Download (PDF, 0.4 MB) - Der Schulden-Kompass
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SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE D | 2. | FAZIT<br />
Fazit<br />
Im Gegensatz zu Elmar Lange zeigen sich bei den biografischen Interviews eindeutige Zusammenhänge<br />
zwischen Herkunftsfamilie und dem späteren Eintreten von Überschuldung. <strong>Der</strong> frühe Verlust<br />
der Vaterfigur durch Trennung, Scheidung oder Tod birgt für männliche Jugendliche die Gefahr der<br />
Desorientierung und erzeugt bei weiblichen Jugendlichen den starken Wunsch nach einer schnellen<br />
Ablösung vom Elternhaus und dem Aufbau eines eigenen Heims.<br />
Die Förderung der finanziellen Allgemeinbildung ist als Grundstock wichtig, aber man muss sich im<br />
Klaren darüber sein, dass emotionelle Botschaften z.B. der Werbung die kognitiven Informationen<br />
überlagern – wenn keine ausreichenden internen und externen Kontrollinstanzen vorhanden sind.<br />
Bestes Beispiel für diesen Prozess ist der Misserfolg der Warnhinweise auf Zigarettenpackungen, partiell<br />
wirksam waren erst drastische Preiserhöhungen. Es wäre zu kurz gegriffen, die Überschuldung<br />
von jungen Erwachsenen mit Begriffen wie „<strong>Schulden</strong>neigung“ oder „kompensatorischem“ bzw.<br />
„demonstrativem Konsum“ erklären zu wollen. Es handelt sich dabei vielmehr um einen komplexen<br />
Prozess des Versuchs der Identitätskonstruktion, dessen Gelingen einer Vielzahl von protektiven<br />
Faktoren bedarf. <strong>Der</strong> Prozess der Modernisierung in der Gesellschaft schwächt jedoch klassische protektive<br />
Faktoren und erhöht die Zahl der Risikofaktoren. Traditionelle Beziehungsmuster sind einem<br />
fortschreitenden Erosionsprozess ausgesetzt. Jugendliche müssen sich in einer Welt ambivalenter<br />
Bedingungen zurechtfinden, in der das Kleingedruckte (in Handy-Werbung, Kreditverträgen etc.)<br />
keine zu vernachlässigende – kleine – Größe ist, sondern zur Normalität des Alltagslebens dazu<br />
gehört.<br />
Vergleicht man überschuldete junge Menschen mit Münchner Berufsschülern im Alter von 20 bis 25<br />
Jahren fällt auf, dass:<br />
• Überschuldete wesentlich häufiger regelmäßig ihre Kontoauszüge überprüfen<br />
• sie doppelt so häufig von Geldsorgen sehr belastet sind<br />
• sie häufiger der Auffassung sind, dass zum Absichern der eigenen Zukunft Verzicht gehört<br />
• sie seltener angeben, dass sie sich zutrauen, ihre Geldangelegenheiten selbst zu regeln<br />
Man kann dieses Einstellungsmuster bei überschuldeten jungen Erwachsenen durchaus im Sinne von<br />
Lernerfahrung interpretieren. In die gleiche Richtung gehen auch die präventiven Ratschläge, die<br />
überschuldete junge Menschen anderen erteilen würden. In ihnen kommt der Wunsch nach einer<br />
Normalbiographie zum Ausdruck:<br />
„Vorsichtiger sein, besser auf Eltern/Erwachsene hören, Einnahmen und Ausgaben unter Kontrolle<br />
halten; Finger weg von den Drogen, Ausbildung abschließen; Nicht den Kopf in den Sand stecken,<br />
sondern sofort alles regeln; Nicht so früh heiraten; Aufpassen, was man unterschreibt; Versuchen,<br />
die größten <strong>Schulden</strong> nicht zu machen; Nichts über den Versandhandel machen; Eine Handykarte<br />
kaufen. Schauen, dass man eine feste Arbeit hat; Führerschein machen; alles im Leben klären, bevor<br />
man sich in <strong>Schulden</strong> stürzt. Aber eigentlich sollte man mit der Bank am Besten gar nichts machen.“<br />
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