C Sozialprofile ver- und überschuldeter junger Erwachsener
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PROJEKTBEIRAT | DISKUSSIONSBEITRÄGE<br />
Verschuldung, Überschuldung <strong>und</strong> Verbraucherkreditrichtlinie –<br />
<strong>ver</strong>antwortliche Kredit<strong>ver</strong>gabe <strong>und</strong>/oder ‚fresh start’<br />
Von Prof. Dr. Hans-W. Micklitz<br />
I. Das Konzept der <strong>ver</strong>antwortlichen Kredit<strong>ver</strong>gabe in der geplanten<br />
Verbraucherkreditrichtlinie<br />
Noch 1987 ging es der Europäischen Kommission vor allem darum, Preistransparenz durch einheitliche<br />
Kriterien für die Berechnung des Kreditzinses zu formulieren. Mit der jetzt angelegten großen<br />
Reform will die Kommission im Zuge der Vollharmonisierung einen umfassenden einheitlichen<br />
Rahmen für die Vergabe von Verbraucherkrediten in Europa festlegen.<br />
Im Mittelpunkt der kontro<strong>ver</strong>s geführten Diskussion steht das Konzept der <strong>ver</strong>antwortlichen<br />
Kredit<strong>ver</strong>gabe, neu-deutsch responsible lending. Die Europäische Kommission wollte der<br />
Kreditwirtschaft ursprünglich die rechtlich bindende Pflicht auferlegen, den K<strong>und</strong>en vor der Kredit<strong>ver</strong>gabe<br />
auf seine Kreditwürdigkeit zu überprüfen (screening) <strong>und</strong> ihn dementsprechend zu beraten.<br />
So sollte die Prävention <strong>ver</strong>bessert werden. Die Kreditwirtschaft sah in der ‚Zwangsberatung’ eine<br />
unnötige Bevorm<strong>und</strong>ung des Verbrauchers. In dem im Oktober 2005 vorgelegten revidierten<br />
Vorschlag taucht die <strong>ver</strong>antwortliche Kredit<strong>ver</strong>gabe nur noch als Informations<strong>ver</strong>pflichtung auf. Eine<br />
umfassende Beratungspflicht scheint nicht mehr gewollt zu sein. Ob <strong>und</strong> inwieweit die revidierte<br />
Richtlinie das Gesetzgebungs<strong>ver</strong>fahren passieren wird, ist unsicher, zumal die Kritik an der Zurücknahme<br />
des Konzepts der <strong>ver</strong>antwortlichen Kredit<strong>ver</strong>gabe nicht <strong>ver</strong>stummt.<br />
II. Ein Ausblick auf die di<strong>ver</strong>gierenden Ansätze in der EG <strong>und</strong> den USA<br />
Das Konzept der <strong>ver</strong>antwortlichen Kredit<strong>ver</strong>gabe ist mit der Ausgestaltung der Regelung über die<br />
Verbraucherinsolvenz <strong>ver</strong>schränkt. Zwei unterschiedliche Ansätze stehen sich gegenüber, die angloamerikanische<br />
‚fresh start’ Philosophie <strong>und</strong> die kontinentaleuropäische des ‚earned fresh start’. An<br />
den prinzipiell unterschiedlichen Ausgangspunkten würde auch die in den USA angelaufene Reform<br />
des Verbraucherinsolvenzrechts nichts ändern, die die Anforderungen an einen ‚fresh start’ <strong>ver</strong>schärfen<br />
könnte.<br />
Den USA, Kanada <strong>und</strong> dem Vereinigten Königreich, den Ländern des common law also, ist das<br />
Konzept der <strong>ver</strong>antwortlichen Kredit<strong>ver</strong>gabe/responsible lending mehr oder weniger unbekannt.<br />
Dafür gewähren diese Länder dem Verbraucher die Möglichkeit eines ‚fresh start’. Ist er nicht mehr<br />
in der Lage, die aufgehäuften Schulden zu bezahlen, so soll er die Möglichkeit erhalten, sich über<br />
ein Verbraucherinsolvenz<strong>ver</strong>fahren zu entschulden. Die Philosophie dieses Ansatzes ist <strong>ver</strong>gleichsweise<br />
einfach. Überschuldung wird nicht als moralisches Versagen gewertet, das der Verbraucher<br />
lebenslang zu büßen hat, indem er für seine Schulden bis zum Tode einstehen muss. Überschuldung<br />
wird als gesellschaftliches Phänomen einer Marktgesellschaft prinzipiell unabhängig davon akzeptiert,<br />
ob es auf individuellen Fehlern (Leichtfertigkeit) oder sozioökonomischen Umständen (Arbeitslosigkeit,<br />
Scheidung etc.) beruht. Der überschuldete Verbraucher soll die Möglichkeit erhalten, als<br />
Marktbürger – mehr oder weniger schuldenfrei – in die Markt-Gesellschaft zurückzukehren.<br />
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