Umschlagbild - Naturforschende Gesellschaft in Zürich NGZH
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36 Neujahrsblatt der <strong>Naturforschende</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Zürich</strong> 1980<br />
Die vorhandene Biomasse wird oft schlecht ausgewertet. Die Ausbeute der<br />
Sonnenenergieumwandlung und der Flächenertrag s<strong>in</strong>ken um 60-80%, wenn nicht<br />
das gesamte produzierte organische Material, sondern nur der heute genutzte<br />
Pflanzenteil <strong>in</strong> der Rechnung berücksichtigt wird. Erbsen enthalten z. B. mehr<br />
Prote<strong>in</strong> <strong>in</strong> den ungenutzten Pflanzenteilen als <strong>in</strong> den <strong>in</strong> Konserven<strong>in</strong>dustrien<br />
verarbeiteten Samen!<br />
Obwohl die Idee der Nutzung von Blatteiweiss für die Nahrung bis <strong>in</strong>s 18.<br />
Jahrhundert zurückgeht [90], beschäftigte man sich erst während des Zweiten<br />
Weltkrieges mit der praktischen Auswertung [82, 83, 130]. Geräte wurden gebaut,<br />
welche Blätter mit m<strong>in</strong>imalem Energieaufwand gleichzeitig zerkle<strong>in</strong>ern und<br />
auspressen. Durch Erhitzen des Blattextraktes werden die Eiweisse ausgefällt und<br />
diese zu Nahrungsmitteln weiterverarbeitet. Der faserreiche, zellulosehaltige<br />
Rückstand kann zu Futter getrocknet oder siliert werden oder die Zellulose als<br />
Ausgangsmaterial für Treibstoffgew<strong>in</strong>nung dienen. E<strong>in</strong>e Extraktion der löslichen<br />
Eiweisse vor der Silierung von Biomasse würde zusätzlich die unsere Gewässer<br />
belastenden Siloabwässer elim<strong>in</strong>ieren.<br />
Als Quelle von Blattprote<strong>in</strong>en dienten bisher Getreide-, Klee- oder<br />
Luzerneblätter. Zusätzliche Ausbeuten bis zu 5 t Trockenprote<strong>in</strong>/ha und Jahr<br />
wurden erzielt. Kartoffelstauden liefern, Ende Juli geerntet, 600 kg Prote<strong>in</strong> pro ha;<br />
es wurde errechnet, dass durch Vernichtung der Kartoffelstauden <strong>in</strong> England<br />
jährlich 60 000 t Eiweiss verloren gehen. Ebenfalls z. T. ungenutzt bleibt das<br />
Eiweiss des Zuckerrübenkrautes und der Abfälle der Konserven<strong>in</strong>dustrie. Ferner<br />
könnten die Blätter der <strong>in</strong> Energieplantagen zum Zwecke der Holznutzung<br />
gezogenen Bäume zusätzlich e<strong>in</strong>en Eiweissertrag liefern. Es muss allerd<strong>in</strong>gs betont<br />
werden, dass es wenig S<strong>in</strong>n hat, Prote<strong>in</strong>e aus Blättern zu extrahieren, die ihrerseits<br />
als Ganzes gegessen werden könnten!<br />
E<strong>in</strong>e gute Quelle von Blattprote<strong>in</strong>en dürften auch Wasserunkräuter se<strong>in</strong>, die<br />
heute häufig mechanisch entfernt oder chemisch vernichtet werden, wie etwa<br />
Wasserhyaz<strong>in</strong>then oder Wasserl<strong>in</strong>sen, sofern diese Pflanzen nicht e<strong>in</strong>facher zu<br />
Futter verarbeitet oder über Methangärung als Brennstoff genutzt werden können.<br />
Für Entwicklungsländer sieht man zusätzlich e<strong>in</strong>e Vielfalt von Möglichkeiten, wie<br />
diese Wasserunkräuter <strong>in</strong>direkt durch Umwandlung <strong>in</strong> tierisches Prote<strong>in</strong> der<br />
menschlichen Nahrung zugänglich gemacht werden könnten, sei es über<br />
Graskarpfen oder andere pflanzenfressende Fische, Krabben, Gänse oder<br />
Schwe<strong>in</strong>e. In den USA s<strong>in</strong>d rund 10 6 ha mit Wasserhyaz<strong>in</strong>then bedeckt und<br />
könnten jederzeit genutzt werden!<br />
Das aus Blättern extrahierbare Material enthält 60-70% Eiweisse hohen Nährwertes und 20-30%<br />
zum grössten Teil ungesättigte Lipide, wodurch allerd<strong>in</strong>gs dessen Lagerung erschwert wird. Das<br />
grösste Problem bei der Verwertung dieser Eiweisse bilden vorderhand die Ernährungsgewohnheiten<br />
des Menschen. E<strong>in</strong>e neue Nahrung wird wohl dort am ehesten akzeptiert, wo Gemüse <strong>in</strong><br />
verschiedenster Zubereitung schon zur täglichen Mahlzeit gehören und wo vielfältige E<strong>in</strong>topfgerichte<br />
Tradition s<strong>in</strong>d. Solange aber auch <strong>in</strong> unterernährten Völkern die westliche Küche Vorbild und das<br />
angestrebte Entwicklungsziel die Lebensweise unserer hoch <strong>in</strong>dustrialisierten Länder ist, solange wird<br />
es schwierig se<strong>in</strong>, Hungersnöten mit neuen Nahrungsformen begegnen zu wollen.