Umschlagbild - Naturforschende Gesellschaft in Zürich NGZH
Umschlagbild - Naturforschende Gesellschaft in Zürich NGZH
Umschlagbild - Naturforschende Gesellschaft in Zürich NGZH
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<strong>Umschlagbild</strong><br />
Energie- und Kohlenstofffluss durch die Biosphäre:<br />
Heutiger Zustand mit ger<strong>in</strong>ger Nutzung der Bioenergie durch den Menschen. Der grösste<br />
Teil der energiereichen Biomasse wird durch die Zersetzer zu CO2 abgebaut. Die<br />
Verbrennung der fossilen Brennstoffe trägt wesentlich zur Erhöhung des CO2-Gehaltes der<br />
Atmosphäre bei.<br />
Möglichkeiten von morgen mit optimaler Nutzung der Bioenergie. Durch Vergasung und<br />
Fermentationen wird Biomasse <strong>in</strong> gasförmige und flüssige Energieträger umgewandelt, die<br />
als Roh- und Treibstoffe vielfältig genutzt werden können.<br />
Kommentar:<br />
Dieses Neujahrsblatt ist schon lange vergriffen. Daher wurde e<strong>in</strong> Master-Exemplar gemacht,<br />
das auf e<strong>in</strong>em Kopierer vervielfältigt werden kann. Dazu kamen vier Seiten auf e<strong>in</strong><br />
Blatt: (zum falzen, zusammenstellen, kleben. und mit dem Umschlag versehen) Ergibt<br />
Hefte von 207.4 x 148.6 mm, also etwas kle<strong>in</strong>er als das Orig<strong>in</strong>al.<br />
Der Text wurde ähnlich dem Orig<strong>in</strong>al auf die Seiten verteilt. d.h.: der Text ist nicht zeilentreu<br />
und nur e<strong>in</strong>igermassen Seitentreu. Dieses Exemplar ist zum normalen Lauftext umgearbeitet.<br />
Formales<br />
Offset-Druck, Lichtsatz<br />
125 g, 230 x 157.5 mm; Satzspiegel: 127x181 mm<br />
Papierdicken: Gesamt:2.86 mm, .062 mm/Blatt , Deckel 0.16 mm<br />
B<strong>in</strong>dung: genäht (8,8,7,7,8 Blatt) und geklebt<br />
Serifenschrift, etwa Times.<br />
OCR-Wandlung mit Xerox-Software.<br />
Der Inhalt wurde während der Semesterferien im Sommer 1979 erarbeitet, z.T. als Vorbereitung<br />
für e<strong>in</strong>e neue Vorlesung (mündl. Mitt. R.Bachofen).<br />
Zehner-Exponenten: kilo:3, Mega:6, Giga:9, Tera:12, Peta:15, Exa:18, Zeta:21
NEUJAHRSBLATT<br />
herausgegeben von der<br />
<strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>Zürich</strong><br />
auf das Jahr 1981<br />
183. Stück<br />
1981<br />
Orell Füssli Graphische Betriebe AG <strong>Zürich</strong>
Veröffentlichung<br />
der<br />
<strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong><br />
im Anschluss an den Jahrgang 125 der<br />
Vierteljahrsschrift der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong><br />
<strong>Zürich</strong><br />
als Heft Nummer 5<br />
Redaktion Prof. Dr. E.A. Thomas, Limnologische Station, Seestrasse 187, 8802 Kilchberg<br />
Ausgegeben am 31. Dezember 1980<br />
Nachdruck, auch auszugsweise nur mit Quellenangabe gestattet.
Bio-Energie<br />
heute- morgen<br />
von<br />
Re<strong>in</strong>hard Bachofen<br />
mit e<strong>in</strong>em Titelbild und 37 Abbildungen im Text
4 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Zusammenfassung<br />
Bioenergie ist Energie, gewonnen aus Biomasse, d.h. aus lebender und toter organischer<br />
Substanz, die <strong>in</strong> rezenter Zeit durch lebende Systeme - Pflanzen, Tiere und<br />
Mikroorganismen - gebildet wurde. Die Grundlage bilden die Leistungen der grünen<br />
Pflanzen, die als autotrophe Organismen mit Hilfe von Sonnenlicht aus Kohlendioxid und<br />
Wasser organische Verb<strong>in</strong>dungen aufzubauen vermögen.<br />
Weltweit liegt <strong>in</strong> der vorhandenen Biomasse gleich viel Energie gespeichert vor wie <strong>in</strong><br />
allen uns bekannten Reserven an Kohle, Öl und Gas. Und doch ist dieses grosse<br />
Energiepotential bisher nur für wenig mehr als unsere Nahrung energetisch genutzt worden.<br />
Die Möglichkeiten der Nutzung der Biomasse als Alternative und Ersatz der <strong>in</strong> naher<br />
Zukunft versiegenden fossilen Energieträger werden heute <strong>in</strong>tensiv studiert. Die<br />
vorliegende Übersicht soll e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck vermitteln, wo gute Nutzungsmöglichkeiten<br />
vorhanden s<strong>in</strong>d, aber auch wo Probleme liegen. Es ist gewissermassen e<strong>in</strong>e<br />
Momentaufnahme, erstellt aufgrund veröffentlichter Arbeiten. Schon morgen werden<br />
vielleicht neue Daten vorliegen, neue Technologien e<strong>in</strong>geführt, geeignetere Pflanzen<br />
gefunden und höhere Umwandlungsausbeuten erzielt.<br />
Verdankung<br />
Ich danke allen Kollegen und Mitarbeitern für <strong>in</strong>teressante Gespräche und Diskussionen,<br />
<strong>in</strong>sbesondere Prof. Dr. D. O. HALL, dem Pionier für die Verbreitung der Ideen der biologischen<br />
Sonnenenergienutzung, Drs. O. ANNER, H. ASPER, M. EGLI und H. ZÜRRER für die Hilfe bei der<br />
Gestaltung des Textes, dem Schweizerischen Nationalfonds, der im Rahmen der Nationalen<br />
Programme unser Projekt «Biologische Wasserstoffproduktion mit photosynthetischen<br />
Mikroorganismen» unterstützte, Dr. W. EGGER für photographische Arbeiten, wie auch besonders Frl.<br />
H. MOLLER für die gekonnte Herstellung der Zeichnungen.<br />
1 MJ = 0.27778 kWh = 238.85 kcal<br />
1 t Kohleäquivalent = 26.9 GJ<br />
1 t Öläquivalent = 44.8 GJ<br />
1000 m3 Erdgas = 38.9 GJ<br />
Verwendete Energiee<strong>in</strong>heiten:
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 5<br />
1. E<strong>in</strong>leitung<br />
E<strong>in</strong>e Analyse der weltweiten Energiesituation gibt uns das Bild e<strong>in</strong>er unbekümmerten<br />
Menschheit, die auf e<strong>in</strong>em immer schmaler werdenden Gratweg e<strong>in</strong>em<br />
Abgrund zustrebt. Noch sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e Umkehr möglich. Bes<strong>in</strong>nen wir uns auf die<br />
Grundlagen: die Sonne ist Ursprung der Erde und Urkraft des Lebens auf unserem<br />
Planeten!<br />
Die fossilen Energieträger schw<strong>in</strong>den; zu lange wurden sie gedankenlos<br />
geplündert. Mahn- und Warnrufe verhallten ungehört. Können die konventionellen<br />
Energieträger durch Sonnenenergie abgelöst werden?<br />
Vergegenwärtigt man sich die fast nicht messbaren solaren Energiereserven - alle<strong>in</strong><br />
die jährlich auf die Erde fallende Strahlungsenergie übersteigt mit über 3.10 24 J die<br />
gesamten heute bislang bekannten Lager an Öl, Gas, Kohle und Uran um das<br />
Hundertfache -, wird augenfällig, weshalb immer mehr Fachleute sich um ihre<br />
Nutzung bemühen.<br />
Die optimistische Zukunftsvorstellung e<strong>in</strong>es möglichen Sonnenzeitalters darf<br />
nicht dazu verleiten, zwei Randbed<strong>in</strong>gungen zu vergessen, die sich der effizienten<br />
Nutzung der Sonnenenergie als e<strong>in</strong>schneidend limitierende Hürden <strong>in</strong> den Weg<br />
stellen:<br />
- die Energiedichte ist ger<strong>in</strong>g,<br />
- der Energiefluss ist nicht kont<strong>in</strong>uierlich (Tag-Nacht-Wechsel, Jahreszeiten,<br />
Witterungse<strong>in</strong>flüsse).<br />
Daraus ergeben sich als Konsequenzen:<br />
- grosse Kollektorflächen,<br />
- gute Speichersysteme.<br />
Vorläufig erfüllen weder Anlagen mit Sonnenkollektoren zur Wärmegew<strong>in</strong>nung<br />
noch Solarzellen zur Transformation des Lichtes <strong>in</strong> elektrischen Strom diese beiden<br />
unabd<strong>in</strong>gbaren Voraussetzungen befriedigend.<br />
Aus dieser Sicht wird die Photosynthese, der Prozess, der letztlich alles Leben<br />
ermöglicht, zum bestangepassten Umwandlungsverfahren der frei verfügbaren<br />
Strahlungsenergie: Seit Millionen von Jahren wird Sonnenenergie fixiert, mit<br />
ger<strong>in</strong>ger Ausbeute, dafür aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dauerhaften Speicherprodukt, der<br />
Biomasse, die wir auch mit den fossilen Energieträgern Öl, Gas und Kohle als<br />
umgewandelte Produkte der Photosynthese geologischer Epochen nutzen.<br />
Die Photosynthese als Energieumwandlungssystem liefert an chemisch<br />
gespeicherter Energie das Zehnfache des heutigen Weltenergieverbrauches: 3.10 21 J<br />
jährlich. Bedenkt man, dass die Biomasse bis anh<strong>in</strong> nur <strong>in</strong> Bruchteilen
6 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
von und für den Menschen genutzt wurde, erwachsen aus diesen Grössenordnungen<br />
optimistische Zukunftsperspektiven. Bis vor kurzem wäre die Vorstellung belächelt<br />
worden, dass Pflanzen (Algen und Bakterien e<strong>in</strong>geschlossen) je der Menschheit helfen<br />
könnten, sich aus der Energiekrise zu retten; heute lässt e<strong>in</strong> weites Spektrum von Projekten<br />
[43, 118-130] hoffen, dass mittels biologischer Systeme die energetische Zukunft unseres<br />
Planeten m<strong>in</strong>destens z. T. gemeistert werden kann.<br />
1.1. Energiefluss und Stoffkreisläufe<br />
Schon <strong>in</strong> den Religionen der alten Kulturvölker kam der Sonne - Inkas, Inder,<br />
Ägypter, Griechen und Römer huldigten ihr - e<strong>in</strong>e besondere Bedeutung als<br />
Erhalter<strong>in</strong> des irdischen Lebens zu.<br />
Die Ergebnisse der Biochemie lehren uns heute, dass das <strong>in</strong> hohem Mass geordnete<br />
System e<strong>in</strong>er lebenden Zelle oder e<strong>in</strong>es ganzen Organismus nur unter ständiger<br />
Energiezufuhr - letztlich aus der Sonne - <strong>in</strong> diesem Zustand erhalten bleibt. E<strong>in</strong><br />
Ausbleiben der Energie von aussen führt über kurz oder lang zum Tod.<br />
Dieses Gesetz gilt für alle Organismen, die Art der Energiezufuhr ist jedoch<br />
verschieden:<br />
Abb. 1 Schematische Darstellung des Energie- und Materialflusses <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ökosystem. Die Zahlen<br />
für den Energiefluss gelten für e<strong>in</strong>en Quellteich <strong>in</strong> Florida, angegeben <strong>in</strong> MJ/m² Jahr (aus [36]). -<br />
Ebenfalls e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d die Kreisläufe der Elemente, die am Aufbau der Organismen beteiligt s<strong>in</strong>d<br />
(C, H, O, N und weitere, <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren Mengen vorkommende Elemente). Im Gegensatz zum<br />
nichtzyklischen Fluss der Energie <strong>in</strong> der Natur, welcher nur durch ständige Zufuhr von Seiten der<br />
Sonne erhalten bleibt, bilden die Elemente spezifische Kreisläufe (punktierte Pfeile), <strong>in</strong> denen, <strong>in</strong><br />
grossen Räumen gesehen, die Menge konstant bleibt.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 7<br />
- Menschen, Tiere, Pilze und viele Bakterien s<strong>in</strong>d auf organische Nährstoffe<br />
angewiesen (heterotrophe Ernährungsweise);<br />
- chemoautotrophe Bakterien vermögen den Energiegehalt anorganischer<br />
Verb<strong>in</strong>dungen zu nutzen;<br />
- grüne Pflanzen und e<strong>in</strong>ige pigmentierte Bakterien s<strong>in</strong>d alle<strong>in</strong> befähigt, das<br />
Sonnenlicht direkt auszuwerten (Photoautotrophe Lebewesen).<br />
Die eigentliche Schlüsselstellung kommt damit dieser letzten Organismengruppe<br />
zu: sie vermittelt die Weltraumressourcen dem Leben auf unserer Erde. Diese<br />
photosynthetisierenden Systeme regeln alles übrige Wachstum; die heterotrophen<br />
Organismen s<strong>in</strong>d durch deren Leistung limitiert.<br />
Der Energiefluss <strong>in</strong> der Biosphäre ist komplex vernetzt; der Analyse selbst klar<br />
begrenzter Ökosysteme erwachsen erhebliche Schwierigkeiten. Es erstaunt daher<br />
nicht, dass das überschaubare System Teich und See zu e<strong>in</strong>em bevorzugten<br />
ökologischen Objekt wurde [36], an welchem wesentliche Grunderkenntnisse<br />
erarbeitet worden s<strong>in</strong>d (Abb. 1). In e<strong>in</strong>er Nahrungskette wird von Stufe zu Stufe<br />
stets nur etwa 1/10 der fixierten Energie weiterverwertet, vom Rest geht e<strong>in</strong> Teil<br />
Abb. 2 Schlüsselstellung der grünen Pflanze bei der Umwandlung von Lichtenergie <strong>in</strong> chemische<br />
Energie als Nahrung für Mensch und Tier. - Unsere bekannten fossilen Energieträger s<strong>in</strong>d Produkte<br />
der Photosynthese früherer Epochen, sie werden heute <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er im Vergleich zur Bildung unglaublich<br />
raschen Geschw<strong>in</strong>digkeit genutzt und entwertet. Pflanzliche und tierische Faserstoffe dienten uns zur<br />
Isolation, um unsere Energieverluste zu verr<strong>in</strong>gern. Holz ist als Brennstoff die erste Fremdenergie des<br />
Menschen.
8 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
als Wärme verloren, e<strong>in</strong> anderer dient <strong>in</strong> den Ausscheidungsprodukten als<br />
Energiequelle der abbauenden Mikroorganismen.<br />
In der Biosphäre ist der Energiefluss auch Materialfluss. Jener fliesst irreversibel<br />
<strong>in</strong> den Weltraum zurück, während die Elemente <strong>in</strong> globalen Kreisläufen regeneriert<br />
werden. Die Schlüsselstellung der grünen Pflanze wird <strong>in</strong> Abb. 2 deutlich: durch<br />
die Umwandlung der Lichtenergie <strong>in</strong> chemische Energie <strong>in</strong> der Photosynthese wird<br />
Energie mit Materie verknüpft, <strong>in</strong> den Abbauvorgängen der Atmung und Gärung<br />
unter Nutzung von der Materie wieder getrennt.<br />
1.2. Der Energieverbrauch des Menschen<br />
Die Geschichte des Menschen ist die Geschichte se<strong>in</strong>er Fähigkeiten, Energie<br />
ausserhalb se<strong>in</strong>er natürlichen physiologischen Möglichkeiten transformieren zu<br />
können.<br />
Die Art und Menge der verfügbaren Energiequellen und das Wissen, diese zu<br />
nutzen, wurden <strong>in</strong> den letzten hundert Jahren Grundlagen des wirtschaftlichen<br />
Wachstums und des hohen Lebensstandards der Industrieländer.<br />
Abb. 3 Vergleich von Energieverbrauch und Entwicklungsstufe des Menschen (<strong>in</strong> MJ/Kopf. Tag,<br />
nach [25]). - Die ersten Menschen benötigten etwa 10 MJ/Tag für das Sammeln und Jagen ihrer<br />
täglichen Nahrung. Diese Energiemenge mag sich mit der Nutzung des Feuers zu Heiz- und<br />
Kochzwecken etwa verdoppelt haben. Die Herstellung e<strong>in</strong>facher Jagd- und Bodenbearbeitungsgeräte<br />
und der E<strong>in</strong>satz von Tieren im Ackerbau bedeutete e<strong>in</strong>e weitere Verdopplung. Unsere heutige, voll<br />
<strong>in</strong>dustrialisierte und extrem mobile <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> den Ländern Westeuropas und <strong>in</strong> den USA ist bei<br />
e<strong>in</strong>em über 100mal grösseren Energieverbrauch pro Kopf von 970 MJ/Tag angelangt.<br />
Die enorme Zunahme des weltweiten Energiebedarfs ergibt sich aus<br />
Bevölkerungswachstum und Zunahme des Lebensstandards. Die<br />
Verdopplungszeiten des Energieverbrauchs verkürzten sich beständig. Nicht nur<br />
die re<strong>in</strong> quantitative Zunahme ist beängstigend. Durch das überbordende<br />
Wirtschaftswachstum der letzten 20 Jahre wurden die e<strong>in</strong>facher nutzbaren fossilen<br />
Energieträger bevorzugt verbraucht: die Nutzung von Kohle, wie auch von<br />
Biomasse, wurde gegenüber Öl und Gas vernachlässigt.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 9<br />
Tab. 1 Verbrauch an Energie durch den Menschen weltweit (1970)<br />
(alle Werte x 10 18 J/Jahr)<br />
Regenerierbare Nicht regenerierbare<br />
Energiequellen Energiequellen<br />
Nahrung aus Pflanzen 15,3 Erdöl 120<br />
Nahrung aus Tier 24,1 Erdgas 48<br />
Kleidung, Fasern 0,4 Kohle 81<br />
Papier 4,3<br />
Bauholz 6,1<br />
Brennholz 12,0<br />
Wasserkraft 16 Kernenergie 4<br />
Die Wachstumsrate des Energiekonsums <strong>in</strong> der Schweiz war <strong>in</strong> den sechziger<br />
Jahren gross, <strong>in</strong>nert 10 Jahren trat e<strong>in</strong>e Verdoppelung e<strong>in</strong>; seit wenigen Jahren aber<br />
ist e<strong>in</strong>e deutliche Dämpfung e<strong>in</strong>getreten. Drei Gründe s<strong>in</strong>d dafür verantwortlich:<br />
Abb. 4 Korrelation zwischen Bruttosozialprodukt und Energieverbrauch pro Kopf für e<strong>in</strong>ige Nationen<br />
(aus [14]). - Der Zusammenhang zwischen Energieverbrauch und Wirtschaftsentwicklung ist deutlich.<br />
Abweichungen von e<strong>in</strong>er Geraden weisen auf mehr oder weniger stark energieabhängige Industrien<br />
und unterschiedliche Wirkungsgrade bei Energieumwandlungen und -konservierung h<strong>in</strong>. In den USA,<br />
weit an der Spitze stehend, verbrauchen 6% der Bevölkerung über 35% der Energie. - Weniger<br />
<strong>in</strong>dustrialisierten Ländern, besonders denjenigen der Dritten Welt, kann <strong>in</strong> Abb. 3 e<strong>in</strong>e frühere<br />
Entwicklungs- resp. Energieverbrauchsstufe zugeordnet werden.
10 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
- die Rechnungen im Bericht des Clubs von Rom haben deutlich gemacht, dass die<br />
fossilen Energieträger mit Gewissheit <strong>in</strong> wenigen Jahrzehnten bis<br />
Jahrhunderten aufgebraucht se<strong>in</strong> werden [75];<br />
- erhöhte gesetzliche E<strong>in</strong>schränkungen durch Forderungen des Umweltschutzes:<br />
Verr<strong>in</strong>gerung von Luft- und Gewässerverschmutzung, Problematik der<br />
Abwärme thermischer Kraftwerke usw.;<br />
- die Ölkrise, erstmals im Jahre 1973 mit gewaltigen Preissteigerungen für Heizöl,<br />
Benz<strong>in</strong> und Produkte der Petrochemie.<br />
Abb. 5 Entwicklung des Primär-Energieverbrauchs der Schweiz seit 1910 und Aufteilung desselben<br />
nach verschiedenen Energieträgern (aus [14]). - Während <strong>in</strong> der Mitte des letzten Jahrhunderts noch<br />
Holz den grössten Teil des Energiebedarfes decken konnte, dom<strong>in</strong>ieren heute neben Hydroelektrizität<br />
die flüssigen fossilen Energieträger. In dieser Darstellung nicht enthalten s<strong>in</strong>d die Energiezufuhr<br />
durch die Photosynthese - die tägliche Nahrung, Faser- und Baustoffe - wie vor allem auch die<br />
Wärmestrahlung der Sonne, die uns auf der Erde die für Leben notwendigen Bed<strong>in</strong>gungen schafft.<br />
Die Energiepolitik der Zukunft wird gezwungen se<strong>in</strong>, wohldokumentierte<br />
Nachfragen sorgfältig zu prüfen. Es gilt nicht nur, die Erhältlichkeit und die<br />
aktuellen Kosten abzuwägen, Folgekosten müssen berücksichtigt, die<br />
Erneuerbarkeit abgeschätzt und die Umweltbelastung umsichtig hochgerechnet<br />
werden.<br />
Nicht zuletzt s<strong>in</strong>d auch der Mensch und die menschliche <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> die<br />
Rechnung e<strong>in</strong>zubeziehen: e<strong>in</strong> une<strong>in</strong>geschränktes Wachstum des Energieverbrauches<br />
ist sowohl vom beschränkten Vorhandense<strong>in</strong> der Quellen der<br />
Primärenergie wie auch von den Folgen deren Nutzung e<strong>in</strong>fach unmöglich und<br />
würde zur Katastrophe führen [41].
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 11<br />
Tab. 2 Vergleich der Reserven an fossilen Brennstoffen mit der Sonnene<strong>in</strong>strahlung<br />
und der Produktion an Biomasse (aus [46])<br />
Gesicherte Vorkommen: als t Kohleäquivalente<br />
Kohle 5. 10 11 t<br />
Erdöl 2. 10 11 t<br />
Erdgas 1 10 11 t<br />
8 10 11 t = 25. 10 21 J<br />
Vermutete Vorkommen<br />
Kohle 85. 10 11 t<br />
Erdöl 5.10 11 t<br />
Gas 3. 10 11 t<br />
93. 10 11 t = 300. 10 21 J<br />
Jährlicher Energieverbrauch weltweit etwa 5.1 10 9 t 2,3.10 20 J<br />
Jährliche Sonnene<strong>in</strong>strahlung auf die Erde 3,6.10 24 J<br />
Jährliche Nettoproduktion 8. 10 15 t C = 3. 10 21 J<br />
durch Photosynthese (2. 10 11 t Biomasse)<br />
deren Produktion auf Kulturland 0,4. 10 10 t C<br />
Weltweit gespeicherte Biomasse (90% - Bäume) 8. 10 11 t C = 20. 10 21 J<br />
davon auf kultiviertem Land 0,06. 10 11 t C<br />
Energieverbrauch des Menschen für Nahrung 1,4. 10 19 J<br />
Sowohl die Grössen der bekannten Reserven an fossilen Energieträgern, des weltweiten<br />
Jahresverbrauches an Energie wie auch der Energiemenge, die pro Jahr durch die Pflanzen <strong>in</strong><br />
Biomasse fixiert sowie weltweit gesamthaft <strong>in</strong> Biomasse gespeichert ist, s<strong>in</strong>d Schätzungen, die mit<br />
Fehlern behaftet s<strong>in</strong>d. Trotzdem wird deutlich, dass der Gesamtverbrauch an Energie ca. 1/10 der<br />
heute durch die Photosynthese fixierten Sonnenenergie ausmacht und dass die auf der Erde <strong>in</strong><br />
Biomasse gespeicherte Energie <strong>in</strong> der gleichen Grössenordung liegt wie die nachgewiesenen Vorräte<br />
an fossilen Brennstoffen.<br />
1.3. Das Potential der Sonnenenergie und die Eigenschaften der Sonnenstrahlung<br />
Durch Fusion leichter Atomkerne<br />
wird aus der Sonnenmasse (1,39. l0 7 km Durchmesser, 1,99. 10 33 g) e<strong>in</strong>e ungeheure<br />
Menge Energie frei (3,82.10 26 W), die sich radial im Weltall ausbreitet. Im Abstand<br />
von 1,5.10 8 km lässt sich auf der Erde ausserhalb der Atmosphäre e<strong>in</strong>e<br />
Energiedichte von 1,36 kW/m 2 (=81,5 kJ/m 2 . M<strong>in</strong>.) errechnen (Solarkonstante).<br />
Damit fallen jährlich nach Abzug von ca. 30-40% Reflexions- und<br />
Absorptionsverlusten ca. 3.10 24 J Sonnenenergie auf die Erde, e<strong>in</strong> Wert, der den
12 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Abb. 6 Jahreszeitliche Veränderung der Sonnenstrahlung ausserhalb der Atmosphäre am Äquator (a),<br />
am 40. (b) und 80. (c) Breitengrad (aus [120]). - Die geographische Breite und die Jahreszeit<br />
bestimmen die Verluste an Strahlungsenergie, die auf e<strong>in</strong>e horizontale Fläche fallen. Es s<strong>in</strong>d die<br />
grossen Unterschiede <strong>in</strong> den W<strong>in</strong>termonaten, die für die auf die Hälfe verr<strong>in</strong>gerte E<strong>in</strong>strahlung <strong>in</strong><br />
Mitteleuropa gegenüber z.B. den Wüstengebieten Nordafrikas verantwortlich s<strong>in</strong>d.<br />
Abb. 7 Verteilung der mittleren globalen Sonnenstrahlung auf der Erdoberfläche auf e<strong>in</strong>er<br />
horizontalen Ebene (<strong>in</strong> W/m², gemittelt über 24 Stunden (aus [120]). – Die grösste<br />
Strahlungs<strong>in</strong>tensität f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> den Wüstengebieten unter den beiden Wendekreisen, das<br />
Strahlungsmaximum liegt mit über 300 W/m 2 im Raum des Roten Meeres. In unseren gemässigten<br />
Zonen kann e<strong>in</strong>e mittlere E<strong>in</strong>strahlung von etwa 150 W/m 2 gemessen werden (<strong>Zürich</strong>: globale<br />
Strahlung 128 W/ m 2 , davon 67 W/m 2 diffuse, 61 W/m 2 direkte Strahlung).
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 13<br />
jährlichen technischen Gesamtenergieverbrauch der Menschheit um etwa das<br />
Zehntausendfache übersteigt.<br />
Das Emissionsspektrum der Sonne vor E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die Lufthülle der Erde<br />
entspricht weitgehend dem Emissionsspektrum e<strong>in</strong>es schwarzen Körpers bei 5900<br />
0 K, der Temperatur der Sonnenoberfläche. Durch selektive Strahlungsabsorption<br />
e<strong>in</strong>zelner Komponenten der Lufthülle wird e<strong>in</strong> grosser Teil des Ultravioletts,<br />
bestimmte Banden des kurzwelligen Infrarots wie praktisch das gesamte<br />
langwellige Infrarot herausfiltriert.<br />
Während die schwarze Oberfläche e<strong>in</strong>es Sonnenkollektors den gesamten<br />
Strahlungsbereich zu absorbieren vermag, kann die grüne Pflanze im wesentlichen<br />
nur den Bereich des sichtbaren Lichtes bei der Energieumwandlung nutzen.<br />
Abb. 8 Spektrale Verteilung der Sonnenstrahlung ausserhalb der Atmosphäre (a) und auf Meereshöhe<br />
(b) (aus [120]). - Absorptionsbanden im nahen Infrarot s<strong>in</strong>d verursacht durch H20, CO2 und O3. Als<br />
Balken s<strong>in</strong>d darüber die Wellenlängebereiche angegeben, die durch die verschiedenen solaren<br />
Anwendungsbereiche genutzt werden können: „Schwarze“ Sonnenkollektoren zur Erzeugung von<br />
Wärme vermögen den gesamten angegebenen Spektralbereich zu nutzen, während die obere Grenze<br />
für Solarzellen zur Erzeugung elektrischen Stromes bei 1100 bis 1400 nm liegt. Im Gegensatz dazu<br />
können photosynthetische Organismen nur die Strahlung aus den Wellenbereichen 350-720 nm<br />
(grüne Pflanzen) resp. bis 900 nm (photosynthetische Bakterien) <strong>in</strong> chemische Energie umwandeln.
14 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Im Gegensatz zu Sonnenkollektor und Sonnenzelle, wo e<strong>in</strong>e Langzeitspeicherung<br />
noch grosse Probleme bietet, liefern uns die photosynthetischen Organismen leicht<br />
speicherbare und dauerhafte Umwandlungsprodukte wie Stärke, Fette, Zellulose<br />
oder Holz, eben Biomasse.<br />
2. Der Mechanismus der Photosynthese und die Ausbeute der<br />
photosynthetischen Energieumsetzung<br />
2.1. Zur Geschichte der Photosynthese<br />
Pflanzenwachstum wurde bis <strong>in</strong>s 19. Jahrhundert durch Flüsse der<br />
wesentlichen Elemente der organischen Substanz C, H und O beschrieben;<br />
energetische Betrachtungen s<strong>in</strong>d kaum 150 Jahre alt. Als erster studierte wohl<br />
ARISTOTELES (384-322 v.Chr.) die Zusammenhänge zwischen Pflanzenwachstum<br />
und Umwelt, für ihn lieferte der Boden der Pflanze verdaute Nahrung, und die<br />
Blätter hatten nur Schutzfunktion. Um 1450 n. Chr. postulierte NIKLAUS VON<br />
CUSA, dass Wasser Bodensubstanz <strong>in</strong> die Pflanze br<strong>in</strong>ge, die dort durch die<br />
Wirkung der Sonne - unsere Wärmequelle - e<strong>in</strong>gedickt werde. Diese Idee gab<br />
vielleicht den Anstoss zum bekannten Experiment von VAN HELMONT (1577-<br />
1644), wor<strong>in</strong> dieser nachwies, dass e<strong>in</strong>e Weide <strong>in</strong>nert 5 Jahren 164 Pfund Gewicht,<br />
e<strong>in</strong>zig durch Zugabe von Wasser, zulegen konnte.<br />
Erst <strong>in</strong> der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde, nachdem GREW (1641-<br />
1712) und MALPIGHI (1628-1694) die Spaltöffnungen an Blättern beschrieben<br />
hatten, e<strong>in</strong>e Beziehung zwischen Pflanze und Luft diskutiert (PRIESTLEY [1733-<br />
1804], SCHEELE (1742-1786], INGEN-HOUSZ [1730-1799], SENEBIER (1742-<br />
1808]). INGEN-HOUSZ war der erste, der die Notwendigkeit von Licht für die<br />
Aufnahme von CO2 (bei PRIESTLEY noch «schlechte Luft») und die Abgabe von O2<br />
(= gute Luft) beobachtete, ohne aber energetische Zusammenhänge zu erkennen.<br />
Zu Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts wurde von DE SAUSSURE die noch heute<br />
gültige Stöchiometrie aufgestellt:<br />
LIEBIG (ca. 1840) ergänzte diese Gleichung durch den Nachweis, dass Biomasse<br />
nur <strong>in</strong> Gegenwart der für das Pflanzenwachstum notwendigen M<strong>in</strong>eralsalze<br />
gebildet wird. Etwa gleichzeitig formulierte J. R. MAYER, der Begründer der<br />
Gesetze der Thermodynamik, die Photosynthese als die wichtigste<br />
Energieumwandlungsreaktion <strong>in</strong> der Natur:<br />
«Die Sonne ist e<strong>in</strong>e nach menschlichen Begriffen unerschöpfliche Quelle<br />
physischer Kraft. Der Strom dieser Kraft, der sich auch über unsere Erde ergiesst,<br />
ist die beständig sich spannende Feder, die das Getriebe irdischer Tätigkeiten im<br />
Gange erhält Die Natur hat sich die Aufgabe gestellt, das der Erde zuströmende
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 15<br />
Licht im Fluge zu haschen und die beweglichste aller Kräfte, <strong>in</strong> starre Form<br />
umgewandelt, aufzuspeichern. Zur Erreichung dieses Zweckes hat sie die<br />
Erdkruste mit Organismen überzogen, welche lebend das Sonnenlicht <strong>in</strong> sich<br />
aufnehmen und unter Verwendung dieser Kraft e<strong>in</strong>e fortlaufende Summe<br />
chemischer Differenz erzeugen. Diese Organismen s<strong>in</strong>d die Pflanzen. Die<br />
Pflanzenwelt bildet e<strong>in</strong> Reservoir, <strong>in</strong> welchem die flüchtigen Sonnenstrahlen fixiert<br />
und zur Nutzniessung geschickt niedergelegt werden;... »<br />
Um 1860 wies SACHS die Stärke als wichtiges Speicherprodukt chemischer<br />
Energie <strong>in</strong> der Pflanze nach.<br />
Erste Messungen von Pflanzenerträgen ergaben Werte von etwa 4 t/ha für<br />
Kartoffeln und Getreide und 6,5 t/ha für Waldbäume <strong>in</strong> Mitteleuropa. Aus solchen<br />
E<strong>in</strong>zelmessungen wurde von LIEBIG und EBERMAYER e<strong>in</strong>e weltweite<br />
Abb. 9 Weltkarte der Biomasseproduktion (aus [69]). - Dies ist der erste Versuch, alle vorhandenen<br />
Informationen über die Grösse der pflanzlichen Produktion <strong>in</strong> den verschiedenen Kont<strong>in</strong>enten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Weltkarte zu vere<strong>in</strong>en.
16 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
jährliche Produktion an Biomasse von 10 10 bis 10 11 t geschätzt, e<strong>in</strong> Wert, der den<br />
heutigen auf vielen Messpunkten beruhenden Berechnungen immer noch recht<br />
nahe kommt (Abb. 9).<br />
2.2. Überblick über die photosynthetischen Reaktionen <strong>in</strong> grünen Pflanzen<br />
[17, 51]<br />
Die Blätter der höheren Pflanzen s<strong>in</strong>d die Sonnenkollektoren, <strong>in</strong> welchen <strong>in</strong><br />
den Chloroplasten - Träger der photosynthetischen Pigmente - Sonnenenergie <strong>in</strong><br />
Biomasse umgewandelt wird (Abb. 10). Die Chloroplasten gliedern sich <strong>in</strong> die<br />
grünen Granalamellen und das farblose Stroma.<br />
In den ersteren laufen die Lichtreaktionen, im zweiten die Dunkelreaktionen<br />
ab, beide schon 1905 aufgrund physiologischer Messungen von BLACKMAN<br />
postuliert. Die Reaktionswege <strong>in</strong> den beiden Chloroplastenkompartimenten s<strong>in</strong>d<br />
heute zu e<strong>in</strong>em grossen Teil bekannt; ihr Verständnis ist für die Diskussion e<strong>in</strong>er<br />
möglichen Veränderung der pflanzlichen Reaktionen von grosser Bedeutung (Abb.<br />
12 und 13). Genaue Kenntnisse vor allem ihrer Regulation dürften es <strong>in</strong> Zukunft<br />
möglich machen, die chemische Zusammensetzung<br />
Abb. 10 Schematische Darstellung e<strong>in</strong>es Blattquerschnittes und e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Chloroplasten. - Der<br />
eigentliche Ort der Energieumwandlung s<strong>in</strong>d die Chloroplasten; sie f<strong>in</strong>den sich im Palisadenund<br />
Schwammgewebe des Blattes angehäuft. Zwischenräume (= Interzellularen) sorgen für e<strong>in</strong>en guten<br />
Gasaustausch (Zufuhr von CO2 , Abgabe von O2) mit der Aussenluft. Dies ist e<strong>in</strong>e Voraussetzung für<br />
die Energieumwandlung, wird doch die absorbierte Sonnenenergie <strong>in</strong> neuen C-C- und C-H-<br />
B<strong>in</strong>dungen wie auch <strong>in</strong> der O-O-B<strong>in</strong>dung im abgegebenen Sauerstoff fixiert. - Die Chloroplasten<br />
enthalten das lichtabsorbierende grüne Pigment Chlorophyll, das <strong>in</strong> den vielfach geschichteten<br />
<strong>in</strong>neren Membranstrukturen, den Grana, lokalisiert ist. Im umliegenden ungefärbten Stroma bef<strong>in</strong>den<br />
sich die Enzyme, die aus CO2 und den Produkten der Lichtreaktionen Zucker und andere organische<br />
Stoffe aufzubauen vermögen. Durch die Gestalt des Blattes, die Anordnung der Zellen im Blatt und<br />
durch <strong>in</strong>nere Membranen im Chloroplasten wird e<strong>in</strong>e grosse Oberflächenvergrösserung erreicht und<br />
damit e<strong>in</strong>e möglichst vollständige Lichtabsorption gewährleistet.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 17<br />
Abb. 11 Ablauf der Energieumwandlung im Chloroplasten. In den Granalamellen wird das Licht<br />
absorbiert und vorerst <strong>in</strong> relativ unstabile Formen chemischer Energie umgewandelt, diese wird<br />
anschliessend im Stroma <strong>in</strong> den eigentlichen pflanzlichen Speicherprodukten fixiert. Die Zeitangaben<br />
geben e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis auf die Geschw<strong>in</strong>digkeitskonstanten für die drei Gruppen von<br />
Umwandlungsreaktionen. (Abkürzungen siehe Abb. 13.)<br />
Abb. 12 Vere<strong>in</strong>fachtes Reaktionsschema für die CO2 -Fixierung im Chloroplasten (nach [51]). - Der<br />
<strong>in</strong> der Mehrheit der grünen Pflanzen vorkommende Reaktionsweg der CO2 -Fixierung (der<br />
sogenannte Calv<strong>in</strong>zyklus) ist hier vere<strong>in</strong>facht dargestellt. CO2 wird an e<strong>in</strong>en phosphorylierten (=<br />
aktivierten) C5-Zucker (RuDP = Ribulosediphosphat) gebunden, und aus e<strong>in</strong>em nicht isolierbaren C6-<br />
Zwischenprodukt bilden sich 2 Moleküle Phosphoglycer<strong>in</strong>säure (PGS) (= Carboxylierungsphase, 1).<br />
Diese wird mit Hilfe von ATP und NADPH2, Produkte der <strong>in</strong> den Grana ablaufenden<br />
Lichtreaktionen, zu Triosephosphaten reduziert (= Reduktionsphase, II) und zum grössten Teil wieder<br />
zum CO2 -Akzeptor RuDP regeneriert (Regenerationsphase, III). Damit ist der Zyklus geschlossen.<br />
Aus dem Überschuss, e<strong>in</strong>em C3-Körper pro drei Zyklusumgänge, baut schliesslich die Pflanze die<br />
verschiedenen Assimilationsprodukte auf (Synthesen, IV). (Abkürzungen siehe Abb. 13.)
18 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
der Assimilationsprodukte zu verändern, um z.B. mehr oder weniger e<strong>in</strong>es<br />
bestimmten Pflanzenproduktes zu erhalten oder auch den Eigenverbrauch der<br />
Pflanze zu verr<strong>in</strong>gern, um damit zu höheren Ausbeuten zu gelangen.<br />
Grundlage für die <strong>in</strong> den Granalamellen im Licht gebildete chemische Energie<br />
ist e<strong>in</strong> lichtgetriebener Elektronentransport, der Elektronen vom positiven<br />
Redoxpotential des Wassers über zwei h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>anderliegende Photoreaktionen auf<br />
e<strong>in</strong> Redoxpotential von ca. -400 mV anhebt und damit e<strong>in</strong> starkes Reduktions-<br />
Abb. 13 Schema des photosynthetischen Elektronentransportes im Chloroplasten höherer Pflanzen.<br />
Das e<strong>in</strong>fallende Sonnenlicht wird durch die photosynthetischen Pigmente (Chlorophylle und<br />
verschiedene Carot<strong>in</strong>oide) absorbiert (= Lichtsammlerpigmente) und auf die speziellen Chlorophylle<br />
der Reaktionszentren der beiden <strong>in</strong> Sequenz liegenden Photoreaktionen geleitet. Hier f<strong>in</strong>det der<br />
wesentliche Umwandlungsschritt statt, <strong>in</strong>dem die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em angeregten Pigment-Molekül enthaltene<br />
Energie (Chl*) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e elektrochemische Potentialdifferenz Chl + + A - umgewandelt wird (A ist der<br />
Akzeptor des energiereichen Elektrons im Reaktionszentrum). Da die Komponenten des<br />
photosynthetischen Elektronentransportes asymmetrisch <strong>in</strong> der Granamembran lokalisiert s<strong>in</strong>d und<br />
z.T. re<strong>in</strong>e Elektronenüberträger, z.T. aber Wasserstoffüberträger s<strong>in</strong>d, resultiert parallel zum<br />
Elektronentransport e<strong>in</strong> Protonenfluss durch die Membran von aussen nach <strong>in</strong>nen. Dies führt zu<br />
Protonen- und Ionen- sowie Ladungsgradienten <strong>in</strong> der Membran selbst und quer zu ihr. Diese<br />
elektrochemischen Potentialdifferenzen s<strong>in</strong>d energetisch gekoppelt mit der ebenfalls an der Membran<br />
ablaufenden ATP-Synthese. (Chl = Chlorophylle, Fd = Ferredox<strong>in</strong>, NADP = Nicot<strong>in</strong>amidaden<strong>in</strong>-<br />
d<strong>in</strong>ukleotid-phosphat, ADP = Adenos<strong>in</strong>diphosphat, ATP = Adenos<strong>in</strong>triphosphat, P = Phosphat)
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 19<br />
mittel liefert. Gleichzeitig f<strong>in</strong>det die Synthese des wichtigsten biochemischen<br />
Energieträgers ATP, aus ADP und Phosphat, statt (Abb. 13).<br />
Sehr vere<strong>in</strong>facht kann der photosynthetische Elektronentransport mit e<strong>in</strong>er<br />
Sonnenzelle und anschliessender Wasserelektrolyse verglichen werden: In<br />
belichteten Chloroplasten wird e<strong>in</strong>e Ladungsseparierung <strong>in</strong>duziert, die zu e<strong>in</strong>er<br />
Wasserspaltung, zu Sauerstoff und Wasserstoff, führt. Letzterer bleibt allerd<strong>in</strong>gs<br />
unter physiologischen Bed<strong>in</strong>gungen an Zellkomponenten gebunden und wird im<br />
Gegensatz zum Sauerstoff nicht als Gas frei (Abb. 14).<br />
Abb. 14 Vere<strong>in</strong>fachte Darstellung der primären Reaktionen im Chloroplasten. Die Absorption von<br />
Licht führt zu e<strong>in</strong>er Ladungstrennung; diese treibt e<strong>in</strong>en Elektronentransport, wobei Wasser <strong>in</strong><br />
molekularen Sauerstoff und an Träger gebundenen Wasserstoff gespalten wird.<br />
2.3. Die Ausbeute der photosynthetischen Reaktionen [17]<br />
Durch die Pflanzen wird weltweit nur etwa e<strong>in</strong> Zehntelprozent der jährlich<br />
e<strong>in</strong>fallenden Energie der Sonnenstrahlung <strong>in</strong> Biomasse fixiert. Wegen dieser<br />
sche<strong>in</strong>bar ger<strong>in</strong>gen Ausbeute wird der Nutzung der Sonnenenergie über die<br />
Biomasse häufig abgesprochen, dass sie ausserhalb der Lieferung der Nahrung je<br />
e<strong>in</strong>en entscheidenden Beitrag an den Energiekonsum der Menschheit beitragen<br />
könne. Der niedrige Wert der über die ganze Erde und das Jahr gemittelten<br />
photosynthetischen Ausbeute entspricht aber nicht den tatsächlichen Leistungen<br />
des Prozesses, s<strong>in</strong>d es doch <strong>in</strong> grossen Gebieten der Erde andere Faktoren, die die<br />
pflanzliche Produktion e<strong>in</strong>schränken. Es muss beachtet werden, dass es sich bei der<br />
Photosynthese um die Ausbeute für e<strong>in</strong>e Umwandlungssequenz <strong>in</strong> e<strong>in</strong> echtes<br />
Speicherprodukt handelt und nicht um den maximalen Umwandlungsfaktor des<br />
lichtabsorbierenden Systems, wie dies häufig <strong>in</strong> anderen Sonnenenergieumwandlungstechnologien<br />
angegeben wird. Unter Berücksichtigung aller<br />
denkbaren Verluste sollte unter optimalen Bed<strong>in</strong>gungen (Energiezufuhr durch<br />
Licht als e<strong>in</strong>zigen produktionsbegrenzenden Faktor) mit e<strong>in</strong>er Ausbeute von 5 - 6%<br />
gerechnet werden können. Unter Laborbed<strong>in</strong>gungen s<strong>in</strong>d solche und noch höhere<br />
Werte tatsächlich erzielt worden.<br />
Zum Vergleich s<strong>in</strong>d für e<strong>in</strong>ige Kulturpflanzen <strong>in</strong> verschiedenen Klimagebieten<br />
die gemessenen Ausbeuten <strong>in</strong> Tab. 4 zusammengestellt. Diese liegen, bezogen auf<br />
das Jahr, zwischen 0,5 und 2% und damit deutlich über dem weltweiten
20 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Tab. 3 Mögliche Ausbeute der photosynthetischen Sonnenenergieumwandlung (nach [36])<br />
Gesamte<strong>in</strong>strahlung pro Tag 2100 J/cm²<br />
davon <strong>in</strong> sichtbarem Licht, 400 - 700 nm 930 J/cm²<br />
Quantendichte im sichtbaren Licht 4300 µE<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>/cm²<br />
- Albedoverluste -360 µE<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>/cm²<br />
- <strong>in</strong>aktive Absorption -432 µE<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>/cm²<br />
Photosynthetisch wirksam 3528 µE<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>/cm²<br />
C-fixiert 353 µMol/cm²<br />
Verluste durch Atmung 116 µMol/cm²<br />
Nettoproduktion an (CH2O) 237 µMol/cm²<br />
(=114 J/cm²)<br />
Nettoproduktion <strong>in</strong> g: 71 g/m²<br />
Von der gesamthaft e<strong>in</strong>gestrahlten Energie kann nur der sichtbare Anteil photobiologisch genutzt<br />
werden, das s<strong>in</strong>d 43%. Davon gehen 10-30% durch Transmission und Reflexion verloren. Die<br />
grössten Verluste haben ihre Ursache dar<strong>in</strong>, dass der eigentliche Energieumwandlungsschritt von den<br />
energieärmsten Lichtquanten des sichtbaren Bereichs (Wellenlänge 680-700 nm) ausgeht, während<br />
das Emissionsmaximum des Sonnenlichtes bei 500 nm liegt. Schliesslich s<strong>in</strong>d nach heutigen<br />
Erkenntnissen 8-10 Lichtquanten zur Fixierung e<strong>in</strong>es Moleküls CO 2 notwendig. Oft wird vergessen,<br />
dass die Pflanze als Lebewesen um 30-40% der fixierten Energie für ihren eigenen Haushalt benötigt<br />
(Aufrechterhaltung der Lebensvorgänge im Dunkeln und <strong>in</strong> nichtgrünen Organen).<br />
Mittel. Der Grund, dass die photosynthetische Ausbeute von Kulturen verglichen<br />
etwa mit E<strong>in</strong>zelpflanzen im Laboratorium deutlich h<strong>in</strong>ter der berechneten<br />
theoretischen Ausbeute zurückliegt, ist dar<strong>in</strong> zu suchen, dass <strong>in</strong> der Regel im Felde<br />
nicht das Licht der begrenzende Wachstumsfaktor ist. Der tiefe CO2 -Gehalt der<br />
Luft, die <strong>in</strong> unseren Breiten suboptimalen Temperaturen, die Nährstoffversorgung<br />
und die <strong>in</strong> grossen Teilen der Erde ungenügende Wasserversorgung der Pflanzen<br />
bestimmen die photosynthetische Ausbeute weit mehr als die Menge des<br />
e<strong>in</strong>fallenden Lichtes!<br />
3. Der heutige Stellenwert von Biomasse und Bioenergie<br />
3.1. Biomasse als Nahrung und Futter [7]<br />
Nur e<strong>in</strong> sehr kle<strong>in</strong>er Anteil der jährlich weltweit produzierten Biomasse wird<br />
als Nahrung für die heute ca. 4. 10 9 Menschen benötigt. Trotzdem s<strong>in</strong>d ganze<br />
Völker unterernährt und werden durch Hungersnöte immer wieder heimgesucht.<br />
Dies liegt offenbar nicht an e<strong>in</strong>er ungenügenden Produktion an Nahrungsmitteln,<br />
sondern am mangelhaften Verteilungssystem, an unkontrollierten Lagerund<br />
Transportverlusten und häufig auch an der falschen Wahl der an bestimmten Orten<br />
angebauten Pflanzen (Produktion für den Export hat oft den Vorrang gegenüber<br />
dem Eigenbedarf). Das Problem ist politisch und nicht biologisch: Die Nahrung<br />
muss zu den Menschen gebracht werden, die sie benötigen, und diesen ist e<strong>in</strong><br />
E<strong>in</strong>kommen zu geben, das ihnen erlaubt, Nahrung kaufen zu
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 21<br />
Tab. 4 Biomasseproduktion e<strong>in</strong>iger Kulturpflanzen (nach [44] und [101])<br />
Pflanze Stoff- Land Kurzzeit- photosynthe- Jahres- photosynthe<br />
wechsel- wachstums- tische produktion tische<br />
typ rate Ausbeute Ausbeute<br />
bezogen auf bezogen<br />
Wachstums- auf Jahr<br />
phase<br />
(g/m².Tag) (%) (t/ha.Jahr) (%)<br />
(Trockenge- (Trockenge<br />
wicht) wicht)<br />
gemässigte<br />
Zone<br />
Mais C4 USA 40 3,4 22 0,8<br />
Zuckerrübe C3 England 31 4,3 23 1,1<br />
Weizen C3 Holland 18 1,7 29 1,1<br />
subtropische<br />
Zone<br />
Mais C4 USA 52 2,9 26 0,8<br />
Kartoffel C3 USA 37 2,3 22 0,6<br />
Zuckerrohr C3 USA 31 2,8 - -<br />
tropische<br />
Zone<br />
Reis C3 Philipp<strong>in</strong>en 27 2,9 45 1,4<br />
Mais C4 Thailand 31 2,7 16 0,5<br />
Zuckerrohr C4 Hawaii 37 3,8 64 1,8<br />
Es fällt auf, dass weder die täglichen Zunahmen an Trockengewicht noch die photosynthetische<br />
Ausbeute <strong>in</strong> den verschiedenen Klimagebieten e<strong>in</strong>deutige Unterschiede zeigen. Grössere<br />
Abweichungen zwischen Pflanzen und Klimagebieten ergeben sich eher bei der Berechnung der<br />
Jahresproduktion: die Vegetationszeit macht <strong>in</strong> den gemässigten Klimagebieten nur e<strong>in</strong>en Bruchteil<br />
des Jahres aus, dagegen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der tropischen Zone <strong>in</strong> der Regel zwei, oft sogar drei Ernten jährlich<br />
möglich.<br />
Ausnehmend hohe photosynthetische Ausbeuten wurden für Sonnenblumen und Karotten unter<br />
Versuchsbed<strong>in</strong>gungen (7,5%) und kürzlich für Algenmischkulturen (18%) berichtet [86]. C3-<br />
Pflanzen besitzen den <strong>in</strong> Abb. 12 skizzierten Typ der CO2 -Fixierung, während bei den C4-Pflanzen<br />
e<strong>in</strong> wirkungsvoller Fixierungsmechanismus zu C4-Verb<strong>in</strong>dungen als ersten Produkten führt.<br />
können. Dass dies heute noch nicht gelungen ist, hat verschiedenste Gründe und ist<br />
an andern Orten ausführlich diskutiert worden [9, 23, 103, 109].<br />
Der Anteil des landwirtschaftlich bebauten Bodens ist <strong>in</strong> vielen Industrieländern<br />
eher ger<strong>in</strong>g (England und USA ca. 20%, Schweiz ca. 26%); e<strong>in</strong> grosser<br />
Teil davon dient der Viehzucht (USA 60%, Schweiz 72%) [64]. Trotzdem häufen<br />
sich Überschüsse vor allem der tierischen Produktion, die nur umständlich zu<br />
konservieren und kaum mehr zu vermarkten s<strong>in</strong>d. In vielen Regionen liegen
22 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
ursprünglich landwirtschaftlich genutzte Flächen brach; diese könnten für e<strong>in</strong>e<br />
erweiterte Produktion von Nahrungsmitteln und Futter, aber auch für die<br />
Produktion von Biomasse für die Gew<strong>in</strong>nung von Brennstoffen oder chemischen<br />
Grundstoffen zur Verr<strong>in</strong>gerung der Abhängigkeit von Importen ohne weiteres<br />
genutzt werden. Solche Reserven s<strong>in</strong>d für jedes Land sehr verschieden, und das<br />
allfällig vorhandene Potential muss für jede Region e<strong>in</strong>zeln bestimmt werden.<br />
In den vergangenen Jahrzehnten wurden auf immer weniger Landfläche immer<br />
mehr Nahrungsmittel produziert [68]. Durch gezielte Verbesserungen von<br />
Massnahmen, die sich auf den Ertrag auswirken, s<strong>in</strong>d gewaltige<br />
Ertragssteigerungen möglich geworden. Genaue Kenntnisse der den Ertrag<br />
bee<strong>in</strong>flussenden Aussenfaktoren und die Möglichkeit der Veränderung derselben<br />
durch den Menschen müssen demzufolge auch heute noch zu grossen Ernte-<br />
Steigerungen führen [10, 115].<br />
E<strong>in</strong>er dieser limitierenden Faktoren ist das Wasser. Weltweit können etwa 15<br />
% des Kulturlandes bewässert werden, diese Fläche vermag aber 40% der<br />
menschlichen Nahrung zu erzeugen. Bewässerung ist gerade für die neuen, hoch<br />
ertragreichen Sorten neben guter Düngung absolute Voraussetzung für e<strong>in</strong>en<br />
entsprechenden Ertrag.<br />
Erweiterung der bewässerten Gebiete oder andere Veränderungen der Umwelt<br />
zum Zwecke der Ertragssteigerung s<strong>in</strong>d möglich, können aber nur mit e<strong>in</strong>em<br />
entsprechenden Energieaufwand realisiert werden. Dies wird am besten<br />
dokumentiert durch e<strong>in</strong>en Rückblick auf die <strong>in</strong> den vergangenen Jahrzehnten<br />
erzielten Produktionssteigerungen.<br />
Tab. 5 Mittlere Ernten 1973 und 1974 und bisherige Rekordernten für e<strong>in</strong>ige pflanzliche und<br />
tierische Landwirtschaftsprodukte <strong>in</strong> den USA (nach [114])<br />
mittlere Ernte Rekordernte<br />
1973 1974 weltweit<br />
Mais (m³/ha) 8,4 6,4 27,3<br />
Weizen (m³/ha) 2,8 2,5 19,2<br />
Sojabohne (m³/ha) 2,5 2,1 9,8<br />
Hafer (m³/ha) 4,4 4,3 26,3<br />
Kartoffel (m³/ha) 34,2 37,3 124,4<br />
Zuckerrübe (t/ha) 49,4 46,9 133,3<br />
Milch (kg/Kuh) – 4635 22 500<br />
Eier (Stück/Henne) – 230 365<br />
Wie leicht errechnet werden kann, liegen die Rekordwerte 3- bis 8mal höher als die mittleren<br />
Ernteerträge 1973 und 1974. Dies zeigt deutlich, dass die Vielzahl der sich auf die Produktion<br />
auswirkenden Umweltbed<strong>in</strong>gungen selten optimal s<strong>in</strong>d.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 23<br />
Abb. 15 Produktivitätssteigerung<br />
im Maisanbau <strong>in</strong> der<br />
Schweiz seit 1910 (aus [53]).<br />
- Ertragssteigerungen seit<br />
1950 s<strong>in</strong>d auf die E<strong>in</strong>führung<br />
von Hybridmais, Sortenverbesserung<br />
und neue Anbautechnikenzurückzuführen.<br />
Die umweltbed<strong>in</strong>gten<br />
Variationen im Ertrag s<strong>in</strong>d<br />
heute im allgeme<strong>in</strong>en grösser<br />
als früher. Man glaubt, noch<br />
<strong>in</strong> diesem Jahrhundert<br />
Durchschnittserträge von 10<br />
t/ha erzielen zu können, e<strong>in</strong>e<br />
Produktivität, die im schweizerischen<br />
Mittelland heute<br />
nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen, im<br />
Tess<strong>in</strong> dagegen schon recht<br />
häufig erreicht wird.<br />
In Tabelle 6 ist der Aufwand zusammengestellt, der für die Produktion des<br />
wichtigsten Getreides der USA, von Mais, anfällt (Produktion 1971 <strong>in</strong> den USA<br />
3.108 t) [84]. Mais nimmt, bezogen auf den Energieaufwand für die Kultur, unter<br />
den landwirtschaftlichen Produkten etwa e<strong>in</strong>e Mittelstellung zwischen den hohen<br />
Aufwand erfordernden Früchten und Gemüse und der eher extensiven<br />
Graswirtschaft e<strong>in</strong> (siehe Abb. 16 und 17) und kann daher als Mass für die gesamte<br />
Landwirtschaft genommen werden [81]. E<strong>in</strong> grosser Teil der vorhandenen Daten<br />
stammt aus den USA. Die Art und Weise, wie <strong>in</strong> Nordamerika verglichen mit<br />
Europa pflanzliche und tierische Nahrung produziert wird, ist so verschieden, dass<br />
Daten aus den USA kaum quantitativ auf unsere Verhältnisse übertragen werden<br />
können. Dagegen dürfte es sich für uns lohnen, Denkanstösse aus amerikanischen<br />
Entwicklungen zu bekommen, um für die Nahrungsproduktion <strong>in</strong> der Schweiz<br />
e<strong>in</strong>en besseren Weg e<strong>in</strong>schlagen zu können.<br />
Werden Aufwand und Ertrag <strong>in</strong> Energiee<strong>in</strong>heiten ermittelt und mite<strong>in</strong>ander<br />
verglichen, zeigt sich, dass der Anstieg des Ertrages über die beobachtete<br />
Zeitperiode der Zunahme des Aufwandes nicht folgen konnte. Während noch 1945<br />
pro
24 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Tab. 6 Energieaufwand für die Produktion von Mais <strong>in</strong> den USA (je pro ha Kulturland) (nach<br />
[84])<br />
1945 1954 1964<br />
1970<br />
Arbeit Arbeitsstunden 57 42 27 22<br />
Masch<strong>in</strong>en Bau, Reparaturen, MJ 1865 3110 4370 4370<br />
Treibstoff 1 133 170 185 195<br />
Dünger N kg 8 30 65 125<br />
P kg 8 13 20 35<br />
K kg 5 20 32 67<br />
Samen 1 15 22 29 29<br />
Bewässerung MJ 197 281 353 353<br />
Insektizide kg 0 0,3 1,1 1,1<br />
Herbizide kg 0 0,1 0,4 1,1<br />
Trocknung MJ 105 622 1260 1260<br />
Elektrizität MJ 336 1050 2100 3213<br />
Transporte MJ 210 462 714 714<br />
mittlerer Ertrag m 3 3,0 3,6 6,0 7,2<br />
Umrechnung der obigen Werte <strong>in</strong> Energie:<br />
Total Aufwand GJ 9,7 16,0 23,1 30,2<br />
Körnerertrag GJ 35,7 43,7 71,0 84,8<br />
Verhältnis Ausbeute/Aufwand 3,7 2,7 3,0 2,8<br />
Während für 1909 e<strong>in</strong> mittlerer Ertrag von 2,3 m 3 /ha, 1945 von 3,0 m 3 /ha angegeben wurde,<br />
liess sich <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten e<strong>in</strong>e Steigerung bis auf 8,4 m 3 /ha im Jahre 1973 erzielen.<br />
Gleichzeitig mit der Ertragssteigerung von mehreren 100% reduzierte sich der Arbeitsaufwand um<br />
60% durch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Mechanisierung: die Zahl der Traktoren stieg um 88%, und die Stärke<br />
derselben nahm 2,6mal zu, so dass 1970 gegen 5mal mehr mechanische Leistung als 1950 zur<br />
Verfügung stand, was auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em erhöhten Treibstoffverbrauch pro Ackerfläche sichtbar wird.<br />
Extrem zugenommen haben seit 1945 der E<strong>in</strong>satz von Dünger (N-Dünger 16mal mehr!) wie auch der<br />
Energiebedarf für die Trocknung der Körner (bed<strong>in</strong>gt auch durch neuere Sorten mit höherem<br />
Feuchtigkeitsgehalt).<br />
Die vorliegenden Zahlen belegen deutlich, dass die Erhöhung der Flächenerträge <strong>in</strong> den<br />
vergangenen Jahrzehnten für die Produktion von Mais <strong>in</strong> den USA, aber ebenso für viele andere<br />
Kulturen <strong>in</strong> verschiedensten Ländern, auf der Zufuhr von Fremdenergie, vor allem der vergänglichen<br />
fossilen Brennstoffe, basiert.<br />
3,7 J Ertrag <strong>in</strong> Maiskörnern 1 J Fremdenergie nötig war, erzielte 1970 dieselbe<br />
Menge Fremdenergie nur noch das 2,8fache an Energie im Pflanzen-produkt. Die<br />
für 1970 angegebenen 3.10 10 J/ha Fremdenergie sche<strong>in</strong>en verglichen mit der<br />
Sonnene<strong>in</strong>strahlung von ca. 2. 10 13 J/ha verschw<strong>in</strong>dend kle<strong>in</strong>. Bei e<strong>in</strong>er<br />
angenommenen photosynthetischen Ausbeute von 1,3% macht die Fremdenergie<br />
ca. 11% der Gesamtenergiezufuhr aus, bei e<strong>in</strong>er tatsächlichen Energieausbeute von<br />
0,4% (da vom Mais nur die Körner genutzt werden), steigt der Fremdenergieanteil<br />
auf sogar 36%.<br />
Es verwundert daher wenig, wenn unter dem Druck steigender Energiekosten<br />
gerade <strong>in</strong> den USA Möglichkeiten gesucht werden, den Energieaufwand <strong>in</strong> der<br />
Landwirtschaft zu reduzieren. Der kle<strong>in</strong>ste Betrag der zugeführten Energie
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 25<br />
entspricht dem der menschlichen Arbeit; durch e<strong>in</strong>e Vergrösserung dieses<br />
E<strong>in</strong>zelpostens könnten andere gewaltig reduziert werden. Würde z.B. e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige<br />
Herbizidbehandlung statt mechanisch von Hand durchgeführt, so benötigte man<br />
dafür nur 1/60 Energie; e<strong>in</strong>e zusätzliche Reduktion erbrächte e<strong>in</strong>e nur fleckenweise<br />
Behandlung der kritischen Flächen [84].<br />
Weiter könnte Energie e<strong>in</strong>gespart werden durch die Wahl der geeignetsten<br />
Ausrüstung und deren E<strong>in</strong>satz unter optimalen Bed<strong>in</strong>gungen, e<strong>in</strong> Punkt, der auch <strong>in</strong><br />
der Schweiz mehr beherzigt werden könnte. Häufig trifft man <strong>in</strong> unserer alp<strong>in</strong>en<br />
Landwirtschaft überdimensionierte und damit für die zu verrichtende Arbeit<br />
ungeeignete Traktoren. Nicht umsonst macht STUDER auf die richtige Wahl des<br />
Fahrzeugs und der Pneus, aber auch auf die richtige Fahrweise aufmerksam. In den<br />
USA kommt heute e<strong>in</strong> Traktor auf 25 ha (<strong>in</strong> der Schweiz auf 10 ha); e<strong>in</strong>e<br />
Verkle<strong>in</strong>erung dieses Quotienten könnte den Aufwand für Masch<strong>in</strong>en entsprechend<br />
verr<strong>in</strong>gern.<br />
Die für die Herstellung von Stickstoffdünger notwendige Energie übersteigt<br />
sogar diejenige von Treibstoff. Die für 1970 pro ha angegebene Menge<br />
Stickstoffdünger entspricht dem N-Gehalt der jährlichen Ausscheidungen von etwa<br />
2½ Kühen oder 200 Hühnern, und verschiedentlich wird daher die Rückkehr zum<br />
traditionellen gemischten Landwirtschaftsbetrieb mit Ackerbau und Viehzucht als<br />
wirtschaftlich realistische Alternative vorgeschlagen [81, 84]. Ausserdem fördert<br />
der E<strong>in</strong>satz von Tierdung die Humusbildung, was sich positiv auf das Bodenleben,<br />
auf die Fähigkeit, Wasser zu speichern, und auf die Krümelstruktur des Bodens<br />
auswirkt und die Bodenerosion durch W<strong>in</strong>d und Wasser verr<strong>in</strong>gert [31].<br />
Im Zusammenhang mit der Stickstoffernährung wird oft wieder auf die früher<br />
gebräuchliche Wechselkultur h<strong>in</strong>gewiesen. So ergibt z. B. die Saat von Klee oder<br />
Wicken im Frühherbst und Unterpflügen der Pflanzen im April e<strong>in</strong>e<br />
Stickstoffanreicherung von 140-170 kg/ha, was e<strong>in</strong>er Energiee<strong>in</strong>sparung von rund<br />
10 10 J/ha entspricht [30]. Mit Wechselkulturen können zusätzlich wirkungsvoll<br />
verschiedene Maiskrankheiten und -parasiten wie auch Unkrautprobleme<br />
kontrolliert werden.<br />
Neben der Landwirtschaft zählt auch die amerikanische Nahrungsmittel-<br />
Industrie zu den energieaufwendigsten und auch teuersten Systemen, die kaum als<br />
Vorbild für die Zukunft genommen werden können.<br />
Technologische Entwicklungen werden im freien Wirtschaftssystem durch<br />
denjenigen Produktionsfaktor gesteuert, der ökonomisch limitierend ist [62]. Für<br />
die USA waren dies bisher zweifellos die hohen Löhne und der Mangel an billigen,<br />
landwirtschaftlichen Arbeitskräften, die zur weitgehenden Mechanisierung des<br />
gesamten Nahrungsproduktionssystems geführt haben. Durch e<strong>in</strong>e geänderte<br />
Technologie wurde versucht, das System nach re<strong>in</strong> ökonomischen Gesichtspunkten<br />
zu optimieren. Nahrungssysteme verschiedener Länder oder früherer Epochen<br />
dürfen aber nicht nach dem Kostenaufwand, sondern können nur durch genaue<br />
Bestimmung des Energieaufwandes verglichen werden, ähnlich wie dies für die<br />
Produktion von Mais gezeigt worden ist.
26 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Zu den energetischen Produktionskosten aller unserer Nahrungsmittel zählen<br />
auch diejenigen der Verarbeitung, Verpackung, Lagerung, des Transportes und des<br />
Verkaufs sowie der Mahlzeitenzubereitung selbst. Dies be<strong>in</strong>haltet ebenso die<br />
Produktion aller Verpackungen, Gefrier- und Küchengeräte; ebenso muss die<br />
Kehrichtabfuhr mit allen energieverbrauchenden Strukturen zu e<strong>in</strong>em ansehnlichen<br />
Teil dem Nahrungsmittelsystem angelastet werden.<br />
1940 flossen - umfassend gerechnet - 2,9 x 10 18 J <strong>in</strong>s gesamte Nahrungssystem<br />
der Vere<strong>in</strong>igten Staaten; 1970 waren es 9 x 10 18 J.<br />
Wird die landwirtschaftliche Produktion der vergangenen Jahrzehnte als<br />
Funktion der Fremdenergiezufuhr aufgezeichnet, so zeigt sich deutlich, dass durch<br />
e<strong>in</strong>e weitere Erhöhung der Fremdenergie die landwirtschaftliche Produktion kaum<br />
mehr wesentlich gesteigert werden kann. Jede weitere Vergrösserung der<br />
Energiezufuhr muss sich damit zwangsläufig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em verschlechterten Input/<br />
Output-Verhältnis auswirken. Für die verschiedenen Nahrungspflanzen ist das<br />
Aufwand/Ertrags-Verhältnis <strong>in</strong> der Grossflächenkultur deutlich verschieden, und<br />
grosse Unterschiede bestehen auch zwischen der Produktion der pflanzlichen<br />
Grundnahrungsmittel und der Produktion tierischer Nahrung (Abb. 16<br />
Abb. 16 Zufuhr an Fremdenergie für die Kultur pflanzlicher Nahrungsmittel. Das Aufwand-Ertrags-<br />
Verhältnis ist dem pro Flächene<strong>in</strong>heit notwendigen Energieaufwand für die Kultur gegenübergestellt<br />
(nach [58]). - Verschiedene Früchte und viele Gemüse zählen zu den energie<strong>in</strong>tensiven<br />
Anbauprodukten, s<strong>in</strong>d doch <strong>in</strong> der Grosskultur mehr Dünger, mehr Bewässerung, mehr Pestizide und<br />
mehr Bodenbearbeitung erforderlich als z. B. bei Getreide oder Sojabohnen. Zusätzlich s<strong>in</strong>d die<br />
Verluste grösser, da häufig extreme Anforderungen an Uniformität und Qualität gestellt werden. Im<br />
Gegensatz dazu zeigen Hirse, Zuckerrohr und Mais die günstigsten Aufwand/Ertrags- Verhältnisse.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 27<br />
und 17) [16, 18, 33, 68, 101, 102, 106]. Steigende Energiekosten werden uns<br />
zw<strong>in</strong>gen, zu e<strong>in</strong>er weniger energieaufwendigen Nahrungsmittelproduktion zu<br />
wechseln. Unser täglicher E<strong>in</strong>kaufkorb könnte mehr unverarbeitete Nahrung<br />
enthalten anstelle von Büchsen oder gerüsteten, gefrorenen Gemüsen und Früchten.<br />
Früher genügten als Verpackung e<strong>in</strong>fache Papiersäcke, heute dienen aufwendige<br />
Hüllen vor allem der Werbung. Bei<br />
Abb. 17 Zufuhr an Fremdenergie für die Produktion verschiedener pflanzlicher und tierischer<br />
Nahrungsmittel (nach [102]). - Für das gesamte US-Nahrungssystem ist das Aufwand-Ertrags-<br />
Verhältnis von 1910 bis 1980 von ca. 1 auf 10 angestiegen. Der Energieaufwand für tierische<br />
Produkte, Milch, Eier, Fleisch, ist weit höher als für die pflanzlichen Nahrungsmittel. Die grosse<br />
Spannweite bei den pflanzlichen Produkten von 0,2 z. B. für Maissilage bis 5 für Tomaten oder<br />
Blumenkohl br<strong>in</strong>gt es mit sich, dass e<strong>in</strong>e Fleischproduktion auf der Basis des energieeffizienten Mais<br />
gesamthaft bessere Ausbeuten br<strong>in</strong>gen kann als energie<strong>in</strong>tensive Gemüsekulturen. Bei primitiven<br />
Völkern genügt 1 Kalorie Fremdenergie aus sich erneuernder Biomasse für die Bereitstellung von 5<br />
bis 50 Kalorien Nahrungsenergie. Auch <strong>in</strong> unseren heutigen Haus- und Schrebergärten dürften wir bei<br />
geschickter Nutzung von Haushalt- und Gartenabfällen noch <strong>in</strong> diesem Bereich liegen. Im<br />
<strong>in</strong>dustrialisierten Nahrungssystem dagegen s<strong>in</strong>d im Durchschnitt 5-10 Kalorien nötig, um e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige<br />
Nahrungskalorie zur Verfügung zu haben.
28 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Glas- und Alum<strong>in</strong>iumverpackungen sche<strong>in</strong>t sich bei uns nach e<strong>in</strong>er relativ kurzen<br />
Zeit der Wegwerfverpackung der Gedanke der Materialrückführung (= Recycl<strong>in</strong>g)<br />
doch langsam durchzusetzen.<br />
Schliesslich erhöht sich nach amerikanischen Berechnungen der<br />
Fremdenergieanteil an Nahrung etwa um weitere 15 % durch die E<strong>in</strong>kaufsfahrten<br />
zum Shopp<strong>in</strong>g- Center. Der E<strong>in</strong>kaufsspaziergang zum Dorfladen oder das von G.<br />
Dutt-<br />
Abb. 18 Maisernte bei den Amisch (Photo A. BINDER). - Das Pferdegespann zieht die<br />
Erntemasch<strong>in</strong>en, die von e<strong>in</strong>em Motor angetrieben werden.<br />
Tab. 7 Vergleich von Farmgrösse, Ertrag und Aufwand/Ertrags-Verhältnis von verschiedenen<br />
bewirtschafteten Farmen <strong>in</strong> Pennsylvanien (P) und Wiscons<strong>in</strong> (W) (aus [60])<br />
mittlere mittlere Ertrag Aufwand Auf-<br />
Farm- R<strong>in</strong>der- wand/<br />
grösse zahl Futter Treib- Dünger Maschi- Ertrag<br />
stoff nen<br />
(ha) MJ/ha MJ/ha MJ/ha MJ/ha MJ/ha<br />
konservativere<br />
Amisch (P) 30,0 12,8 7,2 1,8 1,1 1,3 0,2 0,66<br />
Amisch (P) 32,6 31,0 13,2 5,3 3,4 2,2 0,8 0,99<br />
Amerikaner (P) 73,4 47,3 12,9 3,0 14,0 3,2 3,4 1,81<br />
Amisch (W) 60,8 14,5 5,5 0,7 1,6 0,3 1,0 0,62<br />
Amerikaner (W) 71,6 24,5 7,0 5,5 17,4 3,0 7,1 3,65<br />
Amerikaner (W) 107,6 40,9 8,7 3,1 13,1 3,9 5,1 2,53<br />
Die Farmgrösse - Fläche, Tierzahl - ist bei den Amisch ger<strong>in</strong>ger als bei den gewöhnlichen<br />
«amerikanischen» Nachbarbetrieben. Bei den konservativen Gruppen ist der Hektarertrag nur die<br />
Hälfte desjenigen der Vergleichsbetriebe, das Energie-Input/Output-Verhältnis für Viehwirtschaft<br />
aber extrem günstig. Die Kühe werden noch von Hand gemolken, und die Milch wird mit Wasser<br />
gekühlt. Die Bauernhöfe machen e<strong>in</strong>en eher ärmlichen E<strong>in</strong>druck, ähnlich wie <strong>in</strong> weniger entwickelten<br />
Ländern. Die zweite Amisch-Gruppe <strong>in</strong> Pennsylvanien hat für die Region vergleichbare Hektarerträge<br />
und e<strong>in</strong> für Milchwirtschaft gutes Input/Output-Verhältnis von 1. Ähnlich liegen die Verhältnisse <strong>in</strong><br />
Südwestwiscons<strong>in</strong>. In der Grösse vergleichbare, gewöhnliche Betriebe arbeiten energetisch viel<br />
<strong>in</strong>effizienter.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 29<br />
weiler realisierte System fahrender Läden s<strong>in</strong>d heute uns noch zur Verfügung<br />
stehende, günstigere Möglichkeiten!<br />
Welches s<strong>in</strong>d Alternativen zur <strong>in</strong>dustrialisierten Landwirtschaft?<br />
Die kle<strong>in</strong>e, ca. 70 000 Personen umfassende Bevölkerungsgruppe der Amisch,<br />
vorwiegend <strong>in</strong> den Staaten Pennsylvanien, Wiscons<strong>in</strong>, Ill<strong>in</strong>ois und Ohio, betreibt<br />
Landwirtschaft z. T. heute noch nach konservativen, arbeits<strong>in</strong>tensiven Methoden<br />
des 16.-18. Jahrhunderts [60]. Aus religiösen Gründen ist e<strong>in</strong>e Mechanisierung nur<br />
langsam erfolgt; stationäre Motoren werden gelegentlich e<strong>in</strong>gesetzt, aber nur selten<br />
werden Motoren zum Antrieb von Fahrzeugen benutzt. In Tab. 7 s<strong>in</strong>d<br />
Energieaufwand und -ertrag für Farmer ausgesprochener Milchwirtschaftsgebiete<br />
<strong>in</strong> Zentralpennsylvanien und Südwestwiscons<strong>in</strong> untere<strong>in</strong>ander verglichen. Die<br />
Aufwand/Ertrags-Verhältnisse liegen für die Gruppe der Amisch bei 1 und<br />
darunter, während für die konventionelle Landwirtschaft 1,8 bis 3,7 errechnet<br />
wurde. Dank e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Technologie gelang es diesen Kle<strong>in</strong>betrieben, die<br />
Konzentrierung zu Riesenbetrieben <strong>in</strong> der amerikanischen Landwirtschaft zu<br />
überleben. Die Daten beweisen, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit der Energieverknappung mit<br />
vermehrtem E<strong>in</strong>satz menschlicher Arbeitskraft die gleichen<br />
Abb. 19 Energieaufwand (Input) und -ertrag (Output) der Schweizer Landwirtschaft 1939 und 1976<br />
(nach [105]). 1 PJ = 10 15 J. - Der Energieaufwand hat sich <strong>in</strong> dieser Zeit fast versechsfacht, während<br />
der Ertrag sich kaum verdoppelte.
30 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Erträge erzielt werden können wie im heutigen hoch mechanisierten System.<br />
Auch <strong>in</strong> der Schweiz hat <strong>in</strong> den letzten 50 Jahren e<strong>in</strong>e Industrialisierung der<br />
Landwirtschaft stattgefunden. Der Bedarf an Fremdenergie <strong>in</strong> Form von Dünger,<br />
Pflanzenschutzmitteln, Treibstoff, Elektrizität und Masch<strong>in</strong>en ist von 2,8 x 10 15 J<br />
im Jahre 1939 auf 16,6 x 10 15 J im Jahre 1976 angestiegen, was ungefähr e<strong>in</strong>er<br />
Versechsfachung entspricht [15, 105, 125]. Der Ertrag stieg gleichzeitig von ca. 10<br />
x 10 15 J (1939) auf 18 x 10 15 J (1976) nur auf weniger als das Doppelte, so dass sich<br />
das Energieaufwand/Ertrags-Verhältnis <strong>in</strong> dieser Zeit von 0,3 auf 0,9 erhöhte. Nach<br />
HAUSER lag das Aufwand/Ertrags-Verhältnis schon 1970 leicht über 1 (Tab. 8).<br />
Wie könnte <strong>in</strong> der Schweiz das Input/Output-Verhältnis verkle<strong>in</strong>ert werden<br />
[6]?<br />
STUDER nennt als sofort realisierbare Möglichkeiten die geeignete Wahl der<br />
Traktoren (hier könnte die Subventionierungspraxis auch steuernd e<strong>in</strong>greifen),<br />
Sparmassnahmen bei der künstlichen Grastrocknung und sparsameren E<strong>in</strong>satz von<br />
Hilfsstoffen [105]. In der künstlichen Grastrocknung wird nur für die Trocknung<br />
alle<strong>in</strong> mehr Energie aufgewendet, als dem Energiegehalt des Futters entspricht (45-<br />
70 ℓ Heizöl/100 kg Trockengras). Anlagen, <strong>in</strong> welchen Trockenöfen durch<br />
Sonnenkollektoren ersetzt wurden, zeigen die Wirtschaftlichkeit der technischen<br />
Sonnenenergienutzung im landwirtschaftlichen Bereich (Abb. 21). E<strong>in</strong>e Reduktion<br />
des Düngere<strong>in</strong>satzes würde nicht nur den Energieaufwand bei den Hilfsstoffen<br />
verkle<strong>in</strong>ern, sondern könnte auch e<strong>in</strong>en Beitrag an die Erhaltung unserer Gewässer<br />
liefern, wird doch z.B. von Nitrat im Mittel 25% aus dem Boden ausgewaschen.<br />
Tab. 8 Energiebilanz der schweizerischen Landwirtschaft 1970 (aus [54])<br />
Primärenergieaufwand <strong>in</strong> 10 15 J<br />
Treibstoffe:<br />
Benz<strong>in</strong> 57.10 6 ℓ 2,51<br />
Diesel 85.10 6 ℓ 3,66<br />
Düngemittel:<br />
N 37.10 6 kg 2,94<br />
P 38.10 6 0,69<br />
K 61.10 6 0,59<br />
Pflanzenschutzmittel: 4,7.10 6 0,49<br />
Masch<strong>in</strong>ene<strong>in</strong>satz:<br />
Abschreibungen,<br />
Reparaturen 2,49<br />
Elektrizität: 1,18<br />
Gesamtenergieaufwand, ohne Arbeitskraft und Sonnenenergie 14,55<br />
Inlandproduktion (ohne auf importierten Futtermitteln beruh-<br />
ende Produktion) 13,82<br />
Aufwand/Ertrags-Verhältnis 1,05:1
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 31<br />
Abb. 20 Struktur des direkten Energieverbrauches der Schweizer Landwirtschaft 1975<br />
(aus[105]). - Der gemittelte direkte Energieverbrauch der Schweizer Landwirtschaft beträgt mit<br />
9200 TJ etwa 1,5% des Gesamtenergieverbrauchs des Landes; unter Berücksichtigung der <strong>in</strong><br />
zugekauftem Dünger, <strong>in</strong> Pflanzenschutzmitteln und Masch<strong>in</strong>en enthaltenen Energie steigtder<br />
Anteil auf 2,7% (1975). Dieselöl für den Betrieb von Traktoren und Arbeitsmasch<strong>in</strong>en(35%)<br />
und Heizöl für die künstliche Grastrocknung (15%) s<strong>in</strong>d die grössten E<strong>in</strong>zelposten.<br />
3.2. Der Wald als Energielieferant<br />
Der grösste Teil der Biomasse liegt als Holz vor, dem ältesten vom<br />
Menschengenutzten Energieträger. Noch heute deckt Holz zwischen 10 und 15%<br />
des weltweiten Gesamtenergieverbrauchs. In wenig entwickelten Ländern zählt<br />
Holz zum wichtigsten Energieträger, dagegen macht se<strong>in</strong> Anteil am<br />
Energieverbrauch der <strong>in</strong>dustrialisierten Länder nur noch wenige Prozente aus.
32 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Abb. 21 Scheune mit im Dach e<strong>in</strong>gebautem Sonnenkollektor zur Grastrocknung. - Der<br />
Sonnenkollektor hat e<strong>in</strong>e Grösse von ca. 250 m². Mittels e<strong>in</strong>es Heugebläses (10-15 m3Luft/Sekunde)<br />
wird die um 5-12 0C erwärmte Luft abgesogen und durch e<strong>in</strong>en Rost unter dem Heustock <strong>in</strong> das zu<br />
trocknende Gras e<strong>in</strong>geblasen.<br />
Tab. 9 Anteil des Energieträgers Holz am Gesamtenergieverbrauch e<strong>in</strong>iger Länder<br />
(OECD, 1970)<br />
Entwicklungsländer Industrieländer<br />
Nepal 95,8% Griechenland 8,7%<br />
Tansania 96,0% Sowjetunion 3,6%<br />
Nigeria 90,6% F<strong>in</strong>nland 14,6%<br />
Kenia 90,2% Schweden 3,0%<br />
Brasilien 59,1% Frankreich 1,5%<br />
Rhodesien 32,7% Schweiz 1,5%<br />
Abb. 22 Holzzuwachs für e<strong>in</strong>ige Baumarten <strong>in</strong> der Schweiz (<strong>in</strong> m3/ha Jahr, aus [94]).
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 33<br />
Holz ist e<strong>in</strong>e der günstigsten Formen von Biomasse, <strong>in</strong> welche Sonnenenergie<br />
umgewandelt werden kann. Dank der problemlosen und guten Speicherbarkeit<br />
kann der Zeitpunkt der Ernte beliebig gewählt werden. Dies ist für die<br />
Verarbeitungs- und Umwandlungs<strong>in</strong>frastruktur sehr wesentlich.<br />
Holz ist nicht nur e<strong>in</strong> guter Brennstoff für direkte Verbrennung (3 kg Holz<br />
entsprechen ca. 1 Liter Erdöl), es ist auch gut <strong>in</strong> andere Energieträger überführbar<br />
(Vergasung, Verflüssigung). Daneben ist Holz e<strong>in</strong> ausgezeichneter Rohstoff, der<br />
Erdöl <strong>in</strong> der chemischen Industrie weitgehend ersetzen könnte.<br />
Tab. 10 Waldverhältnisse der Schweiz (1976)<br />
Gesamtfläche Schweiz 41 293 km²<br />
davon Wald 10 777 26%<br />
Produktive Waldfläche 9 698 90%<br />
davon Nadelwald re<strong>in</strong> 6 460 60%<br />
Laubwald re<strong>in</strong> 2 480 23%<br />
Im Gegensatz zur Verbrennung fossiler Energieträger ändert e<strong>in</strong>e Nutzung von<br />
Holz im Umfange der Biomasseproduktion des Waldes das CO2/O2-Gleichgewicht<br />
nicht.<br />
In der Schweiz wird heute weniger Holz geerntet als produziert: Vielerorts hat<br />
sich der Holzvorrat im Wald seit anfangs dieses Jahrhunderts verdoppelt. 15% der<br />
Waldfläche wurde 1975 nicht mehr genutzt, und gegen 200 000 m 3 Holz sollen<br />
unaufgerüstet im Wald liegen geblieben se<strong>in</strong> [116]. Verschiedene Gründe s<strong>in</strong>d für<br />
diese Unternutzung verantwortlich:<br />
- grosse Teile des Schweizer Waldes s<strong>in</strong>d schwer zugänglich (Voralpen und<br />
Alpen), und die Erschliessung ist ungenügend;<br />
- die Nachfrage war lange Zeit ger<strong>in</strong>g und schwankend, die Preise entsprechend<br />
gedrückt, so dass sich beim heutigen Lohnniveau e<strong>in</strong>e Bewirtschaftung nicht<br />
lohnte.<br />
In Zukunft wird auch <strong>in</strong> der Schweiz die Waldwirtschaft e<strong>in</strong>en grösseren<br />
Anteil an die Energieversorgung leisten müssen [57]!<br />
Tab. 11 Holznutzung <strong>in</strong> der Schweiz<br />
Produktive Waldfläche 973 631 ha<br />
Jährlicher Holzzuwachs 5-10 m3/ha ca. 5-10.10 6 m3<br />
Heizwert des jährlichen Zuwachses ca. 2.10 6 t Öl<br />
Erdöle<strong>in</strong>fuhr 1974 13.10 6 t<br />
Nutzung des Holzes als Brennholz total<br />
1930 1,49 2,85.10 6 m 3<br />
1943 3,25 5,25<br />
1950 0,29 3,35<br />
1960 0,48 3,62<br />
1973 0,72 3,74
34 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
4. Energie aus Biomasse: der Weg <strong>in</strong> die Zukunft [47, 48, 96]<br />
Biomasseproduktion ist Land- und Forstwirtschaft! Unabhängig von der<br />
nachfolgenden Umwandlungstechnologie soll vorerst die Produktionstechnologie<br />
studiert werden. Mehr noch als bei der Nutzung der Biomasse als hochwertige<br />
Nahrung und Tierfutter muss auf m<strong>in</strong>imales Aufwand/Ertrags-Verhältnis und auf<br />
hohen Flächenertrag geachtet werden. Es ist selbstverständlich, dass<br />
Nahrungsproduktion immer den Vorrang hat und es nie zu e<strong>in</strong>er Preiskonkurrenz<br />
zwischen Nahrung und Brennstoff kommen darf.<br />
4.1. Möglichkeiten der Steigerung der Biomasseproduktion<br />
Verschiedene Faktoren begrenzen die Produktivität e<strong>in</strong>er Pflanzengesellschaft<br />
an e<strong>in</strong>em gegebenen Standort. E<strong>in</strong>zelne davon können nicht geändert werden<br />
(ger<strong>in</strong>ger CO2-Gehalt der Luft, Länge der Vegetationszeit, Sonnensche<strong>in</strong>dauer,<br />
Bodenart), andere Faktoren dagegen lassen sich mit ger<strong>in</strong>gem Aufwand verändern<br />
(Pflanzendichte, Pflanzzeit, Samenqualität, Genotyp der Kultur). Die Veränderung<br />
e<strong>in</strong>er dritten Gruppe von Faktoren ist energetisch und f<strong>in</strong>anziell aufwendig, hierher<br />
gehören zusätzliche Wasser- und Nährstoffzufuhr, Bekämpfung von Schädl<strong>in</strong>gen<br />
und Unkraut wie auch anschliessende Produktelagerung und Verkaufsorganisation<br />
[16].<br />
Die Kosten für Saatgut machen nur wenige Prozente der landwirtschaftlichen<br />
Produktionskosten aus. Genetische Verbesserungen zur Erhöhung des<br />
Flächenertrages und Senkung des Energieaufwandes s<strong>in</strong>d daher von Bedeutung<br />
und mit relativ ger<strong>in</strong>gem energetischem E<strong>in</strong>satz zu lösen. Solche Verbesserungen<br />
könnten <strong>in</strong>nerhalb der folgenden Problemkreise erzielt werden:<br />
- Verr<strong>in</strong>gerung des Energieverbrauchs der Pflanze selbst: Bei den meisten unserer<br />
Kulturpflanzen gehen schon während der ersten Fixierungsreaktionen bis 50%<br />
des e<strong>in</strong>gebauten CO2 durch die sogenannte Lichtatmung wieder verloren. Gräser,<br />
vor allem solche tropischer Verbreitung - sogenannte C4- Pflanzen - (bei unseren<br />
Kulturpflanzen nur der Mais), haben e<strong>in</strong>en CO2-Fixierungsmechanismus, bei<br />
dem diese Lichtatmung fehlt. Diese Pflanzen s<strong>in</strong>d zudem befähigt, auch hohe<br />
Licht<strong>in</strong>tensitäten weitgehend zu nutzen und CO2 noch bei ger<strong>in</strong>gsten<br />
Konzentrationen aufzunehmen; die Produktion ist ferner weniger vom<br />
Wassergehalt des Bodens bee<strong>in</strong>flusst. E<strong>in</strong>e Übertragung der entsprechenden<br />
Gene <strong>in</strong> die wichtigen Kulturpflanzen der gemässigten Zone - Getreide,<br />
Kartoffel, Zuckerrübe - könnte deren photosynthetische Ausbeute deutlich<br />
steigern.<br />
- Der Abbau von Assimilaten für den pflanzeneigenen Stoffwechsel <strong>in</strong> der<br />
Dunkelatmung ist häufig energetisch <strong>in</strong>effizient; durch entsprechende genetische<br />
Veränderungen könnten ebenfalls massive Produktionssteigerungen erzielt<br />
werden.<br />
- Resistenz gegen Schädl<strong>in</strong>ge und deren Tox<strong>in</strong>e, wie auch gegen Schwermetalle,<br />
und Toleranz gegen Herbizide s<strong>in</strong>d genetisch fixiert und daher durch<br />
züchterische Massnahmen komb<strong>in</strong>ierbar.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 35<br />
- Ger<strong>in</strong>gere Wasser- und Nährstoffbedürfnisse der Pflanze würden die<br />
landwirtschaftlich nutzbare Fläche vergrössern.<br />
- Erzielung e<strong>in</strong>es erhöhten Nährwertes des genutzten Pflanzenteils: E<strong>in</strong>e<br />
Steigerung des Prote<strong>in</strong>gehaltes von Mais von heute 9% auf 15% ergäbe e<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>sparung von rund 107 t Sojamehl <strong>in</strong> Futtermitteln alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> den USA. Durch<br />
Verr<strong>in</strong>gerung des Wassergehaltes von Samen könnte ferner bei der<br />
Erntetrocknung zusätzlich Energie gespart werden.<br />
- Erhöhung der Biomasseausbeute pro Flächene<strong>in</strong>heit durch e<strong>in</strong>e veränderte<br />
Morphologie der Pflanzen; z. B. andere Blattstellungen, dank welcher e<strong>in</strong>e<br />
engere Pflanzung und damit e<strong>in</strong>e vollständigere Lichtabsorption möglich ist.<br />
- E<strong>in</strong> vorläufig eher spekulatives Gebiet der Pflanzenzüchtung ist die Übertragung<br />
der Gene, die verschiedene Bakterien und Blaualgen befähigen, Luftstickstoff zu<br />
b<strong>in</strong>den, auf Getreidearten oder andere Nutzpflanzen. Denkbar wäre auch die<br />
Erzielung e<strong>in</strong>er Symbiose zwischen höherer Pflanze und Stickstoff-fixierenden<br />
Mikroorganismen, wie dies beispielsweise bei Legum<strong>in</strong>osen verwirklicht ist.<br />
Die Pflanzenzüchtung bedient sich heute vermehrt der modernen Methoden<br />
des Gentransfers und der Protoplastenfusion [27]. Dies erlaubt, wesentlich rascher<br />
und unabhängig von Sterilitätsbarrieren zu neuen Formen zu gelangen. Bei allem<br />
Optimismus ist zu beachten, dass der Wert der bisherigen Zuchterfolge durch<br />
Verluste sche<strong>in</strong>bar unbedeutender Eigenschaften der Wildpflanzen, wie etwa<br />
Resistenz gegen Trockenheit, Kälte oder Schädl<strong>in</strong>ge, gem<strong>in</strong>dert wurde. Je weiter<br />
man die ursprünglichen Pflanzen verändert, um so mehr Pflege und Fremdenergie<br />
benötigen sie <strong>in</strong> der Regel. Dies wird gerade für jene Völker, die am meisten auf<br />
den hohen Ertrag angewiesen s<strong>in</strong>d, zu e<strong>in</strong>em f<strong>in</strong>anziellen Problem.<br />
Tab. 12 Produktion und Ausbeute von landwirtschaftlichen Kulturen<br />
photosynthetische Ertrag<br />
Ausbeute t Trocken<br />
gewicht/<br />
ha. Jahr<br />
Mais, England 0,9 17<br />
davon Körner 0,2 5<br />
Weizen, USA 1,1 30<br />
davon Körner 0,4 12<br />
Reis, S-Amerika 0,7 22<br />
davon Körner 0,2 7<br />
Bei den meisten Kulturpflanzen macht der genutzte Anteil<br />
nur 20- 40% der Gesamtbiomasse aus.
36 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Die vorhandene Biomasse wird oft schlecht ausgewertet. Die Ausbeute der<br />
Sonnenenergieumwandlung und der Flächenertrag s<strong>in</strong>ken um 60-80%, wenn nicht<br />
das gesamte produzierte organische Material, sondern nur der heute genutzte<br />
Pflanzenteil <strong>in</strong> der Rechnung berücksichtigt wird. Erbsen enthalten z. B. mehr<br />
Prote<strong>in</strong> <strong>in</strong> den ungenutzten Pflanzenteilen als <strong>in</strong> den <strong>in</strong> Konserven<strong>in</strong>dustrien<br />
verarbeiteten Samen!<br />
Obwohl die Idee der Nutzung von Blatteiweiss für die Nahrung bis <strong>in</strong>s 18.<br />
Jahrhundert zurückgeht [90], beschäftigte man sich erst während des Zweiten<br />
Weltkrieges mit der praktischen Auswertung [82, 83, 130]. Geräte wurden gebaut,<br />
welche Blätter mit m<strong>in</strong>imalem Energieaufwand gleichzeitig zerkle<strong>in</strong>ern und<br />
auspressen. Durch Erhitzen des Blattextraktes werden die Eiweisse ausgefällt und<br />
diese zu Nahrungsmitteln weiterverarbeitet. Der faserreiche, zellulosehaltige<br />
Rückstand kann zu Futter getrocknet oder siliert werden oder die Zellulose als<br />
Ausgangsmaterial für Treibstoffgew<strong>in</strong>nung dienen. E<strong>in</strong>e Extraktion der löslichen<br />
Eiweisse vor der Silierung von Biomasse würde zusätzlich die unsere Gewässer<br />
belastenden Siloabwässer elim<strong>in</strong>ieren.<br />
Als Quelle von Blattprote<strong>in</strong>en dienten bisher Getreide-, Klee- oder<br />
Luzerneblätter. Zusätzliche Ausbeuten bis zu 5 t Trockenprote<strong>in</strong>/ha und Jahr<br />
wurden erzielt. Kartoffelstauden liefern, Ende Juli geerntet, 600 kg Prote<strong>in</strong> pro ha;<br />
es wurde errechnet, dass durch Vernichtung der Kartoffelstauden <strong>in</strong> England<br />
jährlich 60 000 t Eiweiss verloren gehen. Ebenfalls z. T. ungenutzt bleibt das<br />
Eiweiss des Zuckerrübenkrautes und der Abfälle der Konserven<strong>in</strong>dustrie. Ferner<br />
könnten die Blätter der <strong>in</strong> Energieplantagen zum Zwecke der Holznutzung<br />
gezogenen Bäume zusätzlich e<strong>in</strong>en Eiweissertrag liefern. Es muss allerd<strong>in</strong>gs betont<br />
werden, dass es wenig S<strong>in</strong>n hat, Prote<strong>in</strong>e aus Blättern zu extrahieren, die ihrerseits<br />
als Ganzes gegessen werden könnten!<br />
E<strong>in</strong>e gute Quelle von Blattprote<strong>in</strong>en dürften auch Wasserunkräuter se<strong>in</strong>, die<br />
heute häufig mechanisch entfernt oder chemisch vernichtet werden, wie etwa<br />
Wasserhyaz<strong>in</strong>then oder Wasserl<strong>in</strong>sen, sofern diese Pflanzen nicht e<strong>in</strong>facher zu<br />
Futter verarbeitet oder über Methangärung als Brennstoff genutzt werden können.<br />
Für Entwicklungsländer sieht man zusätzlich e<strong>in</strong>e Vielfalt von Möglichkeiten, wie<br />
diese Wasserunkräuter <strong>in</strong>direkt durch Umwandlung <strong>in</strong> tierisches Prote<strong>in</strong> der<br />
menschlichen Nahrung zugänglich gemacht werden könnten, sei es über<br />
Graskarpfen oder andere pflanzenfressende Fische, Krabben, Gänse oder<br />
Schwe<strong>in</strong>e. In den USA s<strong>in</strong>d rund 10 6 ha mit Wasserhyaz<strong>in</strong>then bedeckt und<br />
könnten jederzeit genutzt werden!<br />
Das aus Blättern extrahierbare Material enthält 60-70% Eiweisse hohen Nährwertes und 20-30%<br />
zum grössten Teil ungesättigte Lipide, wodurch allerd<strong>in</strong>gs dessen Lagerung erschwert wird. Das<br />
grösste Problem bei der Verwertung dieser Eiweisse bilden vorderhand die Ernährungsgewohnheiten<br />
des Menschen. E<strong>in</strong>e neue Nahrung wird wohl dort am ehesten akzeptiert, wo Gemüse <strong>in</strong><br />
verschiedenster Zubereitung schon zur täglichen Mahlzeit gehören und wo vielfältige E<strong>in</strong>topfgerichte<br />
Tradition s<strong>in</strong>d. Solange aber auch <strong>in</strong> unterernährten Völkern die westliche Küche Vorbild und das<br />
angestrebte Entwicklungsziel die Lebensweise unserer hoch <strong>in</strong>dustrialisierten Länder ist, solange wird<br />
es schwierig se<strong>in</strong>, Hungersnöten mit neuen Nahrungsformen begegnen zu wollen.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 37<br />
E<strong>in</strong>e Steigerung des Ertrages an Biomasse ist weltweit schliesslich durch<br />
Vergrösserung der zu nutzenden Anbaufläche möglich. Die Ozeane bedecken ca.<br />
70% der Erdoberfläche, ihre Produktion an pflanzlicher Biomasse wird aber nur<br />
wenig genutzt. Im «Mar<strong>in</strong>e Farm Project» werden Tange (Macrocystis) auf<br />
verankerten, ca. 200 x 200 m messenden Gitterfeldern gezogen. Das Wachstum<br />
konnte durch Düngung mit Tiefenwasser deutlich stimuliert werden (Frischgewicht<br />
verzehnfacht <strong>in</strong> 12-15 Tagen). Als Assimilate werden besondere Kohlenhydrate<br />
gebildet (Alg<strong>in</strong>, Lam<strong>in</strong>ar<strong>in</strong>), die 50-75% des Trockengewichtes ausmachen; Lign<strong>in</strong><br />
fehlt ganz. Erträge <strong>in</strong> der Grössenordnung von 2 bis 15 t Trockengewicht/ ha s<strong>in</strong>d<br />
<strong>in</strong> Grossversuchen erzielt worden [123, 128]. Die Primärproduktion erreicht unter<br />
natürlichen Bed<strong>in</strong>gungen allerd<strong>in</strong>gs nur für e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Teil der Weltmeere<br />
Werte dieser Grösse.<br />
Als weitere Möglichkeit der Erweiterung der Anbaufläche s<strong>in</strong>d natürliche oder<br />
künstliche Teiche und Seen <strong>in</strong> Gebieten hoher E<strong>in</strong>strahlung zu nennen, <strong>in</strong> welchen<br />
Algen zu Nahrungszwecken gezüchtet werden. E<strong>in</strong> solches Beispiel ist der<br />
Texcacosee, wo im Hochland von Mexiko die Blaualge Spirul<strong>in</strong>a (Abb. 23)<br />
produziert wird, e<strong>in</strong>e Alge, die schon von den Azteken, den «Söhnen der Sonne»,<br />
als Nahrungsmittel verwendet worden ist.<br />
In Japan und Ch<strong>in</strong>a ist die Massenkultur der Grünalge Chlorella verbreitet.<br />
1975 s<strong>in</strong>d davon <strong>in</strong> Japan ca. 400 t konsumiert worden [123]. Die Kosten liegen<br />
allerd<strong>in</strong>gs weit über den Kosten von Sojaprote<strong>in</strong>, und die Produktion ist nur<br />
möglich, weil Chlorellaprote<strong>in</strong> zu hohen Preisen als Reformnahrung verkauft<br />
werden kann. Wegen des raschen Wachstums haben Mikroorganismen als<br />
Nahrungsproduzenten erhebliche Vorteile. E<strong>in</strong> R<strong>in</strong>d von 1 t Gewicht produziert pro<br />
Tag 1 kg Prote<strong>in</strong>, 1 t Sojapflanzen synthetisieren <strong>in</strong> der gleichen Zeit 100 kg<br />
Prote<strong>in</strong>, Mikroorganismen wie Futterhefen verhundertfachen ihr Gewicht pro Tag!<br />
Abb. 23 Mikroskopische Aufnahme von Fäden des Cyanobakteriums Spirul<strong>in</strong>a. - Im 850 ha grossen<br />
Texcacosee werden Algenerträge von 35 t Trockengewicht/ha jährlich erzielt; e<strong>in</strong>e Versuchsanlage<br />
verarbeitet heute l t/Tag. Die Alge hat e<strong>in</strong>en hohen Prote<strong>in</strong>gehalt von 70%, damit ist der Prote<strong>in</strong>ertrag<br />
pro Fläche bis 50mal grösser als für e<strong>in</strong> Maisfeld.
38 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Weite Landflächen, die heute grösstenteils ungenutzt s<strong>in</strong>d, bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> den<br />
ariden Klimagebieten der Steppen und Wüsten. Herkömmliche bekannte<br />
Kulturpflanzen für die Nahrungsgew<strong>in</strong>nung gedeihen dort kaum, dagegen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
diesen Gebieten Pflanzen mit besonderen Inhaltsstoffen, z. B. Terpenen, häufig, die<br />
für die chemische Industrie <strong>in</strong>teressante Rohstoffe liefern könnten.<br />
4.2. Energieplantagen [5, 29, 74, 119]<br />
Unter dem Begriff Energieplantagen versteht man die Kultur von Biomasse<br />
zum Zwecke der Brenn- und Treibstoffproduktion. Flüssiger oder gasförmiger<br />
Treibstoff aus Biomasse ist die e<strong>in</strong>zige Möglichkeit, diesen wie auch chemische<br />
Grundstoffe durch e<strong>in</strong>en erneuerbaren Prozess zu produzieren. In verschiedenen<br />
Ländern laufen grossangelegte Studien, <strong>in</strong> welchen die besten lokalen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
für Energieplantagen gesucht werden. Vor- und Nachteile gegenüber<br />
konventionellen Energieträgern s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Tab. 13 zusammengestellt.<br />
Gerade <strong>in</strong> wenig entwickelten Ländern, <strong>in</strong> denen Holz e<strong>in</strong>en grossen Teil der<br />
Energie deckt und decken muss, dürften Energieplantagen von grosser Bedeutung<br />
werden, <strong>in</strong>dem dadurch der Entwaldung und deren Folgeschäden (Versteppung,<br />
Überschwemmungen) sowie der ungeeigneten Nutzung von Abfällen der<br />
Landwirtschaft (Verbrennen aller pflanzlichen und tierischen Abfälle) E<strong>in</strong>halt<br />
geboten werden kann. Selbstverständlich darf der Anbau von Energieplantagen nie<br />
zum Verschw<strong>in</strong>den der heutigen Wälder mit ihrem wertvolleren Bau- und<br />
Industrieholz führen.<br />
E<strong>in</strong>e der wesentlichsten Fragen bei der Beurteilung der Zweckmässigkeit e<strong>in</strong>er<br />
Energieplantage betrifft die Wahl der Pflanzen. Bestimmend s<strong>in</strong>d z. B. Grösse und<br />
Art des zur Verfügung stehenden Landes, Art des anschliessenden<br />
Umwandlungsprozesses und des zu bildenden Treibstoffs wie auch Art der zur<br />
Verfügung stehenden Mittel für Ernte und Transport. S<strong>in</strong>d diese Grössen<br />
festgelegt, dürfte e<strong>in</strong>e Berechnung des Input/Output-Verhältnisses möglich se<strong>in</strong>.<br />
Tab. 13 Vorteile und Probleme der Energiegew<strong>in</strong>nung aus Biomasse<br />
Vorteile: Probleme:<br />
- gute Speicherform -grosse Landflächen nötig<br />
- erneuerbar - Konkurrenz zu Land für Ernährung des Men-<br />
- verschiedene Umwandlungsmöglichkeiten schen<br />
- Technologie weitgehend bekannt, nicht ka- - braucht gewisse Zeit, bis Dauerproduktion<br />
pital<strong>in</strong>tensiv etabliert<br />
- Entwicklung mit heutigen Arbeitskräften - Düngung und Bewässerung nötig für hohe Erund<br />
aus vorhandenen Rohstoffen träge<br />
- grosses Potential für biotechnologische Ent- - heutige land- und forstwirtschaftliche Gewicklungen<br />
wohnheiten<br />
- schafft Arbeitsplätze - Transport zum Verbraucher<br />
- vernünftig im Preis<br />
- ökologisch wenig problematisch<br />
- erhöht CO2-Konzentration der Luft nicht
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 39<br />
E<strong>in</strong>e Vielzahl bekannter Pflanzen ist <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht untersucht worden,<br />
e<strong>in</strong>ige s<strong>in</strong>d mit ihren Ausbeuten <strong>in</strong> Tab. 14 aufgeführt. Hohe Ausbeuten reduzieren<br />
die nötige Fläche und damit die Kosten für Land, Landbearbeitung und Ernte. E<strong>in</strong><br />
wesentliches Kriterium ist im weiteren, dass die Biomasse zu allen Jahreszeiten<br />
geerntet und umgewandelt werden kann, e<strong>in</strong>e Notwendigkeit für e<strong>in</strong>e<br />
gleichmässige Auslastung der Ernte- und Verarbeitungsmasch<strong>in</strong>en. Diese Kriterien<br />
deuten darauf h<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> tropischen Gebieten sowohl krautige e<strong>in</strong>oder<br />
mehrjährige Pflanzen wie auch Bäume, <strong>in</strong> gemässigten Klimagebieten wohl nur<br />
verholzte mehrjährige Pflanzen geeignet s<strong>in</strong>d.<br />
Grossversuche mit Bäumen laufen <strong>in</strong> verschiedenen Ländern, vor allem <strong>in</strong> den<br />
USA und Australien, aber auch <strong>in</strong> Ländern der Dritten Welt wie Indien, Korea,<br />
Ch<strong>in</strong>a, Tansania und Kenia wurden Brennholzplantagen mit Erfolg aufgebaut.<br />
Im Unterschied zur normalen Holzwirtschaft wird die Zeit zwischen dem<br />
Setzen der Bäume und der Holzernte kurz gehalten (2-8 Vegetationsperioden). In<br />
dieser Zeit bilden sich erst dünne Stämme, und das Pflanzenmaterial kann praktisch<br />
mit konventionellen landwirtschaftlichen Geräten geerntet werden. Geeignete<br />
Baumarten s<strong>in</strong>d Eucalyptus, Platane, Pappel und Rob<strong>in</strong>ie. Besonders günstig s<strong>in</strong>d<br />
diejenigen Arten, die sich durch Steckl<strong>in</strong>ge vermehren lassen und bei denen es<br />
nach dem Abernten rasch wieder zu Stockausschlägen kommt. Pappeln <strong>in</strong> engster<br />
Bepflanzung ergeben Pflanzendichten von 15 000-17 000 Bäumen/ ha. Bei e<strong>in</strong>er<br />
Düngung mit Abwasser s<strong>in</strong>d Erträge von 35-85 t Trockengewicht/ha erzielt<br />
worden. Pappeln sche<strong>in</strong>en nur bescheidene<br />
Tab. 14 Ausbeute an Biomasse für mögliche Energiepflanzungen (nach [5] und [67])<br />
e<strong>in</strong>jährige t/ha Jahr<br />
Sonnenblume Russland 33<br />
Mohrenhirse USA 30<br />
Mais USA 15<br />
Kenaf USA 49<br />
Zuckerrübe Holland 22<br />
Kartoffeln Holland 22<br />
mehrjährige<br />
Wasserhyaz<strong>in</strong>the USA 40<br />
Zuckerrohr Hawaii 64<br />
Zuckerrohr Maximalernte 124<br />
Alfalfa USA 20<br />
Bambus USA 12<br />
verholzte<br />
Buche Schweiz 10<br />
Fichte Japan 14<br />
Pappeln (Hybrid) USA 20<br />
Eucalyptus USA 59<br />
Weide Schweden 52
40 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Abb. 24 Versuchsenergieplantage <strong>in</strong> Georgia (USA). Nach Entwaldung des Versuchsfeldes, Düngung<br />
(ca. 1100 kg/ha), Herbizidbehandlung (3,7 kg/ha) wurden vor zwei Jahren e<strong>in</strong>jährige Jungpflanzen<br />
(Rob<strong>in</strong>ie, Platane) gesetzt. Unkraut schützt vor Bodenerosion und verh<strong>in</strong>dert Wildschäden an den<br />
Pflanzungen. Die Pflanzung erfolgt <strong>in</strong> Reihen (Abstand 60-180 cm, Zwischenräume 100-240 cm);<br />
dadurch wird der E<strong>in</strong>satz von Masch<strong>in</strong>en für Pflege und Ernte erleichtert.<br />
Bedürfnisse <strong>in</strong> bezug auf den Boden zu haben, können doch Abfalldeponien<br />
und Abraumhalden damit aufgeforstet werden. Weiter wird vorgeschlagen, das<br />
nicht nutzbare Land an Autobahnen für Energieplantagen e<strong>in</strong>zusetzen. Es wurde<br />
errechnet, dass der heutige Bedarf der USA an Treibstoffen und Heizöl durch<br />
Bepflanzen e<strong>in</strong>er Fläche von 500 000 km², also auf weniger als 6% der Landfläche,<br />
mit Biomasse gedeckt und e<strong>in</strong>e totale Unabhängigkeit von importiertem Erdöl<br />
erreicht werden könnte [29, 56].<br />
In den Neuenglandstaaten s<strong>in</strong>d schon heute e<strong>in</strong>e ganze Anzahl thermischer<br />
Kraftwerke <strong>in</strong> Betrieb, die auf Holz als Brennstoff umgestellt haben. E<strong>in</strong> 50- MW-<br />
Werk, das etwa 50 000 Personen mit Elektrizität versorgt, benötigt jährlich 800 000<br />
t Frischholzschnitzel, die aus e<strong>in</strong>er Fläche von etwa 60 km² im Zweijahreszyklus<br />
gewonnen werden können.<br />
Um die Transportwege möglichst kurz zu halten, sollten Energieplantagen<br />
nicht zu gross angelegt werden. Transport, Verteilung und Lagerung des Holzes<br />
können vere<strong>in</strong>facht werden, wenn es sofort nach der Ernte zu Schnitzeln zerkle<strong>in</strong>ert<br />
wird. Selbstfahrende Masch<strong>in</strong>en verarbeiten pro Tag 250-500 t Frischholz, wobei<br />
der Energieverbrauch bei 2% des Energiegehaltes des zerkle<strong>in</strong>erten Holzes liegt.<br />
Man hat heute noch ke<strong>in</strong>e Erfahrungen, wie weit e<strong>in</strong>e Monokultur von Pappeln<br />
anfällig auf Krankheiten oder Schädl<strong>in</strong>ge ist. Vor allem um auf den teuren<br />
Stickstoffdünger verzichten zu können, werden <strong>in</strong> Georgia auf sehr kargem Boden<br />
(Humusgehalt unter 0,5%) Mischkulturen gezogen und der E<strong>in</strong>fluss von Baumarten<br />
mit stickstoffb<strong>in</strong>denden Symbionten (Rob<strong>in</strong>ie, Erle) untersucht.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 41<br />
Unter nicht verholzten Pflanzen s<strong>in</strong>d gute Zucker-, Stärke- oder Ölproduzenten<br />
auch für die Energiegew<strong>in</strong>nung von Interesse; besonders studiert und heute auch<br />
schon genutzt werden z.B. Zuckerrohr (Saccharum offic<strong>in</strong>arum), Maniok (Manihot<br />
esculenta), Kenaf (Hibiscus cannab<strong>in</strong>us), Hirse (Sorghum bicolor und S. dochna),<br />
Sonnenblume (Helianthus annuus) wie sogar Elefantengras (Pennisetum<br />
purpureum) [35, 74].<br />
Zuckerrohr hat unter diesen durch se<strong>in</strong>e ausgedehnte Nutzung <strong>in</strong> Energieplantagen<br />
<strong>in</strong> Brasilien wohl die grösste Bedeutung erlangt. Vergärung zu Äthanol<br />
liefert nicht nur e<strong>in</strong>en hochwertigen Brennstoff, sondern nach chemischer<br />
Umwandlung zu Äthylen auch e<strong>in</strong>en Rohstoff, von dem aus e<strong>in</strong>e Vielzahl<br />
chemischer Produkte hergestellt werden kann. Schon zwischen dem Ersten und<br />
Zweiten Weltkrieg wurde Äthanol <strong>in</strong> verschiedenen Ländern durch Vergärung von<br />
Zuckern grosstechnisch hergestellt. Diese Technologie geriet <strong>in</strong> Vergessenheit und<br />
wurde kaum weiterentwickelt, nachdem Äthanol weit billiger aus Äthylen, das bei<br />
der Erdölraff<strong>in</strong>ierung anfällt, hergestellt werden konnte. Bei den heutigen<br />
Weltmarktpreisen für Erdölprodukte dürfte e<strong>in</strong>e Äthanolproduktion aus Biomasse<br />
<strong>in</strong> jenen Gebieten wieder aktuell werden, wo genügend Rohmaterial zu ger<strong>in</strong>gen<br />
Kosten zur Verfügung steht. Die Erträge <strong>in</strong> Brasilien für Zuckerrohr liegen bei 50<br />
t/ha Jahr, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Gebieten bis 90 t/ha Jahr. Die Pflanzen werden sehr dicht<br />
kultiviert (bis 160 000 Stengel/ha>, so dass kaum noch Licht ungenutzt auf den<br />
Boden gelangt. Um Zuckerrohr während der ganzen Zeit bei optimalem Wachstum<br />
zu halten, muss <strong>in</strong>tensiv gedüngt und bewässert werden; e<strong>in</strong> Teil des Düngers kann<br />
durch Rezirkulation der salzreichen Fermentationsrückstände ersetzt werden (siehe<br />
auch Abb. 36) [19].<br />
Trotz dieses Aufwandes hat die Zuckerrohrproduktion im Vergleich zu andern<br />
Kulturpflanzen e<strong>in</strong> günstiges Energie-Input/Output-Verhältnis von 0,2. Bei dessen<br />
Ermittlung wurde als Energiezufuhr der Aufwand für Aussaat, Düngung,<br />
Kultivierung, Herbizide, Ernte und Transport zur Verarbeitungsstelle<br />
berücksichtigt. Ursache für dieses günstige Verhältnis dürfte vor allem der<br />
Umstand se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e Pflanzung über 10 und mehr Jahre hohe Erträge abwirft<br />
und die erstmaligen Pflanzungskosten sich daher über e<strong>in</strong>e längere Zeit verteilen.<br />
Günstig für e<strong>in</strong>e energetische Gesamtbilanz wirkt sich schliesslich aus, dass die<br />
faserhaltigen Abfälle, die Bagasse, immer mehr als Rohstoff für Zellulose- und<br />
Papiergew<strong>in</strong>nung gefragt s<strong>in</strong>d. Während Brasilien heute noch jährlich 300 000 t<br />
Papier und Zellulose e<strong>in</strong>führt, rechnet man 1985 mit e<strong>in</strong>em Export von 200 000 t<br />
pro Jahr; dies aus den ca. 40% Bagasseüberschüssen, die bei der Zucker- und<br />
Alkoholproduktion nicht für Prozessenergie verwendet werden können. Während<br />
<strong>in</strong> den feuchten, tropischen Gebieten Brasiliens mit Zuckerrohr, aber auch mit<br />
Mohrenhirse und Maniok für Energieplantagen sowohl hohe Flächenerträge wie<br />
auch günstige Energieaufwand/ Ertrags-Verhältnisse erzielt werden können, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
trockenen Gebieten die Verhältnisse ungünstiger. Nach e<strong>in</strong>er neueren<br />
Untersuchung hat sich für solche Gebiete besonders Ananas als geeignet erwiesen.<br />
Während Zuckerrohrkulturen bei Niederschlagsmengen von weniger
42 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Tab. 15 Kohlenhydrat- und Alkoholerträge für Zuckerrohr, Maniok und Ananas (nach [72])<br />
Kohlenhydrat- Wasserbedarf Äthanolproduktion<br />
produktion<br />
(t/ha. Monat) (mm pro Monat) (1/ha. Monat)<br />
Zuckerrohr 1,15-1,31 180 921<br />
Maniok 0,6-0,9 125 611<br />
Ananas 1,25 83 964<br />
E<strong>in</strong> Vergleich der drei Kulturpflanzen zeigt, dass mit Ananas mit e<strong>in</strong>em wesentlich ger<strong>in</strong>geren<br />
Wasserbedarf und Energieaufwand ähnlich hohe Erträge erzielt werden können wie mit<br />
Zuckerrohr. Ohne zusätzlichen Energieaufwand lässt sich damit Land ger<strong>in</strong>gerer Qualität für<br />
Energieplantagen nutzen.<br />
als 200 cm/Jahr nicht mehr wirtschaftlich s<strong>in</strong>d, liefern Ananas noch gute Erträge u.<br />
U. bei Niederschlagsmengen von nur 60 cm/Jahr. Die gute Trockenresistenz beruht<br />
auf xeromorphen Merkmalen, wie wenig Spaltöffnungen, dicke Kutikula,<br />
wasserspeicherndes Blattgewebe, und dem Crassulaceensäurestoffwechsel.<br />
Obwohl die CO2-Aufnahmerate von Ananas wesentlich unter derjenigen von<br />
Zuckerrohr und Maniok liegt, ist die Trockengewichtszunahme unwesentlich<br />
ger<strong>in</strong>ger als bei den beiden andern Pflanzungen, vor allem dank hohem<br />
Blattflächen<strong>in</strong>dex und ger<strong>in</strong>gem Transpirationsquotient. Die Produktionserträge<br />
pro ha und Monat liegen deshalb für Ananas ähnlich hoch wie für Zuckerrohr und<br />
deutlich besser als für Maniok [72]. In Brasilien liegen zurzeit 1,7 x 10 6 km² Land<br />
brach, weil die Menge und die jährliche Verteilung der Niederschläge und die<br />
Bodenqualität e<strong>in</strong>e Bewirtschaftung mit bisherigen Kulturpflanzen nicht erlauben.<br />
Ananaspflanzungen könnten hier e<strong>in</strong>en Ausweg bedeuten und sowohl für Nahrung,<br />
Tierfutter und Energie verwendet werden. Möglicherweise s<strong>in</strong>d auch andere<br />
Pflanzen mit Crassulaceenstoffwechsel (Aloe, Yucca) für Energieplantagen<br />
geeignet; es fehlen aber heute die entsprechenden Untersuchungen über Erträge <strong>in</strong><br />
Grosskulturen.<br />
In E<strong>in</strong>wänden gegen «Energy farm<strong>in</strong>g» wird behauptet, dass dabei e<strong>in</strong> nicht<br />
erneuerbares Gut, nämlich Land, mit ger<strong>in</strong>ger Nutzung gebraucht werde und dass<br />
die Alkoholproduktion mehr Energie verschl<strong>in</strong>ge, als nachher im Produkt vorläge.<br />
Auch wird hervorgehoben, dass <strong>in</strong> Energieplantagen bis 200mal mehr Wasser pro<br />
Treibstoffe<strong>in</strong>heit verbraucht wird (Transpiration der Pflanzen) als vergleichsweise<br />
bei der Kohlenverflüssigung. In den USA würden daher Energieplantagen Erdöl<br />
wegen Wassermangels nie ersetzen können. Ausserdem benötige Bioenergie,<br />
bezogen auf die Menge der dem Menschen zur Verfügung gestellten Energie, 100-<br />
1000mal grössere Landflächen als konventionelle Energieumwandlungssysteme (z.<br />
B. thermische Kraftwerke) [42].
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 43<br />
Letzteres ist bed<strong>in</strong>gt durch die e<strong>in</strong>gangs erwähnte ger<strong>in</strong>ge Energiedichte der<br />
Sonnenstrahlung auf der Erdoberfläche. Sicher muss e<strong>in</strong> Teil des Landes aus<br />
ökologischen oder ästhetischen Gründen, aber auch im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es genetischen<br />
Reservoirs <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em ursprünglichen, wilden Zustand gelassen werden. Ernst zu<br />
nehmen ist auch das Problem der ökologischen Bee<strong>in</strong>flussung durch die<br />
vorgeschlagene <strong>in</strong>tensive Bewirtschaftung. Bei der Nutzung fossiler Energieträger<br />
werden letztere irreversibel verbraucht, bei e<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>nvollen Nutzung des ebenfalls<br />
nicht vergrösserbaren Landes dieses zwar gebraucht, aber nicht verbraucht!<br />
4.3. Pflanzen, die besondere Stoffe produzieren: Kohlenwasserstoffe [35, 49, 50]<br />
Die für Energieplantagen geeigneten Pflanzen zeichnen sich durch e<strong>in</strong>e hohe<br />
Ausbeute der Umwandlung der Sonnenenergie <strong>in</strong> Biomasse aus; diese muss für die<br />
meisten Anwendungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e andere Form, Wärme, Elektrizität, Äthanol,<br />
Methanol oder Methan, umgewandelt werden. Nur die letzten drei Energieträger<br />
können Erdöl im eigentlichen S<strong>in</strong>ne ersetzen. Anderseits gibt es auch e<strong>in</strong>e ganze<br />
Anzahl von Pflanzen, die neben den normalen Assimilationsprodukten<br />
(Kohlehydrate, Eiweisse und Lipide) direkt Kohlenwasserstoffe, also erdölartige<br />
Substanzen produzieren. Diese können sowohl als Rohstoffe für die Herstellung<br />
von Treibstoffen wie auch für chemische Synthesen e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />
Zu den bekannten Pflanzen zählt der Gummibaum Hevea brasiliensis. Dessen<br />
Produkt, Latex, ist e<strong>in</strong>e milchige Suspension mit e<strong>in</strong>em Kohlenwasserstoffgehalt<br />
von ca. 30%. Als Brennstoff s<strong>in</strong>d diese Kohlenwasserstoffe wegen des hohen<br />
Molekulargewichtes von 1-2 Millionen allerd<strong>in</strong>gs wenig geeignet. Neben Hevea<br />
kommen solche Kohlenwasserstoffe, es s<strong>in</strong>d Polymere von Isopren (C5H8), <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
ganzen Anzahl dikotyler Pflanzen vor. Die Nutzung beschränkte sich bisher<br />
praktisch auf Hevea, weil hier durch e<strong>in</strong>faches Anzapfen der Baumstämme Latex<br />
<strong>in</strong> kurzen Zeitabständen über mehrere Jahre gewonnen werden konnte. In<br />
Plantagen liegt die Ausbeute heute bei ca. 2 t Gummi/ha x Jahr; <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren<br />
Experimentierfeldern wurden schon 2-3fache Ausbeuten erzielt.<br />
E<strong>in</strong>e andere, vielversprechende Pflanze ist Guayule (Parthenium argentatum),<br />
welche <strong>in</strong> den Trockengebieten im Süden der USA und <strong>in</strong> Mexiko gedeiht. Nach 2<br />
Jahren liegt der Gummigehalt bei 10-25% des Trockengewichtes. Da bei Guayule<br />
sich die Milch nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em speziellen Milchröhrensystem ansammelt, muss die<br />
Rohgummimasse aus dem Pflanzengewebe extrahiert werden.<br />
Guayulegummi wurde noch anfangs dieses Jahrhunderts <strong>in</strong> grösseren Mengen <strong>in</strong> den USA<br />
gewonnen (1910 ca. 10 000 t); er deckte damals 50% des USA-Verbrauches; auch während des<br />
Zweiten Weltkrieges war die Guayulegummiproduktion <strong>in</strong> den USA und Mexiko wieder hoch.<br />
Guayule gedeiht <strong>in</strong> warmen Gebieten (Wachstum nur oberhalb 16 °C), die aber relativ trocken se<strong>in</strong><br />
können (ab 28 cm Niederschlag jährlich). Die Pflanzen können damit <strong>in</strong> Gebieten kultiviert werden,<br />
die für Ackerbau und Milchwirtschaft ungeeignet s<strong>in</strong>d. Wachsende Pflanzen enthalten wenig<br />
Kohlenwasserstoffe, erst durch kühlere Temperaturen und Wassermangel wird die
44 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Gummiproduktion <strong>in</strong>duziert. Mit dem Aufkommen des synthetischen Gummis nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg wurden die Guayuleplantagen <strong>in</strong> den USA aufgegeben; e<strong>in</strong>zig <strong>in</strong> Mexiko wird noch heute<br />
aus wild wachsenden Pflanzen Gummi extrahiert.<br />
Weitere bekannte gummiliefernde Pflanzen s<strong>in</strong>d der russische Löwenzahn<br />
(Taraxacum kok-saghyz), e<strong>in</strong>e Goldrutenart (Solidago leavenworthi), zwei<br />
Kompositen und viele Arten aus den Wolfsmilchgewächsen. Der Milchsaft der<br />
letzteren enthält Kohlenwasserstoffe von kle<strong>in</strong>erem Molekulargewicht als Gummi;<br />
solche Verb<strong>in</strong>dungen sche<strong>in</strong>en daher als Ölersatz besser geeignet. Bekannt<br />
geworden ist etwa Euphorbia tirucalli oder E. lathyris, die <strong>in</strong><br />
Expenmentierplantagen <strong>in</strong> Kalifornien, ausgehend von Steckl<strong>in</strong>gen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Vegetationsperiode e<strong>in</strong>e Biomassevermehrung um den Faktor 1000 erreichten.<br />
Dies entspricht e<strong>in</strong>er «Öl»-Produktion von 46 t/ha und Jahr. Andere Euphorbia-<br />
Arten wurden früher <strong>in</strong> Marokko, Äthiopien und Brasilien genutzt [20]. E<strong>in</strong><br />
besonderer Baum im brasilianischen Urwald sche<strong>in</strong>t Copaifera (bes. C. langsdorfii<br />
zu se<strong>in</strong>. Der Baum kann angezapft werden, und der austretende Saft besteht zu 65-<br />
80% aus Ölen, vorwiegend C15-Terpenen. Dieser Saft wurde<br />
Abb. 25 Ältere Darstellung von Zweigen der ölhaltigen Bäume Croton tigijum und Copaifera<br />
offic<strong>in</strong>alis. Von der letzteren Pflanze wird <strong>in</strong> älteren Berichten mitgeteilt, dass sich <strong>in</strong> Hohlräumen bis<br />
zu 50 1 Flüssigkeit ansammle, so dass der Stamm durch den aufgebauten Druck gesprengt werde.<br />
Sammler bohren den Baum an, und an e<strong>in</strong>er Bohrstelle können pro Stunde bis zu 5 1 Saft auslaufen<br />
(aus Catalogue des plantes économiques pour les colonies, L'Horticole coloniale).
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 45<br />
Tab. 16 Kohlenwasserstoffe aus Botryococcus braunii (aus [8])<br />
Kohlenwasserstoff<br />
Gelpi et al. Maxwell et al. Brown et al. Belcher<br />
Formel (1968) (1969) (1969) (1969)<br />
C17H34 1,52 - - -<br />
C23H46 0,14 - - -<br />
C25H46 0,10 - - -<br />
C25H48 0,65 - - -<br />
C27H52 11,10 - 7,2 -<br />
C28H54 0,65 - - -<br />
C29H54 5,54 - 23,0 -<br />
C29H56 50,40 - 32,6 -<br />
C31H60 27,90 - 25,1 -<br />
C31H62 2,0 - - -<br />
C34H58 - 83,5 - -<br />
C34H58 (iso) - 8,2 - -<br />
anderes Öl - 8,3 12,1 -<br />
Total Kohlen<br />
wasserstoffe <strong>in</strong> % 0,3% 75% bis 17% 15-22%<br />
des Trocken<br />
gewichtes<br />
Herkunft Laboratoriums- Freiland- Laboratoriums- Laborato-<br />
der Algen Kultur Kultur Kultur riums<br />
1-2 Wochen Oakmere Kultur<br />
Cheshire ca. 16 Wo<br />
chen<br />
Wachstums- exponentiell Algen- exponentiell Stationär<br />
Zustand grün blüte grün Zustand<br />
braun grün<br />
Während für wachsende Zellen <strong>in</strong> Laboratoriumskulturen e<strong>in</strong> Kohlenwasserstoffanteil von<br />
0,3-22% des Trockengewichtes angegeben wird, f<strong>in</strong>den wir <strong>in</strong> den während der Algenblüte<br />
geernteten Zellen e<strong>in</strong>en Gehalt von 75%. Der grösste Teil davon besteht aus Botryococcen<br />
(Formel siehe unten) und dem Isomer Isobotryococcen C34H58.
46 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
bisher etwa für Lacke und <strong>in</strong> der Mediz<strong>in</strong> verwendet; nach CALVIN soll das leicht<br />
abtrennbare Öl ohne weitere Behandlung zum Betriebe e<strong>in</strong>es Dieselmotors<br />
genügen [73]!<br />
Auch Arten aus der Gattung Croton (C. tiglium, C. sonderianus) liefern Öle,<br />
deren Daten ähnlich denjenigen von Erdöl s<strong>in</strong>d. Allerd<strong>in</strong>gs ist der Ölanteil an der<br />
Pflanzenmasse wesentlich kle<strong>in</strong>er als bei den vorher beschriebenen Pflanzen. -<br />
Jojoba (Simmondsia ch<strong>in</strong>ensis) dürfte als Ersatz für Walrat (wachsähnliches Öl des<br />
Potwals) zu e<strong>in</strong>er grösseren Bedeutung gelangen [34, 59]. Die Synthese von<br />
Kohlenwasserstoffen ist auch von Algen bekannt. Besonders auffallend ist der<br />
hohe Gehalt derselben bei Botryococcus braunii. Diese Grünalge kommt weltweit<br />
vor. Massenentwicklungen und Wasserblüten s<strong>in</strong>d aber selten zu beobachten. Im<br />
wachsenden Zustand ist die Alge grün, im Ruhezustand wegen des hohen Gehaltes<br />
an Carot<strong>in</strong>oiden gelborange gefärbt. In ruhenden Zellen f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e ausgeprägte<br />
Kohlenwasserstoffsynthese statt, der Anteil an Kohlenwasserstoffen kann bis 85%<br />
des Trockengewichtes erreichen. In Seen rahmen die ölhaltigen Zellen auf. Dies<br />
führt am Ufer zu teerähnlichen Ablagerungen, die nach dem Ort des Vorkommens<br />
als Balkaschit oder Korongit gezeichnet und die von der e<strong>in</strong>heimischen<br />
Bevölkerung als Brennstoff genutzt werden.<br />
Für e<strong>in</strong>e praktische Nutzung von Botryococcus s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs noch viele<br />
Fragen offen, unter anderen, welche Aussenfaktoren die Steuerung zur Bildung des<br />
Ruhestandes bewirken. Es ist bekannt, dass Stress-Situationen <strong>in</strong> vielen Algen e<strong>in</strong>e<br />
verstärkte Lipidsynthese <strong>in</strong>duzieren, der orange Ruhezustand von Botryococcus<br />
liess sich aber bisher im Laboratorium noch nie hervorrufen. Unter der Annahme<br />
e<strong>in</strong>er Wachstumsgeschw<strong>in</strong>digkeit, wie wir sie von anderen Grünalgen (Chlorella,<br />
Scenedesmus) kennen, wäre e<strong>in</strong>e Ausbeute von ca. 40 t Öl/ha. Jahr zu erwarten, e<strong>in</strong><br />
Wert, der weit über denjenigen der Kohlenwasserstoffe produzierenden<br />
Landpflanzen liegt [8].<br />
Neben diesen aus Isopren-E<strong>in</strong>heiten aufgebauten Terpenen könnten auch<br />
«normale » pflanzliche Öle - Triglyceride - als Brennstoffe e<strong>in</strong>e Rolle spielen (z.B.<br />
Ole aus Sonnenblumen, Erdnüssen, Ölpalme u.a.). Tatsächlich laufen <strong>in</strong><br />
verschiedenen Ländern (Südafrika, USA, Brasilien) erfolgreich Versuche, für die<br />
landwirtschaftlichen Fahrzeuge wenigstens e<strong>in</strong>en Teil des Dieselöls durch Öl selbst<br />
angebauter Pflanzen zu ersetzen. So dürfte es auf e<strong>in</strong>er Farm im Maisgürtel der<br />
USA genügen, etwa 10% der Landfläche mit Sonnenblumen zu bebauen, um den<br />
Betrieb unabhängig von Erdöl zu machen (der Futteranbau für Zugpferde machte<br />
früher 15% aus). Der Anbau von Ölpflanzen zur Treibstoffherstellung ist von der<br />
Energiebilanz aus betrachtet möglicherweise vorteilhafter als derjenige von<br />
Zucker- und Stärkepflanzen, deren Nutzung energieaufwendige Fermentations- und<br />
Destillationsanlagen erfordert. Stets aber muss sorgfältig geprüft werden, <strong>in</strong><br />
welchem Umfange Biomasse der Nahrungsproduktion der Gegend entzogen<br />
werden darf. E<strong>in</strong> Entscheid fällt dann leicht, wenn die Brennstoffproduktion auf<br />
Land ger<strong>in</strong>ger Qualität möglich ist und somit ke<strong>in</strong>e Konkurrenz für die<br />
Nahrungsproduktion entsteht.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 47<br />
Tab. 17 Nutzbare Abfälle aus Biomasse<br />
Quelle Art Produkte Anfall<br />
Landwirtschaft Ernterückstände Äthanol vorwiegend im Herbst<br />
Dünger<br />
Wärme<br />
Jauche, Mist Methan ganzjährig<br />
Forstwirtschaft R<strong>in</strong>de, Aste, Holzgas ganzjährig, vorwiegend<br />
Wurzelstöcke Alkohole im W<strong>in</strong>ter<br />
Wärme<br />
Haushalte Hauskehricht, Papier Äthanol ganzjährig<br />
Wärme<br />
Abwasser Methan<br />
Industrie<br />
Nahrungsmittel Verarbeitungsrückstände Äthanol vorwiegend im Herbst<br />
Abwässer von Milch-, Methan und z. T. ganzjährig, z.T.<br />
Fleisch- und Zucker- Äthanol saisonal<br />
rübenverarbeitung, von<br />
Konserven<strong>in</strong>dustrie<br />
Holzverarbeitung Abfälle, Sägemehl Holzgas ganzjährig<br />
Wärme<br />
Alkohole<br />
4.4. Abfälle aller Art als Quelle von Biomasse<br />
Neben land- oder forstwirtschaftlichen Kulturen bilden auch Abfälle<br />
verschiedenster Art e<strong>in</strong> schon jetzt zur Verfügung stehendes Potential an nutzbarer<br />
Bioenergie: Abfallbeseitigung ist <strong>in</strong> jeder Zivilisation unumgänglich. In unserer<br />
Industriegesellschaft werden Riesensummen und grosse Energiemengen<br />
aufgewendet, um der steigenden Abfallflut Herr zu werden. Umwandlung von<br />
Abfällen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e nutzbare Energieform ist e<strong>in</strong>e sich aufdrängende Alternative. In<br />
Tab. 17 s<strong>in</strong>d die <strong>in</strong> grossen Mengen anfallenden verwertbaren Abfälle klassiert.<br />
Nicht abbaubare Abfälle wie Glas und Metalle, evtl. auch Papier, sollen rezirkuliert<br />
werden.<br />
Zu den Forstrückständen zählen R<strong>in</strong>de, Äste, Zweige und Wurzelstöcke; bei<br />
der Holzverarbeitung fallen Sägemehl, Holzabschnitte, Schwarten usw. an.<br />
Fertigprodukte enthalten oft nur die Hälfte des Ausgangsmaterials. Auch die<br />
Rückstände im Wald, besonders die Wurzelstöcke, können e<strong>in</strong>en gleich grossen<br />
Energiegehalt aufweisen wie das zu Nutzung bereitgestellte Holz. Zusätzlich zu<br />
diesem Abfallholz muss noch dasjenige gerechnet werden, das bei uns<br />
normalerweise überhaupt nicht genutzt wird, wie Schlag- oder Fallholz, mit Pilz<br />
oder Insekten befallene Teile, Holz <strong>in</strong> Hecken usw.<br />
In der Landwirtschaft s<strong>in</strong>d es vor allem Ernterückstände aller Art, <strong>in</strong> unseren<br />
Breiten besonders das Getreidestroh [88, 125], das bisher als energiereiche<br />
Biomasse nicht oder kaum genutzt wurde. Bei der heutigen mechanisierten<br />
Landwirtschaft bleiben über 50% der Biomasse auf dem Feld: 0,4-12 t/ha stehen
48 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Abb. 26 Schematischer Fluss der verschiedenen Holzmaterialien im Produktions-, Verarbeitungsund<br />
Verwertungsablauf (aus [57]). - Die Energieproduktion aus Holz hängt mit dem gesamten<br />
Holzverwertungssystem zusammen. Nicht nur das traditionelle Brennholz, sondern auch alle bei der<br />
Holzverarbeitung anfallenden Abfälle und der grosse Anteil Nutzholz (Bau- und Möbelholz), letzterer<br />
nach Gebrauch (nach 10 bis 100 Jahren), können zur Energieproduktion e<strong>in</strong>gesetzt werden. Im<br />
traditionell nicht genutzten Holz (Wurzelstöcke, Fallholz, Hecken usw.) lieg noch e<strong>in</strong><br />
Energiepotential, das nicht unterschätzt werden darf.<br />
als Reserve zur Verfügung [100]. Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d die Grösse der Bodenerosion, die<br />
Struktur und Fruchtbarkeit des Bodens weitgehend davon abhängig, wie weit dem<br />
Boden je nach Lage, Niederschlägen, W<strong>in</strong>d usw. Restbiomasse zurückgegeben<br />
wird. In den USA mit <strong>in</strong> weiten Gebieten hoher Bodenerosion (Bodenverluste bis<br />
45 t/ha. Jahr) ist man <strong>in</strong> bezug auf die Strohverwertung eher pessimistisch, und die<br />
zusätzlich zur essbaren Biomasse «erntbaren» Biomasserückstände müssen für<br />
jedes e<strong>in</strong>zelne Feld bestimmt werden [85]. Bodenbeschaffenheit und Klima <strong>in</strong><br />
Europa dagegen erlauben eher e<strong>in</strong>e weitergehende
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 49<br />
Nutzung. In Frankreich, Deutschland und Dänemark werden ausgedehnte<br />
Nutzungsprojekte diskutiert.<br />
E<strong>in</strong> grosses Energiepotential liegt auch <strong>in</strong> den tierischen Abfällen. In Ländern<br />
der Dritten Welt wird Kuhdung getrocknet und verbrannt (<strong>in</strong> Indien ca. 70<br />
Millionen Tonnen jährlich). Dabei geht der grösste Teil der Düngewirkung<br />
(Stickstoff!) verloren. Beim anaeroben Abbau zu Methan dagegen wird e<strong>in</strong> grosser<br />
Teil der Energie zu Heizzwecken gewonnen, ohne dass die Rückstände an<br />
Düngewert verloren hätten (gutes C/N-Verhältnis, wenig pathogene Keime)! Diese<br />
Rückstände lassen sich sogar zu e<strong>in</strong>em prote<strong>in</strong>reichen Futterzusatz aufarbeiten. Die<br />
Nutzung der tierischen Abfälle durch anaeroben Abbau zu Methan - <strong>in</strong> Ländern der<br />
Dritten Welt schon bei wenigen Viehe<strong>in</strong>heiten wirtschaftlich - wird <strong>in</strong><br />
Industrieländern erst von e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en, aber wachsenden Zahl von Pionieren<br />
vorangetrieben. Für grosse Schwe<strong>in</strong>emästereien und Geflügelzuchten mit den<br />
gekoppelten Abfallproblemen dürfte der anaerobe Abbau der tierischen Abfälle<br />
e<strong>in</strong>e energetisch günstige Lösung br<strong>in</strong>gen.<br />
E<strong>in</strong>e weitere, heute nur teilweise genutzte Energiequelle s<strong>in</strong>d Haushaltabfälle,<br />
welche vorwiegend aus Papier (bis 40%) und anderen organischen Stoffen (bis<br />
50%, davon Nahrungsmittelabfälle bis 15%) bestehen [66]. Der Wassergehalt liegt<br />
bei 30-40%; dies ermöglicht e<strong>in</strong>e direkte Verbrennung mit Gew<strong>in</strong>nung von Wärme<br />
und Elektrizität [113]. In den USA hat der jährlich anfallende Kehricht (Haushalt<br />
und Industrie, 1974) e<strong>in</strong>en Energiegehalt von 6,2 x 1018 J, was etwa 8,5% des<br />
Gesamtenergieverbrauchs des Landes entspricht. Von Industrieabfällen s<strong>in</strong>d<br />
diejenigen der Nahrungsmittel<strong>in</strong>dustrie zu erwähnen (<strong>in</strong> der Schweiz besonders<br />
Zucker- und Konservenfabriken, ferner die Milch- und Obstaufarbeitung). Diese<br />
Abfälle haben alle e<strong>in</strong>en hohen Wassergehalt und können,<br />
Tab. 18 Energieaufwand für die Aufarbeitung von Stroh zu Futterzwecken für Wiederkäuer<br />
(nach [89])<br />
10 6 J/t<br />
Bilden und Sammeln der Strohballen 277<br />
Transport 112<br />
Behandlung: NaOH 2500<br />
Trocknung 490<br />
Futterwert des Produktes 8000<br />
Wegen des grossen Volumens von Stroh kommen zentrale Verarbeitungsstätten kaum <strong>in</strong> Frage.<br />
Die e<strong>in</strong>fachste Nutzung auf dem Hof liegt <strong>in</strong> der direkten Verbrennung, dafür s<strong>in</strong>d besondere Öfen<br />
schon entwickelt worden. E<strong>in</strong>e Vorbehandlung (Dampf, Lauge) schliesst die Lignozellulosekomplexe<br />
im Stroh auf, dieses wird damit zu e<strong>in</strong>em hochwertigen Futterzusatz für Wiederkäuer. Man beachte,<br />
dass die für die Aufwertung des Strohs notwendige Energie nur etwa 40% des späteren Futterwertes<br />
ausmacht.
50 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Tab. 19 Geschätzte Ausbeuten an potentieller Energie von landwirtschaftlichen Rückständen <strong>in</strong><br />
EWG-Ländern (<strong>in</strong> 10 6 t Öläquivalente) (aus [22])<br />
Getreide- tierische pflanzliche Total <strong>in</strong> t/ha land-<br />
Land rückstände Abfälle Abfälle wirtschaftlich<br />
(als Biogas) genutztes<br />
Land<br />
Belgien und<br />
Luxemburg 0,6 0,7 0,3 1,6 0,95<br />
Dänemark 2,2 0,9 0,1 3,2 1,10<br />
Frankreich 12,7 4,0 1,3 18,0 0,60<br />
Deutschland 7,4 3,4 0,9 11,7 0,95<br />
Holland 0,4 1,2 0,4 2,0 0,95<br />
Irland 0,5 0,9 0,1 1,5 0,30<br />
Italien 5,3 2,0 0,8 8,1 0,50<br />
Grossbritannien 4,4 2,3 0,5 7,2 0,45<br />
TOTAL 33,5 15,4 4,4 53,3 0,85<br />
sofern sie als Tierfutter nicht geeignet s<strong>in</strong>d, zur Biogasgew<strong>in</strong>nung e<strong>in</strong>gesetzt<br />
werden. Nachteilig wirkt sich aus, dass die Abfälle saisonal anfallen und die<br />
Umwandlungsanlage nur wenige Monate des Jahres im Betrieb stehen könnte, weil<br />
e<strong>in</strong>e Speicherung der Abfälle kaum wirtschaftlich wäre.<br />
Tab. 20 Durchschnittliche Zusammensetzung von Hausmüll (aus [66])<br />
a) Chemische Zusammensetzung b) Zusammensetzung nach Abfallgruppen<br />
Wasser 30 - 40% Papier, Karton 40%<br />
Organische Substanzen 40 - 45% Küchenreste 12%<br />
Anorganische Substanzen 20 - 25% Gläser, Ste<strong>in</strong>e, Keramik 12%<br />
Metalle 6%<br />
Holz 4%<br />
Plastik 4%<br />
Textilien 4%<br />
Gummi, Leder 2%<br />
andere 16%<br />
Der Energiegehalt von frischem Hausmüll liegt bei 8 MJ/kg. In Industrieländern rechnet man<br />
mit e<strong>in</strong>em Anfall von 1-2 kg pro Kopf und Tag. Verbrennung mit Elektrizitätserzeugung sche<strong>in</strong>t erst<br />
von e<strong>in</strong>er gewissen Anlagegrösse an wirtschaftlich (ca. 200 t/Tag). Andere Möglichkeiten s<strong>in</strong>d die<br />
Kompostierung (ke<strong>in</strong>e Energierückgew<strong>in</strong>nung) und die anaerobe Deponie. Bei letzterer kann durch<br />
die Verwertung des Methans Energie wirtschaftlich nutzbar gemacht werden. Im Gegensatz zu den<br />
Abfällen aus Land- und Forstwirtschaft müssen die häuslichen Abfälle e<strong>in</strong>gesammelt werden;<br />
Energieaufwand und Kosten für E<strong>in</strong>sammeln und Transport können damit nicht dem<br />
Energiegew<strong>in</strong>nungssystem angelastet werden.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 51<br />
Abb. 27 Abwasserre<strong>in</strong>igung und Methanproduktion durch e<strong>in</strong>e Algen-Bakterien-Mischpopulation mit<br />
Sonnenenergie (aus [80]). - Organische Abfälle werden durch Bakterien zu CO2, NH3, Phosphat und<br />
andere Stoffe zersetzt. Diese Abbauprodukte dienen den Algen als Wachstumssubstrate, um daraus<br />
im Licht Biomasse und den für den Abbau notwendigen Sauerstoff zu produzieren. Die<br />
sedimentierbaren Stoffe des Abwassers, Bakterien und Algen, können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er zweiten, anaeroben<br />
Stufe mit hoher Ausbeute zu Methan umgesetzt oder als Tierfutter verwendet werden. Um e<strong>in</strong>e<br />
effiziente Absorption des Sonnenlichtes zu gewährleisten, sollte die Beckentiefe 60 cm nicht<br />
überschreiten.<br />
4.5. Produktion von Algen und Wasserpflanzen mit Abwasser<br />
Die erzielbaren Ausbeuten an Biomasse s<strong>in</strong>d für Algen und höhere<br />
Wasserpflanzen bei guter Düngung im Vergleich zu Landpflanzen gross. Der hohe<br />
Wassergehalt der Biomasse von über 95% erlaubt ke<strong>in</strong>e direkte Verbrennung.<br />
Dagegen kann diese Biomasse gut durch anaeroben Abbau zu Methan, Dünger und<br />
evtl. Futter umgewandelt werden. In kalifornischen Grossanlagen zur<br />
Abwasserre<strong>in</strong>igung, sogenannten Oxidationsteichen, werden Algen zusammen mit<br />
aeroben und anaeroben Bakterien gezogen. Bei niederen Landpreisen kommen Bau<br />
und Betrieb solcher Anlagen wesentlich günstiger zu stehen als die konventionelle<br />
Abwasserre<strong>in</strong>igung [11, 39, 78, 79].<br />
Die grössten bisher gebauten Becken haben e<strong>in</strong>en Inhalt von bis zu 1 000 000<br />
m 3 . Die photosynthetische Ausbeute lag, mit Ausnahme seltener W<strong>in</strong>termonate,<br />
zwischen 0,6 und 1,7%. Variable Ausbeuten s<strong>in</strong>d nicht nur durch Licht,<br />
Temperatur und sich veränderndes Abwasser bed<strong>in</strong>gt, sondern auch durch die sich<br />
ändernde Algenpopulation. Letztere kann <strong>in</strong> den grossen, offenen Teichen nicht<br />
konstant gehalten werden. Dies bee<strong>in</strong>flusst auch die Technik der Ernte; während<br />
fädige Blaualgen leicht verklumpen und sedimentieren, s<strong>in</strong>d kle<strong>in</strong>e, kugelige<br />
Zellen nur mit grossem Aufwand vom Medium abzutrennen. E<strong>in</strong>e Energiebilanz<br />
weist noch grosse Unsicherheiten auf (es ist zurzeit noch offen, ob solche Anlagen<br />
je wesentlich zur Energieversorgung e<strong>in</strong>er Region etwas beitragen können).
52 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Das energieaufwendige Separieren der mikroskopischen Algen vom Substrat kann<br />
umgangen werden, <strong>in</strong>dem die Zellsuspension <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Teich mit Austern und<br />
Muscheln geleitet wird, <strong>in</strong> welchem die Mikroorganismen <strong>in</strong> tierisches Prote<strong>in</strong><br />
umgewandelt werden [92].<br />
Neben Algen nehmen auch höhere Wasserpflanzen (Wasserhyaz<strong>in</strong>then,<br />
Wasserl<strong>in</strong>sen) effizient Nährstoffe aus Abwasser auf. Wasserhyaz<strong>in</strong>then vermehren<br />
sich bei warmer Witterung um 15% der Wasseroberfläche pro Tag; somit können<br />
20-40 t frische Pflanzen/ha und Tag geerntet werden. Gleichzeitig wird Stickstoff<br />
von 2000 und Phosphor von 800 Personen oder E<strong>in</strong>wohnergleichwerten dem<br />
Wasser entzogen. Ähnliche Resultate wurden auch mit Wasserl<strong>in</strong>sen erhalten.<br />
Gegenüber der Wasserhyaz<strong>in</strong>the haben Wasserl<strong>in</strong>sen den Vorteil der leichteren<br />
Ernte; ferner enthalten sie weniger Faserstoffe und können Fischen, Enten und<br />
Schwe<strong>in</strong>en als prote<strong>in</strong>reiches Futter verabreicht werden [1].<br />
4.6.Umwandlung von Biomasse <strong>in</strong> hochwertige Energieformen [40, 63, 126]<br />
Bei der Umwandlung von Biomasse <strong>in</strong> andere Energieträger s<strong>in</strong>d zwei<br />
Technologien zu unterscheiden: thermochemische und biochemische<br />
Umwandlungen.<br />
Bei den thermochemischen Umwandlungen ist die direkte Verbrennung die<br />
älteste und immer noch häufigste Methode (Wohnraumbeheizung, <strong>in</strong>dustrielle<br />
Dampf- und Elektrizitätserzeugung) [104, 119]. Nach Austreiben der<br />
Restfeuchtigkeit und Erhitzen auf ca. 600 0C zersetzt sich das organische Material<br />
<strong>in</strong> brennbare Gase, Destillationsprodukte und Kohle und oxidiert bei der<br />
Verbrennung hauptsächlich zu CO2 und H2O. Nur bei unvollständiger Verbrennung<br />
entstehen Rauch und Russ, was zu Umweltbelastungen führen kann. Holz,<br />
Holzabfälle und Kehricht werden häufig durch direkte Verbrennung genutzt.<br />
Durch Vergasung von Holz bei hoher Temperatur <strong>in</strong> Gegenwart ger<strong>in</strong>ger<br />
Mengen von Sauerstoff wird e<strong>in</strong> gasförmiges Brennstoffgemisch (hauptsächlich H2<br />
und CO) gebildet [125]. Dieses Verfahren, das während des Krieges für den<br />
Tab. 21 Spezifischer Reizwert e<strong>in</strong>iger Brennstoffe aus Biomasse (MJ/kg) (aus [66]).<br />
Spezifischer Heizwert<br />
trocken frisch<br />
Holz 19-21 6-8<br />
Stroh 16 11-16<br />
Hausmüll 11-16 5-8<br />
Faulschlamm 6,5 0<br />
Papierabfälle 17 -<br />
Laub 18 -<br />
Heizöl als Vergleich 43 -
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 53<br />
Betrieb von Lastwagen populär war, wird heute wieder für Dieseltraktoren <strong>in</strong><br />
Betracht gezogen (Eidgenössische Forschungsanstalt, Tänikon).<br />
Durch Pyrolyse wird Biomasse bei niedrigerer Temperatur als bei der<br />
Vergasung <strong>in</strong> teer- und ölartige Brennstoffe und Gase (H2 + CO) zersetzt. Im<br />
Vergleich zu den biochemischen Umwandlungsprozessen s<strong>in</strong>d Vergasung und<br />
Pyrolyse rasche Reaktionen, die nur kle<strong>in</strong>e Anlagen benötigen für die<br />
Umwandlung verschiedenster, aber relativ trockener Formen von Biomasse <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>zelnes oder mehrere energiereiche Produkte. Zu den biochemischen<br />
Umwandlungsprozessen zählen die erst <strong>in</strong> letzter Zeit grosstechnisch wieder<br />
wichtig gewordenen Fermentationen zu Äthanol und Methan (Biogas).<br />
4.6.1. Umwandlung zu Äthanol<br />
Die Herstellung von Äthanol aus vergärbaren Zuckern zählt zu den ältesten<br />
vom Menschen genutzten biochemischen Prozessen. Ausgangsmaterialien s<strong>in</strong>d<br />
lösliche Zucker (Traubenzucker, Rohrzucker) oder Stärke (rohe Melasse,<br />
Kartoffeln, Maissirup), d.h. Ressourcen, die an sich e<strong>in</strong>en hohen Futter- oder<br />
Nahrungswert besitzen und damit zum Konflikt Nahrung oder Brennstoff<br />
beitragen.<br />
Bilanz der alkoholischen Gärung für Glucose:<br />
Summenformeln: C6H12O6 2 C2H5OH + 2 CO2<br />
Formelgewichte: 180 g 92 g + 88 g<br />
Energiegehalt pro Mol 2826 kJ 2750 kJ<br />
1kg 0,651=0,51kg<br />
Theoretisch entstehen also aus 1 kg Zucker 0,65 1 re<strong>in</strong>er Äthanol, der noch 97%<br />
(2750/2826 kJ) der im Zucker vorhandenen Energie enthält. In der Praxis liegt die<br />
energetische Ausbeute bei 90-95%, da neben Äthanol noch andere Produkte wie<br />
etwa Glycer<strong>in</strong> entstehen.<br />
Bei der Zuckerrohrverwertung wird das Pflanzenmaterial mechanisch<br />
aufgeschlossen, mit Dampf extrahiert und die entstandene Zuckerlösung (10-12%)<br />
vergoren. Stärkehaltige Substrate müssen vor der Vergärung <strong>in</strong> lösliche Zucker<br />
Tab. 22 Veränderung der Nährstoffzusammensetzung von Maisfutter durch alkoholische Gärung<br />
und Destillation (<strong>in</strong> % nach Trocknung) (nach [87])<br />
vor nach<br />
Gärung Destillation<br />
Restfeuchtigkeit 11 8<br />
Prote<strong>in</strong> 10 29,5<br />
Faserstoffe 2,2 12,8<br />
Fette 3,5 8,0<br />
Phosphat 0,32 0,95
54 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
zerlegt werden: für die Herstellung von Tr<strong>in</strong>kalkohol erfolgt die Stärkespaltung<br />
enzymatisch; für die Brennstoffproduktion wird auch die Säurehydrolyse<br />
angewendet. Der Eiweissgehalt (10-12% des Trockengewichtes) von Getreide<br />
bleibt während der Vergärung erhalten. So entsteht als Nebenprodukt e<strong>in</strong><br />
hochwertiges Futterkonzentrat.<br />
Von besonderem Interesse ist die Alkoholgew<strong>in</strong>nung aus zellulosehaltigen<br />
Rohstoffen. Verfahren dazu wurden bereits während des Zweiten Weltkrieges<br />
entwickelt. Der Aufschluss (Hydrolyse der Zellulose) erfolgt chemisch, mit Säure<br />
oder Lauge, unter erhöhtem Druck und hoher Temperatur. Heute noch im Betrieb<br />
stehende Anlagen zeigen, dass die Verfahrenskosten für die Treibstoffherstellung<br />
zu hoch s<strong>in</strong>d. Die Möglichkeit des E<strong>in</strong>satzes von zellulose-spaltenden Pilzen<br />
(besonders Trichoderma viride) wird <strong>in</strong> verschiedenen Laboratorien untersucht,<br />
doch ist noch ke<strong>in</strong> grosstechnisch brauchbares, kont<strong>in</strong>uierliches Verfahren<br />
entwickelt worden. Neuerd<strong>in</strong>gs wurde e<strong>in</strong> vielversprechendes physikalisch-<br />
chemisches Aufschlussverfahren publiziert, durch welches Zellulose kont<strong>in</strong>uierlich<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Glucose-Sirup (60%) umgewandelt wird; Anlagen mit e<strong>in</strong>er Kapazität von<br />
135 t/Tag s<strong>in</strong>d im Bau [2].<br />
Die zu vergärende Lösung wird nach Pasteurisation (falls notwendig) mit Hefe<br />
versetzt (1-2,5 kg/1000 1) und die Gärung nach 50-70 h abgebrochen. Die<br />
Destillation bei 78 0C ergibt e<strong>in</strong> Alkohol-Wasser-Gemisch mit 95% Äthanol.<br />
Neuerd<strong>in</strong>gs werden auch thermophile Stämme von Clostridien untersucht, die<br />
Zellulose bei Temperaturen von 60-70 zu solubilisieren vermögen und direkt zu<br />
Äthanol vergären [112].<br />
Durch die Verteuerung des Erdöls ist besonders <strong>in</strong> den USA das Interesse für<br />
Äthanol als Treibstoff geweckt worden. Im Maisgürtel wird bereits Gasohol<br />
produziert und verkauft, e<strong>in</strong> Motorentreibstoff aus 90% Benz<strong>in</strong> und 10% Äthanol.<br />
Bis 1981 sollen <strong>in</strong> den USA jährlich 2 x 10 9 1 Äthanol als Treibstoff hergestellt<br />
werden. Zusatz von Äthanol erhöht die Oktanzahl; damit kann der Bleigehalt des<br />
Treibstoffes reduziert werden. Trotz des ger<strong>in</strong>geren Energiegehaltes von Gasohol<br />
gegenüber Benz<strong>in</strong> liegen die Verbrauchswerte wegen der besseren Verbrennung<br />
tiefer. Der Staat unterstützt die Bauern durch Herausgabe genauer Beschreibungen<br />
der technischen und wirtschaftlichen Aspekte des Prozesses. In erster L<strong>in</strong>ie sollen<br />
so die Farmer selbst erdölunabhängig gemacht werden [3].<br />
Neben der zum Zwecke der Alkoholgew<strong>in</strong>nung eigens <strong>in</strong> Energiepflanzungen<br />
gewonnenen Biomasse dürften verschiedene Abfälle für die Vergärung zu Äthanol<br />
<strong>in</strong>teressant se<strong>in</strong>. Sulfitablaugen der Zellulose<strong>in</strong>dustrie enthalten, bezogen auf das<br />
Trockengewicht, ca. 20% vergärbare Zucker, die genutzt werden können. Der<br />
Anfall an Abwässern e<strong>in</strong>er deutschen Zuckerrübenfabrik beläuft sich <strong>in</strong> den<br />
Monaten Oktober bis Dezember auf 7000 m 3 /Tag. In der Zuckerfabrik Frauenfeld<br />
fallen <strong>in</strong> den Herbstmonaten täglich 500-600 m 3 hochbelastete Abwässer an, ferner<br />
25-30 t Biomasse <strong>in</strong> Form von Blättern und Rübenbruchstücken und grosse<br />
Mengen an zuckerhaltiger Rübenerde. Auch bei der
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 55<br />
Abb. 28 Schematische Darstellung der Energiebilanz der Alkoholproduktion aus Biomasse (nach<br />
[111]). - Mit e<strong>in</strong>em Kulturaufwand von 1 l Treibstoff können mit heutigen Technologien 2,3-2,5 1<br />
Äthanol (1,5-1,7 1 Treibstoffäquivalent) hergestellt werden. Es ist offensichtlich, dass durch jede<br />
Reduktion des Energieaufwandes für die landwirtschaftliche Produktion e<strong>in</strong>e Verbesserung der<br />
Ausbeute resultiert, ähnlich wie dies bei der Nahrungsmittelproduktion gezeigt worden ist. Solche<br />
Verbesserungen s<strong>in</strong>d möglich durch bessere Sortenwahl, Verzicht auf Trocknen der Körner,<br />
Verwendung von Überschussernten und Ernten m<strong>in</strong>derer Qualität auf landwirtschaftlicher Seite,<br />
verbesserte Fermentations- und Destillationstechnologie oder Nutzung von Abwärme von andern<br />
Prozessen auf der Stufe der Umwandlung der Biomasse <strong>in</strong> Alkohol wie auch durch zusätzliche<br />
Nutzung aller andern beim Prozess anfallenden Produkte.<br />
Stärkeherstellung ergeben sich kohlenhydratreiche Abwässer; diese wurden bisher<br />
z.T. unter hohem Energieaufwand e<strong>in</strong>gedickt und als Futtermittel verwendet.<br />
Im Zusammenhang mit der wachsenden Popularität des Gasohol <strong>in</strong> den USA<br />
wurde e<strong>in</strong>e genaue Aufwand/Ertrags-Rechnung für Alkohol aus Mais erstellt [21,<br />
26, 111]. Die Energiebilanz ist nicht <strong>in</strong> jedem Fall positiv. Wenn der ganze Betrieb<br />
der Farm, die Verarbeitung der Maiskörner zu Äthanol und der<br />
Destillationsprozess nach heutigen Technologien mit Erdöl betrieben werden, hat<br />
das resultierende Äthanol e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>geren Energiegehalt als das verbrauchte<br />
Erdöl. Wenn aber anderseits der Wert der als Futter verwertbaren Nebenprodukte<br />
mit berücksichtigt wird und die Prozessenergie durch die Verbrennung der festen<br />
Rückstände gedeckt werden kann, wird die Energiebilanz positiv. Schematisch ist<br />
der Energiefluss <strong>in</strong> Abb. 28 dargestellt.<br />
Günstiger als für Mais <strong>in</strong> den USA liegen die Verhältnisse für Zuckerrohr und<br />
Süsshirse <strong>in</strong> Brasilien; mit Zuckerrohr kann <strong>in</strong> Äthanol das 2,4fache, mit Süsshirse<br />
das Zweifache der e<strong>in</strong>gesetzten Energie gewonnen werden.
56 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
4.6.2. Der anaerobe Abbau zu Methan [65, 76, 119]<br />
Der anaerobe Abbau von organischem Material ist Teil des natürlichen<br />
Energieflusses. Er kommt <strong>in</strong> verschiedenen anaeroben Ökosystemen vor, z.B. <strong>in</strong><br />
Böden und Gewässersedimenten, im Pansen und Darmtrakt von Tieren wie auch <strong>in</strong><br />
Jauchegruben, Miststöcken, im Faulturm der Kläranlagen und <strong>in</strong> Abfalldeponien.<br />
Aus zwei Gründen besteht heute wachsendes Interesse für die anaeroben<br />
Abbauvorgänge, e<strong>in</strong>erseits s<strong>in</strong>d es die Probleme der Abfallbeseitigung (im<br />
anaeroben Abbau erfolgt e<strong>in</strong>e viel grössere Volumenverm<strong>in</strong>derung der Biomasse<br />
als <strong>in</strong> aeroben Systemen), anderseits die mögliche Energienutzung (im Methan<br />
Abb. 29 Biochemische Sequenz der Methanbildung aus Biomasse. - Im Gegensatz zum vollständigen<br />
aeroben Abbau zu CO2 und H2O gibt es ke<strong>in</strong>e Organismen, die alle<strong>in</strong> den anaeroben Abbau von<br />
Biopolymeren, z. B. Stärke, zu CH4, CO2 und H2O, zu leisten vermögen; die komplexe<br />
Reaktionsfolge des Abbaus erfordert e<strong>in</strong>e komplexe Organismenfolge. E<strong>in</strong> vollständiger anaerober<br />
Abbau ist daher nur mit e<strong>in</strong>er Mischpopulation möglich. E<strong>in</strong>e erste Mikroorganismengruppe baut<br />
Biomasse zu e<strong>in</strong>fachen organischen Säuren wie Acetat oder Propionat, e<strong>in</strong>e andere diese zu CO2 und<br />
H2 ab. Aus diesen Substraten synthetisieren die eigentlichen methanogenen Bakterien schliesslich<br />
Methan. Weitere Bakteriengruppen wirken für Zwischenprodukte konkurrenzierend, so dass für e<strong>in</strong>e<br />
aktive Methanbildung e<strong>in</strong> genaues Zusammenwirken der verschiedenen Bakteriengruppen (z. B. <strong>in</strong><br />
Organismenkonzentration, Generationszeit) notwendig ist. Es erstaunt daher nicht, dass dieses System<br />
besonders empf<strong>in</strong>dlich ist auf Störungen von aussen (Änderungen des pH, der Temperatur, der<br />
Zusammensetzung und Menge des Zuflusses). Biotechnologisch können noch nicht alle Parameter<br />
zufriedenstellend geregelt werden.<br />
bleiben 80% der <strong>in</strong> der Biomasse enthaltenen Energie erhalten). - Die theoretische<br />
Gasausbeute aus Kohlenhydraten beträgt bei Normalbed<strong>in</strong>gungen 415 ℓ CH4 pro kg<br />
Ausgangsmaterial, Fette und Prote<strong>in</strong>e geben höhere Gasausbeuten.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 57<br />
Abb. 30 K<strong>in</strong>etik der Methanbildung aus Kohlenhydraten und Eiweissen. Deutlich wird dabei, dass das<br />
Substrat durch die hydrolytischen Mikroorganismen rasch angegriffen wird und sich organische<br />
Säuren akkumulieren. Erst nach 7-10 Tagen beg<strong>in</strong>nt die Methanproduktion als letzter Schritt des<br />
anaeroben Abbaus (das freigesetzte Methan ist im halben Massstab gezeichnet).<br />
Tab. 23 Zusammensetzung von Biogas<br />
Biogas<br />
Gas Volumenanteil<br />
CH4 61%<br />
CO2 38%<br />
H2O 1%<br />
H2S 10-l0 000 ppm<br />
versch. Verunre<strong>in</strong>igungen<br />
1-2500 ppm<br />
Biogas ist e<strong>in</strong> niederwertiges Heizgas, kann aber durch Re<strong>in</strong>igung (Methangehalt grösser als<br />
98%) veredelt werden.
58 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Zwei Typen von Fermentationsbehältern [55] s<strong>in</strong>d heute gebräuchlich,<br />
e<strong>in</strong>erseits diejenigen e<strong>in</strong>facher Technologie, wie sie <strong>in</strong> Biogasanlagen <strong>in</strong> Indien,<br />
Ch<strong>in</strong>a [97-99], aber auch bei Selbstbau <strong>in</strong> der Landwirtschaft der Industrieländer<br />
[32] verbreitet s<strong>in</strong>d, anderseits die von Industriefermentoren abgeleiteten<br />
Rührkessel, wie sie von der Verfahrenstechnik etwa für Schlammstabilisierung und<br />
Biogasgew<strong>in</strong>nung angeboten werden.<br />
Fermentationskessel mit homogener Durchmischung des Inhaltes s<strong>in</strong>d für die<br />
Biogasgew<strong>in</strong>nung <strong>in</strong> der Landwirtschaft wegen des notwendigen hohen<br />
Betriebsaufwandes wenig wirtschaftlich und werden kaum grosse Verbreitung<br />
f<strong>in</strong>den. In neuster Zeit wurde für verdünnte Abwässer e<strong>in</strong> als anaerobes<br />
Organismenfilter wirkendes System verwirklicht, <strong>in</strong> welchem die biologische<br />
Retentionszeit durch festsitzende Organismen hochgehalten wird, die hydraulische<br />
dagegen nur wenige Stunden beträgt. Das organische Material hochbelasteter<br />
Abwässer der Nahrungsmittel<strong>in</strong>dustrie liess sich so unter Energiefreisetzung als<br />
Biogas auf 5-10% reduzieren.<br />
Abb. 31 Schema e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dischen Biogasanlage (a) und Bild e<strong>in</strong>er Anlage <strong>in</strong> der Schweiz (b) (Photo<br />
Projekt Biogas, ETHZ). Die <strong>in</strong>dische Biogasanlage arbeitet kont<strong>in</strong>uierlich und hat je nach Tierzahl (2<br />
Kühe/m3) etwa 2-30 m3 Inhalt. Das Gefäss ist aus Backste<strong>in</strong> und der Gasbehälter aus Stahl. Heizung<br />
und Rührung fehlen. Die Retentionszeit liegt bei 50-60 Tagen, und es können ca. 450-900 1 Gas/m3<br />
Volumen täglich erwartet werden. In Indien s<strong>in</strong>d um 100 000, <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a 7 Millionen solcher<br />
Kle<strong>in</strong>anlagen <strong>in</strong> Betrieb, während <strong>in</strong> der Schweiz bis anfangs 1980 53 Biogasanlagen <strong>in</strong><br />
Landwirtschaftsbetrieben gebaut worden s<strong>in</strong>d.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 59<br />
Tab. 24 Spezifische Produktion und Zusammensetzung von Biogas (30 Tage)<br />
ℓ Gas/<br />
kgTS %CH4<br />
1) R<strong>in</strong>derjauche 342 76<br />
2) Schwe<strong>in</strong>ejauche 415 81<br />
3) Stroh roh 367 79<br />
4) Stroh, gemahlen 423 81<br />
5) Gras 557 84<br />
6) Maisstengel 514 83<br />
7) Kartoffelkraut 606 75<br />
8) Abwasser 265 -<br />
1)+8) gemischt 407 -<br />
Die Gasproduktion pro kg Abfall hängt stark von dessen Zusammensetzung (besonders dem<br />
C/N-Verhältnis) wie auch von der Leichtigkeit, mit der dieser abgebaut wird, ab. Gemische zweier<br />
Abfallsubstrate (Beispiel 1 + 8) können damit oft bessere Ausbeuten ergeben als die e<strong>in</strong>zelnen<br />
Abfalltypen (TS = Trockensubstanz).<br />
Der Rückstand nach der Methangärung enthält nichtabgebautes Material der<br />
ursprünglichen Biomasse und Mikroorganismen. Im Gegensatz zum aeroben<br />
Abbau bleibt der Rückstand reicher an Stickstoffverb<strong>in</strong>dungen; er ist deshalb e<strong>in</strong><br />
hochwertiger Dünger und Bodenverbesserer. Anderseits hat das getrocknete<br />
Material auch e<strong>in</strong>en hohen Futterwert; durch den Abbauvorgang<br />
Tab. 25 Für Methanproduktion genutzte Kehrichtdeponien (nach [65])<br />
<strong>in</strong> Betrieb Produk<br />
seit tion <strong>in</strong><br />
10 3 m 3 /<br />
Tag<br />
Azuza, Calif. 1978 21,3<br />
City of Industry, Calif. 1978 19,9<br />
Los Angeles, Calif. 1979 73,8<br />
Monterey Park, Calif. 1979 113,5<br />
Monta<strong>in</strong> View, Calif. 1978 19,9<br />
Newark, N.J. 1979 8,5<br />
Palos Verdes, Calif. 1975 21,3<br />
Watson, Calif. 1978 42,6<br />
Die Deponie von Palos Verdes hat z.B. e<strong>in</strong>e Grösse von ca. 1 km², und täglich<br />
werden dort 3000-4000 t Abfälle abgelagert. Die Endgrösse der Deponie ist auf<br />
20.10 6 t geplant. Wegen Pflanzenschäden und Explosionsgefahr wurde früher auf<br />
der seit 1957 benutzten Deponie das gebildete Gas abgepumpt und abgefakkelt.<br />
Seit 1975 wird das austretende Gas gere<strong>in</strong>igt. In den letzten Jahren konnten täglich<br />
20 000 m 3 Re<strong>in</strong>methan an das örtliche Gasnetz abgegeben werden. Für die<br />
ausgebaute Deponie wird geschätzt, dass dieser während 15-30 Jahren täglich bis<br />
300000 m 3 Rohgas entnommen werden können.
60 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
wurden zellulosehaltige Stoffe <strong>in</strong> besser verdauliche Formen umgewandelt. Der<br />
Stickstoff liegt <strong>in</strong> Form von Prote<strong>in</strong>en vor. Wenn <strong>in</strong> R<strong>in</strong>derfutter herkömmliche<br />
Komponenten (Gerste, Alfalfa, Maissilage, Stroh) im Ausmasse von 6-20% durch<br />
Rückstände der Methanfermentation ersetzt wurden, ergaben sich gleiche<br />
Gewichtszunahmen bei Mastvieh.<br />
In den USA s<strong>in</strong>d heute Biogasanlagen jeder Grösse <strong>in</strong> Betrieb. Um<br />
wirtschaftlich zu se<strong>in</strong>, wird bei uns mit e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>destgrösse von 25 R<strong>in</strong>dern<br />
gerechnet. Die grössten Anlagen bauen die Abfälle von R<strong>in</strong>dermasten mit 50 000-<br />
100 000 Tieren zu Biogas ab. Sie produzieren pro Tag 30 000 bis 50 000 m 3 Gas.<br />
Ähnlich wie mit Abwasser oder Jauche bildet sich auch aus Hauskehricht unter<br />
anaeroben Bed<strong>in</strong>gungen Methan. Kont<strong>in</strong>uierliche Feststoff-Fermentoren s<strong>in</strong>d erst<br />
<strong>in</strong> Entwicklung, dagegen stellt jede abgeschlossene Kehrichtdeponie e<strong>in</strong>en<br />
«natürlichen» Feststoff-Fermentor dar. In den USA werden e<strong>in</strong>e ganze Anzahl<br />
Mülldeponien zur Gaserzeugung genutzt.<br />
Die Gasausbeute ist bei den heutigen Deponiegewohnheiten bei weitem nicht<br />
optimal. So enthält der Kehricht u. U. toxische und nicht abbaubare Stoffe, oder die<br />
Deponie als Fermentor ist ungenügend abgedichtet. Trotzdem ist die Nutzung<br />
lohnend und auch <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren Anlagen möglich.<br />
In der Schweiz wird z. B. Hausmüll der Region Lugano versuchsweise<br />
deponiert und daraus Methan gewonnen. Bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>zugsgebiet von ca. 100 000<br />
E<strong>in</strong>wohnern wird mit e<strong>in</strong>er täglichen Müllmenge von 75 000 kg gerechnet, woraus<br />
ca. 3000 m 3 Methan gewonnen werden könnten. Aus Probebohrungen auf e<strong>in</strong>er<br />
Fläche von 1000 m² wurden bis jetzt täglich 40-60 m 3 Biogas abgesaugt und zur<br />
Warmwasserproduktion verbrannt. Auch Versuche mit Verbrennungsmotoren<br />
waren erfolgreich, allerd<strong>in</strong>gs darf die Gaszusammensetzung wenig variieren, sonst<br />
werden Vergaser- und Zündungsanpassung nötig [37].<br />
Abb. 32 Schema der Nutzung e<strong>in</strong>er Kehrichtdeponie zur Methangew<strong>in</strong>nung. Erdabdeckung und<br />
Lehmschichten verh<strong>in</strong>dern unkontrollierte Gasverluste. Das Gas wird abgepumpt und kann als Gas<br />
niederen Energiegehaltes direkt verbrannt oder nach e<strong>in</strong>er Re<strong>in</strong>igung <strong>in</strong> das örtliche Gasnetz<br />
e<strong>in</strong>gespeist werden.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 61<br />
Tab. 26 Geschätzte Kosten für Treibstoffe und Elektrizität aus Biomasse im Vergleich zur<br />
konventionellen Herstellung (aus [45])<br />
Kosten (Fr. pro l0 9 J, resp. pro kWh) Biomasse/<br />
konventionell aus Biomasse konventionell<br />
Methanol 14 l4-26 1,0-1,9<br />
Äthanol 32 25-60 0,8-1,9<br />
Heizgas 5-8 8-12 1,0-2,4<br />
Heizöl 5 6-13 1,2-2,6<br />
Elektrizität 0,15-0,10 0,05-0,25 0,5-5<br />
4.7. Kosten der Biotreibstoffe<br />
Die Kosten von Treibstoffen, die aus Biomasse gewonnen wurden, s<strong>in</strong>d nicht<br />
e<strong>in</strong>fach zu ermitteln und variieren stark. Bei Energieplantagen s<strong>in</strong>d die Rohmaterialkosten<br />
durch den erzielten Ertrag und die verschiedenen Aufwendungen<br />
bestimmt; diese s<strong>in</strong>d von Jahr zu Jahr und lokal sehr verschieden. Die Umwandlungskosten<br />
werden durch die angewendeten Verfahren und vor allem auch durch<br />
die Anlagegrösse festgelegt. Aus gegen 40 E<strong>in</strong>zeluntersuchungen für die Äthanolproduktion<br />
aus Zuckerrohr, Melasse, Zuckerrübe, Maniok, Mais, Weizen und Holz<br />
wurde e<strong>in</strong>e Bandbreite von etwa 15-50 ¢/ℓ Treibstoff errechnet. Im Vergleich zu<br />
den heutigen Kosten für Treibstoffe fossiler Herkunft liegen die aus Biomasse<br />
hergestellten zwischen dem 0,5- und 4,5-fachen Betrag.<br />
4.8 Biomasse als Rohstoff für die Industrie [24, 61]<br />
Auch nachdem Holz für die Wärmeerzeugung durch die fossilen Brennstoffe<br />
Kohle, Öl und Gas praktisch verdrängt worden war, blieb Biomasse für gewisse<br />
wenige herkömmliche Industriezweige (z.B. Papier und Faserstoffe) wichtiger<br />
Rohstofflieferant. Im Bauwesen hat sich Holz m<strong>in</strong>destens teilweise halten können.<br />
Die Entwicklung der chemischen Industrie erfolgte <strong>in</strong> diesem Jahrhundert aber<br />
ausschliesslich auf der Basis von Kohle und Öl, und diese billigen Quellen<br />
verh<strong>in</strong>derten e<strong>in</strong>e sorgfältige Abklärung des Potentials der Biomasse bezüglich<br />
se<strong>in</strong>er Bedeutung als Rohstoff der Chemie. Die Verknappung der fossilen<br />
Grundstoffe zw<strong>in</strong>gt zur Überlegung, wieweit Biomasse hier an Stelle der fossilen<br />
Energieträger treten kann.<br />
Neben besonderen von der Pflanze produzierten Stoffen müsste das<br />
Hauptassimilationsprodukt, die Zellulose, das grösste Interesse wecken [19]. Es<br />
dürfte für die heutige Grundlagenforschung <strong>in</strong> der Chemie e<strong>in</strong>e besondere<br />
Herausforder-
62 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Abb. 33 Zuckerrohr als Beispiel für Biomasse als Rohstoffquelle für e<strong>in</strong>e vielseitige Nutzung <strong>in</strong> der<br />
Chemie (nach [19]). - Für Zuckerrohr s<strong>in</strong>d die wesentlichsten Verwendungsmöglichkeiten aufgezeigt.<br />
Hauptweg ist die alkoholische Gärung; aus Äthanol lässt sich, wie auch aus Erdölderivaten, Äthylen<br />
oder Äthylenchlorid als wichtigsten Grundstoff synthetisieren. Nebenprodukte verschiedenster Art<br />
können über andere Gärungen erhalten werden, wie auch andere mikrobielle Produkte (Vitam<strong>in</strong>e,<br />
Prote<strong>in</strong>e, Antibiotika, Enzyme usw.) durch biologische Verfahren produziert werden können.<br />
Anderseits ist es auch möglich, direkt von den Hexosezuckern aus zu verschiedensten heute aus Öl<br />
produzierten Chemikalien zu gelangen, wie etwa Polyurethane, Polyester oder Polyamide.<br />
rung se<strong>in</strong>, Wege zu f<strong>in</strong>den, um die vielen heute gebräuchlichen chemischen Stoffe<br />
aus erneuerbarer Biomasse herstellen zu können oder auf diesen Grundlagen neue<br />
Stoffe mit den gewünschten Eigenschaften zu produzieren.<br />
Ökonomische Betrachtungen lassen verschiedene pflanzliche Kulturen für e<strong>in</strong>e<br />
energetische Nutzung als unwirtschaftlich ersche<strong>in</strong>en, sei es, dass der<br />
Flächenertrag zu ger<strong>in</strong>g oder die benötigte Landfläche zu gross wird. Die gleiche<br />
Kultur kann aber als Rohstoffgrundlage für die Chemie ihre Berechtigung haben<br />
[93].<br />
Die Nutzung von Biomasse für die Produktion von Treibstoffen führt<br />
möglicherweise zu e<strong>in</strong>er Anzahl kle<strong>in</strong>erer dezentraler Umwandlungszentren, <strong>in</strong><br />
welchen neben der Nahrungs- und Treibstoffherstellung auch die Bereitstellung<br />
chemischer Grundstoffe erfolgen kann [70].<br />
Schliesslich muss die energetische Bedeutung von Holz als Baustoff<br />
hervorgehoben werden. Die Herstellung von 1 t Bauholz benötigt 453 kWh<br />
Energie, für die gleiche Menge Eisen s<strong>in</strong>d 8,3mal mehr, für Alum<strong>in</strong>ium sogar<br />
45mal mehr notwendig [13].
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 63<br />
Abb. 34 Synthese verschiedenster Chemikalien aus Holz (nach [95]).<br />
4.9 Biologische Energieumwandlungssysteme, die unabhängig vom<br />
Kohlenstoffkreislauf <strong>in</strong> der Pflanze s<strong>in</strong>d<br />
Die Grundlage zu allen bisher beschriebenen Möglichkeiten e<strong>in</strong>er vermehrten<br />
oder veränderten Nutzung der Sonnenenergie über lebende Organismen war die<br />
Umwandlung von Lichtenergie <strong>in</strong> Kohlenstoffb<strong>in</strong>dungen <strong>in</strong> der Vielfalt der
64 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
organischen Verb<strong>in</strong>dungen der Natur. Daneben gibt es besonders bei<br />
Mikroorganismen Reaktionswege, bei welchen e<strong>in</strong>e Energieumwandlung ohne<br />
Beteiligung des Kohlendioxids erfolgt und die Energie nachher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />
chemischen Verb<strong>in</strong>dungen wie H2, NH3 oder H2O2 vorliegt.<br />
Wie wir e<strong>in</strong>leitend gesehen haben, ist die Ausbeute der photosynthetischen<br />
Energieumwandlung ganzer Pflanzengesellschaften im Jahresmittel relativ ger<strong>in</strong>g.<br />
Der Primärvorgang <strong>in</strong> den Reaktionssequenzen der Photosynthese dagegen hat e<strong>in</strong>e<br />
wesentlich höhere Ausbeute und könnte damit als Grundlage für modifizierte<br />
photosynthetische Prozesse dienen.<br />
4.9.1. Biologische H2-Produktion [52, 110]<br />
Die Verwirklichung e<strong>in</strong>er H2-Produktion im grosstechnischen Massstab <strong>in</strong><br />
irgende<strong>in</strong>er Technologie dürfte <strong>in</strong> jedem Industriestaat e<strong>in</strong>en entscheidenden<br />
E<strong>in</strong>fluss auf die Energiepolitik haben. E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satz würde wohl zuerst <strong>in</strong> der<br />
chemischen Industrie erfolgen, später dürfte H2 auch als Treib- und Brennstoff<br />
grosse Bedeutung erlangen, e<strong>in</strong>e Funktion, die er <strong>in</strong> bezug auf Abgasprobleme<br />
ideal erfüllen könnte.<br />
Wasserstoff kann nicht nur mittels physikalischen oder chemischen Verfahren,<br />
sondern auch biologisch erzeugt werden. Biologische Wasserstoffproduktion ist<br />
gekoppelt an die Anwesenheit von Hydrogenase, dem Enzym, das die folgende<br />
Gleichung katalysiert:<br />
2H + + 2e - ↔ H2<br />
Dass H2 sich am Stoffwechsel photosynthetischer Bakterien beteiligen kann,<br />
konnte schon 1934 gezeigt werden; die photosynthetische Wasserstoffproduktion<br />
wurde 1949 zum erstenmal beschrieben. Zellen von Rhodospirillum rubrum geben<br />
unter gewissen Wachstumsbed<strong>in</strong>gungen H2 ab. Die Zugabe von NH3 oder N2 stoppt<br />
die Reaktion sofort, was auf die Beteiligung der Nitrogenase schliessen lässt. Auch<br />
H2-adaptierte Grünalgen und vor allem Blaualgen (Cyanobakterien) zeigen im<br />
Licht Wasserstoff-Freisetzung.<br />
Nitrogenase ist unter photosynthetischen Bakterien und Blaualgen weit<br />
verbreitet, und viele der untersuchten Arten vermögen auf gasförmigen Stickstoff<br />
(N2) als e<strong>in</strong>ziger Stickstoffquelle zu wachsen und damit auch Wasserstoff zu<br />
produzieren. In beiden Gruppen ist die H2-Freisetzung streng lichtabhängig; über<br />
die Kopplung von Lichtreaktionen mit der Wasserstoff-Freisetzung <strong>in</strong> ganzen<br />
Zellen ist heute noch wenig bekannt. Möglicherweise übernimmt die Hydrogenase<br />
oder Nitrogenase Elektronen vom stark reduzierenden Elektronenakzeptor des<br />
Photosystems 1 (Abb. 13); damit wird <strong>in</strong> der Energiespeicherung der komplizierte<br />
Stoffwechsel der CO2-Fixierung umgangen. Physiologisch unterscheiden sich<br />
photosynthetische Bakterien und Blaualgen vor allem dar<strong>in</strong>, dass letztere wie<br />
höhere grüne Pflanzen die Elektronen dem Wasser entziehen und damit Sauerstoff<br />
freisetzen, während die photosynthetischen Bakterien nur das Photosystem 1<br />
besitzen und auf die dauernde Anwesenheit e<strong>in</strong>er reduzierten Verb<strong>in</strong>dung (e<strong>in</strong>e<br />
organische wie Malat oder anorganische wie Sulfid)
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 65<br />
Tab. 27 Beispiele für Raten der Photoproduktion von Wasserstoff durch photosynthetische<br />
Bakterien (aus [77])<br />
Art gebildeter H2 Elektronen- Licht<br />
µMol/mg donator <strong>in</strong>tensität<br />
Prote<strong>in</strong> .h<br />
Rhodospirillum rubrum 1,7 Malat 10 800 lux<br />
1,68 Malat 135 W/m²<br />
0,96 Malat 46 W/m²<br />
1,8 Lactat 300 W/m²<br />
Rhodopseudomonas capsulata 12 Pyruvat 10 800 lux<br />
Rhodopseudomonas capsulata (Mutante) 4,8 Malat 6 500 lux<br />
Rhodopseudomonas palustris 0,78 Glucose 29 W/m²<br />
Rhodopseudomonas sphaeroides 0,54 Glucose 8 000 lux<br />
Chromatium D 1,2 Thiosulfat 50 000 lux<br />
Thiocapsa roseopersic<strong>in</strong>a 1,84 Pyruvat 20 W/m²<br />
angewiesen s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e grosstechnische Nutzung der beiden Organismengruppen<br />
zur photobiologischen Wasserstoffproduktion muss deshalb getrennt betrachtet<br />
werden.<br />
Photosynthetische Bakterien könnten schon heute für e<strong>in</strong>e<br />
Wasserstoffproduktion e<strong>in</strong>gesetzt werden, sofern genügend und geeignete billige<br />
Substrate zur Verfügung stehen [77]. In Laborversuchen wurden neben<br />
synthetischen Elektronendonatoren (Lactat, Acetat, Pyruvat, Succ<strong>in</strong>at, Malat,<br />
Propionat u.a.) auch mit Gemischen von organischen Verb<strong>in</strong>dungen aus Abwässern<br />
der Milch- und Zuckerrübenverarbeitung ähnliche Raten der H2-Produktion<br />
erhalten wie mit re<strong>in</strong>en Substraten. Diese Systeme s<strong>in</strong>d stabil gegen<br />
Aussene<strong>in</strong>flüsse und können während Monaten mit gleichbleibender Aktivität aus<br />
Abfallsubstraten Wasserstoff produzieren.<br />
In Blaualgen dagegen ist Wasser das eigentliche Substrat für die<br />
Wasserstoffproduktion: die Gesamtreaktion ersche<strong>in</strong>t als Wasserphotolyse. Der bei<br />
der Photosynthese gebildete Sauerstoff setzt jedoch sehr rasch die H2-Freisetzung<br />
der Zellen herab, sofern ke<strong>in</strong> Schutzmechanismus vorhanden ist, denn sowohl<br />
Nitrogenase wie auch Hydrogenase s<strong>in</strong>d sehr empf<strong>in</strong>dlich selbst auf Spuren von<br />
O2. Beste H2-Freisetzungsraten wurden unter Stickstoffmangel und anaeroben<br />
Bed<strong>in</strong>gungen erzielt. Dabei ändern sich die <strong>in</strong>terzellulären Strukturen und die<br />
Pigmentzusammensetzung. Diese Änderungen s<strong>in</strong>d irreversibel und bewirken den<br />
Verlust der H2-Freisetzungsaktivität nach 10-20 Tagen. Jedoch verlängert e<strong>in</strong>e<br />
dauernde oder <strong>in</strong>termittierende Zudosierung m<strong>in</strong>imaler Mengen von gasförmigem<br />
Stickstoff die aktive Phase wesentlich [12].<br />
Der Mechanismus der Photoproduktion von Wasserstoff ist <strong>in</strong> zellfreien<br />
Systemen weit übersichtlicher. Isolierte Chloroplasten reduzieren im Licht den<br />
Elektronenakzeptor Ferredox<strong>in</strong>, und mit Hilfe zugegebener bakterieller
66 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Abb. 35 Freilandfermentor zur Wasserstoffproduktion mit photosynthetischen Bakterien<br />
(Rhodospirillum rubrum) (nach [117]). - Der aus e<strong>in</strong>er Polycarbonat-Doppelstegplatte gebaute<br />
Fermentor fasst 14 ℓ Kulturflüssigkeit und hat e<strong>in</strong>e Fläche von 0,8 m². E<strong>in</strong> Gefäss mit Kühlschlangen<br />
(oben aufsitzend) verh<strong>in</strong>dert e<strong>in</strong>e zu starke Erwärmung der Zellen und bewirkt e<strong>in</strong>e Zirkulation der<br />
Zellsuspension. Als Nährmedium dienen Abfälle der Milch- und Zuckerverarbeitungs<strong>in</strong>dustrie. An<br />
sonnigen Tagen wurden bis 15 ℓ Gas gebildet, das zu ca. 70% aus Wasserstoff besteht.<br />
Hydrogenase wird H2 freigesetzt. In solchen künstlichen Hybridsystemen fallen<br />
energieverbrauchende Stoffwechselreaktionen weg, und es können höhere<br />
photosynthetische Ausbeuten erzielt werden als mit zellulären Systemen.<br />
Problematisch bleibt vorderhand die relative Instabilität, d.h. die rasche<br />
Inaktivierung isolierter Zellkomponenten. Es ist möglich, dass der Ersatz der<br />
natürlichen Elektronenüberträger (Ferredox<strong>in</strong>, Hydrogenase) durch künstlich<br />
synthetisierte stabilere Analoga Fortschritte br<strong>in</strong>gt.<br />
4.9.2 Biologische Stickstoff-Fixierung [30]<br />
Die Schweizer Landwirtschaft benötigt heute für die Bereitstellung von<br />
Stickstoffdünger e<strong>in</strong>e Energiemenge von 3.10 15 J jährlich, die aus fossilen<br />
Brennstoffen und Elektrizität stammt. Jedes auf Sonnenenergie basierende<br />
biologische System, das diese Fremdenergie zu verkle<strong>in</strong>ern vermag, ist<br />
gesamtwirtschaftlich von grosser Bedeutung.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 67<br />
Bis gegen die Mitte dieses Jahrhunderts spielten m<strong>in</strong>eralische Stickstoffdünger<br />
e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle; der dem Boden entnommene Stickstoff wurde durch<br />
tierische Abfälle und den Fruchtwechsel mit Legum<strong>in</strong>osen zurückgeführt.<br />
Legum<strong>in</strong>osen vermögen dank der Wurzelsymbiose mit Bakterien Luftstickstoff <strong>in</strong><br />
Mengen von 50-600 kg/ha und Jahr zu b<strong>in</strong>den. Weltweit gesehen beläuft sich die<br />
biologische Stickstoff-Fixierung auf etwa 80 10 6 t/ Jahr, d.h. die <strong>in</strong>dustrielle N2-<br />
Fixierung beträgt schon über 30% der gesamten Stickstoffreduktion!<br />
Die Reaktion des gasförmigen Stickstoffs mit Wasserstoff zu Ammoniak<br />
3 H2 + N2 → 2 NH3<br />
ist exotherm; dagegen wird anfänglich e<strong>in</strong>e beträchtliche Aktivierungsenergie<br />
benötigt. Diese stammt <strong>in</strong> der biologischen N2-Fixierung aus den Assimilaten der<br />
Pflanze. Es erstaunt daher nicht, dass e<strong>in</strong>e Stimulierung der CO2-Fixierung e<strong>in</strong>e<br />
erhöhte Stickstoffb<strong>in</strong>dung nach sich zieht. E<strong>in</strong>e Erhöhung des CO2-Gehaltes der<br />
Luft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Treibhaus steigerte z.B. die Stickstoffb<strong>in</strong>dung bei Sojabohnen von<br />
75 auf 425 kg N/ha Jahr.<br />
Solche Beobachtungen wurden nicht nur bei Legum<strong>in</strong>osen gemacht, wo die<br />
N-fixierenden Mikroorganismen <strong>in</strong> Symbiose mit der höheren Pflanze leben,<br />
sondern auch bei den Wurzelassoziationen freilebender Stickstoff-Fixierer mit<br />
Getreidearten wie z.B. Mais.<br />
Das Schlüsselenzym der Reaktion, die Nitrogenase, ist sehr<br />
sauerstoffempf<strong>in</strong>dlich. Symbiotische Systeme - Wurzelknöllchen bei Legum<strong>in</strong>osen<br />
und Nichtlegum<strong>in</strong>osen - und Blaualgen mit Heterozysten, <strong>in</strong> denen die Nitrogenase<br />
vor Oxidation geschützt ist, sche<strong>in</strong>en am sichersten hohe Erträge an gebundenem<br />
Stickstoff liefern zu können. Die Grundlagenforschung hat sich erst im letzten<br />
Jahrzehnt <strong>in</strong>tensiv mit der Stickstoff-Fixierung befasst. Bei genügender f<strong>in</strong>anzieller<br />
Unterstützung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der kommenden Zeit <strong>in</strong> diesem Gebiet Resultate zu erwarten,<br />
die, <strong>in</strong> die Praxis umgesetzt, e<strong>in</strong>en weitgehenden Ersatz des mit fossiler Energie<br />
hergestellten Stickstoffdüngers durch biologisch fixierten Stickstoff ermöglichen<br />
dürfte. Diskutiert werden z.B. die folgenden Problemkreise:<br />
- die Übertragung der Gene, die die Stickstoff-Fixierung kodieren, <strong>in</strong> Zellen<br />
höherer Pflanzen oder wenigstens <strong>in</strong> andere Bakterien, die mit neuen Pflanzen<br />
symbiotische Systeme bilden können,<br />
- die Entwicklung von Stämmen, deren Nitrogenase auf NH3 unempf<strong>in</strong>dlich ist<br />
(auch für die H2-Produktion wichtig),<br />
- die genetische Steigerung der CO2-Fixierung bei Legum<strong>in</strong>osen; dies würde<br />
automatisch zu höheren Stickstoff-Fixierungsraten führen.<br />
4.9.3. Photobiologische NH3- und H2O2-Bildung [17, 71]<br />
Lichtenergie, <strong>in</strong> photosynthetischen Systemen <strong>in</strong> Redoxenergie umgesetzt,<br />
kann im weiteren auch genutzt werden, um Nitrat zu Ammoniak oder Sauerstoff zu<br />
Wasserstoffperoxid zu reduzieren:
68 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
NO3 - +4 H2O + 2 H + + Licht. Chloroplasten → NH4 + + 2 O2 + 3 H2O<br />
∆G0' = +361 kJ<br />
H2O + O2 + Licht. Chloroplasten → H2O2 + ½O2<br />
∆G0' = +101 kJ<br />
Neben der Bedeutung von Ammoniak <strong>in</strong> der Chemie und Landwirtschaft ist dieser<br />
auch als Treibstoff für Verbrennungsmotoren und Raketen geeignet, letzteres gilt<br />
auch für Wasserstoffperoxid, dessen Zerfall <strong>in</strong> O2 und H2O stark exergonisch ist.<br />
Sowohl NH3 wie auch H2O2 müssten für e<strong>in</strong>e Nutzung als Brennstoff<br />
konzentriert werden; e<strong>in</strong>e entsprechende Technologie ist aber noch nicht<br />
vorhanden. Laborergebnisse zeigen aber m<strong>in</strong>destens, welche vielseitigen<br />
Möglichkeiten <strong>in</strong> biologischen lichtumwandelnden Systemen liegen können.<br />
4.9.4 Künstliche photosynthetische Systeme [17]<br />
Wie früher erwähnt, können zellfreie Systeme mit Chloroplasten, ergänzt<br />
durch besondere, zum Teil bakterielle Enzyme, Licht absorbieren und Wasserstoff<br />
oder Ammoniak als energiereiche chemische Verb<strong>in</strong>dungen produzieren. Unstabile<br />
funktionelle Prote<strong>in</strong>e konnten durch stabilere, synthetisierte Katalysatoren ersetzt<br />
werden, so z.B. das Eisen-Schwefel-Prote<strong>in</strong> Ferredox<strong>in</strong> durch synthetische Fe-S-<br />
Verb<strong>in</strong>dungen oder die extrem empf<strong>in</strong>dliche Hydrogenase durch e<strong>in</strong>en<br />
Plat<strong>in</strong>katalysator. E<strong>in</strong> Ersatz des Chlorophylls durch synthetische Farbstoffe führt<br />
schliesslich <strong>in</strong> das Feld der Photochemie, wo ebenfalls grosse Anstrengungen<br />
gemacht werden, Sonnenenergie <strong>in</strong> chemische Energie umzusetzen.<br />
Kürzlich wurde vorgeschlagen, chemische und biologische Reaktionen zu<br />
koppeln, um so zu höherer Ausbeute der Lichtenergieumwandlung zu kommen<br />
[107]. In e<strong>in</strong>em solarthermischen Schritt wird Eisen reduziert:<br />
Wärme<br />
2FeCl3 + H2O →→→→ 2FeCl2+2HCl+½O2<br />
←←←←<br />
Thiobacillus<br />
Der chemolithotrophe Organismus Thiobacillus ferroxidans bildet aus CO2 im<br />
Dunkeln Biomasse, wobei Fe2 + wieder zu Fe3 + oxidiert wird. Die Ausbeute der<br />
solarthermischen Bildung von Fe2 + wird mit 30-50%, diejenige der bakteriellen<br />
Umwandlung <strong>in</strong> Biomasse mit 35% angegeben, so dass mit e<strong>in</strong>er Gesamtausbeute<br />
von 10-18% gerechnet werden kann. E<strong>in</strong> solches System ist unabhängig von<br />
Wasservorräten und könnte gut <strong>in</strong> unfruchtbaren Gebieten mit hoher<br />
Sonnene<strong>in</strong>strahlung gebaut werden.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 69<br />
Abb. 36 Flussdiagramm e<strong>in</strong>er vollständigen Nutzung von Biomasse für die Produktion von Äthanol<br />
als Treibstoff. - Neben Äthanol als Brennstoff fallen zusätzlich verschiedene Chemikalien wie auch<br />
Hefezellen an, aus denen wiederum mannigfaltige Produkte gewonnen werden können. Der<br />
Heizenergiebedarf des Systems wird zum grössten Teil durch Methan aus den Abwässern gedeckt;<br />
e<strong>in</strong>e eventuelle Ergänzung geschieht ebenfalls durch Biomasse, Holz oder Bagasse. Dünger wird<br />
vollständig rezirkuliert.<br />
4. 10. Integrierte Nutzung von Biomasse<br />
Am Beispiel der Äthanolproduktion aus Zuckerrohr und Mais wurde<br />
ersichtlich, dass es besonderer Anstrengungen <strong>in</strong> der Technologie bedarf, damit die<br />
Herstellung f<strong>in</strong>anziell und energetisch e<strong>in</strong>en Nutzen br<strong>in</strong>gt. Häufig wird der<br />
Sekundäraufwand wie Lagerung, Transport, Beseitigung von Abfällen und<br />
Abwässern <strong>in</strong> der Rechnung nicht berücksichtigt.<br />
Wenn e<strong>in</strong> Nettogew<strong>in</strong>n fraglich ersche<strong>in</strong>t, muss e<strong>in</strong>e Lösung <strong>in</strong> sorgfältig<br />
geplanten, <strong>in</strong>tegrierten Nutzungssystemen gesucht werden, mit Nutzung aller<br />
Neben- und Abfallprodukte.<br />
E<strong>in</strong> Beispiel für die vollständige Nutzung von Zuckerrohr, Cassava und Mais<br />
zur Äthanolproduktion ist <strong>in</strong> Abb. 36 gezeigt. Für die Schweiz sei als Beispiel die<br />
Produktion der Zellulosefabrik Attisholz [91] dargestellt (Abb. 37):
70 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Bei der Produktion von Zellulose aus Holz wird nur die Hälfte der zugeführten<br />
Biomasse genutzt; die andere fällt <strong>in</strong> Form verschiedenster Verb<strong>in</strong>dungen <strong>in</strong> der<br />
Sulfitablauge an. In verschiedenen Ländern wird dieses Abwasser ungere<strong>in</strong>igt an<br />
die Umwelt abgegeben; bei der heutigen Jahresweltproduktion an Zellstoff<br />
Abb. 37 Flussdiagramm der Holznutzung <strong>in</strong> der Zellulosefabrik Attisholz (nach [91]). - Die<br />
Zelluloseproduktion <strong>in</strong> Attisholz beläuft sich jährlich auf rund 100 000 t, dazu werden 600 000 m3<br />
Holz benötigt. Aus der Ablauge produziert die Firma jährlich 8 000 000 1 Alkohol, 6500 t Hefe als<br />
Futter und Nahrungsmittelzusatz und 9500 t Lign<strong>in</strong>sulfonate, die als Netzmittel für Farbstoffe und<br />
Insektizide Verwendung f<strong>in</strong>den. Bezogen auf das zugeführte Holz, f<strong>in</strong>det hier e<strong>in</strong>e Biomassenutzung<br />
von 98% statt.<br />
s<strong>in</strong>d dies immerh<strong>in</strong> 120.10 6 t Biomasse, die so verloren gehen und die Gewässer<br />
belasten. Die strengen Vorschriften <strong>in</strong> der Schweiz verlangen e<strong>in</strong>e praktisch<br />
vollständige Re<strong>in</strong>igung der Abwässer. Attisholz löste das Problem durch e<strong>in</strong>e fast<br />
vollständige Verwertung der <strong>in</strong> der Sulfitablauge enthaltenen Stoffe.
R. BACHOFEN Bio-Energie, heute- morgen 71<br />
Schlusswort<br />
E<strong>in</strong>e Vielfalt von Projekten und Nutzungsmöglichkeiten ist vorgestellt worden.<br />
Sie stehen z.T. erst im Forschungsstadium, z.T. laufen sie aber auch schon <strong>in</strong><br />
grösserem Massstab. Vielfach s<strong>in</strong>d solche Anlagen aus privater Initiative<br />
entstanden, da die meisten Länder erst seit kurzem nationale Energieprogramme<br />
haben, <strong>in</strong> welchen die Forschung <strong>in</strong> Bioenergie unterstützt wird.<br />
Die USA hatten 1978 e<strong>in</strong> Budget für ihre verschiedenen Biomasseprogramme<br />
von 22 Millionen $. 1981 sollen 88 Milliarden $ für die Entwicklung synthetischer<br />
Treibstoffe bewilligt werden; Projektstudien befassen sich mit der Herstellung von<br />
Dieseltreibstoff aus Sojabohnenöl <strong>in</strong> Alabama, Holzgas aus Abfallholz <strong>in</strong><br />
Arkansas, Methan aus häuslichen Abwässern <strong>in</strong> Kalifornien, Vergärung von<br />
Kohlehydraten aus Kartoffeln und Zuckerrüben <strong>in</strong> Kalifornien, Methan aus<br />
Reishülsen <strong>in</strong> Texas und Alkohol aus Molke <strong>in</strong> Vermont (Tages-Anzeiger vom<br />
24.9.1980).<br />
Kanadas Biomasseprogramme basieren vor allem auf dem Holzreichtum des<br />
Landes, und man rechnet, dass bis im Jahr 2025 m<strong>in</strong>destens 40% des Benz<strong>in</strong>s<br />
durch Methanol aus Holz gedeckt werden können.<br />
Brasilien hat grosse Hoffnungen auf se<strong>in</strong> Äthanolprogramm aus Zuckerrohr<br />
und Cassava gesetzt [38]. Die Zahl der Destillationsanlagen wurde vermehrt. Für<br />
1980 wird mit e<strong>in</strong>er Produktion von ca. 3 Milliarden Liter Alkohol gerechnet, bis<br />
1985 soll es 3-4mal mehr se<strong>in</strong>. Brasilien hat für e<strong>in</strong> solches Programm<br />
entscheidende Vorteile, vor allem genügend Anbaufläche. Um Erdöl als Treibstoff<br />
durch Äthanol ersetzen zu können, genügen ca. 2% se<strong>in</strong>er Landfläche.<br />
Australien glaubt <strong>in</strong> Eucalyptus, Cassava, Kenaf und Zuckerrohr ebenfalls gute<br />
Pflanzen gefunden zu haben, aus welchen neben landwirtschaftlichen Abfällen der<br />
grösste Teil der benötigten flüssigen Treibstoffe erzeugt werden könne.<br />
In Europa laufen <strong>in</strong> verschiedenen Ländern, so auch <strong>in</strong> der Schweiz,<br />
detaillierte Untersuchungen, wie weit Biomasse und vor allem Abfälle als<br />
Energiequellen <strong>in</strong> Zukunft wirtschaftlich genutzt werden können. Neben<br />
Bundesstellen, Hochschulen und dem Schweizerischen Nationalfonds (Nationale<br />
Forschungsprogramme) s<strong>in</strong>d auch private Institutionen wie der Nationale<br />
Energieforschungsfonds an diesen Projekten beteiligt [28]. Schwerpunkte liegen<br />
bei der Holznutzung und der Verwendung der tierischen Abfälle zur Gew<strong>in</strong>nung<br />
von Biogas. 1979 wurden für Forschung und Entwicklung im Gebiete der<br />
Bioenergie <strong>in</strong> der Schweiz 3,4 Millionen Franken aufgewendet.<br />
Indien hat verschiedene Forstprogramme, u. a. auch um der fortschreitenden<br />
Entwaldung entgegenzutreten, ebenso wird die Nutzung von Biogas auf der Ebene<br />
der Dorfgeme<strong>in</strong>schaften gefördert.<br />
In Ch<strong>in</strong>a kann <strong>in</strong> ländlichen Gegenden der grösste Teil der Bedürfnisse durch<br />
Biogas gedeckt werden. In e<strong>in</strong>em Aufforstungsprogramm wurde <strong>in</strong> den<br />
vergangenen Jahrzehnten die Waldfläche von 5 auf 13% vergrössert.
72 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Diese Aufzählung macht deutlich, dass man sich vielerorts wieder bewusst<br />
geworden ist, dass e<strong>in</strong>e Nutzung der landeseigenen Biomasse die Energieimporte<br />
verr<strong>in</strong>gert und verbilligt und damit auch e<strong>in</strong> wirksames Mittel gegen die Inflation<br />
ist. Ke<strong>in</strong> Energieprogramm jedoch ist glaubwürdig ohne e<strong>in</strong> Energiesparprogramm,<br />
hier bestehen <strong>in</strong> der Schweiz wie weltweit noch grosse Lücken. Landesweite<br />
Energieprogramme lassen wenig Erfolg erwarten, wenn ke<strong>in</strong> Spielraum besteht, für<br />
e<strong>in</strong>zelne Regionen, Dörfer oder sogar Höfe die dort optimalen Lösungen zu<br />
verwirklichen.<br />
Die heute dom<strong>in</strong>ierende Energieproblematik ist nur e<strong>in</strong> Teil der Probleme, mit<br />
denen unsere Nachfahren fertig werden müssen; für die Fragen des<br />
Bevölkerungswachstums mit der folgenden Raum- und Bodenverknappung, des<br />
Verkehrswachstums mit parallel e<strong>in</strong>hergehendem Verlust an nutzbarer Landfläche,<br />
der steigenden Industrieproduktion, gefolgt von e<strong>in</strong>er Verknappung aller Rohstoffe<br />
oder der Verdrängung kreativer Arbeitsplätze durch Automatisierung usw.,<br />
sche<strong>in</strong>en mir weit weniger konkrete Lösungsmöglichkeiten vorzuliegen als bei der<br />
Energiefrage. Die vielfältigen Möglichkeiten bei der Nutzung von Bioenergie<br />
lassen hoffen, dass sich Lösungen f<strong>in</strong>den werden, bei denen die natürlichen<br />
Regelkreise möglichst ungestört erhalten oder wieder zurückgewonnen werden<br />
können.<br />
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Adresse des Autors:<br />
Prof. Dr. Re<strong>in</strong>hard Bachofen, Institut für Pflanzenbiologie, Zollikerstr. 107, CH-8008 <strong>Zürich</strong>.