkeit hat als Sie?<br />
Nein, ich glaube nicht. Ich war in meiner<br />
gesamten Karriere als Produzent von Musik,<br />
Filmen und allen möglichen anderen<br />
Dingen tätig. In meiner Fotophase habe<br />
ich Personen erfunden, deren Biografi e ich<br />
schrieb und die ich dann viele Jahre später<br />
erneut fotografi erte. Es handelt sich um<br />
mich selbst unter den unterschiedlichsten<br />
Aspekten. Es waren Vorher-Nachher-Aufnahmen.<br />
Das war witzig.<br />
Sie haben mindestens zehn verschiedene<br />
Kunstformen ausgeübt, sehen sich aber<br />
trotzdem nicht als Künstler.<br />
Eindeutig nicht. Ich bin jemand, der<br />
Chancen ergreift, habe aber keine besonderen<br />
Talente. Oder vielleicht eines. Ich<br />
kann zuhören. Dadurch habe ich in mei-<br />
BOUDOIR<br />
von Stéphane Benoit-Godet - Foto: Jonathan Heyer<br />
nem Leben spannende Leute kennengelernt,<br />
die mit mir über ihre Arbeit gesprochen<br />
haben. Beim Zuhören entstand dann<br />
der Gedanke, dass wir vielleicht etwas gemeinsam<br />
auf die Beine stellen könnten. Ich<br />
betreibe mehrere Restaurants in Zürich,<br />
baue in Argentinien Wein an, mache weiterhin<br />
Musik, aber ich bin deswegen weder<br />
Gastwirt, Önologe noch Musiker.<br />
O. K., aber dann sind Sie äusserst talentiert.<br />
Ich würde eher sagen, dass ich Lust<br />
habe, Dinge zu tun. Ende der Siebzigerjahre<br />
hatten Boris Blank und ich Lust, Musik<br />
zu machen, wussten aber nicht, wie wir<br />
das anstellen sollten, da wir keine Musiker<br />
sind. Boris ist noch eher ein Musiker als<br />
ich, auch wenn er in diesem Bereich wohl<br />
keine klassische Herangehensweise hat: Er<br />
ist Musiker mit seinem ganzen Körper. Boris<br />
fi ng damit an, eine Zeitung zu zerknittern.<br />
Er nahm das Geräusch auf und machte<br />
daraus einen Loop, und schon hatten wir<br />
einen Rhythmus. So hat alles angefangen.<br />
Sie sind ein Mann des Luxus: Eine Erziehung<br />
in einer wohlhabenden Familie, wie Sie sie<br />
genossen haben, formt den Geschmack.<br />
Damit bin ich nicht einverstanden. Luxus<br />
bedeutet nicht, durch die Welt zu jetten<br />
oder eine grosse Jacht zu besitzen. Das<br />
interessiert mich nicht. Ich produziere lieber.<br />
Mit der Uhrenmanufaktur Ulysse Nardin<br />
zum Beispiel, an der ich 20% des Kapitals<br />
besitze, stellen wir komplizierte<br />
mechanische Uhren her. Das gefällt mir<br />
und macht Sinn.<br />
Ihnen scheint alles zu gelingen. Mussten Sie<br />
auch schon Misserfolge wegstecken?<br />
Viele. Nehmen Sie meinen letzten Film.<br />
Der Dreh hat mir einen Riesenspass ge-<br />
<strong>Finanz</strong> und <strong>Wirtschaft</strong> LUXE | 99