Richtig lesen lernen - Schritt für Schritt
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Richtig lesen lernen - Schritt für Schritt
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1. Buchstabieren<br />
Die erste Technik des Lesens, die Kinder <strong>lernen</strong>,<br />
ist das buchstabenweise Erschließen eines<br />
Wortes (Wörter er<strong>lesen</strong>, siehe 1. <strong>Schritt</strong>).<br />
Dieser <strong>Schritt</strong> ist notwendig, um ein Denkgerüst<br />
aufzubauen, wie Einzelbuchstaben in eine<br />
verbundene Lautfolge übertragen werden<br />
können.<br />
Wie sie an der Leseaufgabe im 1. Kapitel sehen<br />
konnten brauchen wir nicht alle Buchstaben<br />
eines Wortes, um den Sinn zu erfassen.<br />
„Bau...lle“ kann nur „Baustelle“ heißen<br />
und „ .utte..ag“ nur Muttertag. Je mehr<br />
ein Kind in der Lage ist, sinnerwartend zu <strong>lesen</strong>,<br />
desto weniger Buchstaben eines Wortes<br />
braucht es, um den Sinn des Wortes treffend<br />
zu erfassen.<br />
Natürlich kann es bei schnellem Lesen zu<br />
„Verlesungen“ kommen. Dies ist insbesondere<br />
bei kurzen Wörtern der Fall. Ob der Wortanfang<br />
„ Om “ „Omi“ oder „Oma“ heißt ist <strong>für</strong><br />
das Verständnis des Textes völlig unerheblich.<br />
Es kommt beim schnellen Lesen zwar zu<br />
„Verlesungen“, allerdings sind es selten sinnentstellende<br />
Verlesungen.<br />
2. Vokalisieren<br />
Für das flüssige Lesen ist das (laute oder leise)<br />
Mitsprechen ein besonderes Handicap<br />
(siehe <strong>Schritt</strong> 4). Unser Denken ist viel<br />
schneller als die langsame motorische Bewegung<br />
der Sprechwerkzeuge. Und auch unsere<br />
Augen können in einem Bruchteil einer Sekunde<br />
viel mehr erfassen als wir in der zehnfachen<br />
Zeit beschreiben könnten.<br />
Experiment:<br />
Probieren Sie es selbst aus. Gehen Sie<br />
spazieren. Schließen Sie die Augen. Drehen<br />
Sie sich um. Nun öffnen Sie <strong>für</strong> den<br />
Bruchteil einer Sekunde die Augen. Beschreiben<br />
Sie, was sie gesehen haben. –<br />
Sie werden mehrere Minuten brauchen,<br />
um alle Eindrücke dieses kurzen Augenblicks<br />
in Worte zu fassen.<br />
Solange wir innerlich mitsprechen, ist kein<br />
schnelles Lesen möglich. Dies zu trainieren ist<br />
mit das Schwierigste im Leselernprozess.<br />
3. Langsames Lesen<br />
Noch einmal: unser Geist ist schneller als unser<br />
Sprechen. Wir <strong>lesen</strong> so schnell, wie wir<br />
(laut oder stumm) unsere Sprechwerkzeuge<br />
bewegen können. Bei diesem langsamen Tempo<br />
ist unser Gehirn jedoch nicht ausgelastet –<br />
sammenstellung brauchbarer Übungen <strong>für</strong> leistungsstarke<br />
Kinder in der Grundschule und <strong>für</strong> weiterführende<br />
Schulen wird demnächst in dieser Materialreihe<br />
erscheinen.<br />
es langweilt sich. Und was macht es? Weil es<br />
gelangweilt ist, beschäftigt es sich mit anderen<br />
Dingen. Wir schweifen mit den Gedanken<br />
ab. Die Konsequenz: Wir bekommen nicht<br />
mehr genau mit, was wir <strong>lesen</strong>.<br />
Beobachtung:<br />
Stellen Sie sich vor, Sie würden einen<br />
spannenden Film ansehen. Doch dieser<br />
Film läuft nicht in normaler Geschwindigkeit,<br />
sondern im Zeitlupentempo.<br />
Können Sie da noch bei der Sache bleiben?<br />
Wenn unser Gehirn unterfordert ist,<br />
schalten wir ab. Beim Fernsehapparat<br />
gelegentlich auch um.<br />
Langsames Lesen führt zur Langeweile. Unser<br />
Gehirn beschäftigt sich mit anderen Dingen.<br />
Die Aufmerksamkeit und Konzentration<br />
geht verloren. Die Beibehaltung der Konzentration<br />
(und damit Sinnentnahme) ist um so<br />
schwieriger, je langsamer wir <strong>lesen</strong>. Wenn wir<br />
uns beim Lesen konzentrieren wollen, so<br />
müssen wir die Lesegeschwindigkeit steigern!<br />
4. Zurückspringen<br />
Beim langsamen Lesen schweifen wir mit den<br />
Gedanken ab, weil unser Gehirn beschäftigt<br />
sein will. Irgendwann merken wir, dass wir<br />
zwar <strong>lesen</strong>, aber gar nichts aufnehmen. Also<br />
gehen wir an die Stelle zurück, an die wir uns<br />
noch erinnern können. Damit geht viel Zeit<br />
verloren. Schnelleres Lesen schafft hier Abhilfe.<br />
Das ist am Anfang, wenn wir beginnen<br />
schnell Lesen zu <strong>lernen</strong>, ein Problem. Wenn<br />
ich merke, dass die Aufmerksamkeit verloren<br />
geht und meine Gedanken abschweifen, zwinge<br />
ich mich zu schnellerem Lesen. In dieser<br />
Phase des Leselernprozesses hat ausnahmsweise<br />
einmal das Lesetempo Vorrang vor der<br />
Sinnentnahme. Nur nicht Zurückspringen!<br />
Diese schlechte Angewohnheit muss zunächst<br />
abgebaut werden. Dann führt das schnelle<br />
Lesen ganz schnell wieder zu einer hohen<br />
Konzentration und damit zu verstärkter<br />
Sinnentnahme.<br />
5. Hilfsmittel<br />
Beim buchstabenweisen Lesen und beim Silben<strong>lesen</strong><br />
benutzen wir den Lesepfeil. Manche<br />
Kinder benutzen einen Finger, ein Lineal oder<br />
einen Stift, um sich im Text zu orientieren,<br />
die Wörter zu verfolgen oder die Zeile nicht<br />
aus den Augen zu verlieren. Die Benutzung<br />
solcher Hilfsmittel ist am Anfang des Leselernprozesses<br />
ganz nützlich. Für das schnelle<br />
Lesen sind sie jedoch recht hinderlich. Unsere<br />
Augen arbeiten unvergleichlich schneller als<br />
unsere Hand. Sie können viel mehr erfassen,<br />
als der Lesepfeil „freigibt“. Bei konzentriertem<br />
schnellem Lesen ist unser Auge sehr wohl<br />
in der Lage, von Wort zu Wort, von Satzteil zu<br />
© Norbert Sommer-Stumpenhorst <strong>Richtig</strong> Lesen <strong>lernen</strong> – <strong>Schritt</strong> <strong>für</strong> <strong>Schritt</strong> LE02 / 11