C Sozialprofile ver- und überschuldeter junger Erwachsener
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2.10 Schuldenneigung<br />
Zur Bestimmung <strong>und</strong> Anwendbarkeit eines individuellen Indikators wurde 2003 <strong>und</strong> 2004 die<br />
psychologische Dimension „Schuldenneigung“ im Schulden-Kompass erprobt. Die Schuldenneigung<br />
ist erstmalig im Schulden-Kompass 2003 erhoben worden <strong>und</strong> war bis dahin ein wenig beachtetes<br />
Merkmal bei Forschungsarbeiten zur privaten Überschuldung. 31 Hintergr<strong>und</strong> ist die Frage, inwiefern<br />
die Schuldenneigung als persönliche Disposition unabhängig von äußeren Einflussfaktoren auf das<br />
Kredit<strong>ver</strong>halten wirkt. Schuldenneigung bedeutet die Bereitschaft oder die Neigung, auf Kredit zu<br />
kaufen oder zu mieten, ohne die völlige Gewissheit darüber zu besitzen, der Verpflichtung nachkommen<br />
zu können. Diese Bereitschaft ist gemäß der Hypothese un<strong>ver</strong>änderlicher persönlicher<br />
Einstellungen unterschiedlich ausgeprägt. Bei sehr geringer Ausprägung wird nach Möglichkeit ganz<br />
<strong>ver</strong>mieden, Kredit aufzunehmen. Bei sehr starker Ausprägung werden Kreditmöglichkeiten auch<br />
dann genutzt, wenn deren Rückzahlung nicht gesichert ist. Auf einer Gegenhypothese baut die<br />
Modernisierungstheorie aus der soziologischen Forschung auf, wonach in Abhängigkeit der<br />
Situation finanzielle Risiken dem Kreditnehmer fallweise transparent oder eher intransparent erscheinen<br />
<strong>und</strong> sich daher seine Neigung je nach Situation ändert <strong>und</strong> damit die Schuldenneigung <strong>und</strong> das<br />
Kredit<strong>ver</strong>halten von exogenen Faktoren abhängt. Darüber hinaus untersuchte der Schulden-<br />
Kompass im Vorjahr, ob die im Schulden-Kompass 2003 erhobene Dimension Schuldenneigung<br />
Ansätze für eine <strong>ver</strong>haltenswissenschaftliche Ermittlung von Wegen aus der Verschuldung bietet.<br />
Hierfür zeigte der Schulden-Kompass 2004 mit einer Pilotstudie Aspekte <strong>und</strong> Möglichkeiten eines<br />
<strong>ver</strong>haltensorientierten Ansatzes. 32<br />
2.11 Selbstmanagement<br />
Der Schuldnerberatungspraxis zufolge gibt es Schuldner, die aus eigenem Antrieb <strong>und</strong> hoher<br />
Handlungskompetenz aktiv ihre Überschuldungslage selbst bewältigen <strong>und</strong> solche, die passiv durch<br />
ein singuläres Ereignis wie Erbschaft ihre Überschuldungssituation lösen. Für das aktive, kreditbedienende<br />
Selbstmanagement wird auf Basis eines <strong>ver</strong>haltensorientierten Ansatzes davon ausgegangen,<br />
dass der Mensch selbstständig zur Lebensbewältigung befähigt <strong>und</strong> lernfähig ist. Im Unterschied zu<br />
statischen Persönlichkeitseigenschaften wie z.B. Schuldenneigung, beschreibt das Selbstmanagement<br />
situationsabhängige, <strong>ver</strong>änderliche Beweggründe (Motive) des Handelns. Differenziert wird<br />
nach der „momentanen Strategie“ <strong>und</strong> der „planenden Strategie“: Momentane Strategien sind auf<br />
die Bewältigung des augenblicklichen Ereignisses konzentriert. Bei den planenden Strategien handelt<br />
es sich um längerfristige, antizipative <strong>und</strong> damit prophylaktische Vorgehensweisen, die oftmals nicht<br />
nur auf das spezielle auslösende Ereignis, sondern beispielsweise auf die gesamte Lebensführung<br />
ausgelegt sind. 33<br />
22<br />
SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 2. ZENTRAL DISKUTIERTE BEGRIFFE<br />
31 Hirseland, Andreas: a.a.O, Hirseland führt aus, dass Handeln <strong>und</strong> Situationsdefinitionen immer auf subjektiven Deutungsmustern beruhen,<br />
in dem der Handelnde die Situation aufgr<strong>und</strong> bereits bestehender Einstellungen interpretiert. S. 90 ff.<br />
32 Vgl. Prof. Dr. Winfried Hacker <strong>und</strong> Dr. Peggy Looks, in Schulden-Kompass 2004, S. 149-159.<br />
33 Vgl. Prof. Dr. Winfried Hacker, a.a.O.