MEDICAL BEAUTY 48 BEAUTY&ÆSTHETIC Angst essen seele Auf Wenn Angst zur KrAnKheit Wird Jeder Mensch hAt Angst! selbst sigMund Freud, urvAter der PsychoAnAlyse, litt dArunter und beschrieb die syMPtoMe. in der evolution hAt die Angst eine Wichtige FunKtion. sie schärFt die sinne und WirKt Als schutzMechAnisMus vor reAlen geFAhren. Angst zu hAben ist Also nicht schliMM. schliMM ist, Wenn Angst zur KrAnKheit Wird! [text: christiAn Müller]
Die Ursachen für Angst sind vielfältig. Es gibt Menschen, die einfach eine Veranlagung dazu haben, die sogar vererbbar sein kann. Weit verbreitet als Grund für Ängste sind traumatische Kindheitserlebnisse, vor allem sexueller Missbrauch, der meist weit zurück liegt und deshalb sehr schwer genauer zu untersuchen ist. Dabei entstehen Ängste nicht zwangsläufig aus negativen Erlebnissen. Im Gegenteil! Menschen mit Höhenangst sind wahrscheinlich nie aus großer Höhe abgestürzt. Genau so sind Menschen mit Angst vor Schlangen oder Spinnen mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nie mit diesen Tieren in Berührung gekommen oder gar ernsthaft von ihnen verletzt worden. Ebenso treten Angststörungen beispielsweise bei Menschen aus Kriegsgebieten nicht auffallend häufiger auf. Und auch bei Bewohnern von Regionen, die beständig durch Wirbelstürme oder Erdbeben heim gesucht werden, gibt es keine frappante Anhäufung von Ängsten. Sicher ist, dass die Angst ein ständiger Begleiter des Menschen seit Urzeiten ist. Als zu behandelnde ernsthafte Erkrankung steht sie jedoch erst seit circa 20 Jahren auf dem Therapieplan der Therapeuten. Neueste Zahlen sprechen von ungefähr 30 Prozent der Bevölkerung, die unter ihren Ängsten leiden. Dabei werden drei Formen der Angst klassifiziert: Die Agoraphobie, von der etwa fünf Prozent betroffen sind, ist die Angst vor Räumen, Orten und Plätzen, die meist mit einer Panikattacke einhergeht. Agoraphobiker haben Schweißausbrüche, Atemnot, befürchten, kurz vor einer Herzattacke zu stehen. Das geht bis zur Todesangst, obwohl sie körperlich kerngesund sind. Aus diesem Grunde meiden sie bestimmte Örtlichkeiten, beispielsweise Einkaufspassagen an Samstagen aber auch weite Reisen fern von zu Hause. Die mit circa 13 Prozent am häufigsten anzutreffende Angststörung ist die soziale Phobie. Menschen haben Angst, von ihren Mitmenschen beobachtet und negativ bewertet zu werden, zum Beispiel im Restaurant, bei Familienfeiern oder auch im Beruf, bei Vorträgen oder Besprechungen. Die Folge: Sie meiden weitestgehend den Kontakt zu anderen Menschen bis hin zum völligen Rückzug in die Isolation. Die dritte Gruppe, die die Psychotherapie als zu behandelnde Krankheit einstuft, sind Menschen mit generalisierter oder spezi- fizierter Angststörung. Diese Menschen werden ständig von Sorgen vor ernsthaften Krankheiten, Arbeitslosigkeit oder Armut geplagt. Unter diese isolierten Phobien fallen aber auch Angst vor Spinnen, Schlangen, Ratten, Mäusen und anderem Getier, sowie auch situative Ängste vor dem Fliegen oder Fahrstuhlfahren. Bei dieser Gruppe ist die Bestimmung der Häufigkeit nicht einfach, da nicht jeder mit einer Angst vor Spinnen gleich einen Arzt aufsucht. In psychotherapeutische Behandlung begeben sich etwa sechs Prozent mit einer spezifizierten Angststörung, gemessen an der Gesamtbevölkerung. Zu einer ernstzunehmenden Krankheit werden Ängste dann, wenn Menschen unter ihren Phobien leiden. Sie müssen – bedingt durch ihre Ängste – starke Einschränkungen im täglichen Leben hinnehmen, werden depressiv bis zum Gedanken an Suizid oder greifen, um ihre Ängste zu verdrängen, zu Alkohol oder Drogen. Verstärkt wird die Angst noch dadurch, dass man nicht mehr nur Angst vor einer bestimmten Situation hat, sondern auch vor den daraus resultierenden Folgen. Wer Angst vor dem Fahrstuhlfahren hat, weil er davon Herzrasen bekommt, meidet Aufzüge künftig auch wegen des befürchteten Herzrasens. Es entsteht quasi eine »Angst vor der Angst«! Die beste Therapie gegen Angst ist das Konfrontationsverfahren, den Patienten also bewusst seiner Angst auszusetzen und mit ihm gemeinsam das Überwinden der Angst einzuüben. Die Psychotherapie spricht hier vom Angstexpositionstraining (AET). Patienten, die von solch einem AET profitieren, leiden typischerweise unter Phobien, die nach den jeweiligen Angst auslösenden Situationen klassifiziert werden: Angst vor zu kleinen Räumen (Klaustrophobie), Angst vor Menschenansammlungen (Soziophobie), Angst vor Krankheiten (Nosophobie oder auch Hypochondrie) oder Angst vor Wasser (Hydrophobie), um nur einige wenige zu nennen. Dabei sind therapeutischen Einrichtungen allerdings auch logistische Grenzen gesetzt. Nicht jede Klinik verfügt über einen Flugplatz und den dazugehörigen Jet, um den Patienten davon zu überzeugen, dass Flugangst durch häufiges Fliegen überwunden werden kann. Trotz solcher Einschränkungen hat sich das verhaltenstherapeutische Angstexpositionstraining in einer Vielzahl von wissenschaftlichen Studien als höchst wirksam zur Behandlung von Angsterkrankungen erwiesen. Die Konfrontation seitens des Therapeuten geschieht dabei immer nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des Patienten und erst, nachdem gemeinsam mit dem Patienten ein Erklärungsmodell für die jeweiligen Beschwerden erarbeitet wurde. Hier wird dem Patienten deutlich gemacht, dass die unangenehmen Begleiter einer Situation nicht unermesslich steigen, sondern zwar eine gewisse Stärke erreichen, danach aber wieder absinken oder ganz verschwinden, selbst wenn man in der gefürchteten Situation verbleibt. Der nächste Schritt ist die therapeutische Vorbereitung auf die bislang so gefürchtete Situation. Hauptinhalte sind, dem Patienten deutlich zu machen, wie wichtig sein persönlicher Erfolg für ihn ist, seine eigenen Erwartungen an die Bewältigung zu erhöhen und schließlich die konkrete Festlegung der Situation und das Besprechen der Vorgehensweise. Gibt der Patient nun seine Zustimmung, so finden die ersten Expositionsübungen immer in Begleitung des Therapeuten statt. Erst, wenn eine zunehmende Sicherheit festgestellt wird, beginnt der Patient, seine Übungen selbständig, ohne Begleitung des Therapeuten, durchzuführen. Ziel des AET ist, Angst durch häufiges, bewusstes Herbeiführen der Situation, praktisch zu »verlernen«. Im Gegensatz dazu »erlernt« der Patient, dass Ängste nicht alleine durch das Vermeiden einer Situation, sondern auch durch deren Bewältigung verhindert werden. Zusätzlich findet bei dem Patienten durch die häufige Konfrontation ein Gewöhnungsprozess statt, und führt somit zur dauerhaften Verminderung oder – im Optimalfall – zum vollkommenen Wegfall der Angst. Vergleichbar ist dieser Prozess mit dem intensiven Einüben von Vokabeln als Voraussetzung für eine gute Note in der nächsten Englischarbeit oder das Erlernen von Verkehrsregeln zum Erwerb des Führerscheins. Auch in diesen Fällen genügt es nicht, unvorbereitet in die Prüfung hinein zu gehen, um erfolgreich zu sein. Genauso einfach wäre es, sich der Angst – wie es manchmal lapidar heißt – einfach zu stellen. Was die Psychotherapie zur Bewältigung von Angststörungen leistet, ist ein komplexer psychologischer Prozess, der den Therapeuten sehr viel Sensibilität abverlangt und deshalb allerhöchste Achtung verdient. 49