Wissen auf Wanderschaft - Mikado

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esidenz 2.0 nennt Architekt Pieter Weijnen sein ungewöhnliches Holzwohnhaus in Amsterdam. Es steht auf Steigereiland, einer von sieben künstlich angelegten Inseln im Osten der Stadt. Der auch als Schwarzes Haus bekannte Viergeschosser ist in eine typisch niederländische Baulücke mit 6 m Breite und 12 m Tiefe eingepasst und die optimierte Version eines vorangegangenen Prototypen. Weijnen hatte für seine Familie bereits 2007 ein experimentelles Energiesparhaus gebaut: die Residenz 1.0, ebenfalls auf Steigereiland. Schon damals galt das Gebäude als Paradebeispiel für den Einsatz nachhaltiger Technologien. Es war quasi das Aushängeschild der in den Niederlanden für energieeffizienten Wohnbau bekannten Faro Architekten. Weijnen war damals einer von vier Faro-Partnern, hat dann aber mit Upfrnt ein weiteres Architekturbüro gegründet, das sich nur dem energieeffizienten Bauen widmet. Der Nachfolgebau sollte die Ressourcen- und Energieeffizienz des ersten Hauses noch übertreffen und darüber hinaus dem sog. „Cradle-to- Cradle-Prinzip“ entsprechen. „Cradle to Cradle“ bedeutet: Ressourcennutzung ohne Abfall – ein technischer und biologischer Endloskreislauf von Rohstoffen. Ziel der Residenz 2.0 war, 58 Holzwelten Internationaler Holzbau Energieneutralität durch aktive und passive Energiegewinnung zu erreichen und den CO 2 -Ausstoß auf null herunterzufahren. Gleichzeitig freute sich der Bauherr als sein eigener Architekt, viele fantasievolle Entwurfsideen umzusetzen und dabei das Ökologische mit dem Stilvollen zu verbinden. Brettsperrholz und ein frisch gefällter Baum Als Baumaterial kam in der Residenz 2.0 vor allem Holz zum Einsatz. Passgenau zugeschnittene Brettsperrholz- Elemente bilden die Hausabschlusswände, die Innenwände und die Geschossdecken. Mit diesen flächigen Bauteilen hat Weijnen das ganze Erdgeschoss als offene, stützenfreie Wohnküche gestaltet. Beim Eintreten ins „Schwarze Haus“ steht man bereits mittendrin und staunt über die unerwartete Großzügigkeit des Raumes, die man bei Reihenhäusern dieser Größenordnung nicht erwartet. Das liegt unter anderem auch an dem Zwischengeschoss, das auf der einen Seite aus der Längswand ragt und auf der anderen auf einem von der Decke abgehängten Baumstamm liegt – wie auf einer Schaukel. Der Baum stammt aus der benachbarten Prinsengracht. Dort musste er wegen Restaurierungsarbeiten am maroden Quai gefällt werden. Als Weijnen das bemerkte, wollte er ihn sogleich für mikado 12.2011 ▴ Ein mit StahlseilenabgehängterBaumstamm trägt eine organisch geformte Wohngalerie Der Baum- ▸ stamm ist entrindet und seine äste sind erst kurz vor der Fensterscheibe abgesägt sein Projekt als Tragbalken einsetzen – und bekam ihn. Der Rest des Hauses organisiert sich um diesen zentralen Bereich, von dem aus eine Treppe über eine Zwischengalerie in das Mezzanin führt. Hier sitzt man wie auf einer Empore. Die Glasbrüstungen geben den Blick in den umgebenden Raum frei. In den beiden Obergeschossen sind die Schlafzimmer untergebracht, die im Gegensatz zum Wohnraum unverändert von der Residenz 1.0 übernommen wurden, und der zentral gelegene Technikraum. Auf die insgesamt vier Etagen verteilen sich 248 m 2 Wohnfläche. Alte Holzpfähle von der Schiffsanlegestelle Bei der Errichtung der Tragstruktur des Hauses wurden zuerst über zwei Geschosse hohe Wandtafeln an die angrenzenden Gebäudetrennwände gestellt und darauf „Decke – Wände – Decke – Dach“ gestapelt und montiert. Der Baum ist an drei in Deckenebene eingebauten Stahlträgern abgehängt, die von Längswand zu Längswand spannen. Da sich Decken und Wände nur zum Teil selber aussteifen, kamen für die erforderliche Gesamtaussteifung zwei alte Balken – ehemalige Holzpfähle zum Festmachen von Schiffen aus dem Fluss IJ – zum Einsatz. Sie wurden an den Schmalseiten des
Hauses als Streben vor den Fassaden eingebaut und reichen über zwei Geschosse. Die speziell entwickelten Fassaden-Elemente tragen ebenfalls zur Aussteifung bei. Passivhausstandard durch Hightech-Elemente Um Passivhausstandard zu erreichen, setzte Weijnen auf Luftwärmetauscher in Kombination mit einer hochwärmegedämmten Gebäudehülle mit Dreifachverglasung sowie Vakuum-Isolations-Paneele (VIP) im Fundament und Aerogeldämmung in verschiedenen Fassadenbereichen im Dachgeschoss. So ist in die Außenwände eine 30 cm dicke Holzfaserdämmschicht integriert und die Dachelemente aus Doppel-T-Holzträgern sind mit 40 cm Zellulosedämmung ausgeblasen. Mit einer präzisen Detail- und Ausführungsplanung ließen sich Wärmebrücken vermeiden und alle Wand- und Deckenanschlüsse luftdicht ausführen – bis hin zur „bestgedämmten Katzenklappe der Welt“, wie Weijnen schmunzelnd ergänzt. Damit auch die Außenwand- bzw. Fassadenelemente optimal luftdicht sind, wurden sie in der Fensterfabrik samt Verglasungen komplett vorgefertigt. Ein 2 m unter dem Haus eingebauter Sole-Erdreich-Wärmetauscher wärmt die Außenluft vor, ehe sie in ▴ Die mächtigen Holzbalken sind recycelt und stammen von einer Schiffsanlegestelle. Sie dienen dazu, das aus Brettsperrholz gebaute Haus in Querrichtung diagonal auszusteifen Längsschnitt Schlafzimmer Bad Gästezimmer Kinderzimmer Wohngalerie Essküche Arbeitsgalerie www.mikado-online.de 59 Technik Kinderzimmer
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