Richtig lesen lernen - Schritt für Schritt
Richtig lesen lernen - Schritt für Schritt
Richtig lesen lernen - Schritt für Schritt
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
zu verbinden. Als Plosivlaute bezeichnen wir jene<br />
Laute, die keinen eigenen Klang erzeugen wie<br />
beispielsweise , , , und , sowie<br />
Laute, die am Anfang hart gesprochen werden,<br />
wie beispielsweise , . Ein Plosiv wird<br />
durch zwei Phasen gebildet: Einen Verschluss<br />
und dessen Lösung mit einem Plosivgeräusch<br />
(daher auch Verschlusslaut oder Sprenglaut). In<br />
bestimmten phonetischen Umfeldern kann der<br />
eine oder andere Teil fehlen 9 . Dieser „Verschluss“<br />
bedingt die kurze Pause vor dem Laut.<br />
Daher können Plosiva nie mit dem vorhergehenden<br />
Laut verbunden werden.<br />
In der Abbildung können Sie erkennen, dass<br />
beim Sprechen vor und nach dem Plosivlaut <br />
eine Sprechlücke von jeweils 100 Millisekunden<br />
entsteht. Wir nehmen diese Lücke nicht mehr<br />
wahr, weil unser Gehirn diese Lücke als verbunden<br />
interpretiert. Für Kinder ist dies jedoch ganz<br />
anders. Im Leselernprozess versuchen sie, Laute<br />
miteinander zu verbinden, die gar nicht miteinander<br />
verbunden werden können. Sie suchen<br />
nach einer Lösung <strong>für</strong> ein Problem, das nicht zu<br />
lösen ist.<br />
Das ist der Hintergrund <strong>für</strong> viele Leseschwierigkeiten,<br />
die insbesondere bei fibelorientierten<br />
Lehrgängen auftreten. Bei den meisten Fibeln<br />
werden beispielsweise die Buchstaben „t“ und „k“<br />
schon sehr früh eingeführt, da sie <strong>für</strong> das Lesen<br />
„sinnvoller Texte“ gebraucht werden. Und genau<br />
hierdurch entsteht das Problem. Die Kinder sollen<br />
Wörter mit Plosivlauten „er<strong>lesen</strong>“, also Laut<br />
<strong>für</strong> Laut „zusammenschleifen“. Das ist jedoch gar<br />
nicht möglich. Gerade weil Fibeln sehr früh<br />
schon nicht verbindbare Laute einführen, erweisen<br />
sie sich <strong>für</strong> den Leselernprozess als ein Lese-<br />
Lern-Verhinderungs-Instrument.<br />
Hier hat REICHEN recht, wenn er fordert, diese<br />
fibelorientierten Leseübungen besser zu unterlassen,<br />
als Kinder systematisch auf falsche Fährten<br />
zu locken. Lautsynthese ist keine zu er<strong>lernen</strong>de<br />
Technik, sondern ein Denkgerüst. Das<br />
Gehirn muss Laute, die nicht zu verbinden sind,<br />
als verbunden interpretieren. Darin besteht der<br />
Trick der Lautsynthese. Und hier stimme ich<br />
REICHEN nicht zu. Dies ist durchaus zu üben –<br />
und zwar in recht kurzer Zeit.<br />
Kinder können, wenn sie in die Schule kommen,<br />
sprechen. Sie sind also in der Lage, Lautfolgen<br />
zu bilden also Laute miteinander zu verbinden.<br />
Diese Aufgabe erledigt das sensorische Sprachzentrum<br />
(siehe hierzu die Abb. auf Seite 2). Diese<br />
bestehende Kompetenz muss nun erweitert werden.<br />
Dabei entsteht beim Lesen ein Problem. Das<br />
„Lesezentrum“ (gyrus angularis) überträgt<br />
Schriftzeichen in Laute, liefert dem sensorischen<br />
Sprachzentrum also Einzellaute, aus dem nun<br />
ein Wort geformt werden muss. Das Gehirn muss<br />
nun <strong>lernen</strong>, dass nicht nur Wörter aus einer fes-<br />
9 nach W. BARRY, Logox, Bochum 1997<br />
ten Lautfolge bestehen (Ausgangspunkt ist hier<br />
die Wortbedeutung), sondern auch einzelne Laute<br />
(Ausgangspunkt sind hier aneinander gereihte<br />
Schriftzeichen) zu diesem Klangergebnis geführt<br />
werden können.<br />
Am leichtesten gelingt dies, wenn wir die Kinder<br />
zunächst Wörter <strong>lesen</strong> lassen, die aus Vokalen<br />
und Dauerkonsonanten (also selbst klingenden<br />
Konsonanten) zusammengesetzt sind. Diese Laute<br />
können fließende Übergänge bilden, da der<br />
Klang des Lautes (Vokale und Dauerkonsonanten)<br />
angehalten werden kann. An solchen Wörtern<br />
kann das Kind (sein Gehirn) <strong>lernen</strong>, dass<br />
der Übergang von einem Laut zum nächsten<br />
beim Lesen zum gleichen Ergebnis führt wie<br />
beim Sprechen.<br />
Die Aufgabe, die wir den Kindern stellen ist folgende:<br />
� Wir decken das Wort bis auf die ersten beiden<br />
Buchstaben mit dem Lesepfeil ab. Das<br />
Kind spricht die dazugehörenden Laute (Beispiel:<br />
Bei dem Wort „<strong>lesen</strong>“ decken wir nur<br />
„le“ auf.<br />
l e s e n<br />
� Das Kind spricht die dazugehörenden Laute<br />
( ) und hält den Klang des letzten<br />
Lautes an, bis der nächste Buchstabe ()<br />
aufgedeckt wird. Nun spricht es den nächsten<br />
Laut.<br />
� Wichtig ist, dass das Kind den Lesepfeil<br />
selbst führt. So unterstützt die fließende Bewegung<br />
der Hand auch den fließenden Übergang<br />
von Laut zu Laut.<br />
� Nachdem das Kind Laut <strong>für</strong> Laut ein Wort<br />
er<strong>lesen</strong> hat sollte es anschließend immer das<br />
Wort noch einmal als ganzes (in normaler<br />
Sprache) wiederholen. Nur so werden dem<br />
ge<strong>lesen</strong>en Wort auch Bedeutungen beigeordnet,<br />
das Lesen also immer zugleich auch auf<br />
die Sinnentnahme gelenkt. Wird dieser wichtige<br />
<strong>Schritt</strong> übergangen, perfektionieren die<br />
Kinder häufig nur eine Lesetechnik und <strong>lesen</strong><br />
später, ohne zu wissen, was sie gerade<br />
ge<strong>lesen</strong> haben.<br />
Anhand der verbindbaren Laute lernt das Gehirn<br />
des Kindes, was es beim Lesen tun soll. Damit<br />
wird es in die Lage versetzt, auch bei anderen<br />
(nicht verbindbaren Lauten) so zu tun, als ob sie<br />
verbunden wären. Und genau darin besteht die<br />
Kunst der Lautsynthese.<br />
Ich habe einen Wortschatz von ca. 15000 Wörtern<br />
nach solchen Wörtern durchsucht, die nur<br />
aus Vokalen, Diphthongen und Dauerkonsonanten<br />
bestehen. Lediglich 250 brauchbare Wörter<br />
(Grundformen) blieben hierbei übrig und nur<br />
© Norbert Sommer-Stumpenhorst <strong>Richtig</strong> Lesen <strong>lernen</strong> – <strong>Schritt</strong> <strong>für</strong> <strong>Schritt</strong> LE02 / 5