gPDF - SFB 580 - Friedrich-Schiller-Universität Jena
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2<br />
ANDREAS<br />
KAPITEL<br />
UMLAND<br />
1<br />
POSTSOWJETISCHE GEGENELITEN UND<br />
IHR WACHSENDER EINFLUSS AUF JU-<br />
GENDKULTUR UND INTELLEKTUELLEN-<br />
DISKURS IN RUSSLAND: DER FALL<br />
ALEKSANDR DUGIN (1990-2004)<br />
von Andreas Umland (Kiev)<br />
In diesem Beitrag wird sich aus vergleichender<br />
Perspektive einer spezifischen Quelle der<br />
Reorientierung russischer Intellektueller und<br />
Jugendlicher nach dem Ende der Sowjetunion<br />
angenähert – den neuen extrem antiwestlichen<br />
Ideologiegebäuden und Formen ihrer Verbreitung.<br />
Ultranationalistische Ideologeme<br />
finden unter den während der<br />
Seite 22 22 Perestroikazeit reformorientierten,<br />
nun jedoch häufig desillusionierten<br />
jüngeren Generationen Russlands zunehmenden<br />
Zuspruch. Während die Verbreitung<br />
manifest faschistischen Gedankengutes<br />
in verschiedenen jugendorientierten Grup-<br />
pierungen, wie den rechtsextremen Parteien,<br />
z.B. der National-Bolschewistischen Partei,<br />
Russischen Nationalen Einheit oder auch der<br />
Skinheadbewegung (Lichačëv 2003; Tarasov<br />
2003; Rogachevski 2004; Lichačëv/Pribylovskij<br />
2005) in den letzten Jahren immer mehr<br />
die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf<br />
sich zieht (Report 2004; Siegl 2005), finden<br />
stärker auf das studentische, akademische und<br />
Intellektuellenmilieu orientierte und äußerlich<br />
„seriöser“ wirkende Projekte weniger Beachtung.<br />
Insbesondere geht es in diesem Beitrag um<br />
die spezifisch russische Ausprägung der im<br />
Europa der letzten Jahrzehnte unter rechtsextremistischen<br />
Intellektuellen an Popularität<br />
gewinnenden Ideologie des Eurofaschismus<br />
(Griffin 1994). Bei dieser Spielart von Faschismus<br />
ist die durch eine revolutionäre<br />
„Neugeburt“ zu reinigende und zu verjüngende<br />
Gemeinschaft nicht mehr eine Nation im<br />
klassischen Sinne. Stattdessen geht es um das<br />
„Erwachen“ und eine allumfassende Palingenese<br />
einer supranationalen Gemeinschaft, der<br />
„europäischen Zivilisation“ beziehungsweise<br />
„europäischen Nation“. Diese wird der angelsächsischen,<br />
vor allem US-amerikanischen<br />
Zivilisation beziehungsweise der Idee einer<br />
universalen Weltgemeinschaft entgegengestellt<br />
(Griffin 1993, 1995).<br />
Obwohl derartige Tendenzen bereits in den<br />
faschistischen Bewegungen der Zwischenkriegszeit<br />
zu beobachten waren (Neulen 1980),<br />
kann erst bezüglich der Periode des Kalten<br />
Krieges von einer umfassenden Supranationalisierung<br />
des westeuropäischen Faschismus<br />
gesprochen werden. Dieser Prozess ging mit<br />
einer Metapolitisierung nachkriegswesteuropäischer<br />
faschistischer Strategie, das heißt einer<br />
Verlegung auf außerparlamentarische, publizis-