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Die Presse Schaufenster

Die Presse Schaufenster 13-06-28

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Randerscheinung<br />

von Florian Asamer<br />

Der Nachzügler wollte also für seinen<br />

ersten Wandertag im Kindergarten<br />

seine Fußballschuhe anziehen.<br />

Seine Fußballschuhe sind echte Stoppler,<br />

die noch vom Mittleren da sind. Sie<br />

sind ihm noch irrsinnig viel zu groß<br />

(wenn man wie im Schuhgeschäft versucht,<br />

die große Zehe zu tasten, findet<br />

man die ungefähr dort, wo normalerweise<br />

der Mittelfuß sitzen sollte). Aber<br />

er zieht sie schon selbst an, geht damit<br />

auch ohne zu murren größere Strecken,<br />

trainiert eifrig mit dem Ball und<br />

ist überhaupt wahnsinnig stolz auf sie.<br />

Trotzdem versuche ich ihm also vorsichtig<br />

beizubringen, dass Fußballschuhe<br />

für den Wandertag nicht unbedingt<br />

die allerbeste Wahl sind. Worauf<br />

er meint: „<strong>Die</strong> sind aber urgeil für den<br />

Gegner.“ Meinem Einwand, dass am<br />

Wandertag aber nicht unbedingt mit<br />

Gegnern zu rechnen sein wird, fehlt es<br />

zunächst an Überzeugungskraft.<br />

Wobei ich natürlich zugeben muss,<br />

dass man das leider nicht verlässlich<br />

sagen kann. Bei den Wandertagen, an<br />

die ich mich noch so erinnern kann,<br />

wimmelte es nur so von Gegnern. <strong>Die</strong>jenigen,<br />

die einem den Sitzplatz neben<br />

dem bevorzugten Freund im Bus streitig<br />

machen wollten. <strong>Die</strong>jenigen, die<br />

jene Kinder ärgerten, die heißen Pfefferminztee<br />

in der Thermoskanne mithatten<br />

statt zucker- und kohlensäurehältiger<br />

Softdrinks. <strong>Die</strong>jenigen, die<br />

immer sehr weit wandern wollten statt<br />

uns in Ruhe spielen zu lassen. Überhaupt<br />

waren alle Ganztagswandertage,<br />

bei denen man für einen entfallenen<br />

Schulvormittag gleich einen ganzen<br />

freien Nachmittag drauflegen musste,<br />

eine kaum zu überbietende Ungerechtigkeit.<br />

Ich habe den Kleinen am Ende<br />

überzeugen können, seine Fußballschuhe<br />

gegen normale Turnschuhe zu<br />

tauschen. Seine Gegner wird es gefreut<br />

haben. Er selbst hat nicht viel davon<br />

mitbekommen: Er ist auf dem Rückweg<br />

erschöpft eingeschlafen. s<br />

S c h l u S S<br />

„Als Fotograf<br />

muss man<br />

ein Modell<br />

zum Blühen<br />

bringen.“<br />

<strong>Die</strong> deutsche Fotografin Herlinde<br />

Koelbl entdeckt an ihrem Beruf<br />

durchaus floristische Facetten.<br />

Impressum<br />

Medieninhaber, Redaktion und Herausgeber:<br />

„<strong>Die</strong> <strong>Presse</strong>“ Verlags-Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 1030 Wien, Hainburger Straße 33.<br />

Tel.: 01/514 14-Serie. E-Mail: schaufenster@diepresse.com vorname.name@diepresse.com<br />

Geschäftsführung: Dr. Michael Tillian (Vorsitz), Mag. Herwig Langanger.<br />

Chefredaktion: Rainer Nowak. Chefredaktion <strong>Schaufenster</strong>: Mag. Petra Percher.<br />

Stellvertretende Chefredaktion: Mag. Daniel Kalt. Chefin vom <strong>Die</strong>nst: Mag. Anna Burghardt.<br />

Mode/Kosmetik: Mag. Petra Percher, Mag. Daniel Kalt. Wohnen/Design: Mag. Norbert Philipp.<br />

Essen/Trinken: Mag. Anna Burghardt. Kultur: Barbara Petsch mit Feuilleton-Redaktion.<br />

Fotoredaktion: Mag. Christine Pichler. Mode/Beauty/Foto: Mag. Barbara Zach. Programm:<br />

Magdalena Mayer. Produktion: „<strong>Die</strong> <strong>Presse</strong>“ Content Engine GmbH. & Co KG. Reise: Michael<br />

Reichel. Produktion und Grafik: M.S.C. Medien Service GmbH. Art Direction: Matthias Eberhart.<br />

Bildbearbeitung, Grafik: Christian Stutzig, Patricia Varga.<br />

Anzeigen: „<strong>Die</strong> <strong>Presse</strong>“ Media GmbH & Co KG. Geschäftsführer: Peter Syrch.<br />

Art Copyright: VBK/Wien. Hersteller: Niederösterreichisches <strong>Presse</strong>haus, Druck- und<br />

Verlagsgesellschaft m.b.H., 3100 St. Pölten, Gutenbergstraße 12.<br />

<strong>Die</strong> Ich-Pleite<br />

von Annemarie<br />

In New York“, sag ich zu meiner<br />

guten Freundin, „kommt man sich<br />

ziemlich alt vor.“ Wir schlendern<br />

durch Soho, und seit drei Blocks kommen<br />

uns nur U23 entgegen. „In diesem<br />

Alter“, jammere ich, „kann man<br />

natürlich noch solches Zeug tragen!“<br />

Ich deute auf die hauchdünnen Fähnchen,<br />

die knapp unterm Hintern<br />

enden. <strong>Die</strong> gute Freundin verdreht<br />

die Augen. Am nächsten Morgen<br />

komme ich fast nicht mehr aus dem<br />

Bett. Knieschmerzen, Hüftschmerzen,<br />

ich habe vermutlich Arthrose. Im<br />

Badezimmerspiegel sehe ich eine<br />

gebückte Gestalt. <strong>Die</strong> Menschen auf<br />

der Straße sind über Nacht noch jünger<br />

geworden, während ich im<br />

Galopptempo körperlich abbaue. Es<br />

ist wie beim Bildnis des Dorian Gray.<br />

Nur umgekehrt. Zu Mittag bekomme<br />

ich fast keine Luft mehr, und beim<br />

Überqueren des Times Square muss<br />

ich mich dreimal hinsetzen. In den<br />

Augen der jugendlichen Passanten<br />

lese ich: „You should have come here<br />

when you were young.“ Ich stöhne.<br />

<strong>Die</strong> gute Freundin schaut genervt. In<br />

der U-Bahn zieht’s. Vermutlich werde<br />

ich Halsweh bekommen und dann<br />

eine Lungenentzündung. In meinem<br />

Alter kann das schon gefährlich sein.<br />

Zwei junge Männer beobachten uns<br />

mitleidig. Sie stehen auf. Ich lasse<br />

mich mit einem dankbaren Lächeln<br />

niederplumpsen. Einer sagt etwas<br />

Freundliches zu mir. Ich höre ja schon<br />

schlecht, aber bestimmt erinnere ich<br />

ihn an seine Granny in Pennsylvania.<br />

Meine gute Freundin grinst. „<strong>Die</strong> wollen<br />

uns zu einem Kaffee einladen!“ Ich<br />

schaue sie groß an. Sie zieht mich mit<br />

einem kräftigen Ruck auf die Beine:<br />

„Wie kann man nur soooo ein großes<br />

Jetlag-Theater veranstalten! Und übrigens“,<br />

ihr Grinsen wird noch breiter,<br />

„Hot Pants hast du auch keine getragen,<br />

als du noch 25 warst!“ Auch wieder<br />

wahr. s<br />

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50 <strong>Schaufenster</strong><br />

Illustration: Nina Ober

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