7. Ausgabe als pdf - MannchenNet
7. Ausgabe als pdf - MannchenNet
7. Ausgabe als pdf - MannchenNet
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
B e i t r a g<br />
Selbstbestimmung<br />
Bericht über eine Tagung in Tutzing vom<br />
20. und 21.04.09<br />
Veranstalter: Evangelische Akademie<br />
Tutzung in Zusammenarbeit mit der Bayerischen<br />
Gesellschaft für soziale Psychiatrie<br />
e.V. und der Bayerischen Gesellschaft für<br />
psychische Gesundheit e.V.<br />
Während der zwei Tage dauernden Tagung<br />
im schönen Tagungsgelände der evangelischen<br />
Akademie beschäftigten sich die<br />
Referenten und die Teilnehmer mit diesem<br />
vielschichtigen Thema.<br />
Die Teilnehmer setzten sich zusammen<br />
aus einer fast gleichen Anzahl von Fachleuten,<br />
Betroffenen und Angehörigen, sowie<br />
Vertretern von Psychiatrieerfahrenen – und<br />
Angehörigenverbänden.<br />
Die Einstiegsvorträge beleuchteten das<br />
Thema aus unterschiedlichen theoretischen<br />
und praktischen Blickwinkeln. Diese reichten<br />
über die Frage „ wie frei ist der Wille“<br />
über eine Auseinandersetzung von „Selbst-<br />
und Fremdbestimmung“ innerhalb der<br />
Grenzen einer Gesellschaft bis zur Praxis<br />
in der Psychiatrie, die immer wieder die<br />
richtige Balance finden muß zwischen „so<br />
viel Selbstbestimmung wie möglich – so<br />
viel Fremdbestimmung wie nötig“. Prof.<br />
Dr. Bock von der Uni Hamburg Eppendorf<br />
hob hervor, daß der rechtliche Betreuer<br />
das Korrektiv (der die Rechte und mögliche<br />
Selbstbestimmung des Betroffenen einfor-<br />
14 Betreuung heute<br />
für psychisch Kranke<br />
��������������������<br />
����������<br />
����������<br />
������������<br />
�����������<br />
���������������<br />
���������<br />
����������������<br />
��������������������������<br />
���������������<br />
�������������� ���<br />
�����������������������������<br />
dert) sein sollte und nicht nur der Vollstrecker<br />
der Psychiatrie. Arbeitsgruppen am<br />
Nachmittag des ersten Tages versuchten die<br />
Themen in den verschiedenen Praxisfeldern<br />
genauer zu beleuchten.<br />
Am zweiten Tag meldete sich in einem<br />
Vortrag die Geschäftsführende Vorständin<br />
des Bundesverbandes für Psychiatrie-Erfahrene<br />
e.V. zu Wort mit kreativen und provokanten<br />
Thesen, resultierend aus den eigenen<br />
Erfahrungen und den Anliegen vieler<br />
Betroffener. Sie forderte die Fachleute auf,<br />
das Angebot der Hilfen noch mehr auf die<br />
Bedürfnisse der Betroffenen auszurichten,<br />
deren eigene Kompetenz im Umgang mit<br />
der Krankheit zu achten und auch auf die<br />
Selbstheilungskräfte zu vertrauen und diese<br />
zu fördern. Sie sprach sich gegen eine<br />
Psychiatrie der Zwangsmaßnahmen aus.<br />
Dr. Rolf Marschner reflektierte in seinem<br />
Vortrag die Voraussetzungen und Grenzen<br />
der Selbstbestimmung in der Psychiatrie.<br />
Er hob die Auswirkungen hervor, die sich<br />
durch die UN Konvention über die Rechte<br />
behinderter Menschen auf das Betreuungs-<br />
und Unterbringungsrecht zwingend nach<br />
der Ratifizierung durch Deutschland ergeben<br />
werden. In dieser UN Konvention steht:<br />
Krankheit und Behinderung rechtfertigen<br />
weder Einschränkung der Freiheit noch<br />
Zwangsbehandlung.<br />
Es wird sicher Auswirkungen geben auf<br />
das Betreuungsrecht, die Unterbringungsvoraussetzungen<br />
und die entsprechenden<br />
Landespsychiatriegesetze. Welche Änderungen<br />
sich ergeben ist noch nicht so genau<br />
einzuschätzen. Seiner Meinung nach<br />
kann es vermutlich keine Stellvertretung<br />
mehr geben sondern nur noch eine Assistenz.<br />
Den Abschluß der Tagung bildete ein<br />
Vortrag von Dr. Alfred Simon (Akademie für<br />
Ethik in der Medizin) mit dem Thema der<br />
Vorsorge (Behandlungsvereinbarung und<br />
Patienten-verfügung) allgemein sowie für<br />
psychisch Kranke, die seiner Meinung nach<br />
die gleichen Rechte haben wie Menschen<br />
mit anderen Krankheiten.<br />
Im abschließenden Podiumsgespräch, an<br />
dem ich selbst teilnahm, wurde über die<br />
Möglichkeiten diskutiert, die sich durch<br />
Behandlungsvereinbarungen und Patientenverfügung<br />
für psychisch Kranke ergeben.<br />
Alle waren sich einig, daß diese Er-<br />
klärungen Gültigkeit haben, vorausgesetzt,<br />
daß sie zu einem Zeitpunkt verfaßt werden,<br />
wo die „freie Willensbestimmung und Steuerung“<br />
nicht durch eine akute Krankheitsphase<br />
eingeschränkt ist. Dies muß durch<br />
einen Arzt bescheinigt werden.<br />
Dr. Marschner betonte die Gültigkeit der<br />
Verfügung, zeigte auch die Grenzen auf,<br />
wenn eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung<br />
gegeben ist.<br />
Fazit: Auch ein psychisch Kranker hat<br />
das Recht darauf festzulegen, wie und ob<br />
er behandelt werden möchte, muß aber ggf.<br />
geschützt werden, wenn er innerhalb einer<br />
schweren Psychose sein oder das Leben anderer<br />
gefährdet.<br />
Insgesamt wurde bei der Tagung deutlich,<br />
daß das Ringen um Selbstbestimmung<br />
und der Weg in eine „ demokratische<br />
Psychiatrie“ das Anliegen von allen Beteiligten<br />
bleiben muß, ein nicht immer leichter<br />
Weg, der befördert und vorangetrieben wird<br />
durch das erstarkende Selbstbewusstsein<br />
der Betroffenenverbände - und das ist gut<br />
so!<br />
Welche Impulse konkret von der Tagung<br />
ausgehen, kann ich nicht beurteilen. Wenn<br />
die Betroffenen die Möglichkeit der Behandlungsvereinbarung<br />
für das psychiatrische<br />
Krankheitsbild nutzen werden und dies in<br />
großer Zahl (wie es z.B. bei den normalen<br />
Patientenverfügungen bundesweit der Fall<br />
ist) dann wird sich etwas bewegen und verändern.<br />
Die Umsetzung der UN Konvention<br />
in Deutschland wird Veränderungen mit<br />
sich bringen und einen Paradigmenwechsel<br />
einleiten. Welcher, das muss abgewartet<br />
werden.<br />
Angelika Kraus<br />
Betreuungsverein<br />
Bayerische Gesellschaft für<br />
psychische Gesundheit e.V.<br />
Tipp:<br />
Es gibt bereits eine Münchner Behandlungsvereinbarung<br />
die über Müpe Mü<br />
(Münchner Psychiatrie-Erfahrene e.V,)<br />
zu erhalten ist; <strong>als</strong> <strong>pdf</strong> Datei unter<br />
www.muepe.org oder<br />
e-mail: muepe – selbsthilfe@t-online.de<br />
Telefon: 0 89/ 0 0 5