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Menschen in Auflösung. Systemische Therapie mit KlientInnen, die ...

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Materialien zur <strong>Menschen</strong>kunde II, 2<br />

Unterscheidung der Geister, Besessenheit, Mystik). Sobald sich Psychiatrie und Psychotherapie im<br />

Zuge zunehmender Säkularisierung der Seele anzunehmen beg<strong>in</strong>nen, werden Störungen unter dem<br />

Begriff der Krankheit beschrieben und behandelt – das bedeutet aber nicht, dass sie nicht auch noch<br />

ganz anders zu betrachten wären. Angesichts der Jahrhunderte langen Ause<strong>in</strong>andersetzungen über<br />

Fragen des Zugangs zur Wirklichkeit und zu sich als jenem, das <strong>die</strong>se Wirklichkeit zugleich erfährt<br />

und gestaltet, sollte man jedenfalls nicht davon ausgehen, dass das Ich oder <strong>die</strong> Unterscheidung<br />

zwischen Ich und Welt e<strong>in</strong>fach und selbstverständlich ist.<br />

Man könnte – metaphorisch gesprochen – <strong>die</strong> Probleme e<strong>in</strong>es <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>em „Ich“ als<br />

Problem e<strong>in</strong>es psychischen Immunsystems sehen - es handelt sich häufig um Grenzkonflikte. Es ist<br />

nicht klar, was <strong>in</strong>nen und außen, was fremd und vertraut, was freundlich und fe<strong>in</strong>dlich ist. Daraus<br />

ergeben sich Abhängigkeit, Ohnmacht, Diffusität, Angst und diverse Abwehr- und<br />

Distanzierungsmechanismen, z.B. Rigidität, Rückzug, Projektion und Spaltung.<br />

Ich-Diffusitäten und Ich-Unklarheiten unterschiedlichster Art s<strong>in</strong>d normal, sobald <strong>die</strong> umgebende<br />

Welt ihre E<strong>in</strong>deutigkeit bzw. vielleicht eher Handhabbarkeit verliert. Das Ich beg<strong>in</strong>nt dann auf<br />

unterschiedliche Art an sich selbst und se<strong>in</strong>er Welt zu zweifeln und <strong>die</strong> Grenzen zwischen <strong>in</strong>nen und<br />

außen zu begreifen und auszuloten – z.B. bei schwierigen K<strong>in</strong>dheits- oder gegenwärtigen Situationen<br />

oder denkerischer Infragestellung des vormals Selbstverständlichen (Philosophie) bzw. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Umgebung, <strong>die</strong> ke<strong>in</strong> Interesse an e<strong>in</strong>em konsistenten Ich mehr zu haben sche<strong>in</strong>t (Postmoderne). Das<br />

bedeutet, dass Probleme <strong>mit</strong> dem Ich immer auch auf Probleme <strong>mit</strong> der Welt h<strong>in</strong>weisen –<br />

zum<strong>in</strong>dest, was <strong>die</strong> K<strong>in</strong>dheitsgeschichte betrifft. Der ich-konstituierende Prozess, der es im<br />

Normalfall trotz aller <strong>in</strong>neren Unklarheiten schafft, sich e<strong>in</strong>er ebenso unklaren Welt gegenüber zu<br />

stellen und sie zu gestalten, wird gestört. Man könnte auch sagen, dass jenes Phänomen, das<br />

Unterscheidungen im Kont<strong>in</strong>uum und <strong>in</strong> der Verwaschenheit produziert und da<strong>mit</strong> im Dienst des<br />

Überlebens Grenzen schafft, wo ke<strong>in</strong>e se<strong>in</strong> müssten, <strong>in</strong> Zeiten der Störung zuviel <strong>die</strong>ser<br />

unerträglichen Unklarheit h<strong>in</strong>durch lässt.<br />

Beispiele für mögliche Probleme:<br />

Um sich kreisen — Egozentrik<br />

Sich <strong>mit</strong> anderem verwechseln — Projektion<br />

Sich auflösen — Depersonalisation<br />

Sich vergessen — Amnesie<br />

Sich hassen — Schuld und Scham<br />

Sich begehren — Narzissmus<br />

Sich beherrschen — Domestizierung<br />

Sich manipulieren — Strategie<br />

Sich des<strong>in</strong>tegrieren — Multiplizität<br />

Sich und anderen etwas vormachen — Pseudoidentität<br />

Sich verlassen — Depression

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