02.03.2013 Aufrufe

C Sozialprofile ver- und überschuldeter junger Erwachsener

C Sozialprofile ver- und überschuldeter junger Erwachsener

C Sozialprofile ver- und überschuldeter junger Erwachsener

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

2 0 0 5<br />

Empirische Indikatoren der<br />

privaten Ver- <strong>und</strong> Überschuldung<br />

in Deutschland<br />

Herausgeber: SCHUFA Holding AG


Schulden-Kompass 2005<br />

Empirische Indikatoren der privaten Ver- <strong>und</strong> Überschuldung in Deutschland<br />

Herausgeber: SCHUFA Holding AG


Inhalts<strong>ver</strong>zeichnis<br />

Vorwort 4<br />

I Kern-Ergebnisse <strong>und</strong> Kern-Thesen 2005 6<br />

II Rückblick: Schulden-Kompass 2003 <strong>und</strong> 2004 8<br />

Schulden-Kompass 2005<br />

Einleitung 10<br />

1. Aufgabenstellung 11<br />

2. Zentral diskutierte Begriffe 14<br />

3. Teilanalysen im Überblick 23<br />

4. Datenquellen 25<br />

A Repräsentative Auswertung von SCHUFA-Daten 27<br />

(SCHUFA Holding AG)<br />

A-1 Basis-Analyse<br />

1. Trends der privaten Verschuldung 31<br />

2. Regionale Auswertungen 47<br />

3. Risiko-Modell 62<br />

A-2 Sonder-Analyse: Junge Erwachsene 73<br />

1. Trends der Verschuldung 75<br />

2. Regionale Auswertungen 85<br />

3. Risiko-Modell 94<br />

B <strong>Sozialprofile</strong> <strong>ver</strong>- <strong>und</strong> <strong>überschuldeter</strong> Personen 103<br />

(Prof. Dr. Udo Reifner, Dr. Dr. Gunther E. Zimmermann)<br />

1. Projekt der Datensynchronisation von SCHUFA, SOEP, CAWIN 107<br />

2. Auswertungen auf Basis des Sozioökonomischen Panel (SOEP) 108<br />

3. Auswertungen auf Basis von Schuldnerberatungsdaten (CAWIN) 125<br />

C <strong>Sozialprofile</strong> <strong>ver</strong>- <strong>und</strong> <strong>überschuldeter</strong> <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> 141<br />

(Prof. Dr. Udo Reifner, Dr. Dr. Gunther E. Zimmermann)<br />

1. <strong>Sozialprofile</strong> auf Basis des SOEP-Daten 144<br />

2. Hinweise auf Basis der CAWIN-Pilotuntersuchung 153<br />

D Pilotstudie zur Überschuldung <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> 159<br />

(Dr. Dieter Korczak)<br />

1. Datengr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> Ansatz aus der Entwicklungspsychologie 162<br />

2. Verschuldungsmotivation <strong>und</strong> Lebenslagen <strong>überschuldeter</strong> Jugendlicher 163<br />

3. Exemplarische Überschuldungsbiografien 170<br />

Wissenschaftlicher Projektbeirat 175<br />

Diskussionsbeiträge des Projektbeirats 179<br />

Kommentatoren <strong>und</strong> Expertenhearing 192<br />

Ankündigungen 195<br />

Projekt „Bank <strong>und</strong> Jugend im Dialog“ 196<br />

Studie „Umgang Minderjähriger mit Geld“ 198<br />

Über den Herausgeber SCHUFA Holding AG 200<br />

Glossar 203<br />

Allgemeine Literaturhinweise 209


Vorwort<br />

Sehr geehrte Leser,<br />

der dritte Schulden-Kompass bietet Anlass für eine kurze Rückschau. Welche Erfahrungen konnten<br />

wir sammeln? Was hat es für den Kontext privater Ver- <strong>und</strong> Überschuldung bisher gebracht?<br />

Seit Erscheinen des ersten Schulden-Kompasses im November 2003 ist das öffentliche Interesse zu<br />

Fragen der privaten Ver- <strong>und</strong> Überschuldung außerordentlich gestiegen. Dabei ist einerseits eine<br />

Versachlichung der Diskussion <strong>und</strong> andererseits eine <strong>ver</strong>besserte Datengr<strong>und</strong>lage für die<br />

Schuldnerberatung <strong>und</strong> die Überschuldungsprävention gelungen.<br />

Das weit reichende Echo aus der Öffentlichkeit, der Forschung <strong>und</strong> den Schuldnerberatungsstellen<br />

hat uns darin bestärkt, den Schulden-Kompass von Jahr zu Jahr zu <strong>ver</strong>tiefen <strong>und</strong> zu erweitern. Auch<br />

sind Teilaspekte des Schulden-Kompass 2004 im “ 2. Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsbericht der B<strong>und</strong>esregierung”<br />

aufgenommen worden. Darüber hinaus hat die Arbeit am Schulden-Kompass einen<br />

Impuls gegeben, mit Vertragspartnern der SCHUFA zu diskutieren, ob unter bestimmten Voraussetzungen<br />

einzelne Löschfristen von Negativmerkmalen geändert werden können.<br />

Der Schulden-Kompass <strong>ver</strong>sucht auch in seiner dritten Ausgabe, relevante Indikatoren aus unterschiedlichen<br />

Blickwinkeln aufzuzeigen, sie zu überprüfen <strong>und</strong> schließlich miteinander in Beziehung<br />

zu setzen. Aktuell liegen nun Analysen über einen Zeitraum von drei Jahren vor, die valide<br />

Trendaussagen ermöglichen. Durch die differenzierten statistischen Analysen der SCHUFA <strong>und</strong> das<br />

Aufgreifen dieser Analysen durch die Forschung hat sich uns in den drei Jahren die Komplexität der<br />

Fragen <strong>und</strong> Probleme Schritt für Schritt erschlossen. So war immer klar, dass diese Erfahrungen <strong>und</strong><br />

aktuellen Diskussionen stets Gegenstand des Schulden-Kompasses, aber auch der öffentlichen<br />

Diskussion sein sollten. Diesem Anspruch sind wir treu geblieben. Für den vorliegenden Schulden-<br />

Kompass haben wir führende Experten eingeladen, einzelne Auswertungen zu kommentieren, um<br />

diese dann auch in abgedruckter Kurzform der öffentlichen Diskussion vorzustellen.<br />

Den diesjährigen Themenschwerpunkt bilden Auswertungen über junge Erwachsene. Hintergr<strong>und</strong><br />

ist, dass in den Vorjahren in den <strong>ver</strong>schiedenen Altersgruppen mitunter deutliche Abweichungen der<br />

Verschuldungsphänomene zu beobachten waren. Eine Kernfrage lautet daher: In welchem Umfang<br />

sind junge Erwachsene bereits Kredit<strong>ver</strong>pflichtungen eingegangen, <strong>und</strong> wie haben sich Zahlungsstörungen<br />

<strong>und</strong> auch harte Negativmerkmale wie die Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung entwickelt?<br />

4


Eine Besonderheit des Schulden-Kompasses insgesamt ist die Repräsentativität der Daten: Die<br />

anonymisierte Analyse der SCHUFA-Daten setzt auf einem Gesamtbestand von r<strong>und</strong> 362 Millionen<br />

Datensätzen von r<strong>und</strong> 62 Millionen volljährigen Personen auf. Zu betonen ist aber, dass die SCHUFA<br />

trotz ihres umfangreichen Datenbestands lediglich einige Teilaspekte der Ver- <strong>und</strong> Überschuldung<br />

beleuchten kann.<br />

Weitere relevante Daten, die nicht im Bestand der SCHUFA enthalten sind – wie z. B. die <strong>Sozialprofile</strong><br />

<strong>ver</strong>schuldeter <strong>und</strong> <strong>überschuldeter</strong> Privatpersonen – müssen zusätzlichen, anonymen <strong>und</strong> unabhängigen<br />

Primärerhebungen bzw. aus geeigneten öffentlichen wissenschaftlichen Statistiken entnommen<br />

werden. Um dies zu erleichtern, erprobt der Schulden-Kompass 2005 erste Ansätze zur anonymisierten<br />

Datensynchronisation zwischen den Schulden-Kompass-Analysen <strong>und</strong> dem Sozioökonomischen<br />

Panel.<br />

Wir hoffen, dass wir Ihnen auch mit dem Schulden-Kompass 2005 wieder wertvolle Informationen<br />

<strong>und</strong> Anregungen liefern können <strong>und</strong> wünschen Ihnen eine informative Lektüre.<br />

Prof. Dr. Johannes Hoffmann<br />

Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates des Schulden-Kompass 2005<br />

Rainer Neumann<br />

Vorstandsvorsitzender der SCHUFA Holding AG<br />

5


KERN-ERGEBNISSE | SCHULDEN-KOMPASS 2005<br />

I Kern-Ergebnisse <strong>und</strong> Kern-Thesen<br />

Im Folgenden sind zentrale Ergebnisse aus der aktuellen Auswertung des SCHUFA-Datenbestands<br />

2004 <strong>und</strong> der gesonderten Auswertung über junge Erwachsene (18- bis 24-Jährige) dargestellt. Die<br />

Teilanalysen B <strong>und</strong> C legen auf der Datenbasis von zwei Schuldnerberatungsstellen <strong>und</strong> des<br />

Sozioökonomischen Panel eine erste Gr<strong>und</strong>lage für die Erstellung von <strong>Sozialprofile</strong>n. Teilanalyse D<br />

ergänzt als Pilotstudie die vorangegangenen quantitativen Analysen mit detaillierten Überschuldungsbiografien<br />

<strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong>.<br />

A-1 Auswertung des SCHUFA-Datenbestands<br />

Über den dreijährigen Beobachtungszeitraum von 2002 bis 2004 hat sich in allen Altersklassen der<br />

Anteil von Personen mit mindestens einem Negativmerkmal erhöht. Deutlich ist der Anstieg bei 25bis<br />

29-Jährigen (ca. 18 %) <strong>und</strong> bei 45- bis 49-Jährigen (ca. 25 %). Allerdings haben sich die<br />

Steigerungsraten von 2003 auf 2004 gegenüber 2002 auf 2003 abgeschwächt.<br />

Der Anteil der ausgefallenen Kredite an allen laufenden Krediten hat sich von 2002 auf 2004 über<br />

alle Altersgruppen hinweg erhöht. Die Ausfallquote ist allerdings nach wie vor niedrig <strong>und</strong> liegt in<br />

allen drei Jahren maximal bei 2,80 %.<br />

Insgesamt reicht der Anteil der Personen mit mindestens einem Negativmerkmal im Analysejahr 2004<br />

von 5,51 % in Bayern bis 10,70 % in Berlin. Einen unterdurchschnittlichen Anteil der Personen<br />

mit mindestens einem Negativmerkmal weisen neben Bayern (5,51 %) <strong>und</strong> Baden-Württemberg<br />

(5,96 %) auch die B<strong>und</strong>esländer Sachsen (6,07 %), Thüringen (6,49 %) <strong>und</strong> Hessen (6,92 %) auf.<br />

R<strong>und</strong> 2,6 Millionen Personen der 62 Millionen im SCHUFA-Datenbestand registrierten natürlichen<br />

Personen können als stark überschuldungsgefährdet oder überschuldet eingestuft werden, da harte<br />

Negativmerkmale wie die Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung (EV) oder die Eröffnung eines<br />

Privatinsolvenz<strong>ver</strong>fahrens (PI) vorliegen. In einem von der SCHUFA entwickelten Risikomodell waren<br />

Personen, die 1999 noch einem kritischen Bereich (EV, PI) zuzuordnen waren, fünf Jahre später<br />

zu 31,09 % in einen unbedenklichen Sektor ohne Negativmerkmale gewechselt. Ein Beleg, dass sich<br />

äußerst kritische Finanzlagen nicht dauerhaft <strong>ver</strong>festigen, sondern sich zum Positiven bessern<br />

können.<br />

A-2 Schwerpunkt junge Erwachsene<br />

Bei kleineren Krediten überwiegt der Anteil <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> (Alter 18-24). Zwischen laufenden<br />

Krediten mit Volumina von 5.000 bis 10.000 Euro sind keine wesentlich unterschiedlichen Verteilungen<br />

zwischen den jungen <strong>und</strong> älteren Erwachsenen zu beobachten.<br />

Während es bei den von Banken <strong>und</strong> Handel (inkl. Versandhandel) gemeldeten Zahlungsstörungen<br />

keine wesentlichen Unterschiede zwischen den jungen <strong>und</strong> den älteren Erwachsenen gibt ist der<br />

Anteil der von Telekommunikationsunternehmen gemeldeten Zahlungsstörungen bei jungen<br />

Erwachsenen mit 9,96 % fast doppelt so hoch wie bei den Personen zwischen 25 <strong>und</strong> 65 Jahren.<br />

6


KERN-ERGEBNISSE | SCHULDEN-KOMPASS 2005<br />

Wenn bei jungen Erwachsenen weiche oder harte Negativmerkmale registriert sind, dann haben sie<br />

in 49,96 % dieser Fälle nur ein Negativmerkmal. In über 20 % dieser Fälle haben sie zwei Negativmerkmale<br />

<strong>und</strong> in über 12 % bereits drei Negativmerkmale. Es fällt auf, dass von denjenigen, die<br />

1999 noch einem sehr kritischen Bereich (EV, PI) zuzuordnen waren, fünf Jahre später 26,75 % in<br />

einen eher unbedenklichen Sektor ohne Negativmerkmale gewechselt sind.<br />

Generell kann gefolgert werden: Das Vorliegen eines oder auch mehrerer harter Negativmerkmale<br />

löst gr<strong>und</strong>sätzlich keinen sich <strong>ver</strong>festigenden Zustand aus, da in r<strong>und</strong> der Hälfte der Fälle fünf Jahre<br />

später keine harten Negativeinträge mehr vorlagen. In über 30 % der Fälle lagen fünf Jahre später<br />

weder harte noch weiche Negativmerkmale vor.<br />

B + C <strong>Sozialprofile</strong> <strong>ver</strong>- <strong>und</strong> <strong>überschuldeter</strong> Personen<br />

Teilanalyse B <strong>und</strong> C betrachten, differenziert nach Altersgruppen sowie nach Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen,<br />

Kontextmerkmale die maßgeblich das Überschuldungsrisiko bestimmen. Zu beobachten ist:<br />

Das geringe Überschuldungsrisiko der bei den Eltern lebenden jungen Erwachsenen wird dadurch<br />

geprägt, dass zwei Drittel aller Restschulden bis 7.500 Euro auf diese Wohn- <strong>und</strong> Lebensform entfallen.<br />

In der Regel sind je Altersgruppe die Anteile der <strong>ver</strong>schuldeten bzw. überschuldeten Männer<br />

höher als jene der Frauen. Gr<strong>und</strong>sätzlich ist festzustellen, dass es „den“ Verschuldeten bzw. Überschuldeten<br />

nicht gibt, da sich die <strong>Sozialprofile</strong>, das heißt die charakteristischen Merkmale der<br />

Betroffenen, gr<strong>und</strong>legend unterscheiden. Die Ausführungen weisen darauf hin, dass die Wirtschaftsgemeinschaft<br />

sowie die Stellung von <strong>ver</strong>schuldeten Personen innerhalb eines Haushalts zentrale<br />

Faktoren sind, ob ein Verschuldungsprozess zur Überschuldung führt oder nicht.<br />

D Pilotuntersuchung auf Basis biografischer Interviews<br />

Die Pilotuntersuchung weist auf Zusammenhänge zwischen Herkunftsfamilie <strong>und</strong> dem späteren<br />

Eintreten von Überschuldung hin. These: Der frühe Verlust der Vaterfigur durch Trennung, Scheidung<br />

oder Tod birgt für männliche Jugendliche die Gefahr der Desorientierung <strong>und</strong> erzeugt bei weiblichen<br />

Jugendlichen den starken Wunsch nach einer schnellen Ablösung vom Elternhaus <strong>und</strong> dem Aufbau<br />

eines eigenen Heims. Es wäre daher zu kurz gegriffen, die Überschuldung <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> mit<br />

Begriffen wie „Schuldenneigung“ oder „kompensatorischen“ bzw. „demonstrativem Konsum“<br />

erklären zu wollen.<br />

7


II Rückblick: Schulden-Kompass 2003 <strong>und</strong> 2004<br />

Schulden-Kompass 2003<br />

Anlässlich des 4. Wiesbadener Symposions am 4. November 2003 hat die SCHUFA den ersten<br />

Schulden-Kompass vorgestellt – eine Untersuchung von empirischen Indikatoren der privaten Ver<strong>und</strong><br />

Überschuldung in Deutschland.<br />

Die Untersuchung des SCHUFA-Datenbestands hinsichtlich der Zahlungsstörungen <strong>und</strong> Kreditausfälle<br />

in Deutschland ergab für den Beobachtungszeitraum 1999 bis 2002, dass über sämtliche<br />

Altersgruppen, Branchen, Kredithöhen <strong>und</strong> Kreise hinweg keine signifikante Zunahme der Zahlungsstörungen<br />

<strong>und</strong> Kreditausfälle zu beobachten war. Gleichwohl ließen sich auffällige Zahlungsstörungen<br />

insbesondere in jüngeren Altersgruppen, in einzelnen Regionen, bei Kleinkrediten <strong>und</strong> in der<br />

Telekommunikationsbranche feststellen. Zentrale Aufgabenstellung war es daher nach Veröffentlichung<br />

des ersten Schulden-Kompasses, in den Folgejahren zu überprüfen, inwiefern sich die beobachteten<br />

Ereignisse <strong>und</strong> Trends <strong>ver</strong>ändern.<br />

Neben der statistischen Analyse von Zahlungsstörungen, die Vertragspartner der SCHUFA melden,<br />

gab die SCHUFA eine repräsentative Umfrage in Auftrag, um individuelle Einstellungen zu Schulden<br />

<strong>und</strong> die Verbreitung eines relevanten Zahlungswissens in Deutschland zu untersuchen. Ziel war es,<br />

aussagefähige Überschuldungsindikatoren im wissenschaftlichen Beirat des Schulden-Kompasses<br />

<strong>und</strong> in der Veranstaltungsreihe Wiesbadener Symposion mit der Öffentlichkeit zu diskutieren.<br />

In den Diskussionen wurde deutlich, dass eine Überschuldung wohl immer Zahlungsstörungen mit<br />

sich bringt, aber eine Zahlungsstörung nicht zwangsläufig Überschuldung bedeutet. Dies führt zu<br />

der Frage, inwiefern die Zahlungsstörung ein Indiz für kurzzeitige oder dauerhafte Liquiditätsschwierigkeiten<br />

ist, welche Faktoren einen Einfluss auf die Zahlungsstörung (Negativ-merkmal) einer<br />

Person haben, <strong>und</strong> welche Instrumente bzw. Indikatoren-Bündel geeignet sind, die Überschuldungssituation<br />

<strong>und</strong> den Grad der Überschuldungsgefahr deutscher Privathaushalte zu erkennen?<br />

8<br />

RÜCKBLICK | SCHULDEN-KOMPASS 2003


RÜCKBLICK | SCHULDEN-KOMPASS 2004<br />

Schulden-Kompass 2004<br />

Das weit reichende Echo aus der Öffentlichkeit, der Praxis <strong>und</strong> der Forschung hat die SCHUFA<br />

Holding AG darin bestärkt, den Schulden-Kompass zu <strong>ver</strong>tiefen <strong>und</strong> zu erweitern. 2003 geplant als<br />

eine Analyse der SCHUFA-Daten zum Thema private Ver- <strong>und</strong> Überschuldung, wurde schon bei den<br />

Vorarbeiten des ersten Schulden-Kompasses deutlich, dass für ein tieferes Verständnis vielfältige<br />

Teilaspekte auf einer breiten Datenbasis zu berücksichtigen sind. Zentrale Aufgabenstellung für den<br />

Schulden-Kompass 2004 war es daher, die Liste <strong>ver</strong>lässlicher Indikatoren der privaten Überschuldung<br />

weiterzuführen. Ziel: Durch die regelmäßige <strong>und</strong> zeitnahe Erfassung wesentlicher sozioökonomischer/soziodemografischer<br />

Daten die Ver- <strong>und</strong> Überschuldungsstatistiken aus Deutschland zu komplettieren.<br />

Der SCHUFA-Datenbestand wurde hinsichtlich der von Vertragspartnern gemeldeten Kredite, Kreditausfälle<br />

<strong>und</strong> Zahlungsstörungen aus den Bereichen Banken, Telekommunikation <strong>und</strong> Handel (inkl.<br />

Versandhandel) statistisch <strong>und</strong> anonymisiert ausgewertet. Trends der Kredithöhen, Zahlungsstörungen<br />

<strong>und</strong> Risikogruppen konnten deutlich gemacht <strong>und</strong> b<strong>und</strong>esweit auf Kreisebene herunter<br />

gebrochen werden. Erstmals wurde die Deutschlandkarte mit geographischen Besonderheiten der<br />

Verschuldung erstellt – dies auch interaktiv unter www.schulden-kompass.de – sowie ein<br />

Risikomodell zur Ausdifferenzierung von Risikostufen <strong>und</strong> Graduierungen der Überschuldung als<br />

Prozesscharakter entwickelt.<br />

Auf Basis weiterer repräsentati<strong>ver</strong> Untersuchungen berücksichtigte der Schulden-Kompass 2004 zusätzliche<br />

Perspektiven aus der Überschuldungsforschung. Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann operationalisierte<br />

den Terminus Überschuldung. Das Marktforschungsinstitut Management Consultants<br />

erhob in einer repräsentativen Haushaltsbefragung Erkenntnisse über die Risikolagen beim Umgang<br />

mit Privatkrediten.<br />

Prof. Dr. Winfried Hacker führte bei der Untersuchung von Wegen aus der Verschuldung das kreditbedienende<br />

Selbstmanagement als zentrale Kategorie ein. Der abschließende internationale<br />

Vergleich von Prof. Dr. Udo Reifner <strong>und</strong> Helga Springeneer half, die Teilanalysen des Schulden-<br />

Kompass 2004 aus dem nationalen Kontext zu lösen, um so die für Deutschland beobachtbaren<br />

Zusammenhänge international <strong>ver</strong>lässlich einordnen zu können.<br />

9


SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG<br />

Einleitung<br />

Zur Finanzierung von Investitionen im betrieblichen <strong>und</strong> privaten Bereich ist der Kredit in der modernen<br />

Volkswirtschaft mittlerweile eine Selbst<strong>ver</strong>ständlichkeit. Bereits seit den frühen 50er Jahren<br />

werden in Deutschland <strong>ver</strong>stärkt Kredite aufgenommen, um hochwertige Gebrauchsgüter wie Auto,<br />

Elektronik, Haushaltsgeräte, Möbel zu erwerben, aber auch, um zukünftiges Einkommen zu sichern<br />

oder zu entwickeln. Darüber hinaus geben die Teilzahlungskredite im Handel die Möglichkeit,<br />

Liquiditätsengpässe zu überbrücken oder finanzielle Flexibilität zu bewahren. Nach Meinung von<br />

Verbraucher<strong>ver</strong>bänden können Kredite im produktiven Einsatz die Existenz finanziell absichern.<br />

Zwar bringt die Kreditaufnahme (Verschuldung) zweifelsohne Risiken mit sich <strong>und</strong> ist die Voraussetzung<br />

für eine Überschuldung, doch ist die Verschuldung keinesfalls von vornherein mit Überschuldung<br />

gleichzusetzen. Kredite können aber bei eingeschränkten Handlungsspielräumen des<br />

Schuldners den Prozess in eine prekäre Finanzsituation beschleunigen – bis zu dem Punkt, an dem<br />

auch eine zusätzliche Kreditaufnahme nicht mehr möglich ist, um die bereits vorhandene<br />

Zahlungs<strong>ver</strong>pflichtungen zu erfüllen. Dabei sollte bedacht werden, dass Kreditrisiken je nach<br />

Altersgruppe, Haushaltseinkommen <strong>und</strong> Erwerbssituation unterschiedlich stark ausgeprägt sind <strong>und</strong><br />

damit im Fall der Überschuldung auch unterschiedliche Auswirkungen auf die Lebensführung haben.<br />

Von Überschuldung betroffen sind zwar nach wie vor nur sehr kleine Bevölkerungsgruppen, Überschuldung<br />

erreicht jedoch in zunehmendem Maße die mittleren Schichten der Gesellschaft <strong>und</strong> den<br />

Mittelstand. 1 So hat sich der Themenkomplex „Private Verschuldung <strong>und</strong> Überschuldung“ seit den<br />

ersten Anfängen der Überschuldungsforschung 1967 durch David Caplovitz 2 in den USA von einem<br />

individuellen Problem mittlerweile zu einem gesellschaftlichen Problem in den westlichen Industrieländern<br />

entwickelt. Spätestens seit Vorlage des ersten Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsberichtes der<br />

B<strong>und</strong>esregierung 1999 <strong>und</strong> der 2. Auflage in 2005 ist auch die deutsche Öffentlichkeit in eine intensive<br />

Diskussion eingestiegen. Nach wie vor gibt es aber weder in Deutschland noch international 3<br />

eine einheitliche Statistik über den Verschuldungsgrad privater Haushalte. Daher sind Rückschlüsse<br />

auf die Verschuldung, die Überschuldungsgefahr <strong>und</strong> schließlich die Überschuldung von<br />

Privathaushalten nur mittelbar über Indikatoren möglich, wie etwa die Vergabe von Krediten, über<br />

Kredithöhen, Kreditausfälle, Zahlungsstörungen oder z. B. über Konsumquoten, Sparquoten <strong>und</strong> die<br />

seit 1999 geführten Statistiken zu Privatinsolvenzen.<br />

Bis heute steigt die Zahl der Raten- <strong>und</strong> Konsumentenkredite in Deutschland kontinuierlich an.<br />

Betrug das Gesamtvolumen der Konsumentenkredite 1999 r<strong>und</strong> 215,7 Mrd. Euro, belief sich dieses<br />

Volumen am Ende des zweiten Quartals 2005 auf r<strong>und</strong> 233,9 Mrd. Euro. 4 Nach Angaben des Sozioökonomischen<br />

Panels (SOEP 2004) haben ca. 33 % der deutschen Haushalte einen Dispositionskredit,<br />

ca. 21% einen Konsumentenkredit <strong>und</strong> etwa 24 % einen laufenden Hypothekarkredit.<br />

1 Zimmermann, Gunter E.: Aussagekraft der Daten des SOEP sowie der EVS 2003 zur Verschuldung von Privathaushalten, 2004.<br />

2 Caplovitz, David.: The poor pay more. Consumer practices of low-income families, New York 1967.<br />

3 Vgl. Internationaler Vergleich der privaten Überschuldung von Prof. Dr. Udo Reifner <strong>und</strong> Helga Springeneer im Schulden-Kompass 2004, S.<br />

164- 211.<br />

4 Vgl. Statistisches Beiheft zum Monatsbericht der Deutschen B<strong>und</strong>esbank, Oktober 2005, S. 34 f.<br />

10


SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 1. AUFGABENSTELLUNG<br />

Auch wenn in absoluten Zahlen vor allem Hypothekenkredite zur höchsten Kreditbelastung von<br />

Privathaushalten führen, nehmen sie bei Untersuchungen zur Überschuldung insgesamt eine nachrangige<br />

Rolle ein, da sie in der Regel durch Werterhalt bzw. die Wertsteigerung des Objekts abgesichert<br />

sind. Mit steigender Verschuldung der Privathaushalte scheint aber auch die Zahl der überschuldeten<br />

Haushalte zuzunehmen. Berechnungen des B<strong>und</strong>esministeriums für Familie, Senioren,<br />

Frauen <strong>und</strong> Jugend gehen im 2. Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsbericht für 2002 von 3,13 Millionen überschuldeten<br />

Haushalten aus, während 1999 noch 2,77 Millionen überschuldete Haushalte beziffert<br />

wurden. 5<br />

Abschließende Definitionen zur privaten Überschuldung sind aufgr<strong>und</strong> des komplexen <strong>und</strong> von kontinuierlichen<br />

gesellschaftlichen Änderungsprozessen beeinflussten Untersuchungsgegenstandes<br />

nicht möglich. Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann <strong>ver</strong>dichtet das Abgrenzungsproblem mit der Formulierung:<br />

„Den Überschuldeten gibt es nicht.“ Folglich haben auch Daten zur Gesamt<strong>ver</strong>schuldung eine eingeschränkte<br />

Aussagekraft, wenn sie nicht zu den jeweiligen Lebens<strong>ver</strong>hältnissen der Schuldner, insbesondere<br />

zu deren Einkommens- <strong>und</strong> Erwerbssituation <strong>und</strong> zu Haushaltstypen in Beziehung gesetzt<br />

werden. Schon ein Vergleich <strong>ver</strong>schiedener Altersgruppen zeigt beispielsweise gr<strong>und</strong>legende Unterschiede<br />

der Verschuldung <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> gegenüber Kreditnehmern mittleren Alters. Folglich<br />

unterscheiden sich auch die <strong>Sozialprofile</strong> <strong>und</strong> die Einstiegsszenarien <strong>überschuldeter</strong> Personen <strong>und</strong><br />

Haushalte. Versuche des Schulden-Kompasses, diese differenziert zu erfassen, liefern eine wichtige<br />

theoretische Gr<strong>und</strong>lage für die Schuldnerberatung <strong>und</strong> wirksame Präventionsmaßnahmen.<br />

1. Aufgabenstellung<br />

Trotz großer methodischer Fortschritte der Verschuldungsforschung in den <strong>ver</strong>gangenen Jahren, die<br />

zu einem wichtigen Teil vom Schulden-Kompass geleistet wurden, ist es noch nicht möglich, die Zahl<br />

der tatsächlich überschuldeten Privathaushalte in Deutschland <strong>ver</strong>lässlich zu erheben. Das Problem<br />

ist die Komplexität des Untersuchungsgegenstandes. Eine Reduktion auf einzelne Indikatoren führt<br />

zu Fehlschlüssen. Werden aus einzelnen Einflussfaktoren ohne Berücksichtigung ihrer gegenseitigen<br />

Wechselwirkung Schlüsse auf die Überschuldung gezogen, kann dies schnell zu Fehlinterpretationen<br />

führen. Auch Miss<strong>ver</strong>ständnisse bei den Indikatoren sowie eine fehlende Übereinstimmung von<br />

Datenquellen bei rechtlichen oder ökonomischen bzw. sozialen Definitionen der Überschuldung<br />

führen zu weiteren Fehlern. Von einem einzelnen Indikator kann daher nicht auf Überschuldung<br />

geschlossen werden. Überschuldung resultiert stets aus der Kombination struktureller, institutioneller<br />

<strong>und</strong> individueller Faktoren.<br />

Zur Ermittlung der Überschuldungssituation wird daher „in Deutschland auf ein etabliertes<br />

Indikatorenmodell zurückgegriffen, das (a) die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen, (b) die<br />

Entwicklung der Konsumentenkredite <strong>und</strong> Kreditkündigungen, (c) die Entwicklung der<br />

Eidesstattlichen Versicherungen, (d) die Mietschulden <strong>und</strong> (e) die Klientenstatistik der Schuldnerberatungsstellen<br />

berücksichtigt.“ 6 Das Phänomen Überschuldung ließe sich wohl am Verlässlichsten<br />

5 Vgl. Lebenslagen in Deutschland, 2. Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsbericht der B<strong>und</strong>esregierung (SPD, Bündnis90/Die Grünen), S. XXVII, 2005.<br />

6 Hirseland, Andreas: a.a.O., S.15.<br />

11


SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 1. AUFGABENSTELLUNG<br />

aus einem Bündel von relevanten juristischen, demographischen, konjunkturellen, soziologischen<br />

<strong>und</strong> psychologischen Indikatoren erfassen. Entsprechend heterogen präsentiert sich auch der<br />

Forschungsstand mit einer Reihe von Teildarstellungen. 7<br />

Aber auch die sehr unterschiedlichen Ergebnisse zur Überschuldung etwa hinsichtlich der Zahlen zur<br />

Verbraucherinsolvenz bei den Gerichten, in den Berichten der Schuldnerberatungsstellen, in den<br />

SCHUFA-Daten, im Sozioökonomischen Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung<br />

(DIW) oder den Daten der Max-Planck-Studie machen deutlich, dass keine dieser Methoden<br />

für sich genommen ausreichend sichere Erkenntnisse liefern kann. Jede dieser Zahlenreihen erlaubt<br />

Prof. Dr. Udo Reifner zufolge zwar Trendanalysen, es ist sei jedoch sehr schwierig, diese Zahlen auf<br />

den Gesamtzustand der Überschuldung zu beziehen.<br />

Mit dem Schulden-Kompass ist eine kontinuierliche, anonymisierte Vollerhebung über die bankenmäßige<br />

Verschuldung, die Verteilung von laufenden <strong>und</strong> ausgefallenen Krediten sowie die Zahl <strong>und</strong><br />

Entwicklung von Zahlungsstörungen aus den Branchen Telekommunikation <strong>und</strong> Handel (inkl.<br />

Versandhandel) möglich. Neben der Zahlungsstörung <strong>und</strong> dem Kreditausfall als so genannte weiche<br />

Negativmerkmale enthält der SCHUFA-Datenbestand ebenso harte Negativmerkmale wie die Eidesstattliche<br />

Versicherung, Privatinsolvenz oder der Haftbefehl zur Abgabe einer Eidesstattlichen<br />

Versicherung. Damit hat der Schulden-Kompass 2003 <strong>und</strong> 2004 die bisherigen Untersuchungen um<br />

weitere <strong>ver</strong>lässliche <strong>und</strong> empirische Indikatoren bereichert.<br />

Eine Besonderheit des Schulden-Kompass 2005 ist darüber hinaus die Ergänzung der Analysen um<br />

personen- <strong>und</strong> haushaltsspezifische Kontextmerkmale. Basis ist der repräsentative Datensatz des<br />

Sozioökonomischen Panel auf Basis von über 12.000 Haushalts- <strong>und</strong> knapp 24.000 Personendaten<br />

sowie auf Basis einer Piloterhebung von 300 CAWIN-Daten der gleichnamigen Schuldnerberatungssoftware<br />

des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen. Es wird erprobt, inwiefern sich die drei<br />

Datenquellen auf Basis definierter Schlüsselmerkmale zusammenführen lassen, um so repräsentative<br />

Aussagen über die <strong>Sozialprofile</strong> von <strong>ver</strong>- <strong>und</strong> überschuldeten Personen sowie Haushalten treffen zu<br />

können.<br />

7 Vgl. Korczak, Dieter, Überschuldungssituationen in Deutschland im Jahr 2002, S. 46, 2004.<br />

12


SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 1. AUFGABENSTELLUNG<br />

Schwerpunkt des Schulden-Kompass 2005: Junge Erwachsene<br />

Nach Auskunft von Beratungsstellen scheint die Verschuldung <strong>und</strong> Überschuldung <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong><br />

zuzunehmen, worüber der Schulden-Kompass 2005 <strong>ver</strong>sucht, Indikatoren aufzuzeigen. Momentan<br />

ist der Anteil <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> in den Schuldnerberatungsstellen noch relativ gering, so dass<br />

die Daten hier wenig valide Trendaussagen ermöglichen. Für den Schulden-Kompass 2005 wurde auf<br />

Basis der SCHUFA-Daten eine Sonderauswertung über die Ver- <strong>und</strong> Überschuldung <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong><br />

im Alter von 18 bis 24 Jahren durchgeführt. Es wurden insbesondere Kontextdaten über junge<br />

Erwachsene erhoben, um diese künftig zusäzlich mit den SCHUFA-Daten zusammen auszuwerten.<br />

Kontextmerkmale bzw. <strong>Sozialprofile</strong> unterscheiden sich gr<strong>und</strong>legend in der Altersgruppe der bis 24jährigen<br />

Schuldner von den übrigen älteren Altersgruppen. Die überwiegende Mehrheit ist nicht <strong>ver</strong>heiratet,<br />

hat keine Kinder <strong>und</strong> ist meist noch in der Ausbildung. Diese besondere, nicht mit anderen<br />

Altersgruppen zu <strong>ver</strong>gleichende Ausgangssituation gilt es bei der Analyse der Ver- <strong>und</strong> Überschuldung<br />

<strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> zu berücksichtigen. Laut der aktuellen Jugendstudie von Prof. Dr. Elmar<br />

Lange über die Verschuldungssituation der Jugendlichen seit 1996 bestätigen sich „nicht die immer<br />

wieder in den Medien zu lesenden <strong>und</strong> zu hörenden Horrorszenarien von einer steigenden<br />

Verschuldung <strong>und</strong> Überschuldung bei den Jugendlichen.” 8<br />

Inwiefern die Verschuldung bei den jungen Erwachsenen zu Überschuldungsrisiken oder dem Start<br />

einer „Überschuldungskarriere“ führt, dazu will der Schulden-Kompass 2005 mit einem differenzierten<br />

Bündel von Indikatoren erste Ansätze liefern. Informationen werden zu folgenden Fragestellungen<br />

erhoben:<br />

• In welchem Umfang <strong>und</strong> in welcher Höhe haben junge Erwachsene Schulden <strong>und</strong> Zahlungsstörungen.<br />

Inwiefern lassen sich Anzeichen eines erhöhten Überschuldungsrisikos feststellen?<br />

(siehe Teil-Analyse A-2)<br />

• Inwiefern bestehen Zusammenhänge zu Kontextmerkmalen wie Alter, Berufsstatus, Geschlecht<br />

Wohn- <strong>und</strong> Familien<strong>ver</strong>hältnisse etc? (siehe Teil-Analyse B + C)<br />

• Lassen sich typische Biografien von überschuldeten jungen Erwachsenen beobachten?<br />

(siehe Pilotuntersuchung D)<br />

Zu betonen ist, dass sich der Schwerpunkt des Schulden-Kompass 2005 auf junge Erwachsene im<br />

Alter von 18 bis 24 Jahren bezieht. Jugendliche bis einschließlich 17 Jahren wurden nicht berücksichtigt.<br />

8 Lange, Elmar: Jugendkonsum im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert, Eine Untersuchung der Einkommens- <strong>und</strong> Verschuldungsmuster der Jugendlichen<br />

in Deutschland, 2004, S. 152. 2004<br />

13


SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 2. ZENTRAL DISKUTIERTE BEGRIFFE<br />

2. Zentral diskutierte Begriffe<br />

Die definitorischen Schwierigkeiten bestehen weltweit mangels einer eigenen umfassenden Theorie<br />

zur Ver- <strong>und</strong> Überschuldung. 9 Mit wachsendem öffentlichen <strong>und</strong> volkswirtschaftlichen Interesse <strong>und</strong><br />

der Relevanz der abgeleiteten Hypothesen <strong>und</strong> Aussagen zur Situation der privaten Überschuldung<br />

wächst aber der Anspruch aller beteiligten Disziplinen, den komplexen Forschungsgegenstand<br />

weiter definitorisch einzugrenzen, auf Basis der <strong>ver</strong>schiedenen Gr<strong>und</strong>erfahrungen zu klassifizieren<br />

<strong>und</strong> Indikatoren abzuleiten.<br />

Die Überschuldungsforschung hat das Gr<strong>und</strong>problem, dass die Klassifizierungen der Untersuchungsgegenstände<br />

oft auf Legaldefinitionen basieren. So führen die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten <strong>und</strong><br />

die USA juristische Definitionen für ihr Begriffs<strong>ver</strong>ständnis von privater Überschuldung an, worauf<br />

das Institut für Finanzdienstleistungen in einer internationalen Einordnung der Überschuldungsproblematik<br />

hinweist. 10 Für weiterführende Aussagen gilt es jedoch, die juristische Form einer Schuld<br />

von dem wirtschaftlichen Inhalt zu trennen, um so ein weiter gefasstes Spektrum der sozialen<br />

Realität, basierend auf <strong>ver</strong>schiedenen Indikatoren, abbilden zu können.<br />

Im Folgenden sind einige zentrale Begriffe <strong>und</strong> Kategorien der aktuelle Diskussion <strong>und</strong> des Schulden-<br />

Kompasses mit kurzen Erläuterungen aufgeführt. Es wird betont, dass keine dieser Erläuterungen<br />

eine abschließende Sach<strong>ver</strong>haltsklärung ist, sondern zum einen die Diskussion bei der Erstellung der<br />

Reihe Schulden-Kompass widerspiegelt <strong>und</strong> zum anderen der öffentlichen Diskussion als<br />

Orientierung für weitere Differenzierungen dienen mag.<br />

9 Zimmermann, Gunter, E.: Überschuldung privater Haushalte, Freiburg 2000, insbes. Kapitel zur definitorischen Eingrenzung von<br />

Überschuldung, S. 5.<br />

10 Vgl. Schulden-Kompass 2004: Internationaler Vergleich, Die private Überschuldung im internationalen Vergleich. Die Autoren<br />

Prof. Dr. Udo Reifner, Udo <strong>und</strong> Helga Springeneer geben einen Überblick über das Phänomen der Überschuldung in den EU-Mitgliedsstaaten<br />

<strong>und</strong> in den USA.<br />

14


SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 2. ZENTRAL DISKUTIERTE BEGRIFFE<br />

2.1 Private Schulden <strong>und</strong> Privatkredite<br />

Der Schulden-Kompass meint mit Verschuldung in erster Linie die private Kreditaufnahme.Verschuldung<br />

ist das bloße Eingehen von Geld<strong>ver</strong>bindlichkeiten auch zu Klein- <strong>und</strong><br />

Kleinstbeträgen, auch wenn so genannte Bagatellschulden zu Kleinstbeträgen häufig nicht mit dem<br />

Terminus „Schulden“ assoziiert werden. Schulden bzw. Kredite sind sämtliche ökonomisch <strong>und</strong>/oder<br />

juristisch geregelten Zahlungs<strong>ver</strong>pflichtungen, die bei einer Einzelperson oder bei einem Haushalt<br />

entstehen können. Die Aufnahme von Finanzkrediten wird allgemein als Schuldenaufnahme bzw.<br />

Verschuldung bezeichnet. Finanzkredite sind daher immer Schulden. Dienstleistungskredite in Form<br />

von Telekommunikationsschulden oder Warenkredite bei Waren<strong>ver</strong>sendungen auf Rechnung werden<br />

umgangssprachlich nicht als Schulden benannt, gleichwohl sind sie aber als solche zu bezeichnen.<br />

Differenzierungen aus Forschung <strong>und</strong> Praxis:<br />

1. Primärschulden sind bankneutrale Schulden, deren Bezahlung die Funktionsfähigkeit<br />

des Haushalts voraussetzen. Hierunter fallen Miet- <strong>und</strong> Energieschulden, offene<br />

Telefonrechnungen, Unterhaltsschulden, Versicherungsschulden, Schulden im Fre<strong>und</strong>eskreis,<br />

Spielschulden, Pfandleihen etc.<br />

2. Sek<strong>und</strong>ärschulden sind bankmäßige Kredite wie Konsumentenkredite (z.B. Dispositionskredit,<br />

Ratenkäufe, Leasing, Kreditkartenkredite), Versicherungsschulden, Schulden bei öffentlichen<br />

Gläubigern sowie Hypotheken.<br />

3. Kredit ist die befristete, gewerbliche Bereitstellung von Kaufkraft in Form von Konsumentenkrediten<br />

oder Hypotheken.<br />

4. Produktive Kredite haben investiven Charakter. Es sind Kredite, die für den Verbraucher einen<br />

unmittelbaren Gegenwert (z.B. Kredit finanzierte Anschaffungen wie Kfz, PC, Wohnungseinrichtungen<br />

etc.) darstellen. Zu unterscheiden ist hier zwischen besicherten <strong>und</strong> unbesicherten<br />

Krediten.<br />

5. Unproduktive Kredite sind solche, die aus dem Lebenseinkommen nicht mehr zurückgezahlt<br />

werden können oder der Umschuldung bzw. Ablösung anderer Kredite dienen.<br />

6. Das Sozioökonomische Panel (SOEP) erfasst eine bankmäßige Verschuldung mit Konsumentenkrediten<br />

erst ab einer Restschuldsumme von 2.500 Euro.<br />

Der wissenschaftliche Beirat des Schulden-Kompasses hat sich bereits 2003 auf folgendes Begriffs<strong>ver</strong>ständnis<br />

von Verschuldung, der Aufnahme eines Kredits, geeinigt:<br />

„Verschuldung ist jede Form des Eingehens von Zahlungs<strong>ver</strong>pflichtungen <strong>und</strong> stellt ein normales, in<br />

vielen Haushalten un<strong>ver</strong>meidliches Verbraucher<strong>ver</strong>halten dar.“<br />

15


SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 2. ZENTRAL DISKUTIERTE BEGRIFFE<br />

2.2 Verschuldung <strong>und</strong> Überschuldung<br />

Bei Untersuchungen zur privaten Überschuldung ist die strikte Trennung der Kategorien<br />

„Verschuldung“ <strong>und</strong> „Überschuldung“ notwendig. Der in diesem Zusammenhang auch häufig genutzte<br />

populäre Begriff der Zahlungsmoral ist nicht Gegenstand des Schulden-Kompasses.<br />

Formalisierte Kategorien auf Basis amtlicher Statistiken <strong>und</strong> auch der SCHUFA-Daten sind zwar sehr<br />

trennscharf. Aber auch diese Daten können nur einen Teil der Überschuldungsindikatoren abdekken.<br />

Wolfhard Kothe 11 gibt zu bedenken, dass jede formale Kategorie als Legaldefinition implizite<br />

Grenzen hat <strong>und</strong> daher auch als Indikator für die Überschuldungsforschung nur eine eingeschränkte<br />

Aussagekraft haben kann. Beispielsweise erfolgt nicht jede Zahlungs<strong>ver</strong>weigerung aus Überschuldungsgründen<br />

<strong>und</strong> nicht jede Kreditkündigung bedeutet einen manifesten Gläubiger-/Schuldnerkonflikt,<br />

denn auch die Kredithöhe ist eine wichtige Einflussgröße. Auch können z.B. notleidende,<br />

nicht bediente oder gekündigte Forderungen nicht ohne Weiteres mit Überschuldung gleich gesetzt<br />

werden.<br />

Würde man sich nur auf die juristischen Daten – auf formalisierte Konflikte wie sie die Kreditkündigung,<br />

die Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung, die Eröffnung des Privatinsolvenz<strong>ver</strong>fahrens<br />

oder der Mahnbescheid darstellen – beschränken, blieben jene prekären Finanzlagen<br />

unberücksichtigt, die nicht in einem juristisch formalisierten Konflikt münden. Hinzu kommt die<br />

Problematik, dass Untersuchungen auf Personenebene <strong>ver</strong>zerrte Schlüsse liefern können, da Überschuldung<br />

nach Ansicht von Gunter E. Zimmermann 12 in der Regel ein Problem des Haushalts ist.<br />

Die folgenden definitorischen Versuche dienen zur Eingrenzung des Phänomens Überschuldung:<br />

• Bei einer überschuldeten Person reicht der <strong>ver</strong>bleibende Rest des monatlichen Einkommens nach<br />

Abzug der fixen Lebenshaltungskosten (Miete, Energie, Versicherung etc. zzgl. Ernährung) nicht<br />

aus, um Kreditraten zu bedienen. 13<br />

• Überschuldung ist oftmals mit Armut gleichzusetzen. In der Kreditgesellschaft ist arm, wer<br />

kreditunwürdig ist <strong>und</strong> damit keinen Zugang mehr zu Finanzdienstleistungen hat. Oftmals ist<br />

damit auch psychosoziale Destabilisierung sowie eine Ausgrenzung aus der Gesellschaft<br />

<strong>ver</strong>b<strong>und</strong>en. 14<br />

• Überschuldung liegt vor, wenn das aktuelle <strong>und</strong> absehbare Vermögen <strong>und</strong> das absehbar<br />

gesicherte Erwerbspotenzial die aktuellen Zahlungs<strong>ver</strong>pflichtungen nicht mehr decken <strong>und</strong><br />

damit eine dauerhafte Liquiditätsschwäche auslösen. 15<br />

11 Prof. Dr. Wolfhard Kothe, Jurist an der Martin Luther Uni<strong>ver</strong>sität in Halle Wittenberg, Kommentator des Verbraucherinsolvenzrechts,<br />

Mitglied des Beratergremiums der B<strong>und</strong>esregierung zum zweiten Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsbericht.<br />

12 Vgl. Schulden-Kompass 2004: Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann, „Wege in die Überschuldung <strong>und</strong> Ursachen“ S. 115-146.<br />

13 Groth, Ulf: Schuldnerberatung. Praktischer Leitfaden für die Sozialarbeit, Frankfurt a.M. 1984, S. 16.<br />

14 Diese Beschreibungen wurden u.a. auf den Wiesbadener Symposien 2002 bis 2004 diskutiert.<br />

15 Vgl. Diskussionsbeiträge auf den Wiesbadener Symposien 2002 <strong>und</strong> 2004 in www.schufa.de<br />

16


SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 2. ZENTRAL DISKUTIERTE BEGRIFFE<br />

• Nach gesetzlicher Definition (§17 InsO) sind Personen überschuldet, wenn sie die fällig gestellten<br />

(Alt)-Forderungen (Kredite) nicht bedienen können.<br />

• Der <strong>ver</strong>bleibende Einkommensrest nach Pfändungsfreigrenze reicht nicht zur Schulden-Tilgung aus. 16<br />

Der wissenschaftliche Beirat des Schulden-Kompasses hat sich 2003 auf folgende Annäherung an<br />

den Überschuldungsbegriff als eine Prozessbeschreibung geeinigt. 17<br />

• Subjektive Überschuldung: Die Person fühlt sich psychisch <strong>und</strong> finanziell überfordert, Schulden<br />

zurückzuzahlen.<br />

• Relative Überschuldung: Trotz Reduzierung des Lebensstils reicht der Einkommensrest nach<br />

Abzug der Lebenshaltungskosten (Miete, Energie, Versicherung, Gr<strong>und</strong>nahrungsmittel,<br />

öffentliche Verkehrsmittel, Telefon, Kleidung etc.) nicht zur fristgerechten Schuldentilgung aus.<br />

• Absolute Überschuldung (Insolvenz): Einkommen <strong>und</strong> Vermögen des Schuldners reichen nicht<br />

mehr, um die bestehenden Verbindlichkeiten zu decken.<br />

Eine abschließende rechtliche, soziologische, ökonomische wie <strong>ver</strong>haltenswissenschaftliche<br />

Definition von „Überschuldung“ wird aufgr<strong>und</strong> des Prozesscharakters <strong>und</strong> der stark situativen<br />

Abhängigkeit auch künftig wohl kaum möglich sein.<br />

16 Seit 01.01.2002 gibt es eine neue, b<strong>und</strong>esweit gültige Pfändungstabelle zur Sicherstellung des Existenzminimums.<br />

17 Vgl. Korczak, Dieter: Definitionen der Verschuldung <strong>und</strong> Überschuldung im europäischen Raum. Literaturrecherche im Auftrag des<br />

B<strong>und</strong>esministeriums für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend, München April 2003, S. 26.<br />

17


SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 2. ZENTRAL DISKUTIERTE BEGRIFFE<br />

2.3 Junge Erwachsene<br />

Die im Schulden-Kompass 2005 untersuchte Altersgruppe <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> umfasst 18- bis 24-<br />

Jährige. Jugendliche unter 18 Jahren sind nicht in der Untersuchung enthalten. Jugendliche dieser<br />

Altersgruppe können Schulden bei den Eltern, Geschwistern, Verwandten oder Fre<strong>und</strong>en haben <strong>und</strong><br />

werden entsprechend nicht durch die SCHUFA oder durch Schuldnerberatungsstellen erfasst. Des<br />

Weiteren wohnen Jugendliche dieser Altersgruppe in aller Regel bei ihren Eltern bzw. einem<br />

Elternteil, die auch im Wesentlichen für die Lebenshaltungskosten aufkommen (siehe zentraler<br />

Begriff Haushalt 2.7. Durch die weitestgehend bestehenden familiären finanziellen Ressourcen <strong>junger</strong><br />

<strong>Erwachsener</strong> bedarf die Kategorie Überschuldung bei dieser jungen Altersgruppe gegenüber<br />

älteren einer gr<strong>und</strong>legend anderen Definition.<br />

Auch wenn die Schuldensummen im Wesentlichen unter 5.000 Euro lägen, seien die Startbedingungen<br />

für diese Gruppe problematisch, kommentiert Dr. Dieter Korczak. Nach Auffassung<br />

von Prof. Dr. Elmar Lange dürften die jungen Erwachsenen aber auch die älteren mittel- <strong>und</strong> langfristig<br />

in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geraten, wenn sie nur einmal in die definierte Überschuldungssituation<br />

geraten. 18 Nach Dr. Dieter Korczak kann Überschuldung von jungen<br />

Erwachsenen als misslungene Indentitätskonstruktion <strong>ver</strong>standen werden, als Ergebnis eines<br />

Prozesses, bei dem die Empfindlichkeit gegenüber belastenden Bedingungen größer ist als das<br />

Vorliegen von Bewältigungskompetenzen wie sie vielfältige Interessen, konstruktive Problemlösungsfähigkeiten,<br />

soziale Kompetenz etc. darstellen. 19<br />

Nach einer Untersuchung von Prof. Dr. Elmar Lange belief sich der Anteil der <strong>ver</strong>schuldeten Jugendlichen<br />

2002 auf r<strong>und</strong> 18 % (ca. 1,5 Millionen Personen), wenn Verschuldung in jeder Höhe <strong>und</strong> auch<br />

die private Verschuldung bei Fre<strong>und</strong>en, Eltern <strong>und</strong> Verwandten sowie Bagatellschulden ab einem<br />

Euro einbezogen werden. 20 Ebenso seien 7 % aller Jugendlichen als überschuldet zu bezeichnen.<br />

Allerdings liegt dieser Berechnung eine recht <strong>ver</strong>einfachende Definition von Überschuldung zugr<strong>und</strong>e,<br />

wonach Jugendliche dann überschuldet seien, wenn die absolute Höhe der Schulden die<br />

Höhe der monatlichen Einkünfte übersteigt.<br />

18 Lange, Elmar: Jugendkonsum im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert, a.a.O., S. S. 147-149. 2004.<br />

19 Vgl. Teil-Analyse D in Schulden-Kompass 2005.<br />

20 Lange, Elmar: a.a.O.<br />

18


SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 2. ZENTRAL DISKUTIERTE BEGRIFFE<br />

2.4 Zahlungsstörung<br />

Die Zahlungsstörung ist eine von der SCHUFA erfasste Dimension der privaten Ver- <strong>und</strong> Überschuldung.<br />

Zahlungsstörungen speichert die SCHUFA als so genanntes weiches Negativmerkmal. Das sind<br />

offene, ausreichend gemahnte <strong>und</strong> nicht bestrittene Forderungen, die als <strong>ver</strong>tragswidriges Verhalten<br />

von den Vertragspartnern aus den Bereichen Banken, Telekommunikation <strong>und</strong> Handel (inkl.<br />

Versandhandel) der SCHUFA fallweise mitgeteilt werden. Werden die offenen Forderungen beglichen,<br />

bleibt das Negativmerkmal Zahlungsstörung drei Jahre im Datenbestand der SCHUFA gespeichert.<br />

Zwar bringt eine Überschuldung wohl immer Zahlungsstörungen mit sich. Aber<br />

Zahlungsstörungen weisen als ein formalisierter Schuldner/Gläubiger-Konflikt nicht zwangsläufig auf<br />

eine Überschuldung hin. 21 Im Zusammenhang mit Zahlungsstörungen ergänzend ausgewertete<br />

„harte“ Merkmale sind Eidesstattliche Versicherungen (früher Offenbarungseid), Haftbefehle zur<br />

Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung sowie Privatinsolvenzen. Bei Zahlungsstörungen ist weiter<br />

zu erforschen, inwiefern sie ein Indiz für kurzzeitige oder dauerhafte Liquiditätsschwierigkeiten<br />

sind <strong>und</strong> welchen Erklärungsbeitrag sie für eine Überschuldungssituation leisten können oder ob sie<br />

eine erhöhte Überschuldungsgefahr bedeuten. 22 Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die von der<br />

SCHUFA erfassten Zahlungsstörungen personenbezogene Daten sind, während das Phänomen der<br />

Überschuldung auch im Kontext des Haushalts zu untersuchen ist.<br />

2.5 Existenzminimum<br />

Seit dem 1. Januar 2002 gibt es eine neue Pfändungstabelle, die b<strong>und</strong>eseinheitlich gültig ist. 23 Sie<br />

stellt das Existenzminimum der Schuldnerinnen/Schuldner sicher <strong>und</strong> soll zugleich deren Arbeitsmotivation<br />

aufrecht erhalten. Die nicht pfändbaren Netto-Lohn-Summen betragen je nach Unterhaltspflicht<br />

939,99 EUR (keine Unterhaltspflichten), 1.279,99 EUR (Unterhaltspflicht für eine Person),<br />

1.479,99 EUR (zwei Personen) etc. Die Hilfe zum Lebensunterhalt für einen Haushalt (HLU) nach<br />

BSHG (Stand 1. Juli 2003) errechnet sich aus den haushaltsspezifischen Regelsätzen einschließlich<br />

einmaliger Leistungen <strong>und</strong> Warmmiete (ohne Strom). Der rechnerische Durchschnitt für Deutschland<br />

beträgt beispielsweise bei einem Haushaltsvorstand bzw. einer alleinstehenden Person 291,00 EUR,<br />

bei einem Haushaltsangehörigen bis zur Vollendung des 7. Lebensjahrs 146,00 EUR, vom 8. bis zum<br />

14. Lebensjahr 289,00 EUR, vom Beginn des 19. Lebensjahrs an 233,00 EUR. Insgesamt zeigt sich,<br />

dass die nach den Pfändungsfreigrenzen berechneten Untergrenzen in der Regel höher sind als die<br />

nach den Richtlinien des BSHG (lfd. Hilfe zum Lebensunterhalt). Je nachdem, ob das<br />

Existenzminimum nach der Pfändungstabelle oder nach den Sozialhilferichtsätzen bestimmt wird,<br />

lassen sich unterschiedliche Summen <strong>überschuldeter</strong> Haushalte errechnen. Man erhält eine geringere<br />

Anzahl an überschuldeten Haushalten, wenn das Existenzminimum auf den bedarfs-gewichteten<br />

Sozialhilfesätzen basiert, gegenüber einem Existenzminimum, das mittels der Pfändungsfreigrenzen<br />

festgelegt wird. 24<br />

21 Vgl. die definitorischen Eingrenzungen des Begriffs Verschuldung <strong>und</strong> Überschuldung, Kapitel 2.2.<br />

22 Experten-Hearing, a.a.O.: Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann <strong>ver</strong>wies darauf, dass bei einem überschuldeten Haushalt zahlreiche<br />

Gründe für die Überschuldung vorliegen, die nicht allein auf die von der SCHUFA gespeicherten Zahlungsstörungen rückführbar<br />

sind.<br />

23 Vgl. BMFSFJ (Hrsg.): Was mache ich mit meinen Schulden? 10. Aufl., Berlin 2003, S. 68ff.<br />

24 Vgl. Teilanalyse C: Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann, in: Schulden-Kompass 2004, S. 121-122.<br />

19


SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 2. ZENTRAL DISKUTIERTE BEGRIFFE<br />

2.6 Armut<br />

Armut <strong>und</strong> Reichtum sind untrennbar mit gesellschaftlichen Werturteilen <strong>ver</strong>b<strong>und</strong>en. In den modernen<br />

Industriegesellschaften liegt das durchschnittliche Wohlstandsniveau wesentlich über dem physischen<br />

Existenzminimum. Daher wird ein relati<strong>ver</strong> Armutsbegriff diskutiert, der überwiegend über<br />

Haushaltseinkommen in Bezug zur Haushaltsgröße definiert wird. Hierbei wird mit dem Konstrukt<br />

des so genannten Äquivalenzeinkommens gearbeitet. Dies ist das Haushaltsnettoeinkommen,<br />

gewichtet nach der Anzahl der Personen, die von diesem Einkommen in dem Haushalt leben. Die<br />

Gewichtung ist je nach Altersklasse <strong>und</strong> Beitrag zum Gesamteinkommen unterschiedlich. Nach dem<br />

2. Armutsbericht der B<strong>und</strong>esregierung sind diejenigen Personen arm, „deren bedarfsgewichtete<br />

Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60 % des Mittelwerts (Median) aller Haushalte beträgt. Das<br />

Nettoäquivalenzeinkommen wird errechnet als gewichtetes Pro-Kopf-Einkommen, abgeleitet über<br />

die neue OECD-Skala. In Deutschland beträgt die auf Basis der Einkommens- <strong>und</strong> Verbrauchsstichprobe<br />

mit 60.000 Haushalten (2003) des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes errechnete Armutsgrenze<br />

938 Euro.” Ein weiteres Diagnosekonzept basiert nicht auf Liquiditätsbetrachtungen, sondern auf<br />

Verwirklichungschancen. Armut ist dann gleichbedeutend mit einem Mangel an Verwirklichungschancen,<br />

Reichtum mit einem sehr hohen Maß an Verwirklichungschancen, deren Grenzen nur<br />

punktuell oder gar nicht erreicht werden. Das Konzept der Verwirklichungschancen knüpft an die im<br />

europäischen Kontext geführte Exklusionsdebatte an, wonach sich ein unterdurchschnittlicher<br />

Lebensstandard als mehr oder minder gravierender Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben äußern<br />

kann. 25<br />

2.7 Haushalt<br />

Bei der Überschuldungsforschung kommt der Betrachtung auf Haushaltsebene eine entscheidende<br />

Bedeutung zu. Im Gegensatz zu allein lebenden Personen sind in Mehrpersonenhaushalten mit mehreren<br />

Einkommen gr<strong>und</strong>sätzlich mehr finanzielle Ressourcen vorhanden. Das Zusammenleben kann<br />

stabilisieren <strong>und</strong> Räume für den Ausgleich mangelnder Liquidität schaffen. Es wird in der Forschung<br />

die These geäußert: „Nicht die Höhe oder Häufigkeit der Schulden im Konsumentenkredit sind entscheidend,<br />

sondern die Fähigkeit, in angespannten Liquiditätslagen mit anderen Personen im<br />

Haushalt das Risiko zu teilen, die Liquidität in der Gruppe auszugleichen <strong>und</strong> Überschuldungsrisiken<br />

zu mindern.“ 26<br />

25 Lebenslagen in Deutschland, 2. Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsbericht der B<strong>und</strong>esregierung, S. XXVII, 2005.<br />

26 Vgl. Prof. Dr. Udo Reifner, Überschuldungsprofile, Auswertungen der Schuldnerberatungssoftware CAWIN in Schulden-Kompass 2005..<br />

20


SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 2. ZENTRAL DISKUTIERTE BEGRIFFE<br />

2.8 Finanz- <strong>und</strong> Zahlungswissen<br />

Das Finanz- <strong>und</strong> Zahlungswissen, wie es in der Primärerhebung des Schulden-Kompass 2003 <strong>und</strong><br />

2004 erhoben wurde, stellt zunächst auf die Nutzung von Finanzdienstleistungen ab <strong>und</strong> impliziert<br />

dort ein Wissen über Gr<strong>und</strong>typen von Geld- <strong>und</strong> Kreditgeschäften <strong>und</strong> einzelne Randbedingungen.<br />

27 Zahlungswissen ist ein Teil des Finanzwissens, das wiederum als Teilbereich der ökonomischen<br />

Allgemeinbildung zugeordnet wird. Während die ökonomische Allgemeinbildung Kenntnisse<br />

über die Funktionsweise der Marktwirtschaft umfasst, beinhaltet die finanzielle Allgemeinbildung die<br />

wichtigsten persönlichen Voraussetzungen für die individuell sinnvolle Nutzung von Finanzdienstleistungen.<br />

28 Bei Untersuchungen zum Finanz- <strong>und</strong> Zahlungswissen <strong>und</strong> deren Wechselwirkung bei<br />

der Überschuldung gilt es insgesamt zu prüfen, welche Defizite im Produkt- <strong>und</strong> Handlungswissen<br />

bei der Überschuldung eine Rolle spielen. Schwierigkeiten bereitet die Operationalisierung von<br />

Produkt- bzw. Faktenwissen für Testzwecke auch insofern, als die unüberblickbare Vielzahl von<br />

Finanzprodukten wohl kein Verbraucher komplett beherrschen dürfte <strong>und</strong> es daher auch nicht das<br />

„absolute“ Finanzwissen gibt. Außerdem unterliegt das Produkt- oder Faktenwissen gegenüber dem<br />

Handlungswissen einer schnelleren Alterung, was die Messung eines sich ggf. <strong>ver</strong>ändernden Faktenwissens<br />

erschwert. Zu berücksichtigen ist auch, dass bestimmte Einstellungen <strong>und</strong> persönliche<br />

Lebensmaximen ein Produkt- <strong>und</strong> Handlungswissen dominieren <strong>und</strong> dieses Wissen bewusst ausblenden<br />

können. Dann folgt die Handlung nicht einem Wissen, sondern dient vielmehr der Erfüllung<br />

einer persönlichen, faktisch gelebten Überzeugung. 29<br />

2.9 Überschuldungskarriere<br />

Bei Analysen zur sozialen Mobilität werden die Verlaufsmuster von (insbesondere beruflichen)<br />

individuellen Karrieren <strong>und</strong> ihre sozialen Bindungen untersucht. Üblicherweise zählen hierzu Merkmale<br />

der Person (z.B. soziale Herkunft, Bildung) <strong>und</strong> der Sozialstruktur (z.B. Berufsgruppe, Erwerbsstatus<br />

o.ä.). Deterministische Karrierekonzepte betrachten die Karrieren der Individuen durch ihre<br />

soziale Herkunft, Bildung bzw. Bildungszugänge usw. als weitestgehend vorgegeben <strong>und</strong> gehen von<br />

einer geringen individuellen Beeinflussung aus. Im Gegensatz dazu berücksichtigen handlungstheoretische<br />

Karrierekonzepte ebenso das Verhalten der Individuen <strong>und</strong> deren Einfluss auf den Karriere<strong>ver</strong>lauf.<br />

Handlungstheoretische Karrierekonzepte gehen somit von einer größeren möglichen<br />

Dynamik der individuellen Karriere<strong>ver</strong>läufe aus, denen jedoch u.a. durch Arbeitslosigkeit, Armut <strong>und</strong><br />

Überschuldung Begrenzungen gesetzt werden können. 30<br />

27 Vgl. repräsentative Haushaltsbefragung in Schulden-Kompass 2004. Zu beobachten war u.a., dass der Anteil der Haushalte mit geringem<br />

Zahlungswissen von 2003 auf 2004 von 14,8 % auf 9,1 % gesunken ist, S. 105-112.<br />

28 Reifner, Udo: Finanzielle Allgemeinbildung, Bildung als Mittel der Armutsprävention in der Kreditgesellschaft, Baden-Baden 2003. S. 15-24.<br />

29 Vgl. Schulden-Kompass 2003: Beitrag „Sozialethische Aspekte von Verschuldung <strong>und</strong> Überschuldung“ des Beirats Prof. Dr. Johannes<br />

Hoffmann, S. 64-65.<br />

30 Vgl. Schulden-Kompass 2004, Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann „Wege in die Überschuldung <strong>und</strong> ihre Ursachen“, S. 115-146.<br />

21


2.10 Schuldenneigung<br />

Zur Bestimmung <strong>und</strong> Anwendbarkeit eines individuellen Indikators wurde 2003 <strong>und</strong> 2004 die<br />

psychologische Dimension „Schuldenneigung“ im Schulden-Kompass erprobt. Die Schuldenneigung<br />

ist erstmalig im Schulden-Kompass 2003 erhoben worden <strong>und</strong> war bis dahin ein wenig beachtetes<br />

Merkmal bei Forschungsarbeiten zur privaten Überschuldung. 31 Hintergr<strong>und</strong> ist die Frage, inwiefern<br />

die Schuldenneigung als persönliche Disposition unabhängig von äußeren Einflussfaktoren auf das<br />

Kredit<strong>ver</strong>halten wirkt. Schuldenneigung bedeutet die Bereitschaft oder die Neigung, auf Kredit zu<br />

kaufen oder zu mieten, ohne die völlige Gewissheit darüber zu besitzen, der Verpflichtung nachkommen<br />

zu können. Diese Bereitschaft ist gemäß der Hypothese un<strong>ver</strong>änderlicher persönlicher<br />

Einstellungen unterschiedlich ausgeprägt. Bei sehr geringer Ausprägung wird nach Möglichkeit ganz<br />

<strong>ver</strong>mieden, Kredit aufzunehmen. Bei sehr starker Ausprägung werden Kreditmöglichkeiten auch<br />

dann genutzt, wenn deren Rückzahlung nicht gesichert ist. Auf einer Gegenhypothese baut die<br />

Modernisierungstheorie aus der soziologischen Forschung auf, wonach in Abhängigkeit der<br />

Situation finanzielle Risiken dem Kreditnehmer fallweise transparent oder eher intransparent erscheinen<br />

<strong>und</strong> sich daher seine Neigung je nach Situation ändert <strong>und</strong> damit die Schuldenneigung <strong>und</strong> das<br />

Kredit<strong>ver</strong>halten von exogenen Faktoren abhängt. Darüber hinaus untersuchte der Schulden-<br />

Kompass im Vorjahr, ob die im Schulden-Kompass 2003 erhobene Dimension Schuldenneigung<br />

Ansätze für eine <strong>ver</strong>haltenswissenschaftliche Ermittlung von Wegen aus der Verschuldung bietet.<br />

Hierfür zeigte der Schulden-Kompass 2004 mit einer Pilotstudie Aspekte <strong>und</strong> Möglichkeiten eines<br />

<strong>ver</strong>haltensorientierten Ansatzes. 32<br />

2.11 Selbstmanagement<br />

Der Schuldnerberatungspraxis zufolge gibt es Schuldner, die aus eigenem Antrieb <strong>und</strong> hoher<br />

Handlungskompetenz aktiv ihre Überschuldungslage selbst bewältigen <strong>und</strong> solche, die passiv durch<br />

ein singuläres Ereignis wie Erbschaft ihre Überschuldungssituation lösen. Für das aktive, kreditbedienende<br />

Selbstmanagement wird auf Basis eines <strong>ver</strong>haltensorientierten Ansatzes davon ausgegangen,<br />

dass der Mensch selbstständig zur Lebensbewältigung befähigt <strong>und</strong> lernfähig ist. Im Unterschied zu<br />

statischen Persönlichkeitseigenschaften wie z.B. Schuldenneigung, beschreibt das Selbstmanagement<br />

situationsabhängige, <strong>ver</strong>änderliche Beweggründe (Motive) des Handelns. Differenziert wird<br />

nach der „momentanen Strategie“ <strong>und</strong> der „planenden Strategie“: Momentane Strategien sind auf<br />

die Bewältigung des augenblicklichen Ereignisses konzentriert. Bei den planenden Strategien handelt<br />

es sich um längerfristige, antizipative <strong>und</strong> damit prophylaktische Vorgehensweisen, die oftmals nicht<br />

nur auf das spezielle auslösende Ereignis, sondern beispielsweise auf die gesamte Lebensführung<br />

ausgelegt sind. 33<br />

22<br />

SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 2. ZENTRAL DISKUTIERTE BEGRIFFE<br />

31 Hirseland, Andreas: a.a.O, Hirseland führt aus, dass Handeln <strong>und</strong> Situationsdefinitionen immer auf subjektiven Deutungsmustern beruhen,<br />

in dem der Handelnde die Situation aufgr<strong>und</strong> bereits bestehender Einstellungen interpretiert. S. 90 ff.<br />

32 Vgl. Prof. Dr. Winfried Hacker <strong>und</strong> Dr. Peggy Looks, in Schulden-Kompass 2004, S. 149-159.<br />

33 Vgl. Prof. Dr. Winfried Hacker, a.a.O.


SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 3. TEILANALYSEN IM ÜBERBLICK<br />

3. Teilanalysen im Überblick<br />

Im Mittelpunkt des vorliegenden Schulden-Kompass 2005 steht zwar weiterhin die Frage, welches<br />

Ausmaß die Ver- <strong>und</strong> Überschuldung von Privatpersonen <strong>und</strong> Privathaushalten angenommen hat<br />

<strong>und</strong> welche Trends erkennbar sind. Doch eine abschließende Antwort dürfte, wenn überhaupt, wohl<br />

erst in einigen Jahren möglich sein.<br />

Zentrale Aufgabenstellung des Schulden-Kompass 2005 ist es, die Liste <strong>ver</strong>lässlicher Indikatoren der<br />

privaten Überschuldung weiterzuführen. Darüber hinaus erprobt der Schulden-Kompass 2005<br />

Schlüsselindikatoren, die sich mit anderen Untersuchungen zusammenführen lassen, um haushaltsbezogene<br />

<strong>und</strong> personenbezogene Kontextmerkmale der Schuldner zu ermitteln <strong>und</strong> <strong>Sozialprofile</strong><br />

zu skizzieren, die typische Charakteristika für einen Ver- bzw. Überschuldungsprozess zeigen.<br />

Teilanalyse A<br />

Der SCHUFA-Datenbestand bietet eine repräsentative Erfassung über die Art <strong>und</strong> Höhe der bankmäßigen<br />

Schulden (ausgenommen Dispo-Kredite) sowie die auftretenden Zahlungsstörungen in den<br />

Bereichen Handel (inklusive Versandhandel) <strong>und</strong> Telekommunikation. Der ausgewertete Gesamtbestand<br />

2004 umfasst r<strong>und</strong> 362 Millionen Datensätze von r<strong>und</strong> 62 Millionen volljährigen Personen<br />

in Deutschland. Herausgearbeitet werden Trends hinsichtlich der Kredithöhen, Kreditausfälle <strong>und</strong><br />

Zahlungsstörungen aus den Bereichen Banken, Telekommunikation <strong>und</strong> Handel (inkl. Versandhandel)<br />

<strong>und</strong> b<strong>und</strong>esweit auf die 439 Kreise (siehe www.schulden-kompass.de) herunter gebrochen.<br />

Neben den fortgesetzten, statistischen Basis-Untersuchungen der SCHUFA-Daten (A-2), dem aktualisierten<br />

Risiko-Modell, den regionalen Auswertungen – nun auch auf B<strong>und</strong>esland-Ebene – enthält<br />

der Schulden-Kompass 2005 erstmals eine Sonder-Analyse der SCHUFA-Daten zur Verschuldung<br />

<strong>und</strong> Überschuldung <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> (Teilanalyse A-2).<br />

23


SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 3. TEILANALYSEN IM ÜBERBLICK<br />

Zur Erweiterung der Analysen <strong>und</strong> des Interpretationsraums der SCHUFA-Daten wurden folgende<br />

interdisziplinäre Teilanalysen in Auftrag gegeben, begleitet von dem seit 2003 bestehenden<br />

wissenschaftlichen Beirat.<br />

Teilanalyse B<br />

Auf Basis von Daten der ausgewählten Schuldnerberatungsstellen Hamburg, Wilhelmshaven <strong>und</strong> des<br />

Sozioökonomischen Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung soll eine Gr<strong>und</strong>lage<br />

für die Erstellung von Sozialsprofilen gelegt werden. Ziel ist die <strong>ver</strong>gleichende Analyse der<br />

<strong>Sozialprofile</strong> <strong>ver</strong>schuldeter bzw. <strong>überschuldeter</strong> Personen <strong>und</strong> deren Haushalte nach Altersgruppen,<br />

woraus zentrale Einflussfaktoren auf den Ver- bzw. Überschuldungsprozess der Personen der jeweiligen<br />

Altersgruppe abgeleitet werden können. Ziel ist die Informationserweiterung der SCHUFA-<br />

Analysen um personen- <strong>und</strong> haushaltsspezifische Kontextmerkmale aus dem repräsentativen<br />

Datensatz des Sozioökonomischen Panel <strong>und</strong> Erhebungen bei Schuldnerberatungsstellen. Die wissenschaftliche<br />

Leitung des Projekts haben Prof. Dr. Udo Reifner <strong>und</strong> Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann.<br />

Teilanalyse C<br />

Die Auswertungen der Schuldnerberater-Daten (CAWIN) <strong>und</strong> des SOEP ermöglichen Aussagen über<br />

Trends der Ver- <strong>und</strong> Überschuldung <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong>. Bei <strong>Sozialprofile</strong>n <strong>junger</strong> <strong>ver</strong>- <strong>und</strong> <strong>überschuldeter</strong><br />

Personen auf Basis repräsentati<strong>ver</strong> Untersuchungen von Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann<br />

lassen sich gegenüber älteren Altersgruppen Unterschiede hinsichtlich der Wohn- <strong>und</strong> Lebensform,<br />

Höhe der Restschulden, des Erwerbsstatus etc. feststellen. Der Pilot-Charakter der CAWIN-Analysen<br />

von Prof. Dr. Udo Reifner erlaubt noch keine Zusammenführung mit den SOEP-Daten <strong>und</strong> damit<br />

noch keine kombinierten repräsentativen Interpretationsansätze auf B<strong>und</strong>esebene.<br />

Teilanalyse D<br />

Mit der qualitativen Pilotstudie zu Verschuldungsmotivation <strong>und</strong> Lebenslagen von überschuldeten<br />

jungen Erwachsenen stellt Dr. Dieter Korczak den quantitativen Analysen der Überschuldungsforschung<br />

qualitative Aussagen gegenüber. In Kooperation mit Schuldnerberatungsstellen aus vier<br />

<strong>ver</strong>schiedenen Regionen Deutschlands sind von August bis Oktober 2005 dreizehn junge Frauen <strong>und</strong><br />

sieben junge Männer mittels eines biografischen Interviews befragt worden. Ziel der Befragung war,<br />

detaillierte biografische Informationen über den Weg von jungen Erwachsenen in die Überschuldung<br />

zu gewinnen <strong>und</strong> so – neben den statistischen Aussagen der Teilanalysen A bis C – eine weitere<br />

Einordnung der Überschuldungsproblematik <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> anhand detaillierter, individuell<br />

erhobener Lebenslagen leisten zu können.<br />

24


SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 4. DATENQUELLEN<br />

4. Datenquellen<br />

Der Schulden-Kompass 2005 basiert auf folgenden Datenquellen:<br />

• SCHUFA: Gesamtdatenbestände von 2002, 2003, 2004 mit ca. 362 Mio. Datensätzen von<br />

ca. 62 Millionen Personen (Stand 2004).<br />

• Sozioökonomisches Panel (SOEP): Haushaltsbefragung von 2003 des Deutschen Instituts für<br />

Wirtschaftsforschung mit mehr als 12.000 Haushalten <strong>und</strong> fast 24.000 Personen.<br />

• CAWIN-Datensätze der Schuldnerberatungsstellen Hamburg <strong>und</strong> Wilhelmshaven, Pilotstudie mit<br />

300 Daten. Erhebungszeitraum: Juni bis September 2005.<br />

• Biografische Interviews der GP Forschungsgruppe. Pilotstudie mit 13 weiblichen <strong>und</strong><br />

7 männlichen jungen Erwachsenen aus Berlin, Hanno<strong>ver</strong>, Nauen <strong>und</strong> München.<br />

Erhebungszeitraum: August bis Oktober 2005.<br />

Hervorgehoben sei, dass es sich bei den SCHUFA-Daten um eine Analyse auf Personenebene <strong>und</strong><br />

nicht auf Haushaltsebene handelt.<br />

Im SOEP werden bankmäßige Verschuldungsformen erhoben <strong>und</strong> sowohl auf der Haushaltsebene<br />

als auch auf der Personenebene erfasst.<br />

25


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A<br />

A Repräsentative Auswertung von SCHUFA-Daten<br />

Von SCHUFA Holding AG<br />

27


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A<br />

Repräsentative Auswertung von SCHUFA-Daten<br />

Inhalt<br />

A-1 Basis-Analyse 30<br />

1. Trends der privaten Verschuldung 31<br />

2. Regionale Auswertungen 47<br />

2.1 Verteilung der Negativmerkmale<br />

2.2 Entwicklung der Negativmerkmale von 2003 auf 2004<br />

3. Risiko-Modell 62<br />

3.1 Das SCHUFA-Risikomodell <strong>und</strong> Risikostufen<br />

3.2 Entwicklungen zwischen den Risikostufen von 1999 bis 2004<br />

3.3 Regionale Betrachtung der Risikostufen<br />

A-2 Sonder-Analyse: Junge Erwachsene 73<br />

1. Trends der Verschuldung 75<br />

2. Regionale Auswertungen 85<br />

3. Risiko-Modell 94<br />

3.1 Das SCHUFA-Risikomodell <strong>und</strong> Risikostufen<br />

3.2 Entwicklungen zwischen den Risikostufen von 1999 bis 2004<br />

3.3 Regionale Betrachtung der Risikostufen<br />

29


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1<br />

Repräsentative Auswertung der SCHUFA-Daten<br />

Die regelmäßig erhobenen Analysen der SCHUFA-Daten für den Schulden-Kompass erlauben nun im<br />

dritten Jahr repräsentative Trendaussagen über einen längeren Zeitraum. So wurden für die Verlaufsuntersuchungen<br />

die Gesamtdatenbestände 2002, 2003 <strong>und</strong> 2004 miteinander <strong>ver</strong>glichen, wobei<br />

manche Spezialauswertungen auch den Erhebungszeitraum von 1999 bis 2004 umfassen. In einer<br />

Sonder-Analyse über junge Erwachsene wurden gezielt Trends der Ver- <strong>und</strong> Überschuldung <strong>junger</strong><br />

<strong>Erwachsener</strong> untersucht. Eine weitere Besonderheit ist, dass führende Überschuldungsforscher<br />

ausgewählte Schaubilder kommentieren.<br />

Zahlungsstörungen sowie Kreditausfälle können als Risiko-Indikator für die Überschuldungsgefahr<br />

dienen. Mit dieser zentralen Arbeitshypothese sind die SCHUFA-Daten hinsichtlich der von Vertragspartnern<br />

gemeldeten Kredite, Kreditausfälle <strong>und</strong> Zahlungsstörungen aus den Bereichen Banken,<br />

Telekommunikation <strong>und</strong> Handel (inkl. Versandhandel) statistisch <strong>und</strong> anonymisiert ausgewertet<br />

worden. Die Auswertungen der SCHUFA-Daten geben nicht nur Auskunft über Gesamtbestands<strong>ver</strong>änderungen,<br />

sondern dokumentieren auch Entwicklungen über die durchschnittliche Höhe laufender<br />

<strong>und</strong> ausgefallener Kredite sowie Trends der Zahlungsstörungen, differenziert nach Altersgruppen,<br />

Kreisen <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esländern. Dies ebnet den Weg für die Datensynchronisationen mit<br />

anderen statistischen Quellen.<br />

Zusätzlich wurde für den aktuellen Schulden-Kompass das im Vorjahr entwickelte „Risiko-Modell“<br />

aktualisiert <strong>und</strong> mit einem dynamischen Modell, das von 1999 bis 2004 die Wanderungen zwischen<br />

den Risikostufen abbildet, ausgebaut. Das Risikostufen-Modell umfasst vier für die SCHUFA erkennbare<br />

Risikostufen <strong>und</strong> <strong>ver</strong>anschaulicht einen diskreten Verlauf von Grün, Gelb über Orange bis Rot.<br />

Im grünen Bereich sind auf Kreisebene diejenigen Personen anonym erfasst, die bei der SCHUFA<br />

sowohl kein Negativmerkmal als auch keine aktuelle Kredit<strong>ver</strong>pflichtung haben. Der rote Bereich<br />

beschreibt Personen mit mindestens einem der harten Negativmerkmale wie die Abgabe einer<br />

Eidesstattlichen Versicherung <strong>und</strong> Privatinsolvenz. Für die Interpretation ist zu beachten, dass die<br />

SCHUFA-Analysen personenbezogene <strong>und</strong> keine haushaltsbezogene Betrachtungen sind.<br />

Die Analysen der SCHUFA-Daten A-1 <strong>und</strong> A-2 leisten auf Basis einer Gr<strong>und</strong>gesamtheit von 62<br />

Millionen volljährigen natürlichen Personen eine entscheidende Weiterentwicklung der Ver- <strong>und</strong><br />

Überschuldungsstatistiken <strong>und</strong> damit einen wichtigen Beitrag, die Ver- <strong>und</strong> Überschuldungssituation<br />

in Deutschland <strong>ver</strong>lässlich einzuschätzen.<br />

30


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

1. Trends der privaten Verschuldung<br />

Kreditbelastung von 2003 auf 2004 gestiegen<br />

Die durchschnittliche Belastung mit Teilzahlungskrediten ist zwischen 2002 <strong>und</strong> 2004 insbesondere<br />

von 2003 bis 2004 deutlich gestiegen. Im Gegensatz zum Schulden-Kompass der Vorjahre bedeutet<br />

Kreditbelastung hier nicht die Höhe des aufgenommenen Kredits, sondern die noch aktuell bestehende<br />

Verpflichtung aus einem Kredit (Restschuld). Des Weiteren werden nur die Konsumentenkredite<br />

berücksichtigt, d.h. keine Leasing<strong>ver</strong>träge <strong>und</strong> keine Hypothekarkredite. Die durchschnittliche<br />

Kreditbelastung der 20- bis 29-Jährigen hat sich in dem gesamten dreijährigen Beobachtungszeitraum<br />

nicht wesentlich <strong>ver</strong>ändert.<br />

Abb.1.1<br />

Kommentar von Prof. Dr. Udo Reifner:<br />

„Die Belastung der Haushalte ergibt sich aus fälligen Kreditzahlungen <strong>und</strong> nicht aus der absoluten<br />

Kredithöhe. Ein gekündigter Kredit ist auch in geringer Höhe eine Hohe Belastung, hingegen ist ein<br />

ungekündigter hoher Ratenkredit u. U. keine Belastung.“<br />

Kommentar von Prof. Dr. Hugo Grote:<br />

„Tendenz: Steigende Kreditbelastung trotz konstanter wirtschaftlich schwieriger Bedingungen.“<br />

31


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

Konsumentenkredite sind im Westen höher<br />

Die durchschnittliche Belastung mit Teilzahlungskrediten ist auf Basis des SCHUFA-Datenbestands<br />

2004 in Westdeutschland, mit Ausnahme der Altersgruppe der 18- bis 19-Jährigen, höher als in<br />

Ostdeutschland. In den Altersgruppen von 18 bis 34 Jahren steigt die Belastung an <strong>und</strong> zeigt danach<br />

keine auffälligen Änderungen zwischen den einzelnen Altersgruppen. Ein leichte Abnahme der<br />

durchschnittlichen Belastung mit Teilzahlungskrediten ist in der Gruppe der über 60-Jährigen zu<br />

beobachten.<br />

Abb.1.2<br />

Kommentar von Prof Dr. Udo Reifner:<br />

„Die Grafik macht eine Kredit<strong>ver</strong>gabepraxis deutlich, wonach Kredite über 11.000 Euro ungern<br />

<strong>ver</strong>geben werden.“<br />

32


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

Wenn Kredite ausfallen, dann meist bei kleineren Krediten<br />

R<strong>und</strong> 45 % der ausgefallenen Kredite haben ein Kreditvolumen von bis zu 6.000 Euro. R<strong>und</strong> 45 %<br />

der laufenden Kredite haben ein Volumen von bis zu 7.000 Euro. Im Vergleich mit den laufenden<br />

Krediten fallen Kredite überproportional häufig in der Größenklasse von 1.000, 2.000 <strong>und</strong> 3.000<br />

Euro aus. Die laufenden Kredite des SCHUFA-Datenbestands 2004 sind Teilzahlungskredite, die mit<br />

ihren Anfangsbeständen – keine Restschulden – der SCHUFA im Jahr 2004 von Vertragspartnern<br />

gemeldet worden sind.<br />

Abb.1.3<br />

Kommentar von Dr. Dieter Korczak:<br />

„Hier wäre es von großem Interesse in Erfahrung zu bringen, welche Personengruppen Kleinkredite<br />

bevorzugt aufnehmen <strong>und</strong> warum diese dann trotz überschaubarer Größenordnung überdurchschnittlich<br />

häufig ausfallen?“<br />

33


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

Gefahr vor Kreditausfällen nimmt mit der Kredithöhe ab<br />

Über 80 % der laufenden Kredite hatten 2004 ein Kreditvolumen von bis zu 15.000 Euro. Werden<br />

die Größenklassen in 5.000er Schritten eingeteilt, ist zu sehen, dass 43,06 % der ausgefallenen<br />

Kredite 2004 ein Volumen von bis zu 5.000 Euro hatten. Auch hier ist der <strong>ver</strong>gleichsweise hohe<br />

Ausfall von kleineren Teilzahlungskrediten auffällig.<br />

Abb.1.4<br />

34


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

Anteil der laufenden <strong>und</strong> ausgefallenen Kleinkredite von allen Krediten<br />

sind im Osten höher als im Westen<br />

Abb.1.5<br />

35


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

Volumen der Kreditausfälle steigt mit dem Alter<br />

Durchschnittlich belief sich die Höhe der ausgefallenen Kredite 2004 in Deutschland auf ca. 8.700<br />

Euro. Die laufenden Kredite hatten durchschnittlich ein Volumen von ca. 10.100 Euro.<br />

Untersucht nach Altersklassen, fallen recht hohe Kredit<strong>ver</strong>pflichtungen der 18- bis 19-Jährigen auf,<br />

d.h., wenn 18- bis 19-Jährige einen Kredit aufgenommen haben, dann betrug dieser im Durchschnitt<br />

r<strong>und</strong> ca. 5.100 Euro.<br />

Die durchschnittliche Höhe der laufenden Kredite nimmt bis zur Gruppe der 35- bis 39-Jährigen zu.<br />

Bis zur Altersklasse von 45 bis 49 Jahren liegt der Durchschnitt der laufenden Kredite mit abnehmenden<br />

Wachstumsraten über dem der ausgefallenen Kredite. Bei den über 50-Jährigen kehrt sich<br />

dieses Verhältnis um. Während die Höhe der laufenden Kredite mit steigendem Alter zunimmt, steigt<br />

das Volumen der ausgefallenen Kredite kontinuierlich mit dem Alter an. Erst bei den 60- bis 64-<br />

Jährigen ist ein Rückgang zu beobachten.<br />

Abb.1.6<br />

36


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

Kreditausfälle im Westen in allen Altersgruppen höher als im Osten<br />

Abb.1.7<br />

37


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

Abb.1.8<br />

38


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

Abb. 1.8 betrachtet die Entwicklung der negativen Ersteinträge, die aus den Bereichen Banken,<br />

Handel <strong>und</strong> Telekommunikation der SCHUFA von 2002 bis 2004 gemeldet worden sind. Bei den<br />

Banken ist eine statistische Normal<strong>ver</strong>teilung über alle Altersgruppen hinweg zu beobachten. Bei der<br />

Telekommunikationsbranche ist die Abnahme der negativen Ersteinträge mit zunehmendem Alter<br />

auffällig.<br />

Kommentar ...<br />

von Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann:<br />

„Die höchsten Zuwächse an negativen SCHUFA-Einträgen aus dem Telekommunikationssektor seit<br />

2002 sind vor allem bei der Altersgruppe der 25- bis 29-Jährigen zu <strong>ver</strong>zeichnen; im Bankenbereich<br />

sind die negativen Einträge bei den jüngeren Altersgruppen der bis 34-Jährigen tendenziell leicht<br />

rückläufig.“<br />

von Dr. Dieter Korczak:<br />

„Die Marktausweitung bei Handys führt zur Zunahme der Schulden bei den 25- bis 29-Jährigen. Im<br />

Jahr 2003 sind erstmals die negativen SCHUFA-Einträge bei den 25- bis 29-Jährigen höher als die<br />

negativen Einträge aus dem Bankensektor. Dies reflektiert auch die im Berichtszeitraum 2002-2004<br />

stattfindende dramatische Marktausweitung der Handy-Nutzer – vor allem in der hochmobilen<br />

Gruppe der 20- bis 29-Jährigen.“<br />

von Dr. Dr. Gunter E. Zimmernann:<br />

„Während die Verteilung der negativen Einträge aus dem Telko-Bereich ihr Maximum bei den 20- bis<br />

24-Jährigen aufweist, liegt jenes der Banken<strong>ver</strong>teilung bei der Altersgruppe der 30- bis 34-Jährigen.<br />

Der Verteilungsgipfel der negativen SCHUFA-Einträge des Bankenbereichs ist auch wesentlich<br />

breiter <strong>und</strong> erstreckt sich über die Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen.<br />

von Dr. Dieter Korczak:<br />

„Die Struktur der negativen SCHUFA-Einträge zeigt eine gravierende Problematik für immerhin r<strong>und</strong><br />

250.000 junge Erwachsene im Alter von 20 bis 24 Jahren aufgr<strong>und</strong> von Telekommunikationsschulden.“<br />

von Prof. Dr. Udo Reifner:<br />

„Kreditkarten könnten unterbewertet sein <strong>und</strong> die Mobilfunktelefone überbewertet sein. Man muss<br />

bei Krediten nach der Fristigkeit <strong>und</strong> nach dem Durchgangsstadium unterscheiden. Kurzfristige<br />

Kredite kommen relativ häufiger vor als langfristige, sind aber weniger belastend. Andererseits<br />

werden Kreditkartenkredite häufig zu Kontoüberziehungskrediten <strong>und</strong> diese wiederum in<br />

Ratenkredite umgeschuldet.“<br />

39


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

Kredit-Ausfallquoten von 2002 bis 2004 bei maximal 2,8 %<br />

Abb.1.9<br />

Im Beobachtungszeitraum von 2002 bis 2004 hat sich der Anteil der ausgefallenen Krediten an allen<br />

Krediten im SCHUFA-Datenbestand über alle Altersgruppen hinweg erhöht. Die Ausfallquote ist<br />

allerdings nach wie vor niedrig <strong>und</strong> liegt in allen drei Jahren maximal bei 2,80 %. Die Ausfallquote<br />

bewegt sich 2004 – im Jahr der meisten Kreditausfälle – zwischen 1,09 % bei den 60- bis 64-<br />

Jährigen <strong>und</strong> 2,80 % bei den 25- bis 29-Jährigen.<br />

Auffällig ist ein Anstieg der Ausfallquoten bei den jüngeren Altersgruppen von 18 bis 19 Jahren. Bei<br />

den 18- bis 19-Jährigen hat sich die Quote von 2003 auf 2004 um r<strong>und</strong> 20 % erhöht. 1<br />

1 Siehe hierzu auch die Sonder-Analyse A-2 über junge Erwachsene sowie Teilanalysen B, C <strong>und</strong> D des Schulden-Kompass 2005.<br />

40


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

Zunahme der Personen mit Negativeinträgen von 2002 bis 2004<br />

Das Schaubild zeigt die Veränderungen der Anteile jener Personen im SCHUFA-Datenbestand mit<br />

mindestens einem Negativmerkmal.*<br />

Von 2002 bis 2004 ist in allen Altersgruppen der Anteil von Personen mit mindestens einem Negativeintrag<br />

gestiegen. Insbesondere in der Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen <strong>und</strong> der Altersgruppe<br />

der 25- bis 29-Jährigen bestand 2004 mit 10,53 % bzw. 12,81 % der höchste Anteil von Personen<br />

mit einem Negativeintrag. Auffällig sind die kräftigen Steigerungsraten der Anteile von Personen mit<br />

Negativeintrag in der Altersgruppe der 40- bis 44-Jährigen (plus ca. 22 %) <strong>und</strong> der 45- bis 49-<br />

Jährigen (plus ca. 25 %) von 2002 auf 2003. Allerdings haben sich die Steigerungsraten über alle<br />

Altersgruppen hinweg von 2003 auf 2004 gegenüber 2002 auf 2003 etwas abgeschwächt.<br />

Abb. 1.10<br />

Kommentar von Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann:<br />

„Obwohl relativ betrachtet die Zuwächse bei den negativen Krediten an allen Krediten bei den 18bis<br />

19-Jährigen am Höchsten sind, ist der Anteil der Personen mit mindestens einem Negativeintrag<br />

an allen Personen der jeweiligen Altersgruppe nicht nur im Vergleich mit den anderen Altersgruppen<br />

gering, sondern auch unterproportional zu ihrem Anteil an der volljährigen Wohnbevölkerung.“<br />

*Hinweis: Negativmerkmal<br />

Negativmerkmale werden in weiche <strong>und</strong> harte Negativmerkmale unterschieden. Ein weiches Negativmerkmal ist eine Zahlungsstörung, d.h.<br />

eine offene, ausreichend gemahnte <strong>und</strong> nicht bestrittene Forderung. Die harten Negativmerkmale beinhalten die Abgabe einer Eidesstattlichen<br />

Versicherung, den Haftbefehl zur Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung sowie die Eröffnung eines Privatinsolvenz<strong>ver</strong>fahrens.<br />

41


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

Zahlungsstörungen bei 25- bis 29-Jährigen, 45- bis 49-Jährigen stärker zugenommen<br />

Abb. 1.11 zeigt die Veränderungen der Anteile jener Personen im SCHUFA-Datenbestand mit nur<br />

weichen Negativmerkmalen (Zahlungsstörungen). Über den Beobachtungszeitraum von drei Jahren<br />

hat sich in allen Altersklassen der Anteil von Personen mit einer Zahlungsstörung erhöht. Auffällig<br />

ist der Anstieg bei den 25- bis 29-Jährigen (ca. 12,4 %) <strong>und</strong> bei den 45- bis 49-Jährigen (ca. 25 %).<br />

Allerdings haben sich die Zuwachsraten über alle Altersgruppen abgeschwächt.<br />

Ab der Altersgruppe 30 bis 34 Jahre sinkt tendenziell in jedem Beobachtungsjahr mit zunehmendem<br />

Alter der Anteil der Personen mit weichen Negativeinträgen in der jeweiligen Altersgruppe.<br />

Abb. 1.11<br />

42


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

Personen mit harten Negativmerkmalen haben in allen Altersgruppen zugenommen<br />

Abb. 1.12 zeigt die Veränderungen der Anteile jener Personen im SCHUFA-Datenbestand mit mindestens<br />

einem harten Negativmerkmal wie sie beispielsweise die Abgabe einer Eidesstattlichen<br />

Versicherung oder eine Privatinsolvenz darstellen.<br />

Über den Beobachtungszeitraum von drei Jahren hat sich in allen Altersklassen der Anteil von<br />

Personen mit mindestens einem harten Negativmerkmal erhöht. Deutlich ist der Anstieg bei den 25bis<br />

29-Jährigen (ca. 24 %) <strong>und</strong> bei den 40- bis 44-Jährigen (ca. 22 %). Die unterjährigen<br />

Zuwachsraten von 2002 auf 2003 sowie von 2003 auf 2004 weisen in den jeweiligen Altersgruppen<br />

einen recht gleichmäßigen Verlauf auf. Allerdings hat sich in der Altersgruppe von 55 bis 59 Jahren<br />

der Anteil der Personen von 2003 auf 2004 um r<strong>und</strong> 13,5 % erhöht gegenüber 11,7 %<br />

im Vorjahr.<br />

Auffällig ist, dass der prozentuale Anteil der Personen mit einem harten Negativmerkmal bei den 20bis<br />

59-Jährigen relativ gleich <strong>ver</strong>teilt ist, so dass hier keine Hypothese ableitbar ist, wonach der Anteil<br />

der Personen mit hartem Negativeintrag in direkter Abhängigkeit des Alters zu- oder abnimmt.<br />

Bei den 20- bis 24-Jährigen haben die harten negativen Merkmale im Vergleich zu den weichen<br />

(siehe Abb. 1.11) stärker zugenommen. Allerdings ist der prozentuale Anteil der Personen mit<br />

weichen Negativmerkmalen insgesamt höher als der prozentuale Anteil mit harten Negativmerkmalen.<br />

43


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

Abb. 1.12<br />

Kommentar von Prof. Dr. Hugo Grote:<br />

„Ein harter Negativeintrag kann als sicheres Indiz für die Überschuldung gelten. Hier ist ein deutlicher<br />

Gesamtanstieg festzustellen, mit leichten Spitzen bei den 20- bis 30-Jährigen <strong>und</strong> den 40- bis 50-<br />

Jährigen.“<br />

Kommentar von Dr. Dieter Korczak:<br />

„Es zeigt sich ein relativ stabiles Plateau von 5 % bis 6 % bei der Altersgruppe der 25- bis 49-<br />

Jährigen.“<br />

Kommentar von Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann:<br />

„Der <strong>ver</strong>gleichsweise geringe Anteil der Personen mit mindestens einem harten Negativeintrag bei<br />

der Altersgruppe der 18- bis 19-Jährigen ist darin begründet, dass diese Altersgruppe fast ausschließlich<br />

noch bei den Eltern wohnt <strong>und</strong> entsprechend helfen diese den jungen Erwachsenen in<br />

wirtschaftlichen Notsituationen durch private Transferleistungen.“<br />

44


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

Abb. 1.13<br />

Wenn weiche oder harte Negativmerkmale vorliegen, kann dies als Indikator für eine prekäre Finanzsituation<br />

bei den betroffenen Personen gewertet werden. Dies muss aber nicht so sein, zumal die<br />

SCHUFA nur formalisierte Gläubiger-/Schuldner-Konflikte registriert, deren Daten sich aus den<br />

Informationen der Vertragspartner speisen.<br />

Erfahrungen von Schuldnerberatern <strong>und</strong> Gerichtsvollziehern zeigen, dass bei der Abgabe einer<br />

Eidesstattlichen Versicherung nur in ca. 60 % bis 70 % der Fälle auch tatsächlich eine Überschuldung<br />

vorliegt. 2 Prekäre Finanzsituationen sind überdies auch eine Frage der Relation. Eine gemeldete<br />

Zahlungsstörung aufgr<strong>und</strong> einer offenen Forderung (Saldo) von z.B. 500 Euro hat je nach<br />

Altersgruppe gr<strong>und</strong>sätzlich eine andere Dimension als eine offene, nicht bediente Restforderung von<br />

z.B. 5.000 Euro.<br />

Um einen Hinweis auf die Zahl der überschuldungsgefährdeten <strong>und</strong> auch der überschuldeten<br />

Personen in dem für Deutschland repräsentativen SCHUFA-Datenbestand zu bekommen, wurde der<br />

Versuch eines reduzierten Indikator-Modells unternommen. 3 Untersucht wurde der Anteil derjenigen<br />

Personen, die bei einem ausgefallenen Bankkredit noch eine offene Restschuld von über 2.500 Euro 4<br />

haben <strong>und</strong> darüber hinaus bereits eine Eidesstattliche Versicherung (EV) abgeben mussten bzw. ein<br />

Haftbefehl (HB) zur Abgabe einer EV gegen jene Person vorliegt. Das Bündel dieser Indikatoren dürfte<br />

als deutliches Signal für eine drohende oder eingetretene Überschuldungssituation zu werten sein.<br />

2 Aussagen von Gerichtsvollziehern bei einem von der SCHUFA <strong>ver</strong>anstalteten Workshop anlässlich des Schulden-Kompass 2004 am<br />

28.10.2004. Siehe hierzu auch Teilanalyse B, Auswertung der CAWIN-Daten durch Prof. Dr. Udo Reifner, S. 125.<br />

3 Siehe auch SCHUFA-Auswertungen in Abschnitt 2.3., Risikomodell, S. 62.<br />

4 Vgl. Teilanalyse B, das Sozioökonomische Panel erhebt nur Konsumentenkredite ab 2.500 Euro.<br />

45


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 1.<br />

Abb. 1.13 zeigt, dass über alle Altersgruppen hinweg der Anteil jener sich in prekären Finanzlagen<br />

befindlichen Personen im SCHUFA-Datenbestand über einen aktuellen, dreijährigen Zeitraum nach<br />

wie vor als marginal klein bezeichnet werden kann. So liegen die prozentualen Anteile bei 1, 44 %<br />

oder darunter. Gleichwohl ist zu erkennen, dass der Anteil der Personen mit der oben skizzierten kritischen<br />

Finanzlage in den mittleren Altersgruppen (35-39, 40-44, 45-49) von 2002 auf 2004 gestiegen<br />

ist: um ca. 29 % bei den 40- bis 44-Jährigen <strong>und</strong> um ca. 30 % bei den 45- bis 49-Jährigen.<br />

Allerdings weist der Anstieg von 2003 auf 2004 eine bereits abgeschwächte Dynamik gegenüber<br />

dem Vorjahr auf.<br />

Im Dreijahres<strong>ver</strong>gleich ist ferner zu sehen, dass sich die Altersgruppe mit den höchsten Anteilen der<br />

überschuld-ungsgefährdeten oder möglicherweise auch überschuldeten Personen Jahr für Jahr tendenziell<br />

hin zu älteren Altersgruppen zu <strong>ver</strong>lagern scheint: von den 30- bis 34-Jährigen hin zu 45bis<br />

49-Jährigen. Doch hierbei ist der Effekt zu berücksichtigen, dass bei der Betrachtung über die drei<br />

Jahre die überschuldeten Personen “ mitaltern” bzw. auch im Folgejahr noch im Datenbestand sein<br />

können.<br />

Die Anteile der Überschuldungsgefährdeten im Westen <strong>und</strong> Osten nach Altersgruppen<br />

Abb. 1.14<br />

Im Ost-/West-Vergleich ist der Anteil der Überschuldungsgefährdeten in Ostdeutschland nur in der<br />

Altersgruppe 25 bis 34 Jahre höher als in Westdeutschland. In allen anderen insbesondere älteren<br />

Altersklassen ist der Anteil der überschuldungsgefährdeten Personen in den alten B<strong>und</strong>esländern<br />

höher als in den neuen B<strong>und</strong>esländern.<br />

46


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 2. | 2.1<br />

2. Regionale Auswertungen<br />

Die in Kapitel 2.1 folgenden Deutschlandkarten stellen die regionale Verteilung der Anteile von<br />

Personen mit so genannten weichen <strong>und</strong> harten Negativmerkmalen dar. Untersucht wurden diese<br />

Verteilungen auf Kreis- <strong>und</strong> B<strong>und</strong>eslandebene. Die Untersuchung auf Kreisebene ist notwendig, da<br />

die Verteilung von Personen mit Negativmerkmalen innerhalb eines B<strong>und</strong>eslandes ein sehr differenziertes<br />

Bild abgibt. In Kapitel 2.2 wird die Zunahme der offenen <strong>und</strong> bestehenden weichen <strong>und</strong> harten<br />

Negativmerkmale auf Kreis- <strong>und</strong> B<strong>und</strong>eslandebene von 2003 auf 2004 untersucht.<br />

2.1 Verteilung der Negativmerkmale<br />

Die nachfolgende Deutschlandkarte 2.1.1 beschreibt für 2004 als Statusbetrachtung den Prozentanteil<br />

derjenigen Personen mit mindestens einem Negativmerkmal im Verhältnis zu allen Personen<br />

über 18 Jahren in den Kreisen des jeweiligen B<strong>und</strong>eslandes. Die zusätzlichen Deutschlandkarten<br />

2.1.2 <strong>und</strong> 2.1.3 stellen jeweils nur die Verteilung der Personen mit nur weichem bzw. mit mindestens<br />

einem harten Negativmerkmal gesondert dar. In den jeweils dazugehörenden tabellarischen<br />

Durchschnitts- <strong>und</strong> Entwicklungsbetrachtungen (Abb. 2.1.1 bis Abb. 2.1.3) ist der Anteil noch einmal<br />

für jedes B<strong>und</strong>esland ausgewiesen.<br />

Insgesamt bewegt sich der Anteil der Personen mit mindestens einem Negativmerkmal zwischen 5,51 %<br />

in Bayern <strong>und</strong> 10,70 % in Berlin. Einen unterdurchschnittlichen Anteil der Personen mit mindestens<br />

einem Negativmerkmal weisen neben Bayern (5,51 %) <strong>und</strong> Baden-Württemberg (5,96 %) auch die<br />

B<strong>und</strong>esländer Sachsen (6,07 %), Thüringen (6,49 %) <strong>und</strong> Hessen (6,92 %) auf.<br />

Kommentar von Prof. Dr. Udo Reifner:<br />

„Die der SCHUFA gemeldeten Merkmale sind formale Merkmale. Sie ergeben sich aus rechtlichen<br />

Beurteilungen <strong>und</strong> Aktionen wie Kündigung, Zustellung eines Mahnbescheids, Beantragung einer<br />

Eidesstattlichen Versicherung etc. Es hängt vom Gläubiger ab, wann, in welchem Umfang <strong>und</strong> wie<br />

er gegen den Schuldner vorgeht. Gläubiger haben hier sehr unterschiedliche Strategien.“<br />

47


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 2.1<br />

48<br />

Karte 2.1.1


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 2.1<br />

Abb. 2.1.1<br />

49


50<br />

SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 2.1.<br />

Karte 2.1.2


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 2.1.<br />

Abb. 2.1.2<br />

51


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 2.1.<br />

52<br />

Karte 2.1.3


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 2.1.<br />

Abb. 2.1.3<br />

53


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 2.2.<br />

2.2 Entwicklung der Negativmerkmale von 2003 auf 2004<br />

Die folgenden Deutschlandkarten (Karte 2.2.1-1 bis 2.2.3-2) zeigen auf Kreis- <strong>und</strong> B<strong>und</strong>eslandebene,<br />

inwiefern von 2003 auf 2004 eine Zunahme der Personen mit mindestens einem Negativmerkmal<br />

zu beobachten ist. Die Untersuchung der Zunahme wird wieder ausdifferenziert nach weichen<br />

<strong>und</strong> nach harten Negativmerkmalen. Wie auch in der vorherigen regionalen Auswertung (2.1)<br />

ist eine gesonderte Auswertung auf Kreisebene notwendig, da die Verteilung von Personen mit<br />

Negativmerkmalen innerhalb eines B<strong>und</strong>eslandes ein recht differenziertes Bild abgibt.<br />

Insgesamt ist in allen B<strong>und</strong>esländern eine deutliche Zunahme der Personen mit weichen <strong>und</strong><br />

harten Negativmerkmalen von 2003 auf 2004 festzustellen. Die heterogene regionale Verteilung<br />

lässt jedoch keine einheitliche Gr<strong>und</strong>struktur erkennen.<br />

55


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 2.2<br />

56<br />

Karte 2.2.1-1


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 2.2<br />

Karte 2.2.1-2<br />

Kommentar von Dr. Dieter Korczak:<br />

„Die Karte dramatisiert die Zunahme weicher <strong>und</strong>/oder harter Negativmerkmale. Eine Zunahme von<br />

8 % bis 10 % bei einer Basis von 5 % bis 6 % harter Merkmale bedeutet, dass in 2004 statt 6 % in<br />

2003 nun 6,6 % harte Negativmerkmale registriert wurden. Dies ist zwar auch nicht erfreulich, aber<br />

relativiert den Sach<strong>ver</strong>halt.“<br />

57


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 2.2<br />

58<br />

Karte 2.2.2-1


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 2.2<br />

Karte 2.2.2-2<br />

59


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 2.2<br />

60<br />

Karte 2.2.3-1<br />

Kommentar von Dr. Dieter Korczak:<br />

„Die Zunahme der eingemeldeten harten Negativmerkmale könnte die Funktion eines Frühwarnindikators<br />

darstellen, wenn gesichert ist, dass sich in diesem Zeitraum nicht die Praxis der Gerichtsvollzieher<br />

bzw. die lokalen Bedingungen für das Verfahren der Privatinsolvenz geändert haben, z. B. aufgr<strong>und</strong><br />

von Stellenreduzierungen oder -ausweitungen, von liberalerer bzw. konservati<strong>ver</strong>er Praxis des<br />

Insolvenzgerichts oder aufgr<strong>und</strong> von Auslastung <strong>und</strong> Finanzierung der Schuldnerberatungsstellen.“


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 2.2<br />

Karte 2.2.3-2<br />

61


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 3.<br />

3. Risiko-Modell<br />

Im <strong>ver</strong>gangenen Jahr hat die SCHUFA für den Schulden-Kompass 2004 erstmals das Risiko-Modell<br />

entwickelt. Es umfasst vier für die SCHUFA erkennbare Risikostufen in Form von Indikatorenbündeln,<br />

die sich aus weichen <strong>und</strong> harten Negativmerkmalen zusammensetzen. In diese Indikatoren fließt<br />

auch die Unterscheidung nach Banken-Krediten <strong>und</strong> Nichtbanken-Krediten ein. Das Risikomodell<br />

beschreibt einen diskreten Verlauf der Risikostufen bzw. Bereiche von Grün, Gelb über Orange bis<br />

Rot.<br />

Im grünen Bereich sind diejenigen Personen anonym erfasst, die bei der SCHUFA kein Negativmerkmal,<br />

keine aktuelle Kredit<strong>ver</strong>pflichtung <strong>und</strong> eine Risikoquote nach Score von unter 10 % haben.<br />

Der rote Bereich beinhaltet Personen mit mindestens einem der harten Negativmerkmale: Eidesstattliche<br />

Versicherung, Haftbefehl zur Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung, Privatinsolvenz<br />

<strong>und</strong> Suchauftrag.<br />

Für den Schulden-Kompass 2005 wurde das Risiko-Modell dergestalt weiterentwickelt, dass über<br />

einen längeren Zeitraum (1999 bis 2004) erkennbar wird, in welchem Maße „Wanderungsbewegungen“<br />

von Personen zwischen den Risikostufen stattfanden. In der Basis-Analyse (A-1) der<br />

SCHUFA-Daten werden die Änderungen der Risikostufen für alle Personen über 18 Jahre betrachtet.<br />

In der Sonder-Analyse (A-2) über junge Erwachsene liegt dieses Modell differenziert nach 18- bis 24-<br />

Jährigen vor, das mit den Personen zwischen 25 <strong>und</strong> 65 Jahren <strong>ver</strong>glichen wird.<br />

Hervorzuheben ist, dass das Risiko-Modell auf Basis der SCHUFA-Daten keine typischen Verschuldungs<strong>ver</strong>läufe<br />

oder Überschuldungskarrieren erklärt. Es dient lediglich als zusätzliches<br />

Instrument, um sich mit weiteren Berechnungen dem Anteil <strong>und</strong> Verhalten derjenigen Personen <strong>und</strong><br />

Haushalte in Deutschland zu nähern, die überschuldet oder überschuldungsgefährdet sind bzw. in<br />

einer prekären Finanzsituation leben.<br />

62


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 3.1<br />

3.1 Das SCHUFA-Risikomodell <strong>und</strong> Risikostufen<br />

Kein negatives Merkmal <strong>und</strong> ohne jede aktuelle Kredit<strong>ver</strong>pflichtung<br />

Kein negatives Merkmal <strong>und</strong> mit aktueller Kredit<strong>ver</strong>pflichtung <strong>und</strong> SCHUFA-Risikoquote<br />

nach Score < 10 %<br />

Die Risikoquote bezeichnet für die bewertete Personengruppe innerhalb einer Ratingstufe den<br />

prozentualen Anteil der Personen, die nach einer definierten Zeitspanne von 15 Monaten einen<br />

Negativstatus erhalten werden.<br />

Nur noch erledigte Negativmerkmale<br />

Kein negatives Merkmal <strong>und</strong> mit aktueller Kredit<strong>ver</strong>pflichtung <strong>und</strong> SCHUFA-Risikoquote<br />

nach Score > 10 %<br />

Ein aktuelles Negativmerkmal nur aus Branche Nichtbanken<br />

Mehr als ein aktuelles Negativmerkmal aus einer oder mehr Branchen Nichtbanken<br />

Bei den so genannten Nichtbanken handelt es sich um folgende Branchen: Handel, Versandhandel,<br />

Internethandel, Telekommunikation etc.<br />

Offenes Negativmerkmal von einer Bank jünger als 1 Jahr<br />

Offenes Negativmerkmal von einer Bank jünger als 1 Jahr <strong>und</strong> Branche Nichtbanken<br />

Offene Negativmerkmale von mindestens einer Bank jünger als 1 Jahr<br />

Negativmerkmal-Historie bei mindestens einer Bank von 1-3 Jahren<br />

Offene Negativmerkmale sind Zahlungsstörungen, d.h offene, ausreichend gemahnte <strong>und</strong><br />

unbestrittene Forderungen, die noch nicht durch Zahlungen erledigt wurden.<br />

Merkmal Eidesstattliche Versicherung (EV) oder Haftbefehl zur Abgabe einer EV<br />

Merkmal der Privatinsolvenz<br />

Personen mit Suchauftrag<br />

Suchauftrag bedeutet: Ein Vertragspartner der SCHUFA besitzt eine offene, ausreichend gemahnte<br />

<strong>und</strong> unbestrittene Forderung gegenüber einem K<strong>und</strong>en, der unbekannt <strong>ver</strong>zogen ist.<br />

63


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 3.1<br />

Die Abb. 3.1.1 enthält die Zuordnung der Personen zu den einzelnen Risikostufen für 2004. Basis<br />

der Zuordnung ist der repräsentative Gesamtdatenbestand der SCHUFA.<br />

Die Stufe Rot ist im Rahmen der privaten Verschuldung sicherlich als ein sehr kritischer Bereich zu<br />

werten. Dieser Bereich kann jedoch nicht unmittelbar mit einer Überschuldungssituation gleichgesetzt<br />

werden, da z.B. die Abgabe einer Eidesstattlicher Versicherung nicht zwangsläufig eine Überschuldung<br />

bedeuten muss. 5 Ebenso kann von dieser personenbezogenen Zahl nicht gleichsam auf<br />

r<strong>und</strong> 2,7 Millionen überschuldete Haushalte geschlossen werden.<br />

Personen in den einzelnen Risikostufen<br />

64<br />

Risikostufe Anteil Anzahl 2004<br />

Abb. 3.1.1<br />

Grün 91,31 % 56.075.570<br />

Gelb 2,98 % 1.830.090<br />

Orange 1,46 % 896.620<br />

Rot 4,25 % 2.610.020<br />

Summe 100,00 % 61.412.300<br />

5 In einem von der SCHUFA <strong>ver</strong>anstalteten Workshop (28.10.2004) mit Gerichtsvollziehern: Die teilnehmenden Gerichtsvollzieher erwähnten,<br />

dass ihrer Erfahrung nach bei Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung in nur 70 % bis 80 % der Fälle auch eine Überschuldung vorliegt.


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 3.2<br />

3.2 Entwicklungen zwischen den Risikostufen von 1999 bis 2004<br />

Kritische Finanzsituationen sind nicht statisch<br />

Diejenigen Personen, die 1999 dem grünen Sektor zugeordnet werden konnten, waren fünf Jahre<br />

später zu 95,15 % wieder in dem grünen Sektor zu finden. Von denjenigen, die 1999 im gelben<br />

Sektor waren, wechselten 57,58 % in den grünen Sektor, 7,23 % in den orangen Sektor <strong>und</strong> 18,58 %<br />

in den roten Sektor. 16,59 % blieben in dem gelben Sektor. Von denjenigen Personen, die 1999 im<br />

orangen Sektor waren, wechselten 37,64 % in den grünen Bereich, 9,70 % in den gelben, 25,66 %<br />

in den roten <strong>und</strong> 26,96 % blieben im orangen Sektor. Von denjenigen Personen, die 1999 dem<br />

kritischen roten Sektor zuzuordnen waren, wechselten 31,09 % bis 2004 in den grünen Sektor.<br />

52,30 % waren 2004 noch im roten Sektor.<br />

Auffällig ist es, dass von den Personen, die 1999 noch dem kritischen roten Bereich zuzuordnen<br />

waren, fünf Jahre später 31,09 % in den grünen, völlig unbedenklichen Sektor ohne Negativmerkmale<br />

gewechselt sind.<br />

Insgesamt lassen sich relativ kräftige “ Wanderungsbewegungen” zwischen den einzelnen Warnsektoren<br />

(Gelb, Orange <strong>und</strong> Rot) beobachten. Hingegen ist der Anteil derjenigen, die von Grün in<br />

einen der Warnsektoren gewandert sind mit 4,81 % als gering einzustufen.<br />

Abb. 3.2.1<br />

65


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 3.3<br />

3.3. Regionale Betrachtung der Risikostufen<br />

Die folgenden Deutschlandkarten 3.3.1 bis 3.3.4 zeigen die regionale Ausprägung der einzelnen<br />

Risikostufen. Wieder sind die Kreise des jeweiligen B<strong>und</strong>eslands dargestellt. Die Prozentangaben<br />

beschreiben den Anteil der bei der SCHUFA gemeldeten Personen aus der jeweiligen Risikostufe an<br />

allen bei der SCHUFA gemeldeten Personen in dem jeweiligen Kreis.<br />

Der in der Karte 3.3.1 (Stufe Grün) gewählte grüne Farb<strong>ver</strong>lauf von hell nach dunkel bedeutet eine<br />

Abnahme der Anteile. Hingegen bedeutet in den übrigen Karten (3.3.2 bis 3.3.4) der Farb<strong>ver</strong>lauf von<br />

hell nach dunkel eine Zunahme der Anteile.<br />

67


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 3.3<br />

68<br />

Karte 3.3.1


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 3.3<br />

Karte 3.3.2<br />

69


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 3.3<br />

70<br />

Karte 3.3.3


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-1 | 3.3<br />

Karte 3.3.4<br />

71


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2<br />

A-2 Sonder-Analyse: Junge Erwachsene<br />

1. Trends der Verschuldung 74<br />

2. Regionale Auswertungen 85<br />

3. Risiko-Modell 94<br />

3.1 Das SCHUFA-Risikomodell <strong>und</strong> Risikostufen<br />

3.2 Entwicklungen zwischen den Risikostufen von 1999 bis 2004<br />

3.3 Regionale Betrachtung der Risikostufen<br />

73


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2<br />

Sonder-Analyse: Junge Erwachsene<br />

Aus den Analysen der SCHUFA-Daten von 2002 bis 2004 ist ersichtlich, dass der Anteil der Personen<br />

mit Zahlungsstörungen, gemessen an der Gesamtbevölkerung, nicht gleichmäßig zugenommen hat.<br />

Höhere Steigerungsraten sind in der Altersgruppe der jungen Erwachsenen (Alter: 18-24) zu <strong>ver</strong>zeichnen,<br />

wobei die Zunahmen in dieser Altersgruppe nach Ansicht der Kommentatoren des<br />

Schulden-Kompasses 2005 vor allem auf Zahlungsstörungen aus dem Telekommunikationssektor<br />

basieren. Entsprechend sind die durchschnittlichen Höhen der ausgefallenen Forderungen in den<br />

Altersgruppen der jungen Erwachsenen relativ niedrig im Vergleich mit den Gruppen älterer<br />

Kreditnehmer.<br />

Inwiefern die Verschuldung bei jungen Erwachsenen zu Überschuldungsrisiken oder zum Start einer<br />

„Überschuldungskarriere“ führt, darüber will der Schulden-Kompass 2005 mit differenzierten<br />

Indikatoren erste Ansätze liefern.<br />

Hintergr<strong>und</strong> der Auswertungen sind insbesondere folgende Fragestellungen:<br />

• In welchem Umfang haben junge Erwachsene Schulden <strong>und</strong> Zahlungsstörungen?<br />

• Bei wem haben die jungen Erwachsenen in welcher Höhe Schulden <strong>und</strong> wie hat sich die<br />

Situation in den <strong>ver</strong>gangenen Jahren <strong>ver</strong>ändert?<br />

• Sind regionale Besonderheiten zu beobachten?<br />

• Lassen sich Anzeichen eines erhöhten Überschuldungsrisikos feststellen?<br />

Zu betonen ist, dass Jugendliche bis einschließlich 17 Jahren nicht berücksichtigt wurden.<br />

74


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 1.<br />

1. Trends der Verschuldung<br />

18- bis 24-Jährige nehmen meist kleinere Kredite bis 2.000 Euro auf<br />

In den kleinen Kreditklassen überwiegt der Anteil <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong>. Von allen jungen<br />

Erwachsenen, die Kredite aufnehmen, nehmen 26,40 % Kredite bis 2.000 Euro auf. Allerdings lassen<br />

sich zwischen den laufenden Krediten mit Volumina von 5.000 bis 10.000 Euro keine wesentlich<br />

unterschiedlichen Verteilungen zwischen den jungen <strong>und</strong> älteren Erwachsenen beobachten.<br />

Abb. 1.1<br />

Kommentar von Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann:<br />

„Junge Erwachsene im Alter von 18 bis 24 Jahren sind mehrheitlich noch in schulischer bzw. beruflicher<br />

Ausbildung, überwiegend nicht <strong>ver</strong>heiratet, haben (noch) keine Kinder <strong>und</strong> wohnen meist<br />

noch bei den Eltern. Aus dieser besonderen Lebenssituation der jungen Erwachsenen ist zu erklären,<br />

dass sie häufiger Kredite mit niedriger Höhe aufweisen im Vergleich zu Personen ab 25 Jahren mit<br />

eigenem Haushalt.“<br />

75


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 1.<br />

Negativsalden von 2002 bis 2004 gestiegen<br />

Das Schaubild zeigt die Veränderung der von Vertragspartnern der SCHUFA gemeldeten offenen<br />

Forderungen (Salden) gegenüber jungen Erwachsenen. Die Salden können Restschulden von Bankkrediten<br />

sein sowie nicht beglichene Rechnungen aus den Branchen Telekommunikation <strong>und</strong> Handel<br />

(inkl. Versandhandel).<br />

Im Beobachtungszeitraum 2002 bis 2004 stiegen in 32,44 % der Fälle die Negativsalden an. Allerdings<br />

wurden in dieser Periode auch 27,96 % der offenen Forderungen beglichen (erledigt).<br />

Abb. 1.2<br />

76


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 1.<br />

Veränderung der Salden <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong><br />

Abb.1.3<br />

77


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 1.<br />

Über 40 Prozent mit Negativmerkmal haben zwei bis vier Negativmerkmale<br />

Ist bei jungen Erwachsenen ein weiches oder hartes Negativmerkmal registriert, dann haben sie in<br />

49,96 % dieser Fälle nur ein Negativmerkmal. Jedoch haben über ein Fünftel der 18- bis 24-Jährigen<br />

zwei Negativmerkmale <strong>und</strong> über 12 % (6,81 %) bereits drei (vier) Negativeinträge, wenn Negativmerkmale<br />

vorliegen. Von denjenigen jungen Erwachsenen mit Negativmerkmalen haben 41,2 %<br />

zwei bis vier Merkmale.<br />

Die Grafiken Abb. 1.5 <strong>und</strong> 1.6 auf den Folgeseiten zeigen jeweils den prozentualen Anteil der<br />

jungen Erwachsenen mit weichen Negativmerkmalen <strong>und</strong> mit harten Negativmerkmalen.<br />

Abb.1.4<br />

78


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 1.<br />

Über 22 Prozent mit weichem Negativmerkmal haben zwei weiche Negativmerkmale<br />

Die überwiegende Mehrheit (62,62 %) der jungen Erwachsenen hat nur ein weiches Negativmerkmal<br />

(Zahlungsstörung), wenn sie einen weichen Negativeintrag haben. Von denjenigen mit weichem<br />

Negativmerkmal hat über ein Drittel zwei bis vier weiche Negativmerkmale. Über ein Fünftel<br />

der 18- bis 24-Jährigen mit weichen Negativmerkmalen hat zwei weiche Negativmerkmale.<br />

Abb.1.5<br />

79


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 1.<br />

Knapp ein Drittel mit hartem Negativmerkmal hat zwei bis vier harte Negativmerkmale<br />

Der überwiegende Anteil (64,84 %) der jungen Erwachsenen hat nur ein hartes Negativmerkmal,<br />

wenn ein hartes Negativmerkmal vorliegt. Von denjenigen jungen Erwachsenen mit hartem<br />

Negativmerkmal haben 32,24 % zwei bis vier harte Negativmerkmale. Über ein Fünftel der 18- bis<br />

24-Jährigen mit harten Negativmerkmalen hat bereits zwei harte Negativmerkmale.<br />

Abb.1.6<br />

80


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 1.<br />

Ein Großteil der harten Negativeinträge wurde von 1999 bis 2004 gelöscht<br />

Das Schaubild zeigt die Entwicklung der Einträge von harten Negativmerkmalen bei jungen Erwachsenen<br />

in dem Zeitraum von 1999 bis 2004.<br />

Hintergr<strong>und</strong> ist die Fragestellung, inwiefern es Anzeichen gibt, dass sich der Prozess einer kritischen<br />

Finanzsituation <strong>ver</strong>festigt, wenn bereits ein hartes Negativmerkmal vorliegt. Zu beobachten ist:<br />

Wer 1999 ein hartes Negativmerkmal hatte, hat im Jahr 2004 in 55,58 % der Fälle kein hartes<br />

Negativmerkmal mehr. In 26,53 % der Fälle hatten diese Personen auch 2004 noch ein<br />

hartes Negativmerkmal <strong>und</strong> in 17,89 % der Fälle fünf Jahre später mehrere harte Negativmerkmale.<br />

Des Weiteren ist zu beobachten: lagen 1999 mehrere harte Negativmerkmale vor, so war im Jahr<br />

2004 in 47,76 % der Fälle kein hartes Negativmerkmal mehr eingetragen. In 24,75 % der Fälle<br />

hatten die betroffenen jungen Erwachsenen auch fünf Jahre später noch mehrere harte Negativmerkmale.<br />

Generell kann gefolgert werden: Das Vorliegen eines oder auch mehrerer harter Negativmerkmale<br />

löst gr<strong>und</strong>sätzlich keinen sich <strong>ver</strong>festigenden Zustand aus, da in r<strong>und</strong> der Hälfte der Fälle fünf Jahre<br />

später keine harten Negativeinträge mehr vorlagen.<br />

Abb.1.7<br />

81


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 1.<br />

Die meisten Zahlungsstörungen meldet die Telekommunikationsbranche<br />

Die Auswertung untersucht den Anteil der Verträge mit Zahlungsstörungen an allen Verträgen,<br />

getrennt nach Branche für die jungen Erwachsenen. Zum Vergleich sind die Personen zwischen 25<br />

<strong>und</strong> 65 Jahren gegenübergestellt.<br />

Bei den von Banken <strong>und</strong> Handel (inkl. Versandhandel) gemeldeten Zahlungsstörungen sind keine<br />

deutlichen Unterschiede zwischen den jungen <strong>und</strong> den älteren Erwachsenen zu beobachten.<br />

Allerdings ist bei der Telekommunikationsbranche der Anteil der Zahlungsstörungen bei jungen<br />

Erwachsenen mit 9,96 % fast doppelt so hoch wie bei den Personen zwischen 25 <strong>und</strong> 65 Jahren. 6<br />

Abb.1.8<br />

Kommentar von Prof. Dr. Hugo Grote:<br />

„Hier wird die Tendenz deutlich bestätigt, dass die Verschuldung der 18- bis 24-Jährigen in erster<br />

Linie durch Handy<strong>ver</strong>träge ausgelöst wird.“<br />

Kommentar von Dr. Dieter Korczak:<br />

„Die Entwicklung reflektiert auch die im Berichtszeitraum 2002-2004 stattfindende dramatische<br />

Ausweitung der Handy-Nutzer – vor allem in der hochmobilen Gruppe der 20- bis 29-Jährigen.“<br />

6 Vgl. zur Ausweitung der Mobilfunknutzung: Informationszentrum Mobilfunk e.V., www.izmf.de.<br />

82


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 1.<br />

Das 2. Negativmerkmal kommt meist aus der Branche des 1. Negativmerkmals<br />

Das Schaubild zeigt, inwiefern das zweite Negativmerkmal auch genau aus der Branche kommt, die<br />

bereits das erste Negativmerkmal gemeldet hat.<br />

Von allen seitens der Banken gemeldeten ersten Negativmerkmale kamen die zweiten Negativmerkmale<br />

zu 18,96 % auch von den Banken, zu 5,93 % vom Handel (inkl. Versandhandel) <strong>und</strong> zu 10,66<br />

% von der Telekommunikationsbranche.<br />

Von allen seitens der Telekommunikationsanbieter gemeldeten ersten Negativmerkmale kamen die<br />

zweiten Negativmerkmale zu 16,57 % auch wieder von der Telekommunikationsbranche, zu 8,35 %<br />

von den Banken <strong>und</strong> zu 4,49 % vom Handel (inkl. Versandhandel).<br />

Von allen seitens des Handels (inkl. Versandhandel) gemeldeten ersten Negativmerkmale kamen die<br />

zweiten Negativmerkmale zu 14,64 % auch aus dem Handel, zu 8,46 % aus dem Bereich Banken<br />

<strong>und</strong> zu 8,33 % aus der Telekommunikationsbranche.<br />

Abb.1.9<br />

83


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 1.<br />

Negativmerkmale kommen meist aus der Telekommunikationsbranche<br />

Das Schaubild illustriert, mit welchem Beitrag die Branchen Banken, Handel <strong>und</strong> Telekommunikation<br />

an der Meldung von Positivmerkmalen (Verträge ohne Zahlungsstörungen) <strong>und</strong> Negativmerkmalen<br />

beteiligt sind. Es ist zu sehen, dass 49,03 % aller Positivmerkmale von den Banken gemeldet wurden,<br />

17,26 % vom Handel (inkl. Versandhandel) <strong>und</strong> 33,71 % aus der Telekommunikationsbranche<br />

kamen. Die Negativmerkmale wurden zu 29,85 % von Banken, zu 9,68 % vom Handel <strong>und</strong> zu 60,48<br />

% aus der Telekommunikation gemeldet. Es fällt auf, dass die Telekommunikationsbranche an der<br />

Meldung von Negativmerkmalen überproportional beteiligt ist, wobei hier die sehr starke<br />

Verbreitung der Mobilfunktelefonie innerhalb des Betrachtungszeitraums 2002 bis 2004 zu berücksichtigen<br />

ist.<br />

Abb.1.10<br />

84


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 2.<br />

2. Regionale Auswertungen<br />

85


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 2.<br />

Abb. 2.1<br />

Abb. 2.2<br />

86


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 2.<br />

Abb. 2.3<br />

Abb. 2.4<br />

87


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 2.<br />

Abb. 2.5<br />

Abb. 2.6<br />

88


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 2.<br />

Abb. 2.7<br />

Abb. 2.8<br />

89


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 2.<br />

Abb. 2.9<br />

Abb. 2.10<br />

90


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 2.<br />

Abb. 2.11<br />

Abb. 2.12<br />

91


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 2.<br />

Abb. 2.13<br />

Abb. 2.14<br />

92


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 2.<br />

Abb. 2.15<br />

Abb. 2.16<br />

93


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 3. | 3.1<br />

3. Risiko-Modell (18- bis 24-Jährige)<br />

Das Risiko-Modell der SCHUFA wurde auch für die Sonder-Analyse (A-2) über junge Erwachsene<br />

erprobt. Ziel ist es, Aufschluss darüber zu erhalten, wie viele junge Erwachsene des SCHUFA-<br />

Datenbestands den einzelnen Risikostufen zuzuordnen sind, <strong>und</strong> wie die Risikostufen regional ausgeprägt<br />

sind. Im Vergleich mit dem Risiko-Modell der Basis-Analyse (A-1) werden hier in der Sonder-<br />

Analyse (A-2) nur die Personen im Alter zwischen 18 <strong>und</strong> 24 Jahren betrachtet.<br />

Auch soll <strong>ver</strong>anschaulicht werden, in welchem Maße „Wanderungsbewegungen“ bei jungen<br />

Erwachsenen von 1999 bis 2004 zwischen den Risikostufen stattfanden, um so einen Eindruck über<br />

die Überschuldungssituation <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> zu erhalten. Zu betonen ist, dass mit dem Risiko-<br />

Modell auf Basis der SCHUFA-Daten keine typischen Verschuldungs<strong>ver</strong>läufe oder Überschuldungskarrieren<br />

erklärt werden. Es dient lediglich als Hilfestellung für die Überschuldungsforschung, um<br />

sich mit weiteren Berechnungen der Anzahl der jungen Erwachsenen zu nähern, die in einer prekären<br />

Finanzsituation leben.<br />

3.1 Das SCHUFA-Risikomodell <strong>und</strong> Risikostufen<br />

Abb. 3.1.1 zeigt die Zuordnung der 18- bis 24-Jährigen zu den einzelnen Risikostufen für 2004. Basis<br />

dieser Zuordnung ist der repräsentative Gesamtdatenbestand der SCHUFA über 18- bis 24-Jährige.<br />

Junge Erwachsene in den Risikostufen<br />

Abb. 3.1.1<br />

Die Stufe Rot ist im Rahmen der privaten Verschuldung als ein sehr kritischer Bereich zu werten.<br />

Dieser Bereich kann bei den jungen Erwachsenen jedoch nicht unmittelbar mit einer Überschuldungssituation<br />

gleichgesetzt werden, da ein Großteil der Personen noch bei den Eltern leben <strong>und</strong><br />

daher gr<strong>und</strong>sätzlich über finanzielle Ressourcen im Haushaltshintergr<strong>und</strong> <strong>ver</strong>fügen. Dr. Dr. Gunter E.<br />

Zimmermann, einer der Kommentatoren des Schulden-Kompass 2005, errechnet auf Basis des<br />

Sozioökonomischen Panel, dass ca. 99 % der 18- bis 19-Jährigen <strong>und</strong> ca. 61 % der 20- bis 24-<br />

Jährigen bei ihren Eltern leben. 7<br />

* Erläuterung zu den Riskostufen: vgl. Basis-Analyse A-1, 3.1, S. 63.<br />

7 Vgl. Teilanalyse B, Auswertungen auf Basis des Sozioökonomischen Panel (SOEP).<br />

94<br />

Risikostufe* Anteil Anzahl 2004<br />

Grün 87,66 % 5.376.510<br />

Gelb 7,39 % 452.933<br />

Orange 1,08 % 66.177<br />

Rot 3,87 % 237.174<br />

Summe 100,00 % 6.132.794


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 3.2<br />

3.2 Entwicklungen zwischen den Risikostufen von 1999 bis 2004<br />

Junge Erwachsene geraten eher in einen Warnsektor als ältere Personen<br />

Abb. 3.2.1<br />

Abb. 3.2.2<br />

Kommentar von Dr. Dieter Korczak:<br />

„Die Veränderung der Einstufung von jungen Erwachsenen zeigt, dass es innerhalb eines fünfjährigen<br />

Zeitraums sowohl Wege in wie aus der Überschuldung gibt.“<br />

95


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 3.3<br />

Junge Erwachsene (Vergleich mit 25- bis 65-Jährigen), die 1999 dem grünen Sektor zugeordnet<br />

werden konnten, waren fünf Jahre später zu 88,00 (95,56) % auch wieder in dem grünen Sektor zu<br />

finden. Von denjenigen, die 1999 im gelben Sektor waren, wechselten 54,64 (58,65) % in den grünen<br />

Sektor, 6,25 (7,64) % in den orangen Sektor <strong>und</strong> 19,07 (18,58) % in den roten Sektor. 20,03<br />

(15,10) % blieben im gelben Sektor. Von den Personen, die 1999 dem orangen Sektor zuzuordnen<br />

waren, wechselten 30,36 (37,79) % bis 2004 in den grünen Sektor, 14,58 (9,32) % in den gelben,<br />

36,16 (25,18) % in den roten Sektor. 18,86 % (27,67) % waren auch 2004 im orangen Sektor. Von<br />

den Personen, die 1999 dem kritischen roten Sektor zuzuordnen waren, wechselten 26,75 (30,09)<br />

% bis 2004 in den grünen Sektor. 51,80 (53,44) % waren 2004 immer noch im roten Sektor.<br />

Auffällig bei den jungen Erwachsenen ist es auch, dass von denjenigen, die 1999 noch dem kritischen<br />

roten Bereich zuzuordnen waren, fünf Jahre später 26,75 (30,09) % in den grünen, eher<br />

unbedenklichen Sektor ohne Negativmerkmale gewechselt sind. Jedoch sind über die Hälfte der<br />

Personen auch nach fünf Jahren noch in dem roten Sektor.<br />

Insgesamt lassen sich relativ kräftige „Wanderungsbewegungen“ zwischen den einzelnen Warnsektoren<br />

(Gelb, Orange <strong>und</strong> Rot) beobachten. Hingegen ist der Anteil 18- bis 24-Jähriger, die mit<br />

einem Anteil von 12,00 % von Grün in einen der Warnsektoren gewandert sind zwar noch relativ<br />

gering, aber im Vergleich zu den 25- bis 65-Jährigen (4,44 %) deutlich höher (vgl. Abb. 3.2.2).<br />

3.3. Regionale Betrachtung der Risikostufen<br />

Die folgenden Deutschlandkarten 3.3.1 bis 3.3.4 zeigen für junge Erwachsene die regionale<br />

Ausprägung der einzelnen Risikostufen. Wieder sind die Kreise des jeweiligen B<strong>und</strong>eslands dargestellt.<br />

Die Prozentangaben beschreiben den Anteil der bei der SCHUFA gemeldeten jungen Erwachsenen<br />

aus der jeweiligen Risikostufe an allen bei der SCHUFA gemeldeten jungen Erwachsenen in<br />

dem jeweiligen Kreis.<br />

Der in der Karte 3.3.1 (Stufe Grün) gewählte grüne Farb<strong>ver</strong>lauf von hell nach dunkel bedeutet eine<br />

Abnahme der Anteile. Hingegen bedeutet in den übrigen Karten (3.3.2 bis 3.3.4) der Farb<strong>ver</strong>lauf von<br />

hell nach dunkel eine Zunahme der Anteile.<br />

96


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 3.3<br />

Karte 3.3.1<br />

97


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 3.3<br />

98<br />

Karte 3.3.2<br />

Bei den regionalen Risikostufen über junge Erwachsene wurde die Skalierung gr<strong>und</strong>sätzlich wie bei<br />

den Risikostufen über alle Personen beibehalten. Für die Stufe Gelb wurde hier allerdings eine abweichende<br />

Skalierung gewählt, da bei jungen Erwachsenen alle Kreise Prozentwerte von über 3,5 %<br />

aufweisen. Behält man die Skalierung wie bei der Auswertung über alle Personen bei (siehe<br />

gesonderter Kasten in der Karte oben rechts), so führt dies grafisch zu einer einheitlichen Einfärbung<br />

ohne Aussagekraft.


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 3.3<br />

Karte 3.3.3<br />

99


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE A-2 | 3.3<br />

100<br />

Karte 3.3.4


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B<br />

B <strong>Sozialprofile</strong> <strong>ver</strong>- <strong>und</strong> <strong>überschuldeter</strong> Personen<br />

Ein Verb<strong>und</strong>projekt von Prof. Dr. Udo Reifner <strong>und</strong> Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann<br />

103


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B<br />

Inhalt<br />

1. Projekt der Datensynchronisation von SCHUFA, SOEP, CAWIN 107<br />

2. Auswertungen auf Basis des Sozioökonomischen Panel (SOEP) 108<br />

(Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann)<br />

2.1 Verteilung zentraler Kontextmerkmale nach Altersgruppen<br />

2.2 Anteile <strong>ver</strong>schuldeter <strong>und</strong> <strong>überschuldeter</strong> Privatpersonen nach Altersgruppen<br />

2.3 Anteile <strong>überschuldeter</strong> Privatpersonen nach Altersgruppen<br />

Fazit<br />

3. Auswertungen auf Basis von Schuldnerberatungsdaten (CAWIN) 125<br />

(Prof. Dr. Udo Reifner)<br />

105


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | EINLEITUNG<br />

Einleitung<br />

Verschuldete bzw. überschuldete Personen werden durch soziodemographische (Alter des Kreditnehmers,<br />

Einkommen etc.) <strong>und</strong> sozialstrukturelle Merkmale (Berufsgruppenzugehörigkeit, Erwerbsstatus<br />

etc.) charakterisiert, die auch den Haushaltskontext des Kreditnehmers umfassen. Man spricht<br />

vom Sozialprofil der <strong>ver</strong>schuldeten Person.<br />

Im Rahmen von Kausalanalysen werden von Teilpopulationen der Verschuldeten „typische“ <strong>Sozialprofile</strong><br />

erstellt, das heißt, es werden jene charakteristischen Merkmale erfasst, die die Personen bzw.<br />

Haushalte der Teilpopulation einerseits gemeinsam prägen <strong>und</strong> die sie andererseits jedoch auch von<br />

anderen Teilpopulationen unterscheiden.<br />

Beispielsweise bietet das Sozialprofil von Teilpopulationen <strong>überschuldeter</strong> Personen oder Haushalte<br />

einen Einblick in die Ursachen der Überschuldung, da das Sozialprofil jene Merkmale wiedergibt, die<br />

charakteristisch für die Überschuldung der Betroffenen sind, in der Folge häufig auftreten <strong>und</strong> entsprechend<br />

den Überschuldungsprozess dieser Personen bzw. Haushalte prägen. Andererseits kann<br />

für <strong>ver</strong>schuldete Personen bzw. Haushalte, die diese Merkmale besitzen, ausgesagt werden, dass sie<br />

ein entsprechend erhöhtes Überschuldungsrisiko tragen. Hervorgehoben sei, dass zahlreiche Studien<br />

belegen, dass die Einbeziehung haushaltsbezogener Merkmale, das heißt die Berücksichtigung der<br />

Wirtschaftseinheit Haushalt, im Zusammenhang mit den erwähnten Kausalanalysen der Verschuldung<br />

bzw. Überschuldung unerlässlich ist. 1<br />

„Den“ Überschuldeten gibt es nicht<br />

Wie angeführt zeigen „typische“ <strong>Sozialprofile</strong> von Teilpopulationen einerseits gemeinsame Charakteristiken<br />

der betroffenen Ver- bzw. Überschuldeten auf <strong>und</strong> spiegeln andererseits die Abgrenzung<br />

gegenüber anderen Teilpopulationen wider. Dies ist darin begründet, dass die Population der privaten<br />

Ver- bzw. Überschuldeten keine homogene, sondern eine höchst heterogene Population darstellt.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist also festzustellen, dass es „den“ Verschuldeten bzw. Überschuldeten nicht gibt, da<br />

sich die <strong>Sozialprofile</strong>, das heißt die charakteristischen Merkmale der Betroffenen, gr<strong>und</strong>legend unterscheiden,<br />

wenn Teilpopulationen nach bestimmten Analysekriterien gebildet werden.<br />

1 Vgl. Zimmermann, Gunter E.: Überschuldung privater Haushalte, Freiburg im Br. 2000; Ders.: Wege in die Überschuldung <strong>und</strong> Ursachen, in:<br />

SCHUFA Holding AG (Hrsg.): Schulden-Kompass 2004. Empirische Indikatoren der privaten Ver- <strong>und</strong> Überschuldung in Deutschland,<br />

Wiesbaden 2004, S. 115-146.<br />

106


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 1.<br />

1. Projekt der Datensynchronisation von SCHUFA, SOEP, CAWIN<br />

Der SCHUFA-Datenbestand bietet eine repräsentative Erfassung (annähernd eine Vollerhebung) über<br />

die Art <strong>und</strong> Höhe der bankmäßigen Schulden (ausgenommen Dispositionskredite, die nur eingeschränkt<br />

gemeldet werden), die auftretenden Zahlungsstörungen <strong>und</strong> einige personenbezogene<br />

Daten der Kreditnehmer wie Name, Alter, Geschlecht, Geburtsort <strong>und</strong> Wohnadresse. Dieser Datenbestand<br />

enthält jedoch weder ausreichend personenbezogene noch haushaltsspezifische Kontextmerkmale<br />

der Schuldner, um ein Sozialprofil zu erstellen, das die Charakteristiken beinhaltet, die den<br />

Verschuldungs- bzw. Überschuldungsprozess zentral bestimmen.<br />

Es ist daher naheliegend, den Informationsgehalt des repräsentativen Datenbestandes der SCHUFA<br />

mit personen- <strong>und</strong> haushaltsspezifischen Kontextmerkmalen anderer repräsentati<strong>ver</strong> Datensätze zu<br />

erweitern bzw. zu ergänzen.<br />

Informationserweiterung (Synchronisation) durch SOEP <strong>und</strong> CAWIN<br />

Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde die notwendige Informationserweiterung durch zwei<br />

Datensätze <strong>ver</strong>folgt: einerseits mittels des repräsentativen Datensatzes des Sozioökonomischen Panel<br />

(SOEP), dessen Eignung zur repräsentativen Analyse von Verschuldungs- bzw. Überschuldungsfragen<br />

mehrfach dargestellt <strong>und</strong> belegt wurde; andererseits durch den CAWIN-Datenbestand, erfasst durch<br />

die gleichnamige Schuldnerberatungssoftware des Instituts für Finanzdienstleistungen Hamburg.<br />

Das Sozioökonomische Panel (SOEP) ist eine repräsentative Wiederholungsbefragung privater<br />

Haushalte in Deutschland, die seit 1984 durchgeführt wird. Das Besondere dieser repräsentativen<br />

Stichprobe besteht darin, dass alle Personen des Haushaltes (ab dem 16ten Lebensjahr) einzeln<br />

befragt werden <strong>und</strong> zusätzlich der Haupteinkommensbezieher Auskunft über den Haushaltskontext<br />

gibt. Über entsprechende eindeutige Identifikationsnummern kann jede Person ihrem Haushalt eindeutig<br />

zugeordnet werden <strong>und</strong> ebenso umgekehrt jeder Haushalt den Personen, die zum Haushalt<br />

gehören. Die Stichprobe umfasste im Erhebungsjahr 2003 mehr als 12.000 Haushalte mit fast<br />

24.000 Personen.<br />

Detaillierte Informationen zum CAWIN-Datenbestand, der personen- <strong>und</strong> haushaltsbezogenen<br />

Kontextmerkmale von Klienten der Schuldnerberatungsstellen widerspiegelt, finden sich in den Ausführungen<br />

von Prof. Dr. Udo Reifner (Teilanalyse B 3.).<br />

Methodische Ansätze der Synchronisation<br />

Die Informationserweiterung bzw. Synchronisation der Datensätze wurde durch zwei methodische<br />

Vorgehensweisen geplant:<br />

• Abstimmung bzw. Vereinheitlichung von zentralen Merkmalen (Schlüsselmerkmale) hinsichtlich<br />

der Definition des Merkmals <strong>und</strong> der Merkmalsausprägungen;<br />

• Erstellung eines gemeinsamen Datensatzes durch Ergänzung der CAWIN-Daten durch Merkmale<br />

der SCHUFA <strong>und</strong> nach Anonymisierung Verknüpfung dieses Datenbestandes in aggregierter<br />

Form (Mittelwerte bzw. Häufigkeitsausprägungen festgelegter Merkmale nach Altersgruppen)<br />

mit dem SOEP.<br />

107


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 1. | 2.<br />

Erreichte Ziele <strong>und</strong> offene Probleme<br />

Vollständig durchgeführt werden konnte die Abstimmung bzw. Vereinheitlichung zentraler Merkmale<br />

<strong>und</strong> deren Schlüsselvariablen wie Altersklassen, Durchschnittsrestschuld, Eidesstattliche<br />

Versicherung (Durchschnitt), Haftbefehl zur Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung<br />

(Durchschnitt), Privatinsolvenzen (Durchschnitt), Haushaltsnettoeinkommen (Durchschnitt), prozentuale<br />

Häufigkeit der Personen mit Arbeitslosenbezug, Erwerbsstatus sowie Haushaltstypus (differenziert<br />

nach eigenständigem <strong>und</strong> nicht eigenständigem Haushalt). Auf Basis dieser Schlüsselvariablen<br />

können die empirischen Ergebnisse aus den Analysen der SCHUFA-Daten mit jenen aus<br />

dem Sozioökonom-ischen Panel weitestgehend in Beziehung gesetzt werden.<br />

Die Zusammenführung der Datenbestände ist nur in einem ersten Schritt gelungen: Zwar wurden<br />

die CAWIN-Datensätze durch die SCHUFA-Merkmale erweitert <strong>und</strong> anschließend wieder anonymisiert;<br />

die in der Folge geplante Zusammenführung dieses Datensatzes mit dem SOEP scheiterte<br />

jedoch an der Nicht-Repräsentativität der Stichprobe der erhobenen CAWIN-Daten. Dieser zweite<br />

Schritt ist jedoch möglich, sobald ein repräsentati<strong>ver</strong> Datenbestand von Schuldnerberatungsstellen<br />

vorliegt.<br />

2. Auswertungen auf Basis des Sozioökonomischen Panel (SOEP)<br />

Von Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann<br />

Ziel der vorliegenden Studie ist die <strong>ver</strong>gleichende Analyse der <strong>Sozialprofile</strong> <strong>ver</strong>schuldeter bzw. <strong>überschuldeter</strong><br />

Personen <strong>und</strong> deren Haushalte nach Altersgruppen, woraus zentrale Merkmale (Einflussfaktoren)<br />

auf den Ver- bzw. Überschuldungsprozess der Personen der jeweiligen Altersgruppe abgeleitet<br />

werden können. Es gilt daher zu untersuchen, hinsichtlich welcher Merkmale sich das Sozialprofil<br />

unter der besonderen Berücksichtung von Verschuldeten der Altersklasse der 18- bis 24-<br />

Jährigen von anderen Altersklassen unterscheidet.<br />

Wie oben definiert, spiegelt das Sozialprofil die charakteristischen soziodemographischen <strong>und</strong> sozialstrukturellen<br />

Merkmale der Verschuldeten <strong>und</strong> ebenso ihrer Haushalte wider. Diese Kontextmerkmale<br />

sind für die Analyse zentraler Einflussfaktoren auf den Ver- bzw. Überschuldungsprozess des<br />

Kreditnehmers unerlässlich. Die repräsentativen Daten der SCHUFA enthalten jedoch neben detaillierten<br />

Informationen über die Art <strong>und</strong> Höhe der Schulden sowie die gemeldeten (Zahlungs-)<br />

Störungen nur einige wenige personenbezogene Daten der Kreditnehmer wie das Alter <strong>und</strong> die<br />

regionale Herkunft. Ziel der Studie ist es daher, neben der angeführten analytischen Zielvorgabe eine<br />

Informationserweiterung der SCHUFA-Analysen zu erreichen durch entsprechende personen- <strong>und</strong><br />

haushaltsspezifische Kontextmerkmale aus dem repräsentativen Datensatz des Sozioökonomischen<br />

Panel (SOEP) 2 sowie aus Erhebungen bei Schuldnerberatungsstellen (Datenbestand des CAWIN der<br />

gleichnamigen Schuldnerberatungssoftware des Instituts für Finanzdienstleistungen in Hamburg).<br />

2 Vgl. dazu: Gunter E. Zimmermann: Aussagekraft der Daten des SOEP sowie der EVS 2003 zur Verschuldung <strong>und</strong> Überschuldung von<br />

Privathaushalten, in: BM für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend (Hrsg.): Materialien zur Familienpolitik Nr. 19/2004, Berlin 2004, S. 383-<br />

416; Christa Fricke, Joachim R. Frick, Gert G. Wagner: Sparen <strong>und</strong> Verschuldung privater Haushalte, in: Statistisches B<strong>und</strong>esamt (Hrsg.):<br />

Datenreport 2004. Zahlen <strong>und</strong> Fakten über die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland, Bonn 2004, S. 595-602.<br />

108


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.1<br />

Diese Informationserweiterung ist dahingehend gelungen, indem die Definitionen zentraler Merkmale<br />

<strong>und</strong> deren Merkmalsausprägungen <strong>ver</strong>einheitlicht (synchronisiert) wurden. So erfolgen beispielsweise<br />

die hier vorgelegten empirischen Analysen des SOEP genau nach jenen Altersgruppen, die<br />

auch bei den Analysen der SCHUFA-Daten Anwendung finden, wodurch die entsprechenden empirischen<br />

Ergebnisse aus den Analysen der beiden Datensätze aufeinander bezogen werden können.<br />

2.1 Verteilung zentraler Kontextmerkmale der Wohnbevölkerung nach Altersgruppen,<br />

unterschiedliche Ausgangsbedingungen:<br />

Im Folgenden wird anhand der zentralen Kontextmerkmale Erwerbsstatus, Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen<br />

sowie Arbeitseinkommen, aufgezeigt, dass die Ausgangsbedingungen für einen Verschuldungsprozess<br />

nach Altersgruppen betrachtet höchst unterschiedlich sind. Die Analyse der<br />

Verteilungscharakteristiken ausgewählter Kontextmerkmale der Wohnbevölkerung dient dazu, Vergleiche<br />

zu ermöglichen hinsichtlich Übereinstimmungen bzw. Abweichungen bei der Population der<br />

Verschuldeten bzw. Überschuldeten.<br />

Verteilung des Erwerbsstatus nach Altersgruppen 3<br />

Abb. 2.1.1<br />

Quelle: Datenbasis: SOEP 2003, eigene Berechnungen <strong>und</strong> Darstellung<br />

3 Um die Darstellung in Abb. 2.1.1 nicht zu überlasten, sind die Ergebnisse nur bis zur Altersgruppe der 35- bis 39- Jährigen grafisch<br />

<strong>ver</strong>anschaulicht.<br />

109


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.1<br />

Die erwähnte unterschiedliche Verteilung von Kontextmerkmalen bei der nach Altersgruppen unterteilten<br />

Wohnbevölkerung spiegelt sich – wie zu erwarten – am Beispiel des zentralen Merkmals<br />

Erwerbsstatus deutlich wider (vgl. Abb. 2.1.1): fast 80 Prozent der 18- bis 19-Jährigen sind Schüler<br />

bzw. noch in Ausbildung; bei den 20- bis 24-Jährigen halbiert sich dieser Anteil auf rd. 40 Prozent<br />

<strong>und</strong> etwa ebenso viele dieser Altersgruppe sind erwerbstätig; die (nicht geschlechtsspezifisch betrachteten)<br />

Anteile der Erwerbstätigen nehmen bis zum Alter von etwa 45 Jahren kontinuierlich zu,<br />

um dann wieder stetig zu Gunsten der Nicht-Erwerbstätigkeit abzunehmen; die 18- bis 19-Jährigen<br />

weisen die geringste Anzahl an gemeldeter Arbeitslosigkeit auf (4,2 Prozent), die ansonsten über die<br />

anderen Altersgruppen annähernd gleich<strong>ver</strong>teilt ist, mit dem höchsten Anteil bei den 55- bis 59-<br />

Jährigen (12,6 Prozent).<br />

Verteilung der Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen nach Altersgruppen<br />

Aus bisherigen Analysen zu Verschuldungs- bzw. Überschuldungsprozessen ist bekannt, dass der<br />

Familienstand bzw. die Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen entscheidend den Verlauf von Verschuldungsbzw.<br />

Überschuldungsprozessen prägen, wobei bei den bisherigen Untersuchungen der Fokus traditionell<br />

immer auf den Familienstand gerichtet war. 4 Aus Abb. 2.1.2 geht hervor, dass fast alle 18- bis<br />

19-Jährigen ledig sind (99,7 Prozent) <strong>und</strong> ebenso die 20- bis 24-Jährigen (93,5 Prozent). Mit zunehmendem<br />

Alter <strong>ver</strong>ringert sich der Anteil der ledigen Personen zu Gunsten des Standes „<strong>ver</strong>heiratet,<br />

zusammenlebend“.<br />

Familienstand nach Altersgruppen<br />

Abb. 2.1.2<br />

4 Vgl. Zimmermann, Gunter E.: Überschuldung privater Haushalte, Freiburg im Br. 2000 (siehe insbesondere Kap. 4.8 <strong>und</strong> Kap. 5.5);<br />

Ders.: Wege in die Überschuldung <strong>und</strong> Ursachen, in: SCHUFA Holding AG (Hrsg.): Schulden-Kompass 2004. Empirische Indikatoren der<br />

privaten Ver- <strong>und</strong> Überschuldung in Deutschland, Wiesbaden 2004, S. 115-146.<br />

110<br />

Quelle: Datenbasis: SOEP 2003, eigene Berechnungen <strong>und</strong> Darstellung


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.1<br />

Häufigkeit des Merkmals “ ledig, bei den Eltern lebend” nach Altersgruppen<br />

Abb. 2.1.3<br />

Quelle: Datenbasis: SOEP 2003, eigene Berechnungen <strong>und</strong> Darstellung<br />

Hinsichtlich der Analyse der Verschuldungs- bzw. Überschuldungsprozesse dieser jungen<br />

Erwachsenen ist daher zu unterscheiden zwischen jenen, die noch bei den Eltern wohnen, <strong>und</strong><br />

jenen, die bereits einen eigenen Haushalt haben. Die angeführten Anteile der Familienstands- <strong>und</strong><br />

Lebensform „ledig, bei den Eltern lebend“ stimmen sehr gut mit den Ergebnissen von Kap. 2.1 überein,<br />

dass nämlich hohe Anteile der 18- bis 24-Jährigen sich noch in Schul- oder Berufsausbildung<br />

befinden bzw. ein Studium absolvieren.<br />

Die folgende Abbildung 2.1.4 zeigt die Verteilung weiterer zentraler Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen nach<br />

Altersgruppen der Wohnbevölkerung. Sehr deutlich ist ersichtlich, dass die Altersgruppen von unterschiedlichen<br />

Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen bestimmt sind <strong>und</strong> entsprechend auch die Wirtschaftsgemeinschaften<br />

prägen. Es wird zu untersuchen sein, ob die hier aufgezeigten Anteile zentraler<br />

Wohn- bzw. Lebensformen sich auch bei den Teilpopulationen der <strong>ver</strong>schuldeten bzw. überschuldeten<br />

Wohnbevölkerung wiederfinden oder ob signifikante Abweichungen davon auftreten.<br />

111


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.1<br />

Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen nach Altersgruppen<br />

Abb. 2.1.4<br />

Höhe der Personen bezogenen Einkommen nach Altersgruppen<br />

Ein weiteres zentrales Kontextmerkmal, das eng mit dem bereits diskutierten Merkmal Erwerbsstatus<br />

korrespondiert <strong>und</strong> entscheidend die soziale Lage von Personen bzw. Haushalten mitbestimmt, ist<br />

die Höhe des Einkommens einer Person bzw. die Höhe des Haushaltseinkommens insgesamt. Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

setzt sich das Einkommen von Personen <strong>und</strong> insbesondere Haushalten aus <strong>ver</strong>schiedenen<br />

Einkommensarten zusammen, die in folgende Einkommenskategorien unterteilt werden können:<br />

Erwerbseinkommen: Einkommen aus unselbständiger oder selbständiger Beschäftigung;<br />

Renteneinkommen: Einkommen aus Altersrente, Erwerbs-/Berufsunfähigkeitsrente, Witwen/<br />

Waisenrente, sonstige Renten;<br />

Transfereinkommen: Einkommen aus Arbeitslosengeld/-hilfe, Unterhaltsgeld (AFG), Hilfe zum<br />

Lebensunterhalt (BSHG), Hilfe in besonderen Lebenslagen (BSHG),<br />

Wohngeld, Kindergeld, Unterhalt (Kind, Ehegatte), Unterhaltsvorschuss<br />

(UVG), Erziehungsgeld, sonstige Transfereinkommen wie private<br />

Transfereinkommen usw.;<br />

Sonstige Einkommen: Einkommen aus Vermietung <strong>und</strong> Verpachtung, Vermögen usw.<br />

Betrachtet man bei den personenbezogenen Einkommen die zentrale Kategorie der Erwerbseinkommen,<br />

so ist zunächst unbestritten, dass die Frage ob <strong>und</strong> in welcher Höhe ein Erwerbseinkommen<br />

besteht, entscheidend vom Alter der Person mitbestimmt wird.<br />

112<br />

Quelle: Datenbasis: SOEP 2003, eigene Berechnungen <strong>und</strong> Darstellung


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.1<br />

Durchschnittlicher Anteil der Personen je Altersgruppe mit einem (monatlichen)<br />

Erwerbseinkommen<br />

Abb. 2.1.5<br />

Quelle: Datenbasis: SOEP 2003, eigene Berechnungen <strong>und</strong> Darstellung<br />

Obwohl etwa 80 Prozent der 18- bis 19-Jährigen sich noch in schulischer bzw. beruflicher<br />

Ausbildung befinden (vgl. Abb. 2.1.1), <strong>ver</strong>fügen laut Befragung des SOEP rd. 40 Prozent über ein<br />

monatliches Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit. Dies erklärt sich dadurch, dass Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler im Alter von 18 bis 19 Jahren zu einem hohen Anteil neben der Schule einer regelmäßigen<br />

„Erwerbstätigkeit“ nachgehen.<br />

Aus einer Untersuchung bei Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern im Alter von 16 bis einschließlich 19 Jahren<br />

wissen wir, dass r<strong>und</strong> ein Drittel (Durchschnitt über alle Altersstufen von 16 bis 19 Jahren) regelmäßig<br />

neben der Schule arbeitet, wobei jedoch der zeitliche Aufwand hierfür überwiegend nicht über<br />

8 St<strong>und</strong>en pro Woche beträgt. 5 Auch bei den 20- bis 24-Jährigen, die zu rd. 40 Prozent eine<br />

Erwerbstätigkeit angeben (vgl. Abb. 2.1.1), liegt der Anteil jener, die dann tatsächlich ein monatliches<br />

Erwerbseinkommen aufweisen, wesentlich höher (rd. 60 Prozent, vgl. Abb.2.1.5). Auch dies<br />

resultiert daraus, dass Studenten bzw. Personen dieser Altersgruppe, die noch in Ausbildung sind,<br />

auch ein Erwerbseinkommen haben können. Gr<strong>und</strong>sätzlich ist hervorzuheben, dass in der<br />

Altersgruppe der unter 25-Jährigen aufgr<strong>und</strong> der mehrheitlich (noch) nicht bestehenden (Haupt-)<br />

Erwerbsbeteiligung das monatliche Einkommen wesentlich durch Transferleistungen (insbesondere<br />

durch private Transferleistungen) geprägt ist.<br />

Insgesamt wird beim Merkmal der Erwerbsbeteiligung einmal mehr deutlich, dass sich die Altersgruppe<br />

der 18- bis 24-Jährigen gr<strong>und</strong>legend von den anderen Altersgruppen unterscheidet.<br />

5 Vgl. Zimmermann, Gunter E.: Erwerbstätigkeit <strong>und</strong> Verschuldungssituation von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, in: Informationsdienst der<br />

B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, BAG-SB (2004), Heft 3, S. 54f.<br />

113


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.1<br />

Die Abb. 2.1.6 zeigt das durchschnittliche monatliche Netto-Erwerbseinkommen (ohne Sonderzahlungen)<br />

jener Personen der entsprechenden Altersgruppen, die am Erwerbsprozess zum Zeitpunkt<br />

der Befragung beteiligt sind.<br />

Durchschnittliches monatliches Netto-Erwerbseinkommen<br />

(personenbezogen) nach Altersgruppen.<br />

Abb. 2.1.6<br />

Die Ausführungen zum Erwerbsstatus <strong>und</strong> zur Erwerbsbeteiligung der 18- bis 24-Jährigen erklären<br />

die niedrigen durchschnittlichen Erwerbseinkommen in dieser Altersgruppe. Hervorzuheben ist, dass<br />

die Erwerbseinkommen der 18- bis 19-Jährigen am Geringsten streuen: die Erwerbseinkommen<br />

weichen vom ausgewiesenen Mittelwert (365 Euro) durchschnittlich nur um 160 Euro ab. Bei den<br />

anderen Altersgruppen sind die durchschnittlichen Abweichungen vom ausgewiesenen Mittelwert<br />

wesentlich höher, das heißt, dass die Erwerbseinkommen in diesen Altersgruppen eine wesentlich<br />

größere Spannweite zwischen den höchsten <strong>und</strong> niedrigsten Erwerbseinkommen aufweisen. 6<br />

114<br />

Quelle: Datenbasis: SOEP 2003, eigene Berechnungen <strong>und</strong> Darstellung<br />

6 Weiterhin kann die Aussage getroffen werden, dass die Verteilung der Erwerbseinkommen je Altersgruppe (mit Ausnahme der Altersgruppe<br />

der 65-Jährigen <strong>und</strong> älteren) annähernd einer Normal<strong>ver</strong>teilung entsprechen, da Median <strong>und</strong> arithmetisches Mittel keine großen<br />

Unterschiede aufweisen.


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.1<br />

Zwischenergebnis<br />

Die diskutierte Verteilung ausgewählter Kontextmerkmale der Wohnbevölkerung zeigt große<br />

Unterschiede zwischen den Altersgruppen auf:<br />

Die 18- bis 24-Jährigen<br />

• sind mehrheitlich noch in schulischer bzw. beruflicher Ausbildung (rd. 54 Prozent, wobei dies<br />

darunter bei den 18- bis 19-Jährigen zu rd. 80 Prozent zutrifft);<br />

• sind mehrheitlich noch nicht haupterwerbstätig (haupterwerbstätig sind etwa ein Drittel);<br />

• haben ein weit unterdurchschnittliches Einkommen aus Erwerbsarbeit, sofern eine Erwerbsbeteiligung<br />

vorliegt (18 bis 24 Jahre: rd. 670 Euro, 25 bis 34 Jahre: 1.340 Euro, 35 bis 44 Jahre:<br />

1.620 Euro usw.);<br />

• wohnen mehrheitlich noch im elterlichen Haushalt bei den Eltern (18 bis 19 Jahre: 96 Prozent,<br />

20 bis 24 Jahre: rd. 60 Prozent);<br />

• sind fast alle noch ledig (18 bis 19 Jahre: 99,7 Prozent, 20 bis 24 Jahre 93,5 Prozent);<br />

• haben in der Regel noch keine Kinder.<br />

In Teilanalyse C werden die Besonderheiten der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen im Vergleich<br />

mit den anderen Altersgruppen der Wohnbevölkerung zusammenfassend dargestellt.<br />

115


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.2<br />

2.2 Anteile <strong>ver</strong>schuldeter <strong>und</strong> <strong>überschuldeter</strong> Privatpersonen nach Altersgruppen<br />

Bevor empirische Ergebnisse zur privaten Verschuldung bzw. Überschuldung von Personen nach<br />

Altersgruppen vorgestellt werden, seien vorab einige Anmerkungen zu den erfassten Merkmalen der<br />

Verschuldung von Personen <strong>und</strong> Privathaushalten im Datenbestand des Sozioökonomischen Panel<br />

(SOEP) gemacht.<br />

Erfassung bankmäßiger Verschuldungsformen im SOEP<br />

Im SOEP werden bankmäßige Verschuldungsformen erhoben <strong>und</strong> gemäß dem Befragungsdesign<br />

Merkmale der genannten Verschuldungsformen sowohl auf der Haushaltsebene (Haushaltsfragebogen)<br />

als auch auf der Personenebene (Personenfragebogen für alle Haushaltsmitglieder) erfasst.<br />

Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Merkmale der genannten Ebenen<br />

eindeutig einander zugeordnet werden können. Das heißt, die erhobenen personenspezifischen<br />

Verschuldungsmerkmale können eindeutig dem entsprechenden Haushalt zugeordnet werden <strong>und</strong><br />

ebenso umgekehrt die Haushaltsmerkmale eindeutig jeder Person, die zum Haushalt gehört.<br />

Im Einzelnen betrachtet werden auf der Haushaltsebene der Besitz von Hypothekar- sowie von<br />

Konsumentenkrediten <strong>und</strong> weiterhin für beide Kreditarten die entsprechenden monatlichen<br />

Zahlungsbelastungen erhoben. Auf der hier im Vordergr<strong>und</strong> stehenden Personenebene werden für<br />

jede Person der Besitz von Hypothekarkrediten erfasst, inklusive der bestehenden Restschulden<br />

daraus <strong>und</strong> weiterhin Kreditschulden (ohne Hypotheken <strong>und</strong> Baudarlehen) bei Banken oder einer<br />

sonstigen Einrichtung, für die persönlich gehaftet wird, ab einer bestehenden Restschuldhöhe (ohne<br />

Zinsen) von insgesamt Euro 2.500 <strong>und</strong> mehr. 7<br />

Auf der Personenebene werden hinsichtlich Konsumentenkrediten also jene Verschuldeten erfasst,<br />

die eine Summe von Restschulden aus laufenden (bankmäßigen) Krediten von 2.500 Euro oder mehr<br />

aufweisen. Personen mit einer Restschuldensumme aus Konsumentenkrediten von weniger als 2.500<br />

Euro werden beim SOEP im Rahmen des Personenfragebogens nicht erhoben. 8<br />

Hervorgehoben sei, dass es sich um eine Analyse der einzelnen Kredite <strong>und</strong> deren Kredithöhen handelt<br />

(Analyse auf der Kreditebene), das heißt, es werden nicht Personen mit der Gesamtzahl ihrer<br />

Kredite bzw. der Summe der Kreditbelastungen betrachtet.<br />

7 Für eine detaillierte Darstellung hierzu sei <strong>ver</strong>wiesen auf:<br />

Zimmermann, Gunter E.: Aussagekraft der Daten des SOEP sowie der EVS 2003 zur Verschuldung <strong>und</strong> Überschuldung von Privathaushalten,<br />

in: BM für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend (Hrsg.): Materialien zur Familienpolitik Nr. 19/2004, Berlin 2004, S. 383-416.<br />

8 Im Gegensatz dazu werden auf der Haushaltsebene alle Belastungen der Wirtschaftsgemeinschaft aus Krediten erhoben.<br />

116


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.2<br />

Anteile <strong>ver</strong>schuldeter Privatpersonen mit bankenmäßiger Verschuldungsform<br />

nach Altersgruppen<br />

Abb. 2.2.1 zeigt die Anteile <strong>ver</strong>schuldeter Personen, die Konsumenten- <strong>und</strong>/oder Hypothekarkredite<br />

besitzen, nach Altersgruppen: von allen (bankmäßig) <strong>ver</strong>schuldeten (volljährigen) Personen sind 1,4<br />

Prozent im Alter von 18 bis einschließlich 24 Jahren, rd. 15 Prozent sind 25 bis einschließlich 34 Jahre<br />

alt usw.<br />

Zu beachten ist, dass neben den bankmäßigen Verschuldungsformen den Schulden bei Privatpersonen<br />

insbesondere in der Altersgruppe der jungen Erwachsenen eine große Bedeutung zukommt.<br />

Verschuldete Privatpersonen nach Altersgruppen im Vergleich<br />

zur Gesamtbevölkerung<br />

Abb. 2.2.1<br />

Quelle: Datenbasis: SOEP 2003, eigene Berechnungen <strong>und</strong> Darstellung. *Volljährige Privatpersonen, die <strong>ver</strong>schuldet<br />

sind mit Konsumentenkrediten mit einer bestehenden Summe von Restschulden (ohne Zinsen) ab 2500 Euro<br />

<strong>und</strong>/oder <strong>ver</strong>schuldet sind mit Hypothekarkrediten oder Baudarlehen.<br />

117


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.2<br />

Die ausgewiesenen Anteile erhalten jedoch erst im Vergleich mit den entsprechenden Bevölkerungsanteilen<br />

der Altersgruppen eine Aussagekraft: die jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24<br />

Jahren <strong>und</strong> ebenso ältere Personen von 65 <strong>und</strong> mehr Jahren sind stark unterproportional <strong>ver</strong>schuldet;<br />

die Verschuldetenanteile der 25- bis 34-Jährigen sowie der 55- bis 64-Jährigen entsprechen<br />

jenen ihrer Bevölkerungsanteile; die Altersgruppen der 35- bis einschließlich 54-Jährigen weisen hingegen<br />

eine überproportionale Verschuldung auf, wobei die 35- bis einschließlich 44-Jährigen etwas<br />

mit mehr als 34 Prozent am höchsten überproportional <strong>ver</strong>schuldet sind.<br />

Da sich Konsumenten- <strong>und</strong> Hypothekarkredite hinsichtlich Laufzeit, Kredithöhe, Zweck der Verschuldung<br />

etc. gr<strong>und</strong>legend unterscheiden, werden im folgenden die Verschuldungsanteile differenziert<br />

nach Konsumenten- <strong>und</strong> Hypothekarkrediten dargestellt.<br />

Privatpersonen mit Konsumentenkrediten nach Altersgruppen<br />

Betrachtet man nicht alle Personen mit bankmäßigen Verschuldungsformen, sondern davon nur jene<br />

mit Konsumentenkrediten, so zeigt die Verteilung nach Altersgruppen ein von Abb. 2.2.1 abweichendes<br />

Bild.<br />

Von allen Personen mit Konsumentenkrediten mit einer Restschuldensumme (ohne Zinsen) von<br />

2.500 Euro <strong>und</strong> mehr entfallen etwas weniger als 4 Prozent auf die jungen Erwachsenen zwischen<br />

18 <strong>und</strong> 24 Jahren <strong>und</strong> wenig mehr auf die 65-Jährigen <strong>und</strong> älteren, wobei beide Altersgruppen<br />

wieder stark unterproportional <strong>ver</strong>schuldet sind im Vergleich zu ihren altersgruppenspezifischen<br />

Bevölkerungsanteilen (vgl. Abb. 2.2.2).<br />

118


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.2<br />

Verschuldete Privatpersonen mit Konsumentenkrediten nach<br />

Altersgruppen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung<br />

Abb. 2.2.2<br />

Quelle: Datenbasis: SOEP 2003, eigene Berechnungen <strong>und</strong> Darstellung. *Volljährige Privatpersonen, die <strong>ver</strong>schuldet<br />

sind mit Konsumentenkrediten mit einer bestehenden Summe von Restschulden (ohne Zinsen) ab 2500 Euro.<br />

Zusammenfassend sei also festgehalten, dass von allen Verschuldeten mit Konsumentenkrediten (ab<br />

einer Restschuldensumme von 2.500 Euro) 80 Prozent zwischen 25 <strong>und</strong> 54 Jahren alt sind, wobei<br />

rd. ein Viertel auf die 25- bis 34-Jährigen entfällt, ein Drittel auf die 35- bis 44-Jährigen <strong>und</strong> etwas<br />

mehr als ein Fünftel auf die 45- bis 54-Jährigen. Weiterhin sei angemerkt, dass die 18- bis 19-<br />

Jährigen bei diesen Verschuldeten mit Konsumentenkrediten nur äußerst gering <strong>ver</strong>treten sind im<br />

Vergleich zu ihrem altersspezifischen Anteil an der volljährigen Wohnbevölkerung.<br />

Privatpersonen mit Hypothekarkrediten nach Altersgruppen<br />

Erwartungsgemäß ergibt sich nochmals ein <strong>ver</strong>ändertes Verteilungsbild, wenn die Verschuldeten mit<br />

Hypothekarkrediten nach Altersgruppen betrachtet werden. Abb. 2.2.3 zeigt die oben diskutierten<br />

Anteile der Verschuldeten mit Konsumentenkrediten <strong>und</strong> gleichzeitig von allen volljährigen Privatpersonen<br />

mit Hypothekarkrediten bzw. Baudarlehen die entsprechenden altersspezifischen Anteile.<br />

119


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.2<br />

Verschuldete Privatpersonen mit Hypothekar- bzw. Konsumentenkrediten nach<br />

Altersgruppen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung<br />

Abb. 2.2.3<br />

Quelle: Datenbasis: SOEP 2003, eigene Berechnungen <strong>und</strong> Darstellung. *Volljährige Privatpersonen, die <strong>ver</strong>schuldet sind mit<br />

Konsumentenkrediten mit einer bestehenden Summe von Restschulden (ohne Zinsen) ab 2500 Euro.<br />

Insgesamt zeigt sich, dass Hypothekarkredite bei jungen Erwachsenen bis 24 Jahre noch keine Rolle<br />

spielen. Auch die 25- bis 34-Jährigen sind noch stark unterproportional mit Hypothekarkrediten <strong>ver</strong>schuldet.<br />

82 Prozent aller Hypothekarkredite entfallen auf die 35- bis 64-Jährigen, wobei darunter<br />

mit rd. 35 Prozent die 35- bis 44-Jährigen den höchsten Anteil tragen.<br />

120


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.3<br />

2.3 Anteile <strong>überschuldeter</strong> Privatpersonen nach Altersgruppen<br />

Zur Definition <strong>und</strong> Messung von Überschuldung 9<br />

Von der Überschuldung einer Person wird genau dann gesprochen, wenn nach Abzug der Lebenshaltungskosten<br />

vom Nettoeinkommen der <strong>ver</strong>bleibende Einkommensrest nicht ausreicht, die bestehenden<br />

Zahlungs<strong>ver</strong>pflichtungen aus Krediten fristgerecht zu tilgen. Die notwendigen Lebenshaltungskosten<br />

werden als Existenzminimum sowohl auf der Basis der Sozialhilferichtsätze als auch<br />

nach den Pfändungsfreigrenzen berechnet.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der b<strong>und</strong>eseinheitlichen Neufestlegung der Pfändungsfreigrenzen mit 1.1.2002 ist das<br />

Existenzminimum auf der Basis der Pfändungsfreigrenzen in der Regel höher als das entsprechende<br />

Existenzminimum auf der Basis der Sozialhilferichtsätze (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt) nach<br />

dem BSHG. Wir erhalten somit eine Untergrenze <strong>überschuldeter</strong> Privatpersonen, wenn zur Berechnung<br />

des Existenzminimums die Sozialhilferegelsätze herangezogen werden bzw. eine Obergrenze<br />

<strong>überschuldeter</strong> Privatpersonen, wenn die Pfändungsfreigrenzen dem Existenzminimum zu Gr<strong>und</strong>e<br />

liegen.<br />

Aus dieser Konzeptualisierung von Überschuldung folgt originär, dass es nicht die Anzahl <strong>überschuldeter</strong><br />

Personen bzw. Haushalte gibt, sondern die Anzahl der (relativ) Überschuldeten abhängig<br />

ist von der Definition des Existenzminimums. Die Notwendigkeit der Berechnung von (relati<strong>ver</strong>) Überschuldung<br />

nach beiden Existenzminima ergibt sich unter anderem auch daraus, dass Personen bzw.<br />

Haushalte freiwillig ihre Lebenshaltungskosten unter das Niveau der Pfändungsfreigrenze auf das<br />

bedarfsgewichtete Sozialhilfeniveau reduzieren können, um eine gewünschte Anschaffung zu tätigen.<br />

9 Vgl. auch die ausführliche Darstellung <strong>und</strong> Diskussion in: Gunter E. Zimmermann: Wege in die Überschuldung <strong>und</strong> Ursachen, in: SCHUFA<br />

Holding AG (Hrsg.): Schulden-Kompass 2004. Empirische Indikatoren der privaten Ver- <strong>und</strong> Überschuldung in Deutschland, Wiesbaden 2004,<br />

S. 115-146.<br />

121


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.3<br />

Überschuldete Privatpersonen mit bankmäßigen Verschuldungsformen nach<br />

Altersgruppen<br />

Abb. 2.3.1<br />

Quelle: Datenbasis: SOEP 2003, eigene Berechnungen <strong>und</strong> Darstellung. *Volljährige Privatpersonen, die <strong>ver</strong>schuldet sind mit<br />

Konsumentenkrediten mit einer bestehenden Summe von Restschulden (ohne Zinsen) daraus ab 2.500 Euro <strong>und</strong>/oder <strong>ver</strong>schuldet<br />

sind mit Hypothekarkrediten bzw. Baudarlehen.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist Abb. 2.3.1 zu entnehmen, dass bis einschließlich zur Altersgruppe der 35- bis 44-<br />

Jährigen die Überschuldetenanteile höher sind im Vergleich mit den entfallenden Anteilen an<br />

Verschuldeten der entsprechenden Altersgruppen. Umgekehrt ist dies hingegen für die Altersgruppen<br />

ab 45 Jahren. Dies bedeutet, dass die Gefahr der Überschuldung für die bis 44-Jährigen<br />

höher ist als für die älteren Verschuldeten ab 45 Jahren, wenn eine Verschuldung mit Konsumenten<strong>und</strong>/oder<br />

Hypothekarkrediten vorliegt.<br />

122


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.3<br />

Überschuldete Privatpersonen mit Konsumentenkrediten nach Altersgruppen<br />

im Vergleich zum Verschuldetenanteil<br />

Abb. 2.3.2<br />

Quelle: Datenbasis: SOEP 2003, eigene Berechnungen <strong>und</strong> Darstellung.*Volljährige Privatpersonen, die <strong>ver</strong>schuldet sind mit<br />

Konsumentenkrediten mit einer bestehenden Summe von Restschulden (ohne Zinsen) ab 2.500 Euro.<br />

Die angesprochene Überproportionalität der Überschuldetenanteile bei den jungen Erwachsenen ist<br />

in dieser Altersgruppe im Vergleich mit den anderen Altersgruppen relativ gesehen am höchsten: von<br />

allen überschuldeten Personen mit Konsumentenkrediten (Lebenshaltungskosten nach Pfändungsfreigrenze)<br />

entfallen rd. 6 Prozent auf die Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen, was um mehr als 50<br />

Prozent höher ist im Vergleich zum auf diese Altersgruppe entfallenden Anteil an Verschuldeten mit<br />

Konsumentenkrediten, der unter 4 Prozent beträgt (vgl. Abb. 2.3.2). Das heißt, dass die jungen<br />

Erwachsenen ein im Vergleich mit den anderen Altersgruppen höheres Überschuldungsrisiko tragen,<br />

wenn sie mit Konsumentenkrediten mit einer Restschuldensumme von 2.500 Euro <strong>und</strong> mehr <strong>ver</strong>schuldet<br />

sind.<br />

Hervorgehoben sei jedoch in diesem Zusammenhang, dass gr<strong>und</strong>sätzlich der Anteil der Verschuldeten<br />

mit (bankmäßigen) Konsumentenkrediten (Restschuldensumme ab 2.500 Euro) gering<br />

ist, das heißt weit unterproportional zum entsprechenden Bevölkerungsanteil (vgl. Abb. 2.2.3) von<br />

rd. 11 Prozent (bezogen auf die volljährige Wohnbevölkerung).<br />

123


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 2.3 | FAZIT<br />

Fazit<br />

Da Hypothekarkredite für die Altersgruppe der jungen Erwachsenen noch keine Rolle spielen, gilt<br />

dies ebenso für Fragen der diesbezüglichen Überschuldung.<br />

Im Zusammenhang mit Konsumentenkrediten entfallen auf die Altersgruppe der jungen Erwachsenen<br />

jedoch überproportional viele Überschuldete: Von allen überschuldeten Personen mit Konsumentenkrediten<br />

(Überschuldetenpopulation mit Lebenshaltungskosten nach den Pfändungsfreigrenzen)<br />

entfallen rd. 6 Prozent auf die Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen, was um mehr als 50<br />

Prozent höher ist im Vergleich zum auf diese Altersgruppe entfallenden Anteil an Verschuldeten mit<br />

Konsumentenkrediten, der unter 4 Prozent beträgt.<br />

Bezogen auf alle mit Konsumentenkrediten <strong>ver</strong>schuldeten jungen Erwachsenen bedeutet dies, dass<br />

18 Prozent davon überschuldet sind, was stark überproportional zum Verschuldetenanteil dieser<br />

Altersgruppe ist, der nur etwas mehr als 4 Prozent beträgt. Gr<strong>und</strong>sätzlich finden sich erst bei den<br />

höheren Altersgruppen ab 55 Jahren unterproportionale Überschuldungsquoten.<br />

Über die diskutierten Verteilungen <strong>ver</strong>schuldeter <strong>und</strong> <strong>überschuldeter</strong> Personen nach Altersgruppen<br />

sei unter besonderer Berücksichtigung der jungen Erwachsenen zusammenfassend festgehalten:<br />

• Hypothekarkredite spielen für die Altersgruppe der jungen Erwachsenen noch keine Rolle.<br />

Die überwiegende Mehrheit der Hypothekarkredite entfällt auf die Altersgruppen der 35-Jährigen<br />

<strong>und</strong> Älteren.<br />

Auch bei den Konsumentenkrediten mit einer Restschuldensumme ab 2.500 Euro sind die 18- bis<br />

19-Jährigen noch höchst marginal beteiligt. Auf die Altersgruppe der jungen Erwachsenen (18- bis<br />

24-Jährige) entfallen etwas weniger als 4 Prozent aller Konsumentenkredite mit der angeführten<br />

Rest-schuldensumme.<br />

• Gr<strong>und</strong>sätzlich kommt bei den jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren der Verschuldung<br />

bei Privatpersonen (Eltern, Verwandte, Fre<strong>und</strong>e usw.) noch eine große Bedeutung zu.<br />

• Sobald eine Verschuldung mit Konsumentenkrediten bei jungen Erwachsenen vorliegt, tragen<br />

sie jedoch im Vergleich zu den anderen Altersgruppen ein erhöhtes Überschuldungsrisiko:<br />

von allen <strong>ver</strong>schuldeten jungen Erwachsenen mit Konsumentenkrediten mit einer Restschuldensumme<br />

von 2.500 Euro <strong>und</strong> mehr sind 18 Prozent überschuldet, was stark überproportional<br />

zum Verschuldetenanteil dieser Altersgruppe ist.<br />

124


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 3.<br />

3. Auswertungen auf Basis von Schuldnerberatungsdaten (CAWIN)<br />

Von Prof. Dr. Udo Reifner<br />

Die vorliegende Untersuchung steht im Zusammenhang mit einer internen Auswertung von Daten<br />

der SCHUFA nach Alter <strong>und</strong> Wohnort, sowie einer mit weiteren persönlichen Daten angereicherten<br />

Sonderauswertung der Daten des Sozioökonomischen Panel (SOEP).<br />

Die Daten wurden durch die Schuldnerberatungsstelle des Insolvenzhilfe<strong>ver</strong>eins Wilhelmshaven <strong>und</strong><br />

die Schuldnerberatungsstelle des Diakonischen Werks in Hamburg nach einer vollständigen Anonymisierung<br />

aus mehreren Tausend Datensätzen zufällig ausgewählt, von den Schuldnerberatern <strong>ver</strong>vollständigt<br />

<strong>und</strong> um die SCHUFA Datensätze ergänzt. Sie sind somit für die dortigen Fälle in der<br />

Schuldnerberatung repräsentativ, nicht jedoch notwendig für die Überschuldungsfälle insgesamt.<br />

Eine Teilauswertung wurde für die SOEP-Auswertung in Abstimmung mit Herrn Dr. Dr. Gunter E.<br />

Zimmermann nach Altersgruppen <strong>und</strong> Einkommensindizes bereitgestellt. Umgekehrt wurde die<br />

Gruppe, die nach den dortigen Kriterien als überschuldet gilt, mit der definitiv überschuldeten<br />

Gruppe der CAWIN-Daten <strong>ver</strong>glichen.<br />

Da aus der Masse der CAWIN-Daten nur 300 in diesem Pilot ausgewählt wurden, während die<br />

SCHUFA fast alle Kreditnehmer <strong>und</strong> das SOEP eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe in ihren<br />

Datensätzen untersucht, ist der Schwerpunkt dieser Untersuchung das Aufzeigen weiterer Analysemöglichkeiten.<br />

Da sich in den einzelnen Unterkategorien teilweise nur sehr geringe Datenmengen<br />

ergeben, sind die abgeleiteten Aussagen zunächst als Hypothesen für eine erweiterte spätere Auswertung<br />

zu behandeln.<br />

Die Betreuung der Datensynchronisation sowie die Aufstellung der Tabellen erfolgten durch Herrn<br />

Matthias Cantow am iff. Prof. Wilfried Laatz von der Uni<strong>ver</strong>sität Hamburg hat die statistische<br />

Datenbearbeitung in SPSS übernommen. Wir danken Herrn Ogon vom Diakonischen Werk in<br />

Hamburg <strong>und</strong> Herrn Sommer vom Insolvenzhilfe<strong>ver</strong>ein Wilhelmshaven für die gute Zusammenarbeit.<br />

125


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 3.<br />

Die Datenquelle CAWIN<br />

CAWIN, ein Schuldnerberatungsprogramm des Instituts für Finanzdienstleistungen e.V., ist seit etwa<br />

16 Jahren das führende Programm zur Schuldner- <strong>und</strong> Insolvenzberatung für private Schuldner <strong>und</strong><br />

Kleingewerbetreibende in Deutschland. Mit der Einführung der gesetzlichen Verbraucherinsolvenz<br />

hat CAWIN vor allem Bedeutung in der Abwicklung der formalisierten Verfahren gewonnen.<br />

Nachdem die Schuldnerberatungsstellen durch Landesgesetz zugelassen wurden, kam als weitere<br />

Aufgabe das Abrechnungssystem der Schuldnerberatungsstellen hinzu. Insgesamt wuchs damit die<br />

in CAWIN erfasste Datenmenge stark an. Hierzu gehören zum einen die persönlichen Daten der<br />

Schuldner, ferner die Daten über die soziale Lage sowie alle Einnahmen <strong>und</strong> Ausgaben, die für die<br />

Feststellung aktueller <strong>und</strong> zukünftiger Liquidität der Haushalte von Bedeutung sind. Außerdem<br />

werden Daten zum Insolvenz<strong>ver</strong>fahren selbst sowie zum Verlauf der Schuldnerberatung gespeichert.<br />

Deutschlandweit enthält CAWIN über 50.000 Datensätze.<br />

Mit der vorliegenden Untersuchung sollte nun zum ersten Mal der Versuch unternommen werden,<br />

die in den ca. 600 Einsatzplätzen von CAWIN ständig gesammelten Daten für die empirische<br />

Forschung nutzbar zu machen.<br />

126


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 3. | ERGEBNISSE<br />

Ergebnisse<br />

Die nachfolgenden Ergebnisse stellen eine Gr<strong>und</strong>auszählung der Datensätze geordnet nach zentralen<br />

Hypothesen der Überschuldungsforschung dar. Das Merkmal „Überschuldung“, das sich in den<br />

übrigen Untersuchungen erst aus der Dateninterpretation ergibt, ist bei der vorliegenden Auswertung<br />

der CAWIN-Daten bereits vorausgesetzt worden.<br />

Sind die Haushalte „überschuldet“?<br />

Überschuldung ist nach der gesetzlichen Definition ein Zustand, in dem die vorhandenen Mittel auf<br />

absehbare Zeit die laufenden Verpflichtungen nicht mehr decken (§17 InsO).<br />

Es wurden zwei Stichproben mit jeweils 150 Haushalten gezogen. Die eine Stichprobe betrifft die<br />

Haushalte, die bei der Schuldnerberatungsstelle in Wilhelmshaven waren, die anderen diejenigen<br />

Haushalte, die von der Schuldnerberatung Hamburg beraten wurden. Alle beratenen Personen wurden<br />

von den Schuldnerberatern als Haushaltsvorstand eingeordnet. Dass es sich dabei tatsächlich um<br />

Überschuldete handelte, lässt sich aus den Daten relativ zweifelsfrei schließen. Alle Personen streben<br />

einen Insolvenzplan an. Keine der Personen ist in der Lage, ihre Schulden auch nur annähernd zu tilgen.<br />

In allen Fällen wird diese Situation von den Schuldnerberatern als Beratungsvoraussetzung<br />

überprüft. Kein Überschuldeter bediente noch fällige Ratenzahlungen. Bis auf einen Fall waren alle<br />

Kredite gekündigt.<br />

Über 40,7 % hatten nach den von der SCHUFA übermittelten Daten zu dieser Gruppe bereits mindestens<br />

eine Eidesstattliche Versicherung abgegeben (7 % mehrfach). Somit waren 59,3 % Überschuldete<br />

trotz eröffnetem Insolvenz<strong>ver</strong>fahren ohne Eidesstattliche Versicherung, so dass sich dieses<br />

Merkmal als Überschuldungsindikator relativiert. Ob Überschuldete eine Eidesstattlichen Versicherung<br />

abgeben, hängt daher vom Zeitpunkt, vom K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> vor allem vom Gläubiger ab.<br />

Anzahl Eidesstattlicher Versicherungen<br />

Abb. 3.1<br />

127


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 3. | ERGEBNISSE<br />

8 % hatten einen Haftbefehl zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung. Nach den CAWIN-Daten<br />

war für 59,7 % ein Antrag auf St<strong>und</strong>ung der Verfahrenskosten gestellt, die sie selber nicht tragen<br />

konnten. 90 % waren in einem Verbraucherinsolvenz<strong>ver</strong>fahren, 3 % in einem Regelinsolvenz<strong>ver</strong>fahren.<br />

Es gab somit praktisch keine präventiven Beratungen in einem frühen Stadium der<br />

Verschuldung. Ein einziger Fall wurde im Verlaufsprotokoll als insolvenzunabhängige Schuldnerberatung<br />

angegeben.<br />

Nur in 2,7 % der Fälle wurden noch laufende Pfändungen berichtet. Es muss davon ausgegangen<br />

werden, dass bei der überwiegenden Zahl der Ratsuchenden das Moratorium für die Pfändung galt<br />

oder die Pfändungsfreigrenze erreicht war. Die Berechnungen der Schuldnerberater, die sie zur<br />

Prüfung der Sozialhilfeansprüche durchführen, ergaben, dass nur in 7,4 % der Fälle noch pfändbares<br />

Einkommen vorhanden war, so dass auch hier kein Potenzial mehr bestand.<br />

Auch bei der Höhe der Restschulden zeigt sich die Überschuldung. 60 % der Klienten der Schuldenberatungsstelle<br />

hatten Restschulden, die mehr als 20.000 Euro betrugen, nur 17,7 % hatten<br />

Restschulden unter 10.000 Euro <strong>und</strong> nur 3,7 % unter 5.000 Euro. Der Median lag bei 25.393 Euro,<br />

der Mittelwert bei 43.996 Euro, da auch ehemalige Selbständige mit Schulden in Höhe von bis zu<br />

419.000 Euro zur Klientel gehörten.<br />

Die Klientel bei der Schuldnerberatungsstelle umfasst daher nach allen gängigen Definitionen überschuldete<br />

Haushalte. Dies mag auch mit dem Zugang zu tun haben. Die Mehrheit wurde zu der<br />

Beratungsstelle durch Dritte motiviert. Zählt man die Bekannten <strong>und</strong> Angehörigen hinzu, so ist die<br />

Hälfte privat zu dieser Stelle gekommen. Die andere Hälfte wurde jedoch hierhin <strong>ver</strong>wiesen.<br />

Zugangsweg zur Schuldnerberatung<br />

Eigeninitiative 115 38,3<br />

Bekannte Angehörige 50 16,7<br />

Sonstige 46 15,3<br />

Ämter Behörden 44 14,7<br />

Andere Beratungsstellen 30 10,0<br />

Ärzte /Therapeuten/ Klinik 8 2,7<br />

Arbeitgeber 6 2,0<br />

B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit 1 0,3<br />

Gesamt<br />

Tab. 3.1<br />

300 100,0<br />

128<br />

Häufigkeit Prozent


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 3. | ERGEBNISSE<br />

Welche persönlichen Faktoren sind typisch für überschuldete Haushalte?<br />

Die Überschuldeten, die die Schuldnerberatungsstellen aufgesucht hatten, waren mit leichter Übergewichtung<br />

der männlichen Ratsuchenden (54 %) nahezu gleich auf beide Geschlechter <strong>ver</strong>teilt.<br />

Die Gruppe der zusammenlebenden Paare ist mit knapp einem Drittel unterrepräsentiert (vgl. Abb.<br />

3.2). Die Gruppe, die auf Gr<strong>und</strong> einer Scheidung oder einfach getrennt leben, einschließlich der<br />

Witwer <strong>und</strong> Witwen, lag mit nahe 40 % recht hoch, so dass Störungen in den Familienbeziehungen<br />

sich als typisch für die größte Gruppe herausstellte. Bei diesen Zahlen wurden die Wieder<strong>ver</strong>heirateten<br />

unter den Eheleuten oder Zusammenlebenden noch nicht berücksichtigt, so dass der<br />

Prozentsatz der Betroffenen noch höher ausfallen könnte.<br />

Familienstand<br />

Abb. 3.2<br />

129


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 3. | ERGEBNISSE<br />

Anzahl der Personen im Haushalt<br />

Abb. 3.3<br />

Unter den Überschuldeten lebten 48,3 % allein, 22 % zu zweit <strong>und</strong> nur ca. 30 % in einem größeren<br />

Haushalt.<br />

Anzahl der Kinder im Haushalt<br />

Abb. 3.4<br />

Die These, dass vor allem Kinderreiche von Überschuldung betroffen sind, lässt sich nicht belegen.<br />

Die meisten Haushalte mit Kindern hatten ein Kind, ein Drittel zwei Kinder <strong>und</strong> nur insgesamt 24<br />

von 300 Haushalten hatten mehr als zwei Kinder (vgl. Abb. 3.4).<br />

Nach Haushaltstypen zusammengefasst zeigte sich, dass 48,7 % der Überschuldeten alleine lebten,<br />

gefolgt von der Gruppe Ehepartner mit Kindern mit 25,7 %, den Alleinerziehenden mit 14,7 % <strong>und</strong><br />

den Partnern ohne Kinder im Haushalt mit 11,7%. Immerhin sind bei den Überschuldeten zu 40 %<br />

Kinder in Haushalten mit betroffen.<br />

130


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 3. | ERGEBNISSE<br />

Nach den Daten der Einkommens- <strong>und</strong> Verbrauchsstichprobe bzw. des Sozioökonomischen Panel<br />

ergab sich für die hier identifizierten vier Gruppen, dass Eltern mit Kindern überdurchschnittlich <strong>und</strong><br />

Erwachsene ohne Kinder unterdurchschnittlich Konsumentenkredite aufgenommen hatten (vgl. Tab.<br />

3.2).<br />

Konsumentenkredite <strong>und</strong> Familienform<br />

Allein Erziehende 153 %<br />

Ehepaar mit Kind 151 %<br />

Ehepaar ohne Kind 88 %<br />

Allein Lebende 71 %<br />

Sonstige 126 %<br />

Durchschnitt (21,1 %) 100 %<br />

Tab. 3.2<br />

Man könnte erwarten, dass Familien mit Kindern auch eher überschuldet sind. Tatsächlich liegt die<br />

Quote der Ehepartner mit Kindern bei der Beratungsklientel zwar über ihrer Verteilung in der<br />

Gesellschaft (25,7% zu 19,1%), gleichzeitig aber unter ihrem Anteil an der Konsumentenkredit<strong>ver</strong>schuldung<br />

(25,7% zu 28,9%). Die Häufigkeit der Verschuldung scheint daher das Überschuldungsrisiko<br />

dort nicht zu erhöhen. Kredite sind hier somit auch Ausdruck eines relativen Wohlstandes.<br />

Anders sieht es bei den allein lebenden Personen aus. Bei der Frage nach der Anzahl der Personen<br />

im Haushalt ergab sich, dass die allein Lebenden unter den Überschuldeten mit 48,3 % überrepräsentiert<br />

waren. Einerseits überschritten sie ihren Anteil in der Gesellschaft um praktisch ein Drittel,<br />

zum anderen aber waren, da in dieser Gruppe relativ weniger Kredite aufgenommen werden, doppelt<br />

so viele Verschuldete überschuldet.<br />

Die Haushaltstypenanalyse ermöglicht daher auch eine vielleicht neue Einsicht dergestalt, dass nicht<br />

die Höhe oder die Häufigkeit der Schulden im Konsumkredit entscheidend sind. Es ist vielmehr die<br />

Fähigkeit, in angespannten Liquiditätslagen mit anderen Personen das Risiko zu teilen, die Liquidität<br />

in der Gruppe auszugleichen <strong>und</strong> die Überschuldungsrisiken zu mindern.<br />

Typisch ist ein relativ niedriges Ausbildungsniveau. Danach waren nur 3,8 % der Überschuldeten<br />

Akademiker, 31 % hatten keine abgeschlossene Berufsausbildung, 65 % eine abgeschlossene Lehre.<br />

Fasst man die Daten zusammen, so könnte eine Politik die das Zusammenleben von Erwachsenen<br />

fördert, das Überschuldungsrisiko abbauen.<br />

131


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 3. | ERGEBNISSE<br />

Berufsausbildung der Überschuldeten<br />

Typisch ist ein relativ niedriges Ausbildungsniveau. Danach waren nur ca. 4 % der Überschuldeten<br />

Akademiker, ca. 30 % hatten keine abgeschlossene Berufsausbildung, ca. 63 % eine abgeschlossen<br />

Lehre. Fasst man die Daten zusammen, so könnte eine Politik, die das Zusammenleben von<br />

Erwachsenen fördert, das Überschuldungsrisiko abbauen.<br />

Abb. 3.5<br />

Subjektive oder objektive Auslöser der Überschuldung?<br />

In der Debatte über die Gründe der Überschuldung stehen sich Vertreter eines subjektiven, aus dem<br />

Verhalten der Überschuldeten abgeleiteten Ansatzes (Leichtsinn, Unerfahrenheit, Überkonsum), <strong>und</strong><br />

Vertreter eines objektiven, aus den Umständen abgeleiteten Ansatzes (Arbeitslosigkeit, Trennung,<br />

Krankheit) gegenüber.<br />

Die vorliegenden Daten lassen hier kein valides Urteil für alle Überschuldeten zu, da, wie die Stichprobenanalyse<br />

gezeigt hat, der Weg zur Schuldnerberatungsstelle vor allem von denjenigen beschritten<br />

wird, die so stark von Überschuldung bedroht sind, dass keinerlei eigene Hilfe oder gar eine<br />

Refinanzierung im System selbst noch denkbar erscheint. Da Schuldnerberatungsstellen nur ca. 1%<br />

der im Sinne der Insolvenzordnung Überschuldeten erfassen, könnte in einer Felduntersuchung<br />

außerhalb der Schuldnerberatungsstellen der Anteil der subjektiven Faktoren entsprechend höher<br />

sein.<br />

Andererseits zeigt die begrenzte Anzahl von Insolvenz<strong>ver</strong>fahren auch in den SCHUFA-Daten, dass die<br />

meisten Personen, die ihre Kredite <strong>und</strong> sonstigen Forderungen nicht mehr bedienen, durchaus systemimmanente<br />

Mechanismen wie Umschuldung, Ablösung, St<strong>und</strong>ung, Umzug oder auch Ratenzahlungs<strong>ver</strong>einbarung<br />

nach Kündigung nutzen. Es ist daher überhaupt fraglich, ob man diese Personengruppen<br />

im Selbsthilfebereich mit den ausweglos Überschuldeten, die sich in der Schuldnerberatung<br />

wieder finden, gleichstellen sollte.<br />

132


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 3. | ERGEBNISSE<br />

Auf die allgemeine Frage nach den Ursachen der Überschuldung im jeweiligen Fall wurde für die<br />

Hälfte der Haushalte Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> für 26 % Einkommensarmut genannt (vgl. Abb. 3.6),<br />

gefolgt von Ehescheidung (26 %). Allerdings lassen sich diese Angaben durch die objektiven<br />

Scheidungsdaten nicht belegen. Von den 49 Fällen, bei denen ein Scheidungsdatum angegeben war,<br />

lag nur in 11 Fällen das Scheidungsdatum innerhalb der <strong>ver</strong>gangenen zwei Jahre seit Aufsuchen der<br />

Beratungsstelle. Allerdings könnten die Angaben zu den Gründen, sich auch gerade auf noch nicht<br />

geschiedene Paare beziehen, da der Scheidungsprozess evtl. erheblich später als die Trennung liegt,<br />

die wirtschaftlichen <strong>und</strong> auch steuerlichen Folgen aber nicht mit der Scheidung, sondern mit der<br />

Trennung bereits eintreten.<br />

Fehlerhaftes Konsum<strong>ver</strong>halten kam mit 18 % der Nennungen als subjekti<strong>ver</strong> Faktor erst an vierter<br />

Stelle. Es konnten allerdings jeweils mehrere Kategorien kumulativ angekreuzt werden. Im Durchschnitt<br />

wurden zwei der Kategorien angekreuzt. Scheitern der Existenzgründung (16 %) sowie in der<br />

Baufinanzierung (8 %) haben noch eine beachtliche Bedeutung, die aus anderen Untersuchungen<br />

bestätigt werden.<br />

Gründe der Überschuldung<br />

Abb.3.6<br />

133


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 3. | ERGEBNISSE<br />

Welche Schulden sind betroffen?<br />

Insgesamt spielen damit die Schulden aus Geldkrediten als Umschuldung aus rückständigen Waren<strong>und</strong><br />

Dienstleistungsforderungen ebenso wie als Zugang zu mehr ursprünglicher Liquidität eine wichtige<br />

Rolle. Dies spiegelt sich auch in den Gesamtzahlen. Wie die untenstehende Grafik zeigt, sind bei<br />

Überschuldeten Schulden unter 5.000 Euro relativ selten. Es beginnt mit der Klasse von 5.000 bis<br />

10.000 Euro, die am häufigsten vorkommt. Dies sollte auch bei in der Interpretation der SCHUFA-<br />

Analysen berücksichtigt werden. Die Häufigkeit nimmt dann langsam bis zur Gruppe bis 40.000 Euro<br />

ab. Danach <strong>ver</strong>teilt sie sich gleich. Die letzte Gruppe ist nach oben offen <strong>und</strong> somit in der Klassengröße<br />

nicht <strong>ver</strong>gleichbar.<br />

Abb. 3.7<br />

Die durchschnittliche Restschuld aller Schuldenarten lag bei 44.000 Euro. Davon entfielen 14.500<br />

Euro, also etwa ein Drittel, auf sonstige Forderungen. Nimmt man den für die Kreditnehmer typischeren<br />

Zentralwert (Median), so ergibt sich ein Verhältnis von 7.300 Euro aus sonstigen<br />

Forderungen zu 25.400 Euro Gesamtsaldo, also ein Verhältnis von 29% zu 71 %. Eliminiert man die<br />

relativ kleine Gruppe der ehemals Selbständigen, die höhere Schulden haben, so ergibt sich für die<br />

typische Verbraucher<strong>ver</strong>schuldung ein Mittelwert von 33.250,36 Euro <strong>und</strong> ein häufigster Wert von<br />

25.274,75 Euro. Davon entfielen 9.226,80 Euro bzw. als häufigster Wert 6.265,65 Euro auf<br />

Schulden außerhalb des Bankbereichs. Das Verhältnis bleibt somit insgesamt gleich, wenn auch die<br />

Schulden hier geringer sind.<br />

134


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 3. | ERGEBNISSE<br />

Der Ratenkredit ist bei den Bankschulden von besonderer Bedeutung<br />

Während der Kreditkartenkredit, der in den USA die Überschuldung dominiert, noch nicht in<br />

Deutschland Fuß gefasst hat, teilen sich die Ratenkredite <strong>und</strong> die im Bereich Wilhelmshaven wichtigen<br />

Hypothekenkredite mit den nicht eingeordneten Kreditsummen das Volumen. Dabei dürften die<br />

nicht eingeordneten sonstigen Kredite wohl aus gekündigten Ratenkrediten stammen. Immerhin<br />

sind die Dispositionskredite mit fast 10 % trotz ihrer höhenmäßigen Begrenzung in der Praxis ein<br />

erstaunlich wichtiger Faktor.<br />

Die Anzahl der bestehenden Ratenkredite wurde sowohl aus den SCHUFA-Daten als auch aus den<br />

in CAWIN aufgenommenen Daten errechnet.<br />

Nach den SCHUFA-Daten hatte die Hälfte der 300 Personen aus den Schuldnerberatungsstellen<br />

einen Ratenkredit. Etwa ein Drittel davon hatten nur einen Ratenkredit, weitere 23,5 % zwei, 17,4 %<br />

drei, 10,7% vier <strong>und</strong> immer noch 8,1% fünf fällig gestellte Ratenkredite. Dies waren zusammen 95 %<br />

aller im Ratenkredit Verschuldeten.<br />

Die Schuldnerberatung hatte dagegen für dieselben Personen weniger Ratenkredite erfasst. Dies<br />

mag daran liegen, dass bei der SCHUFA noch Ratenkredite aktiv sein könnten, die wegen einer<br />

Umschuldung oder weil ihre Tilgung nicht gemeldet wurde, nicht mehr Gegenstand des<br />

Insolvenz<strong>ver</strong>fahrens sind. Danach hatten 59 % keinen Ratenkredit <strong>und</strong> 72 % von denjenigen mit<br />

einem Ratenkredit hatten nur einen Kredit, während etwa ein Viertel zwei Ratenkredite hatte.<br />

135


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 3. | ERGEBNISSE<br />

Wahrscheinlich wurden Ratenkredite, die vor längerem fällig gestellt wurden <strong>und</strong> nur noch als<br />

Gesamtforderung geltend gemacht werden, nicht immer als solche identifiziert. Bei der Angabe der<br />

Kredithöhe haben auch die CAWIN-Daten mehr Bankkredite pro Person. Seit längerem fällig gestellte<br />

Ratenkredite könnten somit als „sonstige Kredite“ erfasst werden, da ihre ursprüngliche Form<br />

für den Berater nicht mehr erkennbar ist. Dabei ist interessant, dass Personen, die mehrere Kredite<br />

haben, hier bis zum vierten Kredit relativ gleichmäßig Kredithöhen zwischen 5.000 Euro <strong>und</strong> 10.000<br />

Euro im Mittel erreichen. Der fünfte Kredit ist dann im Mittel höher, bei 12.000 Euro, während die<br />

weiteren Kredite dann geringer sind. Dies kann darauf hindeuten, dass die Haushalte mit Liquiditätsproblemen<br />

zunächst <strong>ver</strong>suchen, die Probleme durch neue Kredite zu bewältigen <strong>und</strong> dabei auf eine<br />

restrikti<strong>ver</strong>e Vergabepraxis stoßen.<br />

Eine Auswertung der 425 erfassten Bankkredite ergab: 57 % der Kredite waren unter 10.000 Euro,<br />

14.4 % höher als 15.000 Euro:<br />

Kredite nach Größenklassen<br />

unter 2.500 79 18,6 18,6<br />

2.500 - 5.000 67 15,8 34,4<br />

5.000 - 10.000 98 23,1 57,4<br />

10.000 - 15.000 65 15,3 72,7<br />

15.000 - 20.000 55 12,9 85,6<br />

20.000- 25.000 23 5,4 91,1<br />

25.000 - 30.000 23 5,4 96,5<br />

mehr als 30.000 15 3,5 100,0<br />

Gesamt 425<br />

Tab. 3.3<br />

100,0<br />

136<br />

Kredithöhe<br />

Häufigkeit Prozent Kumuliert


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 3. | ERGEBNISSE<br />

Kredite nach Größenklassen<br />

Abb. 3.8<br />

Während die höchsten Forderungen im Kreditbereich <strong>und</strong> bei wenigen Gläubigern konzentriert sind,<br />

ist die Gesamtanzahl der Gläubiger erheblich. Sie reichte von einer Verbindlichkeit in fünf Fällen bis<br />

zu einem Schuldner mit 73 Gläubigern. Die Hälfte hatte weniger als zehn Gläubiger, zwei Drittel bis<br />

15 Gläubiger <strong>und</strong> 12,7 % hatten 20 <strong>und</strong> mehr Gläubiger. Die gesetzliche Sperre bei der Gläubigerzahl<br />

für die Eröffnung des Verbraucherinsolvenz<strong>ver</strong>fahrens von ehemals Selbständigen wirkt sich in<br />

der Schuldnerberatung selbst nicht aus, da hier auch das Regelinsolvenz<strong>ver</strong>fahren durchgeführt wird.<br />

Die Schuldenhöhen sind dabei entsprechend geringer <strong>und</strong> bewegen sich vor allem in den Bereich<br />

unter 5.000 Euro.<br />

137


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE B | 3. | ERGEBNISSE<br />

Anteile der Schuldenarten an der Gesamt<strong>ver</strong>schuldung nach Volumen<br />

Abb. 3.9<br />

Eine Auswertung der Aufteilung nach Schuldenarten <strong>und</strong> Gläubigergruppen macht die Bedeutung<br />

der Bankschulden deutlich. Auffällig ist der relativ kleine Anteil von Telefon <strong>und</strong> Handy (ca. 1,6 %)<br />

an den Schuldenarten der betrachteten Überschuldeten. Würde man die betrieblich <strong>ver</strong>anlassten<br />

Schulden einrechnen, so würden sie an zweiter Stelle in Erscheinung treten.<br />

138


139


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C<br />

C <strong>Sozialprofile</strong> <strong>ver</strong>- <strong>und</strong> <strong>überschuldeter</strong> <strong>junger</strong><br />

<strong>Erwachsener</strong><br />

Von Prof. Dr. Udo Reifner <strong>und</strong> Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann<br />

141


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C<br />

Inhalt<br />

1. <strong>Sozialprofile</strong> auf Basis des SOEP 144<br />

1.1 Charakteristische Merkmale: Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen 144<br />

1.2 Charakteristische Merkmale: Höhe der Restschulden 147<br />

1.3 Charakteristische Merkmale: Geschlecht 149<br />

1.4 Charakteristische Merkmale: Arbeitslosigkeit 150<br />

1.5 Charakteristische Merkmale: Relative Einkommensarmut 151<br />

2. Hinweise auf Basis der CAWIN-Pilotuntersuchung 153<br />

Fazit<br />

143


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C | 1.<br />

1. <strong>Sozialprofile</strong> auf Basis des SOEP<br />

Von Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann<br />

Betrachtet man die bankmäßige Verschuldung der jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24<br />

Jahren, so wurde in Teilanalyse B gezeigt, dass von allen Konsumentenkrediten (mit einer Restschuldsumme<br />

ab 2.500 Euro) nur 3,6 Prozent auf die Altersgruppe der jungen Erwachsenen entfallen <strong>und</strong><br />

weiterhin Hypothekarkredite in dieser Altersgruppe noch keine Rolle spielen. Bezogen auf die<br />

Altersgruppe bedeutet dies, dass nur 4,3 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 18 <strong>und</strong> 24<br />

Jahren mit einem Konsumentenkredit <strong>ver</strong>schuldet sind.<br />

Es sei darauf hingewiesen, dass bei den jungen Erwachsenen, die nicht-bankmäßige Verschuldungsform<br />

der Schulden bei Privatpersonen wie Eltern, Geschwister, Fre<strong>und</strong>e usw. häufig zutrifft. Das<br />

heißt, der Verschuldungsanteil bei den jungen Erwachsenen erhöht sich wesentlich, wenn nicht nur<br />

bankmäßige Verschuldungsformen, sondern auch die private Verschuldung mit einbezogen werden.<br />

1.1 Charakteristische Merkmale der Ver- bzw. Überschuldung <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> im<br />

Altersgruppen<strong>ver</strong>gleich: Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen<br />

In Teilanalyse B wurde die Verteilung der Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen der volljährigen Wohnbevölkerung<br />

nach Altersgruppen betrachtet (unabhängig vom Verschuldungs- bzw. Überschuldungsstatus).<br />

Dort war zu sehen, dass die 18- bis 19-Jährigen fast ausschließlich ledig sind <strong>und</strong> bei den Eltern wohnen,<br />

was für rd. 60 Prozent auch noch auf die 20- bis 24-Jährigen zutrifft; mit einem Partner im eigenen<br />

Haushalt wohnt nur rd. ein Fünftel der 18- bis 24-Jährigen.<br />

Abb. 1.1.1 zeigt die Verteilung der Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen für die Population der mit Konsumentenkrediten<br />

bei einer bestehenden Restschuldensumme ab 2.500 Euro <strong>ver</strong>schuldeten volljährigen<br />

Personen nach Altersgruppen. Die Grafik spiegelt im Vergleich mit Teilanalyse B ein völlig anderes<br />

Bild wider: von den mit Konsumentenkrediten <strong>ver</strong>schuldeten jungen Erwachsenen von 18 bis 24<br />

Jahren entfällt nun ein wesentlich geringer Anteil auf die Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen „ledig bei<br />

den Eltern wohnend“ sowie „ledig allein lebend“ zu Gunsten der Wohn- <strong>und</strong> Lebensform „mit<br />

Partner zusammen lebend“. Während die erstgenannten Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen bei der mit<br />

Konsumentenkrediten <strong>ver</strong>schuldeten Population der jungen Erwachsenen unterproportionale Anteile<br />

aufweisen im Vergleich zur Verteilung aller jungen <strong>Erwachsener</strong> (Teilanalyse B, Abb. 2.1.2), ist<br />

der auf die Wohn- <strong>und</strong> Lebensform „mit dem Partner zusammen lebend“ entfallende Anteil bei der<br />

Verschuldetenpopulation <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> entsprechend überproportional.<br />

144


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C | 1.1<br />

Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen <strong>ver</strong>schuldeter volljähriger Personen mit<br />

Konsumentenkrediten* nach Altersgruppen<br />

Abb. 1.1.1<br />

Quelle: Datenbasis: SOEP 2003, eigene Berechnungen <strong>und</strong> Darstellung.<br />

Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen <strong>überschuldeter</strong> volljähriger Personen mit<br />

Konsumentenkrediten* nach Altersgruppen<br />

Abb. 1.1.2<br />

*Volljährige Privatpersonen, die <strong>ver</strong>schuldet sind mit Konsumentenkrediten mit einer Restschuld (ohne Zinsen) ab 2.500 Euro.<br />

145


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C | 1.1<br />

Insgesamt sei festgehalten, dass von den jungen Erwachsenen, die einen Konsumentenkredit aufweisen,<br />

fast 45 Prozent noch ledig sind <strong>und</strong> bei den Eltern wohnen (vgl. Abb. 1.1.1); von den überschuldeten<br />

jungen Erwachsenen beträgt der Anteil derer, die noch bei den Eltern wohnen <strong>und</strong> ledig<br />

sind, jedoch nur 15 Prozent <strong>und</strong> ist somit stark unterproportional (vgl. Abb. 1.1.2).<br />

Umgekehrt <strong>ver</strong>hält es sich hingegen bei den entsprechenden Anteilen, wenn die Person der Altersgruppe<br />

der 18- bis 24-Jährigen mit einem Partner zusammen lebt <strong>und</strong> einen eigenen Haushalt führt:<br />

während von allen <strong>ver</strong>schuldeten jungen Erwachsenen rd. 30 Prozent mit einem Partner zusammen<br />

leben (vgl. Abb. 1.1.1), beträgt der Anteil von allen Überschuldeten rd. zwei Drittel, die diese Wohn<strong>und</strong><br />

Lebensform aufweisen (vgl. Abb. 1.1.2).<br />

Das heißt, junge Erwachsene, die mit Konsumentenkrediten <strong>und</strong> einer Restschuldensumme daraus<br />

von 2.500 Euro <strong>und</strong> mehr <strong>ver</strong>schuldet sind, haben ein hoch überproportionales Überschuldungsrisiko,<br />

wenn sie im eigenen Haushalt mit einem Partner zusammen leben.<br />

Hinweis: Als überschuldet gelten jene Personen, deren <strong>ver</strong>bleibendes Einkommen nach Abzug der<br />

Zahlungs<strong>ver</strong>pflichtungen aus Konsumentenkrediten nicht mehr die Lebenshaltungskosten nach den<br />

Sozialhilferegelsätzen (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt) deckt.<br />

146


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C | 1.2<br />

1.2 Charakteristische Merkmale der Ver- bzw. Überschuldung <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> im<br />

Altersgruppen<strong>ver</strong>gleich: Höhe der Restschulden<br />

Bei jungen Erwachsenen, die ledig sind <strong>und</strong> bei den Eltern wohnen, wird das geringe Überschuldungsrisiko<br />

im Zusammenhang mit „relevanten“ Konsumentenkrediten (ab einer Restschuldensumme<br />

von 2.500 Euro) auch dadurch geprägt, dass die Höhe der Restschulden mehrheitlich 7.500<br />

Euro nicht übersteigt (vgl. Abb. 1.2.1); bei den ledig <strong>und</strong> allein lebenden jungen Erwachsenen trifft<br />

dies bei rd. 50 Prozent der Restschulden zu.<br />

Höhe der Restschulden volljähriger Personen aus Konsumentenkrediten*<br />

nach Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen<br />

Abb. 1.2.1<br />

*Volljährige Privatpersonen, die <strong>ver</strong>schuldet sind mit Konsumentenkrediten mit einer bestehenden Summe von Restschulden (ohne Zinsen)<br />

ab 2.500 Euro.<br />

147


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C | 1.2<br />

Eine mit Abb. 1.2.1 <strong>ver</strong>gleichbare Verteilung ergibt sich, wenn die Höhe der Restschulden nach<br />

Altersgruppen betrachtet wird, da die Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen, wie ausführlich dargestellt wurde,<br />

eng mit dem Alter der Personen korrespondieren (vgl. Abb. 1.2.2).<br />

Höhe der Restschulden volljähriger Personen aus Konsumentenkrediten*<br />

nach Altersgruppen<br />

Abb. 1.2.2<br />

*Volljährige Privatpersonen, die <strong>ver</strong>schuldet sind mit Konsumentenkrediten mit einer bestehenden Summe von Restschulden (ohne<br />

Zinsen) ab 2.500 Euro.<br />

148


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C | 1.3<br />

1.3 Charakteristische Merkmale der Ver- bzw. Überschuldung <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> im<br />

Altersgruppen<strong>ver</strong>gleich: Geschlecht<br />

Abb. 1.3.1 zeigt die Anteile der <strong>ver</strong>schuldeten bzw. überschuldeten Männer je Altersgruppe: von<br />

allen Verschuldeten mit Konsumentenkrediten der Altersgruppe 18 bis 24 Jahre sind 57 Prozent<br />

Männer <strong>und</strong> entsprechend beträgt der <strong>ver</strong>schuldete Frauenanteil dieser Altersgruppe 43 Prozent; bei<br />

der Überschuldetenpopulation der jungen Erwachsenen liegt der Männeranteil nur geringfügig<br />

höher. Die Altersgruppe der jungen Erwachsenen unterscheidet sich diesbezüglich kaum von den<br />

Altersgruppen bis 44 Jahre.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich sind in den Altersgruppen die Anteile der <strong>ver</strong>schuldeten bzw. überschuldeten Männer<br />

höher (mit Ausnahme bei der Überschuldetenpopulation der Altersgruppe der 45- bis 54-Jährigen)<br />

als jene der Frauen. Mit zunehmendem Alter steigt sowohl der Anteil der <strong>ver</strong>schuldeten wie überschuldeten<br />

Männer.<br />

Anteile <strong>ver</strong>schuldeter* bzw. <strong>überschuldeter</strong>** Männer nach Altersgruppen<br />

Abb. 1.3.1<br />

Quelle: Datenbasis: SOEP 2003, eigene Berechnungen <strong>und</strong> Darstellung.<br />

*Volljährige Privatpersonen, die <strong>ver</strong>schuldet sind mit Konsumentenkrediten mit einer bestehenden Summe von Restschulden<br />

(ohne Zinsen) ab 2.500 Euro.<br />

**Als überschuldet gelten jene Personen, deren <strong>ver</strong>bleibendes Einkommen nach Abzug der Zahlungs<strong>ver</strong>pflichtungen aus<br />

Konsumentenkrediten nicht mehr die Lebenshaltungskosten nach den Sozialhilferegelsätzen (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt)<br />

deckt.<br />

149


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C | 1.4<br />

1.4 Charakteristische Merkmale der Ver- bzw. Überschuldung <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> im<br />

Altersgruppen<strong>ver</strong>gleich: Arbeitslosigkeit<br />

Von allen <strong>ver</strong>schuldeten Personen mit Konsumentenkrediten der Altersgruppe 18 bis 24 Jahre sind<br />

rd. 14 Prozent arbeitslos gemeldet. Von allen überschuldeten Personen dieser Altersgruppe beträgt<br />

der Anteil der arbeitslos gemeldeten Personen hingegen nur rd. fünf Prozent <strong>und</strong> ist somit stark<br />

unterproportional (vgl. Abb. 1.4.1).<br />

Anteile arbeitslos gemeldeter <strong>ver</strong>schuldeter bzw. <strong>überschuldeter</strong> Personen mit<br />

Konsumentenkrediten je Altersgruppe<br />

Abb. 1.4.1<br />

Quelle: Datenbasis: SOEP 2003, eigene Berechnungen <strong>und</strong> Darstellung. *Volljährige Privatpersonen, die <strong>ver</strong>schuldet sind mit<br />

Konsumentenkrediten mit einer bestehenden Summe von Restschulden (ohne Zinsen) ab 2.500 Euro. Als überschuldet gelten jene<br />

Personen, deren <strong>ver</strong>bleibendes Einkommen nach Abzug der Zahlungs<strong>ver</strong>pflichtungen aus Konsumentenkrediten nicht mehr die<br />

Lebenshaltungskosten nach den Sozialhilferegelsätzen (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt) deckt.<br />

Die jungen Erwachsenen sind die einzige Altersgruppe, die einen wesentlich geringeren Anteil<br />

arbeitslos gemeldeter Überschuldeter ausweist im Vergleich zur Verschuldetenpopulation. Die<br />

Ursachen hierfür sind in den erwähnten Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen zu sehen sowie in den noch <strong>ver</strong>gleichsweise<br />

niedrigen Kredithöhen.<br />

150


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C | 1.4 | 1.5<br />

Der höchste überproportionale Anteil an arbeitslos gemeldeten überschuldeten Personen tritt bei der<br />

Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen auf (vgl. Abb. 1.4.1), die in der überwiegenden Mehrheit mit<br />

einem Partner in einem eigenen Haushalt zusammen leben <strong>und</strong> entsprechend bei den Konsumentenkredit-Restsummen<br />

wesentlich höhere Beträge ausweisen.<br />

Abschließend sei hervorgehoben, dass von allen volljährigen <strong>ver</strong>schuldeten Personen mit<br />

Konsumentenkrediten <strong>und</strong> einer Restschuldensumme ab 2.500 Euro rd. acht Prozent arbeitslos<br />

gemeldet sind. Von allen überschuldeten volljährigen Personen mit Konsumentenkrediten sind 16<br />

Prozent arbeitslos gemeldet. Das heißt, dass im Durchschnitt über alle Altersstufen eine Arbeitslosmeldung<br />

bei bestehenden Konsumentenkrediten das Risiko der Überschuldung <strong>ver</strong>doppelt. Vor<br />

diesem Hintergr<strong>und</strong> wird die notwendige Differenzierung nach Altersgruppen deutlich, die die Ausnahmesituation<br />

der jungen Erwachsenen aufzeigt.<br />

1.5 Charakteristische Merkmale der Ver- bzw. Überschuldung <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> im<br />

Altersgruppen<strong>ver</strong>gleich: relative Einkommensarmut<br />

Die vorangegangenen Ausführungen belegen einmal mehr, dass der Wirtschaftsgemeinschaft des<br />

Haushaltes, indem die <strong>ver</strong>schuldete Person lebt sowie der Stellung der <strong>ver</strong>schuldeten Person innerhalb<br />

des Haushaltes, eine zentrale Rolle dahingehend zukommt, ob ein Verschuldungsprozess zur<br />

Überschuldung führt.<br />

Zweifellos ist die in dieser Studie diskutierte besondere Situation der <strong>ver</strong>schuldeten jungen<br />

Erwachsenen dadurch zu erklären, dass der mehrheitliche Anteil noch ledig ist <strong>und</strong> bei den Eltern<br />

wohnt. Im Folgenden wurde daher untersucht, wie sich das Risiko der Überschuldung für junge<br />

Erwachsene <strong>ver</strong>ändert, wenn der Haushalt, in dem sie wohnen, von relati<strong>ver</strong> Einkommensarmut<br />

betroffen ist.<br />

Relative Einkommensarmut liegt dann vor, wenn das Haushaltsnettoeinkommen des Haushaltes 50<br />

Prozent oder weniger des durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommens <strong>ver</strong>gleichbarer Haushalte<br />

beträgt. Die Vergleichbarkeit der Haushalte wird dadurch gewährleistet, indem die Haushaltsnettoeinkommen<br />

gewichtet werden in Abhängigkeit von der Anzahl <strong>und</strong> dem Alter der Haushaltsmitglieder<br />

sowie ihrer Stellung zum Haushaltsvorstand (man spricht vom Äquivalenzeinkommen des<br />

Haushaltes).<br />

151


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C | 1.5<br />

Anteile <strong>ver</strong>schuldeter bzw. <strong>überschuldeter</strong> Personen mit Konsumentenkrediten*,<br />

deren Haushalte relativ einkommensarm sind, je Altersgruppe<br />

Abb. 1.5.1<br />

Quelle: Datenbasis: SOEP 2003, eigene Berechnungen <strong>und</strong> Darstellung. *Volljährige Privatpersonen, die <strong>ver</strong>schuldet sind mit Konsumentenkrediten<br />

mit einer bestehenden Summe von Restschulden (ohne Zinsen) ab 2.500 Euro. Als überschuldet gelten jene<br />

Personen, deren <strong>ver</strong>bleibendes Einkommen nach Abzug der Zahlungs<strong>ver</strong>pflichtungen aus Konsumentenkrediten nicht mehr die<br />

Lebenshaltungskosten nach den Sozialhilferegelsätzen (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt) deckt.<br />

Die Abb. 1.5.1 zeigt die Anteile <strong>ver</strong>schuldeter bzw. <strong>überschuldeter</strong> Personen mit Konsumentenkrediten<br />

mit einer Restschuldensumme ab 2.500 Euro, deren Haushalte von relati<strong>ver</strong> Einkommensarmut<br />

betroffen sind: Von allen mit Konsumentenkrediten <strong>ver</strong>schuldeten Personen der Altersgruppe<br />

der 18- bis 24-Jährigen leben rd. neun Prozent in einem Haushalt, der von relati<strong>ver</strong> Einkommensarmut<br />

betroffen ist; von allen überschuldeten jungen Erwachsenen leben etwa doppelt so viele in<br />

einem relativ einkommensarmen Haushalt. Das heißt, dass sich das Überschuldungsrisiko für junge<br />

Erwachsene mit Konsumentenkrediten <strong>ver</strong>doppelt, wenn sie in einem einkommensarmen Haushalt<br />

leben.<br />

Mit zunehmendem Alter der <strong>ver</strong>schuldeten Personen nimmt das Überschuldungsrisiko offensichtlich<br />

zu, wenn gleichzeitig relative Einkommensarmut besteht. In Abb. 1.4.1 wurde aufgezeigt, dass mit<br />

Konsumentenkrediten <strong>ver</strong>schuldete junge Erwachsene bei bestehender Arbeitslosigkeit ein unterdurchschnittliches<br />

Überschuldungsrisiko tragen. Weiterführende Untersuchungen zeigen, dass dies<br />

nicht mehr zutrifft, wenn der Hauhalt, in dem der junge Erwachsene lebt, von relati<strong>ver</strong> Einkommensarmut<br />

betroffen ist. Die Wirtschaftsgemeinschaft ist dann nicht mehr in der Lage, die wirtschaftliche<br />

Notsituation der <strong>ver</strong>schuldeten Person auszugleichen.<br />

152


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C | 2.<br />

2. Hinweise auf <strong>Sozialprofile</strong> <strong>überschuldeter</strong> <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong><br />

Datenbasis: CAWIN-Pilotuntersuchung<br />

Von Prof. Dr. Udo Reifner<br />

In der Pilotuntersuchung mit 300 CAWIN-Daten der Schuldnerberatungen Hamburg <strong>und</strong> Wilhelmshaven<br />

(siehe Teilanalyse B, Kapitel 3.) sind nahezu alle Altersgruppen <strong>ver</strong>treten, was darauf hindeutet,<br />

dass das Phänomen der Überschuldung ab dem rechtlich selbstständigen Alter von 18 Jahren auftritt.<br />

Die Ratsuchenden bei den ausgewerteten Schuldnerberatungsstellen waren zwischen 20 <strong>und</strong><br />

76 Jahren. Das Durchschnittsalter war mit 40 Jahren relativ hoch. 84 % waren in der Gruppe der<br />

Erwachsenen im berufsfähigen Alter zwischen 25 <strong>und</strong> 54 Jahren. Junge Erwachsene zwischen 18<br />

<strong>und</strong> 24 Jahren bildeten die kleinste Gruppe mit 5,7 % (17 Personen), gefolgt von den über 55-<br />

Jährigen mit 9,6 %.<br />

Abb. 2.1<br />

Zunächst ist das relativ geringe Vorkommen <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> in der Stichprobe ein Hinweis auf<br />

die relativ geringe Betroffenheit dieser Gruppe von Überschuldung (vgl. Abb. 2.1). Dies ist auch plausibel.<br />

Die Hauptkreditaufnahme erfolgt im Alter zwischen 25 <strong>und</strong> 35 Jahren, weil in diesem Alter die<br />

eigene Existenz aufgebaut, die Familie gegründet <strong>und</strong> langlebige Konsumgüter angeschafft werden.<br />

Gleichwohl sind hier nicht alle Problemfälle konzentriert, sondern treten teilweise später in Erscheinung.<br />

In der Vergangenheit wurden die in dieser Phase eingegangenen Verpflichtungen in den<br />

späteren Jahren durch Überschüsse bei gesunkenen Ausgaben <strong>und</strong> einem entsprechend positiven<br />

Cash Flow kompensiert. Sind junge Erwachsene unterrepräsentiert, so zeigt sich auch in der<br />

Schuldenhöhe, dass sie noch keine große Schuldenlast vor der Insolvenz aufgetürmt hatten.<br />

153


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C | 2.<br />

Abb. 2.2<br />

Erstaunlich ist aber, dass die sonstigen Schulden vor allem aus dem privaten Bereich das Doppelte<br />

der Kreditschulden ausmachten, während es bei Älteren gerade einmal die Hälfte der Kreditschulden<br />

waren (vgl. Abb. 2.2). Vor allem bei den Kreditschulden war die Durchschnitts<strong>ver</strong>schuldung mit<br />

4.200 Euro praktisch eher unbedeutend (vgl. Tab. 2.1). Jugendliche <strong>ver</strong>schulden sich damit offensichtlich<br />

eher außerhalb als innerhalb des Geldkreditsystems der Banken. Die Tab. 2.1 macht aber<br />

noch etwas anderes deutlich. Die Höhe der Restschulden bei Insolvenz steigt nicht mit dem Alter.<br />

Zwar scheint die Gruppe zwischen 45 <strong>und</strong> 54 Jahren hier bei den sonstigen Schulden besonders<br />

hoch zu liegen. Dies dürfte aber an der Gruppe der ehemals Selbstständigen liegen.<br />

Schuldenhöhe nach Alter<br />

Tab. 2.1<br />

154<br />

Alter Kreditschulden Sonstige Schulden Schulden insg. Anteil sonst. Schulden<br />

Bis 24 4.200,52 EUR 8.930,49 EUR 11.648,47 EUR 77 %<br />

25 bis 34 29.972,12 EUR 14.051,62 EUR 38.108,78 EUR 37 %<br />

35 bis 44 38.019,88 EUR 13.078,62 EUR 46.322,94 EUR 28 %<br />

45 bis 54 33.342,14 EUR 23.076,39 EUR 51.705,33 EUR 45 %<br />

55 bis 64 44.175,66 EUR 13.722,46 EUR 55.266,39 EUR 25 %<br />

65 <strong>und</strong> älter 38.495,91 EUR 11.073,84 EUR 31.489,52 EUR 35 %<br />

Insgesamt 34.030,99 EUR 15.539,08 EUR 43.996,67 EUR 35 %


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C | 2.<br />

Es liegt nahe, von einem maximalen Schuldenbudget nicht <strong>ver</strong>mögender Haushalte auszugehen,<br />

dass im Leben erreicht werden kann, bevor man insolvent wird. So ist das niedrige Haushaltsnettoäquivalenz-Einkommen<br />

für alle Überschuldeten relativ gleich. Überschuldete junge Erwachsene sind<br />

hiernach aber noch besonders von Einkommensarmut betroffen (vgl. Tab.2.2).<br />

Äquivalenzeinkommen nach Alter<br />

Tab. 2.2<br />

Alter Äquivalenzeinkommen pro Person<br />

bis 24 650,68 EUR<br />

25 bis 34 708,58 EUR<br />

35 bis 44 804,72 EUR<br />

45 bis 54 797,43 EUR<br />

55 bis 64 781,15 EUR<br />

65 <strong>und</strong> älter 794,43 EUR<br />

Insgesamt 768,74 EUR<br />

Weitere Ergebnisse:<br />

Junge Überschuldete haben einen unterdurchschnittlichen Ausbildungsstand, da von ihnen doppelt<br />

so viele wie bei allen Überschuldeten (62 %) ohne Ausbildungsabschluss waren. Ähnliches gilt für<br />

die Berufstätigkeit. 65 % (Durchschnitt 48 %) von ihnen waren arbeitslos. Auch die Gruppe der 25bis<br />

34-Jährigen war überdurchschnittlich mit 56 % von Arbeitslosigkeit betroffen, bevor dann die<br />

Quote bei Älteren auf 40 % sinkt. Die 18- bis 24-Jährigen hatten etwa den gleichen Anteil an Ein-<br />

Personen-Haushalten (47 %) <strong>und</strong> Alleinerziehenden (17 %).<br />

Im Übrigen ergaben sich bei der Auszählung nach Alter nur wenige deutliche Hinweise darauf, dass<br />

sich die Überschuldungssituation <strong>und</strong> -gefährdung stark differenziert. Erstaunlich ist allerdings der<br />

hohe Anteil von jungen Frauen (65 % im Vergleich zu 46 % im allgemeinen Durchschnitt) unter den<br />

Klienten. Dass dagegen unter den Überschuldeten die ausschließlich mit Hausarbeit beschäftigten<br />

Personen im Alter der Kindererziehung zwischen 25 <strong>und</strong> 34 Jahren lagen (14 %) <strong>und</strong> die über 65-<br />

Jährigen ähnlich wie die unter 24-Jährigen weniger <strong>und</strong> mit geringeren Restschulden <strong>ver</strong>treten<br />

waren, entspricht den Erwartungen.<br />

Ältere Menschen zwischen 55 <strong>und</strong> 64 Jahren, die alleine leben, scheinen zudem ein besonderes<br />

Überschuldungsrisiko zu haben, da hier der Prozentsatz von 72 % deutlich über dem Durchschnitt<br />

von 48,7 % lag, der im Übrigen von allen anderen Altersgruppen in etwa erreicht wurde.<br />

155


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C | FAZIT<br />

Fazit<br />

SOEP-Auswertung<br />

Die Wohn- <strong>und</strong> Lebensformen <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong> bestimmen maßgeblich das Überschuldungsrisiko:<br />

junge Erwachsene mit Konsumentenkrediten, die ledig sind <strong>und</strong> bei den Eltern oder auch<br />

alleine leben, tragen ein unterproportionales Überschuldungsrisiko im Gegensatz zu jenen mit<br />

Konsumentenkrediten Verschuldeten, die mit dem Partner im eigenen Haushalt zusammenleben<br />

<strong>und</strong> die ein hoch überproportionales Risiko haben, sich zu überschulden.<br />

Das geringe Überschuldungsrisiko der bei den Eltern lebenden jungen Erwachsenen, wird zusätzlich<br />

dadurch geprägt, dass zwei Drittel aller Restschulden bis 7.500 Euro auf diese Wohn- <strong>und</strong> Lebensform<br />

entfallen.<br />

In der Regel sind je Altersgruppe die Anteile der <strong>ver</strong>schuldeten bzw. überschuldeten Männer höher<br />

als jene der Frauen.<br />

Im Durchschnitt sind von allen mit Konsumentenkrediten <strong>ver</strong>schuldeten volljährigen Personen 8<br />

Prozent arbeitslos gemeldet; dieser Anteil <strong>ver</strong>doppelt sich auf 16 Prozent, wenn man die überschuldeten<br />

volljährigen Personen betrachtet, die Konsumentenkredite besitzen. Die Altersgruppe der jungen<br />

Erwachsenen weicht von diesem Durchschnitt weit ab: zwar ist bei den <strong>ver</strong>schuldeten jungen<br />

Erwachsenen der Anteil der arbeitslos gemeldeten Personen mit kapp 14 Prozent höher als der<br />

Durchschnitt; bei den überschuldeten jungen Erwachsenen mit Konsumentenkrediten beträgt der<br />

Anteil der arbeitslos gemeldeten Personen hingegen nur 5 Prozent <strong>und</strong> ist somit stark unterproportional<br />

bezüglich der Altersgruppe der <strong>ver</strong>schuldeten jungen Erwachsenen, aber auch unterdurchschnittlich<br />

über alle Altersstufen betrachtet. Dies trifft nicht mehr zu, wenn der Haushalt, in dem der<br />

junge Erwachsene lebt, von relati<strong>ver</strong> Einkommensarmut betroffen ist.<br />

CAWIN-Auswertung<br />

Fasst man die Ergebnisse zum Alter zusammen, so lassen sich Thesen, die einen hohen Zusammenhang<br />

mit der Überschuldungsproblematik <strong>ver</strong>muten, nur in wenigen Elementen bestätigen. Junge<br />

Erwachsene haben geringere Schuldenhöhen, jedoch höhere sonstige Schulden neben den Krediten.<br />

Im Übrigen zeigen sie in besonderer Weise allgemeine Risikofaktoren, wie allein lebend, allein erziehend,<br />

arbeitslos, geringe Ausbildung sowie Einkommensarmut auf. Sie würden somit von allgemeinen<br />

Maßnahmen zur Bekämpfung der Überschuldung durch Stabilisierung der Liquidität in Krisensituationen<br />

sowie am Arbeitsmarkt profitieren.<br />

156


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE D<br />

D Pilotstudie zur Überschuldung <strong>junger</strong> <strong>Erwachsener</strong><br />

Von Dr. Dieter Korczak<br />

GP Forschungsgruppe, Institut für Gr<strong>und</strong>lagen- <strong>und</strong> Programmforschung<br />

159


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE D<br />

Inhalt<br />

1. Datengr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> Ansatz aus der Entwicklungspsychologie 162<br />

2. Verschuldungsmotivation <strong>und</strong> Lebenslagen <strong>überschuldeter</strong> Jugendlicher 163<br />

3. Exemplarische Überschuldungsbiografien 166<br />

161


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE D | 1.<br />

Einleitung<br />

Auch wenn die Schuldensummen bei rd. der Hälfte der jungen Erwachsenen unter 5.000 Euro<br />

liegen, stehen die Startbedingungen für diese Gruppe unter einem unglücklichen Vorzeichen.<br />

Bekannt ist, dass diese Überschuldungssituationen vorrangig durch Telekommunikationsschulden,<br />

durch Schulden in Zusammenhang mit der Kreditfinanzierung von im Wesentlichen Motorrädern<br />

<strong>und</strong> Pkws sowie durch Bestellungen beim Versandhandel hervorgerufen werden.<br />

Zwar gibt es auch generelle Hypothesen zur Schwelle vom Jugendstatus zum Erwachsenenalter, zum<br />

Wertewandel, zur Motivationsstruktur <strong>und</strong> ökonomischen Situation <strong>junger</strong> Menschen, diese Informationen<br />

sind bislang aber nicht zu einem Ansatz zur generellen Schuldenprävention entwickelt<br />

worden. Die folgende Pilotstudie für den Schulden-Kompass 2005 ist als erster Ansatz in diese<br />

Richtung zu <strong>ver</strong>stehen.<br />

1. Datengr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> theoretischer Ansatz aus der Entwicklungspsychologie<br />

In Kooperation <strong>und</strong> mit Unterstützung von fünf Schuldnerberatungsstellen sind im Zeitraum von<br />

August bis Oktober 2005 in vier <strong>ver</strong>schiedenen Regionen Deutschlands 13 junge Frauen <strong>und</strong> sieben<br />

junge Männer mittels eines biografischen Interviews befragt worden. Die Gesprächspartner waren<br />

zwischen 19 <strong>und</strong> 25 Jahre alt. Die Gesprächspersonen wurden von den SchuldnerberaterInnen kontaktet<br />

<strong>und</strong> zu dem Interview eingeladen.<br />

Der Verlauf der Persönlichkeitsentwicklung <strong>und</strong> vor allem die Umbrüche im Jugend- <strong>und</strong> jungen<br />

Erwachsenenalter können entwicklungspsychologisch als Weg zur Autonomie <strong>ver</strong>standen werden.<br />

Der Autonomiebegriff wird dabei von <strong>ver</strong>schiedenen Wissenschaftlern durchaus unterschiedlich<br />

<strong>ver</strong>wendet. Bei Erik Erikson entsteht Autonomie bereits im frühkindlichen Alter (2-3 Jahre) <strong>und</strong> hängt<br />

mit der ersten Ausprägung des eigenen Willens zusammen. Besonders wichtig ist der von Erikson<br />

herausgearbeitete Gegensatz von Autonomie vs. Scham <strong>und</strong> Zweifel. Bei Jean Piaget setzt Autonomie<br />

frühestens ab dem 10. Lebensjahr ein <strong>und</strong> beschreibt die Entwicklung des Bewusstseins mit<br />

der Erkenntnis, dass Regeln ausgehandelt werden können. Lawrence Kohlberg legt das Auftreten<br />

von Autonomie zeitlich nicht fest, sondern geht davon aus, dass es erst auf höheren Stufen der<br />

moralischen Entwicklung erfolgt.<br />

Wir halten den theoretischen Ansatz von Jane Loevinger für die Beschreibung der Entwicklung von<br />

Jugendlichen zu jungen Erwachsenen, von heteronom bestimmten Personen zur autonomen<br />

Persönlichkeit für besonders geeignet. Vor allem deshalb, weil sich nach Loevinger Autonomie erst<br />

in einem allmählichen, komplexen Prozess entwickelt. Autonomie stellt bei ihr die achte von neun<br />

Stufen der Ich-Entwicklung dar <strong>und</strong> tritt kaum je vor Anfang 20 auf. Sie ist ablesbar an:<br />

162<br />

• einer hohen kognitiven Komplexität<br />

• einer hohen Ambiguitätstoleranz, d.h. die Ambivalenz des Lebens ertragen zu können<br />

• der Erkenntnis statt der Projektion innerer Konflikte<br />

• der Übernahme von Eigen<strong>ver</strong>antwortung


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE D | 1. | 2.<br />

Die Entwicklung zur Autonomie ist immer ein störungsanfälliger Prozess, bei dem zwischen der Ich-<br />

Entwicklung <strong>und</strong> sozialen Einflussfaktoren komplexe Zusammenhänge bestehen. Protektiv wirkende<br />

Einflussfaktoren sind u.a. die „sichere Geb<strong>und</strong>enheit“(Jon Bowlby) bzw. das „Ur<strong>ver</strong>trauen“ (Erikson)<br />

als positiv wirkende Einflussfaktoren. Des weiteren die „Resilienz“, d.h. das Vorliegen von Kräften<br />

<strong>und</strong> Bewältigungskompetenzen, die die Widerstandsfähigkeit ausmachen. Dazu gehören positives<br />

Selbstbild, internale Kontrollüberzeugungen, vielfältige Interessen, konstruktive Problemlösungsfähigkeiten,<br />

materielle Ressourcen <strong>und</strong> soziale Kompetenz .<br />

Risikofaktor für die Entwicklung ist dagegen die „Vulnerabilität“, d.h. die Empfindlichkeit gegenüber<br />

belastenden Bedingungen. Zu den Risikofaktoren gehören angespannte Beziehungen zwischen<br />

den Eltern, eine schlechte Interaktionsqualität in der Familie, häufiges Miterleben häuslichen Streits,<br />

gewaltbetonter elterlicher Erziehungsstil, emotionale Vernachlässigung, aber auch Probleme in Form<br />

von Regelübertretungen, dissoziales Verhalten <strong>und</strong> psychische Probleme.<br />

Der von Erikson als zentrale Krise des Jugendalters formulierte Gegensatz „Identität vs. Identitätsdiffusion“<br />

ist durch den Modernisierungsprozess der Gesellschaft zu einem Konflikt zwischen Identitätskonstruktion<br />

vs. Identitätsdiffusion geworden.<br />

Überschuldung von jungen Erwachsenen kann deshalb auch als misslungene Identitätskonstruktion<br />

<strong>ver</strong>standen werden, als Ergebnis eines Prozesses bei dem die Vulnerabilität größer ist als die Resilienz.<br />

Diese Begrifflichkeiten machen auch deutlich, dass Überschuldung nicht monokausal auf die Persönlichkeit<br />

eines jungen Erwachsenen zurückgeführt werden kann, sondern das Ergebnis eines komplexen<br />

Prozesses zwischen sich entwickelnder Persönlichkeit, sozialem Umfeld <strong>und</strong> Gesellschaft ist.<br />

2. Verschuldungsmotivation <strong>und</strong> Lebenslagen von überschuldeten Jugendlichen<br />

Die Prävention der Überschuldung kann im Wesentlichen zum einen a) durch die Erhöhung der<br />

finanziellen Kompetenz <strong>und</strong> Alltagsbewältigungsfähigkeit bei den Nachfragern <strong>und</strong> Nutzern von<br />

Finanzdienstleistungen erfolgen, zum anderen b) durch ein <strong>ver</strong>antwortliches Kredit<strong>ver</strong>gabe<strong>ver</strong>halten<br />

von Anbietern, <strong>und</strong> zum dritten c) durch entsprechende Regelungen <strong>und</strong> Richtlinien des<br />

Gesetzgebers. Im Rahmen dieses Pilotprojektes interessiert vor allem die Erhöhung der finanziellen<br />

Kompetenz von Kindern, Jugendlichen <strong>und</strong> jungen Erwachsenen, da ihre finanzielle Allgemeinbildung<br />

einer Vielzahl von Studien zufolge als defizitär einzustufen ist. Die „Schere“ zwischen finanzieller<br />

Allgemeinbildung <strong>und</strong> Finanzkraft scheint sich dabei weiter zu öffnen.<br />

Finanzkraft der 6- bis 17-Jährigen<br />

Die Mehrzahl der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen in Deutschland <strong>ver</strong>fügt in Relation zu ihrem Alter bereits<br />

über eine beträchtliche Finanzkraft. So erhalten die 6- bis 12-Jährigen an Taschengeld <strong>und</strong> sonstigen<br />

Geldzuwendungen insgesamt im Jahr 2005 1,44 Mrd. Euro. Die r<strong>und</strong> 7,5 Millionen Jugendlichen im<br />

Alter von 13 bis 17 Jahren haben im Jahr 2005 sogar Einnahmen aus Jobs, Taschengeld <strong>und</strong><br />

Geldgeschenken von r<strong>und</strong> 5,1 Mrd. Euro.<br />

163


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE D | 2.<br />

Diese Einnahmen setzen sich zusammen aus Taschengeld (87 %) von 1,8 Mrd. Euro, Geldgeschenken<br />

(76 %) von 1,5 Mrd. Euro, Einnahmen aus Jobs <strong>und</strong> Nebentätigkeiten (29 %) von 1,0 Mrd.<br />

Euro <strong>und</strong> Ausbildungsgeld (12 %) von 0,8 Mrd. Euro. Pro Monat stehen diesen Jugendlichen somit<br />

r<strong>und</strong> 92 Euro zur Verfügung, davon sind 76 Euro nach Abzug von laufenden Kosten frei <strong>ver</strong>fügbar<br />

(insgesamt 4,2 Mrd. Euro). Andererseits gehören r<strong>und</strong> 1,1 Millionen Kinder unter 18 Jahren zu den<br />

Sozialhilfeempfängern.<br />

12 % der Jugendlichen im Alter von 13 bis 17 Jahren haben Schulden in durchschnittlicher Höhe von<br />

60 Euro. Die wichtigsten Gläubiger sind die Eltern (47 %), Fre<strong>und</strong>e (38 %) <strong>und</strong> Geschwister (14 %).<br />

Finanzkraft der 18- bis 25-Jährigen<br />

Die derzeit umfangreichste Analyse der finanziellen Situation von 15- bis 24-Jährigen ist von Elmar<br />

Lange vorgelegt worden. Demnach haben die 18- bis 24-Jährigen Männer ein monatlich <strong>ver</strong>fügbares<br />

Einkommen zwischen 321 <strong>und</strong> 852 Euro, während dies bei den gleichaltrigen Frauen von 301<br />

bis 755 Euro im Jahr 2002 reicht.<br />

Mit 20 Jahren sind die Eltern noch die wichtigste Einnahmequelle (für 81 %) der jungen<br />

Erwachsenen. Dieser Anteil sinkt auf 58 %, wenn die jungen Erwachsenen 24 Jahre alt geworden<br />

sind. Parallel steigen in diesem Zeitraum Lohnzahlungen als Einnahmequelle von r<strong>und</strong> 26 % auf<br />

r<strong>und</strong> 50 % an. Während die jungen Erwachsenen mit 20 Jahren im Durchschnitt 428 Euro im Monat<br />

des Jahres 2002 ausgeben, sind dies im Alter von 24 Jahren bereits 645 Euro.<br />

Die Verschuldung der jungen Erwachsenen steigt von 12 % bei den 20- bis 21-Jährigen auf 22 %<br />

bei den 22- bis 24-Jährigen. Bei 7 % der Jugendlichen <strong>und</strong> jungen Erwachsenen übersteigen bereits<br />

die monatlichen Ausgaben die Einnahmen, sie gelten deshalb als überschuldet. Die durchschnittliche<br />

Verschuldungshöhe wird bei den Überschuldeten mit 2.800 Euro angegeben. 9 % der jungen<br />

Männer <strong>und</strong> 4 % der jungen Frauen sind überschuldet. Als die drei häufigsten Ursachen der<br />

Verschuldung werden in der Untersuchung von Lange von den jungen Erwachsenen selbst benannt:<br />

a) größere Anschaffungen (67 %), b) unzulängliche Wirtschaftsplanung (36 %) <strong>und</strong> c) Erhöhung der<br />

fixen Lebenshaltungskosten (22 %). Bei den größeren Anschaffungen werden am häufigsten Auto<br />

<strong>und</strong> Motor (38 %) genannt, gefolgt von elektronischen Geräten, Kleidung, Computer <strong>und</strong> Einrichtungsgegenständen<br />

(zwischen 18 <strong>und</strong> 22 %). Bei der Verschuldung findet Lange keine Zusammenhänge<br />

mit der sozialen Herkunft, den elterlichen Erziehungsstilen oder den individuellen Wertorientierungen<br />

zu Konsum, Geld <strong>und</strong> Kredit.<br />

164


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE D | 2.<br />

Überschuldete junge Erwachsene<br />

Die Auswertung zur Überschuldung von Lange beruht auf der Datenanalyse von 70 Fällen aus einer<br />

Gesamtstichprobe von 1.000 Fällen. Eine ähnlich große Fallzahl von jungen Überschuldeten liefert<br />

die Auswertung des Pilotprojekts zur b<strong>und</strong>esweiten Basisstatistik bei Schuldnerberatungsstellen, das<br />

im Jahr 2004 von der GP Forschungsgruppe im Auftrag des B<strong>und</strong>esministerium für Familie, Senioren,<br />

Frauen <strong>und</strong> Jugend durchgeführt wurde. Im Unterschied zu Lange handelt es sich hierbei jedoch<br />

nicht um Befragungsdaten, sondern um dokumentierte Fälle von Klienten der Schuldnerberatungsstellen.<br />

Das Kriterium Überschuldung ist somit in der Basisstatistik härter <strong>und</strong> eindeutiger.<br />

Die überschuldeten jungen Erwachsenen haben in auffälliger Weise deutlich häufiger Schulden bei<br />

Versandhäusern <strong>und</strong> Telefongesellschaften <strong>und</strong> sind seltener mit Raten- <strong>und</strong> Dispokrediten überschuldet<br />

als die Altersgruppe der 26- bis 55-jährigen Klienten. Ansonsten ist die Gläubigerstruktur<br />

bei beiden Altersgruppen weitestgehend ähnlich.<br />

In den Schuldensummen ergeben sich jedoch erhebliche Unterschiede. Mit Ausnahme der<br />

Telefongesellschaften sind die jungen Erwachsenen bei allen anderen Gläubigergruppen mit deutlich<br />

niedrigeren Summen als die ältere Altersgruppe überschuldet. Besonders gravierend ist der<br />

Unterschied bei den Schuldensummen aus Raten- <strong>und</strong> Dispokredit-Verpflichtungen. Hier steht eine<br />

durchschnittliche Forderungshöhe von 3.683 Euro bei den 19- bis 25-Jährigen einem Durchschnittswert<br />

von 23.112 Euro bei den 26- bis 55-Jährigen gegenüber.<br />

Gläubigerstruktur <strong>und</strong> Forderungshöhe<br />

Gläubiger 19-25 Jahre<br />

(66)<br />

Forderungshöhe<br />

(MW)<br />

26-55 Jahre<br />

(690)<br />

Forderungshöhe<br />

(MW)<br />

Raten-, Dispokredit 26 39 % 3.683 € 417 60 % 23.112 €<br />

Hypothekarkredit — — — 73 11 % 106.538 €<br />

Versicherungen 16 24 % 963 € 220 32 % 2.016 €<br />

Versandhäuser 46 70 % 2.449 € 287 42 % 3.061 €<br />

Öffentl. Gläubiger 27 41 % 994 € 329 48 % 4.104 €<br />

Finanzamt 4 6 % 480 € 108 16 % 11.337 €<br />

Energieunternehmen 19 29 % 417 € 136 20 % 1.033 €<br />

Telefongesellschaften 50 76 % 1.834 € 297 43 % 1.332 €<br />

Vermieter 19 29 % 1.832 € 242 35 % 3.373 €<br />

Gewerbetreibende 15 23 % 1.096 € 176 26 % 7.542 €<br />

Privatpersonen 3 5 % 1.661 € 105 15 % 9.135 €<br />

Unerlaubte Handlungen 6 9 % 666 € 44 6 % 7.855 €<br />

Sonstige 19 29 % 1.111 € 201 29 % 4.096 €<br />

Abb. 2.1 Quelle: GP Forschungsgruppe, Basisstatistik 2004, 856 Klienten von Schuldnerberatungsstellen<br />

Diese Daten decken sich hinsichtlich Bank- <strong>und</strong> Telefonschulden durchaus mit den Daten des<br />

Schulden-Kompass 2005. Dort wird für die Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen die Höhe der durchschnittlich<br />

ausgefallenen Kreditsummen mit 4.000 Euro angegeben.<br />

165


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE D | 2.<br />

Biografien<br />

Die Informationen aus den Biografien geben näheren Aufschluss darüber, wie es zu dem Gläubiger<strong>und</strong><br />

Forderungsschwerpunkt bei Telefongesellschaften, Versandhäusern <strong>und</strong> Kreditinstituten bei den<br />

jungen Erwachsenen kommt. Es handelt sich um eine vorläufige erste Analyse des biografischen<br />

Materials.<br />

Männliche Biografien<br />

Die sieben Biografien <strong>junger</strong> Männer stellen selbst<strong>ver</strong>ständlich nur einen qualitativen Ausschnitt aus<br />

dem Uni<strong>ver</strong>sum möglicher Überschuldungsbiografien dar. An ihnen wird jedoch bereits exemplarisch<br />

deutlich, dass Überschuldung eng <strong>ver</strong>woben mit dem Versuch ist, eine gelungene Konstruktion der<br />

eigenen Identität in dem schwierigen Fahrwasser der Moderne herzustellen.<br />

Immerhin fünf der sieben Biografien weisen den Verlust des Vaters durch Scheidung oder Tod auf.<br />

Dies führt zum frühen Versuch, eigen- <strong>und</strong> selbstständig zu leben durch den Bezug einer eigenen<br />

Wohnung. Die damit <strong>ver</strong>b<strong>und</strong>enen Verantwortlichkeiten führen aber anscheinend in mehreren Fällen<br />

zur Überforderung.<br />

„Mit 18 konnte ich das alles nicht so <strong>ver</strong>arbeiten. Ich habe dann sehr viel mit Drogengeschichten<br />

angefangen, bin Verträge eingegangen, ob es ein Auto auf Leasing zu kaufen war oder sehr viele<br />

Handy<strong>ver</strong>träge. Ich habe 4-5 Handy<strong>ver</strong>träge nacheinander abgenutzt. Wenn ich da Schulden hatte<br />

<strong>und</strong> der gesperrt war, habe ich den nächsten abgeschlossen.“<br />

In zwei Fällen bewirkt ein relativ ausgiebiger Cannabis/Haschisch-Konsum, dass Ausbildungsgänge<br />

abgebrochen <strong>und</strong> dadurch Orientierungs- <strong>und</strong> Planlosigkeit <strong>ver</strong>stärkt werden. Denn aus dem Abbruch<br />

der Lehrstellen resultieren Einkommens- <strong>und</strong> Liquiditätseinbrüche, die Schulden im Bereich von<br />

Mietforderungen, Energiekosten oder bei Ratenzahlungen für den Versandhandel nach sich ziehen.<br />

Bei finanziellen Engpässen gehört offensichtlich ebenfalls zu den individuellen Maßnahmen zur Ausgabenreduktion<br />

das ‚Schwarzfahren’ mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Entweder aufgr<strong>und</strong> von fehlender<br />

Cle<strong>ver</strong>ness oder aufgr<strong>und</strong> der Häufigkeit des Schwarzfahrens führt dies bei drei jungen<br />

Männern zu erheblichen Forderungen der örtlichen Verkehrsbetriebe.<br />

Handy-Schulden gehören zu fünf der sieben Biografien. Sie können aber eine durchaus unterschiedliche<br />

Genese haben. In zwei Fällen sind die Handy-Verträge nach <strong>ver</strong>späteten Zahlungen bzw.<br />

Mahnungen fristlos mit Einforderung des Verzugsschadens gekündigt worden. In anderen Fällen sind<br />

über die finanzielle Leistungsfähigkeit hinausgehende Handy-Rechnungen produziert worden. Im<br />

dritten Fall sind aus Gedankenlosigkeit mehrere Handy-Verträge in Folge abgeschlossen worden.<br />

Bis auf eine Ausnahme <strong>ver</strong>schärfen sich bei allen Biografien die jeweiligen Lebenslagen durch<br />

Niedrigeinkommen, sei es aufgr<strong>und</strong> von Ausbildungsentgelten, Studium, Arbeitslosigkeit oder Hartz IV.<br />

Die jungen Männer gehen mit ihrer Überschuldungssituation sehr unterschiedlich um. Drei von ihnen<br />

haben ihren Angehörigen <strong>und</strong> Eltern die Überschuldung aus Scham <strong>ver</strong>schwiegen, ein vierter spricht<br />

nicht mehr mit seiner Familie aufgr<strong>und</strong> deren permanenten Vorwürfen. Das Schamgefühl kann in Einzelfällen<br />

soweit gehen, dass durch den Versuch der Bewältigung von finanziellen Engpässen in der Herkunftsfamilie<br />

ohne zustehende Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, eine eigene Überschuldung eintritt.<br />

166


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE D | 2.<br />

Andere sprechen offen mit ihren Eltern <strong>und</strong> suchen gemeinsam nach Auswegen aus der Schuldenmisere.<br />

Dies führte in einem Fall zur Übernahmen des Großteils der Schulden (20.000 Euro) durch<br />

die Mutter, die zu diesem Zweck selbst einen Kredit aufnehmen musste.<br />

Die ursächlichen Überschuldungsauslöser – neben der Tatsache von Niedrigeinkommen – können<br />

sehr unterschiedlich sein. Sie können durch Schmerzensgeldforderungen aufgr<strong>und</strong> von unbedachten<br />

Prügeleien in der Jugend entstehen. Sie können aufgr<strong>und</strong> von Insolvenzen der Arbeitgeber <strong>und</strong><br />

nicht gezahlten Lohnzahlungen hervorgerufen werden. Sie können durch eine zu frühzeitige <strong>und</strong> zu<br />

großzügige Verfügungsstellung von Dispositionskrediten initiiert werden.<br />

„Ich hatte einen großzügigen Dispositionsrahmen über 4.000 Mark. Man kannte mich bei der Bank,<br />

die wussten, wo ich arbeite, <strong>und</strong> es war auch kein großes Problem, an den ersten Kredit zu gelangen.<br />

Sie haben sich nicht groß über meinen privaten Hintergr<strong>und</strong> erk<strong>und</strong>igt.“<br />

Unabhängig von diesen Auslösern ist jedoch zu beobachten:<br />

• dass die jungen Männer nicht über die notwendige hohe kognitive Komplexität<br />

<strong>ver</strong>fügten, um mit ihrer Lebenssituation zurecht zu kommen;<br />

• dass die Übernahme von Eigen<strong>ver</strong>antwortung zu früh erfolgte;<br />

• dass auch keine hinreichend große Ambiguitätstoleranz entwickelt worden ist.<br />

Die Resilienz ist überwiegend schwach ausgeprägt, die Risikofaktoren sind dafür umso stärker gegeben.<br />

Weibliche Biografien<br />

Noch häufiger als in den männlichen Biografien finden sich bei den weiblichen jungen Überschuldeten<br />

Störungs- <strong>und</strong> Trennungssituationen im Elternhaus. Mehrfach wird auch bereits die Erfahrung<br />

von Schulden bei den Eltern berichtet. Ebenfalls noch stärker als bei den jungen Männern wird bei<br />

den Frauen die Tendenz deutlich, frühzeitig, d.h. zwischen 16 <strong>und</strong> 18 Jahren, die elterliche Wohnung<br />

zu <strong>ver</strong>lassen, <strong>und</strong> – in den meisten Fällen – zu einem Fre<strong>und</strong> zu ziehen, teilweise <strong>ver</strong>b<strong>und</strong>en mit<br />

größeren Ortswechseln. Das Bedürfnis nach Freiheit drückt sich auch darin aus, dass quasi in einer<br />

Trotzreaktion gegen elterliche Beschränkungen die finanziellen Möglichkeiten voll ausgeschöpft <strong>und</strong><br />

teilweise überspannt werden.<br />

„Mit 18 Jahren darf ich alles machen, jetzt hole ich mir ein Handy, jetzt mache ich dies, jetzt mache<br />

ich jenes. Ich habe mir erst mal alle Wünsche erfüllt, das tollste Handy, die teuersten Klamotten, die<br />

teuersten Schuhe.“<br />

Die offensichtliche Sehnsucht, sich eine „heile Welt“ zu schaffen, wird in fünf Fällen durch eine frühzeitige<br />

Mutterschaft (mit 18 oder 19 Jahren) erfüllt. In aller Regel übernehmen die Frauen auch die<br />

Kosten für die Einrichtung des gemeinsamen Heims, zumeist durch Versand- <strong>und</strong> Katalogbestellungen.<br />

Konträr dazu ist zu beobachten, dass sich die ausgewählten Männer weitgehend den damit<br />

eingegangenen Verpflichtungen <strong>und</strong> Konsequenzen entziehen, sei es gezielt, sei es aus Überforderung.<br />

Oft lassen sich die Männer von ihren jungen Frauen ‚durchfüttern’. So enden diese ‚Liebesbeziehungen’<br />

sehr schnell im Desaster, das aber <strong>ver</strong>schiedene Erscheinungsformen annehmen kann.<br />

167


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE D | 2.<br />

“Ich habe für meinen Fre<strong>und</strong> einen Computer zum Geburtstag bestellt im Wert von 1.000 Euro.<br />

Dann war ich so doof <strong>und</strong> habe einen Telefonanschluss mit Internetanschluss gemacht. Mein Lebensgefährte<br />

war viel im Internet wegen Arbeitssuche. Das kostet Geld ohne Ende. Irgendwann kam<br />

dann eine Telefonrechnung von 2.500 Euro <strong>und</strong> die konnte ich nicht bezahlen.“<br />

Im extremen Fall wird die emotionelle Abhängigkeit der Frauen für betrügerische Aktivitäten der<br />

Beziehungspartner ausgenutzt. Die können sich darin ausdrücken, dass aufgr<strong>und</strong> von negativen<br />

SCHUFA-Einträgen bei den Männern, die Frauen zu Kontoeröffnungen <strong>und</strong> zum Abschluss von<br />

Kredit<strong>ver</strong>trägen überredet werden, für die sich die Männer Vollmachten ausstellen lassen. Es kann zu<br />

Bestellungen kommen, die die Männer namens ihrer Ehefrauen durchführen. Es kann zum Kauf von<br />

Eigentumswohnungen führen, deren Hypotheken dann von den Frauen getilgt werden müssen.<br />

„Er brauchte unbedingt ein Konto, schufamäßig sei zwar alles geklärt, nur die negativen Einträge in<br />

der SCHUFA seien noch nicht raus. Überbrückungsweise machst du ein Einzelkonto <strong>und</strong> gibst mir<br />

eine Vollmacht. Das Konto wurde mit minus 8.000 Euro aufgemacht, es sollte auf Null zurückgeführt<br />

werden. Er brauchte im Prinzip Geld. Er hat zwischenzeitlich auch gut <strong>ver</strong>dient, mit 15.000 Euro<br />

brutto habe ich mir da keine Sorgen gemacht, bis ich dann gemerkt habe, dass die Gerichtsvollzieher<br />

das zweite oder dritte Mal hier waren.“<br />

„Ich wusste nicht, dass die Wohnung auf meinen Namen läuft. Mein Mann hat sich auch bei<br />

Premiere angemeldet, die haben uns einen Decoder geschickt. Das ging auf meinen Namen, das<br />

wusste ich auch nicht. Bis die erste Rechnung kam <strong>und</strong> die war gleich über 300 Euro.“<br />

Neben Bankschulden häufen sich daher bei Frauen in stärkerem Maße Mietschulden <strong>und</strong> Schulden<br />

beim Versandhandel.<br />

Scham <strong>und</strong> die Tabuisierung des Schuldenthemas ist auch bei den jungen Frauen ein häufig zu beobachtender<br />

Verdrängungsmechanismus, der eng korreliert ist mit der Verweigerung, das eigene<br />

Scheitern einzugestehen, da häufig auch die Eltern oder zumindest ein Elternteil gegen die Partner<strong>und</strong><br />

Lebenswahl der Töchter eingestellt gewesen ist. Selbstzuschreibungen der Schuld an der Überschuldungssituation<br />

sind daher bei Frauen nicht selten.<br />

Stärker als bei den Männern ist bei den Frauen ein akti<strong>ver</strong> Abnabelungs<strong>ver</strong>such von der Überschuldungssituation<br />

zu erkennen, der an der Trennungsinitiative abzulesen ist sowie an dem aktiven<br />

Bemühen der Schuldenregulierung. Auch bei den Frauen sind somit in noch deutlicherem Maße als<br />

bei den Männern klare Konturen des Versuchs der Identitätskonstruktion zu erkennen, die in ähnlicher<br />

Weise von einem Ungleichgewicht zwischen protektiven <strong>und</strong> Risikofaktoren gekennzeichnet sind.<br />

.<br />

168


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE D | 2. | FAZIT<br />

Fazit<br />

Im Gegensatz zu Elmar Lange zeigen sich bei den biografischen Interviews eindeutige Zusammenhänge<br />

zwischen Herkunftsfamilie <strong>und</strong> dem späteren Eintreten von Überschuldung. Der frühe Verlust<br />

der Vaterfigur durch Trennung, Scheidung oder Tod birgt für männliche Jugendliche die Gefahr der<br />

Desorientierung <strong>und</strong> erzeugt bei weiblichen Jugendlichen den starken Wunsch nach einer schnellen<br />

Ablösung vom Elternhaus <strong>und</strong> dem Aufbau eines eigenen Heims.<br />

Die Förderung der finanziellen Allgemeinbildung ist als Gr<strong>und</strong>stock wichtig, aber man muss sich im<br />

Klaren darüber sein, dass emotionelle Botschaften z.B. der Werbung die kognitiven Informationen<br />

überlagern – wenn keine ausreichenden internen <strong>und</strong> externen Kontrollinstanzen vorhanden sind.<br />

Bestes Beispiel für diesen Prozess ist der Misserfolg der Warnhinweise auf Zigarettenpackungen, partiell<br />

wirksam waren erst drastische Preiserhöhungen. Es wäre zu kurz gegriffen, die Überschuldung<br />

von jungen Erwachsenen mit Begriffen wie „Schuldenneigung“ oder „kompensatorischem“ bzw.<br />

„demonstrativem Konsum“ erklären zu wollen. Es handelt sich dabei vielmehr um einen komplexen<br />

Prozess des Versuchs der Identitätskonstruktion, dessen Gelingen einer Vielzahl von protektiven<br />

Faktoren bedarf. Der Prozess der Modernisierung in der Gesellschaft schwächt jedoch klassische protektive<br />

Faktoren <strong>und</strong> erhöht die Zahl der Risikofaktoren. Traditionelle Beziehungsmuster sind einem<br />

fortschreitenden Erosionsprozess ausgesetzt. Jugendliche müssen sich in einer Welt ambivalenter<br />

Bedingungen zurechtfinden, in der das Kleingedruckte (in Handy-Werbung, Kredit<strong>ver</strong>trägen etc.)<br />

keine zu <strong>ver</strong>nachlässigende – kleine – Größe ist, sondern zur Normalität des Alltagslebens dazu<br />

gehört.<br />

Vergleicht man überschuldete junge Menschen mit Münchner Berufsschülern im Alter von 20 bis 25<br />

Jahren fällt auf, dass:<br />

• Überschuldete wesentlich häufiger regelmäßig ihre Kontoauszüge überprüfen<br />

• sie doppelt so häufig von Geldsorgen sehr belastet sind<br />

• sie häufiger der Auffassung sind, dass zum Absichern der eigenen Zukunft Verzicht gehört<br />

• sie seltener angeben, dass sie sich zutrauen, ihre Geldangelegenheiten selbst zu regeln<br />

Man kann dieses Einstellungsmuster bei überschuldeten jungen Erwachsenen durchaus im Sinne von<br />

Lernerfahrung interpretieren. In die gleiche Richtung gehen auch die präventiven Ratschläge, die<br />

überschuldete junge Menschen anderen erteilen würden. In ihnen kommt der Wunsch nach einer<br />

Normalbiographie zum Ausdruck:<br />

„Vorsichtiger sein, besser auf Eltern/Erwachsene hören, Einnahmen <strong>und</strong> Ausgaben unter Kontrolle<br />

halten; Finger weg von den Drogen, Ausbildung abschließen; Nicht den Kopf in den Sand stecken,<br />

sondern sofort alles regeln; Nicht so früh heiraten; Aufpassen, was man unterschreibt; Versuchen,<br />

die größten Schulden nicht zu machen; Nichts über den Versandhandel machen; Eine Handykarte<br />

kaufen. Schauen, dass man eine feste Arbeit hat; Führerschein machen; alles im Leben klären, bevor<br />

man sich in Schulden stürzt. Aber eigentlich sollte man mit der Bank am Besten gar nichts machen.“<br />

169


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE D | 3. | BIOGRAFIEN<br />

3. Exemplarische Überschuldungsbiografien<br />

Männliche Überschuldungsbiografie<br />

1) mit 5 J.<br />

Scheidung<br />

Eltern<br />

2) mit 10 J.<br />

Scheidung<br />

Eltern<br />

170<br />

<br />

Abitur mit 18 J.<br />

Zimmer in<br />

WG<br />

Vater zahlt<br />

keinen Unterhalt<br />

© GP Forschungsgruppe 2005<br />

kein eigenes<br />

Einkommen<br />

Handy<strong>ver</strong>trag<br />

nach 2x<br />

<strong>ver</strong>späteter<br />

Zahlung<br />

gekündigt<br />

<br />

Depressionen Drogen Ausbildungen<br />

abgebrochen<br />

Student mit 20 J. 600 €<br />

Handy-Schulden<br />

Hartz IV mit 22 J. 1.000 € Schulden<br />

Schwarzfahren, Sozialamt<br />

3) Haupt- Lehre nach Handy- dadurch Schulden jetzt 2. mit 22 J.<br />

schul 2 J. abge- Rechnung Miet-,<br />

Umwelt<br />

Ausbildung 5.500 € Schulden,<br />

abschlussbrochen 1.200 € Strom- + ÖPNV-<br />

Schulden<br />

<strong>ver</strong>schwiegen<br />

5 Gläubiger<br />

<br />

4) Vater Realschul-<br />

Alkoholiker abschluss<br />

Scheidung<br />

Eltern mit 14 J.<br />

5) mit 7 J.<br />

Scheidung<br />

Eltern<br />

6) mit 2 J.<br />

Tod<br />

des Vaters<br />

Stiefvater<br />

setzt sich nach<br />

Geburt des<br />

Bruders ab<br />

mit 18 J.<br />

Auszug<br />

kein<br />

Unterhalt<br />

Drogenkonsum<br />

Sohn<br />

finanziert<br />

Familie<br />

Abschluss<br />

mehrerer<br />

Handy<strong>ver</strong>träge<br />

Dispo<br />

ausgenutzt<br />

Abbruch<br />

von<br />

Lehrstellen<br />

Mutter übernimmt<br />

20.000 €<br />

Schulden<br />

per Kredit<br />

<br />

mit 20 J.<br />

Flucht<br />

aus Irak<br />

ABM-<br />

Qualifikationsmaßnahme<br />

Kredit bei<br />

Bank<br />

für Fluchtfeldrückzahlung<br />

Nachforderung<br />

von<br />

Finanzamt/<br />

Vermieter<br />

ALG II mit 23 J. 6.000 €<br />

5 Gläubiger:<br />

Inkasso, Handel,<br />

Handy, ÖPNV<br />

Scham Angestellter mit 23 J. 30.000 €<br />

Bankschulden<br />

<br />

Handy-<br />

Kündigung<br />

arbeitslos mit 24 J. 12.000 €<br />

Schulden Bank,<br />

Handy, Verwandte,<br />

Finanzamt<br />

7) mit 19 J. Selbst. Kauf Permanente Firmen- Scham Ausbildung <br />

mit 24 J. 22.000 €<br />

Schmerzens- Kurierfahrer KfZ<br />

Überarbeitung insolvenz<br />

Schwarzfahren,<br />

geld<br />

Bankschulden,<br />

1.500 €<br />

Falschparken,<br />

Handy


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE D | 3. | BIOGRAFIEN<br />

Weibliche Überschuldungsbiografie<br />

1) Uneheliches<br />

Kind<br />

<br />

Realschulabschluss<br />

2) Vater ohne<br />

unbekannt, Haupt-<br />

Mutter schul<br />

Alkoholikerin abschluss<br />

3) Eltern<br />

2005<br />

geschieden<br />

4) Eltern<br />

geschieden.<br />

5) Vater hat<br />

sich als<br />

sie 16 J. war<br />

mit Konkurs<br />

ins Ausland<br />

abgesetzt<br />

6) Eltern<br />

geschieden<br />

7) Realschulabschluss<br />

abgebrochene<br />

Lehre<br />

mit 17 J. Fre<strong>und</strong><br />

zum Fre<strong>und</strong> ge- arbeitslos,<br />

zogen + Kind Schufabekommen<br />

Eintrag<br />

mit 16 J. <strong>ver</strong>sehentliche<br />

Umzug in Doppel-<br />

fremde zahlung der<br />

Stadt aus Liebe Bank, PKV<br />

lebte auf ihre<br />

Kosten + schloss<br />

auf ihren Namen<br />

Verträge ab<br />

seit 2 J.<br />

arbeitslos<br />

<br />

Mutter<br />

<strong>ver</strong>schuldet<br />

mit 17 J.<br />

zum Fre<strong>und</strong><br />

gezogen<br />

Schulden<br />

Tabu<br />

mit 18 J. Ehe<br />

+ Kind<br />

mit 19 J. 2.000 €<br />

Schulden Bank,<br />

Versicherung<br />

Ausbildung mit 19 J. 3.000 € Schulden<br />

Telekom, Mietschulden<br />

Jugendamt-<br />

mit 18 J. in<br />

Großstadt<br />

mit 19 J.<br />

Kind<br />

Dispo von<br />

6.000 €<br />

12 x umgezogen<br />

Ehemann<br />

im Gefängnis<br />

<br />

seit 14. Lj. mit 18 J.<br />

Drogenkonsum alleine in<br />

(Alkohol, Großstadt<br />

Speed,<br />

Cannabis,<br />

Koks)<br />

gezogen<br />

Lehrstelle, danach nur<br />

nach 3-monati- noch Party<br />

ger Probezeit<br />

nicht übernommen<br />

worden<br />

Hartz IV mit 22 J.<br />

6.000 €<br />

Bankschulden<br />

<br />

Vater<br />

Schulden<br />

mit 19 J.<br />

ausgezogen<br />

mit 19 J.<br />

geheiratet<br />

Schwiegermutter<br />

Telefonschulden<br />

als Brief- mit 22 J. Kind,<br />

kasten für Hartz IV<br />

kriminelle<br />

Delikte benutzt<br />

worden<br />

<br />

Gesellenprüfung<br />

1 Jahr<br />

arbeitslos<br />

1 Jahr<br />

Zeitarbeitsfirma<br />

Möbel auf<br />

Ratenkauf<br />

großzügiger Thema<br />

Dispo,<br />

Tabu für<br />

„Billiganbieter ins Familie<br />

Internet“, hohe<br />

Handykosten<br />

mit 20 J. mit<br />

21 J. 6.000 €<br />

Trennung unterstützung Schulden Miete,<br />

Handel, Fernsehen,<br />

Energie<br />

mit 20 J.<br />

geschieden<br />

seit 1 Jahr<br />

arbeitslos<br />

mit 22 J. 7.000 €<br />

Miet-/,<br />

Gerichtsschulden<br />

mit 22 J. 8.000 €<br />

Mietschulden,<br />

Versandhaus,<br />

Telefon<br />

mit 22 J. 15.000 €<br />

Schulden<br />

30 Gläubiger:<br />

Telefon, Bank,<br />

Versandhandel<br />

171


SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE D | 3. | BIOGRAFIEN<br />

Weibliche Überschuldungsbiografie<br />

8) Eltern Quali abge- mit 19 J. mit Partner Nettein- Trennung Ausbildung<br />

mit 23 J. 2.300 €<br />

selbst<br />

brochene Kind<br />

zusammenkommen 5 Gläubiger:<br />

<strong>ver</strong>schuldet<br />

Lehre<br />

gezogen Partner<br />

Versand, Handy,<br />

1.000 €<br />

Miete, Energie<br />

9) Scheidung<br />

Eltern mit<br />

13 J.<br />

10) mit 7 J.<br />

Tod der<br />

Mutter<br />

11) Vater<br />

überschuldet<br />

172<br />

2. Aus-<br />

Tod des<br />

Vaters mit<br />

14 J.<br />

Probleme<br />

mit Stiefmutter<br />

Vater<br />

überschuldet<br />

mit 16 J.<br />

ausgezogen<br />

Auszug mit<br />

18 J. zu<br />

Fre<strong>und</strong><br />

Bestellungen,<br />

Versandhandel,Kaufrausch<br />

Scheinehe Katalogbestellungen<br />

1. Lehre<br />

wg. Firmenkonkurs<br />

abgebrochen<br />

mit 19 J.<br />

1 Kind, mit<br />

22 J.<br />

2. Kind<br />

Thema Tabu<br />

mit 23 J. 8.000 €<br />

für Familie bildung Schulden, 20-25<br />

Gläubiger:<br />

Versandhandel,<br />

Handy, AOL, GEZ<br />

Verkäuferin <br />

abgeschlossene<br />

Lehre<br />

1. Handy mit<br />

18 J., dadurch<br />

Schulden<br />

Wohnungseinrichtung,<br />

dann Arbeitslosigkeit<br />

Thema Tabu<br />

für Familie<br />

Heirat<br />

2005, Geburt<br />

Kind<br />

Partner<br />

arbeitslos<br />

Mutterschutz<br />

mit 23 J. 11.000 €<br />

Vermieter, Versandhandel,<br />

Telekom,<br />

Gericht<br />

mit 24 J. 3.000 €<br />

12) Lehre mit 18 J. Bis zum dann aus Konto wurde jetzt mit 25 J.<br />

abgeausge- 24. Lj.<br />

Liebe Partner mit 8.000 € ABM 8.000 €<br />

schlossengezogen schuldenfrei für Einzelkonto minus eröffnet<br />

Schulden<br />

gegeben, weil u. nicht<br />

Mann Schufa-<br />

Eintrag hatte<br />

zurückgeführt<br />

13) mit 16 J.<br />

ausgezogen<br />

<br />

mit 20 J.<br />

Eigentumswohnug<br />

gekauft<br />

Trennung<br />

vom<br />

Partner<br />

© GP Forschungsgruppe 2005<br />

Scham Umzug<br />

500 km<br />

Ex-Partner<br />

abgetaucht<br />

mit 25 J.<br />

33.000 €<br />

Bankschulden<br />

Handy, Versandhandel,<br />

10 Gläubiger


PROJEKTBEIRAT<br />

Projektbeirat <strong>und</strong> Diskussionsbeiträge<br />

175


PROJEKTBEIRAT<br />

Projektbeirat<br />

Mit Hilfe des Projektbeirats wurde der Schulden-Kompass 2005 weiter ausdifferenziert. Die interdisziplinäre<br />

Ausrichtung des Beirats ermöglicht die Gewinnung weiterer Indikatoren zur Analyse der<br />

privaten Ver- <strong>und</strong> Überschuldung. Im Anschluss der Kurzporträts sind Diskussionsbeiträge einiger<br />

Beiratsmitglieder <strong>ver</strong>öffentlicht.<br />

Adelheid Braumann<br />

Jahrgang 1951. Regierungsdirektorin <strong>und</strong> Referentin der Abteilung Familie beim<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend. Ihre Arbeitsschwerpunkte<br />

sind präventive wirtschaftliche Bildung <strong>und</strong> Beratung, Ver- <strong>und</strong> Überschuldung<br />

privater Haushalte, Schuldnerberatung sowie allgemeine <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Fragen der Wohnungspolitik <strong>und</strong> des Bau- <strong>und</strong> Mietrechts sowie der Wohneigentumsbildung.<br />

Prof. Dr. Winfried Hacker<br />

Studium der Psychologie (1952-1957 TH Dresden) <strong>und</strong> Pädagogik (1965-1966<br />

Pädagogische Hochschule Dresden). Neben einem Teilarbeits<strong>ver</strong>hältnis als Assistent/Oberassistent<br />

Arbeit in der Wirtschaft (Leiter einer Abteilung für Arbeitspsychologie<br />

/-hygiene in der chemischen Industrie 1961-1965). Experimentelle<br />

Habilitation zur Auge-Hand-Koordination 1965. Nach Dozentur für Psychologie 1966<br />

Professur für Psychologie bis zur Emeritierung 2000 mit Schwerpunkten im Grenzgebiet<br />

von Allgemeiner <strong>und</strong> Arbeits-/Organisationspsychologie. 2001/2002 Vertretungsprofessur<br />

an der Uni<strong>ver</strong>sität Gießen (Teilstelle) sowie Lehrauftrag für das gleiche Fachgebiet<br />

an der Hochschule für Technik <strong>und</strong> Wirtschaft Dresden (FH). Das Hauptforschungsinteresse <strong>und</strong><br />

Publikationsschwerpunkt ist die psychische Regulation des zielgerichteten menschlichen<br />

Handelns <strong>und</strong> dabei insbesondere kognitive (Gedächtnis- <strong>und</strong> intellektuelle) Gr<strong>und</strong>lagen der<br />

Handlungsregulation.<br />

Prof. Dr. Johannes Hoffmann<br />

Jahrgang 1937. Studium der Theologie, der Volkswirtschaftslehre <strong>und</strong> der<br />

Psychologie in Münster, München, Bonn <strong>und</strong> Saarbrücken; Promotion zum Dr. theol.<br />

in Bonn mit der Arbeit “ Praktizierende Katholiken zwischen Kirche <strong>und</strong> Gesellschaft”<br />

1971; 1974 Wissenschaftlicher Rat <strong>und</strong> Professor an der Pädagogischen Hochschule<br />

Westfalen Lippe in Münster für den Bereich Theologische Anthropologie <strong>und</strong><br />

Moralpädagogik; seit 1976 Professor für Moraltheologie <strong>und</strong> Sozialethik am<br />

Fachbereich Katholische Theologie der Johann Wolfgang Goethe-Uni<strong>ver</strong>sität in Frankfurt/M; seit<br />

1985 Mitglied des Vorstandes von Theologie Interkulturell e.V., Frankfurt/M; seit 1993 geschäftsführender<br />

Projektleiter des Projektes “ Ethisch-Ökologisches Rating”# an der Uni<strong>ver</strong>sität Frankfurt/M.;<br />

seit 1999 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der oekom research AG; seit 2000<br />

Vorsitzender des Vereins CRIC, Verein für ethisch orientierte Investoren; seit 2003 Vorsitzender des<br />

Umweltrates der Umweltbank; Mitglied in Ethikbeiräten von zwei österreichischen <strong>und</strong> zwei<br />

deutschen Banken.<br />

176


PROJEKTBEIRAT<br />

Dr. Rainer Metz<br />

Ausbildung zum Juristen in Deutschland <strong>und</strong> den USA, selbständiger Rechtsanwalt<br />

seit ca. 15 Jahren. Tätigkeiten für den Verbraucherschutz, u.a. bei der Verbraucher-<br />

Zentrale NRW <strong>und</strong> im B<strong>und</strong>esministerium für Verbraucherschutz, Ernährung <strong>und</strong><br />

Landwirtschaft; für die Europäische Kommission <strong>und</strong> andere Länder. Autor zahlreicher<br />

Veröffentlichungen, insbes. im Verbraucherkreditrecht <strong>und</strong> zur Verbraucher<strong>ver</strong>schuldung.<br />

Prof. Dr. Hans-W. Micklitz<br />

Inhaber des Lehrstuhls für Privat- <strong>und</strong> Wirtschaftsrecht an der Uni<strong>ver</strong>sität Bamberg,<br />

Jean Monnet Lehrstuhl für Europäisches Wirtschaftsrecht, Vorstand des Instituts für<br />

Europäisches Wirtschafts- <strong>und</strong> Verbraucherrecht, e.V. Berlin, Studium der<br />

Rechtswissenschaft <strong>und</strong> der Soziologie in Mainz, Lausanne/Genf (Schweiz), Gießen<br />

<strong>und</strong> Hamburg. Consultancies für die OECD Paris, UNEP Genf/Nairobi Kenia <strong>und</strong> CI<br />

(Consumers International) Den Haag Niederlande/Penang Malaysia. Visiting Professor<br />

an der Uni<strong>ver</strong>sity of Michigan, Ann Arbor, Jean Monnet Fellow am Europäischen Hochschulinstitut<br />

Florenz, Gastprofessor am Somerville College Uni<strong>ver</strong>sity of Oxford. Vorsitzender des Wissenschaftlichen<br />

Beirates für Verbraucher- <strong>und</strong> Ernährungspolitik beim B<strong>und</strong>esministerium für<br />

Verbraucherschutz, Ernährung <strong>und</strong> Landwirtschaft.<br />

Rainer Neumann<br />

Diplom-Mathematiker, Vorstandsvorsitzender der SCHUFA Holding AG <strong>und</strong> <strong>ver</strong>antwortlich<br />

für Marketing, Vertrieb <strong>und</strong> Solutions. Berufliche Stationen: Vorstandsmitglied<br />

der Deutschen Postbank AG, Vorstandsmitglied der LBS Landesbausparkasse<br />

Württemberg mit unterschiedlichen Leitungsfunktionen in den Bereichen Bausparmathematik<br />

<strong>und</strong> Marketing.<br />

Uli Röhm<br />

Fernsehjournalist <strong>und</strong> Wirtschaftsredakteur beim ZDF, vor zwanzig Jahren einer der<br />

Gründungsredakteure des Fernsehmagazins für Wirtschaft <strong>und</strong> Soziales WISO.<br />

Jahrgang 1945, Studium im Diplomstudiengang Industrie Design Planungs- <strong>und</strong><br />

Entscheidungswissenschaften. Seit 1973 Autor bei Zeitungen <strong>und</strong> Zeitschriften, freier<br />

Mitarbeiter bei <strong>ver</strong>schiedenen ARD-Hörfunk- <strong>und</strong> Fernsehredaktionen <strong>und</strong> zahlreiche<br />

Buch<strong>ver</strong>öffentlichungen, u.a. das Streitbuch Schwarzgeld im Visier", Autor des<br />

"<br />

" WISO-Geld-Buch". Verschiedene Lehraufträge für Presse <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit. Zuvor Referent<br />

bei der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher, Pressesprecher im B<strong>und</strong>esministerium für Jugend,<br />

Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Leiter der Pressestelle beim Hauptvorstand der Gewerkschaft ÖTV.<br />

177


PROJEKTBEIRAT<br />

Manfred Schöler<br />

Leiter der Abteilung Marktstrategie des Deutschen Sparkassen- <strong>und</strong> Giro<strong>ver</strong>bandes.<br />

Zuvor war er Leiter der Abteilung Privatk<strong>und</strong>en, stell<strong>ver</strong>tretender Abteilungsleiter der<br />

Abteilung Sparkassengeschäfte, Werbung, Marktforschung <strong>und</strong> Referent für das<br />

Passivgeschäft. Vor seiner Tätigkeit beim Deutschen Sparkassen- <strong>und</strong> Giro<strong>ver</strong>band<br />

war er nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Uni<strong>ver</strong>sität Mannheim<br />

Projektleiter in einem Marktforschungsinstitut. Vor <strong>und</strong> während des Studiums arbeitete<br />

Manfred Schöler insgesamt drei Jahre bei der Kieler Spar- <strong>und</strong> Leihkasse. Manfred Schöler ist<br />

<strong>ver</strong>antwortlich für die unternehmerische Seite der StartUp-Initiative der Sparkassen-Finanzgruppe<br />

<strong>und</strong> im Vorstand des Business Angels Netzwerk Deutschland (BAND) <strong>ver</strong>treten.<br />

Marius Stark<br />

Jahrgang 1950, Studium der Sozialarbeit in Köln, 1985 Initiator <strong>und</strong> erster<br />

Mitarbeiter der Schuldnerberatung des Sozialdienst kath. Frauen <strong>und</strong> Männer in<br />

Düsseldorf, seit 1990 als Referent für Schuldnerberatung auf B<strong>und</strong>esebene beim<br />

SKM – Kath. Verband für soziale Dienste in Deutschland tätig. Seit 1995 nimmt der<br />

SKM für den Deutschen Caritas<strong>ver</strong>band (DCV) die inner<strong>ver</strong>bandliche Koordinierung<br />

<strong>und</strong> die außer<strong>ver</strong>bandliche Vertretung des Arbeitsfeldes „Sozialberatung für<br />

Schuldner“ wahr. Marius Stark <strong>ver</strong>tritt den DCV im Ständigen Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft<br />

Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV), in der sich die Wohlfahrts- <strong>und</strong> Verbraucher<strong>ver</strong>bände für<br />

eine fachliche <strong>und</strong> über<strong>ver</strong>bandliche Zusammenarbeit im Bereich der Schuldnerberatung 1995<br />

zusammengeschlossen haben. Seit September 2000 ist er der Sprecher der AG SBV.<br />

Dirk Stein<br />

Jahrgang 1966, Studium der Volkswirtschaftslehre an der Uni<strong>ver</strong>sität zu Köln. Erste<br />

berufliche Tätigkeit in der Marketingabteilung der Deutsch-Britischen Industrie- <strong>und</strong><br />

Handelskammer in London, Großbritannien. Danach Auslandsbankenbetreuer bei<br />

der Berliner Volksbank <strong>und</strong> zuletzt als Leiter des Euro-Desk tätig. Seit 1999 beim<br />

B<strong>und</strong>es<strong>ver</strong>band deutscher Banken im Geschäftsbereich Retail Banking, Zahlungssysteme<br />

<strong>und</strong> Informationstechnologie, zuständig insbesondere für Retail Banking,<br />

Verbraucherpolitik <strong>und</strong> SCHUFA.<br />

178


PROJEKTBEIRAT | DISKUSSIONSBEITRÄGE<br />

Nachhaltigkeitsorientierter Wettbewerb – ein Beitrag zur<br />

Eindämmung von Verschuldensrisiken<br />

Von Prof. Dr. Johannes Hoffmann<br />

Der Schulden-Kompass spiegelt eindrucksvoll die Entwicklung wider, die die Zusammenarbeit der<br />

SCHUFA mit den externen Experten genommen hat. Allerdings werden uns dabei auch mehr <strong>und</strong><br />

mehr die Grenzen bewusst, an die wir in der Analyse stoßen.<br />

Es ist daher vielleicht hilfreich, wenn wir uns an die Vision erinnern, die uns vor Augen stand, als wir<br />

auf Einladung des Vorsitzenden der SCHUFA mit der Idee eines Jahr für Jahr zu erstellenden<br />

Schulden-Kompasses konfrontiert wurden. Die Vision, so wie ich sie wahrgenommen habe <strong>und</strong> für<br />

die ich mich dabei begeistert habe, war, mit einer Klärung der Sach<strong>ver</strong>halte <strong>und</strong> einer Aufklärung<br />

über mögliche Ursachen von privater Überschuldung in unserer Gesellschaft einen Beitrag für eine<br />

zukunftsfähige Wirtschaft zu erbringen. Niemand wird bestreiten, dass durch die kontinuierliche<br />

Arbeit <strong>und</strong> Verbesserung quantitati<strong>ver</strong> Ergebnisse <strong>und</strong> ihrer Deutung für den Schulden-Kompass<br />

wichtige neue Erkenntnisse gewonnen wurden. Wir haben auch erkannt, dass diese Erkenntnisse auf<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> unserer gesellschaftlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Entwicklung betrachtet, interpretiert<br />

<strong>und</strong> gewichtet werden müssen.<br />

In dieser Hinsicht soll dieser Kurzbeitrag <strong>ver</strong>standen werden. Die Vision von der Entwicklung einer<br />

zukunftsfähigen Wirtschaft kann nur gelingen, wenn wir auf allen Ebenen, in denen wir involviert<br />

sind, sei es als Konsumenten, als Manager eines Unternehmens, als Investoren oder Schuldner einer<br />

ethischen In-Pflichtnahme des Geldes kontrafaktisch zum herrschenden auf quantitatives Wachstum<br />

fixierten Wirtschaftsdenken <strong>und</strong> der herrschenden Wirtschaftspraxis in unserem Bewusstsein eine<br />

Bahn brechen. An der fortschreitenden Operationalisierung dieser Vision <strong>und</strong> ihrer Durchdringung<br />

auf allen Ebenen in allen Sektoren der Marktwirtschaft müssen wir auch im Rahmen des Schulden-<br />

Kompasses arbeiten. Überschuldung in großem Umfang ist kein singuläres Phänomen. Und hier gibt<br />

es eine Menge zu tun. Angesichts der Kürze des hier gegebenen Raumes möchte ich als Wirtschaftsethiker<br />

<strong>und</strong> aus Gesprächen <strong>und</strong> Begegnungen mit Schuldnern, Schuldnerberatern <strong>und</strong><br />

Bankmanagern thesenartig ein paar Anmerkungen machen.<br />

1. Wir haben schon viel erreicht. Wenn wir beobachten, dass z.B. junge Erwachsene durch<br />

Aufklärung dafür gewonnen werden können, dass sie in signifikanter Weise ihren relativ lockeren<br />

Umgang mit dem Handy ändern, dann greift offensichtlich Bewusstseinsbildung, die vom Schulden-<br />

Kompass ausgegangen ist <strong>und</strong> ausgeht, denn hier wurde erstmalig auf das Ausmaß von Verschuldung<br />

hingewiesen, dass durch unkontrollierte Nutzung von Handys auf der einen Seite <strong>und</strong> auch<br />

durch aggressive Werbung auf der anderen Seite induziert scheint. Offensichtlich können wir mit solchen<br />

Maßnahmen wie dem Schulden-Kompass – wenn auch in einem kleinen, aber ermutigenden<br />

Umfang – soziale Prozesse auslösen, die ökonomische Prozesse <strong>und</strong> Strukturen beeinflussen. Jeder<br />

Akteur der Wirtschaft, jedes Wirtschaftssubjekt kann sich dort, wo es sich im System einbringt, darüber<br />

<strong>ver</strong>gewissern, ob es z.B. mit Geld in einer Weise umgeht, dass es dabei seine mittel- <strong>und</strong> langfristigen<br />

Ziele nicht aus den Augen <strong>ver</strong>liert <strong>und</strong> Geld ganz rational für das für alle Menschen ent-<br />

179


PROJEKTBEIRAT | DISKUSSIONSBEITRÄGE<br />

scheidende Ziel, nämlich für die Ermöglichung eines menschenwürdigen Zusammenlebens aller in<br />

den Dienst genommen wird. Gerade angesichts leerer Kassen bei den Kommunen <strong>und</strong> angesichts<br />

zunehmender privater Überschuldung wird uns bewusst, dass Geld eine soziale Funktion hat <strong>und</strong><br />

eine soziale Institution darstellt, die vom Staat geprägt ist <strong>und</strong> von der Leistung der Vielen in seinem<br />

Wert garantiert wird. Indem wir darüber nachdenken, entdecken wir angesichts der Ausweglosigkeiten<br />

unseres kapitalistischen Systems immer deutlicher, dass dafür die Umwertung aller Werte<br />

auf das Geld als letzten Bezugspunkt <strong>und</strong> Wert hin ursächlich ist.<br />

2. Wir haben uns in unserer Marktwirtschaft systematisch leider daran gewöhnt, letzte ethische Ziele<br />

aus unseren Entscheidungen auszuklammern, was unbestreitbar von der Wissenschaft angefangen<br />

bis ins Wettbewerbsrecht hinein nachvollziehbar durch externalisierende Konkurrenz induziert ist.<br />

Wenn manche Manager meinen, sie könnten nur noch durch die Externalisierung von Kosten, also<br />

etwa durch Entlassungen von Beschäftigten die Eigenkapitalrendite steigern, dann ist das Ende der<br />

Sackgasse, in die wir laufen, bald erreicht. Gott sei Dank, gibt es Unternehmen, die das erkannt<br />

haben <strong>und</strong> die eine Orientierung an biosphärischer, intra- <strong>und</strong> intergenerationeller sowie interkultureller<br />

Gerechtigkeit als hinreichendes Zusammenwirken von Risiko- <strong>und</strong> Nachhaltigkeitsmanagement<br />

praktizieren. Es ist ein Skandal <strong>und</strong> bedeutet Markt<strong>ver</strong>sagen, dass nachhaltiges<br />

Wirtschaften sich in Rahmenbedingungen behaupten muss, durch die externalisierender<br />

Wettbewerb privilegiert wird. Es ist an der Zeit, dass im nationalen wie im internationalen<br />

Wettbewerbsrecht externalisierender Wettbewerb durch einen nachhaltigkeitsorientierten<br />

Wettbewerb ersetzt wird. Denn das ist eine entscheidende Barriere, die überw<strong>und</strong>en werden muss,<br />

wenn wir eine zukunftsfähige Wirtschaft wollen. 1 Wenn unser Wettbewerbsrecht dahingehend<br />

geändert würde, dass es den Rahmen für einen nachhaltigkeitsorientierten Wettbewerb absteckt,<br />

dann gäbe es schlagartig keine Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> Armut bedingt durch externalisierenden<br />

Wettbewerb, sondern dann würde auch das Kerngeschäft der Banken nicht vorrangig um die<br />

Vermehrung des Geldes um seiner selbst willen kreisen, sondern sich vorrangig an ökologischen,<br />

sozialen <strong>und</strong> kulturellen Werten orientieren. Was für die Meso- <strong>und</strong> Makroebene in der Wirtschaft<br />

gilt, gilt auch für die Mikroebene <strong>und</strong> das Verhalten aller Wirtschaftssubjekte.<br />

3. Wir sollten kontrafaktisch zu den gegenwärtig vorherrschenden Verhaltensweisen darüber nachdenken,<br />

was Risiken sind. Sie sind soziologisch betrachtet, eine durch das eigene Handeln herbeigeführte<br />

Gefahr. Dabei kann diese durch das eigene Handeln herbeigeführte Gefahr zwei Formen<br />

haben. Einmal kann ein Risiko im Zuge eines angestrebten, vielleicht sogar uni<strong>ver</strong>salen Zieles bekannt<br />

sein <strong>und</strong> wird dann bewusst in Kauf genommen. Es kann aber auch unbekannt sein, was sehr häufig<br />

vorkommt. Mit anderen Worten: Es gibt bei jeder Handlung, die ein bestimmtes Ziel <strong>ver</strong>folgt,<br />

Nebenwirkungen, die entweder kalkuliert <strong>und</strong> auf dem Hintergr<strong>und</strong> einer Güterabwägung in Kauf<br />

genommen werden oder auch zunächst völlig unerkannt sind, aber später als Nebenfolgen in<br />

Erscheinung treten. In der Wirtschaft spricht man hier von so genannten Kuppelprodukten.<br />

Unbekannte Kuppelprodukte sind uns ja inzwischen aus der Technikfolgenforschung hinlänglich<br />

bekannt, Beispiel: die schädlichen Wirkungen der FCKWs.<br />

1 Vgl. Gerhard Scherhorn, Markt <strong>und</strong> Wettbewerb unter dem Nachhaltigkeitsziel, in: Zeitschrift für Umweltpolitik & Umweltrecht. Beiträge zur<br />

rechts-, wirtschafts- <strong>und</strong> sozialwissenschaftlichen Umweltforschung, Heft 2, Frankfurt (Deutscher Verlag GmbH) 2005, 135-154.<br />

180


PROJEKTBEIRAT | DISKUSSIONSBEITRÄGE<br />

Was im Großen erkennbar ist, hat auch seine Entsprechung im Kleinen, etwa bei der privaten Überschuldung.<br />

Wir sollten uns einen neuen Umgang mit Risiken bewusst machen. Unser Handeln ist<br />

immer, weil wir endliche <strong>und</strong> begrenzte Wesen sind, auch von Unwissen geprägt. Wollen wir den<br />

Fallen entgehen, die sich dadurch immer wieder auf unserem Weg auftun, dann müssen wir einen<br />

neuen Respekt gegenüber unserem Unwissen lernen, d.h., wir müssen in wichtigen Belangen eine<br />

alle nur denkbaren Möglichkeiten ausschöpfende rationale Entscheidungsfindung einüben.<br />

Rationalität im Umgang mit Unwissen <strong>und</strong> mit Risiko im Umgang mit Geld <strong>und</strong> Schulden bedeutet<br />

daher, dass die vorrangige Abwägung letzter Ziele <strong>und</strong> Zwecke <strong>und</strong> eine darauf ausgerichtete<br />

Mittelentscheidung unerlässlich sind. Daraus folgt: Risikomanagement geht, isoliert angegangen, ein<br />

hohes Maß an Irrationalität ein. Dieses Ausmaß an Irrationalität in der Entscheidung wird reduziert,<br />

durch eine mindestens gleichrangige oder wenigstens gleiche Berücksichtigung von Handlungsalternativen,<br />

also von Nachhaltigkeitsmanagement. Das hat schon im Mittelalter Thomas von Aquin<br />

beobachtet <strong>und</strong> mit dem Prinzip der Doppelwirkung einer Handlung einen präzisen Vorschlag<br />

gemacht, wie Menschen, die durch Unwissen <strong>und</strong> Endlichkeit gekennzeichnet sind, Entscheidungen<br />

fällen können, die ein hohes Maß an Rationalität in der Entscheidung ermöglichen. Wenn wir in<br />

unserer Marktwirtschaft auf allen Ebenen letzte Werte in den Vordergr<strong>und</strong> stellen, wie das Adam<br />

Smith auch wollte, also einen nachhaltigkeitsorientierten Wettbewerb praktizieren, dann wird das<br />

auf alle Wirtschaftssubjekte abfärben <strong>und</strong> eine zukunftsfähige Marktwirtschaft ins Werk setzen.<br />

Da wir dies kontrafaktisch zu den herrschenden <strong>und</strong> <strong>ver</strong>krusteten Strukturen umsetzen müssen,<br />

könnte uns sou<strong>ver</strong>äne Inkonsequenz als Tugend stützend zur Seite stehen.<br />

181


PROJEKTBEIRAT | DISKUSSIONSBEITRÄGE<br />

Verschuldung, Überschuldung <strong>und</strong> Verbraucherkreditrichtlinie –<br />

<strong>ver</strong>antwortliche Kredit<strong>ver</strong>gabe <strong>und</strong>/oder ‚fresh start’<br />

Von Prof. Dr. Hans-W. Micklitz<br />

I. Das Konzept der <strong>ver</strong>antwortlichen Kredit<strong>ver</strong>gabe in der geplanten<br />

Verbraucherkreditrichtlinie<br />

Noch 1987 ging es der Europäischen Kommission vor allem darum, Preistransparenz durch einheitliche<br />

Kriterien für die Berechnung des Kreditzinses zu formulieren. Mit der jetzt angelegten großen<br />

Reform will die Kommission im Zuge der Vollharmonisierung einen umfassenden einheitlichen<br />

Rahmen für die Vergabe von Verbraucherkrediten in Europa festlegen.<br />

Im Mittelpunkt der kontro<strong>ver</strong>s geführten Diskussion steht das Konzept der <strong>ver</strong>antwortlichen<br />

Kredit<strong>ver</strong>gabe, neu-deutsch responsible lending. Die Europäische Kommission wollte der<br />

Kreditwirtschaft ursprünglich die rechtlich bindende Pflicht auferlegen, den K<strong>und</strong>en vor der Kredit<strong>ver</strong>gabe<br />

auf seine Kreditwürdigkeit zu überprüfen (screening) <strong>und</strong> ihn dementsprechend zu beraten.<br />

So sollte die Prävention <strong>ver</strong>bessert werden. Die Kreditwirtschaft sah in der ‚Zwangsberatung’ eine<br />

unnötige Bevorm<strong>und</strong>ung des Verbrauchers. In dem im Oktober 2005 vorgelegten revidierten<br />

Vorschlag taucht die <strong>ver</strong>antwortliche Kredit<strong>ver</strong>gabe nur noch als Informations<strong>ver</strong>pflichtung auf. Eine<br />

umfassende Beratungspflicht scheint nicht mehr gewollt zu sein. Ob <strong>und</strong> inwieweit die revidierte<br />

Richtlinie das Gesetzgebungs<strong>ver</strong>fahren passieren wird, ist unsicher, zumal die Kritik an der Zurücknahme<br />

des Konzepts der <strong>ver</strong>antwortlichen Kredit<strong>ver</strong>gabe nicht <strong>ver</strong>stummt.<br />

II. Ein Ausblick auf die di<strong>ver</strong>gierenden Ansätze in der EG <strong>und</strong> den USA<br />

Das Konzept der <strong>ver</strong>antwortlichen Kredit<strong>ver</strong>gabe ist mit der Ausgestaltung der Regelung über die<br />

Verbraucherinsolvenz <strong>ver</strong>schränkt. Zwei unterschiedliche Ansätze stehen sich gegenüber, die angloamerikanische<br />

‚fresh start’ Philosophie <strong>und</strong> die kontinentaleuropäische des ‚earned fresh start’. An<br />

den prinzipiell unterschiedlichen Ausgangspunkten würde auch die in den USA angelaufene Reform<br />

des Verbraucherinsolvenzrechts nichts ändern, die die Anforderungen an einen ‚fresh start’ <strong>ver</strong>schärfen<br />

könnte.<br />

Den USA, Kanada <strong>und</strong> dem Vereinigten Königreich, den Ländern des common law also, ist das<br />

Konzept der <strong>ver</strong>antwortlichen Kredit<strong>ver</strong>gabe/responsible lending mehr oder weniger unbekannt.<br />

Dafür gewähren diese Länder dem Verbraucher die Möglichkeit eines ‚fresh start’. Ist er nicht mehr<br />

in der Lage, die aufgehäuften Schulden zu bezahlen, so soll er die Möglichkeit erhalten, sich über<br />

ein Verbraucherinsolvenz<strong>ver</strong>fahren zu entschulden. Die Philosophie dieses Ansatzes ist <strong>ver</strong>gleichsweise<br />

einfach. Überschuldung wird nicht als moralisches Versagen gewertet, das der Verbraucher<br />

lebenslang zu büßen hat, indem er für seine Schulden bis zum Tode einstehen muss. Überschuldung<br />

wird als gesellschaftliches Phänomen einer Marktgesellschaft prinzipiell unabhängig davon akzeptiert,<br />

ob es auf individuellen Fehlern (Leichtfertigkeit) oder sozioökonomischen Umständen (Arbeitslosigkeit,<br />

Scheidung etc.) beruht. Der überschuldete Verbraucher soll die Möglichkeit erhalten, als<br />

Marktbürger – mehr oder weniger schuldenfrei – in die Markt-Gesellschaft zurückzukehren.<br />

182


PROJEKTBEIRAT | DISKUSSIONSBEITRÄGE<br />

Die Banken sollen als cheapest cost avoider die durch den Kreditausfall entstandenen Kosten in die<br />

Kreditkosten einrechnen. Insofern kommen die, die ihre Kredite bedienen, für die auf, die in die<br />

Insolvenz gehen. Dem entschuldeten Verbraucher steht der erste Kreditmarkt jedoch nicht mehr so<br />

zur Verfügung. Als Folge der ‚fresh start’ Philosophie ist ein weitgehend ungeregelter zweiter<br />

Kreditmarkt entstanden, auf dem sich die entschuldeten Verbraucher zwar bedienen können, jedoch<br />

zu wesentlich schlechteren Konditionen.<br />

Die kontinentaleuropäischen Staaten, einschließlich Deutschlands, haben sukzessive die<br />

Verbraucherinsolvenz zugelassen. Wiewohl die Modelle zum Teil di<strong>ver</strong>gieren, <strong>ver</strong>bindet sie ihre<br />

Verankerung im Sozialstaatsmodell. Weit stärker als in den angloamerikanischen Ländern, übernimmt<br />

der Staat in der Schuldenregulierung jedoch eine gestaltende Aufgabe. Für Kontinentaleuropa<br />

kennzeichnend ist die Philosophie des ‚earned fresh start’. Der überschuldete Verbraucher<br />

wird nicht einfach aus der Verpflichtung zur Schuldentilgung entlassen, er muss sich diese Option<br />

erst ‚<strong>ver</strong>dienen’. Hierin tritt deutlich die calvinistische Tradition Kontinentaleuropas zutage. Erst wenn<br />

der Verbraucher sich über einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren wohl <strong>ver</strong>hält <strong>und</strong> sich um die<br />

Tilgung seiner Schulden bemüht, winkt am Ende die Schuldbefreiung. Die Schuldentilgung bleibt<br />

anders als im anglo-amerikanischen Modell oberstes Ziel des Insolvenz<strong>ver</strong>fahrens.<br />

III. Perspektiven<br />

Das Konzept der <strong>ver</strong>antwortlichen Kredit<strong>ver</strong>gabe präsentiert sich idealiter als Kompromisslösung im<br />

Dreieck der Verantwortungsteilung von Verbrauchern, Banken <strong>und</strong> Staat. Letzterer zieht sich angesichts<br />

knapper Kassen aus der Verantwortung zurück, indem er sowohl die Verbraucher als auch die<br />

Banken stärker in die Pflicht nimmt. Erstere würden mit der <strong>ver</strong>antwortlichen Kredit<strong>ver</strong>gabe in die<br />

Kooperation gezwungen. Die Verbraucher müssten ihre Daten offen legen, die Banken müssten sie<br />

<strong>ver</strong>antwortlich bewerten.<br />

Nach all dem, was man aus Brüssel hört, wird das Konzept allenfalls unvollständig realisiert werden.<br />

Kommt die Richtlinie, stellt sich die Frage, ob die Mitgliedstaaten über deren Vorgaben hinausgehen<br />

<strong>und</strong> eine Beratungspflicht <strong>ver</strong>ankern können, oder ob ihnen dieser Weg angesichts der von der<br />

Kommission angestrebten Vollharmonisierung <strong>ver</strong>sperrt ist. Mit der absehbar halbherzigen Regelung<br />

in der Richtlinie wächst jedenfalls der Druck, das Insolvenz<strong>ver</strong>fahren in Deutschland zu <strong>ver</strong>einfachen.<br />

Die angloamerikanische ‚fresh start’ Philosophie bietet immer noch einen möglichen Ansatzpunkt.<br />

Jedoch ist das Entstehen eines zweiten Kreditmarktes zu <strong>ver</strong>hindern.<br />

183


PROJEKTBEIRAT | DISKUSSIONSBEITRÄGE<br />

Überwindung von Überschuldung <strong>und</strong> Überschuldungsprävention bedarf<br />

einer abgestimmten, kohärenten Vorgehensweise<br />

Von Marius Stark <strong>und</strong> Helga Springeneer*<br />

Seit Erscheinen des Schulden-Kompasses 2004 hat sich die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die<br />

Probleme des „modernen Schuldenturms“ weiter <strong>ver</strong>stärkt. Hierzu hat nicht nur der Schulden-<br />

Kompass beigetragen, sondern zum Beispiel auch der aktualisierte Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsbericht<br />

der B<strong>und</strong>esregierung oder die b<strong>und</strong>esweite Aktionswoche der Schuldnerberatung, die in diesem Jahr<br />

unter dem Motto „Der Mensch hinter den Schulden“ stand. Auch die Rechtsprechung ist daran<br />

beteiligt. So urteilte das Landgericht Bremen in diesem Sommer, dass die Erklärung „Girokonto für<br />

Jedermann“, die der Zentrale Kreditausschuss im Juni 1995 abgegeben hat, mehr als eine bloße freiwillige<br />

Empfehlung ist, sondern ihr im Rechts<strong>ver</strong>kehr <strong>ver</strong>bindlicher Charakter zukommt.<br />

Im Bereich der Gesetzgebung stehen die letzten zwölf Monate – mit Ausnahme der Anpassung der<br />

Pfändungsfreigrenzen – hingegen eher für Stillstand. So liegt die überfällige Reform des<br />

Kontopfändungsrechts auf Eis. Der im Kern positive Vorschlag des B<strong>und</strong>esjustizministeriums vom<br />

September 2004 ist insbesondere bei den Landesjustizministerien auf – nicht nachvollziehbare –<br />

Kritik gestoßen. Die sich seit April 2003 hinziehende Überarbeitung der Vorschriften zum Verbraucherinsolvenz<strong>ver</strong>fahren<br />

droht immer mehr zu <strong>ver</strong>wässern. Ähnlich wie wir es gerade mit dem<br />

neuen Entwurf für eine EU-Verbraucherkreditrichtlinie erfahren müssen, wo jede Überarbeitung des<br />

Ausgangsentwurfs vom September 2002 den ursprünglich ambitionierten Ansatz für eine „<strong>ver</strong>antwortungsvolle<br />

Kredit<strong>ver</strong>gabe“ immer weiter aushöhlt, haben sich auch die aktuellen Überlegungen<br />

des B<strong>und</strong>esjustizministeriums <strong>und</strong> der entsprechenden Landesministerien weit von den einst positiven<br />

Vorschlägen im Diskussionsentwurf aus dem Jahr 2003 entfernt.<br />

Anstatt die unnötigen <strong>und</strong> kostenträchtigen Schleifen des momentanen Verfahrens zu glätten, soll<br />

nun neben das Verbraucherinsolvenz<strong>ver</strong>fahren ein „treuhänderloses Entschuldungs<strong>ver</strong>fahren“<br />

gestellt werden, in das die Schuldner sollen, deren finanzielle Lage so desolat ist, dass sie nicht einmal<br />

mehr die Kosten für ein Insolvenz<strong>ver</strong>fahren aufbringen können. Im Gegensatz zum sechsjährigen<br />

Verbraucherinsolvenz<strong>ver</strong>fahren, das für „redliche“ Schuldner in einer Restschuldbefreiung<br />

münden kann, die alle Gläubigerforderungen umfasst, soll das „treuhänderlose Entschuldungs<strong>ver</strong>fahren“<br />

acht Jahre dauern <strong>und</strong> nur noch in einer Entschuldung enden. „Entschuldung“ bedeutet<br />

in diesem Fall, dass beispielsweise ein Gläubiger, der den Schuldner nicht mehr ausfindig machen<br />

<strong>und</strong> deshalb nicht in sein Forderungs<strong>ver</strong>zeichnis aufnehmen konnte, auch nach Ablauf der acht Jahre<br />

seine Forderung weiterhin durchsetzen kann. Denn die Entschuldung soll nur die vom Schuldner<br />

benannten Gläubiger betreffen. Kann hier noch von einem „zweiten Start“ gesprochen werden, den<br />

die Insolvenzordnung – betroffen wären im Übrigen die Mehrzahl aller Schuldner – ermöglichen soll?<br />

Das „treuhänderlose Entschuldungs<strong>ver</strong>fahren“ will auch auf den insolvenzrechtlichen Gr<strong>und</strong>satz der<br />

Gläubigergleichbehandlung <strong>ver</strong>zichten. Statt Vollstreckungsschutz nach § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung<br />

soll während des achtjährigen Verfahrens jeder Gläubiger für sich wieder <strong>ver</strong>suchen,<br />

einen Teil seiner Forderung zu realisieren. Damit gilt die wenig erbauliche Devise: „Wer zuerst<br />

kommt, malt zuerst.“ Nun sind die Justizministerien des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder der Ansicht, jeder<br />

* Verbraucherzentrale B<strong>und</strong>es<strong>ver</strong>band, Berlin<br />

184


PROJEKTBEIRAT | DISKUSSIONSBEITRÄGE<br />

Gläubiger werde sich im Stile eines „homo oeconomicus“ <strong>ver</strong>halten <strong>und</strong> angesichts der gerichtlichen<br />

Feststellung, dass keine Insolvenzmasse vorhanden <strong>und</strong> zu erwarten ist, keinerlei weitere Kosten in<br />

sinnlose Vollstreckungs<strong>ver</strong>suche investieren. Abgesehen davon, dass dies die Frage aufkommen lässt,<br />

wieso den Gläubigern dann überhaupt die Möglichkeit der Vollstreckung eingeräumt werden soll,<br />

wenn von ihnen erwartet wird, hiervon keinen Gebrauch zu machen, irren sich die Referenten in den<br />

Ministerien. Erste Gläubiger<strong>ver</strong>treter haben sich daher auch bereits entsprechend deutlich geäußert:<br />

„Wir werden mehr vollstrecken <strong>und</strong> nicht weniger.“ Und was diese Prophezeiung dann für die<br />

Schuldner bedeutet, ist leicht auszumalen: acht Jahre Ungewissheit, wann der Gerichtsvollzieher<br />

wieder vor der Tür steht; acht Jahre Ungewissheit, ob die Lohnpfändung den Arbeitgeber zur<br />

Kündigung reizt; mindestens acht Jahre Ungewissheit, ob die Vermittlung in eine neue<br />

Beschäftigung gelingt.<br />

Neben den Nachteilen, die das „treuhänderlose Entschuldungs<strong>ver</strong>fahren“ für Schuldner <strong>und</strong><br />

Gläubiger mit sich bringen würde, würde es zudem die öffentlichen Haushalte über Gebühr strapazieren:<br />

• Der Einspareffekt für die Landesjustizkassen durch die nicht mehr erforderliche Verauslagung<br />

der Kosten für ein Insolvenz<strong>ver</strong>fahren würde durch neue Ausgaben konterkariert, nämlich solche<br />

für neue Antragsformulare, die – für die Schuldner kostenfreie – Bearbeitung der Anträge<br />

„masseloser“ Schuldner durch die Insolvenzgerichte <strong>und</strong> für die stärkere Frequentierung<br />

der Vollstreckungsgerichte. Hier haben zudem mittellose Schuldner, die Vollstreckungsschutz<br />

beantragen, Anspruch auf Prozesskostenhilfe.<br />

• Da Überschuldung ein unbestrittenes Arbeits<strong>ver</strong>mittlungshemmnis ist, würde ein längeres<br />

Verfahren ohne Restschuldbefreiung bei der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit <strong>und</strong> bei den Kommunen<br />

länger anhaltende Transferzahlungen an die Schuldner auslösen.<br />

• Die Haushalte der Kommunen <strong>und</strong> der Landessozialministerien würden des Weiteren in<br />

Mitleidenschaft gezogen, weil die Schuldnerberatung bei der Existenzsicherung der Schuldner<br />

der erste Ansprechpartner ist.<br />

Um Überschuldungslagen aktiv überwinden <strong>und</strong> präventiv begegnen zu können, bedarf es einer<br />

abgestimmten, ressort- <strong>und</strong> <strong>ver</strong>bandsübergreifenden Strategie <strong>und</strong> ebensolcher Maßnahmen. Für<br />

die Verbraucherinsolvenz bedeutet dies konkret, dass im laufenden Gesetzgebungsprozess<br />

• die negativen, aber eben auch die positiven Erfahrungen mit dem bisherigen Verfahren<br />

auszuwerten sind,<br />

• eine differenzierte Gesetzesfolgenabschätzung auf der Gr<strong>und</strong>lage empirischer Daten<br />

vorzunehmen ist,<br />

• das Ziel der Insolvenzordnung entsprechend des Wortlautes von § 1 zu beachten ist <strong>und</strong><br />

• der Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz <strong>und</strong> das Sozialstaatsprinzip zu wahren sind.<br />

185


PROJEKTBEIRAT | DISKUSSIONSBEITRÄGE<br />

Jugendstudie 1 <strong>und</strong> Schul/Bank-Programm des Banken<strong>ver</strong>bandes:<br />

Wirtschafts<strong>ver</strong>ständnis <strong>und</strong> Finanzkultur<br />

Von Dr. Ibrahim Karasu* <strong>und</strong> Dirk Stein<br />

Der B<strong>und</strong>es<strong>ver</strong>band deutscher Banken möchte junge Menschen nachhaltig für wirtschaftliche<br />

Zusammenhänge interessieren <strong>und</strong> ihnen das Thema Wirtschaft mit Hilfe seines „Schul/Bank“-<br />

Programms <strong>ver</strong>ständlich machen. Dazu ist es notwendig die Wünsche <strong>und</strong> Vorlieben <strong>junger</strong><br />

<strong>Erwachsener</strong> genau zu kennen. Der Verband hat sich deshalb folgende Fragen gestellt:<br />

Welches Interesse haben junge Leute an Wirtschaftsthemen, <strong>und</strong> wie ist es um ihre Kenntnisse<br />

bestellt? Was bestimmt ihren Umgang mit Geld, <strong>und</strong> wie sehen ihre Erfahrungen mit ihrer Bank oder<br />

Sparkasse aus?<br />

Diese <strong>und</strong> weitere Fragen wurden vom Mannheimer Institut für praxisorientierte Sozialforschung,<br />

ipos, im Auftrag des B<strong>und</strong>es<strong>ver</strong>bandes deutscher Banken im folgenden untersucht:<br />

Jugendliche wollen wissen, wie Wirtschaft funktioniert<br />

Jugend <strong>und</strong> Wirtschaft – passt das überhaupt zusammen? Es passt! Die meisten Jugendlichen <strong>und</strong><br />

jungen Erwachsenen haben zumindest ein Gr<strong>und</strong>interesse an Wirtschaft. Und der Wunsch nach<br />

Informationen darüber, wie Wirtschaft funktioniert, ist immens.<br />

Entgegen <strong>ver</strong>breiteter Auffassung ist bei Jugendlichen <strong>und</strong> jungen Erwachsenen durchaus ein<br />

Interesse an Wirtschaft vorhanden. Es ist zwar nicht ganz so ausgeprägt wie bei den Erwachsenen<br />

insgesamt – hier äußert r<strong>und</strong> die Hälfte der Befragten starkes oder sehr starkes Interesse –, aber<br />

immerhin ein Drittel der jugendlichen Befragten zeigt sich ebenfalls an Wirtschaft sehr interessiert,<br />

weitere 39 Prozent geben an, zumindest etwas interessiert zu sein. Erwartungsgemäß steigt das<br />

Interesse für Wirtschaft mit zunehmendem Alter deutlich an. Von den Jugendlichen <strong>und</strong> jungen<br />

Erwachsenen werden Wirtschaftsinformationen hoch eingeschätzt: Für 73 Prozent der Befragten ist<br />

es wichtig (60 Prozent) oder sehr wichtig (14 Prozent), Informationen über allgemeine wirtschaftliche<br />

Zusammenhänge, also darüber, „wie Wirtschaft funktioniert“, zu bekommen.<br />

Bei den Schülern erwarten 72 Prozent die notwendigen wirtschaftlichen Kenntnisse von ihrer Schule.<br />

Die gewünschten Informationen erwarten die Jugendlichen in erster Linie von den Medien – das<br />

sagen 75 Prozent – <strong>und</strong> von der Schule – dies meinen 55 Prozent der Befragten. Erst mit Abstand<br />

folgen die Eltern oder etwa die Banken.<br />

1 Ergebnisse zweier voneinander unabhängig erhobener repräsentati<strong>ver</strong> Meinungsumfragen im Auftrag des B<strong>und</strong>es<strong>ver</strong>bandes deutscher<br />

Banken. Befragt wurden 750 Jugendliche <strong>und</strong> junge Erwachsene im Alter von 14 bis 24 Jahren („Jugendbefragung“) sowie zu Teilbereichen<br />

dieser Umfrage 1007 wahlberechtigte Erwachsene ab 18 Jahren. Von der Erwachsenenbefragung werden im Folgenden <strong>ver</strong>gleichend die<br />

Ergebnisse der Befragten ab 25 Jahren ausgewiesen. Beide Umfragen wurden zwischen dem 6. <strong>und</strong> 26. Mai 2003 durch das Mannheimer<br />

Institut für praxisorientierte Sozialforschung, ipos, telefonisch erhoben.<br />

* Dr. Ibrahim Karasu, Mitglied der Geschäftsführung des B<strong>und</strong>es<strong>ver</strong>bands deutscher Banken <strong>und</strong> für den Geschäftsbereich Retail Banking,<br />

Zahlungssysteme, Informationstechnologie <strong>ver</strong>antwortlich.<br />

186


PROJEKTBEIRAT | DISKUSSIONSBEITRÄGE<br />

Das Wirtschaftswissen ist dennoch lückenhaft<br />

Auch wenn das Bildungsinteresse zum Thema Wirtschaft unter jungen Leuten groß ist: Es gibt teilweise<br />

erhebliche Bildungsdefizite. Viele Jugendliche haben schon bei gr<strong>und</strong>legenden Wirtschaftsbegriffen<br />

Schwierigkeiten, sich darunter etwas Konkretes vorzustellen.<br />

Für <strong>ver</strong>stärkte Wirtschaftsinformationen an Schüler <strong>und</strong> Jugendliche besteht offenk<strong>und</strong>ig großer<br />

Bedarf: Schon bei der Kenntnis gr<strong>und</strong>legender Wirtschaftsbegriffe haben Jugendliche teilweise<br />

erhebliche Lücken. So geben zwar drei Viertel der Befragten an, schon einmal etwas vom wirtschaftlichen<br />

Gr<strong>und</strong>prinzip ´Angebot <strong>und</strong> Nachfrage´ gehört zu haben, auf die konkrete Nachfrage<br />

kann aber nur weniger als ein Drittel dieses Prinzip richtig umschreiben.<br />

Ein anderes Beispiel: Vom Begriff ´Soziale Marktwirtschaft´ haben 4 von 10 jungen Befragten „keine<br />

bestimmte Vorstellung“; unter den Schülern liegt dieser Anteil mit 45 Prozent sogar noch höher. Nur<br />

wenig besser sieht es bei dem Begriff der ´Globalisierung´ aus: 38 Prozent der Befragten insgesamt<br />

<strong>und</strong> sogar 42 Prozent der Schüler haben dazu keine bestimmte Vorstellung. Und schließlich: 6 von<br />

10 Jugendlichen <strong>und</strong> jungen Erwachsenen stimmen der Aussage voll oder eher zu, dass sie „keine<br />

Ahnung von dem haben“, was an der Börse geschieht.<br />

Diese Ergebnisse belegen den Bedarf an einer <strong>ver</strong>stärkten wirtschaftlichen Bildung in Deutschland.<br />

Für mehr Wirtschaft in der Schule<br />

Wirtschaftliches Gr<strong>und</strong>wissen wird in Zeiten zunehmender Globalisierung zu einem immer wichtigeren<br />

Teil der Allgemeinbildung. Als wüssten die Befragten genau um die Bildungsdefizite in diesem<br />

Bereich, sprechen sie sich für eine umfassendere Wirtschaftsbildung aus.<br />

Ob Jung oder Alt, über drei Viertel der Befragten – 76 Prozent der Jugendlichen <strong>und</strong> 78 Prozent der<br />

Erwachsenen – sind der Auffassung, dass die Vermittlung wirtschaftlicher Zusammenhänge in der<br />

Schule künftig einen höheren Stellenwert einnehmen sollte. Eine breite Zustimmung erfährt auch die<br />

Forderung nach der Etablierung eines eigenen Schulfachs Wirtschaft. Die älteren Befragten äußern<br />

sich etwas häufiger zustimmend als die jüngeren; doch auch unter den Schülern wünschen sich<br />

immerhin noch 72 % ein eigenes Schulfach Wirtschaft.<br />

Auch die schulische Vorbereitung zur späteren Studien- <strong>und</strong> Berufswahl wird von den Befragten<br />

bemängelt: 63 Prozent der jungen Befragten <strong>und</strong> 66 Prozent der Erwachsenen sind der Meinung,<br />

dass die Schüler in der Schule nicht ausreichend auf ihre spätere Entscheidung zu Ausbildung <strong>und</strong><br />

Beruf vorbereitet werden. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> plädieren 8 von 10 Befragten dafür, im Unterricht<br />

künftig deutlich mehr Wert auf berufsorientierte Lerninhalte zu legen.<br />

187


PROJEKTBEIRAT | DISKUSSIONSBEITRÄGE<br />

Beim Geld hört der Spaß nicht auf<br />

Junge Menschen haben ein positives Verhältnis zu Geld. Sie kümmern sich gerne um ihre eigenen<br />

Geldangelegenheiten. Trotz eines spontaneren Kauf<strong>ver</strong>haltens als bei Erwachsenen spielt Sparsamkeit<br />

auch bei den Jugendlichen noch eine wichtige Rolle.<br />

Dass Geld für sie eine wichtige Rolle spielt, sagen 72 Prozent der Jugendlichen <strong>und</strong> jungen<br />

Erwachsenen; bei den Erwachsenen über 25 Jahren sind dies nur 61 Prozent. Über zwei Drittel der<br />

jungen Leute kümmern sich auch gerne um ihre eigenen Geldangelegenheiten.<br />

Jugendliche sind – das wird kaum überraschen – in ihrem Kauf<strong>ver</strong>halten etwas spontaner als<br />

Erwachsene: Sie geben zumindest häufiger als Erwachsene zu, „oft Dinge zu kaufen, ohne lange<br />

darüber nachzudenken, ob man sich das überhaupt leisten kann“. Dennoch spielt Sparsamkeit für<br />

die Jugendlichen auch heute noch eine wichtige Rolle: Fast zwei Drittel der jungen Befragten sagen<br />

von sich, dass sie viel oder sogar sehr viel Wert auf Sparsamkeit legen. Von den Erwachsenen ab 25<br />

Jahren geben dies allerdings mit 73 Prozent noch etwas mehr Befragte zu Protokoll. Für diese unterschiedliche<br />

Gewichtung der Tugend Sparsamkeit spielen sicher ungleiche Rahmenbedingungen<br />

während der jeweiligen Sozialisationsphasen der Generationen eine Rolle.<br />

Insgesamt sparen die Jüngeren fast ebenso regelmäßig wie die Erwachsenen, wenngleich sich die<br />

jeweiligen Sparmotive – natürlich – deutlich unterscheiden.<br />

Überschuldung betrifft wenige – aber dennoch zu viele<br />

Beim Thema Verschuldung klaffen Problemwahrnehmung <strong>und</strong> Realität weit auseinander: Fast alle<br />

glauben, dass viele überschuldet seien. Das trifft aber tatsächlich nur auf die wenigsten zu. Keineswegs<br />

ist dann der klassische Bankkredit die Ursache dafür.<br />

Dass in Deutschland „viele Menschen in ernste finanzielle Schwierigkeiten geraten, weil sie mehr<br />

Schulden machen als sie zurückzahlen können“, glauben 94 Prozent der Jugendlichen <strong>und</strong> jungen<br />

Erwachsenen <strong>und</strong> 96 Prozent der Erwachsenen ab 25 Jahren. Von einem mangelnden Problembewusstsein<br />

kann demnach keine Rede sein. 14 Prozent beziehungsweise 11 Prozent waren nach<br />

eigenen Angaben schon selbst einmal in einer schwierigen finanziellen Situation. Das sind zweifelsohne<br />

immer noch zu viele.<br />

Von den jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren – für Jugendliche unter 18 Jahren ist<br />

eine Kreditaufnahme generell nicht möglich – haben bislang 11 Prozent einen Kredit bei einer Bank<br />

oder Sparkasse in Anspruch genommen. Dabei liegt die Quote bei den 18- bis 20-Jährigen bei nur<br />

3 Prozent, bei den 21- bis 24-Jährigen bei 17 Prozent.<br />

Schon einmal einen Kredit in Anspruch genommen zu haben, bedeutet nun aber keineswegs, dass<br />

damit eine Überschuldung <strong>ver</strong>b<strong>und</strong>en wäre. Nur auf die sehr kleine Minderheit von r<strong>und</strong> 3 Prozent<br />

der 18- bis 24-Jährigen treffen beide Bedingungen – Kredit genommen <strong>und</strong> schwierige finanzielle<br />

Lage – gleichzeitig zu. Und selbst in diesen Fällen können auch andere Formen der Verschuldung als<br />

ein Bankkredit maßgebend gewesen sein. Denn immerhin geben 19 Prozent der jungen Befragten<br />

an, bereits per Ratenzahlung eingekauft, <strong>und</strong> 29 Prozent, sich einen größeren Geldbetrag von<br />

Verwandten oder Fre<strong>und</strong>en geliehen zu haben.<br />

188


PROJEKTBEIRAT | DISKUSSIONSBEITRÄGE<br />

Die Banken haben bei Jugendlichen ein gutes „Standing“<br />

Banken sind in Sachen Geld für die Jugendlichen ein wichtiger Ansprechpartner. Nicht nur, dass viele<br />

Bankdienstleistungen auch schon von den jungen Leuten in Anspruch genommen werden, es<br />

besteht auch großes Interesse an Informationen zum Thema Geld.<br />

79 Prozent der Jugendlichen <strong>und</strong> jungen Erwachsenen haben von den Banken <strong>und</strong> Sparkassen eine<br />

gute oder sehr gute Meinung. Und auch mit den Leistungen ihrer Bank sind die allermeisten zumindest<br />

zufrieden, wenn nicht gar sehr zufrieden.<br />

Dabei nutzen Jugendliche <strong>und</strong> junge Erwachsene durchaus bereits zahlreiche Bankdienstleistungen:<br />

82 Prozent der Befragten <strong>ver</strong>fügen über ein Girokonto bei einer Bank oder Sparkasse, 85 Prozent<br />

über ein Sparkonto. Darüber hinaus hat sich fast die Hälfte der jungen Leute bereits ein- oder mehrmals<br />

in einer Geldangelegenheit von einer Bank oder Sparkasse beraten lassen.<br />

Die Jugendlichen haben zudem großes Interesse an Informationen zu den Themen Geld <strong>und</strong><br />

Bankdienstleistungen: Drei Viertel der Befragten halten es für wichtig oder sehr wichtig, Informationen<br />

darüber zu erhalten, wie man sein Geld günstig anlegen kann. Und Informationen über allgemeine<br />

Bankdienstleistungen wie Konten, Kredite oder Ähnliches sind für über zwei Drittel der<br />

Jugendlichen <strong>und</strong> jungen Erwachsenen von Bedeutung. Dabei sind hauptsächlich die Banken in der<br />

Verantwortung, diese Informationserwartungen zu erfüllen. Denn Aufklärung zum Thema Geld <strong>und</strong><br />

allem, was dazugehört, erwarten die Jugendlichen <strong>und</strong> jungen Erwachsenen ganz überwiegend von<br />

den Banken. Erst mit großem Abstand folgen als weitere Informationsquellen die Eltern, die Medien<br />

<strong>und</strong> die Schule.<br />

189


PROJEKTBEIRAT | DISKUSSIONSBEITRÄGE<br />

Die Antwort des Banken<strong>ver</strong>bandes – das Schul/Bank-Programm<br />

Seit mehr als zehn Jahren bietet der Banken<strong>ver</strong>band unter dem Namen „Schul/Bank“ ein Programm<br />

an, das sich mit diesen Fragen auseinandersetzt.<br />

Geleitet von der Überzeugung, dass ökonomische Bildung un<strong>ver</strong>zichtbarer Teil der Allgemeinbildung<br />

ist, bietet der Banken<strong>ver</strong>band Lehrern <strong>und</strong> Schülern in zielgruppengerechter Form ein umfangreiches<br />

Informationsprogramm zum Themenfeld Wirtschaft (www.schulbank.de).<br />

• Informationsbroschüren für Schüler <strong>ver</strong>mitteln ökonomische Zusammenhänge. So bereitet beispielsweise<br />

„Das Geldbuch – vom Verdienen, Sparen <strong>und</strong> Ausgeben“ das Thema Geld umfassend<br />

auf. Gerade Jugendliche müssen lernen, mit Geld <strong>ver</strong>antwortlich umzugehen, ihre Einnahmen <strong>und</strong><br />

Ausgaben unter Kontrolle zu halten. „Das Geldbuch“ gibt hierzu praxisnahe Hilfestellung. Auf r<strong>und</strong><br />

120 Seiten wird jugendgerecht informiert. In einem Geldtest können die Schüler ihre persönlichen<br />

Stärken <strong>und</strong> Schwächen im Umgang mit Geld ermitteln. Praktische Tipps <strong>und</strong> Übungen zum<br />

Aufteilen, Anlegen <strong>und</strong> Ausgeben des eigenen Geldes schließen sich an. „Das Geldbuch“ wurde<br />

bereits r<strong>und</strong> 60.000 Mal in Schulklassen mit großem Erfolg eingesetzt.<br />

• Bei b<strong>und</strong>esweiten Schülerwettbewerben setzen sich Jugendliche intensiv <strong>und</strong> praxisnah mit der<br />

Wirtschafts- <strong>und</strong> Arbeitswelt auseinander. Im Rahmen des b<strong>und</strong>esweiten Bankenplanspiels<br />

„Schul/Banker“ übernehmen Jugendliche über vier Monate hinweg spielerisch die Rolle des<br />

Vorstandes einer Bank. Bei „Jugend <strong>und</strong> Wirtschaft“, einem Gemeinschaftsprojekt der Frankfurter<br />

Allgemeinen Zeitung <strong>und</strong> des B<strong>und</strong>es-<strong>ver</strong>bandes deutscher Banken, erhalten Schüler einmal im<br />

Monat die Chance, auf einer Sonderseite im Wirtschaftsteil der F.A.Z. über Wirtschaftsthemen zu<br />

schreiben.<br />

• Lehrer werden bei ihrer Aufgabe, Wirtschaft zu unterrichten, umfassend unterstützt. Der<br />

„Schul/Bank-Newsletter“ stellt jeden Monat 65.000 Lehrern aktuelle Wirtschaftsinformationen zur<br />

Verfügung. Der „Schul/Bank-Ordner Wirtschaft – Materialien für den Unterricht“ enthält eine<br />

umfangreiche Sammlung von Quellentexten <strong>und</strong> didaktischen Materialien, die von den Lehrern<br />

direkt im Unterricht eingesetzt werden können.<br />

190


KOMMENTATOREN<br />

Kommentatoren <strong>und</strong> Expertenhearing<br />

Neben dem wissenschaftlichen Projektbeirat hat die SCHUFA Holding AG in 2004 <strong>und</strong> 2005 ein<br />

Expertenhearing als weiteres Fachgremium <strong>ver</strong>anstaltet. Teilnehmer der Diskussionsr<strong>und</strong>en<br />

waren führende Experten des Forschungsbereichs “Private Ver- <strong>und</strong> Überschuldung”.<br />

Nachstehend werden kurz die Experten der Hearings vorgestellt, die erstmals im Schulden-Kompass<br />

2005 auch einzelne Auswertungen der SCHUFA-Analysen (siehe A-1 sowie A-2) kommentiert haben.<br />

Prof. Dr. Hugo Grote<br />

Jahrgang 1959, Studium der Rechtswissenschaften in Berlin <strong>und</strong> Köln; Referendariat<br />

beim LG Köln. Von 1989 bis 2001 Referent in der Verbraucherzentrale Nordrhein-<br />

Westfalen. Von 1994 bis 2004 zugelassener Rechtsanwalt beim LG Köln mit dem<br />

Schwerpunkt Insolvenzrecht. 2000 Promotion zum Thema „Einkommens<strong>ver</strong>wertung<br />

<strong>und</strong> Existenzsicherung des Schuldners in der Verbraucherinsolvenz“. Seit 2001<br />

Professur für Wirtschaftsprivatrecht zunächst an der FH Bonn-Rhein-Sieg <strong>und</strong> jetzt<br />

am RheinAhrCampus Remagen. Teilnahme als Experte an <strong>ver</strong>schiedenen Anhörungen des Rechtsausschusses<br />

des B<strong>und</strong>estages <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esrates zu <strong>ver</strong>schiedenen Gesetzgebungs<strong>ver</strong>fahren, unter<br />

anderem 1993 zum Entwurf der Insolvenzordnung. Mitglied des Kölner Arbeitskreises für<br />

Insolvenzwesen e.V., Mitglied des Herausgeberbeirates der Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht<br />

(ZInsO). Gründungs- <strong>und</strong> Vorstandsmitglied des Deutschen Instituts für Angewandtes Insolvenzrecht<br />

(DIAI). Zahlreiche Veröffentlichungen zum Thema Verbraucher<strong>ver</strong>schuldung, Verbraucherinsolvenz<br />

<strong>und</strong> Restschuldbefreiung.<br />

Dr. Günter Hörmann<br />

Jahrgang 1950. Nach Studium der Rechtswissenschaft <strong>und</strong> der Soziologie in<br />

Hamburg 1975 erste juristische Staatsprüfung in Hamburg. 1975 – 1978<br />

Referendariat in Hamburg <strong>und</strong> Paris. 1978 Große juristische Staatsprüfung in<br />

Hamburg. 1978 – 1987 wissenschaftliche Tätigkeit, zunächst als Assistent am<br />

Lehrstuhl für ausländisches <strong>und</strong> internationales Privat- <strong>und</strong> Prozessrecht der<br />

Uni<strong>ver</strong>sität Hamburg, dann als Wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut<br />

für ausländisches <strong>und</strong> internationales Privatrecht in Hamburg, schließlich als Wissenschaftlicher<br />

Referent am Zentrum für Europäische Rechtspolitik in Bremen. 1985 Promotion zum<br />

Dr. iur. an der Uni<strong>ver</strong>sität Bremen mit einer rechts<strong>ver</strong>gleichenden <strong>und</strong> rechtssoziologischen Arbeit<br />

zur Verbraucherüberschuldung 1987 – 1992 Referent für Finanzdienstleistungen bei der Arbeitsgemeinschaft<br />

der Verbraucher<strong>ver</strong>bände e.V. in Bonn. Seit 1992 Geschäftsführer der Verbraucherzentrale<br />

Hamburg e.V. Seit 2004 Vorsitzender des Verwaltungsrats des Verbraucherzentrale B<strong>und</strong>es<strong>ver</strong>band<br />

e.V.<br />

192


KOMMENTATOREN<br />

Dr. Dieter Korczak<br />

Studium der Soziologie, Sozialpsychologie <strong>und</strong> Finanzwissenschaft an der Albertus-<br />

Magnus-Uni<strong>ver</strong>sität in Köln, Diplom als Volkswirt 1973, Promotion zum Dr. rer. pol.<br />

1978 bei Prof. König, Wiswede <strong>und</strong> Mackscheidt. Wissenschaftlicher Assistent am<br />

Forschungsinstitut für Soziologie der AMU Köln. Leitende Funktion als Markt- <strong>und</strong><br />

Sozialforscher bei den Instituten MARPLAN <strong>und</strong> Infratest Ges<strong>und</strong>heitsforschung<br />

sowie H.F.&Ph.F.REEMTSMA.1985 Gründung der GP Forschungsgruppe, Institut für<br />

Gr<strong>und</strong>lagen- <strong>und</strong> Programmforschung. Mitglied des Beratergremiums der B<strong>und</strong>esregierung<br />

(SPD/Grüne/Bündnis90) zum 1. <strong>und</strong> zum 2. Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsbericht sowie 1. Vorsitzender der<br />

Interdisziplinären Studiengesellschaft e.V. Autor mehrerer Sach- <strong>und</strong> Fachbücher.<br />

Prof. Dr. Udo Reifner<br />

Jahrgang 1948. Seit Gründung Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen e.V.<br />

Er hat Jura <strong>und</strong> Soziologie in Berlin <strong>und</strong> Marburg studiert, ist seit 1981 Professor für<br />

Wirtschaftsrecht an der Hamburger Uni<strong>ver</strong>sität für Wirtschaft <strong>und</strong> Politik <strong>und</strong> ständiger<br />

Lehrbeauftragter an der Uni<strong>ver</strong>sität Trento. Er hat an <strong>ver</strong>schiedenen Uni<strong>ver</strong>sitäten<br />

der USA, Kanadas sowie der EU Wirtschaftsrecht <strong>und</strong> Finanzierung gelehrt, ist geschäftsführender<br />

Herausgeber der Zeitschrift Verbraucher <strong>und</strong> Recht, Berater bei<br />

Verbänden, Ministerien <strong>und</strong> bei der EU-Kommission <strong>und</strong> war Vorsitzender des Expertengremiums<br />

der EU Kommission FIN-USE. Zahlreiche Buch- <strong>und</strong> Aufsatz<strong>ver</strong>öffentlichungen im In- <strong>und</strong> Ausland<br />

umfassen die Bereiche Wirtschaftsrecht, Bankbetriebswirtschaftslehre, Soziologie <strong>und</strong> Rechtsgeschichte.<br />

Darüber hinaus ist Herr Prof. Dr. Reifner Autor <strong>ver</strong>schiedener Finanzsoftware.<br />

Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann<br />

Jahrgang 1957. Studium der Mathematik, Deutsche Philologie, Sozial-, Wirtschaftswissenschaften<br />

<strong>und</strong> Soziologie an den Uni<strong>ver</strong>sitäten Salzburg, Wien <strong>und</strong> Karlsruhe<br />

sowie am Institute for Advanced Studies in Wien: Lehramtsprüfungen für das<br />

Lehramt an Höheren Schulen, Absolvent des Institute for Advanced Studies<br />

Wien (Diplom), Dr. rer. nat. (Mathematik/Statistik), Dr. phil. (Soziologie). Mehrjährige<br />

Tätigkeit in der Softwareentwicklung <strong>und</strong> in der amtlichen Statistik. Gleichzeitig von<br />

1985 bis 1992 Lehrbeauftragter an der Univ. Salzburg (Inst. für Mathematik). Von 1990 bis 2000<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter <strong>und</strong> Assistent am Inst. für Soziologie der Univ. Karlsruhe. Seit 2000<br />

freiberuflicher Sozialwissenschaftler. Zahlreiche Veröffentlichungen u.a. zu den Themen Soziale<br />

Ungleichheit, Armut, Überschuldung.<br />

193


ANKÜNDIGUNGEN<br />

Ankündigungen<br />

195


ANKÜNDIGUNGEN<br />

a) Projekt „Bank <strong>und</strong> Jugend im Dialog“<br />

Der Arbeitskreis Schuldnerberatung Krefeld wird das seit 1997 erfolgreich umgesetzte Projekt „Bank<br />

<strong>und</strong> Jugend im Dialog“ in Kooperation mit der SCHUFA Holding AG b<strong>und</strong>esweit einführen. Ziel des<br />

präventiven Instruments ist die Förderung eines bewussten <strong>und</strong> <strong>ver</strong>antwortungsvollen Umganges<br />

<strong>junger</strong> Menschen mit Geld. Die Adressaten sind insbesondere Schüler ab der achten Klasse sämtlicher<br />

Schulformen sowie Berufsschüler <strong>und</strong> Auszubildende.<br />

Wesentliches Merkmal von „Bank <strong>und</strong> Jugend im Dialog“ ist die aktive Einbindung aller beteiligten<br />

Institutionen: Banken <strong>und</strong> Sparkassen, Schuldnerberatung, Hochschule für Wirtschaft in<br />

Ludwigshafen (wissenschaftliche Begleitung des Projektes), Verbraucherberatung sowie Schulen <strong>und</strong><br />

Schul<strong>ver</strong>waltungen, die zukünftig auch auf B<strong>und</strong>esebene angesprochen werden.<br />

Ziele von „Bank <strong>und</strong> Jugend im Dialog“:<br />

• Jugendlichen Gr<strong>und</strong>lagen für eine selbstbewusste <strong>und</strong> kritische Haltung beim Umgang<br />

mit Geld <strong>ver</strong>mitteln<br />

• Jugendliche in die Selbstständigkeit <strong>und</strong> Eigen<strong>ver</strong>antwortung beim Umgang mit Geld führen<br />

• Berührungsängste <strong>und</strong> Hemmschwellen gegenüber Banken <strong>und</strong> anderen Projektpartnern<br />

abbauen<br />

Zur Umsetzung dieser Ziele führt die SCHUFA mit der Schuldnerberatung Krefeld im Januar 2006 ein<br />

zweitägiges Multiplikatorentraining durch, der Schuldnerberater <strong>und</strong> Fachkräfte aus dem<br />

Bankwesen aller B<strong>und</strong>esländer für die Umsetzung des Projekts vor Ort qualifiziert.<br />

Die Teilnehmer werden in die Lage <strong>ver</strong>setzt, künftig in ihrem eigenen B<strong>und</strong>esland Jugendliche beispielsweise<br />

anhand der erfolgreich erprobten „Lernbörse“ auf den <strong>ver</strong>antwortungsbewussten<br />

Umgang mit Geld vorzubereiten.<br />

196


ANKÜNDIGUNGEN<br />

Die drei Phasen der „Lernbörse“:<br />

1. Bei einem halbtägigen Bankbesuch erarbeiten die ca. 25 Schüler mit Auszubildenden dieser Bank<br />

Themen zum Umgang mit Geld wie „Eröffnung eines Girokontos“, „Bedeutung eines Dispositionskredites“<br />

etc.<br />

2 Nach dem Bankbesuch führen Mitarbeiter aus der Schuldnerberatung oder der Verbraucherzentrale<br />

die Schüler an Themen zum Umgang mit Geld heran: „Was ist eine Mahnung?“ „Was passiert<br />

bei einer Kontoüberziehung?“ „Welche Geldfallen gibt es?“ „Wie erstelle ich eine Übersicht<br />

der Lebenshaltungskosten?“ etc.<br />

3. In einer halbtägigen bis ganztägigen „Zukunftswerkstatt“ bringen die Schüler ihre gesammelten<br />

Erfahrungen ein. Im Vordergr<strong>und</strong> steht das gemeinsame Erarbeiten von Handlungsentwürfen <strong>und</strong><br />

künftigen Verhaltensweisen beim Umgang mit Geld.<br />

Evaluiert wird die „Lernbörse“ durch mehrere Fragebögen, die von den Jugendlichen vor dem<br />

Projekt, direkt danach <strong>und</strong> sechs Monate später beantwortet <strong>und</strong> durch Herrn Prof. Raab,<br />

Hochschule für Wirtschaft in Ludwigshafen, ausgewertet werden.<br />

Ziel des Gemeinschaftsprojekts mit der SCHUFA Holding AG ist es, b<strong>und</strong>esweit interessierten<br />

Fachkräften aus Bankwesen <strong>und</strong> Schuldnerberatung spezielle Methoden <strong>und</strong> Handwerkszeuge für<br />

die eigene Praxis an die Hand zu geben. „Wir machen Sie fit zum offenen Dialog <strong>und</strong> zu gekonnten<br />

Impulsen in der Begegnung mit Jugendlichen. Wir geben Ihnen unser Handlungswissen aus dem<br />

erfolgreichen Projekt ‘ Bank <strong>und</strong> Jugend im Dialog’ weiter. Damit Sie es an die Jugendlichen weitergeben<br />

können“, so der Anspruch der Schuldnerberatung Krefeld in Zusammenarbeit mit der<br />

SCHUFA Holding AG.<br />

Weitere Informationen zum Projekt <strong>und</strong> zum Arbeitskreis Schuldnerberatung Krefeld finden Sie im<br />

Internet unter www.zuvielschulden.de.<br />

197


ANKÜNDIGUNGEN<br />

b) Studie “ Umgang Minderjähriger mit Geld”<br />

Als Erweiterung des Schulden-Kompass 2005 entsteht derzeit eine breit angelegte Studie, deren<br />

Ergebnisse bei Redaktionsschluss leider noch nicht vorlagen. Inhaltlich jedoch ergänzt die Studie den<br />

Schwerpunkt des diesjährigen Schulden-Kompass um die Altersgruppe der 10- bis 17-Jährigen.<br />

Anlass der Studie ist die in den Medien häufig zitierte, aber auch in wissenschaftlichen Untersuchungen<br />

wiederholt bestätigte Beobachtung einer zunehmenden Ver- bzw. Überschuldung der<br />

Haushalte. In diesem Kontext wird <strong>ver</strong>mutet, dass auch minderjährige Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

zunehmend in die Ver- <strong>und</strong> Überschuldung geraten. Diese Hypothese ist Ausgangspunkt der<br />

Untersuchung. Weitere Fragen schließen sich an – nach:<br />

198<br />

• der monetären <strong>und</strong> materiellen Ebene des Konsums<br />

• Bedürfnissen, Interessen <strong>und</strong> Wünschen der Konsumenten<br />

• den Kenntnissen von Konsumenten <strong>und</strong> ihrem Informations<strong>ver</strong>halten<br />

• gr<strong>und</strong>legenden Einstellungen <strong>und</strong> Orientierungen<br />

• familiären <strong>und</strong> schulischen Erziehungsmustern<br />

• dem Einfluss von Bezugsgruppen<br />

Da Minderjährige bei der SCHUFA nicht registriert werden, ist ihr Ver- <strong>und</strong> Überschuldungs<strong>ver</strong>halten<br />

auf Basis der Datensätze der SCHUFA nicht darstellbar. So haben die SCHUFA <strong>und</strong> die beiden zentralen<br />

Verbände der Telekommunikationswirtschaft BITKOM <strong>und</strong> VATM unter Mitwirkung des<br />

B<strong>und</strong>esfamilienministeriums (BMFSFJ) das Institut für Jugendforschung (IJF) mit der Durchführung<br />

der Repräsentativ-Erhebung beauftragt. Die Studie wird bis Ende 2005 erhoben <strong>und</strong> im ersten<br />

Quartal 2006 der Öffentlichkeit vorgestellt. Die wissenschaftliche Leitung liegt bei Prof. Dr. Elmar<br />

Lange, Soziologe an der Uni<strong>ver</strong>sität Bielefeld <strong>und</strong> Autor zahlreicher Studien zum Verbraucher<strong>ver</strong>halten<br />

Jugendlicher.<br />

Das Besondere der geplanten Jugendstudie ist die Verbindung einer deskriptiven Überprüfung der<br />

Fragestellungen mit einer analytischen Klärung der Ursachen bestimmter Konsummuster.<br />

Zusammenhänge <strong>und</strong> Ursachenanalysen auf Basis ausführlicher Gespräche <strong>und</strong> Interviews mit Eltern<br />

stehen dabei im Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Die Initiatoren der Studie erwarten generelle Aufschlüsse über den Umgang von Minderjährigen mit<br />

Geld, um darauf aufbauend Präventionsansätze zu ergänzen <strong>und</strong> zu <strong>ver</strong>tiefen.


SCHUFA Holding AG<br />

Über den Herausgeber SCHUFA Holding AG<br />

Die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (SCHUFA) wurde 1927 in Berlin gegründet –<br />

für die schnelle, unkomplizierte <strong>und</strong> sichere Kredit<strong>ver</strong>gabe an Privatpersonen. Die SCHUFA Holding<br />

AG ist ein rein privatrechtliches Unternehmen. Anteilseigner sind Sparkassen, Banken, Volksbanken<br />

<strong>und</strong> Raiffeisenbanken, Ratenkreditbanken sowie Einzelhandelsunternehmen einschließlich des<br />

Versandhandels.<br />

Kredit geben heißt Vertrauen. Dies gilt umso mehr, je weniger sich Kreditgeber <strong>und</strong> Kreditnehmer<br />

kennen. Ein erheblicher Teil dieses Vertrauens wird durch die Kreditinformationen der SCHUFA aufgebaut,<br />

wovon alle Beteiligten profitieren. Millionen Bürger überlassen ihre Angaben der SCHUFA<br />

zur Aufbewahrung. Für Verbraucher steigt der Nutzen, je schneller <strong>und</strong> <strong>ver</strong>lässlicher – gerade auf<br />

elektronischem Wege – Kreditanfragen beantwortet <strong>und</strong> Kreditentscheidungen getroffen werden.<br />

Hierbei unterstützt die SCHUFA Verbraucher mit dem schnellen <strong>und</strong> bequemen Nachweis der<br />

Kreditwürdigkeit.<br />

Bei der Kredit<strong>ver</strong>gabe können sich die Vertragspartner der SCHUFA wie z.B. Banken, Sparkassen,<br />

Versandhandel anhand der SCHUFA-Daten darüber informieren, welche Kredit<strong>ver</strong>hältnisse der<br />

Kreditnehmer bisher eingegangen ist <strong>und</strong> ob diese bisher <strong>ver</strong>tragsgemäß abgewickelt worden sind.<br />

Hierbei ist zu erwähnen, dass zu über 90 % der im SCHUFA-Datenbestand gespeicherten Personen<br />

ausschließlich Informationen über eine positive Kreditbiografie vorliegen. Die SCHUFA beschleunigt<br />

mit zielgerichteten Informationen die Kredit<strong>ver</strong>gabe, doch die Entscheidung über die Vergabe eines<br />

Kredits liegt allein beim Kreditgeber.<br />

Orientierung durch Information <strong>und</strong> wissenschaftliche Ursachenforschung<br />

Als Kreditermöglicher <strong>und</strong> Kreditbeschleuniger <strong>und</strong> als Institution mit über 75-jähriger Tradition<br />

betrachtet die SCHUFA es als ihre Pflicht, die Ursachenforschung im Kontext der privaten Ver- <strong>und</strong><br />

Überschuldung zu bereichern. Der Schulden-Kompass dient mit seinen anonymisierten Analysen der<br />

SCHUFA-Datenbestände einer Versachlichung der öffentlichen Diskussion. Darüber hinaus lassen<br />

sich wirkungsvolle Präventionsansätze ableiten <strong>und</strong> wissenschaftliche Initiativen anregen.<br />

Der Schulden-Kompass ist selbst das Ergebnis wissenschaftlicher Expertisen <strong>und</strong> liefert zugleich<br />

Ausgangspunkte für die wissenschaftliche Ursachenforschung. Mit Veröffentlichung des Schulden-<br />

Kompasses ermöglicht die SCHUFA ein umfassendes Verständnis von kreditbasierten Aktivitäten <strong>und</strong><br />

zeigt für die deutsche Kreditlandschaft neue Orientierungsmöglichkeiten auf.<br />

200


SCHUFA Holding AG<br />

Neues Verbraucherportal: www.meineSCHUFA.de<br />

Millionen Bürger nutzen den Datenbestand der SCHUFA für eine schnellere <strong>und</strong> sichere Abwicklung<br />

bei Finanzkrediten, bei der Bestellung von Waren auf Rechnung oder beispielsweise beim Abschluss<br />

eines Mobilfunk<strong>ver</strong>trags.<br />

Auf das gestiegene Interesse der Bürger an der SCHUFA <strong>und</strong> an den gespeicherten Informationen<br />

hat die SCHUFA mit der Eröffnung des neuen Internetportals für Verbraucher<br />

www.meineSCHUFA.de reagiert. Das Portal ermöglicht es zukünftig jedem Bürger, sich die persönlichen<br />

bei der SCHUFA gespeicherten Daten unter hohen Sicherheitsstandards bequem online anzuschauen.<br />

Darüber hinaus werden alle bei der SCHUFA gespeicherten Merkmale in dem neuen<br />

Verbraucherportal <strong>ver</strong>ständlich erklärt <strong>und</strong> dem Bürger zusätzlich die Möglichkeit geboten,<br />

Rückfragen per Mausklick zu starten. Zahlreiche Hintergr<strong>und</strong>informationen zur SCHUFA, ihren<br />

Aufgaben <strong>und</strong> Dienstleistungen r<strong>und</strong>en das Angebot ab.<br />

Startregionen des Verbraucherportals sind die Stadt Bonn sowie der Rhein-Sieg-Kreis. Gemeinsam<br />

mit den Bürgern dieser Regionen wird das Portal erprobt. Im Jahr 2006 soll die gesamte<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Schritt für Schritt an www.meineSCHUFA.de angeschlossen werden.<br />

Mit www.meineSCHUFA.de <strong>und</strong> der dritten Auflage des Schulden-Kompasses demonstriert die<br />

SCHUFA Holding AG ihre wichtige Funktion als Partner im modernen Wirtschaftsleben <strong>und</strong> leistet<br />

ein hohes Maß an Transparenz.<br />

201


GLOSSAR<br />

Glossar<br />

Armut<br />

Nach dem 2. Armutsbericht der B<strong>und</strong>esregierung sind diejenigen Personen arm, „deren bedarfsgewichtete<br />

Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60 % des Mittelwerts (Median) aller Haushalte<br />

beträgt. Das Nettoäquivalenzeinkommen wird errechnet als gewichtetes Pro-Kopf-Einkommen,<br />

abgeleitet über die neue OECD-Skala. In Deutschland beträgt die auf Basis der Einkommens- <strong>und</strong><br />

Verbrauchsstichprobe mit 60.000 Haushalten (2003) des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes errechnete<br />

Armutsgrenze ca. 938 Euro. Ein weiteres Diagnosekonzept basiert nicht auf einer Liquiditätsbetrachtungen,<br />

sondern auf Verwirklichungschancen. Armut ist dann mit einem Mangel an Verwirklichungschancen<br />

<strong>ver</strong>b<strong>und</strong>en, hingegen Reichtum mit einem sehr hohen Maß an Verwirklichungschancen.<br />

Äquivalenzeinkommen<br />

Daten zur Einkommens<strong>ver</strong>teilung werden meist auf Haushaltsebene erhoben. Um den unterschiedlichen<br />

Haushaltseinkommen gerecht zu werden, wird das Äquivalenzeinkommen bestimmt. Es ist ein<br />

aus dem Haushaltseinkommen ermitteltes bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Einkommen der Haushaltsmitglieder<br />

in Abhängigkeit vom Alter <strong>und</strong> deren Stellung zum Haushaltsvorstand. Berücksichtigt<br />

wird, dass größere Haushalte durch gemeinsames Wirtschaften auch größere Vorteile erzielen als<br />

kleinere Haushalte.<br />

Existenzminimum<br />

Die b<strong>und</strong>eseinheitliche Pfändungstabelle stellt ein Existenzminimum von Schuldnerinnen/Schuldner<br />

sicher <strong>und</strong> soll zugleich deren Arbeitsmotivation aufrecht erhalten. Die nach Pfändungsfreigrenzen<br />

berechneten Untergrenzen sind in Regel höher als die nach den Richtlinien des B<strong>und</strong>essozialhilfegesetzes<br />

(Lfd. Hilfe zum Lebensunterhalt) definierten Sätze. Die Hilfe zum Lebensunterhalt<br />

für einen Haushalt errechnet sich aus den haushaltsspezifischen Regelsätzen einschließlich einmaliger<br />

Leistungen <strong>und</strong> Warmmiete (ohne Strom). Mit dem Existenzminimum ist auch die Frage nach<br />

dem Armutsbegriff <strong>ver</strong>b<strong>und</strong>en. Das DIW z. B. sieht als Armutsgrenze ein Einkommen von 50% des<br />

b<strong>und</strong>esweiten Durchschnittseinkommens.<br />

Haushaltsnettoeinkommen<br />

Das Haushaltsnettoeinkommen ist die Summe der Nettoeinkommen aller Haushaltsmitglieder. Das<br />

Nettoeinkommen setzt sich aus unselbständiger <strong>und</strong> selbständiger Erwerbstätigkeit inkl. den öffentlichen<br />

<strong>und</strong> privaten Transferleistungen (siehe Transferleistungen) zusammen.<br />

Konsumentenkredit<br />

Sammelbegriff für private Raten- <strong>und</strong> Dispositionskredite.<br />

203


GLOSSAR<br />

Kreditfähigkeit<br />

Finanzielle Rückzahlungsfähigkeit auf Basis der voraussichtlichen künftigen Ertragslage <strong>und</strong> des<br />

bisherigen Verhaltens bei Kreditrückzahlungen.<br />

Kreditbedienendes Selbstmanagement<br />

Dem <strong>ver</strong>haltensorientierten Ansatz liegt zu Gr<strong>und</strong>e, dass der Mensch im Gegensatz zu stabilen<br />

Persönlichkeitseigenschaften selbständig zur aktiven Lebensbewältigung befähigt <strong>und</strong> lernfähig ist.<br />

Das Selbstmanagement basiert auf situationsabhängigen <strong>und</strong> <strong>ver</strong>änderlichen Beweggründen<br />

(Motiven) des Handelns.<br />

Negativmerkmal<br />

• „Hartes“, bei der SCHUFA gespeichertes Negativmerkmal: Eidesstattliche Versicherung (EV),<br />

Haftbefehle zur Abgabe einer EV, Privatinsolvenz.<br />

• „Weiches“ bei der SCHUFA gespeichertes Negativmerkmal: Von Vertragspartnern der SCHUFA<br />

gemeldete Zahlungsstörungen als offene, ausreichend gemahnte <strong>und</strong> unbestrittene Forderungen.<br />

Primärschulden<br />

Bankneutrale Schulden, deren Bezahlung die Funktionsfähigkeit des Haushalts voraussetzen.<br />

Hierunter fallen Miet- <strong>und</strong> Energieschulden, offene Telefonrechnungen, Unterhaltsschulden,<br />

Versicherungsschulden, Schulden im Fre<strong>und</strong>eskreis, Spielschulden, Pfandleihen etc.<br />

SCHUFA<br />

Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung. Die SCHUFA HOLDING AG geht auf die 1927 in<br />

Berlin gegründete SCHUFA zurück. Nach dem zweiten Weltkrieg errichteten 1952 die 13 im Westen<br />

wieder entstandenen SCHUFA-Gesellschaften <strong>und</strong> ihre 34 Niederlassungen die BUNDES-SCHUFA e.V.<br />

mit Sitz in Wiesbaden. Nach Gründung der SCHUFA HoldingAG in 2000 sind die Anteile<br />

der acht selbständigen, regionalen SCHUFA-Gesellschaften auf die Einheitsgesellschaft<br />

SCHUFA HoldingAG mit Sitz in Wiesbaden <strong>ver</strong>schmolzen worden. Der Aktionärskreis setzt sich<br />

zusammen aus Spezialkreditinstituten, Sparkassen, Privatbanken, Genossenschaftsbanken sowie<br />

Handelsunternehmen <strong>und</strong> sonstige Dienstleister.<br />

SCHUFA-Daten<br />

Personenbezogene Daten wie Namen, Geburtstag, Anschrift <strong>und</strong> Voranschriften sowie anderen kreditrelevante<br />

Daten wie Girokonto, Kreditkarte, laufende Kredite, Zahlungsstörungen etc.<br />

204


GLOSSAR<br />

SCHUFA-Klausel<br />

Mit der Unterzeichnung der SCHUFA-Klausel entbindet ein Verbraucher den Kreditgeber von der<br />

Bankgeheimnispflicht. Damit wird dem Kreditgeber ermöglicht, Angaben über die Aufnahme <strong>und</strong><br />

Abwicklung von Kreditgeschäften eines Verbrauchers an die SCHUFA zu liefern.<br />

SCHUFA-Vertragspartner<br />

Vertragspartner sind Banken, Sparkassen, Versandhandel, Telekommunikation (Handy) etc. Die<br />

Arbeitsweise der SCHUFA beruht dabei auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Die Vertragspartner<br />

melden der SCHUFA zeitnah <strong>und</strong> korrekt Merkmale ein, die SCHUFA ihrerseits erteilt Auskünfte an<br />

ihre Vertragspartner bei berechtigtem Interesse.<br />

Schuldenaufnahme bzw. Verschuldung<br />

Verschuldung ist jede Form des Eingehens von Zahlungs<strong>ver</strong>pflichtungen <strong>und</strong> stellt ein normales,<br />

in vielen Haushalten un<strong>ver</strong>meidliches Verbraucher<strong>ver</strong>halten dar.<br />

Schuldenneigung<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich individuell <strong>ver</strong>schieden ausgeprägte Bereitschaft, Kredite aufzunehmen <strong>und</strong> dabei<br />

Rückzahlungsausfälle hinzunehmen.<br />

Typisierte Einstellungsmuster zur Bestimmung der Schuldenneigung:<br />

• Re<strong>ver</strong>sibilität: Jede Schwierigkeit wendet sich irgendwann von allein zum Besseren.<br />

• Disengagement: Anforderungen entgeht man am besten durch konsequentes Abschalten.<br />

• Kalkulierte Mindestleistung: Mit Als-Ob-Leistungen lassen sich Anforderungen notfalls<br />

unterlaufen.<br />

• Reaktanz: Anforderungen begegnet man am besten durch konsequente Verweigerung<br />

<strong>und</strong> aggressives Verhalten.<br />

Sek<strong>und</strong>ärschulden<br />

Bankmäßige Kredite wie Konsumentenkredite (z.B. Dispositionskredit, Ratenkäufe, Leasing, Kreditkartenkredite),<br />

Versicherungsschulden, Schulden bei öffentlichen Gläubigern sowie Hypotheken.<br />

Sozialprofil<br />

Verschuldete bzw. überschuldete Personen werden durch soziodemographische (Alter des<br />

Kreditnehmers, Einkommen etc.) <strong>und</strong> sozialstrukturelle Merkmale (Berufsgruppenzugehörigkeit,<br />

Erwerbsstatus etc.) charakterisiert, die auch den Haushaltskontext des Kreditnehmers umfassen.<br />

Man spricht vom Sozialprofil der <strong>ver</strong>schuldeten Person.<br />

205


GLOSSAR<br />

Sozioökonomisches Panel (SOEP)<br />

Vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) durchgeführte jährliche Befragung auf<br />

Haushalts- <strong>und</strong> Personenebene von r<strong>und</strong> 12.000 Haushalten mit insgesamt r<strong>und</strong> 24.000 Personen.<br />

Strategien zur Problembewältigung<br />

“ Reaktives Verhalten”: Keine Strategie, weil weder augenblickliche noch längerfristige Verhaltensvornahmen<br />

entwickelt werden.<br />

“<br />

Momentane Strategien” sind zentriert auf das zu bewältigende<br />

augenblickliche Ereignis.<br />

“<br />

Planende Strategien” sind längerfristige, antizipative <strong>und</strong> prophylaktische<br />

Vorgehensweisen, die oftmals nicht nur auf das spezielle auslösende Ereignis, sondern auch auf die<br />

gesamte Lebensführung ausgerichtet sind.<br />

Transferleistungen<br />

Transferleistungen bestehen aus öffentlichen Transferleistungen (Kindergeld, Wohngeld, Sozialhilfe,<br />

Arbeitslosengeld etc.) <strong>und</strong> privaten Transferleistungen wie Unterhaltszahlungen.<br />

Überschuldung<br />

Der Begriff Überschuldung ist bislang nicht abschließend definiert worden. Folgende Annäherung<br />

beschreibt Überschuldung als Prozess:<br />

• Subjektive Überschuldung: Die Person fühlt sich psychisch <strong>und</strong> finanziell überfordert, Schulden<br />

zurückzuzahlen.<br />

• Relative Überschuldung: Trotz Reduzierung des Lebensstils reicht der Einkommensrest nach<br />

Abzug der Lebenshaltungskosten (Miete, Energie, Versicherung, Gr<strong>und</strong>nahrungsmittel,<br />

öffentliche Verkehrsmittel, Telefon, Kleidung etc.) nicht zur fristgerechten Schuldentilgung reicht.<br />

• Absolute Überschuldung (Insolvenz): Einkommen <strong>und</strong> Vermögen des Schuldners reichen<br />

nicht mehr, um die bestehenden Verbindlichkeiten zu decken.<br />

Überschuldungskarriere<br />

Aufwärts- <strong>und</strong> abwärtsmobile Wege innerhalb sozialer Bereiche. Der Begriff wurde von der Arbeitswelt<br />

auch auf andere soziale Bereiche übertragen (Sportkarriere, Armutskarriere, Drogenkarriere<br />

usw.). Die Wege in die Überschuldung können in zeitlicher Abfolge bedeuten: Aufnahme eines<br />

Kredits (Verschuldung), erste Zahlungsstörung, fortgesetzte Zahlungsstörungen bis zur Überschuldung<br />

<strong>und</strong> schließlich die Zahlungsunfähigkeit.<br />

Verbraucherinsolvenz<br />

Die 1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung eröffnet überschuldeten Privathaushalten die<br />

Möglichkeit des Verbraucherinsolvenz<strong>ver</strong>fahrens mit anschließender Restschuldbefreiung. Nach einer<br />

Wohl<strong>ver</strong>haltensperiode, die sechs Jahre nach der Eröffnung des Insolvenz<strong>ver</strong>fahrens endet, ist somit<br />

ein wirtschaftlicher Neuanfang möglich.<br />

206


GLOSSAR<br />

Vertrauensmann der SCHUFA<br />

Wenn sich Verbraucher durch eine SCHUFA-Auskunft benachteiligt sehen <strong>und</strong> das Verbraucherservicezentrum<br />

nicht weiterhelfen konnte, ist der unabhängige Vertrauensmann eine wichtige<br />

Ansprechperson. Der Vertrauensmann der SCHUFA ist im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten<br />

bei seinen Entscheidungen unabhängig. Das Vertrauensmann-Verfahren ist unkompliziert <strong>und</strong><br />

kostenfrei.<br />

Zahlungswissen<br />

Zahlungswissen ist ein Teil des Finanzwissens, das als Teilbereich der ökonomischen Allgemeinbildung<br />

zugeordnet wird. Während die ökonomische Allgemeinbildung Kenntnisse über die<br />

Funktionsweise der Marktwirtschaft umfasst, beinhaltet die finanzielle Allgemeinbildung die wichtigsten<br />

persönlichen Vorrausetzungen für die individuell sinnvolle Nutzung von Finanzdienstleistungen.<br />

Das Zahlungswissen, wie es in der Primärerhebung des Schulden-Kompasses erhoben<br />

wird, stellt zunächst auf die Nutzung von Finanzdienstleistungen ab <strong>und</strong> impliziert dort ein Wissen<br />

über Gr<strong>und</strong>typen von Geld- <strong>und</strong> Kreditgeschäften <strong>und</strong> einzelne Randbedingungen.<br />

Zahlungsstörung<br />

Von den Vertragspartnern der SCHUFA fallweise gemeldete offene, ausreichend gemahnte <strong>und</strong><br />

unbestrittene Forderung. Siehe Negativmerkmal.<br />

207


LITERATUR<br />

Allgemeine Literaturhinweise<br />

Wirtschaftswissenschaften<br />

- Abelshauser, W.: Wirtschaftsgeschichte der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland 1945-1980, Frankfurt 1983<br />

- Althaus, D.: Die konjunkturelle Problematik des Teilzahlungskredits, Würzburg 1974<br />

- Andersen, A: Vom Industrialismus zum Konsumismus – der Beginn einer neuen Phase der gesellschaftlichen Natur<strong>ver</strong>hältnisse<br />

in den 1950er Jahren, in: Behrens, H. u.a. (HG): Wirtschaftsgeschichte <strong>und</strong> Umwelt – Hans Mottek<br />

zum Gedenken, Marburg 1996 Der Traum vom guten Leben, Alltags- <strong>und</strong> Konsumgeschichte vom Wirtschaftsw<strong>und</strong>er<br />

bis heute, Frankfurt 1997<br />

- Bestmann, U.: Finanz- <strong>und</strong> Börsenlexikon. München 2000<br />

- Ehrhard, L.: Wohlstand für Alle, Düsseldorf 1957<br />

- Galbraith, J.K.: Gesellschaft im Überfluss, München, Zürich 1959<br />

- Hardach, K.: Wirtschaftsgeschichte Deutschlands im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert (1974 – 1970), Göttingen, 3. Aufl., 1993<br />

- Heinsohn, G., Steiger, O.: Eigentum, Zins <strong>und</strong> Geld. Reinbek bei Hamburg 1996<br />

- Hörmann, G.: Verbraucher <strong>und</strong> Schulden. Eine rechtstatsächliche <strong>und</strong> rechts<strong>ver</strong>gleichende Untersuchung zur<br />

Schuldbetreibung <strong>und</strong> Schuldenregulierung bei privaten Haushalten, Baden-Baden 1987 (= Schriften der Vereinigung<br />

für Rechtssoziologie, Bd. 12)<br />

- Knies, G., Spieß, C. K.: DIW-Wochenbericht 17/03 - Fast ein Viertel der Privathaushalte in Deutschland mit<br />

Konsumentenkredit<strong>ver</strong>pflichtungen<br />

- Schlomann, H.: Vermögen <strong>und</strong> Schulden der Armen in: D. Döring/W. Hanesch/E.-U. Huster (Hrsg.): Armut im Wohlstand<br />

Frankfurt 1990, S. 142-158<br />

- Schneider, F. (Hg): Die Finanzen des privaten Haushalts, Frankfurt 1969<br />

- Wierichs, G., Smets, S.: Bank <strong>und</strong> Börse. Wiesbaden 2001<br />

- Wildt, M: Vom kleinen Wohlstand, Eine Konsumgeschichte der fünfziger Jahre, Frankfurt 1996. Zur längerfristigen<br />

Entwicklung der Konsumentenkredite <strong>und</strong> der Verschuldung der privaten Haus-halte, in: Deutsche B<strong>und</strong>esbank (Hg.),<br />

Monatsbericht April 1993<br />

Initiativen<br />

- Huls, N.: Towards a European Approach to Consumer O<strong>ver</strong>indebtedness. In: Birmingham Settlement, Consumer Dept<br />

in Europe - The Birmingham Declaration, Birmingham 1993<br />

- Kempson, E.: Understanding the Problem of Dept - The British Context. In: Birmingham Settlement. Consumer Dept<br />

in Europe - The Birmingham Declaration, Birmingham 1993<br />

- Kruse, J.: Debtor Release-Administration Orders, Voluntary Arrangements & Bankruptcy. In: Birmingham Settlement.<br />

Consumer Dept in Europe - The Birmingham Declaration, Birmingham 1993<br />

- Ritakallio, V. M.: Social Policy and. In: The Guarantee Fo<strong>und</strong>ation & Consumer Dept Net. Dept Advice Networking -<br />

Ways Forward. Finnland 1997<br />

- Walker, C. M.: The Psychology of Dept. Paper. Conference Dept Advice Networking - Ways Forward. Finnland 1997<br />

- Stolanowski, P. A.: Can o<strong>ver</strong>indebtedness be prevented? In: The Guarantee Fo<strong>und</strong>ation & Consumer Dept Net. Dept<br />

Advice Networking - Ways Forward. Finnland 1997<br />

- Stutterheim, R. H.: Statutory Arrangements for Consumer Depts in the Netherlands. In: Birmingham Settlement.<br />

Consumer Dept in Europe - The Birmingham Declaration, Birmingham 1993<br />

- Vorms, B., Dispard, V.: Credit, Dept the Courts in France. In: Birmingham Settlement. Consumer Dept in Europe -<br />

The Birmingham Declaration, Birmingham 1993<br />

208


LITERATUR<br />

Publikationen von B<strong>und</strong>eseinrichtungen<br />

- B<strong>und</strong>esministerium für Arbeit <strong>und</strong> Sozialordnung (Hrsg.): Lebenslagen in Deutschland. Der erste Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsbericht<br />

der B<strong>und</strong>esregierung, Bonn 2001/ B<strong>und</strong>estags-Drucksache 14/5990 vom 8. 5. 2001, Teil A, Kap. II <strong>und</strong> III,<br />

S. 66 ff. <strong>und</strong> S. 80 ff.<br />

- Lebenslagen in Deutschland, 2. Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsbericht der B<strong>und</strong>esregierung, 2005.<br />

- B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung (2002) (Hg.), Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Strukturdaten 2001/2002, Bonn<br />

- B<strong>und</strong>esministerium für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend: Elfter Kinder- <strong>und</strong> Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation<br />

<strong>junger</strong> Menschen <strong>und</strong> die Leistungen der Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe in Deutschland, Berlin 2002/B.III. 2.2 Risiken<br />

<strong>und</strong> Belastungen: Konsumdruck, Ausgrenzung <strong>und</strong> Verschuldung, S. 257<br />

- Informationen zur politischen Bildung, Nr. 173, Bonn, S. 7-23.<br />

- Statistisches Beiheft zum Monatsbericht der Deutschen B<strong>und</strong>esbank, Oktober 2005.<br />

- Prognos: Untersuchung zur Verschuldung, Überschuldung <strong>und</strong> Schuldnerberatung in Nordrhein-Westfalen.<br />

- Landessozialbericht Band 4. MAGS NRW. Duisburg 1993<br />

- Statistisches B<strong>und</strong>esamt (2001), Statistisches Jahrbuch 2000 für die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland, Stuttgart, Mainz.<br />

Rechtswissenschaften<br />

- Bindemann, R.: Handbuch Verbraucherkonkurs. Eine praxisorientierte Einführung für Schuldner, Schuldenberater,<br />

Gläubiger <strong>und</strong> Rechtsberater, Baden-Baden 2002<br />

- Hoffmann, H.: Verbraucherinsolvenz <strong>und</strong> Restschuldbefreiung, München 2002<br />

- Holzscheck, K., Hörmann, G., Daviter, J.: Die Praxis des Konsumentenkredits in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland.<br />

Eine empirische Untersuchung zur Rechtssoziologie <strong>und</strong> Ökonomie des Konsumentenkredits, Köln 1982<br />

- Hörmann, G.: Verbraucherkredit <strong>und</strong> Verbraucherinsolvenz – Perspektiven für die Rechtspolitik aus Europa <strong>und</strong> USA,<br />

Bremen 1986<br />

- Kittner, M.: Schuldrecht. 2. Auflage. München 2002<br />

- Milman, D.: Personal Insolvency Law, Regulation an Policy, Ashgate 2005<br />

Soziologie<br />

- Abrams, M.: The ideology of private consumption, in: Hirst I.R.C./Reekie, W.D. (eds.): The consumer society, London 1977,<br />

S. 117-127<br />

- Born, K.E.: Die ethische Beurteilung des Geldwesens im Wandel der Geschichte, in: Hesse, H./Issing, O. (Hg.): Geld <strong>und</strong><br />

Moral, München 1994, S. 1-20<br />

- Caplovitz, D.: The poor pay more. Consumer practices of low-income families, New York 1967<br />

Consumer credit in the affluent society, in: Law and contemporary problems, 33/1968, S. 641-655, 1968<br />

Consumer in trouble, New York 1974<br />

- Dessart, W.C.A.M., Kuylen, A.A.A.: The nature, extend, causes and consequences of problematic debt situations, in:<br />

Journal of Consumer Policy, 9/1986, S. 311-334, 1986<br />

- Elwert, G.: Ausdehnung der Käuflichkeit <strong>und</strong> Einbettung der Wirtschaft. Markt <strong>und</strong> Moralökonomie, in: Heinemann,<br />

K. (Hg.): Soziologie wirtschaftlichen Handelns. Kölner Zeitschrift für Soziologie <strong>und</strong> Sozialpsychologie,<br />

Sonderheft 29/1987, S. 300-321, 1987<br />

- Ford, J.: The indebted society, Credit and Default in the 1980s, London/New York 1988<br />

- Hirseland, A.: Überschuldung <strong>und</strong> Überschuldungskarrieren. In: Forschungsgruppe "Überschuldung". Zur Sozio- <strong>und</strong><br />

Psychodynamik privater Überschuldung - erster Zwischenbericht. Augsburg 1995 Schulden in der Konsumgesellschaft.<br />

Eine soziologische Analyse, OPA 1999<br />

- Holzscheck, K., Hörmann, G., Daviter, J.: Die Praxis des Konsumentenkredits in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland.<br />

Eine empirische Untersuchung zur Rechtssoziologie <strong>und</strong> Ökonomie des Konsumentenkredits, Köln 1982<br />

- Huber, W.: Inhaltliche <strong>und</strong> methodisch-dynamische Aspekte eines Beratungsprozesses in der Schuldnerberatung, in: Reis,<br />

S./Siebenhaar, B.F. (Hg.), S. 245-279, 1989<br />

- Lange, E., Choi Sunjong: Jugendkonsum im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert, Eine Untersuchung der Einkommens-, Konsum <strong>und</strong><br />

Verschuldungsmuster der Jugendlichen in Deutschland, Wiesbaden, 2004.<br />

- Le Goff, J.: Wucherzins <strong>und</strong> Höllenqualen. Ökonomie <strong>und</strong> Religion im Mittelalter, Stuttgart 1988<br />

209


LITERATUR<br />

- Meilwes, M.: Überschuldung <strong>und</strong> Öffentlichkeit. Zur Verschuldungskrise privater Haushalte, Diss.phil. (Mikrofiche),<br />

Erlangen 1994<br />

- Möller, M.: Schulden der Verbraucher. Verbraucher<strong>ver</strong>schuldung in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland als wachsendes<br />

gesellschaftliches Problem, Gießen 1994<br />

- Reifner, U.: Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucher<strong>ver</strong>schuldung, Neuwied/Darmstadt, 1979<br />

Soziale Abhängigkeit durch Verbraucher<strong>ver</strong>schuldung, in: Behnken, H. (Hg.): Konsumenten am finanziellen Abgr<strong>und</strong>,<br />

Loccumer Protokolle 19/1981, S. 124-147<br />

Überschuldung <strong>und</strong> Schuldbefreiung. Ansätze zu einer Regelung der Probleme <strong>überschuldeter</strong> Verbraucher,<br />

in: WSI-Mitteilungen 12, 1991, S. 749-758, 1991 Rechtliche, soziale <strong>und</strong> ökonomische Perspektiven des freien<br />

Kapital<strong>ver</strong>kehrs in Europa, in: Bock, T. (Hg.): Soziale Arbeit in den 90er Jahren. Neue Herausforderungen bei<br />

offenen Grenzen in Europa, Frankfurt am Main 1992<br />

- Reifner, U., Ford, J.: Banking for People. Social Banking and New Po<strong>ver</strong>ty, Consumer Debts and Unemployment in Europe<br />

– National Reports, Berlin/New York 1991<br />

- Reifner, U., Reis, C. (Hg.): Überschuldung <strong>und</strong> Hilfe für überschuldete Haushalte in Europa, Frankfurt am Main 1992<br />

- Reifner, U., Siebenhaar, B.F. (Hg.): Soziale Arbeit <strong>und</strong> Schuldnerberatung, Frankfurt am Main 1989<br />

- Reis, C.: Überschuldung im Konsumentenkredit, in: Zeitschrift für Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis der sozialen Arbeit, 1/1988,<br />

S. 3-31 Konsum, Kredit <strong>und</strong> Überschuldung. Zur Ökonomie <strong>und</strong> Soziologie des Konsumentenkredits, Frankfurt/Main 1992<br />

- Reiter, G.: Kritische Lebensereignisse <strong>und</strong> Verschuldungskarrieren von Verbrauchern, Berlin 1991<br />

- Rosendorfer, T.: Schuldensituation <strong>und</strong> Haushaltsführung <strong>überschuldeter</strong> Haushalte. Eine empirische Untersuchung<br />

ausgewählter Haushalte in München, Frankfurt am Main/Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1993<br />

- Schuberth, K.H.: Konsumentenkredit <strong>und</strong> wirtschaftliche Entwicklung. Der Einfluß der Kreditfinanzierung des privaten<br />

Konsums auf die Struktur der Volkswirtschaft, Spardorf 1988<br />

- Spangenberg, N.: Familienkonflikte von <strong>ver</strong>schuldeten Unterschichtfamilien: Sozialpsychologie der Verarmung, in:<br />

Reis, C./Siebenhaar, B.F. (Hg.): Soziale Arbeit <strong>und</strong> Schuldnerberatung. Rahmenprobleme, Rechtsprobleme, Ansätze,<br />

S. 116-140, Frankfurt am Main 1989<br />

Sozialpädagogik<br />

- Backert, W.: Armutsrisiko: Überschuldung. In: Barlösius, Eva / Ludwig-Mayerhofer (Hrsg.): Die Armut der Gesellschaft,<br />

Opladen: Leske <strong>und</strong> Budrich, S. 243-261, 2001 Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz im Mosaik der Sonderanknüpfungen<br />

des deutschen internationalen Schuld<strong>ver</strong>tragsrechts: eine Darstellung am Beispiel der „Gran-Canaria-Fälle“,<br />

München 2000<br />

- Groth, U.: Schuldnerberatung, 7. Auflage (1984) Frankfurt/New York 1990<br />

- Herrmann, H.-J.: Verschuldung <strong>und</strong> Überschuldung privater Haushalte in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland - Eine Bestandsaufnahme<br />

aus ökonomischer Perspektive, in: Kölner Zeitschrift für Wirtschaft <strong>und</strong> Pädagogik, Heft 15 (1993), S. 7ff.<br />

- Koch, F., Claus R.: Zielgruppen der Schuldnerberatung. In: Blätter der Wohlfahrtspflege 10/1987<br />

- Krappmann, L.: Kinderarmut, in: Materialien (Anm. 10)<br />

- Reifner, U: Verbraucher<strong>ver</strong>schuldung <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit - Soziale Problematik <strong>und</strong> zivilrechtliche Bewertung,<br />

in: W. Hassemer/W. Hoffmann-Riem/M. Weiss (Hrsg.): Arbeitslosigkeit als Problem der Rechts- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften,<br />

Baden-Baden 1980 Überschuldung von Verbrauchern in Deutschland am Beispiel von Konsumentenkrediten.<br />

Hamburg 1998<br />

- Reis, C.: Literatur zur Schuldnerberatung, in: Blätter der Wohlfahrtspflege (1987), Heft 10, S. 247-251 Konsum, Kredit<br />

<strong>und</strong> Überschuldung. Zur Ökonomie <strong>und</strong> Soziologie des Konsumentenkredits, (Diss.), Frankfurt a.M. 1992<br />

Verschuldung als Prozess. In: Kriminalsoziologische Biografie 1988/Jhg. 15. Heft 61<br />

- Rosendorfer, T: Umgang mit Geld in der Familie als Armutsfaktor für Kinder, in: Materialien (Anm. 10) Kinder <strong>und</strong> Geld,<br />

Frankfurt a.M. 2000<br />

- Schwarze, U., Loerbroks, K.: Schulden <strong>und</strong> Schuldnerberatung aus Sicht der Biographieforschung. BAG-SB Information.<br />

17. Khg. Heft 4. Dezember 2002<br />

- Suter, J., Wagner, H.: Schuldnerberatung <strong>und</strong> Schuldenregulierung in der sozialen Arbeit, Heidelberg 1986<br />

- Thill, A.: Vademecum du Surendettement, Luxembourg 1996<br />

210


LITERATUR<br />

Sozialwissenschaft<br />

- Andreß, H.-J.: Leben in Armut, Opladen, Wiesbaden 1999<br />

- Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher<strong>ver</strong>bände e.V., Bonn, <strong>und</strong> Deutsches Rotes Kreuz: Schuldenreport 1999. Kredite der<br />

privaten Haushalte in Deutschland, Baden-Baden 1998<br />

- Betti, G.: Untersuchung des Problems der Verbraucher<strong>ver</strong>schuldung. Statistische Aspekte. Schlussbericht. London 2001<br />

- Caplovitz, D.: Consumers in trouble: A Study of Deptors in Default. New york 1974<br />

- Holzscheck, K., Hörmann, G., Daviter, J.: Die Praxis des Konsumentenkredits in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland -<br />

Eine empirische Untersuchung zur Rechtssoziologie <strong>und</strong> Ökonomie des Konsumentenkredits, Köln 1982<br />

[Bibl. D. BVG DE 350/033]<br />

- Huls, N.: O<strong>ver</strong>indebtness of consumers in the EC member states: facts and search for solutions, 1994<br />

- Kettschau I.: Armut in Familien - hauswirtschaftliche <strong>und</strong> haushaltswissenschaftliche Aspekte, in: Materialien (Anm. 10)<br />

- Korczak, D.: Markt<strong>ver</strong>halten. Verschuldung <strong>und</strong> Überschuldung privater Haushalte in den neuen B<strong>und</strong>esländern:<br />

Gutachten vorgelegt von Dieter Korczak unter Mitarbeit von Birte Ostermann. GP-Forschungsgruppe, Institut für Gr<strong>und</strong>lagen-<br />

<strong>und</strong> Programmforschung, Stuttgart, Berlin, Köln 1997 (Schriftenreihe des B<strong>und</strong>esministeriums für Familie,<br />

Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend, Bd. 145) Überschuldungssituation in Deutschland im Jahr 1997. Aktualisierung der Daten<br />

zur Überschuldung im Gutachten der GP-Forschungsgruppe aus dem Jahr 1994 im Auftrag des B<strong>und</strong>esministeriums für<br />

Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend. Expertise, un<strong>ver</strong>öffentlichtes Manuskript, Weiler/München 1998 Überschuldung in<br />

Deutschland zwischen 1988 <strong>und</strong> 1999. Band 198 der Schriftenreihe des B<strong>und</strong>esministeriums für Familie, Senioren, Frauen<br />

<strong>und</strong> Jugend. Stuttgart 2001<br />

- Korczak, D., Pfefferkorn, G.: Überschuldungssituation <strong>und</strong> Schuldnerberatung in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland.<br />

Studie im Auftrag des B<strong>und</strong>esministeriums für Familie, Senioren <strong>und</strong> des B<strong>und</strong>esministeriums der Justiz, Stuttgart, Berlin,<br />

Köln 1992 (= Schriftenreihe des B<strong>und</strong>esministeriums für Familie <strong>und</strong> Senioren, Bd. 3) Forschungsvorhaben zur Überschuldungsituation<br />

<strong>und</strong> Schuldnerberatung in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. Abschlussbericht. München 1990<br />

- Lutz, G.: Verbraucherüberschuldung. München 1992<br />

- Neuner, M., Raab, G. (Hg.): Verbraucherinsolvenz <strong>und</strong> Restschuldbefreiung. Eine kritische Bestandsaufnahme aus Sicht<br />

der Beteiligten, Baden-Baden 2001<br />

- Piorkowsky, M.-B.: Verarmungsgründe <strong>und</strong> Ansätze der Armutsprävention bei Privathaushalten. In: Materialien zur<br />

Familienpolitik, Nr. 11. Lebenslagen von Familien <strong>und</strong> Kindern. Dokumentation von Expertisen <strong>und</strong> Berichten, die im<br />

Auftrag des B<strong>und</strong>esministeriums für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend im Rahmen der Erstellung des Ersten Armuts<strong>und</strong><br />

Reichtumsberichts der B<strong>und</strong>esregierung erarbeitet wurden. Hrsg. vom B<strong>und</strong>esministerium für Familie, Senioren,<br />

Frauen <strong>und</strong> Jugend, Berlin 2001<br />

- Reifner, U.: Finanzielle Allgemeinbildung. Bildung als Mittel der Armutsprävention in der Kreditgesellschaft,<br />

Projektabschlussbericht zur ersten Phase des vom B<strong>und</strong>esministerium für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend<br />

unterstützten Projektes, Baden-Baden 2003<br />

- Reiter, G.: Kritische Lebensereignisse <strong>und</strong> Verschuldungkarrieren von Verbrauchern, Berlin 1991 (= Beiträge zur<br />

Verhaltensforschung, Bd. 29)<br />

- Thiele, S.: Vermögen <strong>und</strong> Schulden privater Haushalte unterer Einkommensgruppen. Düsseldorf 1995<br />

- Zimmermann, G. E.: Überschuldung privater Haushalte. Freiburg 2000<br />

Verbraucherinformation<br />

- Brühl, A., Zipf, T.: Guter Rat bei Schulden. München 2000 Deutscher Sparkassen- <strong>und</strong> Giro<strong>ver</strong>band: Geld- <strong>und</strong> Haushalt -<br />

Beratungsdienst der Sparkassen. Der Kreditratgeber. 6. Auflage. Berlin 2002<br />

- Hauser, R., Hübinger, W.: Arme unter uns. Freiburg 1993<br />

- Heinsohn, G., Steiger, O.: Eigentum, Zins <strong>und</strong> Geld. Reinbek bei Hamburg 1996<br />

- Lewald, A.: Schulden? Na <strong>und</strong>?! – Annäherungen an das Problem einer mentalen Verschuldungsbereitschaft von<br />

Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

- Meiser, H.: Vom richtigen Umgang mit Krediten. Ein Wegweiser durchs Schuldenlabyrinth. Köln 1995<br />

- Möller, M.: Schulden der Verbraucher. Verbraucher<strong>ver</strong>schuldung in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland als wachsendes<br />

gesellschaftliches Problem, Gießen 1994<br />

- Perina, U.: Kursbuch Geld 2. Schulden: Nutzen <strong>und</strong> Gefahren, Frankfurt am Main, 1991<br />

- Riehm, H. J.: Heute kaufen - morgen bezahlen? Ein Ratgeber zum richtigen Umgang mit Verbraucherkrediten.<br />

Arbeitsheft, Stuttgart 1996<br />

www.meineSCHUFA.de<br />

211


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

SCHUFA Holding AG<br />

Kormoranweg 5<br />

65201 Wiesbaden<br />

Projektleitung: SCHUFA Holding AG<br />

Koordination: Peter H. Goebel / Dr. Annette Frenzel<br />

Redaktion: Ulrich Siebert<br />

Layout: Peter Krause<br />

Grafik: smavicon<br />

212


Herausgeber:<br />

SCHUFA Holding AG<br />

Kormoranweg 5<br />

65201 Wiesbaden<br />

Telefon: +49 (0) 611 / 92 78 – 888<br />

Telefax: +49 (0) 611 / 92 78 – 887<br />

anfrage@schulden-kompass.de<br />

www.schulden-kompass.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!