LATE BEETHOVEN LATE BEETHOVEN - Luisa Guembes-Buchanan
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Bagatelle 7 ist reich an kontrastierenden und gegensätzlichen<br />
Ideen. Maynard Solomon weist auf diese kompositorische<br />
Vorliebe Beethovens (in Beziehung zu den<br />
Diabelli Variationen) hin und bemerkt dazu: „Er erreicht<br />
die Möglichkeit, jede erdenkliche Metapher von großen<br />
Gegensätzen zu mobilisieren: zwischen einer Miniatur und<br />
dem Unendlichen, dem Grashalm und dem Sternenzelt,<br />
dem Irdischen und dem Unirdischen, dem Profanen und<br />
dem Heiligen, dem Niedrigsten und dem Göttlichen“. 40<br />
Mit einem Pedaltriller, der von einer Stimme in die nächste<br />
wandert, einem scherzando-Abschnitt von bequemem und<br />
ruhigem Zuschnitt passt Bagatelle 7 in solche Beschreibung.<br />
Wenn jedoch der Anfang mit veränderter Harmonie und<br />
Ausdehnung wiederkehrt, ändert sich alles. Der Basstriller<br />
poltert, während eine graduelle Intensivierung, die durch<br />
rhythmische Diminution und den Anstieg in höhere Lage<br />
erreicht wird, schneller und schneller wird, höher und<br />
höher, bis die angesammelte Energie überschwappt in<br />
ein absteigendes Schlussarpeggio. Beethoven verwendete<br />
rhythmische Verkleinerung in anderen späten Werken. Die<br />
Sonaten op. 109, 110 und 111 fallen einem ein, ebenso der<br />
ostinato-Triller im Bass am Schluss von op. 106.<br />
Die Bagatelle Nr. 8 hat, wie Nr. 7, eine enge<br />
Verbindung zu den Diabelli Variationen. In meinen Ohren<br />
ist diese Bagatelle, die auch in C-Dur steht, die tonale<br />
Lösung zur Zweideutigkeit am Beginn ihrer Vorgängerin.<br />
Bagatelle 9 ist ein weniger kompliziertes, wundervoll tanzähnliches<br />
Stück. Bagatelle 10 ist Beethovens kürzestes einzeln<br />
veröffentlichtes Werk. Es ist von synkopierter Struktur,<br />
die bis zum letzten Takt beibehalten wird. Ich hatte großen<br />
Spaß daran, es zu spielen.<br />
Bagatelle 11 mit der Bezeichnung innocentemente<br />
e cantabile repräsentiert Beethoven in seiner lyrischsten<br />
Eigenschaft. Einfach, choralähnlich im Charakter, hat<br />
sie gemeinsame Züge mit anderen Werken, zum Beispiel<br />
mit Fidelio, der Neunten Sinfonie und dem Violinsolo im<br />
Benedictus der Missa solemnis. Es ist verwunderlich, eine<br />
Verwandtschaft zwischen diesen kleinen Klavierstücken und<br />
Werken mit anderen Instrumentalschemata und Genres von<br />
Beethoven festzustellen und dies als Ergebnis eines – laut<br />
Kindermann – „überraschenden Bedeutungsreichtums“<br />
herzuleiten. 41<br />
Noch eine Bemerkung zur Aufführung dieser Stücke:<br />
Bekanntlich versuchte Beethoven mehrfache Publikationen<br />
seiner Werke zu organisieren. Diese waren aber mit<br />
Möglichkeiten für mehrfache Fehler verbunden, was davon<br />
abhing, wer von wem abschrieb usw. In der Bagatelle Nr.<br />
1, Takt 19-20 habe ich mich für die Schlesinger-Version