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Autobiografische Körper-Geschichten : sozialer Aufstieg zwischen ...

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412<br />

Schluss<br />

wörtlichen Befolgens von Arbeitsaufträgen, versucht, einen unliebsamen Arbeitgeber<br />

‚zur Weißglut zu treiben’. Wie der Eulenspiegel-Forscher Arendt in einigen<br />

Formulierungen resümierenden Charakters darlegt, ist Eulenspiegel gern auf<br />

Wanderschaft und bevorzugt als Stationen bedeutende Städte; 51 er ist nicht unbeliebt<br />

beim Adel, findet Anerkennung bei Fürsten, Bischöfen und Königen; 52 er gilt<br />

als Bauernsohn, der sich durch seine Bauernschläue am Bürger und am bürgerlichen<br />

Handwerker rächt; 53 er verschweigt nicht den Makel seiner Geburt; 54 er<br />

kennt Elend und den Geruch der armen Leute; er entmythisiert die hierarchische<br />

Ordnung und verwischt die Standesgrenzen 55 und beansprucht zugleich die Einordnung<br />

in die aristokratische oder gutbürgerliche Gesellschaft; 56 er attackiert<br />

zuweilen die herrschenden und zur Herrschaft strebenden Stände, verfährt aber<br />

auch mitunter rücksichtslos mit den Schwachen; 57 er hat seine Lust an der Verspottung<br />

derer, die durch ihn Schaden leiden; 58 insgesamt ist er eine närrische<br />

Identifikationsfigur der Gesellschaft 59 und reiht sich in die altehrwürdige Tradition<br />

zum Rächer der Enterbten bzw. des unterdrückten Volkes ein. 60 Manche der hier<br />

aufgelisteten Eigenschaften sind zumindest als Attitüden bei den behandelten<br />

Aufsteigenden erkennbar. Die Attacke auf die Herrschenden etwa, ob in verbaler oder<br />

in handfest-körperlicher Form, kommt am deutlichsten bei Bräker, Hiller, Rehbein,<br />

Baumann, Viett und Bittner zum Ausdruck.<br />

Es lässt sich mithin im Hinblick auf innovativ-kreative Elemente ein Drittes festhalten:<br />

Einige der untersuchten AutobiografInnen versuchen nicht nur die angesprochene<br />

‚utopische’ Daseinsform, ihre eigene Zwischenexistenz <strong>zwischen</strong> den<br />

Schichten zu leben, sondern sie halten der (feinen) Gesellschaft durch ihr Schreiben<br />

und Schaffen auch den Spiegel vor. Relativ unabhängig davon, ob sie politisch links<br />

oder rechts stehen, 61 erinnern sie diese Gesellschaft an Herrschaftsinstrumente,<br />

die in der Moderne eigentlich als überwunden gelten. Denn eigentlich manifestiert<br />

sich in ihren Autobiografien viel eher das fortwährende Ankämpfen gegen die<br />

gesellschaftlichen Barrieren und das Scheitern der ProtagonistInnen als das Gelingen<br />

ihres Vorhabens. So ist es auch durchaus nicht so verwunderlich, dass gerade<br />

exponierte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Schriftsteller von höchstem<br />

Rang, sowohl um 1800 als auch um 2000 den besonderen Scharfblick dieser Aufstre-<br />

51 Arendt 1978, S. 137.<br />

52 Arendt 1978, S. 97.<br />

53 Arendt 1978, S. 33.<br />

54 Arendt 1978, S. 101.<br />

55 Arendt 1978, S. 102.<br />

56 Arendt 1978, S. 101.<br />

57 Arendt 1978, S. 142.<br />

58 Arendt 1978, S. 140.<br />

59 Arendt 1978, S. 143.<br />

60 Arendt 1978, S. 142.<br />

61 Selbst AutobiografInnen des konservativen bis rechten Spektrums (Holstein, Schäfer) machen<br />

diesbezüglich keine Ausnahme.

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