NUN - Ausgabe 4, Mai/Juni 2006 - Nun-Zeitschrift
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Wie kann man einen Modellcharakter aus dem gesamten Leben des Gesandten<br />
entwickeln, der auch für einen europäischen Menschen ohne weiteres als<br />
vorbildlich zu erkennen wäre?<br />
Das Modell muss in dem Handeln liegen, in dem praktischen Beispiel. Jedesmal, wenn ein<br />
Muslim positive Handlungen vollführt, wird man ihn fragen, warum-wieso-von woher<br />
beeinflusst etc. Da kann er erwidern: ich folge dem Beispiel des Propheten Mohammed<br />
(saws). Solcherart verbindet sich vielleicht der Begriff „Mohammed“ mit positivem<br />
Handeln und ein besseres Vorbild kann ich mir nicht denken.<br />
Hat das Bild des Gesandten Mohammed nicht durch die Jahrhunderte zu<br />
sehr durch die Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Christen<br />
gelitten? Durch die Übertragung der Funktion Jesu wurde auf die Funktion<br />
des Gesandten Mohammed geschlossen und in Analogie zu Christen - die<br />
Muslime Mohammedaner genannt, was erst in den letzten Jahren korrigiert<br />
wurde.Was können Muslime machen, um die durch die Jahrhunderte<br />
entstandenen Zerrbilder zu korrigieren?<br />
Es waren gerade persönliche Angriffe auf die Lebensführung des Menschen Mohammed,<br />
die von christlichen Theologen des Mittelalters und der frühen Neuzeit geführt wurden,<br />
um so auch den Propheten Mohammed zu diskreditieren. Dabei wurden gerade im Vergleich<br />
von Jesus und Mohammed die ganz unterschiedlichen Rollen und spezifischen<br />
Aufgaben unterschlagen und extreme Gegensätze konstruiert (Jesus=Frieden, Muhammad=Krieg,<br />
etc.). Diese Art der Apologetik hat sich auch bis heute gerade bei fundamentalistischen<br />
christlichen Zirkeln erhalten.Viele ungerechtfertigte Vorwürfe belasten daher<br />
bis heute das muslimisch-christliche Verhältnis.<br />
Der Begriff „Mohammedaner“ ist ja in mehr als einer Hinsicht falsch: wir Muslime ehren<br />
den Gesandten, aber verehren im Gottesdienst nur den Schöpfer (im Gegensatz zu<br />
Christen); niemals nannten sich die Anhänger des Islam „Mohammedaner“, denn die<br />
Definition lief immer über das Wortfeld „Islam-Muslim“.Auch hatte der Begriff „Mohammedaner“<br />
immer auch eine stark abwertende Bedeutung bei Christen.<br />
Die Zerrbilder in der Vorstellung der europäischen Gesellschaften sind eine jahrhundertelang<br />
gepflegte und nun auf aller Schultern sitzende Belastung: die Christen schleppen<br />
diese Vorstellungen mit sich herum, Muslime müssen sich mit den Folgen (nämlich negativer<br />
Haltung und Handlung seitens der Nichtmuslime) dieser Bilder auseinandersetzen.<br />
Der Muslim muss - auch wenn es nicht immer günstig dazu aussieht - versuchen, durch<br />
positive Berichte und Beispiele der Propheten-Geschichte den Nicht-Muslimen ein<br />
Gegenbild zu vermitteln; nur so fühlt sich doch jemand herausgefordert, auch den<br />
eigenen Standpunkt neu zu betrachten<br />
Wenn in deutschen Schulen Bibelausgaben von nichtmuslimischen Schülern<br />
respektlos auf den Boden geworfen werden, setzen die muslimischen Kinder<br />
sich ein und nehmen die Bibel vom Boden. In Zusammenhang mit dem Karikaturenstreit<br />
gebracht: wie haben Sie den Karikaturenstreit als ein Muslim,<br />
dem das Liebste der Gesandte Mohammed ist, erlebt? Was fehlt dem<br />
„aufgeklärten Europäer“ im Umgang mit ihren Mitmenschen?<br />
<strong>NUN</strong> - <strong>Ausgabe</strong> 4, <strong>Mai</strong>/<strong>Juni</strong> <strong>2006</strong><br />
Das sind mehrere Fragen, die sich nur in einem Punkt berühren: dem Aspekt des unbedingt<br />
zu Würdigenden, in dem Sinne: „dem Heiligen“. Auch wenn die Bibelausgaben<br />
nicht der Originaltext von Jesus sind, fühlt sich ein muslimischer Schüler mehr als<br />
unangenehm berührt, wenn der Text auf dem Boden liegt. Er spürt, hier geht es um<br />
etwas ganz anderes als nur einen x-beliebigen Text auf dem Boden. Hier steht die<br />
Bibelausgabe symbolisch für den Gesamtrespekt der Gläubigen vor ihrer jeweiligen<br />
Religion. So war ja auch der Karikaturenstreit keineswegs eine Auseinandersetzung von<br />
Christen offen bekennender Art und Muslimen: es war die künstlich hervorgerufene<br />
Konfrontation eines pseudo-liberalen Habitus, der in seiner areligiös-selbstgefälligen Art<br />
seiner Ansicht Weltgeltung erzwingen wollte.<br />
Der Prophet44