knock on wood!
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2 ApRIl ‘09 18 Kritisiert<br />
identitätssuche am Weltfrauentag: natalia Murariu und karen D. savage, Foto: Markus Biemann<br />
STATIONEN EINES<br />
fRAUENlEBENS<br />
„WHo is WHo“ v<strong>on</strong> natalia murariu<br />
und Karen d. savage in der<br />
büHne der Kulturen<br />
lanGe, BevOr Die planunGen zuM kölner tanzhaus<br />
kOnkret WerDen, kOMMt BeWeGunG in Die GrOsse kölner<br />
tanzszene. unter anDereM verstärkt Die Bühne<br />
Der kulturen ihr tanzprOGraMM DeutliCh.<br />
vor der bewegung ist das Wort: rilke wird auf eine leinwand projiziert – „ich lebe mein<br />
leben in wachsenden ringen“. die lyrische Widmung gilt der vorstellung „Who is Who“<br />
der beiden tänzerinnen und choreografinnen natalia murariu und Karen d. savage.<br />
Passend zu ihrem sujet der weiblichen identitätssuche war die Premiere im arkadastheater<br />
(bühne der Kulturen) auf den Weltfrauentag gelegt werden worden.<br />
die Performance beginnt mit einem solo v<strong>on</strong> natalia murariu. den Körper umspannt<br />
v<strong>on</strong> einer sackähnlichen dehnbaren stoffbahn, liegt sie auf dem boden. die videoprojekti<strong>on</strong><br />
greift ihre bewegungen auf, vergrößert das tasten der Hände. schließlich ist die<br />
geburt vollbracht und natalia murariu tanzt stati<strong>on</strong>en eines frauenlebens: Pubertät,<br />
Heirat, mutterschaft bis hin zu alter und tod. vom bewegungs und ausdrucksrepertoire<br />
ist die choreografie deutlich v<strong>on</strong> der tanzik<strong>on</strong>e martha graham inspiriert – emoti<strong>on</strong>al<br />
und kraftvoll, tanz als sprache der seele begreifend. doch bei allem interesse für<br />
ausflüge in die geschichte des modern dance, so ist doch nicht zu leugnen, dass sich<br />
hier Kitsch und Pathos die Hände reichen.<br />
mit der amerikanerin Karen d. savage erhält die in moskau geborene murariu, die<br />
ihre Karriere 1973 an der staatsoper bukarest begann, eine starke und dynamische<br />
Partnerin. Karen d. savage kam als tänzerin für das musical „saturday night fever“<br />
nach Köln. die beiden frauen setzen in ihrem expressiven duett auf starke schwarz<br />
WeißK<strong>on</strong>traste und einen exakt gearbeiteten einklang in der bewegung. der zweite<br />
teil der Performance setzt das frausein in reinen tanz um, das video spielt keine rolle<br />
mehr. das ist recht gefällig anzusehen und auch ungewöhnlich, solche art musikalisch<br />
gestützte bewegung in wehenden Kleidern und ohne k<strong>on</strong>zeptuellen überbau wird<br />
ja im freien Kölner tanz nur selten geboten. allein: dem ganzen haftet eine tänzerische<br />
selbstverliebtheit an, die das verhandelte thema auf der bühne in der fikti<strong>on</strong> belässt.<br />
um relevanz geht es hier nicht. eher sch<strong>on</strong> um die veräußerlichung v<strong>on</strong> innerlichkeit.<br />
man sollte wieder mehr rilke lesen.<br />
sanDra nuY<br />
keine terMine iM april, DaFür iM Mai: Bühne Der kulturen, 17. 5.<br />
zwischen kind, Greisin und der stuhlschwerkraft: suna Göncü, Foto: Wolfgang Weimer<br />
AUS DER WElT<br />
GEfAllEN<br />
die WacHsfabriK in<br />
rodenKircHen Wurde als neuer<br />
sPielort für tanz eröffnet<br />
enDlOse autOFahrt. auF einen parkplatz Mit GrOssen<br />
pFützen ruMpeln. ein einsaMes neOnliCht Brennt Die<br />
WOrte „Barnes CrOssinG“ an, Das in Der WaChsFaBrik<br />
ansässiGe ChOreOGraFen-netzWerk.<br />
und dann stolpert man zu fuß um ein buntes Künstlerhäuschen, atelierräume und einen<br />
großen schornstein herum, vorbei am reizenden Wachsfabrikcafé – und ist mitten<br />
in Kölns neuer tanzlocati<strong>on</strong>. Hell, cool, irgendwie aus der Welt gefallen.<br />
drinnen wird mit zuschauerarrangements gespielt. in „rauschen“ v<strong>on</strong> barbara fuchs,<br />
einer „begehbaren tanzplastik“, sitzen die zuschauer auf stühlen mitten auf der bühne.<br />
das licht geht aus, stimmengewirr erhebt sich aus diktaph<strong>on</strong>en, die an die Wände<br />
m<strong>on</strong>tiert sind. vier schwarzgekleidete tänzerinnen schlängeln sich um die stuhlinseln,<br />
winden sich durch zuschauerfüße und schmale Hockerbeine. das elektr<strong>on</strong>ische gewirr<br />
wird zum brausen, zum lokomotivstampfen und maschinellen meeresrauschen. natur<br />
oder maschine? immer wieder verschwimmt beides im laufe der 40 minuten, für die<br />
der elektr<strong>on</strong>ikmusiker Jörg ritzenhoff, live zugegen, krasse und grandiose Klangwelten<br />
entwirft. die tänzerinnen dringen einander durch die Körper, durchklettern sich in<br />
zweierpaaren, nehmen einander sekundenweise in besitz – selten so aufregende bewegungserfindungen<br />
gesehen. auf tänzerisch hohem niveau rasen sie durch den raum,<br />
jede hat mehrere soli. schließlich führen, schleppen, nötigen sie die zuschauer v<strong>on</strong><br />
den stühlen, drängen sie an den bühnenrand, entsorgen ihre taschen und Jacken. zum<br />
schluss liegt eine v<strong>on</strong> ihnen zwischen den umgedrehten stuhlbeinen, die nun wie die<br />
stacheln eines seeigels aussehen oder wie ein schwarzes feld aus schilf.<br />
dagegen fällt der zweite teil des abends, frau K. v<strong>on</strong> suna göncü, so reizend sie auch<br />
ist, leider etwas ab. das nervöse fräulein im rosa Kleid kämpft mit einem überdimensi<strong>on</strong>alen<br />
stuhl, mit trippelschritten schiebt sie ihn in die raummitte, die zuschauer sitzen<br />
brav in stuhlreihen. ein versp<strong>on</strong>nenes, rätselhaftes und ältliches Wesen bei eifrigen<br />
verrichtungen. sie klappt lehnen um, säubert sitzflächen, enthüllt, setzt drauf, rutscht<br />
aus, entfaltet eine Picknickdecke, führt eine diashow ohne bilder vor – irgendwann, altgeworden,<br />
hat man vielleicht nur blinde flecken der erinnerung. sie hüpft wie ein vogel,<br />
nervös und hastig, mit minimalem bewegungsaufwand. dann wieder wiegt sie den<br />
oberkörper hin und her, schwankt zwischen Kind und greisin, ist versp<strong>on</strong>nen aus zeit<br />
und Welt gefallen, kämpft gegen die stuhlschwerkraft. das erzählt atmosphärisch die<br />
geschichte einer einsamen, alten frau, entwickelt aber kaum tänzerischen sog.<br />
zwei Wochen später lockt erneut die Wachsfabrik zu einer dritten uraufführung. „Present<br />
as absent“ ist eine zwanzigminütige Kurzchoreografie v<strong>on</strong> s<strong>on</strong>ia franken, inspiriert<br />
v<strong>on</strong> dem 1996 im museum ludwig bei einer Performance verunglückten tänzer<br />
James saunders. es ist s<strong>on</strong>ntagnachmittag, Kinder tollen. man darf sich überall hinsetzen,<br />
wo laken sind. durch den notausgang kommt eine frau herein und ruft kryptische<br />
Worte. eine andere tastet sich an einer Wand entlang, lautlos immer höher. die erste<br />
fällt auf eine matte, bedeckt sich mit einem mantel. ein fotograf schießt bilder, die als<br />
dias auf den rohen schwarzen WachsfabrikWänden erscheinen. sie spielen mit ihren<br />
scharfen, deformierten schatten an der dunklen Wand. tänzerisch ist es nicht herausragend<br />
– aber kräftig und akrobatisch. auf einmal hängt eine Performerin v<strong>on</strong> der decke,<br />
schaukelt immer schneller, vom schatten verstärkt, bis schlagartig alles zu ende ist. es<br />
sind dramaturgisch spannende zwanzig minuten geworden, die vorstufe zu einem längeren<br />
abend. Köln hat einen wunderbaren neuen tanzort für aufführungen und tanzexperimente<br />
gefunden. man sollte sich auf die fahrt einlassen.<br />
terMine iM april: siehe WWW.Barnes-CrOssinG.De<br />
DOrOthea MarCus<br />
19 2 ApRIl ‘09<br />
vorgescHaut<br />
Geschichten v<strong>on</strong> ersten Malen vom théâtre en Flammes aus lausanne und Futur3 aus köln, Foto: isabelle Meister<br />
ERSTE KüSSE<br />
IM SCHWEIGEN<br />
DEN WAlDE<br />
das festival<br />
„globalize:cologne“ geHt im<br />
aPril in die zWeite runde<br />
im februar hat es beg<strong>on</strong>nen, bis Juni läuft das Kölner theaterfestival „globalize:cologne“<br />
noch – aber in fünf langen m<strong>on</strong>aten kann die spannung der ersten tage sch<strong>on</strong><br />
mal nachlassen. Wie in jeder beziehung eben. trotzig hat das Kölner ensemblenetzwerk<br />
„freihandelsz<strong>on</strong>e“ das motto des festivals deshalb auch „first Kiss“ genannt – und behauptet<br />
einfach, dass die feuer der ersten begegnung immer wieder auflodern können.<br />
im aprilblock v<strong>on</strong> „globalize:cologne“ kommen flammen jedenfalls auch vor: die Kölner<br />
gruppe futur3 koproduziert mit dem théâtre en flammes aus lausanne ein zweisprachiges<br />
„geständnismusical“.<br />
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es war der lieblingss<strong>on</strong>g manch düsterer Pubertätsstunde. minutenlang rauschen<br />
die psychedelischen Klänge v<strong>on</strong> the cures „a forest“ im saal. „look into the trees,<br />
find the girl if you can. i’m lost in a forest, all al<strong>on</strong>e.“ auf der bühne tut sich derweil:<br />
nichts. nervös beginnen die zuschauer hin und herzurutschen. genüsslich wird die<br />
l<strong>on</strong>gversi<strong>on</strong> v<strong>on</strong> „a forest“ zuendegespielt, bis hinter dem gazevorhang geisterhaft<br />
eine alte frau und ein Kind auftauchen. sie umarmen sich – oder bringt die frau das<br />
Kind um? unmerklich ändern sich gesten und erzählen auf einmal ganz andere, unheimliche<br />
geschichten.<br />
alpträuMe unD arChaisChe änGste<br />
das ensemble „massimo furlan“, das im letzten Jahr sch<strong>on</strong> beim festival theater<br />
der Welt und bei den Wiener festwochen furore gemacht hat, spielt in „s<strong>on</strong>o qui per<br />
l’amore“ mit alpträumen und archaischen (Kindheits)ängsten. für deutsche hat ein<br />
dunkler Wald auch noch eine ganz andere metaphorische bedeutung, liegt darin doch<br />
gewissermaßen die ursituati<strong>on</strong> v<strong>on</strong> deutscher romantik und sehnsucht. Jörg fürst vom<br />
Kölner a.t<strong>on</strong>altheater hat massimo furlan eingeladen, weil der abend in einem interessanten<br />
spannungsverhältnis zu seiner letzten inszenierung steht, roland schimmelpfennigs<br />
„ende und anfang“: „Während massimo furlan ganz ohne Worte auskommt,<br />
hat unser abend sehr viele Worte“, sagt er, „bei uns geht es um abgerissene lebensläufe,<br />
bei denen sich menschen neu definieren müssen, bei massimo furlan um beginnende:<br />
der übergang v<strong>on</strong> Kindheit zum erwachsenenalter.“ lustig schwebt ein glänzender<br />
rehball<strong>on</strong> über die gazebühne, kleine Kinderprinzessinnen lächeln sich zu engelsgesängen<br />
an, dann tritt ein gnom dazu und kippt den zarten moment. nebelschwaden<br />
ziehen, Hexen winden sich, geifernde Hunde mit zartblauen negligés kläffen, „ich bin<br />
im Wald verloren“, flüstern Kinder auf französisch. showgirls strecken bedrohlich ihre<br />
beine aus, satan taucht aus dem dunkel auf und wird zu einem schmierigen König. er<br />
bietet einem kleinen Prinzen eine zigarette an – und wird v<strong>on</strong> ihm erschossen. der zuschauer<br />
ist nur auf seine assoziati<strong>on</strong>en angewiesen, die zu suggestiver musik vom märchenhaften<br />
ins grausame kippen. das erinnert an den italienischen theatermacher<br />
romeo castellucci, der mit ähnlichen unbewussten alptraumbildern arbeitet – und ist<br />
definitiv eine in Köln s<strong>on</strong>st eher unterrepräsentierte theaterform. „globalize:cologne“<br />
ist damit ein großer coup gelungen.<br />
es GiBt zu WeniG internatiOnale Gastspiele in köln<br />
im april ist die Kölner gruppe futur3 an der reihe: sie hat das „théâtre en flammes“<br />
eingeladen – eine der interessantesten freien gruppen aus der Westschweiz. „la première<br />
fois“, das erste mal, spielt ebenfalls mit dem festivalmotto – und zugleich ist<br />
es ein wirkliches erstes mal, da es bei „globalize:cologne“ noch nie vorgekommen<br />
ist, dass gäste und gastgeber gemeinsam auf der bühne stehen. zusammen erzählen<br />
sie in zwei sprachen und zu ausgeklügelter musik v<strong>on</strong> allen möglichen ersten malen<br />
des lebens, pathetischen, peinlichen, großartigen, denunzierenden. natürlich der erste<br />
sex, aber auch der erste comic, schultag, der erste tote freund. aber stimmt das<br />
auch? die geschichten entstehen sp<strong>on</strong>tan, spielen mit lüge und Wahrheit, verweben<br />
sich – und nach und nach entsteht so ein vielstimmiger, poetischer chor.<br />
„globalize: cologne“ wäre kein echtes festival, wenn es nicht auch ein beiprogramm<br />
hätte, extra zum 60. geburtstag der brd. in der plüschigen raucherbar „King georg“ lesen<br />
schauspieler v<strong>on</strong> futur3 am 18. april aus Parlamentsprotokollen aus ost und West<br />
– eine ir<strong>on</strong>ischhistorische collage voller ehrenworte, misstrauensvoten, rüstungsdebatten<br />
und zwischenrufen. in der lutherkirche kommt es einen tag später zu einem<br />
schrägen K<strong>on</strong>zert: die frauenvokalband Kitka aus san francisco präsentiert slawische<br />
sirenengesänge – zum ersten und einzigen mal in deutschland.<br />
„es gibt zu wenig internati<strong>on</strong>ale gastspiele in Köln“, ist andré erlen v<strong>on</strong> futur3 überzeugt.<br />
deshalb seien die direkten Künstlerbegegnungen v<strong>on</strong> Kölner gruppen mit europäischen<br />
theatermachers so wichtig. ende mai ist stephanie thiersch an der reihe, im<br />
Juni präsentiert das theater51grad.com seine lieblinge.<br />
terMine iM april:<br />
théâtre en FlaMMes, alte FeuerWaChe, 2., 3., 4.<br />
Futur3, kinG GeOrG, 18.<br />
kitka, Martin-luther-kirChe, 19.<br />
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