Drehbuch einer Bundesratswahl - Text und Auftritt
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aber von persönlichen Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> hatten nicht einmal offiziösen, geschweige<br />
denn offiziellen Charakter.» Als solche Fre<strong>und</strong>e erwähnt Buser den Neuenburger<br />
Nationalrat François Jeanneret (lib.), den Buser-Schachpartner <strong>und</strong> Neuenburger<br />
Ständerat Jean-François Aubert (lib.), den Genfer Nationalrat Gilbert Couteau (lib.)<br />
<strong>und</strong> den Zürcher CVP-Nationalrat Paul Eisenring (der mit Buser zu <strong>einer</strong> Gruppe von<br />
befre<strong>und</strong>eten Parlamentariern gehört, die sich einmal pro Session zum Nachtessen<br />
treffen). Buser: «Daher kommt das Gerücht, die Bürgerlichen hätten mich gleich zu<br />
Beginn gewollt. Klar haben die – es sind ja Fre<strong>und</strong>e – für mich die Werbetrommel<br />
gerührt.»<br />
Im «Landwirtschaftlichen Klub der B<strong>und</strong>esversammlung», dem weit über 100<br />
Parlamentarier fast aller Parteien angehören, bearbeiten katholische Bauern<br />
protestantische Kollegen zugunsten des Katholiken <strong>und</strong> Coop Schweiz-Mannes Otto<br />
Stich, dem die Bauern gr<strong>und</strong>sätzlich nicht wohl gesinnt sind. Ein katholischer Bauern-<br />
Nationalrat erhält von einem protestantischen Kollegen die schnippische Antwort:<br />
«Dann können wir ja gleich den Biel wählen!» Walter Biel ist Nationalrat des<br />
Landesrings der Unabhängigen <strong>und</strong> Migros-Direktor. Mit seinen kritischen Voten zur<br />
Landwirtschaftspolitik bringt er die Bauern regelmässig gegen sich auf.<br />
Fritz Reimann wird zehn Tage vor der <strong>B<strong>und</strong>esratswahl</strong>, an einem Samstag, zuhause<br />
von einem Thuner Freisinnigen - Reimann wohnt in Thun – aufgesucht, der ihm im<br />
Hinblick auf die bevorstehende <strong>B<strong>und</strong>esratswahl</strong> eröffnet: «Wir haben mit dem<br />
Wahlvorschlag Mühe…» Reimann, der «da <strong>und</strong> dort» bereits seit Wochen gehört hat,<br />
«dass sie mich wollen», winkt ab, wenngleich ihm der freisinnige Kollege zu<br />
verstehen gibt, er könne sich mit <strong>einer</strong> Antwort ruhig Zeit lassen.<br />
Doch der SGB-Präsident, der sich mit <strong>einer</strong> Wahl zum B<strong>und</strong>esrat persönlich «nicht<br />
unglücklich» machen will, lehnt unzweideutig ab. Da entgegnet ihm der freisinnige<br />
K<strong>und</strong>schafter: «Das wäre ja das erste Mal, dass <strong>einer</strong> die Wahl nicht annehmen<br />
würde!» Auch dies vermag den umgarnten Fritz Reimann nicht umzustimmen, trotzig<br />
meint er: «Dann bin ich halt der Erste!» Tatsächlich hatten in der Vergangenheit bei<br />
den Sozialdemokraten sowohl Hans-Peter Tschudi (gegen den Schaffhauser<br />
Nationalrat <strong>und</strong> Stadtpräsidenten Walther Bringolf) <strong>und</strong> Willi Ritschard (gegen den<br />
Aargauer Regierungsrat <strong>und</strong> Nationalrat Arthur Schmid) die mithin «wilde», von den<br />
Bürgerlichen in Abweichung zum offiziellen SP-Kandidaten vorgenommene Wahl<br />
angenommen.<br />
Am Donnerstag, 1. Dezember 1983, bitten die Nationalräte Franz Eng (FDP) <strong>und</strong><br />
Hans Schärli (CVP) den begehrten Gewerkschaftsboss Reimann zum vertraulichen<br />
Gespräch in eine Ecke des Nationalratssaals. Die beiden bürgerlichen<br />
Parlamentarier geben ihm aufgr<strong>und</strong> von Gesprächen in ihren Fraktionen zu<br />
verstehen: «Du wirst problemlos gewählt, aber wir müssen sicher sein, dass Du die<br />
Wahl annimmst.» Und wieder zeigt man sich bereit, dem SGB-Präsidenten<br />
Bedenkzeit einzuräumen: «Du musst jetzt nicht sofort ja sagen, überlegs’s Dir übers<br />
Wochenende.» Reimann hat nach diesem Gespräch kaum wieder seinen Platz<br />
eingenommen, da wird er von einem Nationalratsweibel aufgefordert, dringend den<br />
B<strong>und</strong>eskanzler anzurufen. Buser später dazu: «Die Entwicklung - so wie ich sie<br />
verfolgen konnte - zeigte zu Beginn eine klare Konzentration der Gegner der<br />
Kandidatur Uchtenhagen auf Nationalrat Schmid, St. Gallen. Es bestand Neigung,<br />
die SP insofern zu schonen, als der Zweitklassierte bei der fraktionsinternen<br />
Ausscheidung ins Auge gefasst wurde. Erst als die Kandidatur aus rechtlichen<br />
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