Buch - Integrale Psychotherapie
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72 W. M. Weinreich: <strong>Integrale</strong> <strong>Psychotherapie</strong><br />
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kann übersprungen werden. Jedoch kann das Selbst aufgrund seiner Identifikationsfähigkeit<br />
auch längere Zeit teilweise oder ganz auf einer Ebene verharren,<br />
bzw. sich mit einer früher bewältigten Entwicklungsebene identifizieren,<br />
also regredieren, während andere Entwicklungslinien sich weiterentwickeln!<br />
105 Damit ist die Identifikationsfunktion des Selbst die einzige<br />
Möglichkeit, rückwärts zu gehen, das heißt, gegen den Strom der Evolution<br />
zu schwimmen!<br />
*GEIST*<br />
nichtdual<br />
GEIST<br />
D-9 kausales Selbst<br />
Seele<br />
D-8 subtiles Selbst<br />
D-7 astral-psych. Selbst<br />
D-6 Zentaur<br />
transpersonal<br />
Vernunft<br />
D-5 reifes Ego<br />
D-4 Rollen-Selbst<br />
D-3 Selbst-Konzept<br />
D-2 emotionales Selbst<br />
personal<br />
Leben<br />
D-1 physisches Selbst präpersonal<br />
D-0 perinatale Grundmatrizen<br />
Ab b . 1.13: Id ent i fi k a t i on des S el bst es mi t de n E nt w i ck l ung sebenen (na ch Wi l ber , 1997b)<br />
105<br />
vgl. Wilber, 2000, S. 33, 45-49, 218 ff; Dort setzt er sich auch mit der Kritik an<br />
der Linearität auseinander. Da sich die verschiedenen Entwicklungslinien unterschiedlich<br />
schnell entwickeln und da sich das Selbst durch Annahme verschiedener<br />
temporärer Bewußtseinszustände auf den Entwicklungsebenen vor- und zurück<br />
bewegen kann – die Identifikation also eher ein Schwerpunkt ist – erscheint<br />
die Entwicklung des Individuums insgesamt oft nicht linear. Doch entwickelt sich<br />
z.B. das formal-operationale Denken nie vor dem konkret-operationalen.<br />
gekürzte Onlineversion 73<br />
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Mit dem Erreichen jeder neuen Ebene tritt das Selbst in eine völlig neue<br />
Welt, mit eigenem Selbstgefühl, eigenen Formen der Wahrnehmung, der<br />
kognitiven Verarbeitung, der Moral, Weltsicht, Bedürfnisse, Objektbeziehungen<br />
etc. 106 Die Übergangsphasen werden oftmals als Krisenzeiten<br />
(Trotzphase, Pubertät etc.) erlebt. Aufgrund der Konsistenz des Selbstgefühles<br />
und der weichen Grenzen zwischen den Ebenen wird es dem Betroffenen<br />
jedoch meistens nicht bewußt, daß er einen großen Entwicklungsschritt<br />
getan hat, obwohl sich die qualitativen Veränderungen zweifelsfrei nachweisen<br />
lassen (z.B. Piagets Experimente, Kohlbergs moralische Kriterien).<br />
Den Übergang nennt Wilber (nach Blanck & Blanck) Drehpunkte. Deshalb<br />
werden die Selbstebenen im weiteren Verlauf auch als Drehpunkte D-0 bis<br />
D-9 und nondual bezeichnet. Wenn im folgenden pauschal von Personen<br />
auf Ebene 5 oder D-5 gesprochen wird, ist damit immer die Ebene gemeint,<br />
mit der sich das Selbst gerade identifiziert – unabhängig davon, auf welcher<br />
Ebene sich einzelne Entwicklungslinien in ihrer Entwicklung gerade befinden<br />
mögen.<br />
Das Loslassen der Identifikation mit einer Ebene wird vom Selbst als eine Art<br />
Tod erfahren – diese Schwierigkeit nimmt es nur auf sich, wenn das Leben<br />
auf der nächsthöheren Ebene verspricht, Probleme zu lösen und Bedürfnisse<br />
zu befriedigen, für die es auf der aktuellen Ebene keine Lösung bzw. Befriedigung<br />
gibt. 107 Es gibt also einen Impuls zur Beharrung, um die Krise des<br />
Übergangs zu vermeiden, der dem Entwicklungsimpuls entgegensteht.<br />
Durch den Wechsel von einer Bewußtseinsebene zur nächsten expandiert<br />
das Selbst: Da die vorhergehenden Ebenen als distales Selbst mit eingeschlossen<br />
werden und als Fähigkeiten weiter zur Verfügung stehen, wird es<br />
immer umfassender. Damit gewinnt es an Freiheit, Autonomie und Möglichkeiten.<br />
Gleichzeitig ist eine beständige Abnahme der Ich-Zentriertheit zu<br />
beobachten: Das Selbst entwickelt sich vom egozentrischen zum soziozentrischen<br />
zum weltzentrischen zum universellen; es übernimmt also immer<br />
mehr Verantwortung und berücksichtigt bei seinen Entscheidungen immer<br />
mehr Bereiche der Existenz: zuerst ausschließlich sich selbst, später seine<br />
106<br />
vgl. Wilber, 2001a, S. 55<br />
107<br />
vgl. Wilber, 2001a, S. 52 f