Download PDF (1.2 MB) - Schweizerischer Burgenverein
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8: Riehen BS – Maienbühl. Römerzeitliches Mauergeviert,<br />
wohl Teil eines gallorömischen Vierecktempels.<br />
Seine Proportionen bauen auf einem gleichseitigen<br />
Dreieck auf 9 .<br />
9: Die Umkehrung des gleichseitigen Dreiecks ergibt<br />
ein Rechteck mit rechten Winkeln und dem Seitenverhältnis<br />
1:��3/2. Die Seitenmitten (*) werden zu<br />
Kontrollpunkten des Schnurgerüstes.<br />
Die Anfänge der Schnurvermessung<br />
oder der Einstieg<br />
in die Ordometrie<br />
Ausgelöst wurde die Betrachtung<br />
über die Schnurvermessung durch<br />
den schlichten Grabungsbefund auf<br />
dem Maienbühl in der Gemeinde<br />
Riehen (BS). Zutage kam ein rechteckiges<br />
Mauergeviert aus römischer<br />
Zeit (Abb. 8) 9 .<br />
Die Längsseite stand zur Schmalseite<br />
im Verhältnis 1 zu ��3/2, d.h.,<br />
das Rechteck baute auf einem<br />
gleichseitigen Dreieck auf. So weit<br />
so gut. Nur beantwortet diese Feststellung<br />
die Frage «warum» nicht.<br />
Die Antwort war verblüffend<br />
einfach: «Nehmt drei gleichlange<br />
Schnüre und knotet ihre Enden zusammen.»<br />
Die Anregung kam vom<br />
Mathematiker E. Batschelet (Washington).<br />
Diese geometrische Urform<br />
erbringt nicht nur geregelte<br />
Winkel-, sondern auch klare Sei-<br />
tenverhältnisse. Das gleichseitige<br />
Dreieck darf als die stabilste geometrische<br />
Grundform bezeichnet<br />
werden. Das Beispiel stellt zudem<br />
klar, dass sich mit Schnüren durchaus<br />
Winkel von bestimmter Grösse<br />
im Gelände ohne andere Hilfsmittel<br />
aufgerüsten lassen 10 . Mit diesem<br />
Tipp war das Thema Schnurvermessung<br />
eingeleitet.<br />
Die drei Schnüre lassen sich durch<br />
Falten mühelos halbieren und mit<br />
Laufmaschen markieren. Diese<br />
Markierungen erlauben es, das<br />
Dreieck umzukehren und auf diese<br />
Weise ein Rechteck abzustecken<br />
(Abb. 9).<br />
Zugleich stellte sich aber auch eine<br />
weitere Beobachtung ein, nämlich<br />
dass die Vernetzung des Schnurgerüstes<br />
ohne besonderes Dazutun<br />
eine Binnengliederung des Rechteckes<br />
mit sich bringt (Abb. 10).<br />
In den ersten Darstellungen 11 sah<br />
ich darin so etwas wie «Binnengeometrie».<br />
Als sachgerechter erscheint<br />
mir heute der Ausdruck<br />
Ordometrie, denn es geht nicht ums<br />
Erfassen einer vorgegebenen Grösse<br />
– wie der Begriff Geometrie besagt<br />
–, sondern um die Selbstentfaltung<br />
einer inneren Ordnung, die ihre eigenen<br />
Wege geht.<br />
Ordo und ordometrische �<br />
Vermessung<br />
Das zu ordo gehörende Verb ordior gehört<br />
in die Familie der Deponentia. Seine Endung<br />
auf -or verleiht ihm nach aussen hin<br />
passive Gestalt; es wird aber im aktiven<br />
Sinn «ich beginne, ich zettle an» gebraucht.<br />
Hinter diesen Deponentia verbirgt<br />
sich die scharfe Beobachtung, dass<br />
jegliches Tun – wie das Aufspannen des<br />
Zettels auf dem Webstuhl – letztlich auch<br />
den Menschen in diesem Sinne formt, eben<br />
im Sinn von «ordnen».<br />
3<br />
10: Ordometrische Darstellung des Maienbühl-<br />
Schemas. Die Bezugslinien erbringen eine laufend<br />
sich verfeinernde Binnenteilung.<br />
Dem Begriff Ordometrie liegt die<br />
Vorstellung des ordo, des Zettelbespanns<br />
beim Webstuhl, zugrunde<br />
(vgl. Kasten �). Entsprechend<br />
fasst sie ein Rechteck und vorab das<br />
Das Partizip orsus substantiviert erneut<br />
zu orsa, orsorum mit der Bedeutung «das<br />
Beginnen», darüber hinaus aber mit dem<br />
Gehalt «Wörter», wohl im Sinn von «Artikulation».<br />
Die ordometrische Teilung bleibt dank<br />
ihrer Elastizität auch im unregelmässigen<br />
Viereck erhalten. Die Werte scheinen verzerrt<br />
zu sein, lösen sich aber in der Parallele<br />
zur Horizontlinie wieder auf. Die Verzerrung<br />
ist nur scheinbar; sie entspricht<br />
der perspektivischen Verschiebung.