Download PDF (1.2 MB) - Schweizerischer Burgenverein
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17: Bettingen BS – Chrischonakirche. Die Gräber sind fächerförmig um den hochgotischen Altar angeordnet,<br />
der bei B auf dem Scheitel des romanischen Rundchores stand. Der spätgotische Chor von 1509 zieht darüber<br />
hinweg; beim Altar der im Text erwähnte Messpflock A (vgl. Abb. 19).<br />
des zentralen Messpflockes entdeckt,<br />
von dem die ganze Vermessung<br />
des Chores von 1509 ausgegangen<br />
ist (Abb.17).<br />
Ich erlaube mir, den Absteckvorgang<br />
in ein übergeordnetes Geschehen<br />
einzubauen, ihn gleichsam liturgisch<br />
in Szene zu setzen, denn<br />
nur aus diesem Blickwinkel erwächst<br />
das Erkennen dafür, was das<br />
Wesen dieser Architektur ist.<br />
Wahl des Ortes<br />
Die Wahl des Ortes, gemeinhin<br />
genius loci genannt, wird eindrücklich<br />
beschrieben in der Jakobs-<br />
Geschichte (1. Moses 28):<br />
«11. Und kam an einen Ort, da blieb<br />
er über Nacht; ... und er nahm einen<br />
Stein des Ortes und legte ihn zu seinen<br />
Häupten und legte sich an dem Ort<br />
schlafen.<br />
12. Und ihm träumte: und siehe, eine<br />
Leiter stand auf der Erde, die rührte mit<br />
der Spitze an den Himmel. Und siehe,<br />
die Engel Gottes stiegen daran auf und<br />
nieder.<br />
13. Und der Herr stand oben darauf ...<br />
16. Da nun Jakob von seinem Schlaf<br />
aufwachte, sprach er: Gewiss ist der<br />
Herr an diesem Ort, und ich wusste es<br />
nicht.<br />
17. Und fürchtete sich und sprach: Wie<br />
heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts<br />
anderes denn Gottes Haus und hier die<br />
Pforte des Himmels.<br />
18. Und Jakob stand des Morgens früh<br />
auf und nahm den Stein, der zu seinen<br />
Häupten gelegen hatte, und richtete ihn<br />
auf zu einem Mal und goss Öl oben<br />
drauf.<br />
19. Und hiess die Stätte BETH-EL<br />
(Haus Gottes), zuvor aber hiess die<br />
Stadt Lus.»<br />
Beredter als der Mosaner Psalter aus<br />
dem 12. Jahrhundert könnte man<br />
das Geschehen nicht schildern<br />
(Abb. 18): Das entscheidende Erlebnis<br />
vollzieht sich traumhaft im<br />
Schlaf. Der Berührungspunkt zur<br />
göttlichen Welt ist der Scheitel, der<br />
ja existenziell gesehen nichts anderes<br />
ist als Zenit und Pol.<br />
Bei aufrechter Haltung versinnbildlicht<br />
der Scheitel einerseits<br />
die «Selbst-Ständigkeit» des Menschen,<br />
als Pol zugleich aber auch die<br />
freie Wahl der Wegrichtung. In der<br />
horizontalen Lage des Schlafes hingegen<br />
wird der Scheitel zum elementaren<br />
Richtungsweiser.<br />
Hinter der Leiter entrollt sich wie<br />
ein Teppichläufer ein Wellenband.<br />
Es trennt nicht nur die beiden Bildinhalte,<br />
sondern umschliesst auch<br />
das Haupt des Träumers. Ein Strahlenbündel<br />
fasst die Folgeszene zusammen:<br />
Der mittlere Strahl steht<br />
senkrecht über dem Altar, dem aufgerichteten<br />
Stein; ein zweiter zeichnet<br />
Jakob aus; über den dritten ergiesst<br />
sich der göttliche Segen aus<br />
dem Ölkrug als Weiheakt über den<br />
Altar, eine Metapher zum Schriftband<br />
in der Hand Gottes.<br />
Den Stifter des Neubaus der Chrischonakirche<br />
kennen wir nicht 18 .<br />
Auslöser war hier wohl ein Grund-<br />
8<br />
strom allgemeiner Frömmigkeit<br />
nach der Auffindung des Grabes der<br />
Heiligen durch Kardinallegat Perandi.<br />
Das Einschlagen des Messpflockes<br />
(Abb. 19) war aber sicherlich<br />
von feierlichen Zeremonien begleitet<br />
(vgl. Kasten �).<br />
Orientierung des Kultbaus<br />
Hierbei geht es um die Einordnung<br />
ins allgemeine kosmische Geschehen.<br />
Sie vollzieht sich über die Senkelschnur,<br />
lateinisch regula oder<br />
18: Darstellung des Traumerlebnisses des flüchtigen<br />
Jakob. Psalterfragment des 12. Jh.s.<br />
19: Bettingen BS – Chrischonakirche. Abdruck<br />
des Messpflockes unter dem Altar. Ringsum die Keilsteine.