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Neujahrsblatt - Naturforschende Gesellschaft in Zürich NGZH

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<strong>Neujahrsblatt</strong><br />

herausgegeben von der<br />

<strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong><br />

auf das Jahr 19 38<br />

140. Stück<br />

DER SCHWEIZERFÖHN<br />

VON<br />

EMIL WALTER (<strong>Zürich</strong>)<br />

Mit 39 Abbildungen im Text.<br />

G eb r. Fr etz A.G., Z ür ic h


DER SCHWEIZERFÖHN<br />

VON<br />

EMIL WALTER (<strong>Zürich</strong>).<br />

Mit 39 Abbildungen im Text.<br />

<strong>Neujahrsblatt</strong> der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong><br />

auf das Jahr 1938.<br />

140. Stück.<br />

1938<br />

<strong>Neujahrsblatt</strong> <strong>in</strong> Kommission beim Verlag Gebr. Fretz A.G., <strong>Zürich</strong>.


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort Seite<br />

1. Kapitel: Eigenschaften und Wirkungen des Föhnw<strong>in</strong>des 3<br />

2. Kapitel: Aus der Geschichte der Föhntheorie 7<br />

3. Kapitel: Föhnlagen im ersten Halbjahr 1937 12<br />

4. Kapitel: Der Alpentalföhn vom 9./10. November 1934. 19<br />

5. Kapitel: Der Föhnsturm vom 20./21. Mai 1937 22<br />

6. Kapitel: Saharastaub über der Schweiz 27<br />

7. Kapitel: Nochmals Geschichte der Föhntheorie 30<br />

8. Kapitel: Die Föhnströmung 36


Vorwort<br />

Die vorliegende Studie über den schweizerischen Alpenföhn, die ich me<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dern Hansjörg, Mario und<br />

Monica widme, versucht <strong>in</strong> möglichst leicht fasslicher Form <strong>in</strong> das Verständnis der Föhnersche<strong>in</strong>ungen im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>er Physik der Atmosphäre unter Berücksichtigung der modernen Literatur e<strong>in</strong>zuführen. Aus Raumgründen<br />

verzichten wir auf e<strong>in</strong> besonderes Literaturverzeichnis. Dies kann um so leichter geschehen, als bis zum Jahre 1926<br />

e<strong>in</strong> nahezu voll-ständiges Literaturverzeichnis über «Föhn nord- und südwärts der Alpen» im Faszikel 1V4 der<br />

«Bibliographie der schweizerischen Landeskunde» unter dem Titel «Klimatologie» von Dr. R. B. Billwiller (Bern<br />

1927) vorliegt. Im übrigen geben wir die notwendigen Literaturh<strong>in</strong>weise <strong>in</strong> Fussnoten, soweit diese wie auch der<br />

Text aus Raumgründen nicht gekürzt werden mussten.<br />

Es wäre uns nicht möglich gewesen, ohne weitgehendste Unterstützung durch die Beamten der Schweizerischen<br />

Meteorologischen Zentralanstalt unsere Arbeit <strong>in</strong>nert nützlicher Frist abzuschliessen. Direktor Dr. P. L.<br />

Merganton danken wir für die Erlaubnis, die Bibliothek der Zentralanstalt benützen zu dürfen, der Bibliothekar<strong>in</strong><br />

Frl. E. Ste<strong>in</strong>er für den Eifer, mit dem sie unseren Bibliothekwünschen entgegenkam, Dr. J. Maurer, Dr. R. Billwiller,<br />

Ing. Grütter und Utt<strong>in</strong>ger für die wertvollen W<strong>in</strong>ke, mit denen sie uns bereitwillig an die Hand gegangen s<strong>in</strong>d. Nicht<br />

ger<strong>in</strong>gen Dank schulden wir auch jenen Herren und Institutionen, die uns entgegenkommenderweise<br />

meteorologisches Beobachtungsmaterial zur Verfügung stellten. Wir haben sie jeweilen an der entsprechenden<br />

Stelle im Text erwähnt. Zu guter Letzt möchten wir auch dem Redaktor der Vierteljahrsschrift der <strong>Naturforschende</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong>, Prof. Dr. Hans Sch<strong>in</strong>z für die moralische Unterstützung danken, die er der vorliegenden Arbeit<br />

angedeihen liess. Der Verfasser<br />

1. KAPITEL<br />

Eigenschaften und Wirkungen des Föhnw<strong>in</strong>des<br />

In den schweizerischen Alpentälern tritt vom Herbst bis zum Frühjahr, seltener im Sommer, e<strong>in</strong><br />

eigentümlicher, warmer und trockener Südw<strong>in</strong>d, der sogenannte F ö h n auf, dessen Eigenschaften schon gegen die<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts das Interesse der Naturforscher erregten. Es ist nicht leicht, festzustellen, seit welchem<br />

Zeitpunkt der Föhn als e<strong>in</strong>e besondere W<strong>in</strong>dart erkannt und dementsprechend benannt wurde. Vielleicht bedeutete<br />

«die fön» zunächst nichts anderes als die südliche Himmelsrichtung. Wenigstens kann so e<strong>in</strong> im schweizerischen<br />

Idiotikon angeführtes Zitat aus dem Jahre 1489 aufgefasst werden: «Die Stadt <strong>Zürich</strong> liegt gegen der pfön an e<strong>in</strong>em<br />

See». Auch TSCHUDI schrieb 1606: «Da kam e<strong>in</strong> starker W<strong>in</strong>d von Mittag her, den wir Fön oder Südw<strong>in</strong>d<br />

nannten» 1 . Wahrsche<strong>in</strong>lich leitet sich das Wort Föhn von der late<strong>in</strong>ischen Bezeichnung des Westw<strong>in</strong>des «favonius»<br />

(Churwälsch: «favougn», «favoign», «fuagn»; welschschweizerisch: «foé», «foën», tess<strong>in</strong>isch: «fogn»;<br />

althochdeutsch wahrsche<strong>in</strong>lich: «der fonno» oder «die fonna») ab.<br />

Die Dialektausdrücke s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>heitlich. «Fön» sagt man im Prättigau (auch Pfön), <strong>in</strong> der<br />

Innerschweiz <strong>in</strong> den Kantonen Luzern, Uri, Schwyz und Unterwalden, sowie im Oberwallis; «Föne» im Saviental<br />

und im Guggisberg; «Fö» im Kanton Schaffhausen und im Gasterland; «Fü» im Aversertal, im Kanton Glarus (hier<br />

auch «Fön», «Fün», «Funa») und im Berner Oberland; «Pfön» im Appenzell und im Rhe<strong>in</strong>waldtal.<br />

Merkwürdigerweise ist der «Föhn» nicht<br />

1 Ähnlich H. E. Escher 1692: «. . . der Mittagw<strong>in</strong>d, die Föhn genennet.» Erst im 19.Jahrhundert setzte sich der männliche Artikel<br />

durch; J. J. Scheuchzer spricht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er «Helvetiae Historia Naturalis» durchgehend von «die Föhn» oder «Mittagw<strong>in</strong>d» und<br />

«ihren» Eigenschaften.


- 4 -<br />

Abb. 1. Föhnstimmung bei Thalwil. Der Föhn hat vor der Glärniscbgruppe e<strong>in</strong> «Föhnfenster»<br />

erzeugt, über dem <strong>Zürich</strong>see lagert an den Nebelstreifen erkennbare Kaltluft (Photo Gaberell,<br />

Thalwil).<br />

überall e<strong>in</strong> Südw<strong>in</strong>d: In Luzern und <strong>in</strong><br />

Unterwalden weht zwar der «Haslifön»<br />

aus südöstlicher Richtung, aber im Kanton<br />

Bern, im luzernischen Entlebuch und <strong>in</strong><br />

Teilen von Graubünden ist der «Heiterfön»<br />

e<strong>in</strong> helle Witterung herbeiführender<br />

Nordostw<strong>in</strong>d und <strong>in</strong> der March der<br />

«Westfön» e<strong>in</strong> Westw<strong>in</strong>d. In der<br />

Innerschweiz und im Kanton Glarus<br />

unterscheidet man den<br />

südlichen «Heiterfön» vom «Timmerfön», der die Luft trübt und Regen mitbr<strong>in</strong>gt. Es würde zu weit führen, wollten<br />

wir auch noch andere lokale Bezeichnungen erwähnen, wie z.B. die im Gr<strong>in</strong>delwaldtal übliche, wo, je nachdem ob<br />

der Föhn-w<strong>in</strong>d über die kle<strong>in</strong>e Scheidegg oder die Gletscherlücke oder das Lauteraarjoch e<strong>in</strong>fällt, vom «Eigerföhn»,<br />

«Viescherföhn» oder «Gletscherföhn» gesprochen wird 2 .<br />

Im 18. und zu Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts mehren sich die literarischen Zeugnisse über die Föhnw<strong>in</strong>de.<br />

Schon der zürcherische Naturforscher J. J. Scheuchzer hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en «Schweizerreisen» immer wieder auf «die<br />

warme Fön oder Mittag-W<strong>in</strong>d» h<strong>in</strong>gewiesen, die oft <strong>in</strong> sturmartiger Form auftrete. «Ja es wehet allhier die Fön oder<br />

Mittagw<strong>in</strong>d zu Zeiten so ungestüm, dass sich alsdann niemand auf die See wagen darf, und man <strong>in</strong> dem Flecken Altdorf selbst,<br />

aus Obrigkeitlichem Befehl mit dem Feuer, welches zur Kochung der Speisen angezündet werden soll, sehr vorsichtig<br />

umzugehen hat». (4. Bergreise des Jahres 1705) 3 . An anderer Stelle beschreibt J. J. Scheuchzer «den starcken Fön -W<strong>in</strong>d, der im<br />

Oktober und November des 1705ten Jahres unsere Lande mit grossem erfolgendem Schaden durchwehet»: «Um die Mitte des<br />

Oktober hielte <strong>in</strong> den hohen Gebirgen und Tälern viel Tage nache<strong>in</strong>ander e<strong>in</strong> ungeme<strong>in</strong> starcker und warmer Fön- oder Mittag-<br />

W<strong>in</strong>d an, welcher im Glarnerland, Pündten, Urnerland und Liv<strong>in</strong>ertal sehr viele Dächer beschädigt, auch an hohen Orten ganz<br />

weggetragen... Auf diesen warmen und ungestümen Fönw<strong>in</strong>d... ist e<strong>in</strong> sehr starckes Regenwetter erfolget, und hat der Schnee<br />

aufs neue <strong>in</strong> den hohen Gebirgen zu schmeltzen angefangen, so dass theils von dem Regen, theils von dem geschmolzenen<br />

Schnee alle Wasser stark angeloffen, und hie und da merklichen Schaden verursachet». Scheuchzer erwähnt neben Wasserschaden<br />

im Kanton Glarus starke Überschwemmungen <strong>in</strong> der Poebene 4 .<br />

Auch <strong>in</strong> Fr. J. Hugis «Naturhistorische Alpenreise» wird der Föhn des Haslitales mehrfach 5 als e<strong>in</strong><br />

stürmischer W<strong>in</strong>d erwähnt, von dem man glaube, dass er von Italien herkomme.<br />

Dr. Oswald Heer unterschied <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>sam mit J. J. Blumer-Heer <strong>in</strong> der Sammlung «Gemälde der<br />

Schweiz» 1846 veröffentlichten Beschreibung des Kantons Glarus 6 den zahmen Fön oder Föhnenluft, den<br />

Dimmerföhn und den wilden Föhn: «Diese Föhnstürme s<strong>in</strong>d am heftigsten im H<strong>in</strong>terland, ja nicht selten ist <strong>in</strong> Glarus zu<br />

gleicher Zeit W<strong>in</strong>dstille oder Nordw<strong>in</strong>d, während im Sernftal und L<strong>in</strong>thal der Föhn die Täler durchheult; doch dr<strong>in</strong>gt er heftig bis<br />

<strong>in</strong>s Haupttal, bis Glarus, Mollis und auch weiter vor, sehr selten dagegen bis nach <strong>Zürich</strong> herunter, wo er übrigens se<strong>in</strong>e<br />

Heftigkeit grösstenteils verloren hat... Der wilde Föhn ersche<strong>in</strong>t auch im H<strong>in</strong>terlande glücklicherweise im Durchschnitt nur 10-12<br />

mal im Jahr... Noch sel-.<br />

2 Am obern Genfersee heisst der Föhnw<strong>in</strong>d «Vent du Valais» oder auch «Vaudaire» (abgeleitet von vallesaria Walliserw<strong>in</strong>d)<br />

3 Im Bericht über die 5. Bergreise erwähnt J. J. Scheuchzer den Zuger «Wetterföhn», der sehr schwere Ungewitter errege. Im<br />

Rhe<strong>in</strong>wald br<strong>in</strong>ge der Mittagw<strong>in</strong>d das Heu nicht zum Trocknen, wohl aber im benachbarten, tiefer liegenden Scharus: «Im<br />

Rhe<strong>in</strong>walde, e<strong>in</strong>em Thal <strong>in</strong> Pündten, . . . hat der Mittagw<strong>in</strong>d, welchen die E<strong>in</strong>wohner den Welschen See-W<strong>in</strong>d nennen, diese<br />

verwunderliche Eigenschaft, dass er das Heu, welches sonst Dürre halber e<strong>in</strong>gesammelt werden könnte, gantz feucht und weich<br />

machet, dass man es muss liegen lassen, obgleich sonsten der Himmel hell...; da man h<strong>in</strong>gegen an andern Orten unter dieses Fön-<br />

W<strong>in</strong>des Regierung das beste und dürrste Heu machen kann, als <strong>in</strong> der Schamser Landschaft, welche nicht weit von dem<br />

Rhe<strong>in</strong>walder Thal, aber tiefer liegt.» («Helv. Hist. Nat.», S.225.)<br />

4 «Helv. Hist. Nat.», S.215ff.<br />

5 Solothurn 1830. z. B. S.145 oder S.240.<br />

6 Wir s<strong>in</strong>d auf das schöne, aber bibliographisch selten gewordene Werk von Dr. Osw. Heer durch Dr. Streiff-Becker aufmerksam<br />

gemacht worden, wofür wir auch an dieser Stelle danken möchten.


- 5 -<br />

tener ist aber der Dimmerföhn. Die Temperatur<br />

ist dann auch <strong>in</strong> der Höhe schon am Morgen<br />

schwül, die Berge s<strong>in</strong>d ganz blau beleuchtet, über<br />

alles Land ist e<strong>in</strong> fe<strong>in</strong>er blasser Nebelschleier<br />

gezogen...» 7<br />

Die klassische, <strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong> breiter<br />

Volksschichten übergegangene Schilderung<br />

des Föhns, stammt aus der Feder<br />

von Friedrich Tschudy. In se<strong>in</strong>em<br />

«Thierleben der Alpenwelt» 8 bot er e<strong>in</strong>e<br />

farbenreiche Beschreibung der Eigenschaften<br />

und Wirkungen der Föhnw<strong>in</strong>de:<br />

«Im ganzen Bergrevier der Schweiz ist mit<br />

Ausnahme weniger Gebiete ke<strong>in</strong> W<strong>in</strong>d bekannter<br />

und von grossartigerer Wirkung als der F ö n, im<br />

Tess<strong>in</strong> F o g n genannt. Er ist nicht e<strong>in</strong> Lokalsondern<br />

e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er, europäischer oder<br />

vielmehr afrikanischer W<strong>in</strong>d. Wie die Quellen Abb. 2. Föhnwolken am Wetterhorn (Photo K. Egli, <strong>Zürich</strong>.)<br />

des kalten Nordw<strong>in</strong>des wahrsche<strong>in</strong>lich die<br />

Polareisgebiete, die der feuchten, regenbr<strong>in</strong>genden<br />

Westw<strong>in</strong>de der Atlantische Ozean, so s<strong>in</strong>d die der oft glühend heissen Südw<strong>in</strong>de (Fön) die brennenden Sandwüsten<br />

Afrikas ... Die atmosphärischen Ersche<strong>in</strong>ungen die ihn begleiten, s<strong>in</strong>d sehr hübsch. Am südlichen Horizont zeigt sich leichtes,<br />

sehr buntes Schleiergewölke, das sich an die Bergspitzen setzt. Die Sonne geht am stark geröteten Himmel bleich und glanzlos<br />

unter. Noch lange glühen die Wolken <strong>in</strong> den lebhaften Purpurt<strong>in</strong>ten. Die Nacht bleibt schwül, taulos, von e<strong>in</strong>zelnen kälteren<br />

Luftströmen strichförmig durchzogen. Der Mond hat e<strong>in</strong>en rötlichen, trüben Hof. Die Luft erhält den höchsten Grad von Klarheit<br />

und Durchsichtigkeit, sodass die Gebirge viel näher ersche<strong>in</strong>en; der H<strong>in</strong>tergrund nimmt bläulich violette Färbung an. Von fernher<br />

tönt das Rauschen der obern Wälder; die Bergbäche tosen mit grösserer Schmelzwasserfülle weith<strong>in</strong> durch die stille Nacht; e<strong>in</strong><br />

unruhiges Leben sche<strong>in</strong>t überall rege zu werden und dem Tale sich zu nähern. Mit e<strong>in</strong>igen heftigen Stössen, die besonders im<br />

W<strong>in</strong>ter, wo er ungeheure Schneefelder bestreicht, erst kalt und rauh s<strong>in</strong>d, kündet sich der angelangte Fön an, worauf plötzlich<br />

tiefe Stille der Lüfte folgt. Umso heftiger brechen die folgenden heissen Fönfluten <strong>in</strong>s Tal und schwellen oft zu rasenden<br />

Orkanen auf, die zwei bis drei Tage mit abwechselnder Gewalt die Region beherrschen, die ganze Natur <strong>in</strong> unendlichen Aufruhr<br />

versetzen, Bäume <strong>in</strong> die Tiefe schleudern, Felsstücke losreissen, die Waldbäche auffüllen, Häuser und Ställe abdecken und zum<br />

Schrecken des Landes werden. In den Talteilen, die der südlichen Bergmauer zunächst liegen, wütet er gewöhnlich am<br />

heftigsten, denn dort brechen die warmen Luftfluten am regellosesten und gewaltigsten here<strong>in</strong>.<br />

Auch die tierischen Organismen leiden unter dem E<strong>in</strong>fluss dieses W<strong>in</strong>des... Unruhig ziehen die Gemsen sich auf die Nordseite<br />

des Berges oder <strong>in</strong> tiefe Felsenkessel. Kühe, Pferde, Ziegen suchen mit Missbehagen nach frischer Luft, während der Fön ihnen<br />

Rachen und Lunge austrocknet. Ke<strong>in</strong> Vogel ist im Wald und Feld zu erblicken. Die Menschen teilen das allgeme<strong>in</strong>e Unbehagen,<br />

das beengend auf Nerven und Sehnen wirkt und dem Gemüte e<strong>in</strong>e lastende Bangigkeit aufdrängt Gleichzeitig wird sorgsam das<br />

Feuer des Herdes oder Ofens gelöscht. In vielen Tälern ziehen die «Feuerwachen» rasch von Haus zu Haus, um sich von jedem<br />

Auslöschen zu überzeugen, da bei der Ausdörrung alles Holzwerkes durch den W<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger verwahrloster Funke grosses<br />

Brandunglück stiften kann.<br />

Und doch, trotzdem dass der Fön gefährlicher als jeder andere W<strong>in</strong>d des Gebirges ist, wird er im Frühl<strong>in</strong>g mit Freuden begrüsst. .<br />

. Er ist der rechte Lenzbote und wirkt <strong>in</strong> 24 Stunden so viel, als die Sonne <strong>in</strong> 14 Tagen Oft aber, besonders im Herbste und Vorfrühl<strong>in</strong>g,<br />

herrscht dieser Wochen lang milde <strong>in</strong> den höhern Alpen mit dem schönsten Wetter, während die Talregionen wenig<br />

Nordw<strong>in</strong>d oder gar ke<strong>in</strong>en Luftzug haben. Daher die wunderbare Ersche<strong>in</strong>ung, dass oft im Dezember und Januar. . - die obere<br />

Bergregion klare Luft und herrlichen Sonnensche<strong>in</strong> hat, während die Täler bis zu e<strong>in</strong>er gewissen, genau abgegrenzten Höhe<br />

heran von e<strong>in</strong>em kompakten, bald ruhigen, bald wallenden Nebelmeer überflutet s<strong>in</strong>d, aus dem wunderbar schön und klar die<br />

e<strong>in</strong>zelnen Berggipfel und Rücken hervortauchen. Erhebt sich nun der Nordw<strong>in</strong>d, so räumt er rasch den ganzen Apparat des<br />

grossartigen Schauspiels weg, rollt die meilenlangen Nebelteppiche auf und wirft sie über die Berge. Die ganze Landschaft wird<br />

transparent, trocken, kalt. Oder häufiger noch verdichtet er die vom Fön unsichtbar gesammelten Wasserdünste <strong>in</strong> der Höhe,<br />

hängt sie an das leichte Schleiergewölk, bedeckt dann mit Macht den Horizont, wirft an alle Berge rasch h<strong>in</strong>ziehende<br />

Nebelstreifen und sendet Regen oder Schnee zu Tal.»<br />

Besonders tief prägte sich der Föhn <strong>in</strong> das Bewusstse<strong>in</strong> der Bevölkerung durch die verheerenden B r ä n d<br />

e e<strong>in</strong>, welche immer wieder kle<strong>in</strong>ere oder grössere Ortschaften erfassten. Am<br />

7 Dr. O. Heer J. J. Blumer-Heer, «Der Kanton Glarus», 1846.S. 96/97ff.<br />

8 2. verbesserte Auflage. Leipzig 1854. S.20/23.


- 6 -<br />

2. September 1838 brannte im Appenzellerland Heiden während e<strong>in</strong>es Föhnsturmes nieder. In der Nacht<br />

vom 10. zum 11. Mai 1861 wurde Glarus das Opfer e<strong>in</strong>er Brandkatastrophe, die über 3000 E<strong>in</strong>wohner<br />

obdachlos machte. Meir<strong>in</strong>gen wurde am 10. Februar 1879 und am 25. Oktober 1891 von grösseren<br />

Brandkatastrophen heimgesucht. Am 5. April 1887 wurden <strong>in</strong> der St. Galler Geme<strong>in</strong>de Rüthi 93 Gebäude<br />

während e<strong>in</strong>es Föhnsturmes e<strong>in</strong>geäschert. Möglicherweise steht auch der Brand von Frauenfeld vom 3.<br />

Juli 1771 mit e<strong>in</strong>em Föhnsturm im Zusammenhang (es wurden damals 64 Wohnhäuser vom Brande<br />

verzehrt, 60 Häuser beschädigt und nur 48 Häuser blieben verschont).<br />

In vielen Dörfern der Föhntäler s<strong>in</strong>d seit altersher strenge Massnahmen zum Schutze vor der Brandgefahr<br />

e<strong>in</strong>geführt worden. In e<strong>in</strong>er anschaulichen Plauderei berichtete kürzlich im Studio <strong>Zürich</strong> L. Gantenbe<strong>in</strong>-<br />

Alder von Rans-Sevelen im Kanton St. Gallen Über den W<strong>in</strong>dschutz im Werdenbergischen. Die nachts<br />

aufgebotene W<strong>in</strong>dwache ist nicht überall gleich organisiert. In der e<strong>in</strong>en Geme<strong>in</strong>de muß e<strong>in</strong>fach die<br />

feuerwehrpflichtige Mannschaft, ob sie nun Feuerwehrdienst macht oder Feuerwehrsteuer bezahlt, abwechslungsweise<br />

auf die W<strong>in</strong>dwacht. Die grösseren Dörfer werden auf Patrouillen aufgeteilt. Die Patrouillen<br />

werden ihrerseits von höheren Feuerwehroffizieren wiederum durch Rundgänge kontrolliert. Im<br />

Feuerwehrlokal ist alles Gerät alarmbereit. In anderen Dörfern muss jedes Haus e<strong>in</strong>e besondere W<strong>in</strong>dwache<br />

stellen. Ist ke<strong>in</strong> Mann im Haus, so muss gegen e<strong>in</strong>e Entschädigung von e<strong>in</strong> paar Franken irgende<strong>in</strong><br />

besonderer W<strong>in</strong>dwächter gestellt werden.»Dr Bronn vu Glarus isch viellecht dr gröescht gsi, wo me no mog dengge, us<br />

üserer Geget ischt Ruthi emol ganz verbrunne am End vum letzschte Johrhunnert, Sevele zume gröesse Teil anno 91, en Teil vu<br />

Gretsch<strong>in</strong>s vor e paar Jobre i dr Sylveschternacht und s'göb no viel meäh ufzzahle, i globe nid, ass en e<strong>in</strong>zigs Dorf im Pföegebiet<br />

nid e paar groessi Bränn heI müesse dorimache...»<br />

Im Sonntagsblatt der «N.Z.Z» vom 10. Mai 1936 veröffentlichte Kaspar Freuler e<strong>in</strong>e anschauliche Schilderung<br />

des «Grossen Brandes von Glarus», der wir e<strong>in</strong>ige Stellen entnehmen:<br />

«Die paar alten Zürcher, die von ihrem Abendschoppen <strong>in</strong> der «Waag» heimkehrend, geruhsam und vielleicht noch e<strong>in</strong> wenig<br />

politisierend, über den Münsterplatz ihrem Hause zuwandelten, mögen nicht wenig erschrocken gewesen se<strong>in</strong>, als sie von der<br />

Helmbrücke aus den Himmel über den Bergen im Süden <strong>in</strong> rotem Sche<strong>in</strong> strahlen sahen... Andern Tags, am Samstagmorgen,<br />

wusste man: der Flecken Glarus ist abgebrannt...<br />

Der Föhn war schuld, wie schon so oft. 1299 hatte er <strong>in</strong> die Flammen geblasen, die das kle<strong>in</strong>e Dorf der Geissbauern und Holzer<br />

und Fischer zu Asche verbrannten; kaum hatten die Väter es wieder mit Mühe und Not aufgebaut, erschreckte er 1337 wieder die<br />

Söhne mit Feuer und Flammen. Dann trieb er e<strong>in</strong> gutes Jahrhundert lang se<strong>in</strong> Unwesen anderswo, bis es ihm 1477 aufs Neue<br />

gelang, den <strong>in</strong>zwischen stattlich herangewachsenen Flecken zu überrumpeln und um e<strong>in</strong> paar Dutzend Häuser zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Ke<strong>in</strong> Wunder denn, dass der Glarner dem unruhigen Gesellen, der so warm und freundlich durch das Tal gestrichen kommt, von<br />

ganzem Herzen misstraute. Längst wurden Wachen aufgestellt, zu Feuer und Licht wurde doppelt Sorge getragen und mit allerlei<br />

strengen Vorschriften ward versucht, dem «ältesten Glarner» se<strong>in</strong>e Mucken auszutreiben. Er liess es sich auch gefallen, rumorte<br />

verärgert um 1713 <strong>in</strong> dem Dörfchen Sool und schielte mit glühenden Augen h<strong>in</strong>unter <strong>in</strong> den grossen Marktflecken an der L<strong>in</strong>th.<br />

Dort hatte man sich angewöhnt, ihn von oben herab zu behandeln; man hatte e<strong>in</strong>e tüchtige Feuerwehr, e<strong>in</strong> Hundert festgebauter<br />

Ste<strong>in</strong>häuser, Schieferhäuser und was so der feuerfesten D<strong>in</strong>ge mehr s<strong>in</strong>d. An der Landsgeme<strong>in</strong>de, 24 Stunden vor dem Brand,<br />

hatten denn auch die Fabrikherren lose über den alten Spitzbuben gespottet und mildere Vorschriften für ihre Dampfmasch<strong>in</strong>en<br />

gefordert. Aber der «R<strong>in</strong>g» der Sechstausend war nicht ihrer Me<strong>in</strong>ung... Dem Föhn ist nicht zu trauen, hiess es.<br />

Am Tage darauf, e<strong>in</strong>em Freitag, war er aus den Höhen <strong>in</strong> die Tiefe gebraust, hatte <strong>in</strong> den Tannenwäldern georgelt und die Bergwasser<br />

über den Felswänden zu fe<strong>in</strong>en Schleiern zersprühen lassen. Beim Abendläuten wirbelte er den Strassenstaub haushoch <strong>in</strong><br />

die Luft...<br />

Droben im neuen <strong>Gesellschaft</strong>shaus traten im Rampenlicht Marquis Posa und Don Carlos, Arm <strong>in</strong> Arm vor ihr Jahrhundert... bis<br />

zu den letzten Worten des Spaniers die Saaltüren aufgerissen wurden und Männer, ausser Atem, nur den e<strong>in</strong>zigen Schrei herausstossen<br />

konnten: Fürio! Und schon f<strong>in</strong>g die helle Sturmglocke an zu läuten.<br />

Unten am Landsgeme<strong>in</strong>deplatz, ke<strong>in</strong> Mensch ist je <strong>in</strong>ne geworden, aus welchen Gründen, war e<strong>in</strong>e Flamme aufgelodert, e<strong>in</strong>e<br />

steile, rotgoldene Säule, die im nächsten Augenblick schon vom Föhn niedergedrückt wurde und als feurige Decke aus sprühender<br />

Glut sich über Platz und Gassen warf...<br />

Doch Mensch und Masch<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d im Kampf. Landauf und landab gellen seit zehn Uhr die Feuerglocken, und wo Männer und<br />

Spritzen s<strong>in</strong>d und e<strong>in</strong> halbes Dutzend Pferde, da sprengt e<strong>in</strong>e Mannschaft um die andere über Landstrassen und Feldwege, dem<br />

Riesenfeuer zu. Doch der Kampf ist ungleich. Dem Feuer hilft der Sturm mit wütender Stärke. Mit immer neuer Wut - man muss<br />

diese Föhnnächte <strong>in</strong> den Glarner -Alpen kennen! - wirft sich der Föhn, e<strong>in</strong>s mit dem Feuer, <strong>in</strong> die dürren Heustadel, auf die<br />

gesch<strong>in</strong>delten Häuser, wirft Garben von Heu und Sch<strong>in</strong>deln durch die Nacht, trägt brennende Tuchballen und Papier hoch <strong>in</strong> die<br />

Luft, lässt sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em toten Atemzug niederfallen, irgendwo <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Stadel, <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Bauernheim, woh<strong>in</strong> sich Dutzende mit wenig<br />

Habe schon ge-


- 7 -<br />

fluchtet haben, oder <strong>in</strong> die stillem Höfe alter Bürgerhäuser, wo man zitternd um Koffern und Truhen steht und mit Eimern versucht,<br />

dem Unglück zu wehren. Umsonst…<br />

«Grosser Gott! Welch e<strong>in</strong> Anblick !» schreibt e<strong>in</strong> Augenzeuge. «Der ganze Ort e<strong>in</strong> Feuerkessel, aus dem Lohen emporschlagen,<br />

sprühen, prasseln, mitten dr<strong>in</strong> die braunrote Flamme des Turms und se<strong>in</strong>es eichenen Balkenwerks Wie die Wogen des Meeres<br />

ergreift der Sturm das Feuer und lässt fliegenden Staub als rotes Gestöber h<strong>in</strong>unterstürzen. Auf den Alpen hüben und drüben<br />

glitzert der Glust des Feuers <strong>in</strong> den Fenstern der Berghütten, mehr als taghell erleuchtet stehen die Berge da, ungeheuer gross, der<br />

Schilt <strong>in</strong> weisser Glut, der Glärnisch wie e<strong>in</strong>e Pyramide aus glühenden Wänden und Pfeilern».<br />

Neue Hilfe kommt. Von Weesen, von Uznach, von Sargans, von Ragaz, spät noch von Chur und den obern Rhe<strong>in</strong>taldörfern. Mit<br />

glühenden Kesseln wagt der Führer des Rapperswiler Hilfszuges e<strong>in</strong>e Fahrt auf Leben und Tod...<br />

Unbarmherzig riss das Feuer alles mit sich, was <strong>in</strong> der Sud-Nordrichtung lag... Fünfhundert Häuser lagen ,<strong>in</strong> Schutt und Asche.<br />

Mit ihnen be<strong>in</strong>ahe alles, was seit Jahrhunderten fleissige Hände an Kunst und Wissenschaft gewirkt und gesammelt hatten; was<br />

dem Rechte und der Geschichte heilig war, Pergamente, Briefe, Bücher, dazu die alten Panner aus siegreichen Schlachten, die<br />

«goldene Trucke» mit den Reliquien des heiligen Fridol<strong>in</strong>; aber auch Vieh und Ross und Wagen...<br />

Dreitausend Menschen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dieser Nacht obdachlos geworden. Ihrer fünf s<strong>in</strong>d selbst zu Opfern geworden...<br />

Wie die Sonne aufg<strong>in</strong>g, schwelten über dem zerstampften Kirchhof die hölzernen Kreuze der Generationen, die seit alten Zeiten<br />

die eben untergegangene Welt gründen halfen. Flackernde Kerzen e<strong>in</strong>er schauerlichen Totenmesse».<br />

2. KAPITEL<br />

Aus der Geschichte der Föhntheorie<br />

Von e<strong>in</strong>er besonderen Föhntheorie kann erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gesprochen werden. Zwar<br />

hat schon J. J. Scheuchzer angenommen, der warme Föhnw<strong>in</strong>d stamme aus der Türkei, aus Arabien, Persien<br />

und Indien. Die grosse Gewalt der Föhnstürme versuchte Scheuchzer durch den gebirgigen Charakter<br />

der Schweiz zu erklären 9 . In Fluss kam aber die Föhndiskussion erst, als nach dem gesicherten Nachweis<br />

der Eiszeit Escher v. d. L<strong>in</strong>th und O. Heer 10 die Me<strong>in</strong>ung verfochten, der Föhn habe als Saharaw<strong>in</strong>d gegen<br />

Ende der Eiszeit e<strong>in</strong>e so grosse Schmelze der Gletscher herbeigeführt, dass sich diese aus dem schweizerischen<br />

Mittelland <strong>in</strong> die Alpentäler zurückgezogen hätten. Dieser Ansicht schloss sich nach e<strong>in</strong>er Expedition<br />

mit Mart<strong>in</strong>s und Escher v. d. L<strong>in</strong>th <strong>in</strong> die Sahara vom Jahre 1863 (wobei weit verbreitete fossile<br />

Reste von Muscheln, die jetzt noch im Mittelmeer vorkommen, gefunden wurden), nicht nur der Neuenburger<br />

Forscher Desor 11 an, sondern auch der Engländer Ch. Lyell pflichtete den Schweizern bei.<br />

Dagegen glaubte der Berl<strong>in</strong>er Meteorologe Dove 12 , zufolge der Erddrehung müsste e<strong>in</strong> nord-ostwärts<br />

stürmender Saharaw<strong>in</strong>d nach Kle<strong>in</strong>asien abgelenkt werden, weshalb es sich bei den Föhnw<strong>in</strong>den um<br />

warmfeuchte, maritime Luft aus West<strong>in</strong>dien handeln müsse. Dove wies nach, dass die Föhnw<strong>in</strong>de auf der<br />

Süd- und Westseite der Alpen oft starke Regen- oder Schneefälle mit sich brachten, es sich also ke<strong>in</strong>eswegs<br />

um trockene Wüstenluft handeln könne. Dove sche<strong>in</strong>t schon 1852 13 die Möglichkeit angedeutet zu<br />

haben, e<strong>in</strong> feuchter W<strong>in</strong>d könne beim Übergang über e<strong>in</strong> Gebirge warm und trocken werden. Diesen entscheidenden<br />

Grundgedanken sprach<br />

9 «Hiervon ist leicht zu erfassen, wenn unser vorhabende Föhn vielleicht <strong>in</strong> ihrem Zug über das Mittelländ. Meer und ebnere<br />

Länder Italiens gemach e<strong>in</strong>her gefahren, hat aber <strong>in</strong> unseren zwischen hohen Bergen e<strong>in</strong>geschlossenen Helvetischen Thälern<br />

diejenige Gewalt bekommen, welche die vorhanden gewesenen Dünste <strong>in</strong> Regen verwandelt, die Dächer abgedeckt, Häuser,<br />

Ställe und Bäume umgeworfen und anderen Schaden zugefüget.» («Helv. Hist. Nat.,» S.216.><br />

10 O. Heer und A. Escher v. d. L<strong>in</strong>th: «Zwei geolog. Vorträge.» 1852.<br />

11 «Die Beziehungen des Föhns zur afrikanischen Wüste.» 1865.<br />

12 «Ueber den Föhn.» Vierteljahrsschrift N. G. <strong>Zürich</strong> 1865.<br />

13 H. W. Dove, «Ueber den Föhn». (Aus e<strong>in</strong>em durch A. Escher der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> vorgelegten Briefe von Dove<br />

an Desor vom 2. Jan. 1865. Vierteljahrsschrift der Nat. Ges. <strong>Zürich</strong> 1865. S.8.) H. W. Dove, «Ueber Eiszeit, Föhn und Scirocco».<br />

Berl<strong>in</strong> 1867.


Dove<br />

Scheuchzer<br />

Sahara<br />

Abb. 3 Altere Föhntheorien.<br />

grün: Richtung der Föhnw<strong>in</strong>de nach J. J. Scheuchzer.<br />

blau: Richtung der Föhnw<strong>in</strong>de nach der Saharatheorie.<br />

rot: Richtung der Föhnw<strong>in</strong>de nach Dove.<br />

- 8 -<br />

aber <strong>in</strong> aller Klarheit unter den Meteorologen erstmals J. Hann 14 ,<br />

im Jahre 1866 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> der «Zeitschrift der österr. <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Meteorologie» erschienenen Arbeit «Zur Frage über den<br />

Ursprung des Föhns» aus. Hann hebt hervor, auch Grönland habe<br />

se<strong>in</strong>en Föhn. In Westgrönland könne aber der aus Osten oder<br />

Südosten wehende warme, den Schnee schnell schmelzende W<strong>in</strong>d<br />

nicht auf e<strong>in</strong>en warmen Kont<strong>in</strong>ent als Ursprungsland zurückgeführt<br />

werden. In der Note «Mousson über den Ursprung des Föhns» schreibt<br />

Hann: «. .. im W<strong>in</strong>ter ist die Sahara eben ke<strong>in</strong> Wärmezentrum... Die<br />

Äquatorial Luft besitzt <strong>in</strong> der luftverdünnten Höhe ke<strong>in</strong>eswegs schon die<br />

hohe Temperatur, die sie später an der Erdoberfläche zeigt, und beim<br />

Herabsteigen <strong>in</strong> die Tiefe, wo sie unter e<strong>in</strong>en höheren Druck kommt, tritt<br />

nach bekannten physikalischen Gesetzen durch Volumenverkle<strong>in</strong>erung<br />

Erwärmung e<strong>in</strong>... Übrigens muss der feuchte Südwest auch beim<br />

Übersteigen der Alpen an deren Südhängen e<strong>in</strong>en grossen Teil se<strong>in</strong>es<br />

Wasserdampfes durch Niederschläge verlieren. Es ist daher recht wohl<br />

möglich, dass der Südwest als Föhn bald trocken, bald wieder feucht<br />

ersche<strong>in</strong>t ...» 15<br />

Im folgenden Jahre weist Hann auf das Auftreten föhnartiger W<strong>in</strong>de «am Steilabsturz des Elbrusgebirges<br />

zur kaspischen Depression» und <strong>in</strong> den österreichischen Alpen h<strong>in</strong> 16 . In Bludenz weht der Föhnw<strong>in</strong>d<br />

nach den Beobachtungen Hann's der Talrichtung entsprechend von Südosten nach Nordwesten bei gleichzeitigem<br />

Wolkenzug aus Süden oder Südwesten. An ausgesprochenen Föhntagen (z.B. 16. Feb. 1867) mit<br />

W<strong>in</strong>dstärke 5-6 stieg die Temperatur auf 11,6° über das Monatsmittel, sank die relative Feuchtigkeit auf<br />

24,5 % (37,2 % unter dem Mittel). Hann stellt fest, auf der Südseite der Alpen fehle der warme trockene<br />

W<strong>in</strong>d. Dort herrsche aber hoher Luftdruck. «Die relative Trockenheit und übermässig hohe Wärme des<br />

Luftstromes ist e<strong>in</strong> locales Phänomen, im Gebirge erzeugt... So wie e<strong>in</strong> warmer feuchter W<strong>in</strong>d über e<strong>in</strong><br />

hohes Gebirge h<strong>in</strong>überweht, muss er alle Feuchtigkeit e<strong>in</strong>büssen, die über den Sättigungspunkt bei se<strong>in</strong>er<br />

grössten Temperaturerniedrigung <strong>in</strong> der Höhe h<strong>in</strong>ausgeht. Wenn er nun jenseits <strong>in</strong>s Thal s<strong>in</strong>kt, steigt zwar<br />

wieder se<strong>in</strong>e Temperatur, aber zugleich damit se<strong>in</strong>e relative Trockenheit.»<br />

A. Mühry zeigte zur gleichen Zeit 17 durch Zusammenstellung der Messungen der relativen Feuchtigkeit<br />

der neu errichteten schweizerischen meteorologischen Stationen, dass der Föhn e<strong>in</strong> sehr trockener W<strong>in</strong>d<br />

ist. Er prägte den Begriff des «W<strong>in</strong>dfalles» 18 e<strong>in</strong>e nicht ganz geschickte Vorwegnahme des heute gebräuchlicheren<br />

Ausdruckes «Fallw<strong>in</strong>d».<br />

Der Rektor der Berner Universität, H. Wild, stellte sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en im Jahre 1868 erschienenen Schriften 19<br />

auf den Standpunkt der Hann'schen Föhntheorie und lehnte Dove's Theorie ab, was zu e<strong>in</strong>er hitzigen und<br />

nicht immer erfreulichen Diskussion 20 mit Dove führte. Dove vermutete auf Grund se<strong>in</strong>er Theorie, die<br />

schweizerischen Wetterbeobachter stellten nur irrtümlicherweise e<strong>in</strong>e besonders hohe relative Trockenheit<br />

während Föhnstürmen fest.<br />

Nach und nach setzte sich aber doch die von Hann <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em 1885 veröffentlichten zusam-<br />

14 J. Hann erwähnte 1868 (Zeitschr. d. österr. Ges. f. Met., S.293), dass schon 1865 unabhängig von ihm H. Helmholtz («Ueber<br />

Eis und Gletscher») und der englische Physiker Tyndall e<strong>in</strong>e physikalische Theorie des Föhns aufgestellt haben, die mit der<br />

Hann'schen Theorie übere<strong>in</strong>stimmt. Helmholtz sagte u. a.: «Derselbe Luftstrom, der <strong>in</strong> den Ebenen diesseits und jenseits der<br />

Gebirge warm ist, ist schneidend kalt auf der Höhe und kann dort Schnee absetzen, während wir ihn <strong>in</strong> der Ebene unerträglich<br />

heiss f<strong>in</strong>den.»<br />

15 Zeitschr. d. österr. Ges. f. Met., 1866, S.261/62.<br />

16 Zeitschr. d. österr. Ges. f. Met., 1867. «Mousson über den Ursprung des Föhns», S.158. «Föhn <strong>in</strong> den österr. Alpen», S.433.<br />

17 Zeitschr. d. österr. Ges. f. Met., 1867. «Ueber den Föhnw<strong>in</strong>d», S.385. Ebenda 1868 «Kartenskizze e<strong>in</strong>es Föhnw<strong>in</strong>des», S.363.<br />

18 «Der Föhn ist e<strong>in</strong> W<strong>in</strong>dfall . . . ähnlich e<strong>in</strong>em Wasserfall, welcher dann <strong>in</strong> den . . . W<strong>in</strong>dschatten zurückgezogen wird. . .» (l. c.<br />

S.386).<br />

19 H. Wild, «Ueber Föhn und Eiszeit» (Rektoratsrede 15. Nov. 1867, veröffentlicht <strong>in</strong> der Zeitschrift für schweizerische Statistik.<br />

Bern 1868).<br />

20 H. W. Dove, «Der Schweizer Fön. Nachtrag zu Eiszeit, Fön und Scirocco». 1868. H. Wild, «Der Schweizer Föhn».<br />

Entgegnung auf Dove's gleichnamige Schrift und Nachtrag zu «Föhn und Eiszeit». Zeitschr. f. schweiz. Stat., Bern 1868. Dove<br />

versuchte gegenüber Hann Prioritätsansprüche zu erheben, die aber von den Fachgenossen nicht anerkannt wurden. Hann betont<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Referatbericht: «Dass Dove's ganz unphysikalische Theorien lange Zeit h<strong>in</strong>durch den Fortschritt der Meteorologie<br />

aufgehalten haben, dürfte kaum bestritten werden können.» (l. c. S.396.)


menfassenden Referat 21 als «physikalische<br />

Föhntheorie» bezeichnete<br />

Lehre durch 22 . (Desor nannte die<br />

Theorie Hann's aber noch 10 Jahre<br />

nach Ersche<strong>in</strong>en der ersten Arbeiten<br />

Hann's e<strong>in</strong>e Schultheorie.) Wild gebührt<br />

das Verdienst, auf den Nordföhn<br />

der südlichen Alpentäler aufmerksam<br />

gemacht zu haben. Die Entdeckung<br />

des Nordföhns stellte die «allgeme<strong>in</strong>e<br />

Natur der Föhnersche<strong>in</strong>ungen» sicher<br />

und zeigte, dass sie «ihre Entstehung<br />

<strong>in</strong> den Gebirgen selbst haben<br />

müssen» 23 Wild glaubte allerd<strong>in</strong>gs, das<br />

- 9 -<br />

Abb. 4. Hygrogramm des Kollegiums Altdorf vom 12.-19. November 1934.<br />

Während e<strong>in</strong>er Woche bricht die Föhnströmung viermal <strong>in</strong> Altdorf e<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>ige<br />

Male nur für wenige Stunden.<br />

Fallen der Föhnw<strong>in</strong>de durch e<strong>in</strong>e Art Saugwirkung 24 der über den Alpenkamm streichenden Südstürme<br />

erklären zu müssen.<br />

Hann griff noch im gleichen Jahre wie Wild den Gedanken des Nordföhns 25 auf. Er konnte zeigen, dass<br />

bei Nordföhn auf der Südseite der Alpen die Temperaturzunahme manchmal fast 10 pro 100 m Abstieg<br />

beträgt, während sich auf der Nordseite, wo die feuchte Luft aufsteigt, die Temperaturabnahme pro 100 m<br />

Aufstieg nur auf etwa ½° beläuft und dass sich bei Südföhn auf der Nordseite das Verhältnis gerade umkehrt.<br />

1882 beschäftigte sich Hann mit der Frage 26 , weshalb nördlich der Alpen der Föhn oft schon auch<br />

dann auftrete, bevor auf der Südseite die Niederschläge e<strong>in</strong>gesetzt haben. Die Erklärung fand Hann <strong>in</strong> der<br />

Temperaturschichtung der Atmosphäre vor dem Ausbruch des Föhns: die oberen Luftschichten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

diesen Fällen als Folge früherer Kondensationsvorgänge relativ wärmer. «Werden später bei Fortdauer<br />

des Föhns die weiter zurückliegenden Luftmassen auch <strong>in</strong> die Bewegung mit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gezogen, dann<br />

beg<strong>in</strong>nt der Niederschlag auf der Südseite...» 27<br />

Drei Jahre später durfte J. Hann <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em zusammenfassenden Referat 28 die allgeme<strong>in</strong>e Anerkennung der<br />

«physikalischen Föhntheorie» durch die Fachgenossen feststellen. Die grundlegenden Züge der<br />

Föhntheorie lagen fest. Hann schloss se<strong>in</strong>en Referat-Aufsatz mit dem nachstehenden, auch heute noch<br />

Geltung besitzenden H<strong>in</strong>weis 28 :<br />

«Aus dem Angeführten dürfte hervorgehen, dass es bei der Aufstellung der Föhntheorie ganz ähnlich zu-<br />

21 J. Hann, «E<strong>in</strong>ige Bemerkungen zur Entwicklungsgeschichte der Ansichten über den Ursprung des Föhns»<br />

(Deutsche Meteorolog. Zeitschrift, 1885). In diesem Aufsatz macht Hann übrigens darauf aufmerksam, dass der amerikanische<br />

Meteorologe James P. Espy 1857 und sogar schon 1841 («Philosophy of storms») die Grundgedanken der physikalischen Föhntheorie,<br />

wenn auch nicht dem Namen, so doch der Sache nach entwickelt habe: The theory, also, Would <strong>in</strong>dicate that dur<strong>in</strong>g the<br />

great ra<strong>in</strong>s that take place north of the head of the Golf of Venice, and south of the Carnic Alps, there would be felt on the north<br />

shore of these Alps a very hot, dry w<strong>in</strong>d, such as the sirocco is described to be». Nach J. Hann war «übrigens der schweizerische<br />

Naturforscher Ebel zu Anfang dieses Jahrhunderts selbst schon auf der richtigen Fährte zu der wahren Föhntheorie».<br />

22 Die schöne Arbeit des Lausanner Professors M. L. Duroun: «Recherches sur le Foehn du 23 Septembre 1866 en Suisse» (Bull.<br />

soc. vaud. scienc. nat., Lausanne 1868) steht auf dem Boden der Hann-Wild'schen Theorie und gibt e<strong>in</strong>e treffliche Schilderung<br />

e<strong>in</strong>es Föhnsturmes <strong>in</strong> der Westschweiz.<br />

23 J. Hann, «E<strong>in</strong>ige Bemerkungen zur Entwicklungsgeschichte der Ansichten über den Ursprung des Föhns», 1885, 1. c. S.398.<br />

24 In e<strong>in</strong>em oben offen, sonst aber geschlossenen Raum werde «die Luft jedesmal verdünnt, wenn e<strong>in</strong> kräftiger Luftstrom über<br />

den Rand der Oeffnung» h<strong>in</strong>wegstreiche. Dies geschehe auch mit der «<strong>in</strong> unsern <strong>in</strong>neren Alpentälern stets mehr oder m<strong>in</strong>der<br />

abgeschlossenen Luft, wenn e<strong>in</strong> heftiger Luftstrom über die e<strong>in</strong>schliessenden Gebirge» h<strong>in</strong>brause. «Die Folge davon ist aber,<br />

dass dieser Luftstrom <strong>in</strong> den durch die entgegenstehende Gebirgswand vor ihm geschützten Raum h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> aspiriert wird und nach<br />

und nach <strong>in</strong> das Tal h<strong>in</strong>untersteigt.» «Ueber Föhn und Eiszeit», S.28.<br />

25 J. Hann, Zeitschr. d. österr Ges. f. Met., 1868, III. Bd. «Der Scirocco der Südalpen.»<br />

26 J. Hann, «Der Föhn <strong>in</strong> Bludenz». Sitzungsberichte der Wiener Akademie, 1882.<br />

27 «E<strong>in</strong>ige Bemerkungen usf.», l. c. S.398.<br />

28 l.c. S.399.


Abb. 5. Föhnsturm am 20. Mai 1937. Am Nachmittag<br />

des 20. Mai regnete es im Tess<strong>in</strong>, während <strong>in</strong> Altdorf ausgesprochener<br />

Föhnsturm wütete.<br />

- 10 -<br />

gegangen ist, wie bei der Auff<strong>in</strong>dung der wahren Ursachen<br />

der meisten Naturersche<strong>in</strong>ungen. Die richtigen<br />

Ideen waren lange schon vorhanden bei verschiedenen<br />

Naturforschern, sie konnten aber nicht zur allgeme<strong>in</strong>en<br />

Geltung und Anerkennung gelangen, bis nicht der allgeme<strong>in</strong>e<br />

Fortschritt der betreffenden Discipl<strong>in</strong> so weit gediehen<br />

war, dass diese Ideen e<strong>in</strong>en fruchtbaren Boden<br />

zur Weiterentwicklung f<strong>in</strong>den konnten, und bis nicht die<br />

Kenntnisse der Thatsachen selbst, d. i. die auf das Phänomen<br />

bezüglichen Beobachtungen, zahlreich und gründ-<br />

lich genug waren, um die Theorie aus denselben so e<strong>in</strong>gehend zu prüfen, dass alle anderen Hypothesen ausgeschlossen<br />

werden konnten, und die als Ausfluss der Theorie vorhergesagten Ersche<strong>in</strong>ungen <strong>in</strong> der That an der bestimmten<br />

Örtlichkeit und <strong>in</strong> der angezeigten Weise vorgefunden waren.»<br />

Um unsere Darstellung der Geschichte der Föhntheorie nicht unnötigerweise mit E<strong>in</strong>zelheiten zu<br />

belasten, beschränken wir uns auch im folgenden bloss auf die wichtigsten Daten. Im übrigen verweisen<br />

wir auf die bemerkenswerte Studie von Prof. O. Leemann <strong>in</strong> der «Vierteljahrsschrift der<br />

<strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Zürich</strong>» 1937 über das gleiche Thema, die <strong>in</strong> vielen Punkten unsere<br />

knappen H<strong>in</strong>weise wertvoll ergänzt, allerd<strong>in</strong>gs nur bis zum Jahre 1913 reicht, weshalb wir <strong>in</strong> diesem und<br />

im 7. Kapitel auch noch die föhntheoretischen Arbeiten der letzten Jahre berücksichtigen werden.<br />

Als grundlegendes Ergebnis der Diskussion der physikalischen Föhntheorie steht um das Jahr 1890 fest:<br />

Der Föhnw<strong>in</strong>d erhält se<strong>in</strong>e auffallenden Eigenschaften der relativ hohen Wärme und Trockenheit durch<br />

das Nieders<strong>in</strong>ken von Luftmassen <strong>in</strong>s Tal, welche früher beim Aufstieg den grössten Teil ihres Wasserdampfes<br />

verloren haben. Mit anderen Worten, die beim Nieders<strong>in</strong>ken als Wärme freiwerdende Energie,<br />

die sogenannte Kompressionswärrne ist gleich gross wie die beim Aufstieg durch Expansion verbrauchte<br />

Arbeit, aber die spezifische Wärme von trockener Luft ist ger<strong>in</strong>ger als jene von feuchter Luft, wodurch<br />

sich zwanglos die höhere Temperatur der herabgesunkenen Luft und ihre hohe relative Trockenheit 29 ergeben.<br />

Seit der Formulierung der physikalischen Föhntheorie durch J. Hann ist die meteorologische<br />

Beobachtung immer wieder auf neue Föhngebiete aufmerksam geworden, d.h. «Jeder Gebirgszug, zu<br />

dessen beiden Seiten sich zeitweise erhebliche Luftdruckdifferenzen ausbilden, weist Föhnersche<strong>in</strong>ungen<br />

auf 30 »<br />

Übersicht der wichtigsten Föhngebiete.<br />

In der Schweiz hat man zwei Hauptföhngebiete zu unterscheiden, das Gebiet des Südföhns nördlich der<br />

Alpenkette und das südlich des Alpenkammes gelegene Gebiet des Nordföhns. Am häufigsten wird der<br />

Föhn im Gebiet der Zentralalpen beobachtet, seltener tritt er <strong>in</strong> den Ostalpen auf, ke<strong>in</strong>e entsprechenden<br />

Beobachtungen liegen aus dem Gebiet der Westalpen vor. Die Temperatursteigerung ist beim Südföhn<br />

wesentlich grösser als beim Nordföhn 31 , zum Teil wohl deshalb, weil auf der Südseite der Alpen im allgeme<strong>in</strong>en<br />

die Temperatur höher ist, zum Teil weil die Wetterlage, welche Nordföhn zur Folge hat, kalte<br />

polare oder maritime Luftmassen über den Alpenkamm h<strong>in</strong>überführt. Dann stauen sich am Nordrand der<br />

Alpen kalte Luftmassen, weshalb nach Peppler 32 der klimatische E<strong>in</strong>fluss auch des Südföhns auf die<br />

mittlere Temperatur ger<strong>in</strong>ger ist, als zunächst erwartet werden könnte.<br />

29 Die relative Feuchtigkeit ist e<strong>in</strong>e Verhältniszahl, nämlich das Verhältnis der überhaupt <strong>in</strong> der Luft vorhandenen Feuchtigkeit<br />

(absolute Feuchtigkeit) zur überhaupt bei der betreffenden Temperatur möglichen Feuchtigkeit (Sättigungsmenge). Die Sättigungsmenge<br />

nimmt als Funktion mit der Temperatur zu, weshalb bei gleichbleibender absoluter Feuchtigkeit und steigender<br />

Temperatur die relative Feuchtigkeit abnehmen muss (relative Feuchtigkeit = absolute Feuchtigkeit / Sättigungsmenge)<br />

30 Rob. Billwiller jun., «Der Bergeller Nordföhn», 1904, S.1.<br />

31 l. c. S.5 ff. Siehe auch Perntner's Studien über den Insbrucker Föhn. Ebenso erwähnt Kle<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> Tragöss der Nordföhn oft<br />

boraartigen Charakter habe.<br />

32 Met. Zeitschr., 1926, S.375. «Zum E<strong>in</strong>fluss des Föhns auf die Mitteltemperatur im Alpenvorland.» «Föhn <strong>in</strong> den Ostalpen»,<br />

Met. Zeitschr., 1913, S. 196. «Der Föhn <strong>in</strong> Salzburg» von Dr. O. Pollak. Referiert Met. Zeitschr., 1911, S.93.


- 11 -<br />

Zu den ausgesprochenen Föhngebieten nördlich des Alpenkammes gehören das Val d'Entremont bis<br />

Martigny, das Rhonetal bis Bex, die Täler der Visp, der Kander, der Simme, der Saane, das Lütsch<strong>in</strong>ental,<br />

das Haslital bis Brienz, das Engelbergertal, das Reusstal, das Sernftal und das L<strong>in</strong>thtal bis zum Walensee<br />

e<strong>in</strong>erseits und bis zum obern <strong>Zürich</strong>see andererseits, das untere Toggenburg, das Rhe<strong>in</strong>tal vom H<strong>in</strong>terrhe<strong>in</strong><br />

und Medels bis zum Bodensee, nebst dem Tal von Bludenz und den Ausläufern des Alpste<strong>in</strong>gebirges.<br />

In den Ostalpen s<strong>in</strong>d als Föhnorte ausser Bludenz vor allem Innsbruck und Salzburg bekannt geworden<br />

33 . Nordföhn beobachtet man im Tess<strong>in</strong>, im Misox, im Bergell, im Puschlav, im Tal der Etsch, aber<br />

auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe anderer Orte des Ostalpengebietes 34 . Sogar im Gebiet des Jura s<strong>in</strong>d föhnartige Ersche<strong>in</strong>ungen<br />

nicht selten: Nach Angaben von W. Strub <strong>in</strong> Basel tritt im W<strong>in</strong>ter bei Nordwestw<strong>in</strong>d auf der<br />

südöstlichen Seite des Jura helles Wetter auf, «sobald die Nullgradgrenze genügend tief herabgegangen<br />

ist, so dass die Nebeldecke des elsässischen Rhe<strong>in</strong>tales, die bei Nordwestw<strong>in</strong>d auftritt, sich am Jura<br />

staut» 35 . Zweifellos dürften solche als Juraföhn zu bezeichnende Ersche<strong>in</strong>ungen auch am Ostrand des<br />

Kettenjura bei Biel und Neuenburg zu beobachten se<strong>in</strong>. Doch s<strong>in</strong>d uns aus der Durchsicht der Literatur<br />

ke<strong>in</strong>e diesbezüglichen Bemerkungen bekannt geworden. Der Vogesenföhn ist nach Peppler durch<br />

Hergesell und Schultheiss nachgewiesen worden.<br />

In Deutschland s<strong>in</strong>d föhnartige W<strong>in</strong>de u. a. im Harz und im Thür<strong>in</strong>gerwald, am Nordhang der Sudeten, im<br />

Riesengebirge, wie auch <strong>in</strong> der Eifel 36 beobachtet worden. In Pau wurde der seltene Pyrenäenw<strong>in</strong>d schon<br />

1874 festgestellt 37 . Espy führte bereits 1841 <strong>in</strong> «Philosophy of Storms» die auf der Ostseite der Rocky<br />

Mounta<strong>in</strong>s im Nordwesten Canadas wehenden «Ch<strong>in</strong>ookw<strong>in</strong>de» als besondere W<strong>in</strong>dart an. Hann hat -<br />

wie schon erwähnt - auf föhnartige W<strong>in</strong>de im Kaukasus am Elbrus und <strong>in</strong> Grönland 38 h<strong>in</strong>gewiesen. Hebert<br />

machte auf Föhnw<strong>in</strong>de des Alleghanygebirges (U.S.A.) aufmerksam. Interessant ist die Beobachtung von<br />

Landw<strong>in</strong>den mit föhnartigem Charakter auf den Kanarischen Inseln 39 , sowie der Nachweis von Föhnw<strong>in</strong>den<br />

<strong>in</strong> Japan und Korea 40 , <strong>in</strong> Australien und Neuseeland. Auch <strong>in</strong> den polnischen Karpaten und <strong>in</strong> Siebenbürgen<br />

beim Rothenturmpass s<strong>in</strong>d Föhnersche<strong>in</strong>ungen beobachtet worden, ebenso im Rhodopegebirge<br />

<strong>in</strong> Bulgarien 41 . In den südlichen Teilen Norwegens und Schwedens herrscht, wenn es an der Westküste<br />

Norwegens regnet, meist heiteres und helles Wetter. Zweifellos werden sich <strong>in</strong> der Zukunft durch genaue<br />

Untersuchungen noch zahlreiche andere Föhngebiete nachweisen lassen 42 .<br />

33 Föhnstürme im Salzkammergut und <strong>in</strong> Ischl siehe z. B. Met. Zeitschr., 1917, S.267 und 1919, S233.<br />

34 z.B. «Der Nordföhn zu Tragöss» (<strong>in</strong> Obersteiermark) von Dr. Rob. Kle<strong>in</strong>, 1900, Zeitschrift des deutschen und österr. Alpenvere<strong>in</strong>s.<br />

Nordwestföhn <strong>in</strong> Graz nach Czermak. Met. Zeitschr., 1903, S.35.<br />

35 Briefliche Mitteilung vom S. VII. 1937.<br />

36 Assmann 1885 <strong>in</strong> «Wetter»: Thür<strong>in</strong>gerwald, Harz. Assmann ebendort 1886: Sudeten. Kremer 1890, 1896, 1899, 1900, Abhandl.<br />

des preuss. Meteorol. Institutes: Riesengebirge. Kassner «Das Wetter», 1895: «Föhn im Riesengebirge». Treitsche 1892<br />

(Thür<strong>in</strong>gerwald). Dr. K. Joestes «Das Wetter», 1906: «Die Föhnersche<strong>in</strong>ungen im Riesengebirge». Met. Zeitschr., 1900, S.282:<br />

Eitel und Hoher Venn.<br />

37 Piche, «Le coup de Scirocco du 1er sept. 1874», Pau 1876. Ebenso Zeitschr. d. österr. Ges. f. Met., 1876, S.304 und M. F. F.<br />

Hébert: «Etude sur les grands mouvements de l'atmosphère et sur les lois de formation et de translations des tourbillons».<br />

Compte rendu 1878. F. M. Exner. Met. Zeitschr., 1905, S.372.<br />

38 Siehe auch «Klima und Föhn der Dänemark-Insel Scoresby-Sund». Woeikof, Met. Zeitschr., 1901, S.5. Helge Petersen über<br />

«Extrem hohe Temperaturen und Föhn <strong>in</strong> Grönland», Met. Zeitschr., 1934, S.289. Im Februar 1895 stieg <strong>in</strong> Upernisik die<br />

Temperatur bis auf über 15°. M. Herrmann beschreibt, Met. Zeitschr., 1933, S.472, die Ausbildung e<strong>in</strong>er Föhnlücke an der<br />

Westküste der Bären<strong>in</strong>sel mit e<strong>in</strong>er fast das Meeresniveau erreichenden «Föhnmauer».<br />

39 H. Hergesell, Met. Zeitschr., 1908, S.556. Die Temperatur sprang am 6. August 1904 zeitweise von 24 auf 42 Grad, die<br />

relative Feuchtigkeit sank von 67 auf 12 %.<br />

40 T. Okoda, Met. Zeitschr., 1902, S.340; Met. Zeitschr., 1908, S.88.<br />

41 C. Kassner, Met. Zeitschr., 1912, S.478.<br />

42 Siehe z. B. Met. Zeitschr., 1932, S.254; Met Zeitschr., 1921, S.121 (Föhnw<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Mexiko); Met Zeitschr.,<br />

1932, S.201 (Almw<strong>in</strong>d des Tatragebirges); Met. Zeitschr., 1926, S.33 (Krimföhn mit bloss 8 % relativer Feuchtigkeit); Dr. W.<br />

Schmidt, «Föhnersche<strong>in</strong>ungen und Föhngebiete», Innsbruck 1930.


- 12 -<br />

1899 prägte R. Billwiller 43 sen. den Begriff des Antizyklonalföhns. Bei diesem strömt aus e<strong>in</strong>em über<br />

dem Alpenkamm liegenden Hochdruckrücken langsam Luft nach beiden Seiten des Alpenwalles <strong>in</strong> die<br />

Tiefe, wobei sie sich erwärmt und zugleich relativ trocken (z. B. Antizyklonalföhn vom 14. April 1898)<br />

wird. Im Jahre 1903 lehnte R. Billwiller sen. den Vorschlag von H. Wild 44 zur Beschränkung des<br />

Begriffes «Föhn» auf den Fall der ausgesprochenen Talföhne unter allgeme<strong>in</strong>er Zustimmung der<br />

Meteorologen ab. Zwar sei das Wort Föhn zunächst nur <strong>in</strong> der Schweiz gebraucht worden, aber gerade<br />

die Föhnforschung habe dazu geführt, den Geltungsbereich des Begriffes zu erweitern.<br />

Jeder Klassifikation und der damit zusammenhängenden Term<strong>in</strong>ologie haftet stets etwas Willkürliches 45<br />

an, da e<strong>in</strong>e Klassifikation nur nach gegensätzlich sich ausschliessenden Merkmalen durchgeführt werden<br />

kann. Streiff-Becker hat auf Grund se<strong>in</strong>er «Injektortheorie» versucht, die Klassifikation der Föhnw<strong>in</strong>de 46<br />

durch Zuordnung zur W<strong>in</strong>dstärke des über die Alpen streichenden Südsturmes vorzunehmen. Trotzdem<br />

wir se<strong>in</strong>e «Injektortheorie» (siehe 7. Kapitel) ablehnen müssen, glauben wir doch den bodenständigen<br />

Begriff des Dimmerföhns übernehmen zu dürfen.<br />

Wir gelangen so zu nachstehender Übersicht der Föhn lagen <strong>in</strong> den Schweizer Alpen, die oft genug durch<br />

unmerkliche Übergänge zu mehr oder m<strong>in</strong>der ausgesprochenen Mischformen führen:<br />

1. Zyklonalföhn (durch die Ausbildung und Wanderung e<strong>in</strong>es Tiefdruckgebietes nördlich oder südlich der<br />

Alpen wird zwischen Nord- und Südrand der Alpen e<strong>in</strong> Luftdruckgradient erzeugt).<br />

A. Nordföhn (Der Luftdruck ist nördlich der Alpen höher als südlich der Alpen).<br />

B. Südföhn (Der Luftdruck ist südlich der Alpen höher als nördlich vom Alpenkamm).<br />

Je nach der Grösse des Luftdruckgradienten kann man unterscheiden:<br />

α) Sehr schwache Luftdruckdifferenzen. = föhniges Wetter, föhnige Aufhellungen.<br />

β) Mittlere bis grosse Luftdruckdifferenzen. = Alpentalföhn (wilder Föhn).<br />

γ) Grosse, rasch sich ändernde Luftdruckdifferenzen. Dimmerföhn im Alpental, Alpenvorlandföhn<br />

im Mittelland.<br />

II. Antizyklonalföhn. (Über dem Alpengebiet liegt e<strong>in</strong> Hochdruckrücken. Die Wetterlage ist im allgeme<strong>in</strong>en<br />

nur föhnig. Im W<strong>in</strong>ter bleibt im Mittelland oft unter e<strong>in</strong>er Hochnebeldecke e<strong>in</strong> «Kältesee» liegen.<br />

Übergang zu stärkerer W<strong>in</strong>dbewegung relativ selten.)<br />

3. KAPITEL<br />

Föhnlagen im ersten Halbjahr 1937<br />

Entscheidende Bed<strong>in</strong>gung für das Auftreten von Föhn- und föhnartigen W<strong>in</strong>den ist - wie wir gesehen haben<br />

die Ausbildung e<strong>in</strong>er Luftdruckdifferenz zwischen dem Nord- und Süd-<br />

43 R. Billwiller, «Über verschiedene Ersche<strong>in</strong>ungsarten und Ersche<strong>in</strong>ungsformen des Föhns». Met. Zeitschr. 16. Jahrg., S.209.<br />

44 H. Wild, «Ueber den Föhn und Vorschlag zur Beschränkung se<strong>in</strong>es Begriffes». Denkschriften der Schweiz. <strong>Naturforschende</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong>, XXXVIII 1901. R. Billwiller sen., «Ueber den Vorschlag Wild's zur E<strong>in</strong>schränkung des Begriffes „Föhn”». Met.<br />

Zeitschr., 1903, S.241/247. Billwiller betrachtet den Föhn vom 18. Dezember 1902, sowie den mit Staubfällen verbundenen<br />

W<strong>in</strong>d vom 20.-23. Februar 1903 als charakteristische Beispiele von Antizyklonalföhnen. «In <strong>Zürich</strong> trat z. B. <strong>in</strong> der Nacht vom<br />

21./22. und vom Abend des 22. an auch während der folgenden Nacht e<strong>in</strong> solcher WSW-W<strong>in</strong>d stossweise mit entschiedenem<br />

Föhncharakter auf. Der Thermograph, der am 21. auf 60 stand, zeigte um Mitternacht, sowie am Spätabend des 22. mehrmals<br />

Temperatursprünge bis auf über 15°, wobei ... die relative Feuchtigkeit bis auf 30 % und darunter zurückg<strong>in</strong>g. Diese Föhnwirkung<br />

kam durchaus ohne das Gebirge zustande; die sog. typischen Föhnstationen <strong>in</strong> den Alpentälern (Altdorf, Glarus etc.) hatten<br />

<strong>in</strong> diesem Falle ke<strong>in</strong>e Föhnersche<strong>in</strong>ungen; es wurden die Talsohlen von dem herabsteigenden Luftstrom quer überweht.» Für<br />

Billwiller ist die thermodynamische Erklärung der Föhneigenschaften entscheidend.<br />

45 Über klassifikatorische, topologische und metrische Begriffsbildung siehe C. G. Hempel und T. Oppenheim Der Typusbegriff<br />

im Lichte der neuen Logik», 1936. Leiden.<br />

46 Vierteljahrsschrift der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Zürich</strong>, 1933, S.66.


- 13 -<br />

abhang der Alpen. Wir haben auf Grund dieses Kriteriums die Föhntage der Jahre 1927 bis und mit dem<br />

ersten Halbjahr 1937 zusammengezählt, uns aber dabei auf den sogenannten Südföhn beschränkt. Nordföhnlagen<br />

s<strong>in</strong>d speziell <strong>in</strong> den Sommermonaten häufiger als Südföhnlagen, worauf sich z.T. wenigstens<br />

die günstigen klimatischen Verhältnisse der südlichen<br />

Tabelle 1. Süd-, Nord- und Antizyklonalföhnlagen Januar bis August 1937<br />

Januar Februar März April Mai Juni Juli August Summe<br />

Südföhn 19 6 14 5 11 10 3 4 72<br />

Nordföhn 9 14 5 13 8 12 15 14 90<br />

Antizyklonalföhn - 4 1 1 2 1 2 6 17<br />

Alpentäler, z. B. des Tess<strong>in</strong>s oder des Wallis zurückführen lassen. Trotzdem haben wir die<br />

Nordföhnlagen nicht <strong>in</strong> unsere zehnjährige Aufstellung e<strong>in</strong>bezogen. Unsere Auszählung ergab - <strong>in</strong><br />

Analogie zu früher durchgeführten Zählungen 47 - die nachstehende Zahl von Südföhntagen nach Monaten<br />

und Jahren geordnet 48 . Die jahreszeitliche Verteilung der Föhntage weist <strong>in</strong> den Monaten März und<br />

November ausgesprochene Maxima, <strong>in</strong> den Sommermonaten Juli und August ebenso ausgesprochene<br />

M<strong>in</strong>ima auf. Dies ist <strong>in</strong> der Hauptsache auf die ger<strong>in</strong>geren Luftdruckdifferenzen während den<br />

sommerlichen Monaten zurückzuführen.<br />

Tabelle 2. Südföhnlagen (resp. Föhntage) 1927-1937<br />

Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.<br />

1927 4 7 8 3 10 8 3 5 8 10 14 7 87<br />

1928 10 5 15 8 2 4 2 4 3 10 7 2 72<br />

1929 6 5 1 7 5 1 2 1 5 10 15 9 67<br />

1930 13 12 14 11 5 3 4 3 5 8 12 5 95<br />

1931 3 2 5 7 13 3 5 8 3 4 16 5 74<br />

1932 9 1 11 10 9 9 6 9 8 10 7 11 100<br />

1933 5 7 11 3 4 1 0 1 7 10 8 3 60<br />

1934 10 7 10 15 3 3 2 1 7 11 9 9 87<br />

1935 1 5 9 10 10 11 1 5 13 8 17 10 100<br />

1936 17 10 18 8 6 8 8 4 12 4 13 17 125<br />

78 61 102 82 67 51 33 41 71 85 118 78<br />

1937 19 6 14 5 11 10 3 3 11 17 - -<br />

97 67 116 87 78 61 36 44 82 102 - -<br />

«Typische» Föhnwetterlagen s<strong>in</strong>d verhältnismässig selten, Mischformen stellen die Regel dar. Während<br />

der sogenannte Talföhn jedes Jahr vielleicht etwa 10 Mal <strong>in</strong> mehr oder weniger typischer Ausprägung zu<br />

beobachten ist, s<strong>in</strong>d die Dimmerföhne, die als Alpenvorlandföhn bis <strong>in</strong>s Mittelland h<strong>in</strong>übergreifen, sehr<br />

selten zu beobachten. Am häufigsten tritt föhniges Wetter auf, wobei der Talföhn entweder nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Tälern oder Talabschnitten oder gar nur Ansätze zum Talföhn zu beobachten s<strong>in</strong>d. Speziell das Jahr<br />

1936 zeichnete sich zwar durch zahlreiche Föhntage aus, aber während dem ganzen Jahre 1936 waren nur<br />

recht selten stärkere Talföhnstürme festzustellen. Im Gegensatz dazu zeigt die erste Hälfte des Jahres<br />

1937 neben föhnigen Tagen nicht nur Tage mit ausgesprochenem Talföhn <strong>in</strong> den nördlichen Alpentälern,<br />

sowie ausgeprägte Nordföhnperioden im Tess<strong>in</strong>, sondern auch am 21. Mai e<strong>in</strong>en Alpenvorlandföhn, der<br />

dank se<strong>in</strong>er grossen Wucht hauptsächlich <strong>in</strong> der Zentralschweiz schwere Sturmschäden verursacht hat.<br />

Schon am Neujahrstag 1937 herrscht leichte Föhnlage, wie denn überhaupt der Januar 1937 mit 19 Antizyklonal-<br />

und Südföhn- und 9 Nordföhntagen als ausgesprochener Föhnmonat angesprochen werden<br />

kann. Während am Neujahrstag e<strong>in</strong>e Nebelmeerdecke bei 600-700 m Höhe das Mittelland zudeckt, melden<br />

die Höhenstationen und die Gebirgstäler bei südlicher und südwestlicher Strömung heiteren Himmel.<br />

Am 2. Januar br<strong>in</strong>gt die Böenfront e<strong>in</strong>es bei Island<br />

47 So Wild, «Ueber den Föhn», 1901. J. Maurer, «Aus langjährigen Aufzeichnungen des Schweizerföhns». Met. Zeitschr., 1909,<br />

S.8. R. Streiff-Becker, «Die Föhnw<strong>in</strong>de». Vierteljahrsschr. Nat Ges. <strong>Zürich</strong>, 1933, S.66, u. a<br />

48 Dabei wurden solche Tage als Föhntage gezählt, bei denen zwischen dem Nord- und Südhang der Alpen e<strong>in</strong>e<br />

Luftdruckdifferenz von m<strong>in</strong>destens 2 mm auftrat, oder aber e<strong>in</strong> Hochdruckrücken, der «Antizyklonalföhn» erzeugte, über dem<br />

Alpenkamm lagerte.


T<br />

730<br />

750<br />

755<br />

760<br />

H<br />

730<br />

735<br />

740<br />

T<br />

6.I<br />

745<br />

770<br />

H<br />

775<br />

765<br />

Abb. 6. 9. Januar 1937 (7½h). Nordföhnlage.<br />

Die Böenl<strong>in</strong>ie des Tiefdruckgebietes,<br />

das vom 6 bis zum 8. Januar<br />

von Schottland über die Ostsee nach<br />

Russland zog (e~e~) und dort ausgefüllt<br />

wurde. hat die Bildung e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>en<br />

Teiltiefs bei Genua zur Folge gehabt<br />

Der Hochdruckkern über Europa ist<br />

durch Abfluss kalter Luftmassen aus<br />

Skand<strong>in</strong>avien im Rücken des Tiefdruckgebietes<br />

entstanden.<br />

740<br />

750<br />

T<br />

760<br />

730<br />

T<br />

730<br />

T<br />

755<br />

7.I<br />

760 765<br />

760<br />

T<br />

H<br />

8.I<br />

T<br />

760<br />

780<br />

775<br />

770<br />

Abb. 7. 15. Januar 1937, 19h. Südföhnlage.<br />

E<strong>in</strong>e schwache Tiefdruckr<strong>in</strong>ne<br />

wurde im Laufe des 15. Januar <strong>in</strong> West-<br />

Frankreich bis nach Belgien durch<br />

kalte, aus dem Osten Europas zufliessende<br />

Luftmassen bis auf e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en<br />

Rest über Belgien ausgefüllt. In den Alpen<br />

hat sich bei leichtem Fall des Luftdruckes<br />

nördlich der Alpen e<strong>in</strong> Föhnknie<br />

gebildet Die leichte Südföhnlage<br />

führt am 16. .Januar zu teilweiser Aufheiterung.<br />

Erst am 18. Januar wird die<br />

Schweiz von e<strong>in</strong>er Regenzone des von<br />

Island über Südengland nach der Nordsee<br />

verschobenen<br />

- 14 -<br />

gelegenen Tiefdruckgebietes mit Westw<strong>in</strong>den Regen. Da aber der Unterschied<br />

des Luftdruckes zwischen Nord- und Südhang der Alpen auf 3-4<br />

mm steigt, werden die Gebirgstäler durch leichte südliche W<strong>in</strong>dströmungen<br />

vor Regen oder völliger Bedeckung bewahrt, e<strong>in</strong>e Wetterlage, die im<br />

W<strong>in</strong>ter immer wieder zu beobachten ist und die grössere Sonnensche<strong>in</strong>dauer<br />

und Trockenheit der rätischen Alpen verständlich macht. Am 4. Januar<br />

führt e<strong>in</strong> über den Alpen und Südbayern gelegenes Hochdruckgebiet<br />

zu e<strong>in</strong>er Art Antizyklonalföhn mit schwacher Nebelbildung im Mittelland.<br />

Am folgenden Tag herrscht <strong>in</strong> der Ostschweiz schwacher Föhn 49 . Vom 6.<br />

bis zum 9. Januar bildet sich e<strong>in</strong>e ausgesprochene Nordföhnlage aus mit<br />

Regen oder leichtem Schneefall auf der Alpennordseite und heiterem<br />

Wetter bei Nordsturm im Tess<strong>in</strong> 50 .<br />

Am 14. Januar leichte Südföhnlage mit Druckdifferenzen von 5-6 mm,<br />

wodurch vor allem <strong>in</strong> den Gebirgstälern vorübergehende Aufhellungen<br />

auftreten.<br />

Am 20. Januar entsteht auf Grund e<strong>in</strong>es Vorstosses des Azorenmaximums<br />

von Südwestfrankreich bis <strong>in</strong>s Alpengebiet und die Ausbildung e<strong>in</strong>es<br />

Teiltiefs über Dalmatien wieder Nordföhnlage. Schon am gleichen Tage<br />

füllt sich das dalmat<strong>in</strong>ische Teiltief aus. E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Hochdruckkern über<br />

den Alpen leitet zur Südföhnlage über, welche zunächst durch Steigerung<br />

des Druckes südlich der Alpen, dann durch den von e<strong>in</strong>er herannahenden<br />

atlantischen Depression ausgelösten Druckfall nördlich der Alpen verstärkt<br />

wird und am 25. Januar zu starkem Südw<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Höhe führt. Nur<br />

<strong>in</strong> wenigen hochgelegenen Tälern vermag sich der Südw<strong>in</strong>d als Talföhn<br />

durchzusetzen, da Kaltluft im Mittelland lagert, wie aus der Höhe der Nebelschicht<br />

bis 800 m hervorgeht. Es regnet im Mittelland und auf der Südseite<br />

der Alpen, auch e<strong>in</strong>ige Alpenstationen erhalten wenig Neuschnee.<br />

Da aber die atlantische Depression nordöstlich <strong>in</strong> der Richtung gegen Island<br />

abwandert, trotzdem allgeme<strong>in</strong>er Druckfall über Westeuropa e<strong>in</strong>tritt,<br />

vermag sich der Südsturm auf den Alpengipfeln nicht <strong>in</strong> allen Alpentälern<br />

bis zum ausgesprochenen Talföhn zu entwickeln. Das Wetter bleibt aber<br />

auch an den folgenden Tagen bis Ende des Monats föhnig. Am 31. Januar<br />

streicht z. B. über den Alpenkamm e<strong>in</strong>e schwache, relativ milde Südströmung,<br />

die den <strong>in</strong>neren Alpentälern heiteren Himmel br<strong>in</strong>gt 51 .<br />

Der Februar 1937 weist nur 6 Südföhntage, dagegen 14 Nordföhntage und<br />

4 mehr oder weniger ausgesprochene Antizyklonalföhntage auf. Wir begnügen<br />

uns <strong>in</strong> der Folge - abgesehen von der Besprechung ganz besonders<br />

<strong>in</strong>teressanter Fälle - mit e<strong>in</strong>er summarischen Aufzählung.<br />

49 5. Januar 1937. Heiden: SW 3 , Temp. 3°; Chur: SSE 1 , Temp.-1°; Säntis SS 2 , Temp. -6°; Weissfluhjoch:S 1 , Temp. -7°.<br />

50 9. Januar, 7½h , Lugano: NNE 1 , Temp. 4°; Monte Brè: N 4 , Temp. 1°; Gotthard: N 2 , Temp. 12°.<br />

51 Die seit dem Jahre 1936 veröffentlichten Pilotballonbeobachtnngen der schweizerischen Flugplätze haben unsere Kenntnisse<br />

der Luftbewegungen wesentlich erweitert. Am 9. Januar herrscht bei Nordföhnlage <strong>in</strong> Basel bis 1500 m Ost- und<br />

Südostströmung, darüber Nordostw<strong>in</strong>de (bis 65 km/h). Am 13. Januar ist bei, 800 m Temperatur<strong>in</strong>version zu beobachten. Basel<br />

meldet bis 1000 m schwachen Ost- und Südostw<strong>in</strong>d, bei 1500 m W<strong>in</strong>dstille, darüber aber Nordwestw<strong>in</strong>de. Am 24. Januar<br />

dagegen, bei ausgesprochener Südföhnlage, werden bis 1500 m Südostw<strong>in</strong>de (10-30 km/h), darüber West- und Südwestw<strong>in</strong>de<br />

gemeldet. Ebenso beobachtet man am 25. Januar <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> bis 500 m W<strong>in</strong>dstille, bei 1000 m Südsüdostw<strong>in</strong>d, bei 1500 m<br />

Südwestw<strong>in</strong>d (30 km/h). Analoge Beobachtungen meldet Basel, nur hat sich dort das Niveau des Südwestw<strong>in</strong>des wesentlich<br />

gesenkt (1000 m).


- 15 -<br />

1. Februar. Mässiger Südw<strong>in</strong>d br<strong>in</strong>gt den Alpen Erwärmung. Trotz Föhnknie<br />

Schneetreiben auf dem Zentralalpenkamm. Am 2. Februar durch Ausbildung<br />

e<strong>in</strong>es Tiefdruckgebietes über Italien vorübergehende Nordföhnlage,<br />

die durch Vermittlung e<strong>in</strong>es Hochdruckgürtels beidseitig der Alpen <strong>in</strong> Antizyklonalföhn<br />

übergeht (3. und 4. Februar). Am 5. und 6. Februar schwache<br />

Südföhnlage:<br />

«Das Mittelland ist mit Ausnahme e<strong>in</strong>iger Stationen im Osten bedeckt. Die<br />

Alpen melden Schneefälle. Es regnet am Alpensüdfuss (5. Februar)... Es<br />

schneit auf den Höhen über 1500. Nur Mittelgraubünden und das vordere<br />

Rhe<strong>in</strong>tal melden unter Föhne<strong>in</strong>fluss am Morgen leichtere Bewölkung. (6.<br />

Februar.)»<br />

Am 7. Februar Aufhellung dank Ausbildung e<strong>in</strong>es schwachen Hochdruckgebietes<br />

über den Alpen und der Schweiz. Nach dem 8. Februar bricht e<strong>in</strong>e<br />

neue Depression <strong>in</strong> den Kont<strong>in</strong>ent e<strong>in</strong>. Kalte Polarluftmassen, die an ihrer<br />

Rückseite nach Süden strömen, stauen sich am Alpenkamm und erzeugen<br />

e<strong>in</strong>e typische Nordföhnlage im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>em Tiefdruckgebiet<br />

über der Adria und Italien. Am 12. Februar entwickelt sich aus dieser Nordföhnlage<br />

e<strong>in</strong>e vorübergehende Antizyklonalföhnphase (13. Februar), die<br />

wieder mit Nordföhn (14./15. Februar) und mit leichter Erwärmung verbundener<br />

Antizyklonalföhnphase abwechselt. Am 18. Februar tritt e<strong>in</strong>e<br />

leichte Staulage bei Nordwestströmung e<strong>in</strong>: Neuschnee fällt auf der Alpennordseite,<br />

während aus dem Tess<strong>in</strong> von heiterem, warmem Wetter mit<br />

Nordw<strong>in</strong>d (Lugano NNE 2 ) berichtet wird. Auch <strong>in</strong> der Höhe wehen fast<br />

immer West- und Südwestw<strong>in</strong>de. Am 23. Februar entsteht durch e<strong>in</strong>e über<br />

Ostpreussen abziehende Depression e<strong>in</strong>e ähnliche Nordföhnlage wie am 9.<br />

Januar. (Mittelland und Alpennordseite starke Schneefälle und stürmische<br />

Westw<strong>in</strong>de; Tess<strong>in</strong> hell mit Nordsturm.) Am 27. Februar konnte föhniges<br />

Wetter bei vorübergehender Südföhnlage festgestellt werden.<br />

Im März herrschen die Südföhntage vor: 14 Südföhntage gegenüber 5<br />

Nordföhntagen und 1 Antizyklonalföhntag. Am 4./5. März verzeichnen die<br />

Hochstationen Temperaturanstiege von 7 - 9°, die östlichen Alpentäler s<strong>in</strong>d<br />

föhnig.<br />

5./6. März Nordweststurm mit Schneefall. Im Tess<strong>in</strong> Nordföhn. Schon am<br />

nächsten Tage schlägt die W<strong>in</strong>drichtung nach Südwest um, e<strong>in</strong> Tiefdruckgebiet<br />

nähert sich über Frankreich, es entsteht Südföhnlage, da zugleich<br />

südlich der Alpen der Luftdruck nur langsam fällt. Die Schweiz ist noch am<br />

9. März im «Westen und Süden bedeckt, zum Teil mit Niederschlägen, im<br />

Osten dagegen nur leicht bewölkt oder heiter».<br />

T<br />

730<br />

T<br />

T<br />

745<br />

750<br />

755<br />

760<br />

765<br />

Abb. 8 5. Februar 1937,19 h. Föhnige<br />

Aufheiterung. Nachdem e<strong>in</strong> Vorstoss<br />

kalter kont<strong>in</strong>entaler Luft aus dem<br />

Osten Europas nach Mitteleuropa am<br />

2.13. Februar erfolgt war, saugte bis<br />

zum 5. Februar e<strong>in</strong>e Zyklonenfamilie<br />

maritime Meeresluft <strong>in</strong> südwestlicher<br />

Strömung auf den Kont<strong>in</strong>ent Trotz<br />

dem Fehlen des ausgesprochenen<br />

Föhnknies herrscht am 5./6. Februar<br />

leichter Überdruck südlich der Alpen,<br />

so dass vor allem der östliche Teil der<br />

Schweiz föhnige Aufheiterung<br />

erfährt.<br />

750T<br />

T<br />

730 725<br />

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760<br />

H<br />

T<br />

750<br />

H<br />

765<br />

760<br />

755<br />

Abb. 9. 12. Februar 1937, 8h. Nordföhnlage.<br />

Am Alpenkamm hat sich<br />

e<strong>in</strong> ausgesprochenes Nordföhnknie<br />

entwickelt. Lugano ist hell bei N 2,<br />

Monte Brè N 4, Gotthard N 2, während<br />

nördlich der Alpen stellenweise<br />

Schnee fällt oder gefallen ist.<br />

E<strong>in</strong> Tiefdruckgebiet folgt dem andern. Immer wieder wechseln Regenfälle mit föhnigen Aufhellungen.<br />

Am 13./14. März wehen starke Südsüdwestw<strong>in</strong>de auf dem Alpenkamm, Regen und Schnee fällt am<br />

Alpensüdfuss und <strong>in</strong> Graubünden, die Ostschweiz ist dagegen niederschlagsfrei, aus den Alpentälern wird<br />

starker Südföhn bei bedecktem Himmel gemeldet (Glarus z. B. S 3 bei bedecktem Himmel, um Mittag<br />

Regen bei So. In Chur steigt am 13. März um 13½ h die Temperatur auf 11°; <strong>Zürich</strong> 6°, Bern 3°).<br />

E<strong>in</strong>e neue Südföhnlage stellt sich am 18./19. März e<strong>in</strong>. Glarus und Chur berichten am 18. März mittags<br />

besonders hohe Temperaturen bei Südwestw<strong>in</strong>d (Chur SW 2 ) und Westw<strong>in</strong>d (Glarus Wo): Glarus 13°,<br />

Chur 16°, während <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> nur 8°, <strong>in</strong> Basel und Locarno bloss 7° gemessen werden.<br />

21. März leichter Nordföhn. 22. März leichte Südföhnlage. Analog am 25. März schwacher Nordföhn<br />

(ebenso am 29. März mit Übergang zur Ausbildung e<strong>in</strong>er Hochnebeldecke). Am


H<br />

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H<br />

770<br />

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775<br />

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- 16 -<br />

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760 765<br />

755<br />

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750<br />

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740<br />

T<br />

755<br />

750<br />

T<br />

745<br />

Abb. 10. 4. März 1937,19h Im Osten<br />

föhnig. An Stelle e<strong>in</strong>es Föhnknies beobachtet<br />

man e<strong>in</strong>e Föhnzunge höheren<br />

Luftdruckes südlich der Alpen. „e<strong>in</strong>e<br />

Störungsl<strong>in</strong>ie brachte auf der ganzen Alpennordseite<br />

im verlaufe«des 4.März<br />

„leichte Schneefälle und später mit zunehmender<br />

Erwärmung Regen. Am stärksten<br />

waren die Niederschläge im Westen<br />

des Landes. «Ke<strong>in</strong> Niederschlag fällt<br />

<strong>in</strong> den ausgesprochenen Föhnstationen<br />

(Heiden, Chur, Gr<strong>in</strong>delwald, Zermatt,<br />

Davos, Arosa, Glarus nur 1 cm, Gotthard<br />

2 cm), dagegen misst <strong>Zürich</strong> 4, Basel 11,<br />

Bern 13, Genf 22 cm. In Heiden steigt<br />

vom 3. zum 4. März die Temperatur<br />

mittags von -1° auf 5° bei SE3, <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong><br />

nur von 3 auf 4°. Deshalb stellt der Wetterbericht<br />

fest: „Der Osten des Landes<br />

und das Wallis s<strong>in</strong>d leichter bewölkt«.<br />

T<br />

760<br />

750<br />

760<br />

765<br />

755<br />

T<br />

750<br />

Abb. 11.6. März 1937, 8h vorübergehende<br />

Nordföhnlage. Im Rücken des<br />

über Holland liegenden Tiefdruckgebietes<br />

floss am 5. März maritime Luft<br />

gegen die Alpen, wodurch - wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

im Zusammenhang mit dem vom<br />

Atlantischen Ozean heranziehenden sich<br />

vertiefenden Tiefdruckgebiet - e<strong>in</strong> Gebiet<br />

steigenden Luftdruckes über dem<br />

Rhonetal entstand. Die Nordföhnphase<br />

g<strong>in</strong>g allerd<strong>in</strong>gs schon am 7. März wieder<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Südföhnlage über. In Lugano<br />

wurden am 5. März mittags 5° bei Regen<br />

und Nordw<strong>in</strong>d beobachtet, am 6. März<br />

stieg die Temperatur von 3° am Morgen<br />

auf 14° am Mittag, der Nordw<strong>in</strong>d (Ni)<br />

steigerte sich bei heiterem Himmel auf<br />

W<strong>in</strong>dstärke 3.<br />

755<br />

765<br />

Abb. 12. 17. März 1937, 19h. Südföhnlage.<br />

Am 16. März liegt nördlich dem<br />

Alpenkamm e<strong>in</strong> Hochdruckband, über<br />

dem Mittelmeer e<strong>in</strong> Hochdruckkern.<br />

Kalte Polarluft lagert <strong>in</strong> breiter Schicht<br />

über Ostfrankreich, Süddeutschland und<br />

der Schweiz. E<strong>in</strong> neuer Schub wärmerer<br />

maritimer Luftmassen erzeugt am<br />

17.118. März e<strong>in</strong>e typische Südföhnlage:<br />

Hochdruck über der Adria, Tiefdruck<br />

über den britischen Inseln. Das Föhnknie<br />

ist deutlich ausgeprägt.<br />

750<br />

T<br />

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755<br />

H<br />

H<br />

775<br />

770<br />

765<br />

26. März leichte vorübergehende Südföhnlage als Folge e<strong>in</strong>er rasch<br />

von Island nach Belgien verlagerten, reiche Niederschläge verursachenden<br />

Teildepression.<br />

Ähnlich wie im Februar herrschen im April 1937 die Nordföhntage<br />

vor: 13 Nordföhntage,5 Südföhntage, 1 Antizyklonalföhntag.Die<br />

meisten Nordföhnlagen s<strong>in</strong>d auf die Bildung von kle<strong>in</strong>eren oder grösseren<br />

Depressionen über Italien oder der Adria bei gleichzeitigem<br />

mehr oder m<strong>in</strong>der ausgeprägtem Stau am Alpennordrand zurückzuführen,<br />

so am 4./5. April, 7./8. April, 15. April, 17. April, 25. April,<br />

27./29. April.<br />

Der starke Nordföhn vom 22/24. April aber verdankt se<strong>in</strong>e Ausbildung<br />

derVerlagerung e<strong>in</strong>es Hochdruckgebietes von den Azoren nach<br />

Frankreich und Grossbritannien im Anschluss an den Abzug zweier<br />

Tiefdruckgebiete über die Ostsee, den Vorstoss kalter Polarluft von<br />

Island über Grossbritannien und die Ausbildung e<strong>in</strong>es<br />

T<br />

750<br />

760<br />

H<br />

750<br />

T<br />

745<br />

Abb. 13. 3. April 1937. Südföhnlage mit<br />

Teildepression. Überdruck Lugano-Chur<br />

ca. 5 mm. Temperatur <strong>in</strong> Chur 2. April<br />

mittags 16°, <strong>Zürich</strong> 14°, 3. April mittags<br />

Chur 15° (SW2), <strong>Zürich</strong> 10°; Lugano 2.<br />

April 13° und bedeckt, 3. April 8° und<br />

Regen. Über dem Bodensee hat sich e<strong>in</strong>e<br />

kle<strong>in</strong>e Teildepression gebildet. Im Laufe<br />

des 3. April führt e<strong>in</strong>e von Westen<br />

heranziehende Kaltfront zur Bedeckung<br />

der Alpennordseite und später zu<br />

Niederschlägen.<br />

kle<strong>in</strong>en Teildepressionsgebietes <strong>in</strong> Norditalien. Auf dem Jungfraujoch steigert sich der Nordweststurm bis<br />

auf über 80 km/Std., <strong>in</strong> Lugano wird die W<strong>in</strong>dstärke NNE 3 , auf dem Monte Brè N4 gemessen. Gleichzeitig<br />

steigt die Temperatur <strong>in</strong> Lugano auf 11°, trotzdem auf dem Alpenkamm heftige Neuschneefälle e<strong>in</strong>gesetzt<br />

haben (Jungfraujoch -17°, Säntis -11°). Wahrsche<strong>in</strong>lich handelt es sich bei der Verschiebung des<br />

Hochdruckgebietes von der Westküste Frankreichs über die britischen Inseln nach Island um die Wirkung<br />

e<strong>in</strong>er grossen atlantischen Depression, die am 24. April auf dem Ozean erkennbar wird und deren östliches<br />

Steiggebiet dieses Hochdruckgebiet se<strong>in</strong> dürfte.<br />

Der Südsturm über den Alpengipfeln am 3. April folgt auf e<strong>in</strong>e schwache Südföhnlage, die der Ostschweiz<br />

heiteres Wetter am 2. April bescherte. Aus der Pilotballonbeobachtung des Flugplatzes Dübendorf<br />

lässt sich entnehmen, dass uni 10 h am 3. April bis 1000 m mässige<br />

T<br />

750<br />

T<br />

760


nordwestliche W<strong>in</strong>de (11 km) wehen,<br />

während <strong>in</strong> 1500 m schwacher Südwestw<strong>in</strong>d<br />

(11 km) und <strong>in</strong> 3000 m mittlerer<br />

Südw<strong>in</strong>d (28 km/Std.) bläst. Im<br />

Tess<strong>in</strong> und <strong>in</strong> der Westschweiz regnet<br />

es, <strong>in</strong> der Ostschweiz ist der Himmel<br />

nur bedeckt oder stark bewölkt.<br />

Leichte Südföhnlage herrscht am<br />

12./13. April, während am 10. April <strong>in</strong><br />

den östlichen Alpentälern mittelstarker<br />

Talföhn weht, der mittags <strong>in</strong><br />

Chur die Temperatur auf 17°<br />

gegenüber 13° <strong>in</strong> Basel und <strong>Zürich</strong><br />

h<strong>in</strong>auftreibt.<br />

- 17 -<br />

Abb. 14. Föhnhimmel vom 3. April 1937, 10h morgens, aufgenommen unterhalb<br />

Kranzkopf ob Ennenda, ca. 1000 m über Meer. Nebel und Dunstschicht bis ca. 1000 m<br />

Nordw<strong>in</strong>d (N1-2), darüber Föhnmauer, Föhnfenster, <strong>in</strong> der Höhe geschlossene<br />

Stratusdecke (Phot R. Streiff-Becker).<br />

Im Mai verschiebt sich das Verhältnis zu Gunsten des Südföhns: 11 Südföhnlagen, 8 Nordföhnlagen und<br />

2-3 Antizyklonalföhntage. Vom 1. zum 3. Mai geht e<strong>in</strong>e leichte Nordföhnlage <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e leichte Südföhnlage<br />

über: am 3. Mai herrscht auf den Höhenstationen e<strong>in</strong>e süd-süd-östliche Strömung, während der<br />

Alpennordfuss unter e<strong>in</strong>er Hochnebeldecke liegt. Die Temperatur ist mild. Am 5. Mai gibt e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e<br />

Depression <strong>in</strong> der lombardischen Tiefebene und e<strong>in</strong> Vorstoss des Azorenhochs nach Frankreich und<br />

Süddeutschland Veranlassung zu mässigem<br />

H<br />

750<br />

770<br />

745 T<br />

T<br />

750<br />

765<br />

T<br />

750<br />

760 760<br />

Abb. 15. 11. Mai 1937, 8h «Typische»<br />

Südföhnlage. Mittagstemperatur Locarno 130,<br />

Glarus 210 (SE:), <strong>Zürich</strong> 190, Basel 150.<br />

Überdruck von 5 mm. nimmt rasch ab unter<br />

starker Zunahme der Bewölkung. Schön<br />

ausgeprägtes Föhnknie. In der Höhe weht <strong>in</strong><br />

<strong>Zürich</strong> bei 500mW-W<strong>in</strong>d (9 km/Std.), 1500 m<br />

SSE-W<strong>in</strong>d (26 km/Std.), darüber SW-W<strong>in</strong>d<br />

(bis 50 km/ Std. <strong>in</strong> 6000m). Die Föhnströmung<br />

schiebt sich zwischen die allgeme<strong>in</strong>e<br />

maritime Südwestströmung e<strong>in</strong>.<br />

H<br />

765<br />

765<br />

H<br />

750<br />

755<br />

760<br />

T<br />

745<br />

765 760<br />

T<br />

Abb. 16.16. Mai 1937. Vorübergehende<br />

Antizyklonalföhnlage. Der kle<strong>in</strong>e Hochdruckkern<br />

über den Alpen zeigt schwaches<br />

südnördliches Druckgefälle, so dass die Antizyklonallage<br />

nicht re<strong>in</strong> ausgeprägt ersche<strong>in</strong>t,<br />

vielmehr nur e<strong>in</strong>en Übergangszustand zwischen<br />

zwei Südföhnlagen bildet. In der Höhe<br />

herrscht schwache Südströmung. Temperatur<br />

mittags Lugano 19°, Glarus 24°, <strong>Zürich</strong> 23°,<br />

Basel 21°, bei mässigem Südföhn <strong>in</strong> Glarus<br />

und Chur, während vormittags die Temperatur<br />

<strong>in</strong> Lugano 14°, Glarus 10°, <strong>Zürich</strong> 13°<br />

betrug, was offenbar auf die stärkere<br />

Bewölkung des Alpensüdfusses zurückzuführen<br />

ist.<br />

765<br />

T<br />

760<br />

T<br />

H<br />

765<br />

H<br />

765<br />

765<br />

H<br />

765<br />

775<br />

755<br />

760<br />

765<br />

H<br />

T<br />

750<br />

19.V.9h<br />

19.V.9h<br />

21.V.9h<br />

H<br />

770<br />

21.V.9h<br />

H<br />

T<br />

760<br />

20.V.9h<br />

765<br />

T<br />

T<br />

19.V.9h<br />

Abb. 17. 22. Mai 1937, 8h. Nordföhnlage<br />

nach Südsturmföhn. ~ Wege der Tiefdruckgebiete.<br />

Nachdem am Rande der südlichen<br />

Luftströmung aus Tunis und Tripolis<br />

e<strong>in</strong> Randwirbel aus der Sahara bis nach<br />

Schottland vom 19. bis zum 21. Mai<br />

wanderte, schoben sich von Südwesten<br />

maritime Luftmassen nach Mitteleuropa, wodurch<br />

e<strong>in</strong> Hochdruckgebiet nördlich der<br />

Alpen entstand mit unvermitteltem Übergang<br />

von Südsturmföhn zu Nordföhnlage. Das<br />

grosse südlich von Island gelegene Tiefdruckgebiet,<br />

das die warmen tropischen Luftmassen<br />

angesogen hatte, verschob sich nur wenig,<br />

füllte sich aber doch etwas aus.<br />

Nordföhn (5.-7. Mai) mit starker Erwärmung des Tess<strong>in</strong>s. (Am 6. Mai <strong>Zürich</strong> 13½ h 17°, Lugano 25°; 8.<br />

Mai <strong>Zürich</strong> 13½ h 19°, Lugano 15°.)<br />

E<strong>in</strong>e leichte Südföhnlage vom 10. Mai führt am 11. Mai zu schwächerer Südströmung, wodurch die<br />

östlichen Gebirgstäler bis zum 12. Mai vom Regen verschont bleiben, der Alpensüdfuss und die Westschweiz<br />

starken Regen erhalten.<br />

Da aber die am 11. Mai über Frankreich liegende Depression sich nur auf die südliche Nordsee verlagert,<br />

daher mehr und mehr ausgefüllt wird und sich schliesslich am 15. Mai mit e<strong>in</strong>em vom Ozean herangerückten<br />

Tief zu e<strong>in</strong>er Tiefdruckr<strong>in</strong>ne vere<strong>in</strong>igt, bleibt der Überdruck südlich der Alpen erhalten.<br />

760<br />

760


H<br />

765<br />

755<br />

760<br />

760<br />

750<br />

745<br />

T<br />

T<br />

755<br />

H765<br />

Abb.18. 10. Juni 1937, 8h. Südföhnlage aus<br />

Hochdruckkern. E<strong>in</strong>e besonders <strong>in</strong>teressante<br />

Südföhnlage mit extrem hohen Junitemperaturen<br />

nördlich der Alpen (10. Juni mittags Basel 31°,<br />

<strong>Zürich</strong> 32°, Chur 29°, Glarus 31° (Chur SE2,<br />

Glarus SE3), Locarno 23°) trotz relativ ger<strong>in</strong>gem<br />

Überdruck (3-4 mm). Der über den Zentralalpen<br />

liegende Hochdruckkern hat e<strong>in</strong> schwaches<br />

Druckgefälle nach Norden zur Folge. Am Vormittag<br />

des 10. Juni wehen <strong>in</strong> Basel und <strong>Zürich</strong><br />

bis 2000 m südliche und südöstliche W<strong>in</strong>de (bei<br />

500 oder 1000 m bis 30 Std./km), darüber aber<br />

nordwestliche (<strong>Zürich</strong>) und nordöstliche W<strong>in</strong>de.<br />

Erst am Freitag setzt auch <strong>in</strong> der Höhe südwestliche<br />

Luftströmung e<strong>in</strong>. Noch am 8. Juni wurden<br />

<strong>in</strong> Chur mittags nur 20°, aber 25° <strong>in</strong> Locarno<br />

gemessen, am 11 Juni wurden wiederum<br />

extreme Mittagstemperaturen bei Fortbestand<br />

der schwachen Südföhnlage erreicht (kle<strong>in</strong>er<br />

Hochdruckkern bei Mailand): Glarus 3l°, Chur<br />

33°, <strong>Zürich</strong> 32°.<br />

H<br />

765<br />

e<strong>in</strong>en schmalen Hochdruckrücken mit antizyklonaler föhniger<br />

Aufhellung beidseits der Alpen zurück, der dank schwacher<br />

Teildepression erst <strong>in</strong> Holland, dann <strong>in</strong> Westfrankreich als<br />

kle<strong>in</strong>es Hochdruckgebiet südlich der Alpen vom 9. bis 11. Juni<br />

zu ausgeprägter Südföhnlage führt.<br />

Mehrere Gewitterfronten, die vom Ozean nach Osten<br />

heranrollen, lösen sich <strong>in</strong> der warmen Föhnströmung auf;<br />

- 18 -<br />

Am Pf<strong>in</strong>gstmontag stellt sich Antizyklonalföhnlage e<strong>in</strong> mit schwachen<br />

Nordwestw<strong>in</strong>den im Tess<strong>in</strong> und südlichen W<strong>in</strong>den nördlich<br />

der Alpen.<br />

Schon am 17. Mai herrscht wieder schwacher Überdruck südlich<br />

der Alpen. Am 18. Mai «bestand e<strong>in</strong>e ausgesprochene Föhnlage mit<br />

Regen am Alpensüdfuss». Ähnlich wie am 3. April liegt neben dem<br />

Hauptdepressionsgebiet <strong>in</strong> Westfrankreich nördlich der Alpen e<strong>in</strong>e<br />

kle<strong>in</strong>e Teildepression.<br />

Die Föhnlage erhält sich auch am 19. Mai und führt am 20./21. Mai<br />

zufolge der Verschiebung e<strong>in</strong>es Depressionsgebietes von Korsika<br />

über Lyon bis nach Belgien am Rande e<strong>in</strong>er starken Strömung<br />

tropischer Warmluft mit Saharastaub zu starken Föhnstürmen vom<br />

Nachmittag des 20. Mai bis <strong>in</strong> den frühen Morgen des 21. Mai. In<br />

den Alpentälern herrscht der Dimmerföhn, im Mittelland weht der<br />

Alpenvorlandföhn <strong>in</strong> selten beobachteter Heftigkeit. Wir werden<br />

diesen <strong>in</strong>teressanten Föhnsturm im 5. Kapitel e<strong>in</strong>lässlich besprechen.<br />

Am 21. Mai setzen here<strong>in</strong>brechende maritime Kaltluftmassen<br />

der Föhnlage so rasch e<strong>in</strong> Ende, dass schon am 22. Mai e<strong>in</strong>e Nordföhnlage<br />

durch Stauung der heranflutenden Luftmassen am Alpennordrand<br />

e<strong>in</strong>tritt, die bis zum 29. Mai auskl<strong>in</strong>gt, nachdem sie am<br />

25./26. Mai vorübergehend durch Ausbildung e<strong>in</strong>es Hochdruckgebietes<br />

über Mitteleuropa unterbrochen wurde.<br />

Entsprechend der <strong>in</strong> den Sommermonaten üblichen Verflachung<br />

der Luftdruckverteilung s<strong>in</strong>d im Juni nur noch leichtere, aber nicht<br />

weniger <strong>in</strong>teressante Föhnlagen 52 zu beobachten: Am 2. und 3. Juni<br />

herrscht leichte Nordföhnlage, die vom 5. zum 7. Juni <strong>in</strong> leichte<br />

Südföhnlage übergeht. E<strong>in</strong> Vorstoss des über Russland entstandenen<br />

Hochdruckgebietes am 7. Juni lässt über dem Alpengebirge<br />

T<br />

H<br />

a) bei Südföhn b) bei Nordföhn<br />

Abb. 19. Das «Föhnknie.<br />

dafür werden im schweizerischen Mittelland besonders hohe Mittagstemperaturen beobachtet bei äusserst<br />

unangenehmer Schwüle. Am 10. Juni misst man mittags <strong>in</strong> Locarno 23°, <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> aber 32°. Am Abend<br />

des 11. Juni bricht die Föhnlage zusammen um von heiterem Sommerwetter abgelöst zu werden. Nach<br />

Berichten e<strong>in</strong>es Flugzeugführers, konnte auf dem Streckenflugzeug Marseille-<strong>Zürich</strong> braungelber Staub<br />

gesammelt werden.<br />

Vom 13. bis zum 18. Juni weht <strong>in</strong> wechselnder Stärke im Tess<strong>in</strong> Nordföhn. Desgleichen ist am 20. und<br />

21. Juni e<strong>in</strong>e leichte Nordföhnlage festzustellen.. Am 23. und 24. Juni verzögert e<strong>in</strong>e Südföhnlage <strong>in</strong> der<br />

Ostschweiz die Niederschlagbildung. Am 26. Juni schafft der Vorstoss des Azorenhochs nach Südfrankreich<br />

e<strong>in</strong>e leichte Nordföhnlage. Am 28. Juni ist der mitteleuropäische Hochdruck bereits wieder verschwunden;<br />

e<strong>in</strong> bei Schottland liegendes Tiefdruckgebiet führt durch den Abbau dieses Hochdruckes zu<br />

leichter Südföhnlage, die am 30. Juni <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er von der Ostsee bis <strong>in</strong> die Poebene reichenden Störungsl<strong>in</strong>ie<br />

e<strong>in</strong>e besonders schön ausgebildete Nordföhnlage nach sich zieht.<br />

Unsere knapp gefasste Übersicht der Föhnlagen des ersten Halbjahres 1937 dürfte dem Leser gezeigt<br />

haben, wie vielgestaltig die meteorologischen Möglichkeiten s<strong>in</strong>d, die zur Ausbildung e<strong>in</strong>er Föhnlage<br />

führen können. E<strong>in</strong>e Südföhnlage entsteht normalerweise dann, wenn<br />

H<br />

T<br />

52 12 Nordföhntage, 10 Südföhntage, 1 Antizyklonalföhnlage.


- 19 -<br />

e<strong>in</strong> Tiefdruckgebiet von Westen her auf den europäischen Kont<strong>in</strong>ent zuwandert, während Nordföhnlagen<br />

ursächlich meistens mit e<strong>in</strong>em Vorstoss des Azorenhochdruckes nach Mitteleuropa eventuell nach Abzug<br />

e<strong>in</strong>es Tiefdruckgebietes über der Ostsee und der Ausbildung von Tiefdruckgebieten südlich des Alpenwalles<br />

verknüpft s<strong>in</strong>d. Häufig bildet sich dabei im Isobarenbild das sowohl für Nord- als auch Südföhn<br />

charakteristische, dem Alpenbogen entlangführende «Föhnknie» aus.<br />

Stärke, Richtung und Wirkung der Föhnw<strong>in</strong>de s<strong>in</strong>d nicht nur von der geographischen Verteilung des<br />

Luftdruckes, sondern mehr noch von dessen zeitlicher Änderung bestimmt. Wenn wir im folgenden zwei<br />

Föhnstürme der letzten Jahre zur näheren Besprechung herausgreifen, so s<strong>in</strong>d wir uns dessen bewusst,<br />

dass es sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gewissen S<strong>in</strong>ne um Ausnahmefälle handelt. Aber diese Ausnahmefälle lassen doch<br />

typische Merkmale des Föhns deutlich erkennen.<br />

4. KAPITEL<br />

Der A1pentalföhn vom 9./10. November 1934<br />

Als Beispiel e<strong>in</strong>es Alpentalföhnes wählen wir den Föhnsturm vom 9./10. November 1934, der meistens<br />

bei bedecktem Himmel blies, aber kurz vor dem Erlöschen bei relativ grossen W<strong>in</strong>dstärken <strong>in</strong> den Föhntälern<br />

und im Mittelland Aufhellung brachte. Die Wetterlage entwickelte sich folgendermassen. Am<br />

Nachmittag des 8. November lagen über Mittel- und Nordwesteuropa drei Tiefdruckgebiete: E<strong>in</strong>es über<br />

Böhmen und Oberschlesien, das zweite über dem südwestlichen Teil von Skand<strong>in</strong>avien, das dritte nordwestlich<br />

von Schottland und südlich von Irland. Bis zum 10. November schob sich aus Südosteuropa<br />

760<br />

-1<br />

2 1<br />

e<strong>in</strong> Hochdruckgebiet heran, welches die zwei östlichen T<br />

-4<br />

0 -2<br />

4<br />

-5<br />

Tiefdruckzentren unter langsamer Auffüllung nach Skand<strong>in</strong>avien<br />

verdrängte, während sich das westlich gelegene<br />

4 -3<br />

3<br />

4<br />

4 -6<br />

Tiefdruckgebiet unter gleichzeitiger Vertiefung nach dem<br />

7 6 4<br />

0<br />

4<br />

südwestlichen Teil von Grossbritannien verlagerte. Die<br />

-8 -10 2 3<br />

5<br />

7<br />

-10 750 6 7<br />

8<br />

5<br />

Verlagerung der Druck-gebiete war der Ausdruck entsprechender<br />

Luftströmungen. Am 10. November strömte<br />

765<br />

8<br />

1 7<br />

4<br />

0<br />

T 6<br />

9 8<br />

5<br />

7<br />

5<br />

maritime, wärmere Luft von Westen und Südwesten auf<br />

2 4<br />

6<br />

9<br />

6<br />

7<br />

6 7 7<br />

9<br />

6<br />

6<br />

7 740 7<br />

4<br />

3<br />

4<br />

6<br />

760<br />

6<br />

7<br />

4<br />

2<br />

den Kont<strong>in</strong>ent. Von Island her aber brach e<strong>in</strong>e Welle<br />

T<br />

7 4<br />

3<br />

7<br />

2<br />

6 6<br />

1<br />

4<br />

745<br />

2<br />

3<br />

9<br />

3<br />

kalter Polarluft e<strong>in</strong>, welche schon am 11. November das<br />

10<br />

6<br />

4<br />

1<br />

9 8<br />

5 3<br />

4<br />

4<br />

5<br />

4<br />

1 3<br />

Mittelmeer erreicht hatte, <strong>in</strong>dem sie den von Südengland<br />

10<br />

6<br />

8 8<br />

7<br />

7<br />

10<br />

7 7 7<br />

8<br />

9<br />

4 5 H<br />

nach Nordfrankreich verlagerten Wirbelkern umkreiste<br />

8<br />

6<br />

6<br />

5<br />

8<br />

11 8 13<br />

5 765<br />

und beim Zusammentreffen mit tropischer Luft im Golf<br />

14 6<br />

750 15<br />

15 5<br />

11 7<br />

15<br />

von Genua die Bildung e<strong>in</strong>es neuen Teiltiefs veranlasste,<br />

10<br />

12 12<br />

11<br />

13 17<br />

10<br />

wonach die Föhnlage <strong>in</strong> der Schweiz zusammenbrach.<br />

15 15<br />

15<br />

15<br />

755<br />

Am 9. November herrschte zwischen Locarno und Gersau<br />

bloss e<strong>in</strong> Überdruck von 0,8 mm; am 10. November 760<br />

9<br />

12<br />

17 16 16<br />

9<br />

10<br />

16<br />

15<br />

10<br />

war dieser um 8 h früh auf 9 mm an gestiegen, um am Abb. 20. Wetterkarte vom 10. November 1934, 8h.<br />

Morgen des 11. November wieder auf 1,2 mm zurückzugehen<br />

53 . Der Temperatursprung <strong>in</strong> gewissen Alpentälern<br />

ist für die Föhnlage<br />

755<br />

760<br />

H<br />

765<br />

53 Barometerstand (auf Meer red.):<br />

8. November 9. November 10.November 11. November<br />

h 7½ h 7½ h 13 ½ h 7½ h<br />

Locarno-Muralto 756,2 761,3 761,3 760,7 754,6<br />

Gersau - 760,5 752,3 - 753,4<br />

<strong>Zürich</strong> 760,0 761,2 754,0 752,7 754,6


- 20 -<br />

charakteristisch. Während am Morgen des 9. Novembers die Temperatur <strong>in</strong> der Schweiz gegen 0° betrug,<br />

stieg sie am 10. November im Mittelland um 3-5°, <strong>in</strong> den Föhntälern aber um 10 bis 15° und sank am 11.<br />

November dort wieder auf wenige Grad über Null:<br />

9. November10.November 11. November Temperatursteigerung<br />

7½h 13½h 7½ h 13½ h 7½ h vormittags Mittags<br />

<strong>Zürich</strong> 1° 7° 4° 8° 5° +3° +1°<br />

Basel 0° 7° 5° 9° 5° +5° +2°<br />

Rigikulm 5° 0° 2° 3° -2° +7° +3°<br />

E<strong>in</strong>siedeln 1° - 10° - 4° +11°<br />

Gersau 2° - 14° - 5° +12°<br />

Glarus 1° 6° 14° 15° 3° +15° +9°<br />

Chur 1° 8° 7° 13° 2° +6° +5°<br />

Lugano 2° 11° 6° 7° 5° +4° 4°<br />

Locarno-Muralto 4° 10° 7° 7° 3° +3° 3°<br />

Am Morgen des 10. November war die Schweiz bedeckt. Im Tess<strong>in</strong> fiel Regen. In <strong>Zürich</strong>, Luzern, Bern<br />

wehten schwache nördliche W<strong>in</strong>de; Chur gab SW 2 , Glarus S 4 , Gersau SE 4 an («seit 19 h starker Föhnsturm»<br />

<strong>in</strong> Gersau; auch die Höhenstationen «registrieren starken Südsturm»:<br />

Rigi S 3 , Pilatus SW 3 , Gotthard S 2 , Säntis SSW 5 , Jungfraujoch SSW 4 , Rochers de Naye S 2 ). Besonders<br />

deutlich lassen sich die Föhnperioden an e<strong>in</strong>em registrierenden Hygrometer ablesen. Die Hygro- und<br />

Thermogramme des Kollegiums Karl Borromäus <strong>in</strong> Altdorf, welche uns Herr Rektor P. B. Huber<br />

freundlicherweise überliess, zeigen sehr schön den E<strong>in</strong>bruch der Föhnluft an, während an dem<br />

Abb. 21. Barogramm, Hygrogramm und Thermogramm des Kolleglums<br />

Altdorf vom 8.- 11. November 1934 (umgezeichnet).<br />

entsprechenden Barogramm ebenso klar<br />

das ruckweise S<strong>in</strong>ken des Luftdruckes zu<br />

erkennen ist. In der Nacht vom 8. auf den<br />

9. November hat <strong>in</strong> Altdorf derLuftdruck<br />

e<strong>in</strong> Maximum erreicht. Nun beg<strong>in</strong>nt er erst<br />

langsam, dann schneller zu fallen. Der<br />

Luftdruck fällt besonders gegen 10 h (9.<br />

November) rasch. Gleichzeitig beg<strong>in</strong>nt die<br />

Temperatur zu steigen und die relative<br />

Feuchtigkeit zu s<strong>in</strong>ken. Zwischen 13 und<br />

14 b steigt die Temperatur und s<strong>in</strong>kt die<br />

relative Feuchtigkeit sprungartig, während<br />

der Luftdruck zunächst nur langsam weiter-<br />

s<strong>in</strong>kt: Der Föhn ist <strong>in</strong> Altdorf durchgebrochen.<br />

Am folgenden Tag, am 10. November, s<strong>in</strong>kt um Mitternacht die Temperatur sturzartig. Noch rascher<br />

nimmt die relative Feuchtigkeit zu. Der Luftdruck hat schon am Abend des<br />

10. November gegen 16 h se<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imum erreicht. Nach dem E<strong>in</strong>bruch kalter Luft nimmt die relative<br />

Feuchtigkeit so rasch zu, dass <strong>in</strong>nerhalb 2 Stunden 85 0 /o erreicht werden und nach weiteren 2 Stunden,<br />

am frühen Morgen des 12. November der Regen e<strong>in</strong>setzt.<br />

Wir haben versucht e<strong>in</strong>e Karte der mutmasslichen Verteilung des Luftdruckes über der Schweiz am<br />

Abend des 10. November 1934 zu zeichnen. Als Vergleich betrachte man die entsprechende<br />

Luftdruckkarte vom 8. November.<br />

Trotz der verhältnismässig grossen Zahl von Stationen ist es aber nicht möglich, e<strong>in</strong>e Luftdruckkarte zu<br />

erhalten, von der mit Sicherheit behauptet werden könnte, sie gebe die Luftdruckverhältnisse exakt<br />

wieder 54 . Deshalb können aus unserer Karte der mutmasslichen Luftdruckverteilung ke<strong>in</strong>e allzu<br />

weitreichenden Schlüsse gezogen werden. Immerh<strong>in</strong> dürften doch zwei Tatsachen feststellbar se<strong>in</strong>:<br />

E<strong>in</strong>mal hat sich im schweizerischen Mittelland e<strong>in</strong> Teiltief gebildet, <strong>in</strong> welches <strong>in</strong> den Föhntälern<br />

ausgesprochene M<strong>in</strong>ima des Luftdruckes<br />

54 Der Vergleich der Wetterkarten verschiedener Länder zeigt deutlich, wie sehr die Zeichnung der Luftdruckkurven der<br />

synoptischen Wetterkarten e<strong>in</strong>e Frage des «Stiles» und vielleicht auch des persönlichen Temperamentes oder der herrschenden<br />

theoretischen E<strong>in</strong>stellung ist. Noch schwieriger aber ist es, kle<strong>in</strong>e lokale Luftdruckdifferenzen graphisch zu erfassen.


- 21 -<br />

e<strong>in</strong>gebettet s<strong>in</strong>d (Glarus red. 712,4 mm; Altdorf<br />

712,7 mm; Sarnen 712,9mm; Meir<strong>in</strong>gen 712,7mm).<br />

Zweitens ist auf dem Alpenkamm e<strong>in</strong>e ganz ausgesprochene<br />

Steigerung des Luftdruckgradienten<br />

als anschaulicher Ausdruck der Stauwirkung der<br />

Alpen festzustellen. Auch die W<strong>in</strong>drichtungen<br />

sprechen dafür, dass das erwähnte Teildepressionsgebiet<br />

des Mittellandes wirklich existierte. So<br />

beobachtet man <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> NW, <strong>in</strong> Aarau, Basel und<br />

Bern W-W<strong>in</strong>d, während <strong>in</strong> den Föhntälern starke<br />

Süd-, Südost- und Ostföhnw<strong>in</strong>de mit Sturmesstärke<br />

blasen. Im Mittelland macht sich der<br />

E<strong>in</strong>fluss des Föhns gegen den Abend des<br />

10. November bloss als föhnige Aufhellung<br />

bemerkbar, während die Temperatur nur<br />

mässig steigt und dementsprechend auch<br />

die Trockenheit der Luft nicht stark zunimmt.<br />

Dagegen regnet und schneit es auf<br />

der Südseite der Alpen, speziell im Tess<strong>in</strong> 55<br />

Die Änderungen des Luftdruckes erfolgen<br />

<strong>in</strong> nordsüdlicherRichtung<strong>in</strong> anderem<br />

Rhythmus als <strong>in</strong> ostwestlicher. Im Tess<strong>in</strong><br />

setzt der Fall des Lufidruckes wesentlich<br />

später e<strong>in</strong> als nördlich der<br />

716.5<br />

713<br />

717.2<br />

715.2<br />

714.4<br />

715<br />

716<br />

a) Auf 400 m Meereshöhe reduziert<br />

662<br />

664<br />

666<br />

668<br />

668<br />

607<br />

720.8<br />

720<br />

718<br />

720<br />

605<br />

716<br />

717<br />

718<br />

720<br />

b) Auf 1000 m Meereshöhe reduziert c) Auf 1750 m Meereshöhe<br />

reduziert<br />

Abb. 22.10. November1934 abends.<br />

Mutmassliche Luftdruckverteilung über der Schweiz.<br />

Die Luftdruckkurven s<strong>in</strong>d speziell an jenen Stellen, wo ke<strong>in</strong>e entsprechenden<br />

Beobachtungen vorliegen, recht problematisch. Für die<br />

Karten vom 10. Nov. haben wir jeweilen nur jene Stationen benützt,<br />

welche um den Bereich von 400 m, 1000 m resp. 1750 m Meereshöhe<br />

herum gruppiert s<strong>in</strong>d.<br />

Alpen, hält aber auch dann noch an, wenn nördlich der Alpen der Luftdruck bereits wieder steigt. Die<br />

Luftdruckschwankungen der Höhenstationen s<strong>in</strong>d wesentlich ger<strong>in</strong>ger als jene der Talstationen 56 . Da die<br />

Messungen zeitlich zu weit ause<strong>in</strong>ander liegen, ist <strong>in</strong> westöstlicher Richtung ke<strong>in</strong> deutlicher Unterschied<br />

des Ganges der Luftdruckbewegung nachzuweisen 57 .<br />

Vergleicht man die beiden europäischen Wetterkarten der schweizerischen Metereologischen<br />

Zentralanstalt vom 9. und vom 11. November, so erkennt man, dass jenes Tiefdruckgebiet, das offenbar<br />

die etwa 40 Stunden dauernde Föhnphase auslöste, sich bloss von Cornwall nach der Bretagne verlagerte.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs trat zunächst e<strong>in</strong>e Vertiefung und später e<strong>in</strong>e gewisse Auf-füllung des betreffenden<br />

Tiefdruckgebietes e<strong>in</strong>. In schöner übere<strong>in</strong>stimmung mit der kürzlich von S. Evjen <strong>in</strong> Oslo über die<br />

Entstehung der Zyklonen oder Tiefdruckgebiete entwickelten Theorie 58 ist die Vertiefung des britischen<br />

Tiefdruckgebietes von e<strong>in</strong>er Steigerung des Luft-<br />

605<br />

720<br />

605<br />

609<br />

55 Z.B. <strong>in</strong> Auen bei L<strong>in</strong>thal werden im Vergleich zu <strong>Zürich</strong> nachstehende meteorologische Elemente beobachtet:<br />

9. November 10. November<br />

Auen -3° 2,4° 9,2° 11,4° 12,2° 13,4°<br />

N 0 N 0 S 2 S 2 S 2 S 2<br />

68 % 49 % 25 % 21 % 22 % 21 %<br />

<strong>Zürich</strong> 0,7° 6,8° 3,4° 4° 8° 4,9°<br />

S 0 S 0 ESE 1 NNW 0 NW 1 NW 2<br />

98 % 60 % 74 % 86 % 66 % 84 %<br />

Auen ist am Abend des 10. November bedeckt, <strong>Zürich</strong> aber hell, ebenso Luzern, während Altdorf noch Bewölkung 3 zeigt.<br />

Locarno am 10. November Regen den ganzen Tag, ebenso Lugano; <strong>in</strong> Bell<strong>in</strong>zona vormittags regnerisch und neblig, am Abend<br />

Regen; <strong>in</strong> Airolo Regen und Schnee.<br />

56 Auf den Höhenstationen ist der Luftdruck absolut niedriger, auch ist die Reibung der Luft ger<strong>in</strong>ger; daher s<strong>in</strong>d die Luftbewegungen<br />

ungeh<strong>in</strong>derter.<br />

57 Barogramme standen uns leider nicht <strong>in</strong> genügender Zahl zur Verfügung.<br />

58 Met. Zeitschr., 1936, S.165, «Ueber die Vertiefung von Zyklonen» Sattelpunkte des Luftdruckes s<strong>in</strong>d bei der Bildung von<br />

Zyklonen bevorzugt. Treffen sich an e<strong>in</strong>er solchen Stelle e<strong>in</strong> Kalt- und e<strong>in</strong> Warmluftstrom, so wird die Warmluft als Warmluftzunge<br />

gehoben. Nach e<strong>in</strong>em gewissen Betrag des Aufstieges steigt die warme Luft


770<br />

765<br />

760<br />

H<br />

755<br />

760<br />

755<br />

T<br />

745 740 T<br />

750<br />

H<br />

T 755<br />

750<br />

760<br />

765<br />

H<br />

T<br />

760<br />

760<br />

Fallgebiet<br />

T<br />

740<br />

745<br />

Fallgebiet<br />

a) 9.Nov.1934. 8h b) 10.Nov.1934. 8h<br />

Abb. 23. Fall. und Steiggebiete.<br />

750<br />

Steiggebiet<br />

760<br />

755<br />

750<br />

T<br />

760<br />

H<br />

765<br />

<strong>in</strong> der Nacht vom 10. zum 11. November zu stärkeren<br />

Niederschlägen verbunden mit der Ausbildung<br />

des bereits erwähnten kle<strong>in</strong>en sekundären<br />

Tiefdruckgebietes <strong>in</strong> Ligurien.<br />

Man kann sich die Entwicklung des Föhns vom 10.<br />

November 1934 durch nachstehendes Schema<br />

verständlich machen (siehe Abb. 24). Während das<br />

südenglische Tiefdruckgebiet die unteren und mittleren<br />

Luftschichten über Mitteleuropa ansog,<br />

- 22 -<br />

druckes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er breiten östlichen Zone begleitet.<br />

Am 10. November 1934 ist die Föhnlage wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

durch die Ausbildung e<strong>in</strong>es solchen<br />

«Steiggebietes» ausgelöst worden, das über Südskand<strong>in</strong>avien<br />

zur Ausbildung e<strong>in</strong>es Hochdruckbandes,<br />

über der Ostsee zur teilweisen Auffüllung<br />

der dort liegenden Zyklone, über Ungarn zur Bildung<br />

e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>en Hochdruckkernes und südlich<br />

der Alpen zu e<strong>in</strong>em schwachen Überdruck führte.<br />

Erst die von Westen nach Osten wandernde Kaltfront<br />

des südenglischen Tiefdruckgebietes liess den<br />

Talföhn vom 10. November am Abend des 10.<br />

November «heimgehen» und führte<br />

Abb. 24. Allgeme<strong>in</strong>es Schema der Luftzirkulation am 10.<br />

November 1934<br />

strömten <strong>in</strong> grosser Höhe Luftmassen <strong>in</strong> nordöstlicher, östlicher und südöstlicher Richtung ab.<br />

Dadurch wurde der Luftdruck <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er breiten Zone, dem «Steiggebiet» erhöht, so dass starker Überdruck<br />

südlich der Alpen auftrat, womit die typische Föhnlage gegeben war.<br />

5. KAPITEL<br />

Der Föhnsturm vom 20./21. Mai 1937<br />

Im Mittagblatt der «NZZ.» vom Freitag den 21. Mai 1937 war zu lesen: «Schwere Stürme auf dem<br />

Vierwaldstättersee. Luzern, 21. Mai (mz=Tel.). Seit Donnerstagvormittag wüteten im obern Teil des Vierwaldstättersees<br />

schwere Stürme. Hohe Wellen wurden über die Uferanlagen h<strong>in</strong>weggepeitscht und richteten von Weggis bis h<strong>in</strong>auf nach Brunnen<br />

grossen Schaden n an. In Vitznau wurden etwa 50 Obstbäume entwurzelt und Telephonstangen umgelegt; hauptsächlich<br />

wurden die Kastanienbäurne mitgenommen. Die Schiffe konnten nur mit grossen Schwierigkeiten landen. In Gersau und<br />

Brunnen mussten die Föhnhäfen angelaufen werden. Hunderte von Wasserhosen von über Hundert Meter Höhe wurden aufgetrieben;<br />

teilweise war der See von den aufgewühlten Wassern wie mit Nebel überzogen. Drei bis vier Wassermauern h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>ander<br />

wurden von den W<strong>in</strong>den aufgepeitscht, um im nächsten Augenblick <strong>in</strong> mächtigen Wasserstaubwolken zusammenzustürzen.<br />

Das ganze Naturschauspiel wurde von selten schön abgestuften Regenbogen begleitet.<br />

Um 20 h musste <strong>in</strong> Vitznau die gesamte Feuerwehr ausrücken, da unterhalb Grubis und der Schnurtobelbrücke e<strong>in</strong>e Hochspannungsleitung<br />

durch e<strong>in</strong>e stürzende Tanne zu Boden, gedrückt wurde; es entstand Kurzschluss, der Streue und Moos <strong>in</strong> Brand<br />

setzte. Die Löscharbeiten gestalteten sich ziemlich schwierig. Die ausgebrannte Fläche beträgt etwa 200 bis 300 m 2 . Gegen 12 h<br />

nachts konnte die Feuerwehr wieder e<strong>in</strong>rücken».<br />

Auch aus den übrigen Teilen der Schweiz liefen Meldungen über Sturmschäden und Unglücksfälle e<strong>in</strong>,<br />

die wir aus Raumgründen nicht wiedergeben können.<br />

Gleichzeitig berichteten die Basler Zeitungen von Staubregen, der am Donnerstagmorgen um 10½ h<br />

gefallen sei. Die «Nationalzeitung» griff sofort das Stichwort des «Saharastaubes» auf,<br />

aus eigenem Antrieb weiter. Sie dehnt sich dabei aus, wodurch <strong>in</strong> der Höhe der Luftdruck steigt, demzufolge die Luft oben<br />

ausströmt und gleichzeitig unten der Luftdruck s<strong>in</strong>kt. Der so entstandene Barometerfall treibt den Kalt- und Warmluftstrom<br />

verstärkt gegene<strong>in</strong>ander, bis die Kaltluft die Warmluftzunge vom Boden abhebt. Die Luft strömt im Zuge der allgeme<strong>in</strong>en<br />

Westdrift <strong>in</strong> den oberen Schichten <strong>in</strong> der Hauptsache <strong>in</strong> östlicher Richtung ab und führt daher bei rasch sich vertiefenden<br />

Zyklonen zu Steiggebieten östlich der Zyklone. Die Regel vom «östlichen Steiggebiet»lässt sich nach EvJEN besonders <strong>in</strong><br />

Nordeuropa <strong>in</strong> der Grosswetterprognose erfolgreich auswerten.


- 23 -<br />

das <strong>in</strong> den nächsten Tagen die Runde durch die<br />

schweizerische Presse machte Nach e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>sendung<br />

der «NZZ.» vom 22. Mai war der «gewaltige Föhnsturm<br />

vorn 20. Mai begleitet von e<strong>in</strong>er riesigen Verfrachtung afrikanischen<br />

Staubes über die Alpen. Man hat solche Staubüberführungen<br />

über die Alpen bei Föhnstürmen schon wiederholt beobachtet und<br />

auch unsere Schweizer Gelehrten Dekor, Heer und namentlich<br />

Cramer haben wiederholt über diese <strong>in</strong>teressanten Naturersche<strong>in</strong>ungen<br />

geschrieben». Offenbar feierte <strong>in</strong> diesen Äusserungen<br />

die Saharaw<strong>in</strong>dtheorie des Föhns e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Auferstehung.<br />

Die «Gotthardpost» schrieb unter dem 22. Mai:<br />

«E<strong>in</strong>e ganze Woche lang stand die Witterung hierzulande unter<br />

dem E<strong>in</strong>fluss des Föhns. In den Feldern bekam der Boden tiefe<br />

Risse, so ausgetrocknet war die Oberfläche. Natur und<br />

Abb. 25. Föhnsturm bei Vitznau am 20. Mai 1937. Im<br />

H<strong>in</strong>tergrund der Bürgenstock, auf dem See Wasserhosen,<br />

im Vordergrund abgerissene Zweige. Photo Bürgi.<br />

Mensch lechzten nach wohltuender Feuchtigkeit, die sich dann endlich am Donnerstag Nachmittag am Himmel ergoss und damit<br />

auch willkommene Abkühlung brachte. Wie immer liess der Föhn kurz vor se<strong>in</strong>em Rückzug noch die letzte Wut aus und richtete.<br />

. . . namentlich an den Uferorten des Vierwaldstättersees erheblichen Schaden an.»<br />

Im Kanton Glarus machte sich der Föhn am stärksten im unteren Kantonsteil bemerkbar. Von Glarus aus<br />

gesehen stand die Freibergkette <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em von «Sprühregen durchsetzten grauen Dämmer». Der warme<br />

Regen fiel zeitweise selbst <strong>in</strong> Glarus, wo um 19 h auch e<strong>in</strong> Regenbogen zu beobachten war. Um 17 h<br />

mass man <strong>in</strong> Glarus 27°.<br />

Am 31. Mai führte <strong>in</strong> den «Glarner Nachrichten» e<strong>in</strong> Förster e<strong>in</strong>en Waldschaden durch den Föhnsturm<br />

vom 20. Mai an, der grösser sei als der «gesamte Anfall von w<strong>in</strong>dgeworfenem Holz». Besonders an<br />

Buchen und Lärchen seien durch die heftige gegenseitige Verpeitschung der Zweige und die Trockenheit<br />

des Föhnsturmes auf der W<strong>in</strong>dseite der Baumkronen die jungen Blattriebe zerstört worden.<br />

Aus dem Kanton Appenzell wird e<strong>in</strong>e besondere Trübung der Luft am Donnerstag und Freitagmorgen,<br />

vor allem <strong>in</strong> der Richtung des Säntisgebirges gemeldet. An den Fensterscheiben sei e<strong>in</strong> ungewohnt<br />

schmutziger Niederschlag zu beobachten gewesen («Appenzeller Zeitung» 24. Mai). Auf dem Säntis<br />

seien verschiedene Instrumente der Wetterwarte beschädigt worden, das Blechdach des Restaurants sei<br />

aufgerissen und weggedrückt worden, die W<strong>in</strong>dstärke habe zeitweise bis 40 m/Sek. betragen.<br />

In Arosa wurde gelblicher Staubschneefall beobachtet. Am Donnerstag waren die Lücken des<br />

Föhnhimmels nicht blau, sondern violettgrau. Die Sonne schien nur matt. In der Nacht wurden stille<br />

18°<br />

19°<br />

20°<br />

23°<br />

20°<br />

25°<br />

25° 23°<br />

20°<br />

18°<br />

20°<br />

25°<br />

27°<br />

19°<br />

17°<br />

Orte , aus denen W<strong>in</strong>dschaden gemeldet wurde.<br />

(29. 21. Mai 1937)<br />

Orte, aus denen Schaden durch Überschwemmung<br />

gemeldet wurde<br />

Regen (20/21 Mai 1937).<br />

Regengebiet<br />

Schnee (20/21.Mai 1937)<br />

W<strong>in</strong>drichtung und W<strong>in</strong>dstärke (20. Mai 1937,<br />

13.5h) Temperatur (20.Mai 1937, 13.5h).<br />

Abb. 26. Föhnsturm am 20. Mai 1937. Verteilung der<br />

W<strong>in</strong>dschäden <strong>in</strong> der Schweiz.<br />

20°<br />

elektrische Entladungen beobachtet. Der Regen brachte<br />

braune Schlammspritzer. Am Nachmittag des 21. Mai<br />

drängten direkt «rotgelbe Staubschwaden über die Wetterecke<br />

des Rothorns <strong>in</strong>s Aroser Tal here<strong>in</strong>» (Der «Freie<br />

Rätier». 22. Mai 37. Dr. P. Götz.).<br />

Unsere Berichterstattung über die Unwetterschäden ist<br />

unvollständig. Doch dürfte sie genügen, um dem Leser e<strong>in</strong><br />

gewisses Bild über das Ausmass und die Stärke des<br />

Föhnsturmes vom 20. Mai zu geben. Wenden wir uns nun<br />

der Betrachtung der Wetterlage zu.<br />

Seit dem 10. Mai herrschte, wie wir bereits im 3. Kapitel<br />

festgestellt haben, nahezu ununterbrochen leichtere oder<br />

stärkere Südföhnlage, die aber ke<strong>in</strong>eswegs den Übergang<br />

vom Talföhn zum Dimmerföhn voraussehen liess. Am 19.<br />

Mai drang nach der deutschen aerologischen Übersicht<br />

kühlere maritime Luft als Westw<strong>in</strong>d nach West- und Süddeutschland<br />

vor und traf zwischen Elbe und Oder auf die<br />

noch über Ostdeutschland gelegene tropische Warmluft. Ab


T<br />

740<br />

745<br />

750<br />

755<br />

T<br />

755<br />

H<br />

755<br />

H<br />

760 755 760<br />

760<br />

666<br />

T<br />

669<br />

672<br />

672<br />

a) Meeresniveau b) 1000 m c) 2000 m<br />

19. Mai 1937, vormittags 5h<br />

H<br />

H<br />

580<br />

T<br />

585<br />

590<br />

595<br />

- 24 -<br />

H<br />

1000 m Höhe zeigten die kühleren W-SW-<br />

W<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>e Geschw<strong>in</strong>digkeit von 40 bis 50<br />

km/Std., während die östlich der L<strong>in</strong>ie Oder-<br />

Elbe zu beobachtenden warmen Südostw<strong>in</strong>de<br />

mit e<strong>in</strong>er Geschw<strong>in</strong>digkeit von 30-40 km/Std.<br />

wehten. Am 20. Mai waren<br />

«die Luftmassen gemässigter Breite nur noch über Westund<br />

Nordostdeutschland zu erkennen». Die durch das <strong>in</strong><br />

der Höhe herrschende Druckgefälle «bed<strong>in</strong>gten<br />

Südsüdwestw<strong>in</strong>de haben <strong>in</strong> 1000 m Höhe<br />

Geschw<strong>in</strong>digkeiten von 20-30 km/ Std., <strong>in</strong> 5000 m von 10-<br />

15 km/Std.» 59 .<br />

663<br />

T<br />

666<br />

669<br />

672<br />

H<br />

678<br />

675<br />

a)l000m<br />

20.Mai 1937, vormittags 5h<br />

T<br />

666<br />

T<br />

675<br />

663<br />

669<br />

672<br />

675<br />

H<br />

T<br />

585<br />

585<br />

T<br />

588<br />

678<br />

591<br />

588<br />

a)l000m b)2000m<br />

21. Mai 1937, vormittags 8h.<br />

Abb. 27. Veränderungen des Luftdruckes <strong>in</strong><br />

1000 und 2000 m Höhe vom 19. bis zum<br />

21. Mai (nach The Daily Weather Report»).<br />

591<br />

b)2000m<br />

594<br />

597<br />

594 597<br />

600<br />

H<br />

600<br />

H<br />

Dadurch trat bis zum 21. Mai «bei anhaltender Südströmung<br />

starke Erwärmung e<strong>in</strong>, die über Mittel- und Ostdeutschland <strong>in</strong> allen<br />

Höhen gleichmässig 5-8° beträgt … Die Luftmasse ist über Mittel- und<br />

Ostdeutschland sehr warme Tropikluft, über Westdeutschland aus Südwesten<br />

herangeführte, etwas kühlere und labilere Tropikluft... Es besteht<br />

<strong>in</strong> allen Höhen e<strong>in</strong> gleichmässiges Gefälle von Osten nach Westen»<br />

60 .<br />

(Seit e<strong>in</strong>igen Jahren werden die Luftmassen je nach ihrer Herkunft auf<br />

Grund von Vorschlägen norwegischer und deutscher Meteorologen <strong>in</strong><br />

verschiedene Klassen e<strong>in</strong>geteilt L<strong>in</strong>ke unterscheidet z.B. Polarluft,<br />

Tropikluft, Maritime Luftkörper und Kont<strong>in</strong>entalluft, während die norwegische<br />

Schule von Arktikluft, subpolarer Luft, Äquatorialluft und<br />

subtropischer Luft, von Warm- und Kaltluft, von maritimer und äquatorialer<br />

Luft spricht. E<strong>in</strong>e völlige E<strong>in</strong>igung über die Bezeichnungen der<br />

Luftmassen oder Luftkörper konnte noch nicht erzielt werden. Siehe z.<br />

B. L<strong>in</strong>ke, «Luftmassen oder Luftkörper», Bioklimat. Beiblatt, 1936,<br />

S.97).<br />

Auch die schweizerische Wetterlage war von dieser Luftströmung<br />

beherrscht. Im Laufe des 19. Mai setzte über<br />

der ganzen Schweiz e<strong>in</strong>e starke Südwestströmung e<strong>in</strong> 61 ,<br />

die am 20. Mai durch deutlich geschichtete Luftströmungen<br />

abgelöst wurde: In der Ostschweiz wehten <strong>in</strong> Bodennähe<br />

nordöstliche bis südöstliche W<strong>in</strong>de unter oberen Südund<br />

Südwestw<strong>in</strong>den, bis sich am Abend des 20. Mai auch<br />

<strong>in</strong> Bodennähe die Südströmung durchsetzte 62 . Am<br />

Morgen des 21. Mai traten nordwestliche bis west-<br />

59 Deutsche aerologische Uebersicht vom 20. Mai.<br />

60 Aus der Deutschen aerologischen Übersicht vom 21. Mai.<br />

61 Schweizerische Pilotballonbeobachtungen vom 19. Mai: Genf um 7 h 500-1500 m SWS-W<strong>in</strong>de von 7 bis 15 km/Std.; um 11 h<br />

7 km/Std. 500 m, aber 35 km/Std. <strong>in</strong> 1550 m. Basel um 6 h bis 3000 m SE-W<strong>in</strong>de (1000 m 66km/Std., 3000 m 30km/Std.); um 8<br />

h bis 500 m SES-W<strong>in</strong>de, darüber SW-W<strong>in</strong>de von 26-55km/Std.; um 15 h bis 500 m Nordw<strong>in</strong>de, von 1000-4000 m SW- und<br />

WSW-W<strong>in</strong>de von 16km/Std. bis 50km/Std. <strong>Zürich</strong> um 7 h 500-4000 m SSW- bis SW-W<strong>in</strong>de von 12-50 km/Std., um 12 h 1000<br />

m Westw<strong>in</strong>d 4 km/Std., 1500 m SES-W<strong>in</strong>d 15 km/Std., ab 2000 m SWS-WSW-W<strong>in</strong>de von 22 bis 65 km/Std. <strong>in</strong> 6000 m Höhe.<br />

Vormittags 8 h Säntis SE3, Jungfraujoch S3, St. Moritz SW1; mittags 13½ h Säntis SW2, Jungfraujoch S2, St. Moritz SW2.<br />

62 E<strong>in</strong>e Reihe von Pilotballonbeobachtungen vom 20. Mai s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> nachstehender Übersicht zusammengestellt.<br />

Palermo 7 h 200 m 5 22 km/Std.<br />

1000 m SW 30 km/Std.<br />

Lido di Roma 7 h 200 m SE<br />

500 m SE<br />

70 km/Std.<br />

87 km/Std.<br />

13 h 200 m SW<br />

1000 m S<br />

7 km/Std.<br />

13 km/Std.<br />

3000 m S 5 km/Std.<br />

5000 m W 20 km/Std.<br />

1000 m E 68 km/Std. 2000 m NE 5 km/Std.<br />

Chateauroux (Mittelfrankreich) 8 h 1000 m N 17 km/Std.<br />

<strong>Zürich</strong> 7 h 500 m NE<br />

2000 m SE<br />

7 km/Std.<br />

38 km/Std.<br />

4000 m SWS 45 km/Std.<br />

Berl<strong>in</strong> 7 h<br />

6000 m SW 85 km/Std.<br />

0-2400 m S-SW 3-33km/Std.


- 25 -<br />

südwestliche W<strong>in</strong>de auf, als Vorboten der Regenfront,<br />

die am 21. Mai am Mittag passierte 63 .<br />

Den unmittelbaren Anlass zur Steigerung des Föhnes bis<br />

zur Orkanstärke bildete die Wanderung e<strong>in</strong>es Tiefdruckgebietes,<br />

das aus der Sahara stammend, sich am Abend<br />

des 19. Mai <strong>in</strong> der Nähe von Algier zeigte, am frühen<br />

Morgen des 20. Mai mit se<strong>in</strong>em auf 750 mm vertieften<br />

Kern zwischen Korsika, Sard<strong>in</strong>ien und den Balearen lag,<br />

am Abend des 20. Mai sich bis zum Rhonedelta verlagert<br />

hatte und nun mit e<strong>in</strong>er mittleren Geschw<strong>in</strong>digkeit<br />

von 60 km/Std. <strong>in</strong> knapp 12 Stunden durch das Rhonetal<br />

und Nordfrankreich bis zur südlichen Nordsee wanderte.<br />

Dieses so vitale Tiefdruckgebiet zog se<strong>in</strong>e lebendige<br />

Kraft aus dem Zusammenstoss maritimer Kaltluft, die<br />

von dem 19. Mai an der Westseite des bei Island liegenden<br />

Tiefs über Island, den Golf von Biscaya und Spanien<br />

bis <strong>in</strong>s Mittelmeergebiet und nach Algerien geströmt<br />

war und dort auf e<strong>in</strong>e über Tripolis und Malta<br />

nach Sard<strong>in</strong>ien und die Riviera vorstossende, besonders<br />

<strong>in</strong> der Höhe ausgeprägte, warme südöstliche Strömung<br />

traf. Die rasche Verlagerung dieses Tiefdruckgebietes <strong>in</strong><br />

nahezu süd-nördlicher Richtung h<strong>in</strong>g mit der allgeme<strong>in</strong><br />

herrschenden Südwestströmung bis nach Mitteleuropa<br />

zusammen. Der Vorstoss des Azorenhochs erst nach<br />

Marokko, dann nach Spanien und Südwestfrankreich<br />

entsprach dem Zustrom maritimer Luftmassen aus dem<br />

Gebiet des atlantischen Ozeans. Der Bogen der<br />

Westalpen setzte dem Abströmen der Luft aus der<br />

Poebene nach Westen e<strong>in</strong> starkes Hemmnis entgegen.<br />

So konnte sich südlich des Alpenkammes trotz dem<br />

starken Luftdruckgradienten <strong>in</strong> der Richtung zum<br />

Rhönedelta h<strong>in</strong> der Überdruck halten.<br />

Die allgeme<strong>in</strong>e Wetterlage Europas wird demnach vom<br />

19. bis zum 21. Mai durch das südlich von Island gelegene<br />

Tiefdruckgebiet bestimmt, das aus dem über der<br />

Adria und dem östlichen Mittelmeergebiet gelegene<br />

Hochdruckgebiet warme Tropikluft ansaugt, sich dadurch<br />

allmählich ausfüllt unter gleichzeitiger Abspal-<br />

29.V.8h<br />

29.V.13h<br />

20.V.13h<br />

21.V.14h<br />

21.V.<br />

21.V.8h<br />

20.V.8h<br />

21.V.8h<br />

21.V.<br />

21.V.2h<br />

20.V.18h<br />

20.V.18h<br />

20.V.13.5h<br />

20.V.7h<br />

19.V.18h<br />

- Wanderung des saharischen Tiefdruckgebietes.<br />

- Wanderung des atlantischen Tiefdruckgebietes<br />

und e<strong>in</strong>er Teildepression an der Westkflste Frankreichs.<br />

H<br />

755<br />

760<br />

750<br />

765<br />

760<br />

755<br />

750<br />

T<br />

770<br />

H<br />

775<br />

21.V.7h<br />

1h<br />

18h<br />

13h<br />

770 765 755<br />

T<br />

20.V.8h<br />

750<br />

Hoch<br />

T<br />

760<br />

765<br />

Wetterlage vom 20. Mai, 8h<br />

Abb. 28. Wanderung der TIefdruckgebiete vom 19.<br />

bis 21. Mai 1937.<br />

tung mehrerer kle<strong>in</strong>erer Tiefdruckgebiete, die <strong>in</strong> östlicher Richtung abwandern. Das Azorenhoch schiebt<br />

sich gleichzeitig über Marokko und Algier im Norden bis zu den Pyrenäen vor, sodass der bereits mehrfach<br />

erwähnte Tiefdruckwirbel aus den nördlichen Teilen der Sahara mit Saharastaub mit sich führender<br />

Luft durch maritime Luft längs der Grenze der über Südost- und Mitteleuropa heranströmender Tropikluft<br />

nach Norden gedrängt wird. Im Mittelmeergebiet hat der Vorstoss der Saharaluft am 19./20. Mai Oststürme<br />

zur Folge. Auch steigt die Temperatur schroff an trotz mangelnder E<strong>in</strong>strahlung.<br />

Die Verteilung des Luftdruckes über der Schweiz lässt zwar über dem nordwestlichen Teil der Schweiz<br />

hohen und im nordwestlichen Teile tiefen Luftdruck erkennen. Aber die Kurven gleichen Luftdruckes<br />

s<strong>in</strong>d am Alpenkamm ke<strong>in</strong>eswegs so dicht gedrängt, wie man bei e<strong>in</strong>em «typischen» Föhn erwarten<br />

würde. Dagegen erfolgt der allgeme<strong>in</strong>e Fall des Luftdruckes sehr rasch; sowohl nördlich als südlich der<br />

Alpenkette vom Mittag des 20. Mai bis zum Abend<br />

63 <strong>Zürich</strong>: 7 h 500 m W 20 km/Std., 1500 m SW 40km/Std. Basel: 5h 500 m NW 25 km/Std., 1000 m W 40km/Std. In Genf<br />

regnete es bereits um 8 h. Jungfraujoch und Rigi um 5 h noch S4, Weissenste<strong>in</strong> W1.


s<strong>in</strong>kt der Luftdruck im Durchschnitt<br />

um 3-4 mm.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs setzt nördlich des Alpenwalles<br />

der Druckfall wesentlich früher<br />

als im Tess<strong>in</strong> e<strong>in</strong>, ebenso beg<strong>in</strong>nt auf<br />

der nördlichen Seite der Alpen der<br />

Luftdruck früher wieder zu steigen. Im<br />

Gegensatz zum Alpentalföhn am 10.<br />

November 1934 s<strong>in</strong>d die lokalen Tiefdruckgebiete<br />

<strong>in</strong> den ausgesprochenen<br />

Föhntälern nur undeutlich zur Ausbildung<br />

gelangt, das heisst, der Südw<strong>in</strong>d<br />

streicht zum Teil über die Täler weg.<br />

Auch die Verteilung der Temperatur<br />

und der relativen Feuchtigkeit entspricht<br />

schon am Abend des 20. Mai<br />

nicht mehr dem Bilde e<strong>in</strong>es typischen<br />

Alpentalföhnes, da <strong>in</strong> den meisten<br />

Föhntälern mit Ausnahme der Ostschweiz<br />

Regen und damit Abkühlung<br />

e<strong>in</strong>setzt.<br />

Die Bewegung des Luftdruckes vollzieht<br />

sich im Mittelland wie der Vergleich<br />

der Barogramme von Inter-<br />

- 26 -<br />

718<br />

20. Mai 1937 13½h<br />

716<br />

718<br />

720<br />

714<br />

722<br />

20. Mai 1937 21½h<br />

724<br />

720<br />

726<br />

728<br />

722<br />

720<br />

767.2 Lugano<br />

664.8 Airolo<br />

666.2 Göschenen<br />

698 Gurtnellen<br />

681.3 E<strong>in</strong>siedeln<br />

706.0 Aarau<br />

733.9 Basel<br />

8h 13h21h 8h 13h21h 8h 13h21h<br />

19.V. 20.V. 21.V.<br />

Im obenstehenden Diagramm<br />

s<strong>in</strong>d die Änderungen des Luftdruckes<br />

an e<strong>in</strong>zelnen Orten der<br />

Schweiz e<strong>in</strong>getragen; 2 mm<br />

Höhendifferenz bedeuten e<strong>in</strong>e<br />

Änderung des Luftdruckes um<br />

1 mm.<br />

Abb. 29. Mutmassliche Luftdruckverteilung über der Schweiz (red. auf 400 m)<br />

am 20. Mai 1937.<br />

laken, Luzern und <strong>Zürich</strong> erkennen lässt, im gleichen Rhythmus. Um so auffälliger ist die Tatsache, dass<br />

<strong>in</strong> Altdorf, das mitten <strong>in</strong> der Föhnströmung lag, der Luftdruck zeitlich viel früher als <strong>in</strong> Luzern wieder<br />

ansteigt, als ob e<strong>in</strong>e Welle höheren Luftdruckes sich vom Gotthard her <strong>in</strong>s Reusstal vorgeschoben hätte.<br />

Das Barogramm der meteorologischen Anstalt von <strong>Zürich</strong> zeigt, wie unruhig, geradezu turbulent der<br />

18<br />

24<br />

23<br />

23<br />

22<br />

20 23<br />

21<br />

23 24 25<br />

25<br />

19<br />

22<br />

18<br />

23<br />

19 20<br />

23<br />

19 23<br />

23 22<br />

19 20<br />

20 16 24<br />

12<br />

15<br />

16<br />

20<br />

15<br />

18<br />

20<br />

20<br />

17<br />

20<br />

11<br />

20<br />

20.Mai 1937 13.5h Temperatur<br />

50%<br />

50%<br />

50%<br />

75%<br />

25%<br />

25%<br />

100%<br />

75%<br />

25%<br />

25%<br />

50%<br />

20. Mai 1937, 13½h.Relative Feuchtigkeit<br />

Zustand der Atmosphäre am 20. Mai war. Das Barogramm der<br />

Säntisstation konnte nicht zum Vergleich herangezogen werden,<br />

weil zum m<strong>in</strong>desten e<strong>in</strong> Teil der Aufzeichnung des Barographen<br />

durch die starken Erschütterungen des Gebäudes der Säntisstation<br />

gestürzt worden ist.<br />

Nicht m<strong>in</strong>der deutlich prägt sich der stossartige, böenhafte<br />

Charakter des Alpenvorlandföhns am 20. Mai <strong>in</strong> den Thermound<br />

Hygrogrammen,<br />

15°<br />

15°<br />

10°<br />

15°<br />

15°<br />

20°<br />

20°<br />

15°<br />

10°<br />

20. Mai 1937 21½h Temperatur<br />

Abb. 30. Temperatur und relative Feuchtigkeit<br />

<strong>in</strong> der Schweiz am 20. Mai. Die Abkühlung setzt<br />

von Nordwesten, Westen und Südwesten e<strong>in</strong>, so<br />

dass am Abend des 20. Mai nur mehr <strong>in</strong> der Ostschweiz<br />

stärkere Föhnströmungen mit relativ hoher<br />

Temperatur und ger<strong>in</strong>ger relativer Feuchtigkeit<br />

festzustellen s<strong>in</strong>d.<br />

10°<br />

sowie <strong>in</strong> den Aufzeichnungen<br />

über W<strong>in</strong>drichtung<br />

und W<strong>in</strong>dstärke<br />

der Zürcher Station aus.<br />

Trotzdem genügen die<br />

vorliegenden Beobachtungsdaten<br />

ke<strong>in</strong>eswegs,<br />

um e<strong>in</strong> wirklich zuverlässiges<br />

Bild der Luftströmungen<br />

während<br />

des Föhnsturmes


712<br />

710<br />

- 27 -<br />

10h 12h 14 16 18 20 22 24h 2 4 6 8<br />

20.V. 1937<br />

21.V. 1937<br />

Abb. 31. Barogramm<br />

vom 20. Mai 1937.<br />

708<br />

706<br />

704<br />

702<br />

700<br />

Barogramm <strong>Zürich</strong>.<br />

vom 20. und 21. Mai zu vermitteln. E<strong>in</strong>e Untersuchung der Föhnströmungen kommt mit bodennahen<br />

Messungen nicht aus. Nur durch gleichzeitige Beobachtung des Zustandes der Luftverhältnisse <strong>in</strong><br />

verschiedenen Niveauhöhen über der Erdoberfläche im Mittelland und im Alpengebiet liesse sich die<br />

Schichtung der Luftmassen abklären. Am 19. und 21. Mai liegen bloss entsprechende aerologische<br />

Messungen der Münchner Flugwetterwarte vor, Messungen, die <strong>in</strong> den untern Schichten am 19. Mai<br />

deutlich den E<strong>in</strong>fluss der Föhnströmung erkennen lassen.<br />

Es ist zu hoffen, dass <strong>in</strong> Zukunft auch <strong>in</strong> der Schweiz während e<strong>in</strong>er Föhnlage entsprechende aerologische<br />

Messungen im Mittelland, auf e<strong>in</strong>igen Gipfelstationen und <strong>in</strong> den eigentlichen Föhntälern vorgenommen<br />

werden können.<br />

Offenbar werden die unter Leitung von W. Mörikofer <strong>in</strong> den letzten Jahren <strong>in</strong> den Kantonen Glarus und<br />

Graubünden zum Teil mit Hilfe von Pilotballonaufstiegen durchgeführten Föhnuntersuchungen neue Ergebnisse<br />

zeitigen. Leider ist es uns nicht möglich, über diese noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen<br />

auch nur referierend zu berichten, da die Ergebnisse, wie uns Herr Dr. W. Mörikofer freundlicherweise<br />

mitteilte, noch nicht für die Veröffentlichung freigegeben werden konnten. (In Glarus wurde durch Registrierapparate<br />

die Luftdruckschwankungen, die Temperatur, die Feuchtigkeit, die W<strong>in</strong>drichtung, die<br />

W<strong>in</strong>dstärke und die Abkühlungsgrösse gemessen. Besondere Beobachtungsreihen dienten der Feststellung<br />

der luftelektrischen Verhältnisse. Pilotballonaufstiege wurden <strong>in</strong> Glarus und <strong>in</strong> Elm vorgenommen.<br />

Thermohygrografen waren ausser <strong>in</strong> Glarus auch <strong>in</strong> Schwändi, L<strong>in</strong>thal, Elm, Ziegelbrücke und<br />

Braunwald aufgestellt.)<br />

6. KAPITEL<br />

Saharastaub über der Schweiz<br />

Nach dem 20 Mai machten die Stichworte «Saharastaub», «Afrikanischer Staub» die Runde durch die<br />

Presse. Auch e<strong>in</strong>e ganze Reihe von meteorologischen Stationen wiesen <strong>in</strong> ihren Monatsberichten auf<br />

Staubregen und Staubfall 64 , Staubwolken 65 oder starke Trübung 66 h<strong>in</strong>. Anderseits<br />

64 Airolo: «In den Bergen am Morgen des 20. Schnee auf 1200-1500 m dunkelgrau geworden, was zu der Vermutung führte,<br />

dass der Südw<strong>in</strong>dsturm den Saharastaub bis <strong>in</strong> die Alpen getragen hätte. Der Schnee ist <strong>in</strong> diesem Stück viel schneller weggeschmolzen.»<br />

Schuls: «Am 20. Mai 21.45-22.15 h Gewitter von W nach E, wobei e<strong>in</strong> gelber Sandregen gefallen ist. Am 21. Mai Berge <strong>in</strong> starkem<br />

Dunst.»<br />

St. Gotthard: «Am 20. Mai fiel über Nacht roter Regen und Schnee bis 2700 m.»<br />

Locarno-Monti: «Regen 6½-8¼ h gelber Niederschlag, mehrfach nachts Gewitter, etwas gelber Niederschlag.»<br />

Flugplatzdirektor Koepke vom Berner Flugplatz beobachtete auf den Firnfeldern der Berner Alpen nach dem 20. Mai gefärbten<br />

Schnee.<br />

65 Waldhaus Flims: «In der Luft Wolken von vermutlichem Wüstenstaub. Niederschlag mit Sand.» Basel: «Nach telephonischen<br />

Mitteilungen und Zeitungsmeldungen zwischen 10½ und 11 h leichte Rückstände von gelblichem Staub, hauptsächlich auf<br />

Autokarosserien. Eigenartige Bewölkung, die wie Hochnebel aussah, bei der aber gleichzeitig e<strong>in</strong>e sehr hohe zirrusartige<br />

Bewölkung auftrat, dürfte mit diesem Staubfall zusammenhängen, ebenso die weissliche Färbung des Himmels, die sich durch<br />

Wolkenlücken beobachten liess.»<br />

Sargans: «20./21. Mai bei heftigem Südw<strong>in</strong>d merkwürdige fahlgelbe Luftersche<strong>in</strong>ung. Es war, wie wenn <strong>in</strong> gewaltigen Höhen<br />

Staubwolken über die Alpen zögen. Die Sonne war trotz zeitweise wolkenfreiem Himmel stark abgeschwächt».<br />

66 Wallenstadtberg: «Starke Trübung (Wüstenstaub).» Frauenfeld: «Stark dunstig (Wüstenstaub).» Rorschach: «Leichter Dunst.»<br />

Weissenste<strong>in</strong>: «Schlechte Sicht.» Schiers: «Auffallend dunstig (Wüstenstaub).» Luzern: Mittags «dunstig».


- 28 -<br />

wurde uns von R. Streiff-Becker mitgeteilt, am Nachmittag des 20. Mai habe nach Beobachtung von<br />

Herrn Kläsi, Prokurist der Weberei Rüti, der Sturmw<strong>in</strong>d am Kilchenstock mehrere hundert Meter hohe<br />

Staubtromben aufgewirbelt. Da seit dem 14. März, dem letzten Tage, an dem <strong>in</strong> der Ost- und Zentralschweiz<br />

Niederschläge fielen, <strong>in</strong> den Alpentälern fast ununterbrochen warme, austrocknende Föhnw<strong>in</strong>de<br />

wehten, ist die Möglichkeit lokaler Staubwolkenbildung nicht von der Hand zu weisen.<br />

Dennoch dürften am 20. Mai 1937 grössere Mengen Saharastaub durch Regen oder Schnee <strong>in</strong> den Alpen<br />

niedergeschlagen worden se<strong>in</strong>. Dafür sprechen unter anderm die Untersuchungen von Staubproben durch<br />

Dr. von Moos vom geotechnischen Institut der E. T. H. E<strong>in</strong>mal ist der am 21. Mai <strong>in</strong> Davos und Arosa<br />

e<strong>in</strong>gesammelte Staub sehr ähnlich solchen Staubproben, die durch E<strong>in</strong>schmelzen von Schnee gewonnen<br />

wurden 67 . Ausserdem gleicht die Zusammensetzung der betreffenden Staubproben weitgehend andern<br />

ausserhalb der Schweiz gesammelten Mustern 68 .<br />

Wohl am besten ist der mächtige Fall von Saharastaub untersucht, der vom 9.--12. März 1901 über<br />

Europa niederfiel. Der betreffende Staubfall erstreckte sich über e<strong>in</strong>e Entfernung von 2800 km, e<strong>in</strong>e<br />

Fläche von 800000 km 2 und dehnte sich von Süditalien über die Alpen bis nach Mittel- und<br />

Norddeutschland, Dänemark und Polen aus. In e<strong>in</strong>lässlicher Untersuchung stellten Hellmann und<br />

Me<strong>in</strong>ardus 69 den afrikanischen Ursprung des gefallenen Staubes sicher:<br />

E<strong>in</strong>mal nimmt die Korngrösse des gefallenen Staubes, wie auch die gefallene Staubmenge von Süden<br />

nach Norden ab. Ebenso deutlich liess sich e<strong>in</strong>e Verspätung des Staubfalls von Süden nach Norden<br />

konstatieren, die zudem mit den herrschenden W<strong>in</strong>dgeschw<strong>in</strong>digkeiten <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung stand.<br />

Ähnlich wie am 20. Mai 1937 wanderte <strong>in</strong> ca. 2 Tagen e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Sahara südlich von Tunis gebildetes<br />

Tiefdruckgebiet aus dem Mittelmeer über die Alpen bis zur Ostsee. Der Weg dieses Tiefdruckgebietes<br />

wurde auf der rechten Seite von Staubfall begleitet, der die Schneefelder der Alpen hell-gelbrot färbte.<br />

Der grösste Teil des Staubes fiel aber auf der Südseite der Alpen. Die Geschw<strong>in</strong>digkeit des Südw<strong>in</strong>des<br />

erreichte bis 70 km/Std. Der Staub 70 war e<strong>in</strong>e Art Löss. Se<strong>in</strong>e Hauptbestandteile waren Quarz, Glimmer,<br />

Feldspat, Kalzit und Limonit.<br />

Am 24. Januar des Jahres 1902 erreichte e<strong>in</strong> Staubfall den Süden von England, der den Weg über die<br />

Kanarischen Inseln und die Azoren genommen hatte. Schon vor diesen klassischen Untersuchungen ist<br />

immer wieder <strong>in</strong> den Fachzeitschriften (vor allem <strong>in</strong> der «Met. Zeitschr.») über entsprechende Staubfälle<br />

berichtet worden. In den letzten Jahren haben sich speziell die Herren Dr. Goetz <strong>in</strong> Arosa, se<strong>in</strong><br />

Mitarbeiter Glawion und Dr. W. Mörikofer <strong>in</strong> Davos mit dem Problem der Saharastaubfälle über der<br />

Schweiz beschäftigt. Letzterer vor allem im Zusammenhang mit der absurden Hypothese des Prof.<br />

Gercke, wonach die Heilwirkung der Hoch-<br />

67 Es handelt sich um milchkaffeebraun gefärbte Staubproben: In Arosa wurden von Dr. Götz 2,3 g gesammelt. In Davos erhielt<br />

Dr. Mörikofer die Proben auf mit Glyzer<strong>in</strong> bestrichenen Glasplatten. Die hellbraune Farbe stimmt mit Mustern übere<strong>in</strong>, die im<br />

Jahre 1936 an den gleichen Orten gesammelt wurden. Korngrösse 2 bis 10 µ. Zu Dreiviertel besteht der Staub aus viel<br />

Karbonaten (Kalzitkristallen) und Quarz. Dann folgen Glimmer und rostbraune Limonitfetzen (nach Angaben von Dr. von<br />

Moos). In Münchenste<strong>in</strong> (bei Basel) am 20. Mai um 18 h gesammelter graubrauner Staub war vorwiegend lokalen Ursprungs,<br />

worauf unter anderm Russteilchen h<strong>in</strong>deuten. Ähnliche Zusammensetzung wies auch e<strong>in</strong> Belag an den Südfenstern der<br />

Gewerbeschule <strong>Zürich</strong> nach dem 20. Mai auf, nur waren neben Russ, Quarz und wenig Limonitfetzen viel Karbonatteilchen<br />

vorhanden.<br />

68 Im Berichte der deutschen «Meteor»-Expedition 1925/1927 wird hellbräunlicher Staub erwähnt, der <strong>in</strong> der Nähe der Kap<br />

Verdischen Inseln auf das Expeditionsschiff niedergefallen sei und weniger als 40 Teile Kalkspat, weniger als 20 Teile<br />

Aggregate, mehr als 10 Teile Quarz, mehr als 10 Teile Glimmer, weniger als 10 Teile Limonit und weniger als 5 Teile Feldspat<br />

enthalten habe. («Die Sedimente des äquatorialen atlantischen Ozeans» von Carl W. Correns, S.276, Berl<strong>in</strong> 1937.)<br />

69 Met. Zeitschr. 1902, 8.180; Abhandlg. des Königl. Preuss. Meteorolog. Institutes, Bd. II, Nr.1<br />

70 In Algier und Tunis fiel der Staub trocken, <strong>in</strong> Italien z.T. als Staubregen, <strong>in</strong> Norddeutschland nur als Niederschlag, der durch<br />

den Stau der Südströmung an kälteren, im NW gelegenen Luftmassen entstand. Staubstürme wurden <strong>in</strong> Südalgier vom 8.-10.<br />

März beobachtet, <strong>in</strong> Sizilien und Italien am 10., <strong>in</strong> den Ostalpen <strong>in</strong> der Nacht zum 11., <strong>in</strong> Norddeutschland am 11. und im Süden<br />

von Dänemark <strong>in</strong> der Nacht zum 12. März. E<strong>in</strong>e Staubanalyse <strong>in</strong> Fiume ergab 49,5 % SiO 2 ; 9,96 % Fe 2 O 3 ; 12,1 % Al 2 O 3 ; 11,5 %<br />

CaO; 8,96 % CO 2 ; 5,5% organische Substanz; Rest Mn 3 O 4 , MgO


- 29 -<br />

alpentäler von Davos und Arosa für Tuberkulose auf den Fall von Saharastaub zurückzuführen sei. Im<br />

Jahre 1936 wurden am 4. März, 7. April, 26. und 27. Juni, 27. und 28. Juli, 20. und 21. September<br />

Staubfälle signalisiert. Am 5. März wurde <strong>in</strong> Arosa gelbroter Schnee festgestellt:<br />

«Schmutzige Strähnen, unmittelbar daneben das Weiss unberührt lassend» 71 nachdem am 4. März <strong>in</strong><br />

Arosa der Staub trocken angeweht worden und im Engad<strong>in</strong> mit Niederschlag gefallen war. Auch am 20.<br />

März 1937 wurde <strong>in</strong> Arosa «gelber» Schnee konstatiert: auf e<strong>in</strong>em Quadratmeter Bodenfläche konnten an<br />

diesem Tage bis zu 0,6 g Staub gesammelt werden.<br />

Trotzdem zweifellos <strong>in</strong> zahlreichen Fällen direkt Saharastaub bis über die Schweizeralpen geweht wurde,<br />

ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass <strong>in</strong> gewissen Fällen der Staub auch lokaler oder<br />

mediterraner Herkunft ist. Darauf sche<strong>in</strong>t u. a. e<strong>in</strong>e Beobachtung von Glawion h<strong>in</strong>zuweisen, der kürzlich<br />

«Über e<strong>in</strong>ige Staubfälle <strong>in</strong> Arosa» berichtete 72 . Er verfolgte die Trübung der Luft mit e<strong>in</strong>em<br />

Freiluftkonimeter der Firma Zeiss. Bei subtropischer Warmluft wurde jeweilen hoher Staubgehalt der<br />

Luft festgestellt, während der Staubgehalt von maritimer Polarluft meistens sehr niedrig war. Aber gerade<br />

am 22. Juli 1936 wies maritime Polarluft e<strong>in</strong> Maximum an Staubteilchen (48200 Teilchen pro Liter gegen<br />

29000 Teilchen der subtrop. Warmluft vom 28. Juli) auf. Wahrsche<strong>in</strong>lich habe die kalte Polarluft aus<br />

tieferen Lagen staubreiche Luft mit sich geführt.<br />

1926 wies R. Billwiller jun. auf den Glarner Dimmerföhn als e<strong>in</strong>e besondere Föhnart h<strong>in</strong>, die bisher <strong>in</strong> der<br />

Fachliteratur unbeachtet geblieben sei. Billwiller glaubt, dass bei Dimmerföhn «die Talschlüsse der Föhntäler<br />

zum Teil überweht werden und der W<strong>in</strong>dfall mehr den Ausgang der Täler und das Voralpengebiet» treffe.<br />

Als Beispiele erwähnt Billwiller den Dimmerföhn vom 4./5. Januar 1919, der grosse W<strong>in</strong>dwurfschäden<br />

im Mittelland verursachte und den Föhnsturm vom 15. Februar 1925 73 , bei denen das Zentrum e<strong>in</strong>er<br />

Depression ganz besonders nahe den Alpen passierte «und grosse barometrische Gradienten über<br />

letzteren bed<strong>in</strong>gte». Wir vermuten, dass die Bezeichnung Dimmerföhn auf die vielleicht gerade bei<br />

Dimmerföhn häufige Trübung der Luft durch mittelländischen oder Saharastaub zurückzuführen ist.<br />

Die Klassifikation der Föhnstürme ist noch ke<strong>in</strong>eswegs allgeme<strong>in</strong> geklärt. So wurde <strong>in</strong> der Presse<br />

(«Basler Nationalzeitung» vom 30. Juni 1937 durch Dr. W. Strub) der Föhnsturm vom 20. Mai 1937 als<br />

«Scirocco» bezeichnet, da es sich nicht um den gewöhnlichen Alpenföhn gehandelt habe, weil «hiesige<br />

Personen damals nicht Kopfweh wie sonst bei Föhn, sondern rheumatische Schmerzen empfunden» hätten. Zweifellos g<strong>in</strong>g<br />

der Föhnsturm vom 20. Mai 19,37 aus der starken Südströmung hervor, welche von Süditalien bis nach<br />

Norddeutschland strömte, <strong>in</strong> Italien als heisser, feuchter und unerträglicher Scirocco empfunden wurde,<br />

aber beim Übergang über die Alpen nahm dieser W<strong>in</strong>d doch typische Föhneigenschaften an: relativ<br />

grosse Trockenheit und Wärme <strong>in</strong> der Ost- und Zentralschweiz verglichen mit dem Tess<strong>in</strong>.<br />

Das Problem der Abhängigkeit des Bef<strong>in</strong>dens des Menschen von den Wetterersche<strong>in</strong>ungen, die<br />

sogenannte «Wetterfühligkeit» ist erst <strong>in</strong> den letzten Jahren 74 stärker beachtet worden. Es ist allgeme<strong>in</strong><br />

bekannt, dass Föhnlagen je nach Veranlagung und Disposition <strong>in</strong> ganz aus-<br />

71 N.Z.Z., 8. März 1936.<br />

72 Met. Zeitschr., 1937, Februar.<br />

73 R. Billwiller, «Der Glarner Dimmerföhn». Verhandlungen der Schweizer Naturforsch. <strong>Gesellschaft</strong>, Freiburg 1926. Die<br />

Dimmerföhne vom 4.15. Januar 1919 und 15. Februar 1925 s<strong>in</strong>d ausführlich geschildert im <strong>Neujahrsblatt</strong> der <strong>Naturforschende</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> auf das Jahr 1926 von Hans Frey, «Die lokalen W<strong>in</strong>de am <strong>Zürich</strong>see». Die Bezeichnung Dimmerföhn<br />

sche<strong>in</strong>t nicht immer <strong>in</strong> dem von O. Heer erwähnten S<strong>in</strong>ne gebraucht worden zu se<strong>in</strong>. Nach Wild («Ueber den Föhn etc.», 8.75)<br />

unterschied 1865 Dr. med. Oertle <strong>in</strong> Glarus den «wilden Föhn» und den «zahmen oder Dimmerföhn». Bei letzterem wehe nur<br />

mässig starke südliche Luftströmung.<br />

74 Siehe vor allem die «Bioklimatischen Beiblätter» der Met. Zeitschr. Der Verfasser des vorliegenden <strong>Neujahrsblatt</strong>es hat -<br />

angeregt durch e<strong>in</strong>en «Beitrag zur Erforschung der Wetterfühligkeit» von ,Dr. E. Düm (Solothurn 1936) - während e<strong>in</strong>es ganzen<br />

Jahres genaue Aufzeichnungen über das subjektive Bef<strong>in</strong>den <strong>in</strong> Abhängigkeit von der Wetterlage gesammelt und dabei<br />

feststellen können, dass nicht nur Föhnlagen, sondern auch der Durchgang von Störungsl<strong>in</strong>ien der Tiefdruckgebiete und der<br />

Wechsel der Luftmassen e<strong>in</strong>en nach Stunden genau bestimmbaren E<strong>in</strong>fluss auf das Bef<strong>in</strong>den ausüben. Wenn möglich, sollen die<br />

betreffenden Aufzeichnungen an anderer Stelle veröffentlicht werden.


- 30 -<br />

gesprochenem Masse zu Störungen des subjektiven Bef<strong>in</strong>dens und der Gesundheit beitragen. Deshalb haben<br />

die von Dr. W. Mörikofer mit se<strong>in</strong>en Mitarbeitern <strong>in</strong> den Kantonen Glarus und Graubünden durchgeführten<br />

Untersuchungen auch das Studium des E<strong>in</strong>flusses des Föhns auf das Bef<strong>in</strong>den der Patienten des<br />

Kantonsspitals Glarus und den Verlauf der Krankheiten <strong>in</strong> ihren Untersuchungsbereich e<strong>in</strong>bezogen. Statistische<br />

Untersuchungen, wie sie se<strong>in</strong>erzeit <strong>in</strong> Innsbruck im Rahmen der Innsbrucker Föhnstudien durch<br />

Trabert mit Hilfe von Fragebogen durchgeführt wurden, s<strong>in</strong>d alle<strong>in</strong> wohl kaum geeignet, diese Fragen<br />

e<strong>in</strong>deutig zu klären. Man muss vielmehr auf Detailuntersuchungen abstellen.<br />

7. KAPITEL<br />

Nochmals Geschichte der Föhntheorie<br />

Wild hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er umfangreichen Studie «Über den Föhn und Vorschlag zur Beschränkung se<strong>in</strong>es Begriffes»<br />

im Jahre 1901 e<strong>in</strong>zelne Probleme der Föhntheorie erneut zur Diskussion gestellt. WILD zählt nicht<br />

weniger als 14 Merkmale des «typischen» Föhnw<strong>in</strong>des auf. Er bezeichnete gleichzeitig <strong>in</strong> dieser Arbeit<br />

«das Heruntersteigen des Föhns im Talgrund» als den «zur Zeit noch e<strong>in</strong>zigen unklaren Punkt <strong>in</strong> der<br />

Föhntheorie». Wild lehnt die Me<strong>in</strong>ung Billwiller's, das Herabsteigen des Föhns <strong>in</strong> die Täler werde durch<br />

das Abfliessen der Luft nach e<strong>in</strong>em nördlich gelegenen Depressionszentrum verursacht, vor allem<br />

deshalb ab, weil der Föhn immer zuerst h<strong>in</strong>ten im Tal auftrete, wobei der Föhn stets mit e<strong>in</strong>em<br />

Gegenw<strong>in</strong>d zu kämpfen habe, was für «e<strong>in</strong>e Verdünnung der Luft im Talgrunde durch den oben über die<br />

e<strong>in</strong>schliessenden Bergkämme h<strong>in</strong>brausenden Sturm spreche. Durch e<strong>in</strong>e Reihe von Diagrammen weist der<br />

Verfasser nach, dass im Glarnerland das Luftdruckgefälle dem Auftreten des Föhnw<strong>in</strong>des parallel geht.<br />

Weht der Föhn <strong>in</strong> Elm und Glarus, so hat Glarus den tiefsten Luftdruck, weht aber der Föhn auch noch <strong>in</strong><br />

der L<strong>in</strong>thebene, so herrscht vom Talh<strong>in</strong>tergrund bis zur L<strong>in</strong>thkolonie e<strong>in</strong> ausgesprochenes Druckgefälle<br />

vor.<br />

Billwiller me<strong>in</strong>te, die Aspiration durch e<strong>in</strong> vorübergehendes barometrisches M<strong>in</strong>imum, «welche zunächst <strong>in</strong><br />

den unteren Luftschichten stattf<strong>in</strong>de», sauge «gleichsam die Luft aus den Tälern heraus». Wild stellt sich<br />

dagegen vor, dass die <strong>in</strong> der Höhe <strong>in</strong> stürmischer Bewegung bef<strong>in</strong>dliche Luft «etwas <strong>in</strong> den geschützten<br />

Raum h<strong>in</strong>ter der Bergwand e<strong>in</strong>biegen, die nächsten Luftschichten fortreissen und so e<strong>in</strong>en luftverdünnten Raum<br />

bewirken werde, kurz es wird sich e<strong>in</strong>e Art vertikaler Luftwirbel im Tale e<strong>in</strong>stellen . . . Dass nun nach und nach am<br />

Anfang des Tales immer tiefere Luftschichten von dem oberen Strom direkt ergriffen werden, bis endlich der Wirbel<br />

da verschw<strong>in</strong>det und der Strom von der Höhe das Tal bis auf den Grund erfüllt, also der Föhnsturm dort <strong>in</strong>s Tal heruntergestiegen<br />

ist, während weiter unten im Tal noch die Wirbelbewegung fortdauert, ist selbstverständlich. Die<br />

Verdünnung der Luft pflanzt sich also nach dem Talausgange zu fort, während der Druck am obern Ende durch<br />

Ausfüllung mit Luft steigt» 75<br />

Wild bezeichnet se<strong>in</strong>e Theorie als «aerodynamische Theorie des Heruntersteigens des Föhns im Tal».<br />

Auch die Beobachtung der Temperaturen veranlasst Wild zu der Feststellung, dass die Föhnluft z. B.<br />

wohl vom Gotthard nach Andermatt oder Gurtnellen herabgestiegen sei, aber Altdorf noch nicht erreicht<br />

habe, ohne dass aber von Altdorf aus e<strong>in</strong> Abfliessen von Kaltluft <strong>in</strong>s Mittelland zu beobachten sei. Oft sei<br />

auch die absolute Feuchtigkeit auf der Nordseite der Alpen niedriger als auf der Südseite. Den Föhn <strong>in</strong><br />

Quertälern, z. B. im mittleren und oberen Rhonetal erklärt Wild durch e<strong>in</strong>e Art Zugwirkung, welche die<br />

Verm<strong>in</strong>derung des Luftdruckes <strong>in</strong> den südnördlichen Föhntälern ausübe 76 .<br />

Zwei Jahre später, im Jahre 1903 lehnte R. Billwiller sen., wie schon erwähnt, Wild's<br />

75 Wild, «Ueber den Föhn etc.», S.30 (Nr.75)<br />

76 Ob das von WILD als Stütze se<strong>in</strong>er Theorie herangezogene Experiment mit Salmiaknebel und e<strong>in</strong>em Kohlendioxydstrom über<br />

e<strong>in</strong> Gebirgsreliefmodell als beweiskräftig angesehen werden kann, möchten wir auf Grund der von O. Leemann <strong>in</strong> der bereits<br />

erwähnten «Studie zur Geschichte der Föhntheorie» angeführten physikalischen Bedenken ernsthaft bezweifeln. Ebenso dürften<br />

die von WILD gezeichneten Luftdruckkarten nur <strong>in</strong> beschränktem Masse e<strong>in</strong> exaktes Bild der realen Luftdruckverhältnisse<br />

geben.


- 31 -<br />

Vorschlag zur Beschränkung des Föhnbegriffes ab. 1904 nahm Rob. Billwiller jun. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Berner Dissertation<br />

über den «Bergeller Nordföhn» die Diskussion der Kontroverse Wild -Billwiller wieder auf 77 . Er<br />

zeigte zunächst, dass die Jahresisobaren im Niveau von 2000 m e<strong>in</strong>en Rücken hohen Luftdruckes über<br />

den Alpen erkennen lassen mit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>sattelung über dem Gotthardmassiv, was sich durch den relativ<br />

leichten Ausgleich des Luftdruckes über den Gotthardpass h<strong>in</strong>weg erklärt. Wichtig ist die Feststellung,<br />

man könne bei Nordföhn nördlich des Alpenkammes e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eres Gefälle unterscheiden, während sich die<br />

Zone des grössten Gefälles südlich vom Kamm bef<strong>in</strong>det, und zwar e<strong>in</strong>erlei, ob der Föhn e<strong>in</strong>geleitet wurde durch den<br />

Vorübergang e<strong>in</strong>er Depression im Süden der Alpen oder ob Druckzunahme im Norden ihn veranlasste. Es sche<strong>in</strong>t<br />

also gleichgültig, ob die Luft von Süden her aspiriert wird, oder der Impuls zum Abfliessen von Norden ausgeht; ist<br />

der Prozess e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>geleitet, so s<strong>in</strong>d die Druckverhältnisse die nämlichen» 78<br />

Die Kontroverse Wild-Billwiller bildete <strong>in</strong> den Jahren 1904-1910 die Veranlassung zum Ausbau der<br />

«Innsbrucker Föhnstudien» durch H. Von Ficker. Der Innsbrucker Föhn ist schon Vor diesen klassisch<br />

gewordenen Untersuchungen mehrfach geschildert worden 79 . Die zwei Innsbrucker Föhnstudien H. Von<br />

Ficker's stützten sich zunächst auf 4 respektive 6, später auf 14 zum Teil mit mehreren Registrier<strong>in</strong>strumenten<br />

ausgerüstete Stationen <strong>in</strong> der näheren und weiteren Umgebung von Innsbruck 80 . Zwei andere<br />

«Innsbrucker Föhnstudien» beschäftigten sich mit Teilproblemen 81 . Defant konnte vor Beg<strong>in</strong>n des Föhns<br />

oder bei Föhnpausen auftretende Temperaturschwankungen von 14 M<strong>in</strong>uten, 24,5 M<strong>in</strong>uten und 41,5 M<strong>in</strong>uten<br />

Schw<strong>in</strong>gungsdauer durch die Annahme stehender Wellen des Innsbrucker Kaltluftsees im Unter<strong>in</strong>ntal<br />

erklären.<br />

H. Von Ficker nimmt gegenüber der Wild-Billwiller'schen Kontroverse e<strong>in</strong>e vermittelnde Stellung e<strong>in</strong>. In<br />

se<strong>in</strong>en abschliessenden «weiteren Beiträgen zur Dynamik des Föhns» (Innsbrucker Föhnstudien IV) lehnt<br />

er zwar die Aspirationstheorie Wild's ab, f<strong>in</strong>det aber doch dessen Beobachtung bestätigt, dass der Föhn<br />

zuerst zuh<strong>in</strong>terst im Tale auftrete, weil das Talende höher liegt. «Unsere Untersuchungen beweisen zwar die<br />

Richtigkeit der Grundgedanken der Billwiller'schen Theorie», aber sie zw<strong>in</strong>gen uns zu e<strong>in</strong>er nicht unbeträchtlichen<br />

Modifikation und verschaffen uns überdies e<strong>in</strong>en viel genaueren E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> den Mechanismus der Föhnströmung.<br />

Vor allem lässt Billwiller's Theorie unerklärt, warum der Föhn zuerst <strong>in</strong> den h<strong>in</strong>tersten Tälern ausbricht. Nach<br />

Billwiller müssten wir das Gegenteil erwarten» 82<br />

Bei Innsbruck weht nach H. Von Ficker der Föhn oft weiter <strong>in</strong>s Tal h<strong>in</strong>unter als <strong>in</strong> den westlich und östlich<br />

davon gelegenen Teilen des Inntales. Die Föhnströmung erodiert <strong>in</strong> den Föhntälern sozusagen <strong>in</strong> der<br />

am Boden lagernden Kaltluft e<strong>in</strong> breites Strombett aus und steigt dann nördlich von Innsbruck - wie vor<br />

allem die Fahrten mit dem Ballon «Tirol» gezeigt haben über die Kalkberge des Karwendelgebirges <strong>in</strong>s<br />

Gebiet der obern Isar h<strong>in</strong>unter:<br />

«Es ergibt sich, dass e<strong>in</strong> schmaler, warmer Luftstrom durch das Silltal vom Brenner her <strong>in</strong> das Inntal bei Innsbruck<br />

abfliesst und hier zwischen zwei kalten Luftgebieten wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Troge abfliesst»<br />

Das Abs<strong>in</strong>ken der Föhnströmung von Igls (Höhe 874 m über Meer) bis nach Innsbruck (Höhe 576 m) erklärt<br />

H. Von Ficker mit Margules 83 durch allmähliches Aufsaugen der kalten Luft an der Grenzfläche der<br />

rascher bewegten, wärmeren Luftschicht gegen die ruhende kältere Bodenschicht. Starke Föhnströmungen<br />

s<strong>in</strong>d auf bestimmte Täler beschränkt. Im Ober-<br />

77 R. Billwiller, «Der Bergeller Nordföhn»: Den Kern des Föhnproblems bildet die Frage nach der Ursache des Herabs<strong>in</strong>kens<br />

der Luft <strong>in</strong> die Täler.» S.40/41.<br />

78 1. c. S.39.<br />

79 Ueber die Häufigkeit, die Dauer und die meteorologischen Eigenschaften des Föhns <strong>in</strong> Innsbruck» von J. M. Pertner.<br />

Sitzungsaber. der Kais. Akademie der Wissenschaften, Wien 1895. «Der Innsbrucker Föhn», Aulavortrag von Prof. Dr. P.<br />

Czermak vom 26. Febr. 1901.<br />

80<br />

Innsbrucker Föhnstudien, I. Beiträge zur Dynamik des Föhns.» Denkschr. d. Kais. Akad. d. Wiss., Wien<br />

1904/06.4 Stationen: Innsbruck, Igls, Heiligenwasser, Patschenkofl. Innsbrucker Föhnstudien IV. Weitere Beiträge zur Dynamik<br />

des Föhns.» Denkschr. etc. Wien 1910. Stationen; Brixen, Sterz<strong>in</strong>g, Brenner, Matrei, Patschenkofl, Igls, Innsbruck, Rotholz, Zirl,<br />

Telfs, Seefeld, Scharnitz, Mittenwald, Zugspitze.<br />

81 Innsbrucker Föhnstudien II. Periodische Temperaturschwankungen bei Föhn und ihr Zusammenhang mit stehenden Luftwellen von Alb.<br />

Defant. Denkschr. etc. Wien 1906. «Innsbrucker Föhnstudien III.; Der physiologische E<strong>in</strong>fluss von Föhn und föhnlosem Wetter» von Trabert.<br />

Denkschr. etc. Wien: 1908.<br />

82 «Innsbrucker Föhnstudien IV», 8.58, resp. S.6.<br />

83 Ueber Temperaturschichtung <strong>in</strong> stationär bewegter und <strong>in</strong> ruhender Luft» von M Margules. Hannband der Met. Zeitschr. 1906, 5. 243ff.


a) 1. Stadium (Vorstadium). Über der kalten Störungsschicht<br />

warme, langsam abfliessende Luft (Inversion)<br />

b) 2. Stadium (antizyklonales Föhnstadium).. Die kalte Bodenschicht<br />

zieht den Föhn <strong>in</strong> die Täler herab.<br />

c) 3. Stadium (stationäres Föhnstadium). Die Luft steigt auch<br />

auf der Südseite der Alpen auf, die Föhnmauer bildet sich, die<br />

kalte Störungsschicht ist abgeflossen, die Föhnströmung<br />

fliesst <strong>in</strong> den Tälern.<br />

Abb. 32. Föhnstadien<br />

(nach H. von Ficker)<br />

- 32 -<br />

<strong>in</strong>ntale, wo die Kammhöhe der südlich gelegenen Pässe<br />

weit über der Höhe des Brennerpasses liegt, beobachtete<br />

H. Von Ficker oft W<strong>in</strong>dstille, auch wenn im tiefer gelegenen<br />

Innsbruck bereits starker Föhn wehte. Erst auf der<br />

Kammhöhe liess sich wieder stürmische Luftbewegung<br />

feststellen. Die verschiedene Dauer des Föhn-w<strong>in</strong>des <strong>in</strong><br />

den e<strong>in</strong>zelnen Tälern kann deshalb nur unter genauer Berücksichtigung<br />

der orographischen Verhältnisse, der Gestaltung<br />

des Reliefs der Erdoberfläche erklärt werden.<br />

Die von H. Von Ficker untersuchten Föhnfälle erlaubten<br />

die Aufstellung von drei typischen Stadien der Föhnentwicklung:<br />

Im ersten Stadium, dem Vorstadium herrschen<br />

antizyklonale Verhältnisse. Die Alpen liegen gewöhnlich<br />

am Rande e<strong>in</strong>er Hochdruckzone. Es herrscht stabile Temperaturumkehrung<br />

(Temperatur<strong>in</strong>version). Die tieferen<br />

Luftschichten bestehen aus dichter, relativ kalter Luft, die<br />

langsam entsprechend der Richtung des Luftdruckgefälles<br />

abfliesst. Darüber lagert ebenfalls langsam absteigende,<br />

gleichfalls als Südw<strong>in</strong>d abfliessende relativ<br />

warme und trockene Luft. In der Höhe tritt starke, <strong>in</strong> den Föhntälern langsame Erwärmung (oben trockenadiabatische<br />

Erwärmung, <strong>in</strong> den Föhntälern Erwärmung der potentiell kalten Luft) e<strong>in</strong>. Im zweiten<br />

Stadium, dem sogenannten ersten antizyklonalen Föhnstadium fliesst die kalte Luft aus den Föhntälern<br />

ab, die relativ warme und trockene Luft der Höhe s<strong>in</strong>kt <strong>in</strong> die Föhntäler nieder unter gleichzeitigem Abfluss<br />

nach Norden als Südw<strong>in</strong>d: Der Föhn bricht <strong>in</strong> den Föhntälern durch. Auf der Südseite der Alpen ist<br />

noch ke<strong>in</strong>e aufsteigende Luftbewegung zu beobachten. Mit dem dritten Stadium, dem zweiten stationären<br />

Föhnstadium treten die typischen Föhnersche<strong>in</strong>ungen auf: Die Höhen werden relativ feucht, auf der Südseite<br />

der Alpen fallen bei aufsteigender Luftbewegung Niederschläge, auf der Kamm-höhe bildet sich die<br />

Föhnmauer, <strong>in</strong> den Föhntälern steigt die Temperatur auf ihren Maximalwert, während die relative Feuchtigkeit<br />

meistens etwas zunimmt.<br />

Schliesslich dr<strong>in</strong>gt auf der Rückseite des Tiefdruckgebietes kalte Luft vor, welche sich von Norden nach<br />

Süden ausbreitet, sich unter die warme Föhnluft schiebt und den Föhn nach und nach auch im Talh<strong>in</strong>tergrund<br />

zum Erlöschen br<strong>in</strong>gt. Der Durchbruch des Föhns erfolgt im Inntal und im nördlichen Alpenvorland <strong>in</strong><br />

gleicher Höhe gleichzeitig .. 84 .<br />

Auf der vor den Alpen gelegenen Ebene fliesst die warme Föhnströmung über der kalten, bodennahen<br />

Luftschicht <strong>in</strong> mehr oder weniger grossen Höhe h<strong>in</strong>weg: Der Föhn bricht im allgeme<strong>in</strong>en nicht durch kalte<br />

Luftschichten zum Boden durch, sondern letztere fliessen ab und der Föhn s<strong>in</strong>kt als Ersatz herab» 85 ,<br />

Bei Nordföhn liegen dagegen gewöhnlich pr<strong>in</strong>zipiell andere Verhältnisse vor: Auf der Nordseite der Alpen<br />

staut sich kalte Luft, «schwillt bis zur Kammhöhe, tritt auf die Südseite über, senkt sich und verdrängt die<br />

warme Luft» 86 ,<br />

Die «Innsbrucker Föhnstudien» bilden unzweifelhaft e<strong>in</strong>en Höhepunkt der Föhnforschung, trotzdem H.<br />

VON FICKER zum Teil aus technischen Gründen nicht alle jene Messungen durchführen konnte, welche<br />

vielleicht zur restlosen Abklärung des Föhnproblems notwendig gewesen wären. Es ist zu vermuten, dass<br />

<strong>in</strong> den schweizerischen Alpen, wo der Föhn ja viel häufiger als <strong>in</strong> den Ostalpen weht, sich gewisse Besonderheiten<br />

zeigen werden. In den schweizerischen Zentralalpen wird das FICKER'sche Schema der drei<br />

Föhnstadien wohl zum Teil modifiziert werden müssen, weil z. B. beim Gotthard der Übergang von der<br />

Süd- zur Nordseite der Alpen<br />

84 «Innsbrucker Föhnstudien IV«, 8.37.<br />

85 1. c. 8.60.<br />

86 1. c. 8.60. Siehe auch II. von FICKER, «Transport kalter Luftmassen über die Zentralalpen». Denkschr. etc. Wien 1906, Bd. LXXX.


- 33 -<br />

viel weniger breit ist und die Täler der Zentralalpen viel offener gegen das Mittelland s<strong>in</strong>d. Ob gewisse<br />

E<strong>in</strong>zelheiten der Wild'schen aerodynamischen Theorie des Föhns zur Erklärung lokaler Eigentümlichkeiten<br />

der Föhnströmung Verwendung f<strong>in</strong>den können, muss die Zukunft zeigen. In den letzten Jahren sahen<br />

sich die Meteorologen oft gezwungen, zur Erklärung mancher Fe<strong>in</strong>heiten der meteorologischen Ersche<strong>in</strong>ungen<br />

Turbulenzersche<strong>in</strong>ungen zu berücksichtigen 87 . So dürften Wirbelbildungen bei der Ausbildung<br />

der Föhnmauer auftreten, können e<strong>in</strong>zelne böenartige Föhnstösse turbulenter Natur se<strong>in</strong>, wenn auch<br />

H. von Ficker hervorhebt, anlässlich se<strong>in</strong>er Ballonfahrten 88 <strong>in</strong> Föhnströmungen habe er verhältnismässig<br />

wenig Wirbelbildungen konstatieren können. Diese Ballonfahrten bei Föhn bilden e<strong>in</strong>e wertvolle Ergänzung<br />

der «Innsbrucker Föhnstudien». Die warme Föhnströmung s<strong>in</strong>kt <strong>in</strong> die Täler herab, ohne dass<br />

e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>biegen der Föhnströmung <strong>in</strong> die Talrichtung zu beobachten ist. Gebirge werden quer zur Streichrichtung<br />

übersetzt. Auch <strong>in</strong> engen Tälern, wie den westöstlich verlaufenden Tälern des Karwendelgebirges,<br />

die der Föhn senkrecht zum Streichen der Kämme passiert, s<strong>in</strong>kt die Föhnströmung am Leehang <strong>in</strong><br />

die Tiefe und steigt am Luvhang wieder empor.<br />

Die Strömungsl<strong>in</strong>ien drängen sich über den Kämmen<br />

zusammen und treten über den Tälern ause<strong>in</strong>ander.<br />

Die unterste Strömungsl<strong>in</strong>ie schmiegt sich<br />

dem Bodenrelief eng an. Die Störung der Föhnströmung<br />

kann noch 1000 m über der Kammhöhe<br />

festgestellt werden. Der Ballon wird auf der Südseite<br />

der Bergkämme stark gehoben. Von der<br />

Kammhöhe weg wird der ausbalancierte Ballon auf<br />

der Leeseite <strong>in</strong> die Täler h<strong>in</strong>abgedrückt, um am<br />

jenseitigen Hang wieder automatisch aufzusteigen.<br />

Am 6. Oktober 1911 sank im absteigenden Luftstrom<br />

der Ballon «Tirol» von 3200 m auf 1600 m<br />

und wurde dreimal durch die Föhnströmung <strong>in</strong> die<br />

Täler des Karwendelgebirges<br />

Abb. 33.<br />

Ballonfahrt über das Gebirge während Föhn (nach H. v.<br />

Ficker).<br />

∏ Föhnströmung<br />

… Bewegung des Ballons<br />

h<strong>in</strong>untergerissen. Die horizontale Geschw<strong>in</strong>digkeit betrug etwa 20 m/Sek., die vertikale Fall- oder Steiggeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

des Ballons etwa 6-7 m/Sek., während die vertikale Steiggeschw<strong>in</strong>digkeit der Föhnströmung<br />

wohl bis 10 m/Sek. betrug. H. von Ficker hat auf der Leeseite der Kämme bei Föhnballonfahrten<br />

noch nie Saugwirbel beobachten können (was vor allem gegen die Theorie von Wild, wie auch gegen die<br />

Theorie von R. Streiff-Becker spricht).<br />

Auch die von R. Billwiller jun. und de Querva<strong>in</strong> im Reusstal durchgeführten Registrierballonaufstiege bei<br />

Föhn 89 erbrachten den klaren Nachweis vom vertikalen Absteigen der Föhnströmung.<br />

Nach H. von Frickers Föhnstudien schien den meisten Meteorologen das Föhnproblem, das nach H. von<br />

Ficker selbst zu den «besterklärten Ersche<strong>in</strong>ungen der atmosphärischen Physik» 90 gehört, ke<strong>in</strong>er monographischen<br />

Behandlung mehr bedürftig zu se<strong>in</strong>. 1916 orientierte R. Wenger<br />

87 So zur Erklärung der Bildung der Zirrokumulus- und Altokumuluswolken. Siehe auch Untersuchungen über die Fe<strong>in</strong>struktur des W<strong>in</strong>des»<br />

von R. Becker. Met. Zeitschr., 1930, 8.183. Auf die Tatsache, dass <strong>in</strong> den Schweizeralpen der Föhn oft ohne vorgängigen, talabwärts wehenden<br />

W<strong>in</strong>d plötzlich e<strong>in</strong>setzt, weil <strong>in</strong> den schweizerischen Föhntälern Inversionen selten s<strong>in</strong>d und besonders im Reusstal die Temperaturschichtung vor<br />

Föhn e<strong>in</strong>e wenig stabile zu se<strong>in</strong> pflegt, machte schon 1912 R. Billwiller jun. (Verhandlungen der Schweiz. Naturforsch. <strong>Gesellschaft</strong> Altdorf)<br />

aufmerksam.<br />

88 «Beobachtung vertikaler Luftbewegungen bei Ballonfahrten im Gebirge.» H. v. Ficker, Met. Zeitschr., 1912,<br />

8.292. «Ballonaufstiege bei Föhn», H. v. Ficker, Met. Zeitschr., 1913, S.213ff. «Föhnuntersuchungen im Ballon«. Sitzungsber. d. Kais. Akad. d.<br />

Wiss. Wien, 1912.<br />

89 «Registrierballonaufstiege <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Föhntal.» R. Billwiller und A. de Querva<strong>in</strong>. Met. Zeitschr., 1912, S.249. Der Aufstieg erfolgte am 22.<br />

März 1911. Von drei Ballonen wurde nur e<strong>in</strong>er wieder am obern <strong>Zürich</strong>see aufgefunden. Der Aufstieg fand <strong>in</strong> Erstfeld am Morgen um 7 Uhr 55<br />

statt bei e<strong>in</strong>er Temperatur von 12,6°, e<strong>in</strong>er relativen Feuchtigkeit von 37%, Südw<strong>in</strong>d von 5-6 m/Sek. am Boden, 10,8 m/Sek. <strong>in</strong> 500 bis 600 m<br />

und 13,4 m/Sek. von 600 bis 720 m. Bei 2300 m wurde e<strong>in</strong>e starke Abnahme der Steiggeschw<strong>in</strong>digkeit von etwa 5 m auf 0,5 m/Sek. beobachtet.<br />

In der gleichen Höhe trat ausgeprägte Temperatur<strong>in</strong>version auf. Von 2700 m ab wurde wieder grössere Vertikalgeschw<strong>in</strong>digkeit und adiabatische<br />

Abnahme der Temperatur beobachtet. E<strong>in</strong>e zweite Zone ger<strong>in</strong>ger Vertikalgeschw<strong>in</strong>digkeit des Ballons (d.h. abs<strong>in</strong>kender Luftströmung) und<br />

gleichzeitiger Temperatur<strong>in</strong>version wurde bei 3800 m festgestellt.<br />

90 «Innsbrucker Föhnstudien IV», S.1.


- 34 -<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Antrittsvorlesung «Über den gegenwärtigen Stand der Föhntheorie» 91 nachdem schon 1913 F.<br />

Pockels die «Temperaturverteilung <strong>in</strong> der freien Atmosphäre bei Föhn» 92 theoretisch studiert hatte. Die<br />

Arbeit von R. Wenger darf schon deshalb besonderes Interesse beanspruchen, weil sie durch persönliche<br />

Fussnoten Hann's wertvolle Ergänzungen erfuhr. R. Wenger berechnet zunächst die adiabatische (das<br />

heisst ohne äussere Energiezufuhr) erfolgende Erwärmung beim Abstieg e<strong>in</strong>er bestimmten Luftmasse<br />

längs e<strong>in</strong>er Stroml<strong>in</strong>ie. Als «adiabatischer Temperaturgradient», das heisst als Temperaturänderung pro<br />

100 m Höhendifferenz kann aus dem ersten Hauptsatz der Wärmelehre der Wert γ 0 = Ag = 0,0098<br />

c 0 /m =<br />

p<br />

0,98°/100 m berechnet werden 93 . Dabei gilt dieser Temperaturgradient aber nur für e<strong>in</strong> und dieselbe<br />

Föhnströmung. Wenn die Beobachtungsstationen auf derselben Strömungsl<strong>in</strong>ie liegen und die unterste<br />

Strömungsl<strong>in</strong>ie dem Hang folgt, wird <strong>in</strong> der Tat e<strong>in</strong> vertikaler Temperaturgradient von 0,97 0 /m gemessen.<br />

Auch H. von Ficker hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en «Innsbrucker Föhnstudien» nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht,<br />

dass Temperaturgradienten nur dann zwischen zwei meteorologischen Stationen berechnet werden<br />

dürfen, wenn sie <strong>in</strong> der gleichen Föhnströmung liegen.<br />

Analog ergibt sich der «feuchtadiabatische Temperaturgradient» als (γ 0 -q) = ca. 0,5 0 /100m. Das Abs<strong>in</strong>ken<br />

der Luft <strong>in</strong> die Föhntäler erfolgt, wie Hann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Fussnote betont, auch <strong>in</strong> den Alpen längs e<strong>in</strong>es recht<br />

ger<strong>in</strong>gen Gefälles: Das Gefälle St. Gotthard-Altdorf berechnet sich zu 2° 21', jenes vom St. Gotthard nach<br />

Bell<strong>in</strong>zona zu 2° 1' und dasjenige vom Grossen St. Bernhard nach Martigny zu 3° 44'.<br />

R. Wenger zeigt weiter, dass Pockel's Potentialtheorie 94 den realen Strömungsverhältnissen nicht entsprechen<br />

könne, da die Annahme der Wirbelfreiheit der Föhnströmung» nicht vere<strong>in</strong>bar sei mit der willkürlichen<br />

Wahl der Temperaturbed<strong>in</strong>gungen» 95 .<br />

R. Wenger denkt sich vor und h<strong>in</strong>ter dem Gebirge e<strong>in</strong>e geschlossene Kurve. Die Zirkulation dieser Kurve<br />

werde <strong>in</strong> der Richtung vom Druck- zum Temperaturgradienten beschleunigt, das heisst vor dem Gebirge<br />

mit, nach dem Gebirge gegen den Uhrzeigers<strong>in</strong>n.<br />

Luv<br />

Lee<br />

Abb. 34. Föhnströmung<br />

(nach der Theorie von R. Wenger). Siehe auch L. Lammert.<br />

Der mittlere Zustand der Atmosphlire bei Südföhn..<br />

Spezialarb. des Geophys. Inst der Univ. Leipzig, Bd. if,<br />

1920, Hett 7.<br />

Deshalb sei auf der Seite der aufsteigenden Föhnströmung Wirbelbildung<br />

anzunehmen, während auf der Seite der absteigenden<br />

Luftströmung die Wirbelbeschleunigung den Luftstrom besonders<br />

fest an die Gebirgswand anpresse. Mit andern Worten, Wenger<br />

leitet aus den Grundgleichungen der Hydrodynamik die Folgerung<br />

ab, dass auf der sogenannten Luvseite des Gebirges (bei<br />

Südföhn also im Tess<strong>in</strong>) e<strong>in</strong> grosser, langsam rotierender Luftwirbel<br />

auftrete, während auf der Leeseite sich die über das Gebirge<br />

strömende Luft eng dem Berghang anschmiegen müsse.<br />

Damit ersche<strong>in</strong>en alle theoretischen Erwägungen, die mit Wild e<strong>in</strong>e<br />

besondere Erklärung des «Fallens» des Föhnw<strong>in</strong>des <strong>in</strong> die Föhntäler<br />

beibr<strong>in</strong>gen wollten,<br />

c p<br />

91<br />

92 Met. Zeitschr. 1916, 8. 1ff.<br />

Met. Zeitsehr. 1913, S.216.<br />

93 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik für ideale Gase lautet: dQ = cpdϑ - Aα dp (Q = zugeführte Wärme, c p = spezifische Wärme bei konst.<br />

Druck, ϑ = Temperatur, A = Wärmeäquivalent, α = spez. Volumen , p = Druck). Durch Division mit dt (t = Zeit) erhält man die zeitliche Änderung<br />

dϑ<br />

dt = Aα dp<br />

dt + 1 dQ<br />

Aα dp<br />

. Bei stationärer Strömung können wir setzen dϑ/ds =<br />

c p dt ds + 1 dQ<br />

(ds = Wegelement). Bei zweidimensionaler Be-<br />

c p dt<br />

trachtung kann dp<br />

dx<br />

gegen<br />

dp<br />

dz<br />

c p<br />

vernachlässigt werden. Es gilt αdp = -g (g = Schwerebeschleunigung). Durch E<strong>in</strong>setzen und Integration längs der<br />

dz<br />

Stroml<strong>in</strong>ie von Null bis E<strong>in</strong>s erhält man ϑ 1 - ϑ 2 = γ 0 ( g 1 - g 2) + 1 ∫dQ.<br />

c p (<br />

γ 0 = - Ag<br />

c p )<br />

. Bei e<strong>in</strong>em adiabatischen Prozess wird dQ = 0, also ϑ 1 - ϑ 2<br />

ϑ1 - ϑ2<br />

= γ 0 ( g 1 - g 2) Demnach ist γ 0 = .(= adiabatischer Temperaturgradient).<br />

g 1 - g 94 2<br />

Siehe Anmerkung 92.<br />

95 R. Wenger gibt dafür zwei Beweise, e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> vektoranalytischer Schreibweise und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Fussnote den Beweis <strong>in</strong><br />

zweidimensionalen Koord<strong>in</strong>aten, wobei Reibung und Erdrotation -unberücksichtigt bleiben.


- 35 -<br />

gegenstandslos. Die weitverbreitete Me<strong>in</strong>ung, die Föhntheorie müsse durch besondere Annahmen das<br />

«Fallen» des Föhnw<strong>in</strong>des erklären, entspricht e<strong>in</strong>em zwar verständlichen, aber irrigen, gefühlsmässigen<br />

Urteil: Dass kalte, dichte Luft abs<strong>in</strong>kt, warme und spezifisch leichte Luft aufsteigt, leuchtet jedermann<br />

auf Grund der täglichen Erfahrung e<strong>in</strong>. Dagegen ist es nicht ohne weiteres verständlich, dass warme Luft<br />

bei kalter Bodenschicht abs<strong>in</strong>ken soll. Aber dabei übersieht man zunächst die Tatsache, dass die<br />

absteigende Luft ja erst durch das Abs<strong>in</strong>ken warm wird. Als <strong>in</strong> Erstfeld am 22. März 1911 auf dem Boden<br />

12,6° gemessen wurden, betrug <strong>in</strong> 2000 m Höhe die Luftwärme nur 1°. Zudem bedeutet das Fallen die<br />

Umwandlung von potentieller Energie <strong>in</strong> Bewegungsenergie und damit zum Teil auch <strong>in</strong> Wärmeenergie.<br />

Sobald der «Fall» der Föhnströmung <strong>in</strong> das System der Luftzirkulation e<strong>in</strong>gereiht wird, verliert der «Fall»<br />

der Föhnströmung schon auf Grund der Kont<strong>in</strong>uitätsgleichung jeder Flüssigkeitsströmung e<strong>in</strong>en grossen<br />

Teil ihres irritierenden und geheimnisvollen Charakters. Und zu guter Letzt überschätzt der<br />

Gebirgswanderer gerne das durchschnittliche Gefälle e<strong>in</strong>es Tales. Deshalb werden <strong>in</strong> den Studien über<br />

den Föhn die Talprofile irreführenderweise oft stark überhöht gezeichnet.<br />

Im Gegensatz zu H. von Ficker vertritt der Glarner Föhnforscher Dr. R. Streiff-Becker die Me<strong>in</strong>ung, das<br />

Föhnproblem sei noch ke<strong>in</strong>eswegs geklärt. R. Streiff-Becker setzt an Stelle der «Ersatzlufttheorie» Billwiller's<br />

e<strong>in</strong>e «Injektortheorie» 96 . Sie dürfte aber von den Vertretern der «Physik der Atmosphäre» vor<br />

allem aus physikalischen Gründen abgelehnt werden.<br />

R. Streiff-Becker unterscheidet wie H. von Ficker drei Stadien des Föhns. Im Vorstadium setze bei antizyklonalen<br />

Verhältnissen heftiger Südw<strong>in</strong>d über dem Alpenkamm e<strong>in</strong>. In der zweiten Phase übe der<br />

scharfe Höhenw<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergründen der Täler e<strong>in</strong>e «Injektorwirkung» aus. Dadurch bilde sich <strong>in</strong> der<br />

Höhenströmung e<strong>in</strong> luftverdünnter Raum. Es tritt notwendig die III. Phase e<strong>in</strong>. Die Atmosphäre über dem<br />

luftverdünnten Raum hat gleichsam den Boden unter sich verloren. Ihr Gewicht (!!) ist immer noch rund ,¾ kg pro<br />

cm 2 , sie muss also selbst <strong>in</strong> das sich bildende Vakuum stürzen .»<br />

Die Vorstellung, dass sich im freien Luftraum e<strong>in</strong> ausgedehntes «Vakuum» bilden könne, ist physikalisch<br />

nicht haltbar. Zweifellos tritt an der Grenzfläche zwischen kalter Störungsschicht und warmer bewegter<br />

Föhnluft e<strong>in</strong> langsames «Auflecken» der kalten Luft auf, aber dieser Vorgang hat nichts mit der Wirkung<br />

e<strong>in</strong>es Injektors zu tun. Er ist übrigens von H. von Ficker ausdrücklich zur Erklärung des Herabsteigens<br />

der Föhnströmung <strong>in</strong> die Täler herangezogen worden. Übrigens versagt die Injektortheorie, die aus der<br />

Beobachtung des Glarnerföhns entstand, schon bei der Übertragung auf die Verhältnisse im Rhe<strong>in</strong>tal bei<br />

Chur, Sargans oder bei Heiden am Nordende des Säntisgebirges.<br />

Das von R. Streiff-Becker immer wieder wiederholte Argument, die Ersatzlufttheorie Billwiller's könne<br />

die Heftigkeit der Föhnströmung <strong>in</strong> den Föhntälern nicht erklären, ist von H. von Ficker ebenfalls schon<br />

widerlegt worden. Dieser machte nämlich darauf aufmerksam, dass sich die Föhnströmung auf e<strong>in</strong>zelne<br />

Föhntäler konzentriere, während das Abfliessen der relativ kalten unteren Bodenluftschichten längs der<br />

ganzen Front der Alpen <strong>in</strong> gleichem Niveau vor sich gehe. Demnach kann an e<strong>in</strong>zelnen Stellen der Tröge<br />

der Föhnströmung <strong>in</strong> den Föhntälern e<strong>in</strong>e grössere W<strong>in</strong>dgeschw<strong>in</strong>digkeit auftreten, als dies über dem<br />

Flachlande der Fall se<strong>in</strong> wird.<br />

Dass die Diskussion der «Injektortheorie» <strong>in</strong> den Fachzeitschriften zu unfruchtbaren Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

führte, ist nach dem Gesagten leicht verständlich 97 . Trotzdem hat sich R. Streiff-Becker durch<br />

fleissige Sammlung von Beobachtungsmaterial und Förderung der Föhnforschung um die Lehre vom<br />

Alpenföhn wichtige Verdienste erworben 98 .<br />

96 Siehe vor allem Die Föhnw<strong>in</strong>de». Vierteljahrsschrift der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Zürich</strong>, 1933 8. 66ff.<br />

97<br />

R. Streiff-Becker, «Zur Dynamik des Föhns». Met. Zeitschr. 1931, S.149. Daselbst Erwiderung von H. v. Ficker S.227,<br />

Replik S.393, Duplik S. 394.<br />

98 Siehe R. Streiff-Becker, «Ueber den Glarnerföhn». Vierteljahrsschrift der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Zürich</strong> 1925. Altes<br />

und Neues über den Glarnerföhn». Mitteilungen der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> Glarus 1930. 71 Jahre Glarnerföhn." Met.<br />

Zeitschr. 1935, Heft 4. «Lokaler Kältee<strong>in</strong>bruch nach Abzug e<strong>in</strong>es Talföhns» verhandl. der Schweiz. Naturforsch. <strong>Gesellschaft</strong><br />

Thun 1932. Durch Photographie e<strong>in</strong>es nebligen Kaltluftkeiles bei Ziegelbrücke hat R. Streiff-Becker («Die Föhnw<strong>in</strong>de «)<br />

anschaulich das H<strong>in</strong>aufwehen der Föhnströmung auf die Kaltluft demonstriert.


- 36 -<br />

Die Dissertation von Karl Kuntz aus dem Jahre 1913 «Über typische Niederschlagsverteilungen <strong>in</strong> der<br />

Schweiz <strong>in</strong>sbesondere bei Föhn» bereicherte durch fleissige Arbeit ebenfalls unsere Kenntnisse: Bei<br />

Südföhn tritt südlich der Alpen der Niederschlag gewöhnlich mit e<strong>in</strong>em Tag Verspätung e<strong>in</strong>; die Gewitter<br />

meiden die Föhntäler; wenn es nur auf der Südseite der Alpen regnet, liegt meistens Südföhnlage vor.<br />

Interessante Beziehungen stellt Dr. H. J. Bullig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kürzlich veröffentlichten Studie über «Föhnreichtum<br />

<strong>in</strong> den Alpen als Index e<strong>in</strong>er typischen Grosswetterlage 99 fest. Danach s<strong>in</strong>d solche Grosswetterlagen<br />

föhureich, <strong>in</strong> denen die Tiefdruckgebiete bei relativ hohem Druck über Island südlicher als normal<br />

wandern. Bei niedrigem Luftdruckgradient zwischen dem Azorenhoch und Island tritt selten Föhnlage<br />

e<strong>in</strong>.<br />

Über die vorläufigen Ergebnisse der - schon erwähnten <strong>in</strong> den Jahren 1933 bis 1936 unter der Leitung<br />

von W. Mörikofer <strong>in</strong> Glarus durchgeführten Föhnuntersuchungen berichtete im vergangenen Jahre G.<br />

Böhme an der Solothurner Tagung der Schweizer. <strong>Naturforschende</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong>: Der Föhn beg<strong>in</strong>nt stets zuerst im Talh<strong>in</strong>tergrund, geht dort am spätesten zu Ende und hat dort somit<br />

auch die längste Dauer. Dabei zeigt sich der E<strong>in</strong>fall des Föhns <strong>in</strong> den Registrierungen der Stationen im Talh<strong>in</strong>tergrund<br />

(Elm, L<strong>in</strong>thal) zumeist zögernd und kämpfend, während er beim Talausgang (Glarus, Ziegelbrücke) mit e<strong>in</strong>em<br />

ausserordentlich steilen und plötzlichen Temperaturanstieg und ebensolehem steilen Feuchtigkeitsrückgang<br />

verbunden ist. Aus der W<strong>in</strong>dregistrierung ergibt sich, dass lange vor dem Föhn schwache W<strong>in</strong>de aus südlicher<br />

Richtung weben, die kurz vor E<strong>in</strong>bruch des eigentlichen Föhns für e<strong>in</strong>e bis mehrere Stunden <strong>in</strong> Nord umspr<strong>in</strong>gen.<br />

Hierauf setzt der Föhn selbst als Südw<strong>in</strong>d stürmisch e<strong>in</strong> und wird stets nach se<strong>in</strong>em Abkl<strong>in</strong>gen durch kalte nördliche<br />

W<strong>in</strong>de (häufig mit Niederschlag) abgelöst.<br />

8. KAPITEL<br />

Die Föhnströmung<br />

Die allgeme<strong>in</strong>en Gesetze der W<strong>in</strong>dbewegung müssen auch die Gesetze der Föhnströmung se<strong>in</strong>. Wir werden<br />

deshalb zunächst an Hand e<strong>in</strong>facher Beispiele 100 den allgeme<strong>in</strong>en Mechanismus der Luftströmungen<br />

darstellen, um sodann die gewonnenen Ergebnisse auf die Föhnströmung zu übertragen.<br />

Im Falle des Gleichgewichtes der Atmosphäre besitzen zwei Niveauflächen des Luftdruckes vone<strong>in</strong>ander<br />

überall den gleichen Abstand. Bei gleichmässiger Erwärmung der Luftmassen würde nur e<strong>in</strong>e gleichmässige<br />

Verschiebung der Niveauflächen des Luftdruckes nach oben erfolgen. Die ungleichmässige Verteilung<br />

von Land und Meer, die verschieden starke E<strong>in</strong>strahlung des Sonnenlichtes je nach der geographischen<br />

Breite und dem Wechsel der Tageszeiten führen zu e<strong>in</strong>er ungleichmässigen Erwärmung der Luftschichten<br />

mit daraus folgenden Veränderungen des Luftdruckes. Diese ziehen Luftströmungen nach sich,<br />

welche den Ausgleich der Lufttemperaturen und die Durchmischung der Luftmassen zwecks Erreichung<br />

e<strong>in</strong>es neuen Gleichgewichtes anstreben.<br />

Wird z. B. e<strong>in</strong>e Insel durch die Sonnenstrahlen stärker erwärmt als die umliegenden Wasserflächen, so<br />

werden die unmittelbar über der Insel liegenden Luftschichten ebenfalls stärker erwärmt. Erwärmte Luft<br />

dehnt sich aus. Dadurch werden die Niveauflächen des Luftdruckes über der Insel gehoben. Es entsteht<br />

auf e<strong>in</strong>em gewissen Niveau <strong>in</strong> der Höhe e<strong>in</strong> Luftdruckgefälle, das von der Umrissfläche der Insel aus auf<br />

das Meer h<strong>in</strong>aus gerichtet ist. Dadurch wird nach Überw<strong>in</strong>dung der Trägheit <strong>in</strong> den oberen Luftschichten<br />

e<strong>in</strong>e zentripetale, <strong>in</strong> der Hauptsache <strong>in</strong> horizontalen Schichten erfolgende Luftbewegung ausgelöst, deren<br />

k<strong>in</strong>etische Energie nach und nach durch die Reibung und wachsende Ausbreitung der Luftbewegung aufgezehrt<br />

wird. Die Verschiebung der Luftmassen vorn Gebiet der Insel auf das Meer bedeutet aber e<strong>in</strong>e<br />

verhältnismässig starke Verr<strong>in</strong>gerung des Luftdruckes über der Insel selbst und e<strong>in</strong>e schwächere Erhöhung<br />

des Luftdruckes über dem Meer, wonach <strong>in</strong> den unteren Luftschichten e<strong>in</strong>e Luftbewegung vom<br />

Meer auf das Land, der sogenannte «Seew<strong>in</strong>d» entsteht. Ziemlich rasch stellt sich daher<br />

99 E<strong>in</strong>e typische Grosswetterlage und ihre prognostische Verwertbarkeit. Hamburg 1934. Deutsche Seewarte.<br />

100 Nach Hann, «Lehrbuch der Meteorologie» , 4. Auflage, 1926.


a) Luft im Gleichgewicht.<br />

Niveaul<strong>in</strong>ien des Luftdruckes bei Temperaturausgleich<br />

zwischen Land und<br />

Meer.<br />

b)Beg<strong>in</strong>n derErwärmung, Störung des<br />

Gleichgewichtes.<br />

c) neues Gleichgewicht, nn die neutrale<br />

Schicht<br />

Abb. 35.<br />

Entstehung des Seew<strong>in</strong>des<br />

(frei nach Hann)<br />

Die Insel ist wärmer als das Meer.<br />

- 37 -<br />

Abb. 36.<br />

Stationärer Zustand bei Landwlnd.<br />

Die Insel ist kälter als das Meer.<br />

durch die Verschiebung der Niveauflächen des<br />

Luftdruckes e<strong>in</strong>e neue Gleichgewichtslage e<strong>in</strong>,<br />

welche die Luftbewegung solange aufrecht<br />

erhält, als die wirksame Temperaturdifferenz<br />

besteht. Bei nächtlicher Abkühlung gelten die<br />

umgekehrten Verhältnisse: Der W<strong>in</strong>d als<br />

«Landw<strong>in</strong>d» weht vom Land aufs Meer. Analog<br />

nur <strong>in</strong> grösserem Maßstab, ist die all<br />

geme<strong>in</strong>e Zirkulation der Troposphäre zwischen Pol und Äquator zu deuten.<br />

Als zweites Beispiel betrachten wir die Entstehung der tagsüber wehenden<br />

«Talw<strong>in</strong>de» und der nächtlichen «Bergw<strong>in</strong>de» der Bergtäler. Durch die Erwärmung<br />

der Hänge des Tales durch die Sonnenbestrahlung dehnt sich die<br />

Luft um so stärker aus, je höher die über dem Boden bef<strong>in</strong>dliche Luftschicht<br />

ist. Dadurch werden die Niveauflächen gleichen Luftdruckes am stärksten<br />

über der Talachse gehoben. Dort bildet sich e<strong>in</strong> Hochdruckrücken, der gegen<br />

den Talausgang zu immer höher wird, während an den Hängen des Tales<br />

ke<strong>in</strong>erlei Verschiebung der Niveauflächen e<strong>in</strong>tritt, da ja an den Schnittl<strong>in</strong>ien<br />

der Niveauflächen mit dem Gelände die Höhe der erwärmten Luftschicht<br />

verschw<strong>in</strong>dend kle<strong>in</strong> ist. So wird e<strong>in</strong> gegen die Abhänge und den Talh<strong>in</strong>tergrund<br />

gerichteter «Talaufw<strong>in</strong>d» erzeugt, der sich im Sommer bei schönem<br />

Wetter durch die Bildung der Haufenwolken über den Berggipfeln verrät.<br />

Verstärkt wird die aufsteigende Luftbewegung durch die direkte Ablösung<br />

der untersten Luftschichten am sonnenbeschienenen Berghang durch Überhitzung.<br />

Der Bergw<strong>in</strong>d dagegen entsteht durch das Abs<strong>in</strong>ken der durch Aus<br />

strahlung kälter gewordenen, schweren Luft bis auf den Talboden. Nach sternklaren Nächten führt dies <strong>in</strong><br />

den Alpentälern oft zu der Ausbildung sogenannter «Kälteseen». Bei der Beurteilung der W<strong>in</strong>dströmungen<br />

vor und nach dem Auftreten des Föhnw<strong>in</strong>des dürfen die Talw<strong>in</strong>de nicht übersehen werden: im<br />

Kanton Glarus z.B. wird der Talw<strong>in</strong>d der Talrichtung entsprechend e<strong>in</strong> Nordw<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>.<br />

Die Tiefdruckgebiete oder Zyklonen entstehen nach der bekannten Polarfronttheorie von Bjerknes aus der<br />

Hebung warmer, im allgeme<strong>in</strong>en - auf der Nordhalbkugel - nach Nordosten fliessender Luftmassen durch<br />

nach Südosten abströmende kalte Polarluft. Es handelt sich um e<strong>in</strong>e für die Wetterverhältnisse der<br />

gemässigten Klimazone ungeme<strong>in</strong> bedeutsame Teilersche<strong>in</strong>ung des allgeme<strong>in</strong>en Zirkulationssystems der<br />

Erdatmospäre. Nach den mathematischen Studien von P. Raethjen über die Theorie der Zyklonen 101 wirkt<br />

die Corioliskraft der Erdrotation stabilisierend auf Umlagerungen der Erdatmosphäre e<strong>in</strong>. Daher<br />

bedecken nach Raethjen Böenfronten und andere<br />

Störungsgebiete mit aufsteigenden Luftmassen im<br />

Mittel bloss ungefähr den 50. Teil der Erdoberfläche.<br />

Die Geschw<strong>in</strong>digkeit der abs<strong>in</strong>kenden Luftmassen<br />

wird mittels der Abkühlung durch Ausstrahlung<br />

<strong>in</strong> denWeltenraum reguliert. Abwärts gerichtete<br />

Luftströme benötigen bei e<strong>in</strong>er Geschw<strong>in</strong>digkeit<br />

von ca. 1-2 cm/Sek. e<strong>in</strong> bis zwei Tage für<br />

1000 Meter, während aufsteigende Luftströme im<br />

Durchschnitt e<strong>in</strong>e Geschw<strong>in</strong>digkeit von 50 cm/Sek.<br />

besitzen.<br />

a) Längsschnitt. b) Querschnitt.<br />

Abb. 37. Entstehung des Talw<strong>in</strong>des.<br />

101 P. Raethjen, «Gleichgewichtstheorie der Zyklonen». Met. Zeitschr. 1936, S. 401. P. Raethjen, «Stabilitätstheorie der<br />

Zyklonen». Met. Zeitschr. 1936 S. 456.


- 38 -<br />

Erfahrungsgemäss füllen sich die Tiefdruckgebiete bei ihrer im allgeme<strong>in</strong>en von Westen nach Osten<br />

gerichteten Wanderung allmählich aus, sie okkludieren. Die räumlich ausgedehnteren Hochdruckgebiete<br />

besitzen ger<strong>in</strong>geres Luftdruckgefälle und damit auch ger<strong>in</strong>gere W<strong>in</strong>dstärken 102 . Dagegen können <strong>in</strong> der<br />

Nähe e<strong>in</strong>es Tiefdruckgebietes die Luftdruckdifferenzen und damit die W<strong>in</strong>dstärken recht grosse Werte<br />

annehmen. Offenbar entspricht den Hochdruckgebieten <strong>in</strong> den oberen Luftschichten zuströmende, den<br />

Tiefdruckgebieten abströmende Luft. Die Okklusion e<strong>in</strong>es Tiefdruckgebietes ist dann erreicht, wenn die<br />

Mischung der Luftmassen mehr oder weniger vollendet ist. Im Zentrum des Tiefdruckgebietes und <strong>in</strong><br />

dessen Fronten s<strong>in</strong>d starke aufsteigende Luftströmungen vorhanden. Die Wanderung e<strong>in</strong>es Tiefdruckgebietes<br />

ist der Ausdruck der Verschiebung des Zentrums der <strong>in</strong> der Höhe abfliessenden Luftmassen:<br />

Über e<strong>in</strong>em Tiefdruckgebiet ist daher von e<strong>in</strong>er bestimmten Luftschicht ab der Luftdruck überhöht, während<br />

für die Hochdruckgebiete das Umgekehrte gilt. Die Steuerung der gegenseitigen Verschiebung der<br />

Hoch- und Tiefdruckgebiete und damit die Ausbildung und Entwicklung der Grosswetterlage wird von<br />

der modernen Meteorologie allgeme<strong>in</strong> auf Vorgänge <strong>in</strong> den oberen Schichten der Troposphäre und<br />

unteren Schichten der Stratosphäre zurückgeführt, worauf wir nicht e<strong>in</strong>gehen können.<br />

Die k<strong>in</strong>etische Energie der Luftbewegungen entstammt zu e<strong>in</strong>em wesentlichen Teil der durch die Kondensation<br />

des Wasserdampfes der aufsteigenden Luft freigesetzten Kondensationswärme. Durch diese<br />

wird z. B. bei e<strong>in</strong>em Gewitter 103 e<strong>in</strong>e stossartige Expansion der aufsteigenden Luft <strong>in</strong> den höheren Luftschichten<br />

und die damit verbundene Ausbildung der übere<strong>in</strong>ander getürmten Gewitterwolke (erst<br />

Castellatus-Lenticularis, dann Cumulonimbus) ausgelöst. Wie besonders e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich k<strong>in</strong>ematographische<br />

Zeitrafferaufnahmen gelehrt haben, ist die Wolkenbildung nur als Prozess zu begreifen: Die Höhe der<br />

Haufen- oder Kumuluswolken («Kumuluswalze»)ist bestimmt durch abs<strong>in</strong>kende Luftströme;<br />

Schichtwolken, wie z. B. die Lentikulariswolken beim Föhn entstehen fortwährend neu am e<strong>in</strong>en Ende<br />

und lösen sich am entgegengesetzten Ende wieder auf. Die Lentikulariswolke ist die charakteristische<br />

Kampfwolke der auf- und absteigenden Luftbewegung.<br />

Die Luftbewegungen werden vom barischen W<strong>in</strong>dgesetz beherrscht: Luftbewegungen treten nur als Folge<br />

von Luftdruckdifferenzen auf. Allerd<strong>in</strong>gs weichen <strong>in</strong>folge des E<strong>in</strong>flusses der Erdrotation die Richtungen<br />

der W<strong>in</strong>de oft recht stark (bis 500 <strong>in</strong> unseren Breiten, im Mittel 100> von der Richtung der senkrecht zu<br />

den Kurven gleichen Luftdruckes zu ziehenden Luftdruckgradienten ab. Die gewöhnlichen Wetterkarten<br />

s<strong>in</strong>d repräsentativ nur für die untersten Schichten der Atmosphäre bis etwa 1000 m Höhe über Meeresniveau.<br />

Die <strong>in</strong> den letzten Jahren im Interesse des Luftverkehrs organisierten aerologischen Untersuchungen<br />

höherer Luftschichten haben immer wieder den Unterschied der Luftdruckverteilung <strong>in</strong> höheren Luftschichten<br />

gegenüber Bodenmessungen gezeigt. Auch die W<strong>in</strong>dverhältnisse s<strong>in</strong>d andere: <strong>in</strong> höheren Luftschichten<br />

herrscht re<strong>in</strong>er Gradientw<strong>in</strong>d, während <strong>in</strong> den unteren Luftschichten der Gradientw<strong>in</strong>d um so<br />

stärker von der Reibung der Luft an der Erdoberfläche bee<strong>in</strong>flusst wird, je vielgestaltiger das Relief der<br />

Erdoberfläche ist.<br />

In den atmosphärischen Strömungsfeldern s<strong>in</strong>d die Energieumsätze relativ ger<strong>in</strong>g. Besonders <strong>in</strong> der Höhe<br />

verlieren e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> Bewegung geratene Luftmassen nur langsam ihre Bewegungsenergie. Naturgemäss<br />

kann nicht nur aus dem Luftdruckgefälle auf die W<strong>in</strong>de geschlossen werden, es kann umgekehrt auch aus<br />

der Beobachtung der Luftströmungen auf das Luftdruckgefälle geschlossen werden.<br />

Was für die Luftbewegungen im allgeme<strong>in</strong>en gilt, gilt natürlich auch für den Föhnw<strong>in</strong>d. Die Föhnströmung<br />

wird durch Luftdruckdifferenzen verursacht. Im Gleichgewichtszustand ist<br />

102 E<strong>in</strong> Luftdruckgradient von 1 mm (d.h. e<strong>in</strong> Luftdruckgefälle von 1 mm pro 111 km) kann e<strong>in</strong>e W<strong>in</strong>dgeschw<strong>in</strong>digkeit von 14,4<br />

m/Sek., e<strong>in</strong> Gradient von 4 mm e<strong>in</strong>e Geschw<strong>in</strong>digkeit von 28,7 m/Sek., von 16 mm e<strong>in</strong>e von 57,4 m/Sek. erzeugen.<br />

103 Vorbed<strong>in</strong>gung der Gewitterbildung ist der sogenannte feuchtlabile Zustand der Luft. D.h. der Feuchtigkeitsgehalt muss so<br />

gross se<strong>in</strong>, dass ger<strong>in</strong>ge Hebung und damit verbundene Abkühlung zur Kondensation führt, was im Sommer öfters als im W<strong>in</strong>ter<br />

der Fall ist. Nach Raethjen («Stabilitätstheorie der Zyklonen») bleibt die Gew<strong>in</strong>nung der k<strong>in</strong>etischen Energie der Luftströmungen<br />

auf die labilen Umlagerungen im Bereiche der Fronten im weitesten S<strong>in</strong>ne des Wortes konzentriert. Siehe auch R. Mügge,<br />

«Wolken <strong>in</strong> Bewegung», Met. Zeitschr. 1937, S.81.


- 39 -<br />

absteigender W<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bergtal nur möglich, wenn - bezogen z.<br />

B. auf das Niveau des Talh<strong>in</strong>tergrundes - im Talh<strong>in</strong>tergrund höherer<br />

Luftdruck als im vorderen Teile des Tales herrscht. In der Gipfelhöhe<br />

der Alpen kann bei e<strong>in</strong>em Föhnsturm e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches, ziemlich<br />

gleichmässiges Luftdruckgefälle von Südosten nach Nordwesten angenommen<br />

werden. Das Relief der Alpen, der Voralpen, des Mittellandes<br />

und des Jura stört den Abfluss der bodennahen Luftschichten.<br />

Je mehr Luft <strong>in</strong> den mittleren Luftschichten - über dem Mittelland<br />

abfliesst, um so niedriger wird im Mittelland der Luftdruck werden.<br />

Deshalb wird nördlich der Alpen die bodennahe Luftschicht nur bis<br />

zu e<strong>in</strong>er gewissen Höhe herab <strong>in</strong> Bewegung geraten, während gleichzeitig<br />

die Föhnströmung nach und nach <strong>in</strong> die Föhntäler herabgezogen<br />

wird. Die Heftigkeit der Föhnströmung nimmt mit der Höhe über<br />

dem Talgrunde zu, da sich <strong>in</strong> der Höhe und im Talh<strong>in</strong>tergrund die<br />

Stroml<strong>in</strong>ien zusammendrängen. Diese Tatsache lässt sich auch im<br />

Glarnerland feststellen 104 .<br />

Wegen ihrer grossen k<strong>in</strong>etischen Energie räumt die <strong>in</strong> der Höhe<br />

wehende Föhnströmung nach und nach die tieferen, im Tale lagernden<br />

Luftschichten mehr oder weniger vollständig aus. Dies ist aber<br />

nur deshalb möglich, weil die unteren Luftschichten selbst schon im<br />

langsamen Abfliessen begriffen s<strong>in</strong>d. Analog wie bei e<strong>in</strong>em Flussbett<br />

wird die Föhnströmung <strong>in</strong> der Talmitte die grösste Geschw<strong>in</strong>digkeit<br />

aufweisen. Es ist anzunehmen, dass bei den meisten Föhntälern<br />

der Schweiz die Föhnströmung analog wie beim Innsbrucker Föhn an<br />

den das Föhntal quer abschliessenden Berghängen ihrer Bewegungsenergie<br />

zufolge wieder <strong>in</strong> die Höhe strömt, so beim Ausgang des<br />

Reusstales an den Hängen des Rigi und Rossberges, beim Ausgang<br />

des L<strong>in</strong>thtales an den Hängen des Planggenstockes und des Speer,<br />

um im Mittelland nur vere<strong>in</strong>zelt oder zeitlich verspätet durch die unteren<br />

Luftschichten bis zum Boden durchzubrechen, nachdem die<br />

Abb. 38.Föhnströmung und Luftdruck.<br />

Da die Bewegung e<strong>in</strong>er Flüssigkeit durch<br />

fünf Grössen (drei Komponenten der<br />

Geschw<strong>in</strong>digkeit, Druck und Dichte, bestimmt<br />

wird, müssen zur mathematischen<br />

Bestimmung e<strong>in</strong>er Flüssigkeitsbewegung<br />

fünf Gleichungen aufgestellt werden: 1.<br />

Die Eulersche Bewegungsgleichung mit<br />

drei Komponenten, 2. die Kont<strong>in</strong>uitätsgleichung<br />

als Ausdruck der Erhaltung der<br />

Masse, 3. die Zustandsgleichung. Die<br />

Strömung e<strong>in</strong>es Gases mit <strong>in</strong>nerer Reibung<br />

kann nie wirbelfrei se<strong>in</strong>. Der hydrostatische<br />

Druck wird beim Auftreten<br />

e<strong>in</strong>er Strömung vom hydrodynamischen<br />

Druck überlagert, weshalb obige schematische<br />

Zeichnung ke<strong>in</strong> genaues Bild der<br />

Druckverhältnisse geben kann. Bekanntlich<br />

s<strong>in</strong>kt der Druck mit wachsender Geschw<strong>in</strong>digkeit,<br />

um bei abnehmender Geschw<strong>in</strong>digkeit<br />

wieder zuzunehmen.<br />

Wolkenschicht durch Föhnfenster aufgelöst worden ist. Die ausgesprochenen lokalen Luftdruckm<strong>in</strong>ima<br />

der Föhntäler f<strong>in</strong>den zum Teil ihre Erklärung durch die übergrosse, trockenadiabatische Erwärmung der<br />

Föhnluft: Da jede Erwärmung der Luft e<strong>in</strong>e Steigerung des Luftdruckes nach sich zieht, erfordert umgekehrt<br />

das aerodynamische Gleichgewicht der Luft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gewissen Niveau über der Talsohle, dass die<br />

relativ warme Föhnluft nach ihrem Abstieg <strong>in</strong>s Tal e<strong>in</strong>e Senkung der lokalen Niveauflächen des Luftdruckes<br />

nach sich zieht 105 . Andererseits könnten diese lokalen Luftdruckm<strong>in</strong>ima zum Teil wohl auch als<br />

hydrodynamische Ersche<strong>in</strong>ung erklärt werden: In den engen Föhntälern muss die grosse Geschw<strong>in</strong>digkeit<br />

der Föhnströmung sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Druckverm<strong>in</strong>derung äussern.<br />

E<strong>in</strong>e analoge Ersche<strong>in</strong>ung kann über dem Mittelland angenommen werden. Da die Föhn-<br />

104 Der Hüttenwart der Fridol<strong>in</strong>shütte am Tödi erzählt, wenn der Föhn stark wehe, wage man kaum die Türe der Hütte zu öffnen.<br />

Er habe schon oft weit mehr als zwei Stunden zum Aufstieg bis zur Hütte gebraucht, da er mit dem Träger absitzen musste, um<br />

nicht vom W<strong>in</strong>d mitgerissen zu werden. Besonders stark wehe der Föhn noch weiter oben, «so dass es fast unmöglich ist, vom<br />

Tödi zum Ruse<strong>in</strong> zu gelangen. Aus diesem Grunde s<strong>in</strong>d schon oft Bergsteigerpartien zurückgekommen». Dagegen liegen die<br />

Steilhänge und das steil geschnittene Tal des Bifertenbaches unterhalb der Fridol<strong>in</strong>shütte auch bei stärkstem Föhn im<br />

W<strong>in</strong>dschatten. Oft weht der Föhn nur <strong>in</strong> der Höhe; gelangt gar nicht bis zur Hütte (sog. Bergföhn). Auch beim Hotel «Tödi» <strong>in</strong><br />

der Thierfehd macht sich der Föhn stärker bemerkbar als unten im Tal bei L<strong>in</strong>thal. Selbst zwischen Auen und L<strong>in</strong>thal soll e<strong>in</strong><br />

gewisser Unterschied der W<strong>in</strong>dstärke bemerkbar se<strong>in</strong>: In Auen und auch von Rasten, d.h. vom Ausgang des Sernftales, abwärts<br />

weht der Föhn stärker als <strong>in</strong> L<strong>in</strong>thal selbst oder zwischen L<strong>in</strong>thal und Haslen.<br />

105 E<strong>in</strong>e Erwärmung der Luft um 10 führt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Höhe von 1000 m zu e<strong>in</strong>er Luftdrucksteigerung von 0,31 mm nach der Formel<br />

db = b • h - dt/2184 (b = Barometerstand, h = Meereshöhe, genauer relative Höhe über dem Niveau der Umgebung, dt =<br />

Temperatursteigerung <strong>in</strong> Celsiusgraden, db = Luftdrucksteigerung). Umgekehrt kann e<strong>in</strong>e verzögerte Abnahme des Luftdruckes<br />

mit wachsender Höhe durch übernormales Temperaturgefälle verursacht se<strong>in</strong>.


- 40 -<br />

Abb. 39. Antizyklonalföhn auf dem Rigi.<br />

Die Grenze der kalten Bodenschicht wird durch das Nebelmeer angezeigt. E<strong>in</strong><br />

besonders schöner Antizyklonalföhn war am 1. September 1937 zu beobachten:<br />

Nachdem vor dem 1. September trotz e<strong>in</strong>em über Europa gelegenen<br />

Hochdruckband das Mittelland dank des Staues e<strong>in</strong>er nordwestlichen Strömung<br />

am Alpenkamm immer bedeckt bis stark bewölkt war, klärte am 1. September<br />

der Himmel plötzlich zu strahlendem Blau auf: E<strong>in</strong> Hochdruckkern<br />

brachte über Mitteleuropa die Luft zum antizyklonalen Abstieg.<br />

strömung mit dem Abstieg langsamer wird, wird über dem Mittelland e<strong>in</strong>e verhältnismässig warme und<br />

damit auch leichtere, nur langsam über den Jura abfliessende Schicht zu liegen kommen, welche den<br />

Luftdruck der Bodenstationen ebenfalls senkt und so die Bildung e<strong>in</strong>es grösseren Teilm<strong>in</strong>imums verursacht.<br />

Die Gesetze der Föhnströmung fügen sich auf diese Art den allgeme<strong>in</strong>en Gesetzen der Luftströmung<br />

widerspruchslos e<strong>in</strong>. Aber auch heute noch s<strong>in</strong>d wir mit dem Dichter versucht zu sagen:<br />

«Und Stürme brausen um die Wette<br />

Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer,<br />

Und bilden wütend e<strong>in</strong>e Kette<br />

Der tiefsten Wirkung r<strong>in</strong>gsumher.<br />

Da flammt e<strong>in</strong> blitzendes Verheeren<br />

Dem Pfade vor des Donnerschlags;<br />

Doch de<strong>in</strong>e Boten, Herr, verehren<br />

Das sanfte Wandeln de<strong>in</strong>es Tags.»<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Seite<br />

Vorwort<br />

1. Kapitel: Eigenschaften und Wirkungen des Föhnw<strong>in</strong>des 3<br />

2. Kapitel: Aus der Geschichte der Föhntheorie 7<br />

3. Kapitel: Föhnlagen im ersten Halbjahr 1937 12<br />

4. Kapitel: Der Alpentalföhn vom 9.110. November 1934 19<br />

5. Kapitel: Der Föhnsturm vom 20./21. Mai 1937 22<br />

6. Kapitel: Saharastaub über der Schweiz 27<br />

7. Kapitel: Nochmals Geschichte der Föhntheorie 30<br />

8. Kapitel: Die Föhnströmung 36


Bührer’s kurzgefasste Föhntheorie (nur die Frage: wieso ist der Föhn so warm?)<br />

Adiabatisch bedeutet, dass Energie weder <strong>in</strong>s System h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> noch h<strong>in</strong>aus fliesst. Als adiabatisch gilt bei<br />

Walter korrekterweise die Kondensation des Wasserdampfs zu Wolken. Zusätzlich adiabatisch soll<br />

offenbar s<strong>in</strong>ngemäss sogar das Ausregnen se<strong>in</strong>.<br />

Der Unterschied zwischen feucht-adiabatisch und trocken-adiabatisch bleibt e<strong>in</strong> Klimmzug, denn die<br />

Systemgrenze müsste auf der Luvseite der Alpen um den Niederschlag erweitert werden. Auf dem<br />

Alpenkamm wird dann das System auf die Luft reduziert.<br />

Wesentlich ist die latente Wärme der Kondensation (und Verdampfen) von Wasser sowie das Ausregnen.<br />

10° Dampf-gesättigte Luft <strong>in</strong> Lugano enthält ca. 1.2% Dampf. Beim Abkühlen auf 0° durch Expansion<br />

wird latente Energie frei, welche e<strong>in</strong>em ∆T von ca. 12° entspricht. Verglichen damit dürfte der E<strong>in</strong>fluss<br />

des Dampfgehalts (ohne Kondensation) vernachlässigbar se<strong>in</strong>. Das Selbe gilt für das Heizen der Luft mit<br />

"Vernichtung" der k<strong>in</strong>etischen Energie. Ob die Bildung der Regentropfen über die Bildung von Eis<br />

(Schneeflocken) geht, mit dem zusätzlichen Wärmegew<strong>in</strong>n des Phasenübergangs 106 zu Eis, spielt im<br />

Sommer ke<strong>in</strong>e Rolle, da dieselbe Energiemenge wieder zum Schmelzen gebraucht wird.<br />

Wesentlich für die Erwärmung ist das Entfernen des Wassers, denn - bleibt es bei Nebel und Wolken,<br />

wird dieselbe Energiemenge wieder für das Überführen <strong>in</strong> die Gasphase gebraucht und die Luft hat <strong>in</strong><br />

Altdorf etwa dieselbe Temperatur wie <strong>in</strong> Lugano.<br />

Die SMA hat im Laufe der Jahre e<strong>in</strong>ige Namensänderungen h<strong>in</strong>ter sich: Sie hiess 1938 noch<br />

„Schweizerische Meteorologische Zentralanstalt (abgekürzt „mz“). Später „Schweizerische<br />

Meteorologische Anstalt“, abgekürzt SMA.<br />

Kommentar zu diesem Dokument<br />

Der ganze Text wurde mit 600 DPI gescannt und mit OCR (Xerox) <strong>in</strong> Text gewandelt. Ich hoffe alle<br />

Übersetzungsfehler richtig korrigiert zu haben. Der Umbruch wurde möglichst beibehalten. Da die Font<br />

nicht exakt dem Orig<strong>in</strong>al entspricht, entstanden zum Teil störende Lücken. Die Abbildungen s<strong>in</strong>d im<br />

Orig<strong>in</strong>al nicht farbig. Die Photos wurden entrastert und <strong>in</strong> Grautöne gewandelt. Die Strichzeichnungen<br />

wurden mit zwei Ausnahmen neu gezeichnet und liegen als e<strong>in</strong>gefärbte Vektorgraphiken vor. Mit dieser<br />

Manier kann das Dokument mit Volltext-Suche bearbeitet werden.<br />

Es war damals noch nicht üblich Wetter-Fronten mit den entsprechenden Signaturen zu versehen. Die<br />

hoch aufgelösten Wetterkarten der Schweiz s<strong>in</strong>d wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong> damaliges Novum. Beim heutigen<br />

dichten Netz der automatischen Wetterstationen und anderem Zubehör, wie Regenradar oder<br />

W<strong>in</strong>dprofiler s<strong>in</strong>d die damaligen Schwierigkeiten zum Zeichnen solcher Karten kaum mehr<br />

nachvollziehbar.<br />

Zum Schmunzeln führt der Vergleich der Widmung im Vorwort mit der Fussnote auf Seite 34.<br />

106 Die Energie der Phasenübergänge: Eis-Wasser ist ca. 80kcal/kg und Wasser-Dampf 340 kcal/kg; was<br />

bedeutet, dass das ∆T zwischen Lugano und Altdorf im W<strong>in</strong>ter 20% höher se<strong>in</strong> dürfte.


1938<br />

Druck von Gebr. Fretz A.G., <strong>Zürich</strong>.

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