C Sozialprofile ver- und überschuldeter junger Erwachsener
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SCHULDEN-KOMPASS | EINLEITUNG | 2. ZENTRAL DISKUTIERTE BEGRIFFE<br />
2.2 Verschuldung <strong>und</strong> Überschuldung<br />
Bei Untersuchungen zur privaten Überschuldung ist die strikte Trennung der Kategorien<br />
„Verschuldung“ <strong>und</strong> „Überschuldung“ notwendig. Der in diesem Zusammenhang auch häufig genutzte<br />
populäre Begriff der Zahlungsmoral ist nicht Gegenstand des Schulden-Kompasses.<br />
Formalisierte Kategorien auf Basis amtlicher Statistiken <strong>und</strong> auch der SCHUFA-Daten sind zwar sehr<br />
trennscharf. Aber auch diese Daten können nur einen Teil der Überschuldungsindikatoren abdekken.<br />
Wolfhard Kothe 11 gibt zu bedenken, dass jede formale Kategorie als Legaldefinition implizite<br />
Grenzen hat <strong>und</strong> daher auch als Indikator für die Überschuldungsforschung nur eine eingeschränkte<br />
Aussagekraft haben kann. Beispielsweise erfolgt nicht jede Zahlungs<strong>ver</strong>weigerung aus Überschuldungsgründen<br />
<strong>und</strong> nicht jede Kreditkündigung bedeutet einen manifesten Gläubiger-/Schuldnerkonflikt,<br />
denn auch die Kredithöhe ist eine wichtige Einflussgröße. Auch können z.B. notleidende,<br />
nicht bediente oder gekündigte Forderungen nicht ohne Weiteres mit Überschuldung gleich gesetzt<br />
werden.<br />
Würde man sich nur auf die juristischen Daten – auf formalisierte Konflikte wie sie die Kreditkündigung,<br />
die Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung, die Eröffnung des Privatinsolvenz<strong>ver</strong>fahrens<br />
oder der Mahnbescheid darstellen – beschränken, blieben jene prekären Finanzlagen<br />
unberücksichtigt, die nicht in einem juristisch formalisierten Konflikt münden. Hinzu kommt die<br />
Problematik, dass Untersuchungen auf Personenebene <strong>ver</strong>zerrte Schlüsse liefern können, da Überschuldung<br />
nach Ansicht von Gunter E. Zimmermann 12 in der Regel ein Problem des Haushalts ist.<br />
Die folgenden definitorischen Versuche dienen zur Eingrenzung des Phänomens Überschuldung:<br />
• Bei einer überschuldeten Person reicht der <strong>ver</strong>bleibende Rest des monatlichen Einkommens nach<br />
Abzug der fixen Lebenshaltungskosten (Miete, Energie, Versicherung etc. zzgl. Ernährung) nicht<br />
aus, um Kreditraten zu bedienen. 13<br />
• Überschuldung ist oftmals mit Armut gleichzusetzen. In der Kreditgesellschaft ist arm, wer<br />
kreditunwürdig ist <strong>und</strong> damit keinen Zugang mehr zu Finanzdienstleistungen hat. Oftmals ist<br />
damit auch psychosoziale Destabilisierung sowie eine Ausgrenzung aus der Gesellschaft<br />
<strong>ver</strong>b<strong>und</strong>en. 14<br />
• Überschuldung liegt vor, wenn das aktuelle <strong>und</strong> absehbare Vermögen <strong>und</strong> das absehbar<br />
gesicherte Erwerbspotenzial die aktuellen Zahlungs<strong>ver</strong>pflichtungen nicht mehr decken <strong>und</strong><br />
damit eine dauerhafte Liquiditätsschwäche auslösen. 15<br />
11 Prof. Dr. Wolfhard Kothe, Jurist an der Martin Luther Uni<strong>ver</strong>sität in Halle Wittenberg, Kommentator des Verbraucherinsolvenzrechts,<br />
Mitglied des Beratergremiums der B<strong>und</strong>esregierung zum zweiten Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsbericht.<br />
12 Vgl. Schulden-Kompass 2004: Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann, „Wege in die Überschuldung <strong>und</strong> Ursachen“ S. 115-146.<br />
13 Groth, Ulf: Schuldnerberatung. Praktischer Leitfaden für die Sozialarbeit, Frankfurt a.M. 1984, S. 16.<br />
14 Diese Beschreibungen wurden u.a. auf den Wiesbadener Symposien 2002 bis 2004 diskutiert.<br />
15 Vgl. Diskussionsbeiträge auf den Wiesbadener Symposien 2002 <strong>und</strong> 2004 in www.schufa.de<br />
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