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Buch - Integrale Psychotherapie

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76 W. M. Weinreich: <strong>Integrale</strong> <strong>Psychotherapie</strong><br />

________________________________________________________________________________<br />

die 3 natürlichen Bewußtseinszustände: der Wachzustand, der Traumschlaf<br />

und der Tiefschlaf. 111 Weiterhin gibt es auch veränderte Bewußtseinszustände:<br />

Da ist einmal die Regression auf frühere Bewußtseinsebenen, z.B. durch<br />

Krankheiten, kritische Lebensereignisse, psychotherapeutische Intervention<br />

oder Drogen. Zum anderen gibt es die Gipfelerfahrungen – nach Maslows<br />

P ea k E xp er i e nce s , auch a l s außergewöhnliche Bewußtseinszustände be z ei ch-<br />

net – di e dur ch ps y c hot he r a pe ut i s c he Int e r v e nt i on, kr i t i s c he Le be ns e r e i g ni s s e ,<br />

e i ni g e ps y che de l i s c he Subs t a nze n ode r dur ch ei ne kont i nui e r l i che sp i r i t ue l l e<br />

P r a xi s a us g e l ös t we r de n k önne n. 112 Wä hr end di e oben g e na nnt en na t ür l i c hen<br />

B ew ußt s e i ns z us t ä nde über w i e g e nd unbe w ußt er f a hr e n wer de n, we r de n di e<br />

v er ä nde r t e n m ei s t be wußt er l e bt bz w. sog a r bew ußt her be i g e f ühr t .<br />

Gipfelerlebnisse haben für die individuelle Entwicklung eine besondere Bedeutung,<br />

da sie eine temporäre und eingeschränkte Vorwegnahme von zukünftig<br />

zu erreichenden Bereichen des Bewußtseins sind. Eingeschränkt<br />

deshalb, weil die Grundstrukturen der Ebene, mit der sich das Selbst gerade<br />

identifiziert, als begrenzende Filter wirken. So kann ein Mensch auf dem<br />

Drehpunkt 2 durchaus die subtilen oder kausalen Ebenen als Zustände erfahren,<br />

wird aber bsw. ihre besonderen Qualitäten nicht im vollen Umfange<br />

erleben und ermessen können, da er die dafür notwendigen kognitiven<br />

Wahrnehmungs- und Verarbeitungsfähigkeiten noch nicht entwickelt hat. 113<br />

111<br />

Die Korrespondenz dieser Zustände mit verschiedenen Entwicklungsebenen des<br />

Bewußtseins sowie den drei Hauptselbstlinien spielt für das hier behandelte<br />

Thema eine untergeordnete Rolle, ist aber für die transpersonale Entwicklung<br />

wichtig. Demzufolge korrespondieren miteinander (vgl. Wilber, 2001a, S. 29 ff):<br />

· Wachzustand mit den prä- und den personalen Ebenen (D-0 bis D-6) bzw.<br />

dem frontalen Selbst (ICH)<br />

· Traumschlaf mit den transpersonalen, subtilen Ebenen (D-7 bis D-8) bzw. dem<br />

tiefer-psychischen Selbst (Seele)<br />

· Tiefschlaf mit der kausalen Ebene (D-9 bis nondual) bzw. dem ursprünglichen<br />

Selbst (Zeuge)<br />

112<br />

vgl. Wilber, 2001a, S. 30<br />

113<br />

vgl. Wilber, Ausführung G: Zustände und Stufen, auf: http://www.worldofkenwil-<br />

ber.com, 12.12.2004<br />

gekürzte Onlineversion 77<br />

________________________________________________________________________________<br />

Wenn ein Gipfelerlebnis gut integriert wird – d.h. wenn das, was zu erfahren<br />

möglich war, seinerseits in stabile psychische Strukturen umgewandelt<br />

werden konnte – kann dadurch die Entwicklung zur nächsten Bewußtseinsebene<br />

deutlich beschleunigt werden. Andererseits können Gipfelerlebnisse<br />

auch Krisen auslösen, bsw. wenn die (transpersonale) Entwicklung forciert<br />

wurde, ohne das ein genügend weit entwickeltes, stabiles frontales Selbst<br />

(ICH) vorhanden war oder wenn eine spontane Erfahrung nicht integriert<br />

werden konnte, z.B. weil sie aus der vorhandenen Weltsicht heraus abgelehnt<br />

wurde oder kein geeignetes Erklärungsmodell zu Verfügung stand. Der<br />

häufigste Fall dürfte eine verzerrte Integration sein, dadurch verursacht, daß<br />

die Interpretation der Erfahrung nicht von der Ebene des Gipfelerlebnisses,<br />

sondern von der Entwicklungsebene aus geschieht, mit der das Selbst sich<br />

normalerweise gerade identifiziert. So kann z.B. eine nonduale Alleinheitserfahrung<br />

durch die Interpretation vom Drehpunkt 4 aus zum religiösen Fanatismus<br />

für einen mythischen Gott führen. Durch die jederzeit vorhandene<br />

Möglichkeit, natürliche und veränderte Bewußtseinszustände zu erfahren,<br />

hat jedoch jeder Mensch potentiell ständig Zugang zum gesamten Spektrum<br />

des Bewußtseins . 114<br />

Alle hier vorgestellten Bewußtseinsebenen, -linien und -zustände haben<br />

natürlich ihre materiellen Korrelate im Gehirn (individuell-äußerer Quadrant),<br />

die dort auch quantitativ erfaßt werden können, z.B. als Grad der<br />

Neuronenvernetzung, als Neurotransmitterausschüttungen, als EEG-Muster<br />

usw., jedoch sich nicht auf diese reduzieren lassen, da damit der qualitative<br />

Aspekt in Form des inneren Erlebens (Qualia) samt seiner Bedeutung, die es<br />

für das Individuum hat, ignoriert würde. Man beachte, daß dadurch die<br />

Große Kette in 3 Dimensionen erscheinen kann: Als Ebene der äußeren<br />

Realität, als Ebene des Bewußtseins und als temporärer Bewußtseinszustand:<br />

Ein Mensch auf einer bestimmten Bewußtseinsebene des Selbst kann<br />

in einem bestimmten Bewußtseinszustand bestimmte Ebenen des Seins<br />

wahrnehmen. 115<br />

114<br />

vgl. Wilber, 2001a, S. 30 ff<br />

115<br />

vgl. Wilber, 2001a, S. 262 f

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