Fahrgastschiffe Nur das Beste für die Passagiere - GL Group
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FAHRgAsTscHIFFE<br />
gEFORDER T Is T DER gAnzHEITLIcHE AnsAT z Doch <strong>die</strong><br />
schiffssicherheitspolitik beschränkt sich seit einigen Jahren<br />
nicht nur darauf, erfahrungen zu verwerten. sie ist auch vorwärtsgewandt,<br />
heißt: Die sicherheits und schiffbauexperten<br />
überlegen fortwährend, mit welchen technischen systemen<br />
und operativen maßnahmen <strong>die</strong> sicherheit an Bord weiter<br />
erhöht werden kann oder – wenn ein havariefall eingetreten<br />
ist auf welche Weise <strong>Passagiere</strong> und auch Besatzung schnell<br />
in sicherheit gebracht werden bzw., falls letztendlich erforderlich,<br />
evakuiert werden können. ullrich: „Die heutige sicherheitsphilosophie<br />
wird davon getragen, <strong>das</strong> schiff als solches<br />
bereits als Rettungsplattform zu betrachten.“ hierzu sei es<br />
erforderlich, so genannte risikobasierte Vorschriften zu entwickeln.<br />
„Diese müssen sich unter anderem am einsatzgebiet<br />
des jeweiligen schiffes orientieren. Für <strong>die</strong> Karibik kann<br />
dabei etwas anderes gelten als <strong>für</strong> einen schiffseinsatz in arktischen<br />
gewässern“, so ullrich.<br />
ein <strong>für</strong> <strong>die</strong> sicherheit der Fahrgäste entscheidender Faktor<br />
ist im havariefall, sei es Feuer oder Wassereinbruch, <strong>das</strong><br />
geordnete und schnelle sammeln der Fahrgäste in den unbeschädigten<br />
Bereichen des schiffes, den so genannten „safe<br />
areas“, und <strong>die</strong> damit zusammenhängende Vollzähligkeitsprüfung<br />
der Personen an Bord. Die Besatzung muss so trainiert<br />
und geführt werden, <strong>das</strong>s wichtige aufgaben wie <strong>die</strong><br />
havariebekämpfung und <strong>die</strong> Betreuung der Fahrgäste parallel<br />
verlaufen und <strong>das</strong>s <strong>die</strong> meldungen konzentriert dort eintreffen,<br />
von wo aus man den sprichwörtlichen Überblick hat: der<br />
Brücke. um <strong>die</strong> schiffsführung in ihrer tätigkeit nicht zu<br />
bereits in der Designphase eines schiffes<br />
gilt es, material, Art und positionierung<br />
des Rettungsequipments genau zu planen<br />
1 nonstop 1/2006<br />
Im Falle eines notfalls muss auch <strong>die</strong> besatzung<br />
weitsicht beweisen. Das geordnete und schnelle<br />
sammeln der passagiere an einem sicheren Ort hat<br />
dann höchste priorität<br />
stören, verfügen <strong>die</strong> heutigen <strong>Fahrgastschiffe</strong> zum größten<br />
teil über ein der Brücke angegliedertes „safety centre“, von<br />
wo aus alle notfallmaßnahmen bis hin zur evakuierung koordiniert<br />
werden. Die geordnete evakuierung eines schiffes<br />
darf nach heutiger Überzeugung, sowohl aus technischer als<br />
auch aus Überlebenssicht, erst der letzte schritt sein, nachdem<br />
alle möglichkeiten an Bord ausgeschöpft wurden und<br />
zudem Rettungskräfte alarmiert sind bzw. zur Verfügung stehen.<br />
E XpERTIsE DEs gL sO FRüH wIE mögLIcH AbRuFEn Die<br />
Kenntnisse über <strong>die</strong> schiffssicherheit fließen heute sehr frühzeitig<br />
in den neubau eines <strong>Fahrgastschiffe</strong>s ein. ullrich: „Wir<br />
bieten den Reedereien und auch den Werften, gegebenenfalls<br />
auch den maßgeblichen Zulieferern, einen entsprechenden<br />
service an.“ Das Beratungsspektrum ist dabei sehr vielschichtig:<br />
von der auswahl der materialien bis hin zur entwicklung<br />
eines ganzheitlichen sicherheitskonzeptes, <strong>das</strong> auch <strong>die</strong> zielgerichtete<br />
evakuierung des schiffes mit berücksichtigt. Was<br />
<strong>das</strong> sicherheitskonzept betrifft, hat der germanische Lloyd<br />
bereits vor wenigen Jahren einen großen technischen Wurf<br />
gelandet: gemeinsam mit dem softwarespezialisten traffgo<br />
wurde <strong>die</strong> software aeneas entwickelt, mit der sich<br />
eine so genannte „evakuierungsanalyse“ durchführen lässt.<br />
Der name leitet sich von einer Figur aus der griechischen<br />
mythologie ab. im Juni 2002 stellte der germanische Lloyd<br />
<strong>die</strong> entwicklung vor und sorgte damit <strong>für</strong> großes aufsehen in<br />
der Fachwelt. grob vereinfacht ermöglicht <strong>die</strong>se software,<br />
DER HELDEnHAFTE RETTER AEnEAs<br />
als sohn des anchises und der aphrodite gilt aeneas als einer der<br />
tapfersten Helden trojas. <strong>die</strong> sage wurde von etruskern und<br />
römern bereits im 6. Jahrhundert v. chr. festgehalten und erhielt<br />
durch Vergil ihre feststehende Form.<br />
troja hatte zehn Jahre lang allen anstürmen der griechen standgehalten.<br />
odysseus´ List – <strong>das</strong> trojanische pferd – bringt <strong>die</strong> stadt<br />
jedoch zu Fall. gewarnt durch einen traum, den seine Mutter aphrodite<br />
ihm geschickt hat, wacht aeneas in der nacht auf und hört<br />
<strong>das</strong> Kampfgetümmel. eilig mahnt er seinen Vater anchises, seine<br />
Frau Kreusa und seinen sohn askanios zum aufbruch. doch der<br />
Vater weigert sich, <strong>die</strong> stadt zu verlassen. da züngelt eine Flamme<br />
über dem Haupt des askanios – ohne <strong>die</strong>sen zu verletzen. <strong>die</strong>ses<br />
omen überzeugt anchises und er willigt in <strong>die</strong> Flucht ein. da er<br />
durch Blitzschlag blind und gelähmt ist, ist er auf <strong>die</strong> Hilfe seines<br />
sohnes angewiesen. ohne zu zögern nimmt aeneas seinen Vater<br />
auf <strong>die</strong> schultern und eilt mit seinem sohn an der Hand durch <strong>die</strong><br />
brennenden gassen. auf der Flucht schließen sich ihm weitere<br />
trojaner an, <strong>die</strong>, angeführt vom mutigen aeneas, der Katastrophe<br />
entkommen.<br />
AEnEAs – DIE sOFTwARE zuR AnALYsE<br />
VOn pAssAgIER-EVAKuIERungssTRömEn<br />
<strong>das</strong> software-tool richtet sich an Werften, reedereien und maritime<br />
Behörden, <strong>die</strong> im Bereich design, Bau und Betrieb von ropax-<br />
und Kreuzfahrtschiffen tätig sind, und ermöglicht <strong>die</strong> zuverlässige<br />
analyse von evakuierungsszenarien gemäß „soLas 94“<br />
und Msc/circ. 1033 "interim guideline for evacuation analyses<br />
for new and existing passenger ships". dabei simuliert es unterschiedlichste<br />
arten von passagierströmen – vom normalen<br />
schiffsbetrieb bis zum notfallszenario. um <strong>die</strong> dynamik der passagiergruppen<br />
zu antizipieren, benutzt aeneas computeranimierte<br />
individuen, so genannte agenten, <strong>die</strong> sich so individuell verhalten,<br />
wie es personen im realen Leben tun würden. <strong>das</strong> zu<br />
untersuchende schiff wird dann in ein raster aufgeteilt, <strong>das</strong> alle<br />
decks umfasst, und virtuell mit passagieren angefüllt. anschließend<br />
wird in diversen algorithmen durchgespielt, wie sich <strong>die</strong><br />
agenten im vorgegebenen raster bewegen, um in einem notfall<br />
<strong>die</strong> rettenden ausgänge zu erreichen. durch <strong>die</strong> extrem schnellen<br />
algorithmen (<strong>die</strong> Bewegung von bis zu 5.000 passagieren wird ausgehend<br />
von 500 verschiedenen startkonfigurationen simuliert)<br />
werden <strong>die</strong> von der iMo vorgeschriebenen 50 durchläufe bei weitem<br />
überschritten, was eine solide Basis <strong>für</strong> <strong>die</strong> statistische Bewertung<br />
schafft. Mögliche engpässe an Bord werden so identifiziert<br />
und können bereits in der designphase eliminiert werden. Kompatibel<br />
mit den gängigen cad-systemen passt sich <strong>die</strong> simulation<br />
dem schiffsdesign jederzeit neu an.<br />
aeneas kann auch im rahmen der optimierung der umsatz generierenden<br />
Flächen (geschäfte ...) in relation zum angestrebten<br />
evakuierungskonzept eingesetzt werden und sorgt damit nicht nur<br />
<strong>für</strong> hohe sicherheit, sondern auch <strong>für</strong> größtmögliche wirtschaftliche<br />
effizienz beim design und Bau neuer schiffe. aeneas wurde<br />
in zusammenarbeit mit traffgo Ht, einem spin-off des Lehrstuhls<br />
„physik von transport und Verkehr der universität duisburgessen“,<br />
entwickelt.<br />
unterschiedliche evakuierungsszenarien abzubilden und <strong>die</strong><br />
gewonnenen erkenntnisse in den generalplan des schiffes mit<br />
einzuarbeiten. so können virtuelle szenarien <strong>für</strong> RoPax und<br />
Kreuzfahrtschiffe mit bis zu 5.000 <strong>Passagiere</strong>n simuliert werden.<br />
Damit nicht genug: es wird dabei nicht nur eine masse<br />
durch <strong>das</strong> schiff bewegt, sondern <strong>die</strong>se masse kann „individualisiert<br />
werden“. ein Beispiel: viele Kinder oder ältere Reisende<br />
an Bord. aeneas ist so leistungsfähig, <strong>das</strong>s sie wesentlich<br />
mehr erkenntnisse liefert als <strong>die</strong> von der imO vorgeschriebenen<br />
standardabläufe <strong>für</strong> RoPaxschiffe. ihren erfolgreichen<br />
Debüteinsatz hatte <strong>die</strong> software beim Bau der Kreuzfahrtfähre<br />
„color Fantasy“ (2.750 <strong>Passagiere</strong>, 74.500 BRZ) <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> norwegische Reedeerei color Line. aeneas wird bei<br />
allen PassagierschiffbauProjekten vom germanischen Lloyd<br />
als mittel zur Optimierung der Fluchtwege, und zwar bereits<br />
im entwurfsstadium, aber auch als trainingsinstrument an<br />
Bord, empfohlen. ullrich: „uns steht hiermit ein Baustein auf<br />
dem Weg zu dem von der imO angestrebten ‚holistic<br />
approach‘, also dem ganzheitlichen ansatz auf dem gebiet der<br />
schiffssicherheit, zur Verfügung.“<br />
AucH In DER bInnEnFAHRgAsTscHIFFFAHRT TuT sIcH VIEL<br />
Doch nicht nur in der hochseePassagierschifffahrt werden<br />
dank des einsatzes des germanischen Lloyd weitere Fortschritte<br />
auf dem gebiet der schiffssicherheit erzielt. auch in<br />
der Binnenschifffahrt vollziehen sich Veränderungen. ullrich:<br />
„Flussschiffkreuzfahrten erfreuen sich einer wachsenden<br />
Beliebtheit mit der Folge, <strong>das</strong>s <strong>für</strong> <strong>die</strong>ses segment zahlreiche<br />
neue schiffe gebaut werden. gleichzeitig wächst <strong>die</strong> erkenntnis,<br />
<strong>das</strong>s auch bei <strong>die</strong>sen schiffen mehr getan werden kann,<br />
um <strong>die</strong> allgemeine schiffssicherheit zu verbessern.“ immerhin:<br />
Während ein Fahrgastbinnenschiff im Wortsinne schnell<br />
<strong>das</strong> rettende ufer erreichen kann, ist <strong>die</strong>s einem hochseeschiff<br />
in der Regel verwehrt. hier sind schiffsführung, Besatzung<br />
und <strong>die</strong> <strong>Passagiere</strong> im Zweifelsfall auf sich selbst gestellt.<br />
und <strong>für</strong> <strong>die</strong>se situation gilt es, so optimal wie möglich vorbereitet<br />
zu sein. ullrich: „als germanischer Lloyd wollen wir<br />
dazu unseren Beitrag leisten.“ ■ EHA<br />
Weitere informationen: andreas ullrich, Leiter schiffssicherheit, tel. +49 40<br />
36149-454, andreas.ullrich@gl-group.com<br />
nonstop 1/2006 1<br />
Fotos: LaiF (1)