Ausgabe 04/2012 (PDF-Datei) - Ubi Bene
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gastGEbER<br />
hInter den KulIssen<br />
des geschMacKs<br />
Riechen, Schmecken, fühlen: kann faSt JedeR. SinnlicheS multitaSking. üBeR geSchmack zu Reden<br />
iSt eine heRauSfoRdeRung. BeSondeRS Bei einem So komplexen patienten wie dem wein. daS uBi <strong>Bene</strong>-<br />
sEnsorIK-sEMInar iSt die genuSSReichSte methode zuR üBeRwindung deR SpRachloSigkeit.<br />
Waldpilze im Grauburgunder,<br />
Rosmarin im Silvaner und Äpfel<br />
im Riesling. Hunderte Aromen<br />
geistern durch das Glas und werden von neugierigen<br />
Nasen vollmundig eingesaugt. Die Fülle<br />
der geballten Eindrücke übersetzt das Hirn<br />
in den abstrakten „Geschmack“. Ein ganzheitlicher<br />
Prozess, bei dem schnell mal was verloren<br />
geht. Wenn man nicht trainiert ist.<br />
„Olfaktorische Sprachferne“ nennt das Martin<br />
Darting. So heißt es, wenn einem zu einer<br />
bekannten Empfindung die passende wörtliche<br />
Schublade fehlt. In der Mannheimer<br />
Weinhandlung Extraprima verströmen an<br />
diesem Abend ein gutes Dutzend Stoffe ihre<br />
typischen Geruchsmerkmale. Butter, Basilikum,<br />
Pfeffer. Essenz versteckt in schwarzen<br />
Gläsern. Es wird geschwenkt, geschnuppert<br />
und laut gedacht. Der Sensorikexperte schaut<br />
gespannt in die Runde: „Spüren Sie die vegetabilen<br />
Noten?“<br />
Den Aromen auf<br />
den Fersen<br />
Wein ist faszinierend, aber rätselhaft. Wer den<br />
großen Einblick will, der muss sich in die mikroskopisch<br />
kleine Welt der menschlichen Sinne<br />
begeben und dort auf eine strategisch organisierte<br />
Spurensuche gehen. Um den engen wie<br />
subjektiven Kommentar-Radius zu überwinden,<br />
muss man den Aromen auf den Fersen bleiben.<br />
Über tausend schmeckbare sind in jedem Wein<br />
enthalten. „Es geht nicht um gut oder schlecht,<br />
sondern um das Erkennen und <strong>Bene</strong>nnen von<br />
sensorischen Unterschieden“, erläutert Darting.<br />
Kommunikation statt Bewertung.<br />
Als Dozent an der Deutschen Wein- und Sommelierschule<br />
Koblenz kann Darting dem Mysterium<br />
Wein wissenschaftlich auf den Grund<br />
gehen. Als önologischer Berater und ausgebildeter<br />
Winzer verfügt er über das Handwerkszeug<br />
– und die nötige Bodenhaftung. Geradlinig,<br />
unprätentiös und nachvollziehbar erläutert der<br />
Experte den Weg der Sensoanalyse: der konsequent<br />
quantitativen Auswertung sensorisch<br />
wirksamer Inhaltsstoffe in ihrer spezifischen<br />
Kombination. So gelingt es ihm, Wein in einer<br />
sprachlichen Klarheit, Präzision und pointierter<br />
Plastizität zu beschreiben, die ihresgleichen<br />
sucht. Am Ende steht das monumentale Ziel der<br />
Erkenntnis. Mehr geht nicht. Der Wein beginnt<br />
zu sprechen.<br />
Die Dialogpartner in dieser exklusiven Talkrunde<br />
waren geladene Premierengäste aus der Met-<br />
ropolregion, die ihrer Leidenschaft künftig noch<br />
intimer begegnen werden. Der Weinexperte<br />
Thomas Boxberger-von Schaabner begeisterte<br />
nicht nur als versierter Sparringspartner Dartings:<br />
Als professioneller Verkoster und Händler<br />
hat der Hausherr – ausgebildeter Koch – eine<br />
Fülle von Weinwissen eingespeist und exzellente<br />
Tropfen abseits des Mainstreams geöffnet.<br />
Harmonielehre live<br />
und in Farbe<br />
Bei allen sensorischen Attraktionen und geschmacklichen<br />
Abenteuerreisen dominierten<br />
in jeder Minute die Freude am Wein und<br />
der Spaß am gehaltvollen Darüber-Sprechen.<br />
Harmonielehre live und in Farbe. Was ist Geschmack<br />
und lässt sich tatsächlich über ihn<br />
streiten? Woraus setzt er sich zusammen? Worin<br />
liegt der Unterschied zwischen Empfindung<br />
und Wahrnehmung? Nur wer differenziert<br />
mit seinen Sinnen umgeht und weiß, wie<br />
sie im Kollektiv funktionieren, blickt hinter<br />
die Kulissen des Geschmacks, der niemals als<br />
unverwechselbares Einzelstück daherkommt:<br />
Bei jedem einzelnen Riechvorgang donnern<br />
rund 35 Millionen Rezeptoren enorme Datenmengen<br />
ins Gehirn. Millionen von Zellen,<br />
die alle 0,3 Sekunden Informationen liefern.<br />
Die brauchen wir, um einen spezifischen Duft<br />
überhaupt wahrnehmen zu können. Schwer<br />
wird’s beim Charakterisieren. Floskeln wie<br />
„schlanke Struktur“ oder „langer Abgang“ liefern<br />
bestenfalls vage Vorstellungen von der<br />
groben Silhouette eines Weins. Klare Aussagen<br />
über seine Qualität vermitteln sie nicht.<br />
Martin Darting beginnt bei der technischen<br />
Leistungsfähigkeit des menschlichen Systems.<br />
Die Zunge unterscheidet lediglich elementare<br />
Stilrichtungen wie süß und sauer, bitter, salzig<br />
und auch mineralisch. Die Nase wohnt zwar<br />
nur eine Etage höher, ist der Kollegin aber weit<br />
überlegen. Denn Aromen werden gerochen<br />
und nicht geschmeckt. Der Trick mit der zugehaltenen<br />
Nase offenbart die Relevanz des<br />
Riechorgans. Bei der Wiedererkennung eines<br />
Weins machen diese flüchtigen Aromastoffe<br />
rund 95 Prozent aus.<br />
Die Säure ist ein prominentes Wein-Thema.<br />
Darting präsentiert zwei Weine, bei denen jeweils<br />
die spitze Apfelsäure oder die weichere<br />
Milchsäure dominieren. Es ist erstaunlich, in<br />
welchem Bereich des Mundes sich diese �<br />
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