Carl Hartwich - Naturforschende Gesellschaft in Zürich NGZH

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Während sich das Opium in Deutschland und Frankreich 1 ) ziemlich gleichmässig
verteilt, vor allen Dingen auch Frauen und Kinder am Gebrauch partizipieren, ist das
in China anders. Wir dürfen hier diejenige Menge, die arzneilich verwendet wird,
vernachlässigen und sagen, dass an dem Verbrauch des Opiums die Kinder
unbeteiligt bleiben, ferner zum allergrössten Teil auch die Frauen und dass ferner
ausgedehnte Strecken des ungeheuren Reiches von der Opiumseuche unberührt
geblieben sind. Um so schlimmer muss sie natürlich in anderen Gegenden sein. In
der Provinz Sze-tschuan sollen 60 % der Männer Opiumraucher sein. Ich verzichte
auf die weitere Mitteilung von Einzelheiten, da dieselben, oft tendenziös gefärbt,
nicht ganz zuverlässig erscheinen, ich denke auch, dass die mitgeteilten Zahlen
deutlich sprechen. Am meisten wird geraucht in denjenigen Gegenden, die es selbst
produzieren.
Ich habe mich bemüht, über diese ganzen Dinge möglichst objektiv zu berichten
und Zahlen, die ich für zuverlässig halte, mitzuteilen; ich habe mich sorgfältig
gehütet, die Farben etwas stark aufzutragen, um das Urteil nicht zu beeinflussen.
— Es ist ja bekannt, dass über den indo-chinesischen Opiumhandel
ausserordentlich viel geschrieben ist und dass über seine moralische Berechtigung
die entgegengesetztesten Stimmen laut geworden sind. Während man ihn von der
einen Seite angesehen wissen wollte als ein Geschäft wie jedes andere, an dem kein
Makel haftet, ist es von der andern Seite als die grösste Schande unseres
Jahrhunderts hingestellt und den Engländern vorgeworfen, dass sie aus rücksichtslosester
Geldgier die eigenen Unterthanen in Indien ausbeuten, indem sie sie zum
Mohnbau für niederen Lohn zwingen und das Opium den widerstrebenden Chinesen
schliesslich mit Waffengewalt aufgezwungen haben. Man hat den Opiumhandel als
einen breiten Schmutzfleck auf der stolzen Flagge Albions bezeichnet.
Allerdings wird man sagen müssen, dass auch die nachsichtigste Beurteilung
nicht behaupten kann, dass England mit reinen Händen aus diesem Handel hervorgeht;
indessen liegt die Sache in einem Punkt nicht so schlimm, wie man oft
behauptet. Man wird der englisch-ostindischen Kompagnie keinen grossen Vorwurf
machen, dass sie um die Mitte des vorigen Jahrhunderts das Opium- geschäft dessen
Anfänge sie vorfand, aufnahm und kräftig entwickelte. Das geschah zu einer Zeit, wo
die Leibeigenschaft gang und gäbe war, wo die europäischen Mächte die Sklaverei
auf ihren fremden Besitzungen als etwas Selbstverständliches betrachteten, wo
deutsche Fürsten ihre Unterthanen für fremde Kriegszwecke verkauften, wo die
Begriffe der Moral mit einem Wort von den jetzt geltenden noch recht abweichende
waren.
Ein anderes Gesicht gewinnt aber die Sache im Laufe der Zeit, wo China sich
mit allen Kräften gegen die Einführung des Opium sträubt und sie bei
Neujahrsblatt d. Naturf. Ges. Zürich auf 1898.
1 Abgesehen von Morphiumsüchtigen, deren Verbrauch sich aber nicht schätzen lässt.