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Autobiografische Körper-Geschichten : sozialer Aufstieg zwischen ...

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316<br />

Teil 3<br />

seinem schriftstellerischen Werk und seiner eigenen Biografie in Kommentaren<br />

und Interviews des Öfteren bestätigt, ja sich überdies dezidiert im Hinblick auf<br />

seine Lyrik gegen eine nicht gesellschaftsbezogene bzw. engagierte Literatur ausgesprochen.<br />

134 So speist sich auch sein lyrisches Werk und sein späterer Roman<br />

„Niemandsland“ 135 zu weiten Teilen aus den biografischen Erfahrungen des Autors,<br />

die meist in Beziehung zum aktuellen zeitgeschichtlichen Rahmen bei der<br />

Niederschrift gesetzt werden. „Der Aufsteiger“ ist von Martin Walser damals als<br />

ein „exemplarischer Entwicklungsroman“ 136 gelobt worden, was vermutlich darauf<br />

anspielt, dass in dem Text eine gewissermaßen modern-zeittypische, von zahlreichen<br />

Brüchen gekennzeichnete Bildungs- und Lebensgeschichte zur Darstellung<br />

gebracht wird. Der Entwicklungsbegriff könnte allerdings auch suggerieren,<br />

dass hier im herkömmlichen Verständnis eine eingehende Beschreibung der inneren<br />

Entwicklung geboten wird. Einer solchen Erwartung wird jedoch nur sehr<br />

bedingt entsprochen. Denn die dargestellte innere Entwicklung des Protagonisten<br />

verbleibt vor dem Hintergrund einer spezifischen Flugbahn im sozialen Raum<br />

deutlich innerhalb bestimmter Grenzen. Ähnlich wie schon Rehbein um 1900<br />

oder auch Baumann in den 1970ern mehr das Außen als das Innen beleuchteten,<br />

schaut auch Bittner eher auf äußere Entwicklungen in der Gesellschaft. Dieses<br />

Äußere hat dabei – wer will es dem von ‚unten’ kommenden und mit diesem ‚Unten’<br />

weiterhin sympathisierenden Schriftsteller verdenken – meist eine irritierende,<br />

destabilisierende, schädigende bis zerstörende Wirkung auf das Innere des Menschen.<br />

In Bittners Perspektive sind es letztlich die strukturellen Bedingungen, die<br />

von außen einwirkenden Kontingenzen, die die Freiräume und Möglichkeiten der<br />

menschlichen Individuen, zumal der unterprivilegierten, erheblich einschränken,<br />

wenn nicht sogar ihre Handlungsfähigkeiten lähmen. Ein resignativer Grundton 137<br />

durchzieht das gesamte Œuvre. Bittner setzt allerdings gerade aufgrund seiner<br />

Einblicke in repressive, konservative und restaurative Tendenzen besonders in der<br />

‚Wirtschaftswunder’-Zeit der BRD dennoch im Sinne von Ernst Bloch auf das<br />

‚Prinzip Hoffnung’. 138 Er kommentiert, kritisiert und parodiert die gesellschaftlichen<br />

Entwicklungen in der BRD auf verschiedensten Ebenen, propagiert deshalb<br />

aber keineswegs Aufruhr oder Revolution. Anders als Baumann und Viett zielt<br />

134 Vgl. dazu das Gedicht „Gedanken eines jungen Dichters zu Tendenzen in der neueren Lyrik“ in<br />

Bittner, Wolfgang (1977): Probealarm, Fischerhude, S. 20f. Noch 2002 plädiert Bittner in einer Art<br />

Handwerksbeschreibung seiner Tätigkeit (Bittner, Wolfgang (2002): Beruf: Schriftsteller, Reinbek)<br />

für „soziales und politisches Engagement“ des Schriftstellers. In: Polt-Heinzl 2003.<br />

135 In vielerlei Hinsicht auch die Künstlergeschichte seines Romans Bis an die Grenze, Berlin/Bonn<br />

1980.<br />

136 Zit. nach Tietz 1979.<br />

137 Vgl. dazu etwa Riederer: Hoffnung als Ahnung. Zu einem Gedichtband von Wolfgang Bittner, in:<br />

die horen, 1982, H. 2, S. 162f.<br />

138 Dazu seb: Geschichtsverständnis im „Niemandsland“, in: Weinheimer Nachrichten, 23./24.10.1993;<br />

Müller, Friedrich (1994): [Rezension zu Niemandsland], in: Kritische Justiz 27, S. 131f.; Tammen: Gegen<br />

die uns bedrohenden Verrohungen, in: die horen, 1977, H. 1, S. 137f.

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