Buch - Integrale Psychotherapie
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48 W. M. Weinreich: <strong>Integrale</strong> <strong>Psychotherapie</strong><br />
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Wie in der Beschreibung der großen Kette des Seins angedeutet, sind Ebenen,<br />
Quadranten und Entwicklungslinien als Qualitäten deutlich unterscheidbar,<br />
doch sind die Übergänge zwischen ihnen fließend, da die verschiedenen<br />
Bereiche in ständiger Wechselwirkung miteinander stehen und<br />
sich außerdem permanent weiterentwickeln. 55 Das hier vorgeschlagene<br />
Modell ist lediglich der Versuch, dieses Entwicklungskontinuum logisch zu<br />
strukturieren.<br />
Aus der Korrelation der Quadranten untereinander leitet Wilber ein weiteres<br />
Prinzip ab, das er Tetra-Evolution, bzw. Tetra-Emergenz nennt: Da alle<br />
Quadranten miteinander korrelieren, hat jeder Punkt auf einer Entwicklungslinie<br />
ein adäquates Pendant gleicher Komplexität auf der korrespondierenden<br />
Linie in den anderen Quadranten. So führt auch jede Veränderung<br />
in einem Quadranten grundsätzlich irgendwann zu Änderungen in den<br />
anderen Quadranten. 56 Dadurch gibt es eine ständige Wechselwirkung zwischen<br />
inneren und äußeren, individuellen und kollektiven Bereichen eines<br />
jeden Holons, was dazu führt, daß auch Entwicklung, die von einem Quadranten<br />
ausgeht, letztendlich in allen Quadranten und auf allen Entwicklungslinien<br />
stattfindet, wenn auch vielleicht mit zeitlicher Verzögerung. Dieses<br />
Prinzip der Tetra-Evolution führt direkt zum AQAL-Konzept: daß eine<br />
integrale Wissenschaft die Aufgabe hätte, prinzipiell alle Quadranten und<br />
alle Ebenen zu erforschen und daß auch der bewußte Einfluß auf Entwicklung<br />
immer alle Quadranten und alle Ebene berücksichtigen müßte. 57 In der<br />
Praxis schlägt sich das dergestalt nieder, daß jede Einzelwissenschaft, die ja<br />
eine Teilmenge bzw. einen Ausschnitt eines Holons auf einer oder mehreren<br />
Ebenen betrachtet, obwohl sie gewöhnlich ihren Schwerpunkt in einem<br />
55<br />
Dies mag am Beispiel der Quadranten des Holon »Mensch« verdeutlicht werden.<br />
Hier sind die Körperempfindungen der äußerste Bereich des inneren Quadranten<br />
und das Verhalten der innerste Bereich des äußeren. Und wie der Psychotherapeut<br />
in das Verhalten eingreift und oftmals auch körperliche Veränderungen<br />
erzeugt, greift der Psychiater mittels körperlich wirkender Medikamente<br />
in Gefühle und Gedanken ein.<br />
56<br />
vgl. Wilber, 1997b, S. 184; Wilber, 2001a, S. 131<br />
57 vgl. Wilber, 2001a, S. 205-209<br />
gekürzte Onlineversion 49<br />
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Quadranten hat, immer auch die Korrelationen in den anderen Quadranten<br />
berücksichtigen muß. Bezogen auf das Holon »Mensch« ließen sich wichtige<br />
Wissenschaftsbereiche folgendermaßen darstellen:<br />
kollektiv individuell<br />
innen<br />
Psychologie<br />
außen<br />
Medizin<br />
Soziologie und<br />
Anthropologie Politik- und Wirtschaftswissenschaft<br />
Ab b . 1.6: Wi ssensc ha ft i n a l l e n Qua d r a nt en<br />
Auch ohne Bezug auf die Quadrantentheorie werden diese Bereiche in der<br />
Praxis von vielen Wissenschaften berücksichtigt. So finden sie in der Psychologie<br />
bsw. ihren Ausdruck in den Unterdisziplinen Klinische Psychologie,<br />
Biologische und Neuropsychologie, Arbeits- und Organisationspsychologie<br />
sowie Sozialpsychologie – adäquates gilt für die <strong>Psychotherapie</strong> als einem<br />
wichtigen Anwendungsgebiet.<br />
D i e V er s c hr ä nk ung der Gr oßen Ke t t e des S e i ns mi t dem Q ua dr a nt enm od el l<br />
f ühr t zu ei ne r we i t e r e n l og i s che n Abl ei t ung : Wenn a l l es , wa s si ch na t ür l i ch<br />
e nt wi ck e l t ha t , ei n H ol on i s t und di e K e t t e v on H ol onen in H ol onen in H ol o-<br />
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