Auszüge - Bachmann Verlag
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des hohen und späten Mittelalters bezeugen das Fortleben dieser einstellung,<br />
wenn auch v. a. die städtischen Obrigkeiten versuchten, blutrache<br />
durch ihre rechtsprechung zu ersetzen.<br />
Die eminente wichtigkeit familiärer zusammengehörigkeiten war<br />
auch in der ganzen politischen Geschichte der epoche präsent,<br />
freilich stets aufs neue durchbrochen von inneren Konflikten, von denen<br />
z. b. im Frühmittelalter die rebellionen der söhne der sächsischen<br />
Kaiser oder im hohen Mittelalter die Kämpfe der anjou-Plantagenet<br />
in england und Frankreich und im spätmittelalter die auseinandersetzungen<br />
der beide von den Valois abstammenden häuser Orléans und<br />
burgund besonders bekannt sind. aber die Geschichte jeder italienischen<br />
stadt kannte tatsächlich ihre Montagus und capulets.<br />
Man kann sich diesen Komplex von familiärem zusammenhalt<br />
und die Vorstellung einer familiären ehre am ehesten verdeutlichen,<br />
wenn man an bestimmte Verhaltensweisen denkt, die auch heute<br />
gelegentlich bei Familien aus südosteuropa, oder häufiger aus islamischen<br />
ländern, vorkommen. im späten 6. Jahrhundert, berichtet bischof<br />
Gregor von tours, lebte in le Mans ein Priester, der seine Geliebte,<br />
eine Frau aus „guter Familie“, dazu überredete, als Mann verkleidet<br />
mit ihm in eine andere stadt zu fliehen. „eine lange zeit verging, aber<br />
schließlich erfuhren ihre Verwandten, was geschehen war und beeilten<br />
sich, die erniedrigung ihres Geschlechts (humilitatem generis sui) zu<br />
rächen. sie fanden den Kleriker, fesselten ihn und setzen ihn gefangen,<br />
die Frau aber verbrannten sie im Feuer.“ 1 auch im Mittelalter kam es<br />
v. a. den brüdern zu, über die Keuschheit ihrer schwestern zu wachen,<br />
mit entsprechender Gewalt gegen diese und allfällige ‚entehrer‘ 2 .<br />
F reilich sind auch in diesem Punkt die sozialen Differenzen deutlich.<br />
betrachtet man beispielsweise nur die Verhältnisse im hochmittelalterlichen<br />
Genua, so zeigt sich, daß für eine der dortigen, viele<br />
Mitglieder zählenden adelsfamilien abstammung, waffenhilfe und<br />
handelspartnerschaft die wesentlichen Momente des zusammenhalts<br />
bildeten, während für eine ebendort lebende handwerkerfamilie die<br />
beziehung der ehepartner und die zur nächsten Umgebung und den<br />
zunftgenossen wichtiger war als weiter weg lebende Verwandte 3 . bei<br />
bauern, handwerkern und Kaufleuten waren Familien nicht nur le-<br />
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