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PR und Journalismus im lokalen Raum. Eine qualitative

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Dorothea Dentler & Stefan Wehmeier<br />

<strong>PR</strong> <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong> <strong>im</strong> <strong>lokalen</strong> <strong>Raum</strong>.<br />

<strong>Eine</strong> <strong>qualitative</strong> Analyse.<br />

Greifswalder Arbeitspapiere zur<br />

Kommunikationswissenschaft<br />

Nr. 1, September 2008<br />

Institut für Politik‐ <strong>und</strong><br />

Kommunikationswissenschaft<br />

Lehrstuhl Kommunikationswissenschaft


Inhalt<br />

1 Einleitung.........................................................................................................................3<br />

2 Zentrale Modelle: Determinationsthese <strong>und</strong> Intereffikationsmodell .....................4<br />

2.1 Determinationsthese ................................................................................................4<br />

2.2 Intereffikationsmodell..............................................................................................7<br />

3 <strong>PR</strong> <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong> in Greifswald ..........................................................................11<br />

3.1 Arbeitsgr<strong>und</strong>lage des Seminars <strong>und</strong> Konzeption der Fragebögen .............11<br />

3.2 Public Relations‐Interviews...............................................................................13<br />

3.2.1 Aufgabenbereiche..........................................................................................14<br />

3.2.2 Rollenverständnis..........................................................................................14<br />

3.2.3 Das Einflussverhältnis zwischen <strong>PR</strong> <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong>..........................14<br />

3.2.4 Kooperation zwischen Journalisten <strong>und</strong> <strong>PR</strong>‐Praktikern .........................16<br />

3.2.5 Wissenschaftliche Modelle in der Praxis ...................................................17<br />

3.3 <strong>Journalismus</strong>‐Interviews....................................................................................18<br />

3.3.1 Rollenverständnis..........................................................................................18<br />

3.3.2 Ökonomische Einflüsse ................................................................................19<br />

3.3.3 Das Einflussverhältnis zwischen <strong>PR</strong> <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong>..........................20<br />

3.3.4 Wissenschaftliche Modelle in der Praxis ...................................................22<br />

3.3.5 Besonderheit des <strong>lokalen</strong> <strong>Journalismus</strong> .....................................................22<br />

4 Zusammenfassung .......................................................................................................23<br />

5 Literaturverzeichnis .....................................................................................................24<br />

2


1 Einleitung<br />

Massenmedien nehmen eine Schlüsselrolle in der Gesellschaft ein. Sie ermöglichen<br />

die gegenseitige Beobachtung funktionaler Teilsysteme wie Wirtschaft, Politik <strong>und</strong><br />

Recht (Makroebene) ebenso wie die gegenseitige Beobachtung unterschiedlicher<br />

Organisationen (Mesoebene). Zudem stellen sie für die einzelnen Rezipienten<br />

Informationen bereit, auf deren Basis individuelle Entscheidungen getroffen <strong>und</strong><br />

Sinn konstruiert wird (Mikroebene). Für die Teilhabe <strong>und</strong> Teilnahme der Indivi‐<br />

duen am öffentlichen Diskurs sind Massenmedien die Voraussetzung schlechthin.<br />

Unter dem Aspekt des Einflusses der Massenmedien auf die Gesellschaft ist es<br />

von kommunikationswissenschaftlichen Interesse einen Blick auf die Entstehung<br />

von Themen zu werfen. Sind die Themen, die massenmedial präsentiert werden,<br />

durch journalistische Recherche entstanden oder durch andere Funktionssysteme<br />

vorselektiert <strong>und</strong> vorstrukturiert? Konkret: Welchen Anteil haben politische, wirt‐<br />

schaftliche <strong>und</strong> andere Public Relations am Endprodukt des massenmedialen<br />

Kommunikationsangebots? Diese Frage wird in der deutschsprachigen Kommuni‐<br />

kationswissenschaft seit den 70er Jahren untersucht <strong>und</strong> kontrovers diskutiert.<br />

Im vorliegenden Arbeitspapier werden <strong>im</strong> ersten Teil die zentralen Modelle<br />

dieser kommunikationswissenschaftlichen Debatte zur Beziehung von Journalis‐<br />

mus <strong>und</strong> Public Relations vorgestellt <strong>und</strong> kritisch beleuchtet. Anschließend wer‐<br />

den <strong>im</strong> zweiten Teil die Ergebnisse eines forschungspraktischen Seminars des<br />

Instituts für Politik‐ <strong>und</strong> Kommunikationswissenschaft der Universität Greifswald<br />

vorgestellt. Im Rahmen dieses Seminars, das <strong>im</strong> Wintersemester 2007/2008 statt‐<br />

gef<strong>und</strong>en hat, haben die Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer in eigenständiger<br />

Arbeit Interviews mit Öffentlichkeitsarbeitern lokaler/regionaler Organisationen<br />

<strong>und</strong> Journalisten der <strong>lokalen</strong>/regionalen Medienlandschaft durchgeführt. Die Be‐<br />

f<strong>und</strong>e dieser empirischen Erhebungen werden in dem vorliegenden Arbeitspapier<br />

zusammengefasst <strong>und</strong> in den Forschungskontext eingeordnet.<br />

3


2 Zentrale Modelle: Determinationsthese <strong>und</strong> Intereffikationsmodell<br />

In den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich zur Erforschung des Verhältnisses<br />

von <strong>PR</strong> <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong> eine der Forschungstraditionen 1 der deutschsprachigen<br />

Kommunikatorforschung herausgebildet. Als Ausgangspunkt dieser Forschungs‐<br />

tradition sind die umfangreichen Arbeiten von Barbara Baerns zu sehen.<br />

2.1 Determinationsthese<br />

Barbara Baerns erforschte während der 70er <strong>und</strong> 80er Jahre in mehreren Studien<br />

das Verhältnis von <strong>PR</strong> <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong> 2 . In diesen Untersuchungen fokussierte<br />

sie die Frage, wie Medien Informationen verarbeiten (selektieren, bearbeiten,<br />

verwerten, kommentieren etc.), die sie von <strong>PR</strong>‐Seite erhalten. Ihrer Forschungs‐<br />

frage liegt dabei eine sehr gegensätzliche Auffassung der gesellschaftlichen<br />

Funktionen der beiden Berufsfelder zugr<strong>und</strong>e. Während der <strong>Journalismus</strong> um<br />

Wahrheit <strong>und</strong> Objektivität bemüht sei <strong>und</strong> der Allgemeinheit diene, sei es Auf‐<br />

gabe der Public Relations die Interessen des Auftraggebers nach außen zu trans‐<br />

portieren, um so deren selbstdarstellenden Informationen an die Öffentlichkeit zu<br />

bringen (Baerns 1991, 1). In Baerns Beschreibung der Beziehung zwischen <strong>PR</strong>‐<br />

Praktikern <strong>und</strong> Journalisten als ein Nullsummenspiel wird deutlich, dass sie die<br />

Kommunikatoren als um Macht <strong>und</strong> Einfluss konkurrierende Akteure versteht. In<br />

dieser Abhängigkeitsdarstellung kann der <strong>Journalismus</strong> nur auf Kosten der <strong>PR</strong>,<br />

oder die <strong>PR</strong> auf Kosten des <strong>Journalismus</strong> an Einfluss gewinnen. <strong>Eine</strong> Kooperation<br />

zwischen den beiden Kommunikatorgruppen wird somit von vorn herein ausge‐<br />

schlossen, <strong>PR</strong> <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong> werden als Kontrahenten konstruiert:<br />

1 Unter Forschungstradition ist hier zu verstehen, dass ein spezifischer Problemkontext über einen langen<br />

Zeitraum hinweg wissenschaftlich bearbeitet wird <strong>und</strong> es zu einem beständigen Wechselspiel aus theore‐<br />

tischer Modellierung <strong>und</strong> empirischer Aufarbeitung kommt. Im Verlauf einer Forschungstradition können<br />

sich Modelle <strong>und</strong> Theorien als überholt erweisen, weiterentwickelt werden oder durch neue Modelle <strong>und</strong><br />

Theorien abgelöst werden. Dies entspricht in etwa dem Begriff der Research Tradition nach Larry Laudan<br />

(1978, 78‐120).<br />

2 In den USA <strong>und</strong> auch in Deutschland sind bereits früher Untersuchungen in diesem Kontext angestellt<br />

worden, allerdings haben erst die Studien von Baerns <strong>im</strong> deutschsprachigen <strong>Raum</strong> einen Forschungsboom<br />

ausgelöst.<br />

4


„Öffentlichkeitsarbeit hat erfolgreich Einfluß geübt, wenn das Ergebnis der<br />

Medienberichterstattung ohne diese Einflußnahme anders ausgesehen hätte.<br />

Andererseits dürfte gesagt werden: <strong>Journalismus</strong> hat erfolgreich Einfluß geübt,<br />

wenn das Ergebnis ohne diesen anders ausgefallen wäre“ (Baerns 1991, 17).<br />

Um ihre Annahmen empirisch zu überprüfen, wertet Baerns Pressemittei‐<br />

lungen <strong>und</strong> weitere auf Pressekonferenzen vermittelte Materialien inhaltsanaly‐<br />

tisch aus <strong>und</strong> vergleicht diese mit der erfolgten Medienberichterstattung (Presse,<br />

Fernsehen, Hörfunk). Die Ergebnisse ihrer Input‐Output‐Studien fasst Baerns in<br />

der Aussage zusammen, dass die Öffentlichkeitsarbeit „Themen <strong>und</strong> T<strong>im</strong>ing der<br />

Medienberichterstattung unter Kontrolle hat“ (Baerns 1991, 3). Sie stellt etwa fest,<br />

dass fast zwei Drittel der Artikel, die <strong>im</strong> Untersuchungszeitraum über die Landes‐<br />

politik von Nordrhein‐Westfalen berichteten, auf schriftliche <strong>PR</strong>‐Informationen<br />

zurückgehen. Auf der Basis ihrer Bef<strong>und</strong>e folgert Barbara Baerns schließlich, dass<br />

Öffentlichkeitsarbeit dazu fähig sei „[...] journalistische Recherchekraft zu lähmen<br />

<strong>und</strong> publizistischen Leistungswillen zuzuschütten“ (Baerns 1991, 99). Den Namen<br />

Determinationsthese prägt Baerns allerdings nicht selbst; diese Bezeichnung wird<br />

erst in der wissenschaftlichen Diskussion um ihre Ergebnisse entwickelt.<br />

Die Determinationsthese ist vielfach kritisiert worden (vgl. z.B. Schantel 2000).<br />

Im Kern der Kritik ist häufig die gr<strong>und</strong>legende Modellierung von <strong>PR</strong> <strong>und</strong> Journa‐<br />

lismus durch Baerns als konkurrierende Beziehung. Des Weiteren interessiert in<br />

Baerns Studien nur die Einflussnahme von Public Relations auf den <strong>Journalismus</strong><br />

(siehe Abb. 1). Durch diese einseitige Analyse der Beziehungsstruktur wird die<br />

Richtung des Einflusses bereits durch die Untersuchungsanlage vorgegeben (vgl.<br />

Schantel 2000, 70‐72). Die Logik des Ansatzes offenbart eine s<strong>im</strong>ple kausale Ver‐<br />

kettung: Ursache (<strong>PR</strong>‐Thema) erzeugt Wirkung (<strong>PR</strong>‐Thema wird zu journalis‐<br />

tischem Thema).<br />

5


Abbildung 1: Modellannahmen Determinationsthese.<br />

Die Determinationsthese hat <strong>im</strong> Fach viele weitere Forschungsarbeiten zur Unter‐<br />

suchung der Einflussnahme der Public Relations auf den <strong>Journalismus</strong> angeregt.<br />

Dabei wurden Baerns Ergebnisse zwar teilweise gestützt, aber auch durch die<br />

Untersuchung intervenierender Variablen differenziert <strong>und</strong> in Frage gestellt. Die<br />

widersprüchlichen Bef<strong>und</strong>e der einzelnen Studien zeugen von der kontroversen<br />

Diskussion über das Verhältnis zwischen <strong>Journalismus</strong> <strong>und</strong> Public Relations<br />

innerhalb der Forschung. Deutlich wird dies besonders an den differierenden<br />

Werten, die Auskunft über den Grad der Determination der Medieninhalte geben,<br />

welche zwischen 18 <strong>und</strong> 65 Prozent liegen <strong>und</strong> somit ein sehr breites Spektrum<br />

abdecken (vgl. Schantel 2000). Als Begründung für diese schwankenden<br />

Determinationswerte können einerseits die einseitige Auswahl der Unter‐<br />

suchungsobjekte angeführt werden, andererseits können aber auch die Unter‐<br />

schiede in der Methodik der einzelnen Studien eine Auswirkung auf die Resultate<br />

dieser haben. Zudem finden in den Studien einflussnehmende Variablen in unter‐<br />

schiedlichem Maße Berücksichtigung.<br />

6


2.2 Intereffikationsmodell<br />

In Rahmen der Determinationsforschung wurde vor allem der <strong>PR</strong>‐Einfluss auf den<br />

<strong>Journalismus</strong> untersucht; dies stellt jedoch nur eine der möglichen Einfluss‐<br />

richtungen dar. Günter Bentele, Tobias Liebert <strong>und</strong> Stefan Seeling vermuten, dass<br />

auch eine Reihe von Einflüssen des Mediensystems auf die Öffentlichkeitsarbeit<br />

existieren. Um empirisch untersuchen zu können „[…] in welchem Ausmaß, in<br />

welchen Situationen, in welcher Ausprägung <strong>und</strong> in welchen Berichterstattungs‐<br />

bereichen [...] diese gegenseitigen Einflussnahmen ablaufen“ (Bentele/Liebert/<br />

Seeling 1997, 239), erscheint ihnen ein neutrales Modell notwendig, auf dessen<br />

Gr<strong>und</strong>lage es möglich ist die gegenseitigen Einflussbeziehungen ohne bewertende<br />

Ausgangsannahmen herauszustellen.<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage des soziologischen Arenenmodells von Friedhelm<br />

Neidhardt (1994) entwickeln Günter Bentele et al. 1997 das Intereffikationsmodell<br />

(siehe Abb. 2). 3 Die beiden Handlungsfelder <strong>PR</strong> <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong> werden von<br />

den Autoren als „[...] komplexes Verhältnis eines gegenseitig vorhandenen Einflusses,<br />

einer gegenseitigen Orientierung <strong>und</strong> einer gegenseitigen Abhängigkeit zwischen<br />

zwei relativ autonomen Systeme [sic!] […]“(Bentele/Liebert/Seeling 1997, 240)<br />

begriffen. Den Zusammenhang zwischen dem <strong>Journalismus</strong> <strong>und</strong> den Public<br />

Relations bezeichnen die Autoren als Intereffikation: gegenseitige Ermöglichung<br />

(vgl. Bentele/Liebert/Seeling 1997, 240). Das Kunstwort soll verdeutlichen, dass die<br />

Kommunikationsleistungen jeder Seite erst durch die Existenz der jeweils anderen<br />

Seite ermöglicht werden. Denn Public Relations können – so die Setzung, die die<br />

Autoren vornehmen – nur mit Hilfe des <strong>Journalismus</strong> Publizität erreichen <strong>und</strong><br />

damit Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erlangen. Umgekehrt ist der Journa‐<br />

lismus ebenso auf die Public Relations angewiesen, da dieser ohne die Zuliefer‐<br />

<strong>und</strong> Kommunikationsleistung der <strong>PR</strong>‐Akteure seiner Informationsfunktion nicht<br />

ausreichend nachkommen könne. Aufgr<strong>und</strong> der Komplexität gesellschaftlicher<br />

3 Bentele/Nothhaft (2004) <strong>und</strong> Bentele/Seidenglanz (2005) entwickelten das Modell theoretisch <strong>und</strong> empirisch<br />

weiter.<br />

7


Prozesse <strong>und</strong> Geschehnisse sowie dem wachsenden zeitlichen <strong>und</strong> ökonomischen<br />

Effizienzdruck in den Medien, wäre es dem <strong>Journalismus</strong> ohne der Zulieferung<br />

von <strong>PR</strong>‐Material in einer modernen Gesellschaft nicht mehr möglich die Themen<br />

in der bestehenden Vielfalt <strong>und</strong> Breite ausreichend zu erfassen.<br />

Das Intereffikationsmodell umfasst drei Strukturebenen: Erstens werden alle<br />

<strong>PR</strong>‐Handlungen/‐Kommunikationen aggregiert auf Systemebene dargestellt <strong>und</strong><br />

einer adäquaten Systemebene <strong>im</strong> <strong>Journalismus</strong> gegenübergestellt (Makro). Auf<br />

der organisatorischen Ebene werden die Beziehungen zwischen Redaktionen <strong>und</strong><br />

Abteilungen beleuchtet (Meso) <strong>und</strong> auf der individuellen Ebene stehen Journalis‐<br />

ten <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeiter als einzelne Akteure <strong>im</strong> Fokus (Mikro).<br />

Abbildung 2: Intereffikationsmodell: Bentele/Liebert/Seeling (1997), S. 242.<br />

Hier entnommen aus Wehmeier (2008).<br />

Die Einflussnahme der beiden Kommunikatoren auf die jeweils andere Seite kann<br />

in Form von Induktion oder Adaption stattfinden. Induktionen lassen sich als<br />

„[…] intendierte, gerichtete Kommunikationsanregungen oder ‐einflüsse [...]“<br />

(Bentele/Liebert/Seeling 1997, 241) definieren, die beobachtbare Auswirkungen <strong>im</strong><br />

jeweils anderen System haben. Adaptionen hingegen stellen eine indirekte Beein‐<br />

8


flussung dar, die sich in Form einer Anpassungshandlungen kommunikativ <strong>und</strong><br />

organisatorisch an der anderen Seite orientieren. <strong>Eine</strong> Adaption verfolgt das Ziel,<br />

durch Anpassung am jeweils anderen Kommunikator, den eigenen Kommunika‐<br />

tionserfolg zu steigern. Induktions‐ <strong>und</strong> Adaptionsprozesse finden auf beiden<br />

Seiten gleichzeitig statt <strong>und</strong> beeinflussen sich dadurch wiederum gegenseitig.<br />

Die induktiven <strong>und</strong> adaptiven Kommunikationsprozesse der beiden Systeme<br />

gliedert das Intereffikationsmodell in drei D<strong>im</strong>ensionen: <strong>Eine</strong> psychisch‐soziale,<br />

eine Sach‐ <strong>und</strong> eine Zeitd<strong>im</strong>ension. Innerhalb der psychisch‐sozialen D<strong>im</strong>ension<br />

stehen persönliche Beziehungen <strong>im</strong> Mittelpunkt der Analyse. Hierzu zählen bei‐<br />

spielsweise interpersonaler Vertrauensauf‐ <strong>und</strong> abbau. In der sachlichen D<strong>im</strong>en‐<br />

sion finden seitens der Public Relations Induktionsprozesse statt, indem Presse‐<br />

mitteilungen verschickt <strong>und</strong> Pressekonferenzen gehalten werden. Journalisten<br />

nehmen – so die Argumentation von Bentele/Liebert/Seeling durch die Selektion,<br />

Bearbeitung <strong>und</strong> die Platzierung des <strong>PR</strong>‐Materials ebenfalls gerichteten Einfluss<br />

auf die Öffentlichkeitsarbeiter. Durch gezielte, kritische Berichterstattung ist es<br />

den Journalisten unter Umständen sogar möglich, eine Pressekonferenz zu<br />

erzwingen <strong>und</strong> somit Einfluss auf die Öffentlichkeitsarbeiter auszuüben. Um die<br />

Selektionschancen einer Pressemitteilung zu steigern, passt sich die Öffentlich‐<br />

keitsarbeit gleichzeitig an den <strong>Journalismus</strong> an, indem Nachrichtenfaktoren wie<br />

Aktualität, Relevanz, Überraschung oder Prominenz beachtet werden <strong>und</strong> die<br />

Präsentation der Pressemitteilung möglichst hochwertig <strong>und</strong> interessant gestaltet<br />

wird. In der zeitlichen D<strong>im</strong>ension sind Induktionen <strong>und</strong> Adaptionen in Bezug auf<br />

organisatorische <strong>und</strong> zeitliche Arbeitsroutinen auszumachen. <strong>PR</strong>‐Praktiker passen<br />

sich beispielsweise an zeitliche Routinen, wie den Redaktionsschluss <strong>im</strong> Medien‐<br />

system, an. Diese Medienlogik, an der sich das <strong>PR</strong>‐System orientiert, wird vom<br />

<strong>Journalismus</strong> <strong>im</strong> Sinne einer Induktion durch die Periodizität einer Zeitung oder<br />

den bereits genannten Redaktionsschluss vorgegeben. Anhand dieses Beispiels<br />

wird erkennbar, dass es sich bei den Prozessen der Induktion <strong>und</strong> der Adaption<br />

häufig um die zwei Seiten einer Medaille handelt.<br />

9


Diese gegenseitigen Beeinflussungsformen können in den verschiedenen D<strong>im</strong>en‐<br />

sionen unterschiedlich stark ausgeprägt sein; sie verteilen sich <strong>im</strong> Intereffikations‐<br />

modell demnach nicht symmetrisch. Ausdrücklich weisen die Autoren in der<br />

Originalstudie <strong>und</strong> auch später noch darauf hin, dass es sich nicht um ein<br />

Gleichgewichtsmodell handeln würde (vgl. Bentele/Liebert/Seeling 1997, 242;<br />

Bentele/Nothhaft 2004). Bezüglich der Einflussnahme forciert das Modell nicht die<br />

Analyse einer Machtbeziehung, sondern macht die Untersuchung verschiedener<br />

Einflussbeziehungen möglich. Das Modell ist einerseits in der Lage die bisherigen<br />

Erkenntnisse der empirischen Forschung zu integrieren, andererseits verweist es<br />

auch auf die Einseitigkeit des Determinationsansatzes.<br />

Zu Recht ist kritisiert worden, dass das Intereffikationsmodell bisher den<br />

Nachweis schuldig geblieben ist, auf der Makroebene Gültigkeit zu besitzen (vgl.<br />

Schantel 2000, 77‐78). Die Autoren knüpfen hier kritiklos an die nicht stringent<br />

durchdachte Konzeption von <strong>PR</strong> als funktionalem Teilsystem von Ronneberger/<br />

Rühl (1992) an <strong>und</strong> bringen selbst keinerlei Belege für die Ausdifferenzierung<br />

eines eigenständigen <strong>PR</strong>‐Systems. Auch die Gr<strong>und</strong>lagen des Systems werden nicht<br />

geklärt: Handelt es sich um ein Kommunikationssystem oder um ein Handlungs‐<br />

system? Da die weiteren Ausführungen des Intereffikationsmodells handlungs‐<br />

theoretisch geprägt sind, ist zu vermuten, dass mit dem System <strong>PR</strong> kein funktiona‐<br />

les Teilsystem der Gesellschaft <strong>im</strong> Luhmannschen Sinne, sondern eher eine Aggre‐<br />

gatebene von Handlungen gemeint ist.<br />

Kritisiert wird zudem die Setzung, dass <strong>PR</strong> nicht ohne <strong>Journalismus</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Journalismus</strong> nicht ohne <strong>PR</strong> existieren könne (vgl. Ruß‐Mohl 1999, 169‐170). Auch<br />

diese Kritik ist gerechtfertigt, da sich beide Seiten des Modells zwar faktisch<br />

häufig <strong>im</strong> Arbeitsalltag begegnen, aber es durchaus nicht selten vorkommt, dass<br />

z.B. <strong>PR</strong> ohne <strong>Journalismus</strong> Öffentlichkeit erreicht – <strong>PR</strong> verfügt etwa über eigene<br />

Medien (K<strong>und</strong>enzeitschriften, Mitarbeiterzeitungen, Internet etc.) <strong>und</strong> erreicht<br />

somit unterschiedliche Teilöffentlichkeiten auch direkt <strong>und</strong> nicht nur massen‐<br />

medial vermittelt. Auch der <strong>Journalismus</strong> ist nicht <strong>im</strong>mer zwingend auf <strong>PR</strong>‐<br />

10


Informationen angewiesen, Recherche ist auch ohne die Zuarbeit einer <strong>PR</strong>‐Abtei‐<br />

lung denkbar (<strong>und</strong> in der Praxis vorfindbar).<br />

Die Diskussion um diese beiden <strong>im</strong> deutschsprachigen <strong>Raum</strong> dominierenden<br />

Modelle 4 der <strong>PR</strong>‐<strong>Journalismus</strong>‐Forschung ist nach wie vor hochaktuell, wie diver‐<br />

se Veröffentlichungen zeigen (Fleiter 2007; Hoffjann 2007; Riesmeyer 2007). Wir<br />

werden an dieser Stelle die Modelldiskussion <strong>und</strong> ‐kritik nicht vertiefen 5 , sondern<br />

die Modelle als Ausgangspunkt einer kleinen <strong>qualitative</strong>n Studie <strong>im</strong> Greifswalder<br />

<strong>Raum</strong> nehmen.<br />

3 <strong>PR</strong> <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong> in Greifswald<br />

3.1 Arbeitsgr<strong>und</strong>lage des Seminars <strong>und</strong> Konzeption der Fragebögen<br />

Ausgehend von den oben <strong>im</strong> Text beschriebenen Gr<strong>und</strong>modellen hatte sich das<br />

Seminar „<strong>PR</strong> <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong>: Theoretische Gr<strong>und</strong>lagen, empirische Daten <strong>und</strong><br />

eine forschungspraktische Anwendung“ das Ziel gesetzt, <strong>im</strong> <strong>lokalen</strong> Kontext<br />

herauszuarbeiten wie <strong>PR</strong>‐Manager <strong>und</strong> Journalisten das Beziehungsfeld der bei‐<br />

den Berufsgruppen beschreiben. Dabei sollten Gr<strong>und</strong>lagen ebenso abgefragt wer‐<br />

den, wie derzeitige Entwicklungen: In der jüngsten Repräsentativbefragung von<br />

Journalisten wird etwa deutlich, dass Journalisten trotz steigender Zahl von<br />

Pressemitteilungen kaum eine Gefahr für die Qualität der Berichterstattung sehen<br />

(vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006, 122‐128). Im Folgenden sollen die Bef<strong>und</strong>e<br />

der Interviews zusammengefasst dargestellt <strong>und</strong> mit den Kernaussagen der<br />

wissenschaftlichen Modelle verglichen werden.<br />

Bei der Interpretation der Befragungsergebnisse sollte berücksichtigt werden,<br />

dass die geäußerten Einschätzungen möglicherweise einen Idealzustand wider‐<br />

spiegeln, in dem sich die Journalisten gelbst gerne sehen. Es handelt sich um die<br />

4 Neben Determination <strong>und</strong> Intereffikation gibt es weitere Modelle, wie etwa die strukturelle Kopplung <strong>und</strong><br />

die Interpenetration (vgl. dazu u.a. Hoffjann 2007 <strong>und</strong> Weber 2005).<br />

5 Für eine ausführlichere Kritik der Modellannahmen vgl. Wehmeier (forthcoming).<br />

11


subjektive Sicht der Journalisten, die sich möglicherweise eine Beeinflussung<br />

durch <strong>PR</strong>‐Material nicht zugestehen wollen. Unter diesem Aspekt kann die Befra‐<br />

gung keinen Aufschluss über den tatsächlichen Anteil des <strong>PR</strong>‐Einflusses geben,<br />

sondern lediglich Meinungen wiedergeben.<br />

Die einzelnen Interviews basieren auf einem Fragenkatalog (Leitfragen mit<br />

situativ‐flexibler Auslegung), mithilfe dessen verschiedene Kategorien analysiert<br />

werden können. Um die Einstellungen der Kommunikatoren zueinander systema‐<br />

tisch <strong>und</strong> dennoch flexibel erfragen zu können, wurden unterschiedliche Frage‐<br />

blöcke als einheitliches Gr<strong>und</strong>gerüst für die Interviews entwickelt. Die Struktur<br />

der Interviews wird anhand des Fragenkatalogs deutlich, welcher folgende<br />

D<strong>im</strong>ensionen umfasst:<br />

a) Arbeitserfahrung <strong>und</strong> Aufgabenbereiche des/der Befragten<br />

b) Rollenverständnis<br />

c) Ökonomische Einflüsse<br />

d) Beurteilung des Verhältnisses zwischen <strong>PR</strong> <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong><br />

allgemein<br />

e) Kenntnis von <strong>und</strong> Zust<strong>im</strong>mung zu wissenschaftlichen Modellen:<br />

Determination, Intereffikation<br />

f) Beeinflussung zwischen <strong>Journalismus</strong> <strong>und</strong> <strong>PR</strong> <strong>im</strong> <strong>lokalen</strong> Kontext –<br />

persönliche Erfahrungen<br />

Zu Beginn der Interviews wurden die Journalisten <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeiter zu<br />

ihren bisherigen Arbeitserfahrungen befragt, sie sollten von ihren beruflichen<br />

Tätigkeiten berichten. Anschließend sollten sie <strong>im</strong> zweiten thematischen Block<br />

darstellen, wie sie ihre Rolle in der Gesellschaft beurteilen, worin sie ihre Auf‐<br />

gabenschwerpunkte sehen <strong>und</strong> welche Motivation sie zu ihrem Beruf bewegt. Die<br />

Fragen zum ökonomischen Einfluss betreffen vor allem die Journalisten, da diese<br />

auf die Annahme abzielen, dass der ökonomische Einfluss auf den <strong>Journalismus</strong><br />

12


in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Welche Auswirkung dieses<br />

Phänomen auf den journalistischen Arbeitskontext hat, gilt es zu überprüfen.<br />

Indem die Journalisten über ihr Selbstverständnis berichten, soll analysiert wer‐<br />

den, inwiefern sich der einzelne Journalist als Homo oeconomicus definiert <strong>und</strong><br />

demnach die Max<strong>im</strong>ierung seines eigenen Nutzen verfolgt, oder sich als homo<br />

sociologicus sieht, der seinen Beruf als gesellschaftliche Aufgabe versteht.<br />

Ferner wurden die Befragten aufgefordert, ihre Einschätzung des Verhält‐<br />

nisses zwischen Public Relations <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong> darzustellen, wodurch sie<br />

Stellung zum Beziehungsgeflecht zwischen den beiden Kommunikatoren bezie‐<br />

hen konnten. Dies wurde vertieft, indem die Befragten mit den Kernaussagen der<br />

Determinationsthese <strong>und</strong> des Intereffikationsmodells konfrontiert wurden. Auf<br />

der Gr<strong>und</strong>lage dieser theoretischen Zusammenhänge zwischen dem <strong>Journalismus</strong><br />

<strong>und</strong> der Public Relations, sollten die Journalisten <strong>und</strong> <strong>PR</strong>‐Praktiker dann erläu‐<br />

tern, welches der Modelle ihnen schlüssiger <strong>und</strong> realitätsnäher erscheint. In Bezug<br />

auf das Intereffikationsmodell wurden die Interviewten außerdem zu ihrer<br />

persönlichen Erfahrung mit Adaptions‐ <strong>und</strong> Induktionsprozessen befragt.<br />

Im abschließenden Fragekomplex sollte die Beziehung der beiden Kommuni‐<br />

katoren <strong>im</strong> <strong>lokalen</strong> Kontext untersucht werden – Fragen zu persönlichen Er‐<br />

fahrungen <strong>und</strong> zu üblichen Kontakt‐ <strong>und</strong> Umgangsformen mit Journalisten bzw.<br />

Öffentlichkeitsarbeitern r<strong>und</strong>eten die Interviews ab.<br />

3.2 Public Relations‐Interviews<br />

Als Interviewpartner in dem Arbeitsbereich der Public Relations wurden Frau<br />

Julia Lammertz (LAM) vom Theater Vorpommern, Frau Andrea Re<strong>im</strong>ann (REI)<br />

von der Pressestelle der Stadtverwaltung <strong>und</strong> Frau Claudia Rust (RUS) von der<br />

Riemser Arzne<strong>im</strong>ittel AG befragt.<br />

13


3.2.1 Aufgabenbereiche<br />

Die Aufgabenfelder der befragten Öffentlichkeitsarbeiter umfassen übereinst<strong>im</strong>‐<br />

mend vorrangig das Verfassen von Pressemitteilungen, das Erstellen eines Presse‐<br />

spiegels als Rückmeldung des medialen Erfolgs <strong>und</strong> die Veranstaltung von<br />

Pressekonferenzen. Neben diesen auf die Medien ausgerichteten Arbeitsbereichen,<br />

kommen außerdem Kontaktpflege zu anderen Unternehmen oder Institutionen,<br />

Eventorganisation sowie die Förderung der internen Kommunikation hinzu.<br />

3.2.2 Rollenverständnis<br />

Den Aussagen der interviewten Öffentlichkeitsarbeiter zufolge werden die Werte<br />

der Ehrlichkeit <strong>und</strong> der Wahrheit als Ideal verfolgt. Dementsprechend erwartet<br />

die Gesellschaft nach Einschätzung der befragten <strong>PR</strong>‐Praktiker von ebendiesen,<br />

dass sie über diejenigen Prozesse <strong>und</strong> Geschehnisse ihrer Organisationen, die für<br />

die Bevölkerung von Bedeutung sind, wahrheitsgemäß informieren. Die <strong>PR</strong>‐<br />

Praktiker gehen also davon aus, dass es Aufgabe der <strong>PR</strong> ist, sich <strong>im</strong> Falle einer für<br />

die Gesellschaft relevanten Veränderung um eine umfassend informierende<br />

Berichterstattung zu bemühen.<br />

Bei einem Vergleich zwischen dem Rollenverständnis eines Journalisten <strong>und</strong><br />

dem eines Öffentlichkeitsarbeiters war ein Kommentar besonders interessant<br />

(REI): Hierbei wurde eine klare Trennung zwischen dem Berufsbild des Öffent‐<br />

lichkeitsarbeiters <strong>und</strong> dem des Journalisten vorgenommen, indem es als Aufgabe<br />

eines Journalisten gesehen wird, alle Facetten eines Sachverhalts zu beleuchten,<br />

während <strong>PR</strong>‐Praktiker die Aufgabe zugeschrieben wird, einseitig <strong>im</strong> Sinne der<br />

Organisation für die er/sie arbeitet zu kommunizieren.<br />

3.2.3 Das Einflussverhältnis zwischen <strong>PR</strong> <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong><br />

Der Einfluss der <strong>PR</strong> auf den <strong>Journalismus</strong> kann <strong>und</strong> soll, nach Meinung der<br />

befragten <strong>PR</strong>‐Praktiker, generell <strong>im</strong>mer nur begrenzt erfolgen, da die vom Journa‐<br />

14


listen durchgeführte Recherche wichtig sei für die Sicherung einer neutralen<br />

Berichterstattung. Der <strong>Journalismus</strong> kann nur durch eigene Aktivität in der<br />

Rechercheleistung seine Glaubwürdigkeit bewahren. Deshalb ist diese sowohl <strong>im</strong><br />

Interesse des <strong>Journalismus</strong> als auch <strong>im</strong> Sinne der <strong>PR</strong>.<br />

Dieser Wunsch nach journalistischer Eigenleistung wird besonders be<strong>im</strong><br />

Theater Vorpommern deutlich, indem eigenständige Kritiken zu aktuellen Auf‐<br />

führungen ausdrücklich erwünscht sind. Ganz bewusst werden hier keine direk‐<br />

ten Einflussversuche unternommen (LAM). Im Vorfeld werde jedoch durchaus<br />

mittels unterschiedlicher Kommunikationsinstrumente versucht, eine positive<br />

St<strong>im</strong>mung zu erzielen.<br />

Die <strong>PR</strong>‐Arbeiter sehen demnach zwar die Möglichkeit der Beeinflussung des<br />

<strong>Journalismus</strong>, sind aber an einem Ausnutzen des asymmetrischen Informations‐<br />

verhältnisses nicht interessiert. Insgesamt sehen sie die Einflussnahme auf den<br />

<strong>Journalismus</strong> eher als Arbeitsentlastung für ebendiesen. Dies wird besonders<br />

darin deutlich, dass sich die lokale Zeitung durchaus auch mal bei einem Öffent‐<br />

lichkeitsarbeiter meldet <strong>und</strong> nach zusätzlichen Informationen fragt. Dann wird<br />

versucht, auf die Wünsche der Journalisten einzugehen, um den Einflusserfolg zu<br />

steigern (LAM).<br />

Besonders deutlich ist die Einflussnahme der journalistischen Berichterstat‐<br />

tung bei den Anzeigenblättern erkennbar. Anzeichen für diese Form der Einfluss‐<br />

nahme sehen die Öffentlichkeitsarbeiterinnen unter anderem darin, dass diese die<br />

Inhalte des erhaltenen <strong>PR</strong>‐Materials häufig unbearbeitet als 1:1‐Kopie abdrucken.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> bemühe man sich als Öffentlichkeitsarbeiter beispielsweise<br />

auch um gute Texte in den Pressemitteilungen, damit diese <strong>im</strong> Falle von geringen<br />

personellen <strong>und</strong> zeitlichen Ressourcen unbearbeitet übernommen werden<br />

könnten.<br />

In Hinblick auf ökonomische Faktoren wurde angemerkt, dass die Möglich‐<br />

keiten der Einflussnahme mit der Größe eines Unternehmens steigen. Je größer<br />

15


<strong>und</strong> damit auch bedeutender ein Unternehmen für die Region ist, desto einfacher<br />

wird es, eine Pressemitteilung in den Massenmedien zu platzieren.<br />

3.2.4 Kooperation zwischen Journalisten <strong>und</strong> <strong>PR</strong>‐Praktikern<br />

Die Beurteilung der Zusammenarbeit von Journalisten <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbei‐<br />

tern fällt in den drei Interviews relativ einheitlich aus. Im Idealfall könnte die<br />

Arbeit der beiden Kommunikatoren ineinander greifen, indem Informations‐<br />

beschaffung <strong>und</strong> ‐verarbeitung in enger Zusammenarbeit Hand in Hand gesteuert<br />

werden. Faktisch offenbaren sich jedoch einige Mängel in der gegenseitigen<br />

Kenntnis der Aufgabenbereiche, die etwa durch den Austausch von fachspezi‐<br />

fischem Wissen zwischen Journalisten <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeitern verbessert<br />

werden könnten (RUS). Dies könnte in der Praxis so aussehen, dass <strong>PR</strong>‐Praktiker<br />

von Journalisten an die journalistische Arbeit herangeführt werden, indem ihnen<br />

schreibpraktisches Wissen vermittelt wird. Dadurch könnte gleichzeitig auch das<br />

Verständnis der Journalisten für <strong>PR</strong>‐Praktiker gesteigert werden. <strong>Eine</strong>n Gr<strong>und</strong> für<br />

die verbesserungswürdige Zusammenarbeit sehen die Interviewten u.a. in der<br />

„[...] Gestresstheit der beiden Parteien [...]“ (RUS).<br />

In allen Fällen wird eine enge Kooperation mit der Presse als Strategie<br />

verfolgt. Da die Medienlandschaft in Greifswald auf nur eine Lokalzeitung be‐<br />

schränkt ist, sei die <strong>PR</strong> hier besonders auf eine positive Zusammenarbeit mit eben‐<br />

dieser angewiesen. Die <strong>PR</strong> sei in dieser Konstellation häufig die „Leidtragende“,<br />

falls es zu Konflikten mit den Zeitungsjournalisten kommen sollte (LAM). Das<br />

Verhältnis wird von den befragten <strong>PR</strong>‐Praktikern allgemein als gegenseitige<br />

Abhängigkeit beschrieben. Zum einen sei die <strong>PR</strong> darauf angewiesen, dass Artikel<br />

über ihre Organisation veröffentlicht werden, zum anderen will die Presse<br />

spannende Geschichten schreiben. Daraus ergäbe sich ein Bild von Geben <strong>und</strong><br />

Nehmen zwischen <strong>Journalismus</strong> <strong>und</strong> <strong>PR</strong>. Das Bild wird teils noch erweitert, indem<br />

das Verhältnis als eines zwischen zwei Parteien, die sich „[...] gegenseitig<br />

befruchten [...]“ (LAM) bezeichnet wird. Die <strong>PR</strong> könne demzufolge mit ihrer<br />

16


Tätigkeit der Textaufbereitung als die rechte Hand des <strong>Journalismus</strong> gesehen wer‐<br />

den.<br />

3.2.5 Wissenschaftliche Modelle in der Praxis<br />

Während die These der Determination von den Interviewten abgelehnt wird, st<strong>im</strong>‐<br />

men die <strong>PR</strong>‐Praktiker den Aussagen des Intereffikationsmodells weitgehend zu.<br />

Die Gr<strong>und</strong>aussage dieses Modells, die gegenseitige Ermöglichung von Journalis‐<br />

mus <strong>und</strong> <strong>PR</strong>, konnten sie aus eigener Erfahrung bestätigen. Die Abhängigkeit der<br />

beiden Kommunikatoren zeige sich darin, dass <strong>PR</strong> auf die Publizität durch den<br />

<strong>Journalismus</strong> angewiesen sei <strong>und</strong> dieser ebenso, besonders in personell eng<br />

besetzten Redaktionen, der Zulieferung von Pressemitteilungen bedürfe.<br />

Die von den Interviewten beobachteten Auswirkungen des <strong>Journalismus</strong> auf<br />

die <strong>PR</strong>‐Tätigkeiten werden vor allem in Adaptionsprozessen deutlich. Die Anpas‐<br />

sung der <strong>PR</strong> an den <strong>Journalismus</strong> vollzieht sich einerseits in Bezug auf die<br />

zeitliche Planung der Öffentlichkeitsarbeiter. So werden etwa <strong>im</strong> Theater<br />

Vorpommern gr<strong>und</strong>sätzlich mittwochs die wöchentlichen Mitteilungen versendet<br />

„[...] weil sich das auch für die Medien ganz gut bewährt hat“ (LAM). Des<br />

weiteren orientieren sich die befragten <strong>PR</strong>‐Praktiker an journalistischen Kriterien,<br />

die sich auf Inhalt <strong>und</strong> Form ihrer Pressemitteilungen auswirken. Hierfür wird<br />

unter anderem beachtet, dass die wichtigsten Faktoren einer Nachricht für die<br />

Journalisten schnell erfassbar sind, die Pressemitteilung übersichtlich gestaltet ist<br />

<strong>und</strong> die wichtigsten W‐Fragen beantwortet werden. „Man hält sich an die Gr<strong>und</strong>‐<br />

regeln der journalistischen Arbeit, wenn man veröffentlichen will“ (RUS). Um die<br />

Journalisten zu entlasten, versuche man auf ihre Wünsche einzugehen (LAM).<br />

Bezüglich der Überprüfung der Adaptionsprozesse in der Praxis lässt sich<br />

zusammenfassend festhalten: Allen interviewten <strong>PR</strong>‐Praktikern ist die Anpassung<br />

an den <strong>Journalismus</strong> zur Steigerung des Medienerfolgs in ihrem Arbeitsalltag<br />

geläufig. Der Zusammenhang zwischen Adaption durch die <strong>PR</strong> <strong>und</strong> Platzierung<br />

einer Pressemitteilung wird deutlich wenn erläutert wird, dass eine <strong>PR</strong>‐Prakti‐<br />

17


kerin mit journalistischer Erfahrung die Journalisten aufgr<strong>und</strong> ihres beruflichen<br />

Hintergr<strong>und</strong>s besser bedienen könne, da sie genau wisse was ein Journalist<br />

braucht <strong>und</strong> erwartet (REI).<br />

Neben der zeitlichen <strong>und</strong> sachlichen Anpassungsebene schilderten die Befrag‐<br />

ten vor allem auch Erfahrungen mit induktiven <strong>und</strong> adaptiven Kommunikations‐<br />

handlungen in der psychosozialen D<strong>im</strong>ension. Der persönliche <strong>und</strong> gute Kontakt<br />

zu den Journalisten wird als hilfreich für die <strong>PR</strong>‐Arbeit angesehen: „Man kann mit<br />

einem Journalisten nie genug frühstücken gehen“ (RUS).<br />

3.3 <strong>Journalismus</strong>‐Interviews<br />

Für die <strong>im</strong> Folgenden analysierten Journalisten‐Interviews wurden Reinhard<br />

Amler (AML) von der Ostseezeitung, Nicole Kiesewetter (KIE) von der<br />

Nachrichtenagentur epd , Michael Rauter (RAU), Redakteur be<strong>im</strong> NDR <strong>und</strong><br />

Sabine Schelsky (SCH), Journalistin <strong>und</strong> Geschäftsführerin von Greifswald‐TV<br />

ausgewählt.<br />

3.3.1 Rollenverständnis<br />

Von der gesellschaftlichen Perspektive aus betrachtet, stellte sich in den Inter‐<br />

views heraus, dass sich die Journalisten als Themensetzer in der öffentlichen<br />

Arena sehen <strong>und</strong> sich somit verantwortlich für die öffentliche Wahrnehmung von<br />

Problemen fühlen. Durch die Bearbeitung, Gewichtung <strong>und</strong> Platzierung von<br />

Themen nehmen sich die Journalisten selbst als wichtige Gestalter der öffentlichen<br />

Meinung wahr. Sie bezeichneten sich, in Bezug auf unsere Gesellschaftsstruktur,<br />

als die vierte Macht <strong>im</strong> Staat, deren Aufgabe es sei Kritik an Politik <strong>und</strong> Gesell‐<br />

schaft zu üben. Aus diesem Rollenverständnis heraus geben die Journalisten an,<br />

sich stets um eine sachorientierte, kompetente <strong>und</strong> neutrale Berichterstattung zu<br />

bemühen. Da sich die Bürger über die mediale Berichterstattung ein Bild von den<br />

Prozessen in der Welt machten, legen die befragten Journalisten eine besondere<br />

18


Bedeutung auf eine umfassende Recherche. Es würde stets versucht werden, einen<br />

distanzierten Blickwinkel einzunehmen, um so eine möglichst neutrale <strong>und</strong> emo‐<br />

tionslose Berichterstattung zu sichern. Die Anforderungen an die Neutralität be<strong>im</strong><br />

Verfassen von Artikeln zu erfüllen, sei allerdings nicht <strong>im</strong>mer ganz leicht – ver‐<br />

wiesen wird etwa auf den stets vorhandenen subtilen Einfluss der eigenen Mei‐<br />

nung, den es zu kontrollieren gilt (KIE). Ferner wird hinzugefügt, dass ein Journa‐<br />

list stets versuchen sollte, sich an seine Leserschaft anzupassen. Er sollte berück‐<br />

sichtigen, dass man für eine „[...] Frau <strong>im</strong> Spiegel anders schreiben [muss] als für<br />

die FAZ“ (KIE).<br />

Um journalistisch qualitativ hochwertige Artikel zu erzeugen, wird es zudem<br />

als ebenso wichtig angesehen, dass die Abteilung, die für den redaktionellen<br />

Inhalt verantwortlich ist, von den ökonomischen Bereichen des Medienunter‐<br />

nehmens getrennt arbeitet. Mit einer derartigen Redaktionsstruktur könne einer<br />

manipulativen Beeinflussung der Berichterstattung durch die wirtschaftlichen<br />

Imperative entgegengewirkt werden.<br />

3.3.2 Ökonomische Einflüsse<br />

Bei den Fragen zu den ökonomischen Einflüssen auf die journalistische Arbeit<br />

zeigte sich, dass die Erfahrungen der Journalisten, je nach Struktur ihrer Redak‐<br />

tion <strong>und</strong> je nach finanzieller Lage des Medienunternehmens, differierten.<br />

Die allgemeine finanzielle Lage der Zeitungen wurde als eher schlecht<br />

beschrieben, da die Abonnentenzahlen rückläufig seien (KIE). Finanzielle Eng‐<br />

pässe würden dazu führen, dass Journalisten Werbeverträge eingingen oder als<br />

Zeitungsartikel getarntes Product Placement von der <strong>PR</strong> übernommen würde.<br />

Durch die wirtschaftlichen Probleme kämen <strong>PR</strong> <strong>und</strong> Werbungtreibende <strong>im</strong>mer<br />

mehr in eine Machtposition <strong>und</strong> hätten dadurch höhere Chancen ohne journalis‐<br />

tische Zusatzrecherche übernommen zu werden. Unter dieser schlechten Finanz‐<br />

lage des <strong>Journalismus</strong> leide letztendlich vor allem die Qualität der Artikel (KIE).<br />

Zudem könnten weniger Redakteure als früher beschäftigt werden, weswegen die<br />

19


Redaktionen überlastet wären <strong>und</strong> Meldungen teilweise nicht bearbeitet werden<br />

könnten.<br />

Die einzige Möglichkeit, trotz dieser Problemsituation noch <strong>qualitative</strong>n <strong>und</strong><br />

glaubwürdigen <strong>Journalismus</strong> zu betreiben sei es, die Quellen deutlich zu kenn‐<br />

zeichnen. Dadurch werde für den Leser deutlich erkennbar, ob es sich bei einem<br />

Artikel um redaktionelle Arbeit oder um ein <strong>PR</strong>‐ oder Werbeprodukt handele<br />

(KIE). Ein ganz anderes Bild zeigt sich <strong>im</strong> Interview mit dem Journalisten des<br />

NDR. Der NDR ist eine öffentlich‐rechtlich organisierte Medienanstalt <strong>und</strong> finan‐<br />

ziert sich vorrangig über Gebühren, ist also nicht auf Werbeeinnahmen an‐<br />

gewiesen. Daher bestehe keine Notwendigkeit, aus zeitlicher oder personeller<br />

Ressourcenknappheit auf Pressemitteilungen zurückzugreifen. „Wir müssen nicht<br />

auf Werbeeinnahmen verzichten, weil wir keine Werbeeinnahmen haben“ (RAU).<br />

Die Situation bei der Ostseezeitung wird als ähnlich unabhängig beschrieben,<br />

da die Redaktion finanziell solide ausgestattet sei (AML). Daher sei diese nicht auf<br />

die <strong>PR</strong>‐Zulieferung angewiesen, auch Anzeigenk<strong>und</strong>en käme kein erhöhter Ein‐<br />

fluss zu. Anhand der unterschiedlichen Antworten der befragten Journalisten<br />

zeigt sich, dass diese in Bezug auf den Umgang mit <strong>PR</strong>‐Material sehr unterschied‐<br />

liche Erfahrung gesammelt haben.<br />

Generell war der Zusammenhang zwischen ökonomischen Problemen eines<br />

Medienunternehmens <strong>und</strong> dem Rückgriff auf <strong>PR</strong>‐Material allen Befragten<br />

bekannt.<br />

3.3.3 Das Einflussverhältnis zwischen <strong>PR</strong> <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong><br />

In der Beurteilung des gegenseitigen Einflusses zwischen <strong>PR</strong> <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong><br />

wurde sowohl der mögliche Einfluss von <strong>PR</strong> auf den <strong>Journalismus</strong> als auch die<br />

Einschätzung der Auswirkungen journalistischen Handelns auf die <strong>PR</strong> beleuchtet.<br />

Hinsichtlich des Einflusses durch die Journalisten auf die <strong>PR</strong>‐Praktiker wurden in<br />

den Interviews unterschiedliche Tendenzen erkennbar.<br />

20


<strong>Eine</strong>rseits wird <strong>PR</strong> als durchaus hilfreich <strong>und</strong> legit<strong>im</strong> angesehen, wenn sie als<br />

Sprungbrett für weitere ausführliche Recherche genutzt würde. Das Einfluss‐<br />

potential wird je nach Professionalität des <strong>PR</strong>‐Materials weiter differenziert.<br />

Professionell betriebene Öffentlichkeitsarbeit habe eine stärkere Wirkung auf die<br />

journalistische Arbeit als weniger professionell gestaltetes Material, welches bei‐<br />

spielsweise von Institutionen wie der Kirche oder von Umweltverbänden ausgeht<br />

(KIE). Aufgr<strong>und</strong> der beobachteten Beeinflussungsversuche seitens der <strong>PR</strong> wird<br />

eine strikte Trennung zwischen <strong>PR</strong>/Werbung <strong>und</strong> <strong>Journalismus</strong> empfohlen<br />

(AML). Diese Versuche seien umso erfolgreicher je schlechter die ökonomische<br />

Substanz des Massenmediums ist.<br />

Anders sieht man die Lage be<strong>im</strong> Lokalfernsehen: Hier werden <strong>PR</strong> <strong>und</strong> Journa‐<br />

lismus als parallel arbeitende Systeme aufgefasst, welche beide die Funktion eines<br />

Informationsverteilers inne hätten (SCH). Demzufolge gäbe es keine Konkurrenz<br />

zwischen den Parteien, sondern sie würden sich vielmehr gegenseitig bedingen.<br />

Das Fernsehen scheint in Bezug auf die Verwendung von Pressemitteilungen ein<br />

Spezialfall zu sein, da diese für die Gestaltung eines Berichts in Bild <strong>und</strong> Ton<br />

selten ausreichend informativ sind <strong>und</strong> demzufolge kaum verwendet werden<br />

können.<br />

Die Einschätzung des Einflusses von <strong>Journalismus</strong> auf die <strong>PR</strong> fällt demgegen‐<br />

über einst<strong>im</strong>miger aus. Die befragten Journalisten konnten wenig Auswirkungen<br />

ihrer Arbeit auf die Tätigkeit von <strong>PR</strong>‐Praktikern erkennen. Lediglich in der Provo‐<br />

kation von Stellungnahmen als Reaktion auf eine negative Berichterstattung,<br />

sahen sie Einflussmöglichkeiten.<br />

Im Umgang mit Pressemitteilungen zeigten sich die Journalisten zurückhal‐<br />

tend. Diese würden genau analysiert <strong>und</strong> auf ihren Informationsgehalt hin über‐<br />

prüft werden. Dementsprechend gäbe es zwar Kommunikationsanregungen, aber<br />

keine Einflussnahme durch die <strong>PR</strong> (RAU). <strong>Eine</strong> Übernahme von Inhalten sei nur<br />

dann möglich, wenn aus einer Pressemitteilung eine journalistische Idee ableitbar<br />

ist (AML).<br />

21


3.3.4 Wissenschaftliche Modelle in der Praxis<br />

Die These der Determination wird ähnlich wie von den <strong>PR</strong>‐Praktikern auch von<br />

den Journalisten weitestgehend abgelehnt. Es wird allerdings angemerkt, dass die<br />

<strong>PR</strong> durchaus Versuche der Determination unternehmen würde, man ließe sich<br />

davon jedoch als Journalist nicht beeinflussen.<br />

Demgegenüber bewerteten die befragten Journalisten das Intereffikations‐<br />

modell als die weitaus realistischere Darstellung des Zusammenhangs zwischen<br />

den beiden Parteien. Hinsichtlich der Anpassungsleistung der <strong>PR</strong> an den Journa‐<br />

lismus bestätigten die Journalisten, dass <strong>PR</strong>‐Praktiker genau wüssten, wann sie<br />

sich an wen wenden müssten um platziert zu werden. Aus eigenen Erfahrungen<br />

bestätigten die Journalisten die Orientierung der <strong>PR</strong>‐Praktiker an diversen journa‐<br />

listischen Kriterien, wie etwa W‐Fragen <strong>und</strong> Nachrichtenfaktoren, um ihren<br />

Kommunikationserfolg zu steigern.<br />

Bezüglich der psychosozialen D<strong>im</strong>ension äußerten sich die Journalisten posi‐<br />

tiv über den Austausch <strong>und</strong> den Kontakt mit <strong>PR</strong>‐Experten, sie konnten jedoch<br />

keinen Zusammenhang zwischen persönlichen Kontakten <strong>und</strong> der Positionierung<br />

einer <strong>PR</strong>‐Meldung bestätigen. Die persönlichen Beziehungen dienten nur dem Ab‐<br />

fragen von Informationen, seien also auf rein geschäftlicher Basis zu betrachten.<br />

3.3.5 Besonderheit des <strong>lokalen</strong> <strong>Journalismus</strong><br />

Als Vorteil des regionalen <strong>Journalismus</strong> betonten die Interviewten den nahen<br />

Leserbezug. Zudem vermuteten sie einen anderen Umgang mit <strong>PR</strong>‐Meldungen bei<br />

überregionalen Zeitungen, diese würden viel mehr Nachrichtenagenturmel‐<br />

dungen verwenden. In der Greifswalder Lokalredaktion basierten demgegenüber<br />

nach eigener Einschätzung 90 Prozent der Artikel auf Eigenrecherche.<br />

22


4 Zusammenfassung<br />

Die vorliegende Untersuchung liefert aufgr<strong>und</strong> ihrer methodischen Vorgehensweise<br />

keine repräsentativen Ergebnisse, welche die Determinationsthese <strong>und</strong>/oder das<br />

Intereffikationsmodell stützen oder verwerfen könnten. Dennoch lassen sich<br />

interessante Tendenzen in der Beurteilung des Verhältnisses von Journalisten <strong>und</strong><br />

Öffentlichkeitsarbeitern erkennen.<br />

Bei einer Gegenüberstellung des gesellschaftlichen Rollenverständnisses der beiden<br />

Berufsgruppen wurde deutlich, dass sowohl Journalisten als auch <strong>PR</strong>‐Praktiker ihre Auf‐<br />

gabe in der Informationsfunktion für die Gesellschaft sehen. Der einzige Unterschied liegt<br />

dabei, sofern er überhaupt benannt wurde, in dem jeweiligen Blickwinkel auf die<br />

Geschehnisse.<br />

Hinsichtlich der Zusammenarbeit der beiden Kommunikatorgruppen konnten sehr<br />

divergierende Perspektiven festgestellt werden. Während die Öffentlichkeitsarbeiter das<br />

ideale Verhältnis in der Kooperation sahen, sprachen die Journalisten von der Gefahr<br />

steigender Beeinflussungsversuche durch die <strong>PR</strong>, von der sie sich jedoch selbst nicht<br />

betroffen fühlten.<br />

Die Forschungsmodelle scheinen bei den befragten Journalistinnen/Journalis‐<br />

ten <strong>und</strong> <strong>PR</strong>‐Managerinnen eine recht klare Meinungstendenz in Richtung einer<br />

Favorisierung des Intereffikationsmodells auszulösen. Inwieweit dies auf eine<br />

stärkere Realitätsnähe des Intereffikationsmodells deutet, oder lediglich einer<br />

größeren sozialen Erwünschtheit des Intereffikationsmodells geschuldet ist, kann<br />

jedoch – wie bei allen Befragungen – nicht geklärt werden. Sowohl für die Journa‐<br />

listen, als auch für die <strong>PR</strong>‐Manager dürfte letztlich das Intereffikationsmodell in<br />

seiner Gr<strong>und</strong>aussage angenehmer, weil neutraler, sein. Ein Zutreffen von Deter‐<br />

mination würde für die Journalisten bedeuten, dass sie ihrer Kritik‐ <strong>und</strong> Kontroll‐<br />

funktion, der sie sich zumeist verpflichtet fühlen, nicht gerecht werden. Für die<br />

<strong>PR</strong>‐Manager bedeutete es wiederum, sich dem alten Vorwurf der he<strong>im</strong>lichen<br />

Verführung (Packard 1963) aussetzen zu müssen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist eine<br />

Ablehnung der Determinationsthese aus der Perspektive beider Kommunikatoren<br />

durchaus verständlich <strong>und</strong> demzufolge auch naheliegend.<br />

23


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Jonas Döring Georg Feitscher Cornelia Häußler<br />

Janina Hentschel Kirsten Huß Doreen Kammlodt<br />

Anne Kokoschko Katharina Köhler Katja Krohn<br />

Gesine Liersch Marianne Mutzbauer Kerstin Raschke<br />

Michael Sülflow Nicole Tenbusch Anne Thal<br />

26

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