Felgenreport Teil 1: Ein Netzwerk 3/2006 - Reifenpresse.de
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Markt Felgen + Marketing Tuning<br />
Beim „King of Caps“<br />
In <strong>de</strong>r Stadt Nanhai, in einer Seitenstraße, ist<br />
über mehrere Etagen und Häuser ein Geflecht<br />
von Räumen verteilt, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r „King<br />
of Caps“ sein Reich hat, <strong>de</strong>r „König <strong>de</strong>r Kappen“<br />
für Autofelgen, wie er von <strong>de</strong>n Felgenherstellern<br />
in China genannt wird. Wobei es<br />
eigentlich zwei Könige sind, <strong>de</strong>nn das 1984<br />
gegrün<strong>de</strong>te Geschäft namens „Jiujiang Shun<br />
Fa Mould & Die Factory“ (auf <strong>de</strong>n Visitenkarten<br />
weichen die Schreibweisen schon mal ab)<br />
gehört zwei Brü<strong>de</strong>rn. „Ich bin für das Herz zuständig,<br />
mein Bru<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Kopf“, lässt einer<br />
<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n übersetzen (Englisch sprechen<br />
sie wie viele an<strong>de</strong>re Unternehmer und Spitzenmanager<br />
nicht!). Wobei anzumerken ist,<br />
dass viele chinesische Betriebe von Brü<strong>de</strong>rn<br />
geführt wer<strong>de</strong>n, bemerkenswert die Antwort,<br />
warum dies so sei: „Von einer Ehefrau kann<br />
man sich schei<strong>de</strong>n lassen, einen Bru<strong>de</strong>r hat<br />
man sein Leben lang.“<br />
In einem Gewirr aus Räumen und auf ca.<br />
5.000 Quadratmetern Fläche befan<strong>de</strong>n sich<br />
beim Besuch <strong>de</strong>r NEUE REIFENZEITUNG<br />
die Produktionsräume, inzwischen ist die Fabrik<br />
umgezogen in völlig neue Hallen am Ran<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Stadt. Das Wohnhaus für die Arbeiter<br />
– wie bei vielen an<strong>de</strong>ren chinesischen Fabrik<br />
wohnen sie in direkter Nachbarschaft <strong>de</strong>r Pro-<br />
68<br />
duktion – stand bereits, die Kantine<br />
auch und ebenso <strong>de</strong>r Basketballplatz<br />
für die Belegschaft. Doch<br />
die Fabrik selbst war noch eine<br />
Baustelle.<br />
Zurück ins „alte Werk“: Dort<br />
produzierten ca. 450 Mitarbeiter,<br />
Jahreskapazität mehr als fünf Millionen<br />
Kappen und ebensoviele Logos.<br />
Die Räumlichkeiten mögen<br />
erschrecken und legen unwillkürlich<br />
das Wort „Chaos“ nahe, das<br />
Equipment verblüfft: CNC-Maschinen,<br />
digitale Drehmaschinen,<br />
Salzspraytester usw. – alles da. Von<br />
<strong>de</strong>n 450 sind drei Dutzend bestens<br />
ausgebil<strong>de</strong>te Formenbauer,<br />
Techniker und Ingenieure. Kun<strong>de</strong>n<br />
sind die chinesischen Felgenhersteller,<br />
aber auch die Autobauer selbst. Exportiert<br />
wird nach Japan, Indonesien, Australien, in die<br />
Vereinigten Staaten und auch nach Deutschland.<br />
Mit <strong>de</strong>r neuen Fabrik soll die Kapazität<br />
verdoppelt wer<strong>de</strong>n, wobei sich die Anzahl <strong>de</strong>r<br />
Mitarbeiter fast halbieren wird. Und schon<br />
jetzt weiß <strong>de</strong>r „King of Caps“, dass er zu klein<br />
baut. Er habe bereits Aufträge aus <strong>de</strong>r Erstausrüstung<br />
ablehnen müssen und das<br />
Die Volksrepublik China in Stichworten<br />
Dass die Volksrepublik China oftmals mit Europa<br />
verglichen wird und nicht mit einem einzelnen<br />
Land, hat zwar auch etwas mit <strong>de</strong>r Größe<br />
<strong>de</strong>s Riesenreiches zu tun (9,6 Millionen<br />
Quadratkilometer), aber auch damit, dass im<br />
Nor<strong>de</strong>n Chinas eine an<strong>de</strong>re Volksgruppierung<br />
lebt als im Sü<strong>de</strong>n und im Osten ein an<strong>de</strong>rer<br />
Menschenschlag als im Westen – ganz wie in<br />
Europa eben. Dabei gibt es die gleichen Verständigungsprobleme<br />
wie in Europa: Die bei<strong>de</strong>n<br />
Hauptsprachen Kantonesisch und Mandarin<br />
haben ein völlig an<strong>de</strong>res Klangbild, wer<br />
nur die eine Sprache spricht (und das sind die<br />
allermeisten), <strong>de</strong>r versteht die an<strong>de</strong>re überhaupt<br />
nicht. Kurioserweise sind aber sowohl im<br />
Kantonesischen wie im Mandarin die Schriftzeichen<br />
i<strong>de</strong>ntisch.<br />
China ist in <strong>de</strong>n Medien vor allem als Wirtschaftsmacht<br />
sehr präsent. Die (vermutlich<br />
mehr als) 1,3 Milliar<strong>de</strong>n Menschen repräsentieren<br />
einerseits eine gigantische Verbrauchergruppe,<br />
die für Unternehmen interessant<br />
ist. An<strong>de</strong>rerseits stellen sie ein Heer von (ganz<br />
überwiegend relativ billigen) Arbeitskräften<br />
Rä<strong>de</strong>rreport <strong>Teil</strong> 1<br />
Kappen und Linsen – auch für die großen Erstausrüstungskun<strong>de</strong>n<br />
– aus Nanhai<br />
schmerze ihn als Chinesen – <strong>de</strong>m es so unendlich<br />
schwer fällt, einem Kun<strong>de</strong>n einen<br />
Wunsch abzuschlagen – sehr. Mit ca. zehn<br />
Millionen Kappen jährlich und angesichts <strong>de</strong>r<br />
weltweiten Produktion von Aluminiumgussfelgen<br />
ist Shun Fa Weltmarktführer in einer<br />
Größenordnung von etwa sieben bis acht<br />
Prozent.<br />
<strong>de</strong>tlef.vogt@reifenpresse.<strong>de</strong><br />
dar, <strong>de</strong>ren Produkte in einzelnen Segmenten<br />
(Textilien, Kunststoffartikel usw.) bereits <strong>de</strong>n<br />
Weltmarkt dominieren. Hinzuweisen ist auch<br />
darauf, dass das Durchschnittsalter <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />
mit aktuell etwas mehr als 32 Jahren<br />
eher niedrig ist, die gegenwärtig voll im Arbeitsprozess<br />
stehen<strong>de</strong>n Menschen also körperlich<br />
beson<strong>de</strong>rs leistungsfähig sind und das<br />
Arbeitskräftereservoir für sich ansie<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Industriebetriebe<br />
nahezu unerschöpflich ist. Gigantisch<br />
ist <strong>de</strong>r Strom <strong>de</strong>r so genannten Wan<strong>de</strong>rarbeiter,<br />
<strong>de</strong>r auf mehr als hun<strong>de</strong>rt Millionen<br />
Menschen geschätzt wird, wobei es häufig<br />
so ist, dass <strong>de</strong>r Arbeiter nach einigen Jahren<br />
Fabrikarbeit (während <strong>de</strong>r er bereits seine<br />
Daheimgebliebenen unterstützt hat) wie<strong>de</strong>r in<br />
sein Heimatdorf zurückkehrt.<br />
NEUE ReifenZeitung 3/<strong>2006</strong>