Tief Luft holen und loslegen - Archiv - Personalwirtschaft
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<strong>Personalwirtschaft</strong><br />
Magazin für Human Resources<br />
extra<br />
12 2009<br />
Ro<strong>und</strong> Table | Whistleblowing | Dienstwagen | Flash Mobs | Datenschutz<br />
Arbeitsrecht<br />
Krise als Turbo für<br />
Veränderungen
<strong>Tief</strong> <strong>Luft</strong> <strong>holen</strong> <strong>und</strong> <strong>loslegen</strong><br />
Inhalt<br />
Keine Frage des Gesetzes<br />
Im Ro<strong>und</strong> Table-Gespräch diskutierten<br />
Arbeitsrechtler über die Handlungsmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> Herausforderungen<br />
der Personalentscheider in der Krise. | 4<br />
Es gilt das<br />
geschriebene Wort<br />
In Zeiten des Sparens rückt die Kürzung<br />
von Boni <strong>und</strong> anderen Gehaltsbestandteilen<br />
in den Blick. Dies ist aber nicht<br />
einfach. | 10<br />
Wenn es hart auf hart kommt, wie bei vielen<br />
Unternehmen in der aktuellen Wirtschaftskrise,<br />
dann sollen schnelle <strong>und</strong> effektive Mittel gef<strong>und</strong>en<br />
werden, um den Betrieb am Leben zu halten.<br />
Wenn da nicht das Arbeitsrecht wäre. In den<br />
verschiedensten Bereichen wirkt es sich bei<br />
der Krisenbewältigung – von der Kostenkontrolle<br />
über Datenschutz bis zu betriebsbedingten<br />
Kündigungen – aus. Im Ro<strong>und</strong> Table-Gespräch<br />
haben Arbeitsrechtler die derzeit wichtigsten<br />
Herausforderungen diskutiert <strong>und</strong> festgestellt, dass<br />
manches nicht ganz einfach zu ändern ist (Seite 4).<br />
Wie ein roter Faden zieht sich das Motiv der Krise<br />
durch dieses gesamte erste Sonderheft zum Arbeitsrecht.<br />
Ob es um die Kürzung von Boni geht<br />
(Seite 10), die Neuerungen im Streikrecht, mit denen<br />
sich krisengebeutelte Mitarbeiter neue Formen<br />
Sich rüsten für die Zeit danach<br />
Bei manchen Aufgaben, die HR-Abteilungen<br />
in der Krise zu meistern haben, ist die Hilfe<br />
von Fachanwälten nötig. Doch oft geht es<br />
um rein bürokratische Angelegenheiten.<br />
Ein Krisenbericht. | 14<br />
Der akzeptierte Mob<br />
Flash Mobs als Aktionen im Arbeitskampf<br />
wurden gerichtlich vor Kurzem erlaubt.<br />
Doch müssen sich Unternehmen alles<br />
gefallen lassen? | 18<br />
Im Radar der Kostenkontrolle<br />
Auslandsentsendungen sind kostspielig. Ob<br />
<strong>und</strong> wie hier gespart werden kann, ist von<br />
vielen Faktoren abhängig. Dabei reicht es<br />
nicht, den Einsatz schlicht zu beenden. | 20<br />
Und immer wieder<br />
offene Fragen<br />
Der Dienstwagen ist Motivationsfaktor <strong>und</strong><br />
wichtiges Arbeitsmittel. Obwohl weit verbreitet,<br />
treten hier oft Probleme auf, besonders<br />
bei der Rückgabe des Fahrzeugs. | 24<br />
Gefahrlos Aufklären<br />
Wer als Whistleblower Missstände<br />
aufdecken will, hat es schwer. Aber auch<br />
für aufklärungswillige Personalabteilungen<br />
stellen sich viele Fragen. | 28<br />
Blutprobe bitte,<br />
sonst kein Vertrag<br />
Scheinbar gar nicht so wenige Unternehmen<br />
lassen im Bewerbungsverfahren<br />
Bluttests durchführen. Dafür gibt es<br />
durchaus gute Gründe. Ginge es aber<br />
nicht auch ohne? | 31<br />
Das Leid mit den<br />
Krankheiten<br />
Längere Erkrankungen oder plötzliche<br />
Beeinträchtigungen der Arbeitsfähigkeit<br />
sind erhebungstechnisch ein heikles<br />
Thema. Welche Informationen über<br />
Krankheiten dürfen überhaupt dokumentiert<br />
werden? | 32<br />
Impressum | 34<br />
EDITORIAL<br />
des Gehörs verschaffen (Seite 18) oder um das<br />
Sammeln von Ges<strong>und</strong>heitsdaten (Seite 32): Veränderungen<br />
stehen an <strong>und</strong> wollen bewältigt werden.<br />
Sehr schnell stoßen die Personalverantwortlichen<br />
dabei an rechtliche Grenzen, die sie oft gar nicht kennen.<br />
Und: Kommt es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen<br />
über die gewünschten Änderungen, ist ein<br />
schneller Change eher nicht machbar.<br />
Aber es gibt sie, die Stellschrauben, die dem<br />
Unternehmen Beweglichkeit <strong>und</strong> <strong>Luft</strong> verschaffen –<br />
man muss sie nur kennen.<br />
Ihre<br />
Nancy Schnittker<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 3
ARBEITSRECHT Ro<strong>und</strong> Table<br />
4<br />
Keine Frage des Gesetzes<br />
Über arbeitsrechtliche Handlungsmöglichkeiten in der Krise diskutierten Arbeitsrechtler beim Ro<strong>und</strong><br />
Table der <strong>Personalwirtschaft</strong>. Unter der Leitung von Professor Frank Maschmann, Dekan der juristischen<br />
Fakultät der Universität Mannheim, berichteten sie über die Problematik des Arbeitnehmerdatenschutzes<br />
<strong>und</strong> sprachen über den Regelungsbedarf von Compliance-Richtlinien in Unternehmen.<br />
D<br />
as deutsche Arbeitsrecht bietet zahlreiche Möglichkeiten,<br />
Personalabbau zu vermeiden <strong>und</strong> Personalkosten<br />
in der Krise zu steuern: Vom Ausgleich der Arbeitszeitkonten,<br />
Anordnung von Urlaub, dem Abbau übertariflicher<br />
Zulagen <strong>und</strong> Sondervergünstigungen bis zur<br />
Gewährung unbezahlten Sonderurlaubs <strong>und</strong> andere. Etliche<br />
dieser Maßnahmen greifen derzeit in Unternehmen,<br />
manche wurden durch das Konjunkturpaket II erst möglich,<br />
wie die Kombination von Kurzarbeit <strong>und</strong> Qualifizierung.<br />
Die meisten der Instrumente können nicht einseitig<br />
durch den Arbeitgeber eingeführt werden, sondern es<br />
bedarf einer Regelung im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder<br />
in einer Betriebsvereinbarung. Spätestens an dieser Stelle<br />
ist das Know-how der Arbeitsrechtler gefragt.<br />
In der Praxis, so berichten die Experten, sind viele der<br />
Instrumente zur Anwendung gekommen, um Arbeitsplätze<br />
zu sichern. Im Gegensatz zu vergangenen Arbeitsmarktkrisen<br />
hat auch ein Paradigmenwechsel stattgef<strong>und</strong>en.<br />
Ulrich Fischer, der als Rechtsanwalt <strong>und</strong> Arbeitsrechtler<br />
vorrangig Arbeitnehmer vertritt, stellt fest: „Anders<br />
als vor zehn Jahren ist das Thema Kurzarbeit positiv<br />
besetzt, da aufgr<strong>und</strong> der demografischen Entwicklung<br />
qualifizierte Mitarbeiter gehalten werden sollen. Auch<br />
denkt man jetzt kreativer über weitere Möglichkeiten<br />
nach, Arbeitszeit <strong>und</strong> -kosten zu verringern. Insgesamt<br />
ist die Krise ein Beispiel dafür, dass ein Lerneffekt sowohl<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
auf Seiten der Arbeitgeber als auch bei den Arbeitnehmern<br />
<strong>und</strong> Betriebsräten eingetreten ist.“<br />
Kapazitätsüberhänge ausgleichen<br />
Personalüberhänge frühzeitig zu erkennen, ist aktuell<br />
eine der zentralen Aufgaben der Personalplaner, die<br />
Beschäftigtenabbau in großem Umfang vermeiden wollen.<br />
Wenn die Gleitzeitkonten leer sind, die Kurzarbeit als<br />
Brücke auch nicht mehr greift <strong>und</strong> eine Kapazitätsauslastung<br />
noch nicht in Sicht ist, könnte der unbezahlte<br />
Urlaub – etwa das Sabbatical – ein probates Mittel darstellen.<br />
Allerdings beobachten die Arbeitsrechtler, dass von<br />
diesen Angeboten wenig Gebrauch gemacht wird.<br />
Bernd Weller von der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek<br />
sagt: „Sabbaticals sind eher für Mitarbeiter in den<br />
Branchen geeignet, die in der Vergangenheit sehr gut verdient<br />
haben <strong>und</strong> finanziell abgesichert sind.“ Dies trifft<br />
auf gewerbliche Mitarbeiter nicht zu. Aber auch bei allen<br />
anderen Gruppen hat diese Form der Auszeit ein Akzeptanzproblem.<br />
Ein Gr<strong>und</strong>: „Vor einigen Jahren wurden Mitarbeiter,<br />
die ein Sabbatical in Anspruch nehmen wollten,<br />
dahingehend stigmatisiert, dass ihr Engagement in Zweifel<br />
gezogen wurde. Häufig unterstellte man, dass sie die<br />
Unternehmensziele nicht so mittragen, wie es das Unternehmen<br />
erwartet. Mittlerweile entwickelt sich der unbezahlte<br />
Urlaub zum Instrument, um in bestimmten Berei-
chen Überhänge für eine begrenzte Zeit<br />
zu managen“, so Gerhard Schmalz von der<br />
Kanzlei Schmalz Rechtsanwälte. Allerdings<br />
erlebten die Mitarbeiter in der Vergangenheit<br />
auch, dass die Rückkehr nach<br />
einem Sabbatical ähnlich wie nach einer<br />
Auslandsentsendung nicht unproblematisch<br />
ist. „Wer nicht im Unternehmen ist,<br />
geht das Risiko ein, dass er möglicherweise<br />
nachher nicht mehr gebraucht wird.<br />
Gerade in der jetzigen Wirtschaftslage<br />
begeben sich weniger Mitarbeiter in eine<br />
unbezahlte Urlaubszeit, deshalb stellt es<br />
in der Breite kein geeignetes Instrument<br />
dar“, meint Roland Falder, Arbeitsrechtler<br />
bei Taylor Wessing.<br />
Aber es gibt auch andere Erfahrungen, nach<br />
denen es gerade jetzt Mitarbeitern leichter<br />
fällt, ein Sabbatical zu nehmen. „Die<br />
äußere Motivlage ist nicht mehr nur egoistisch,<br />
sondern altruistisch – die Mitarbeiter<br />
bringen sogar zuvorderst ein Sonderopfer<br />
in der Krise, <strong>und</strong> zeigen damit<br />
Solidarität mit dem Arbeitgeber“, so Volker<br />
Werxhausen, CBH Cornelius Bartenbach<br />
Haesemann & Partner.<br />
Beschäftigungssicherung: Geben<br />
<strong>und</strong> Nehmen<br />
In der Krise beschäftigen sich viele Arbeitsrechtsexperten<br />
aber besonders mit der<br />
Gestaltung von Beschäftigungssicherungsvereinbarungen,<br />
die Unternehmen finanzielle<br />
Verbesserungen gegenüber der<br />
gegenwärtigen (tariflichen) Situation<br />
einräumen sollen. Als Gegenleistung kommen<br />
verschiedene, zeitlich befristete<br />
Regelungen zum Einsatz wie das Verbot<br />
betriebsbedingter Kündigungen, Ausgliederungsverbote,<br />
die Reduzierung oder<br />
Erhöhung der Wochenarbeitszeit (letzteres<br />
ohne Erhöhung der Bezüge), die Kürzung<br />
von Vergütungsbestandteilen oder<br />
sonstige Maßnahmen mit vergleichbaren<br />
Einspareffekten.<br />
Umgesetzt werden sie beispielweise durch<br />
einen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag.<br />
Alternativ kommt ein solcher<br />
Sanierungstarifvertrag in Form eines<br />
Haustarifvertrages in Betracht. Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
möglich, jedoch faktisch kaum recht-<br />
lich umsetzbar, ist der Abschluss einer<br />
Betriebsvereinbarung. Auch kommen<br />
formlose Regelungsabreden mit dem<br />
Betriebsrat in Betracht. „Diese müssen<br />
jedoch, da sie nicht unmittelbar auf die<br />
Arbeitsverhältnisse einwirken, jeweils<br />
einzelvertraglich bestätigt werden. Denn<br />
Arbeitsverträge weisen regelmäßig Bezugnahmen<br />
auf Tarifverträge auf“, erklärt<br />
Prof. Dr. Stefan Lunk von Latham & Watkins.<br />
Diese Gefahr sehen aber sowohl Arbeitgeber<br />
als auch Betriebsräte nicht. „Ist ein<br />
Sanierungstarifvertrag abgeschlossen,<br />
besteht das Risiko, dass über die Bezugnahmeklausel<br />
Mitarbeiter die Vereinbarungen<br />
später unterlaufen, indem sie sich<br />
auf die alten Regelungen berufen“, so<br />
Lunk. Arbeitgeber sollten am Besten eine<br />
möglichst hohe Quote von einzelvertraglichen<br />
Bestätigungen vor Abschluss von<br />
Sanierungstarifverträgen umsetzen. Erfahrungsgemäß<br />
lasse sich das im Mittelstand<br />
eher umsetzen als bei Großunternehmen.<br />
Optionen offenhalten<br />
Wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
jedoch nicht wie gewünscht<br />
entwickeln, müssen Exit-Möglichkeiten<br />
„ Die Anforderungen des Marktes <strong>und</strong><br />
die zunehmende Häufigkeit gerichtlicher<br />
Auseinandersetzungen werden<br />
dazu führen, dass mittelständische<br />
Unternehmen sich mit Compliance-<br />
Regeln auseinandersetzen müssen.“<br />
Roland Falder, Rechtsanwalt,<br />
Fachanwalt für Arbeitrecht, Taylor Wessing<br />
„<br />
Die Mitarbeiter müssen die<br />
Compliance-Regeln einhalten,<br />
deshalb sollten HR <strong>und</strong> Betriebsrat<br />
rechtzeitig eingeb<strong>und</strong>en werden.“<br />
Ulrich Fischer, Rechtsanwalt,<br />
Fachanwalt für Arbeitsrecht,<br />
Kanzlei Ulrich Fischer<br />
gesichert sein. Entscheidend ist, dass eine<br />
Klausel eingeführt wird, in der eine Sachlage<br />
definiert wird, die ein Sonderkündigungsrecht<br />
gewährt, betont Roland Falder.<br />
„Beispielsweise kann man betriebswirtschaftliche<br />
Kenndaten festlegen, um nicht<br />
mit einem letzten rechtlichen Rettungsanker,<br />
wie Wegfall der Geschäftsgr<strong>und</strong>lage,<br />
argumentieren zu müssen.“<br />
Aus Arbeitgebersicht ist die Vereinbarung<br />
von Sonderkündigungsklauseln<br />
immer oberstes Ziel. Eine Vereinbarung<br />
zur Standort- oder Beschäftigungssicherung<br />
birgt Risiken – schließlich gehen<br />
die Arbeitnehmer häufig durch Lohnverzicht<br />
oder ähnliches in Vorleistung. Wie<br />
auf geänderte Umstände reagiert wird,<br />
hängt davon ab, wer die Beschäftigungssicherung<br />
vereinbart hat, berichtet Bernd<br />
Weller. Der Betriebsrat versuche einen<br />
möglichst großen Belegschaftskern – auch<br />
auf Kosten der Gekündigten – zu retten.<br />
Bei gewerkschaftlich betriebenen Beschäftigungssicherungen<br />
würden hingegen<br />
auch die gekündigten Mitarbeiter bedacht.<br />
Eine weitere Exit-Möglichkeit sieht so<br />
aus, dass anstelle des Ausschlusses<br />
betriebsbedingter Kündigungen vereinbart<br />
wird, dass während der Dauer des Beschäf-<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 5
ARBEITSRECHT Ro<strong>und</strong> Table<br />
tigungssicherungspakets Kündigungen<br />
mit der Zustimmung des Betriebrates<br />
durchgeführt werden können, ergänzt<br />
Volker Werxhausen.<br />
Früh die Weichen stellen<br />
Wenn Personalabbau jedoch unvermeidbar<br />
ist, greift zunächst die Sozialauswahl.<br />
Wie man das arbeitsmarktpolitische Instrument<br />
zielführend nutzt, will Moderator Professor<br />
Frank Maschmann wissen. „Die<br />
Sozialauswahl ist leichter geworden, weil<br />
die sogenannte Dominotheorie nicht mehr<br />
greift“, so Dietmar Heise, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft.<br />
Will heißen: Seit 2006<br />
führt ein Fehler bei der Ermittlung der<br />
Sozialauswahl nicht mehr dazu, dass die<br />
Kündigungen aller gekündigten Arbeitnehmer<br />
als unwirksam angesehen wird. Nun<br />
kommt der Fehler nur dem einen Arbeitnehmer<br />
zugute, der bei korrekter Sozialauswahl<br />
nicht zur Kündigung angestanden<br />
hätte.<br />
Generell sollten Personalentscheider bei<br />
der Sozialauswahl die Weichenstellungen<br />
früh vornehmen, rät Stefan Lunk.<br />
„Sie sollten sich zwischen Rechtssicherheit<br />
<strong>und</strong> der Möglichkeit entscheiden, im<br />
Rahmen von größeren Umstrukturierun-<br />
6<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
„<br />
Die Änderungskündigung ist<br />
meist kein kurzfristiges Heilmittel<br />
in der Krise, da sie erst zum<br />
Ablauf der Kündigungsfrist, also<br />
nach Monaten, wirkt.“<br />
„<br />
Dietmar Heise, Rechtsanwalt <strong>und</strong> Partner,<br />
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft<br />
Vor Abschluss von Sanierungstarifverträgen<br />
sollten Arbeitgeber<br />
eine möglichst hohe Quote von<br />
einzelvertraglichen Bestätigungen der<br />
Sanierungsregelungen erreichen.“<br />
Prof. Dr. Stefan Lunk, Rechtsanwalt,<br />
Fachanwalt für Arbeitsrecht,<br />
Latham & Watkins<br />
gen auch Kündigungen gegenüber Mitarbeitern<br />
auszusprechen, von denen sie<br />
sich eher aus Leistungsgesichtspunkten<br />
trennen möchten.“ Rechtssicherheit<br />
lässt sich beispielsweise durch Punkteschemata<br />
erreichen, nimmt dem Arbeitgeber<br />
dann jedoch die Möglichkeit, Leistungsgesichtspunkte<br />
jedenfalls „unterschwellig“<br />
bei der Auswahlentscheidung mit einfließen<br />
zu lassen.<br />
Die Rechtsexperten sehen viele Stellschrauben,<br />
mit denen die Sozialauswahl<br />
beeinflusst werden kann: beginnend<br />
bei der Definition der Vergleichbarkeit<br />
bis zur zielgerichteten Gewichtung der<br />
Sozialkriterien. Auch die Bildung von<br />
Altersgruppen ist ein geeignetes Mittel.<br />
„Die Leistungsträger können aus der<br />
Sozialauswahl herausgenommen werden.<br />
Sollen viele Mitarbeiter auf diese Weise<br />
‚gerettet’ werden <strong>und</strong> kommt man mit der<br />
Vergleichbarkeit nicht zum Ziel, sind<br />
Alternativen beispielsweise der Wechsel<br />
des Arbeitnehmers innerhalb eines<br />
Konzerns <strong>und</strong> die Schaffung von Beförderungsstellen“,<br />
sagt Bernd Weller.<br />
Letztlich bleibt die Sozialauswahl immer<br />
eine Wertungsfrage. Das Fazit von Arbeitnehmeranwalt<br />
Fischer lautet: „Auch wenn<br />
einige gesetzliche Änderungen in den<br />
vergangenen Jahren Erleichterungen<br />
brachten, ist man vor Gericht doch überwiegend<br />
von der Entscheidung des einzelnen<br />
Richters abhängig. Da ein effektiver<br />
Arbeitsplatzschutz fehlt, geht es<br />
deshalb eigentlich nur um Kündigungen<br />
mit oder ohne Abfindung.“<br />
Streitpunkt Namensliste<br />
Der Gesetzgeber hat es 1996 <strong>und</strong> 2004<br />
den Arbeitgebern leichter gemacht, Mitarbeitern<br />
betriebsbedingt zu kündigen.<br />
Eine wichtige Rolle spielt dabei die<br />
Namensliste: Wenn sich Arbeitgeber <strong>und</strong><br />
Betriebsrat gemeinsam auf die Namen<br />
von Arbeitnehmern einigen, denen gekündigt<br />
werden soll, so wird vermutet, dass<br />
die Kündigung durch dringende betriebliche<br />
Erfordernisse bedingt ist. Die Sozialauswahl<br />
selbst kann dann vom Gericht<br />
nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft<br />
werden: „Arbeitgeber <strong>und</strong> ihre Anwälte<br />
würden gerne auf eine Namensliste<br />
zurückgreifen. Aber Namenslisten scheitern<br />
sehr häufig aus ideologischen Gründen.<br />
Betriebsräte lehnen sie ab, weil sie<br />
meinen, damit dem Arbeitgeber die Hand<br />
zur Kündigung der Kollegen zu reichen“,<br />
so Dietmar Heise.<br />
Oft gelingt es nicht, die Namensliste <strong>und</strong><br />
die Auswahlkriterien nach den Vorstellungen<br />
des Arbeitgebers im Rahmen einer<br />
kollektiven Regelung festzulegen. Wenn<br />
dies in Einzelfällen gelungen ist, haben<br />
die Betriebsräte ihre Zugeständnisse von<br />
deutlich höheren Abfindungsregelungen<br />
abhängig gemacht, berichten die Teilnehmer.<br />
Arbeitsrechtler Fischer setzt dagegen:<br />
„Wenn man als Arbeitgeber mit seinem<br />
Betriebsrat eine Namensliste zum<br />
Interessenausgleich vereinbaren will,<br />
kommt es vor allem darauf an, dem<br />
Betriebsrat zu vermitteln, dass die verbleibenden<br />
Arbeitnehmer die Zukunftsfähigkeit<br />
des Betriebs eher gewährleisten können,<br />
als wenn es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen<br />
um die richtige Sozialauswahl<br />
<strong>und</strong> die Leistungsträger kommt.“<br />
Arbeitgeber, die das glaubwürdig vermitteln,<br />
hätten sehr große Chancen, denn
Betriebsräte wollen nicht unbedingt die<br />
Leistungsschwächsten halten, wenn sie im<br />
Sozialplan adäquat <strong>und</strong> sozial ausgewogen<br />
abgef<strong>und</strong>en würden.<br />
(K)eine Frage des Gesetzes<br />
Eine Welle der Entrüstung lösten in den<br />
vergangenen beiden Jahren umfassende<br />
Datenscreenings von Mitarbeitern aus,<br />
was das Thema Arbeitnehmerschutz ins<br />
Bewusstsein rückte. „Als Begründung für<br />
das Screening von Arbeitnehmerdaten<br />
wurde die präventive Korruptionsbekämpfung<br />
ins Feld geführt, vor allem von US-<br />
Unternehmen“, sagt Michael Magotsch,<br />
Office Managing Partner bei DLA Piper.<br />
„Hierzulande gibt es bereits strenge<br />
datenschutzrechtliche Grenzen, die den<br />
gläsernen Mitarbeiter nicht befürchten<br />
lassen. Aber ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz<br />
könnte möglicherweise für zusätzliche<br />
Klarheit sorgen. Vorausgesetzt, dass<br />
die berechtigten Interessen von Arbeitnehmern<br />
an ihrem Persönlichkeitsschutz<br />
<strong>und</strong> von Arbeitgebern an wirksamer<br />
Korruptionsbekämpfung zu einem ausgewogenen<br />
Ausgleich gebracht werden.“<br />
Arbeitnehmerdatenschutzgesetz – ja oder<br />
nein? Darüber diskutierten die Arbeits-<br />
„ Wenn der Gesetzgeber die<br />
Gesetzeslage nicht verbessert,<br />
kann durch Betriebsvereinbarungen<br />
bei der Leistungs- <strong>und</strong> Verhaltenskontrolle<br />
Sicherheit erzielt werden.“<br />
Gerhard Schmalz, Rechtsanwalt,<br />
Schmalz Rechtsanwälte<br />
„<br />
Arbeitgeber nutzen derzeit alle<br />
arbeitsrechtlichen Möglichkeiten, um<br />
Kapazitätsüberhänge auszugleichen.“<br />
Michael Magotsch,<br />
Office Managing Partner, DLA Piper<br />
rechtler genauso kontrovers wie die Politiker.<br />
Bislang richten sich Juristen <strong>und</strong> Personaler<br />
nach den Regelungen des BSDG,<br />
des Gr<strong>und</strong>gesetzes, des Telekommunikations-<br />
<strong>und</strong> Betriebsverfassungsgesetzes <strong>und</strong><br />
der EU-Richtlinie zum Arbeiternehmerschutz.<br />
Laut Koalitionsvertrag soll es einen<br />
verstärkten Arbeiternehmerdatenschutz<br />
geben, innerhalb des B<strong>und</strong>esdatenschutzgesetzes.<br />
„Ich habe keine Hoffnung, dass<br />
neue Gesetze Rechtssicherheit schaffen.<br />
Sie sind selten eindeutig formuliert. Außerdem<br />
sollte bedacht werden, dass neue<br />
Regulierungen meist Handlungsspielräume<br />
für Arbeitgeber einschränken“, bezweifelt<br />
Dietmar Heise.<br />
Außerdem sei ein neuer Arbeitnehmerdatenschutz<br />
für den Arbeitgeber zweischneidig:<br />
Einerseits treffen ihn immer<br />
mehr Pflichten, andererseits werde ihm<br />
verboten, Verstöße effektiv zu verfolgen<br />
<strong>und</strong> zu ahnden. Die Betriebsräte würden<br />
dies häufig noch verschärfen, indem sie<br />
verhindern, dass mit der EDV rechtswidriges<br />
Verhalten der Arbeitnehmer aufgedeckt<br />
oder geahndet werden kann. Dagegen<br />
plädiert Lunk für mehr Rechtssicherheit<br />
seitens des Gesetzgebers. „Dabei<br />
spielt es keine Rolle, ob ein eigenes Arbeit-<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 7
ARBEITSRECHT Ro<strong>und</strong> Table<br />
nehmerdatenschutzgesetz geschaffen wird<br />
oder die bisherigen Regelungen des BDSG<br />
konkretisiert werden. Wir erleben ständig<br />
Beratungssituationen, in denen derzeit<br />
eindeutige, gesetzliche Regelungen<br />
fehlen.“<br />
Wenn die Regierung die Gesetzeslage nicht<br />
verbessert, können Arbeitgeber im innerbetrieblichen<br />
Bereich der Leistungs- <strong>und</strong><br />
Verhaltenskontrolle durch Betriebsvereinbarungen<br />
Sicherheit erzielen. Gerhard<br />
Schmalz sagt: „Jede technische Einrichtung,<br />
die eine Leistungs- <strong>und</strong> Verhaltenskontrolle<br />
herbeiführt, löst Mitbestimmungsrechte<br />
des Betriebsrates aus. Arbeitgeber<br />
können aber im Rahmen der Betriebsvereinbarung<br />
die Einführung <strong>und</strong> Nutzung<br />
der technischen Einrichtung regeln <strong>und</strong><br />
die jeweiligen Auswertungen vereinbaren<br />
– insbesondere, wenn der Verdacht<br />
einer strafbaren Handlung vorliegt.“<br />
Compliance: Ein Job für HR?<br />
Bei der Frage nach der Regelung strafbarer<br />
Handlungen ist das Thema Compliance<br />
nicht fern. Es steht für die Einhaltung<br />
von zahlreichen Bestimmungen, wie den<br />
Vorschriften des Kapitalmarkt-, Wirtschafts-<br />
<strong>und</strong> Kartellrechts sowie gesetzlichen<br />
Standards wie AGG, Sarbanes Oxley<br />
Act <strong>und</strong> anderen. Darüber hinaus umfasst<br />
Compliance interne Standards <strong>und</strong> Werte<br />
der Unternehmenskultur, wie beispielsweise<br />
das Verbot der Korruption. Die im<br />
Dax notierten Unternehmen, die auch die<br />
Regeln nach dem US-Recht einhalten müssen,<br />
haben meist entsprechende Vorbeuge-<br />
<strong>und</strong> Kontrollmechanismen installiert.<br />
Aber auch Mittelständler <strong>und</strong> kleine Unternehmen<br />
müssen nach dem Gesellschaftsrecht<br />
eine angemessene Sorgfaltspflicht<br />
nachweisen, verdrängen jedoch oft noch<br />
die Auswirkungen von Non-Compliance.<br />
„Das größte Problem liegt bei der Implementierung<br />
von Compliance-Regelwerken<br />
nicht auf juristischer Ebene, sondern<br />
in der kulturellen <strong>und</strong> konzeptionellen<br />
Organisation. Es fehlt das Verständnis<br />
bei Betriebsrat <strong>und</strong> Mitarbeitern, gesetzliche<br />
Pflichten aus den USA in Deutschland<br />
einzuhalten“, erläutert Bernd Wel-<br />
8<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
ler. Er sieht das HR-Management vor<br />
einem dramatischen Problem – der Gestaltung.<br />
Häufig müsse HR die Anweisungen<br />
der Muttergesellschaften im Ausland eins<br />
zu eins umsetzen. „Sinnvoller ist es, die<br />
Thematik proaktiv anzufassen <strong>und</strong> zu<br />
klären, welche spezifischen Risiken bestehen<br />
<strong>und</strong> wie Compliance sinnvoll umgesetzt<br />
werden kann.“<br />
Ein anderes Problem in der Praxis: Ein<br />
hoher Anteil an Regelungen unterliegt<br />
der betrieblichen Mitbestimmung. „Es<br />
gibt auch die Möglichkeit, die einzelnen<br />
Regelungen innerhalb eines Code of Conduct<br />
zu strukturieren <strong>und</strong> Regeln zu bündeln,<br />
die nicht der Mitbestimmung des<br />
Betriebsrats unterliegen“, so Volker Werxhausen.<br />
Die übrigen Regelungen könnten<br />
dann einem Mitbestimmungsverfahren<br />
mit dem Betriebsrat zugeführt <strong>und</strong> nach<br />
erfolgreichem Abschluss durch Betriebsvereinbarung<br />
eingeführt werden.<br />
Sicherheit für alle Seiten<br />
„<br />
Insgesamt müssen Arbeitgeber die Akzeptanz<br />
der Mitarbeiter <strong>und</strong> des Betriebsrats<br />
für Compliance-Regelungen deutlich<br />
verbessern. „Den Arbeitnehmern ist in der<br />
Regel ohne entsprechende Aufklärung<br />
Es gibt viele Stellschrauben, mit<br />
denen die Sozialauswahl beeinflusst<br />
werden kann. Auch können<br />
Leistungsträger aus der Sozialauswahl<br />
herausgenommen werden.“<br />
Bernd Weller, Rechtsanwalt,<br />
Fachanwalt für Arbeitsrecht,<br />
Heuking Kühn Lüer Wojtek<br />
„<br />
Engagierte Betriebsräte verwehren<br />
sich nicht gr<strong>und</strong>sätzlich gegen<br />
eine Namensliste, sondern nehmen<br />
ihrerseits die Gestaltungsmöglichkeiten<br />
aktiv an.“<br />
Volker Werxhausen,<br />
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht,<br />
CBH Cornelius Bartenbach Haesemann &<br />
Partner<br />
nicht bewusst, dass Compliance für sie <strong>und</strong><br />
das Unternehmen von maßgeblicher<br />
Bedeutung ist <strong>und</strong> auch bei den Mitarbeitern<br />
für Sicherheit sorgt“, sagt Gerhard<br />
Schmalz.<br />
Ein Schritt auf diesem Weg wäre die breite<br />
Einbindung der Compliance-Beauftragten,<br />
die häufig in den Rechtsabteilungen<br />
angesiedelt sind. „Zur erfolgreichen Erledigung<br />
ihrer Aufgaben sind sie auf die<br />
Kooperation anderer Unternehmensbereiche<br />
<strong>und</strong> gerade auch der HR-Abteilungen<br />
angewiesen. Die zwangsläufig größere<br />
Nähe zu den Arbeitnehmern machen<br />
diese aus meiner Sicht unverzichtbar“,<br />
so Michael Magotsch. Werden heute Compliance-Regelwerke<br />
installiert, sind vorrangig<br />
Controller <strong>und</strong> Gesellschaftsrechtler<br />
damit befasst, bestätigt Ulrich Fischer.<br />
„Erst ganz zum Schluss, wenn es um die<br />
ordnungsgemäße Einhaltung geht, werden<br />
die Arbeitsrechtler <strong>und</strong> das HR-Management<br />
eingeb<strong>und</strong>en“, kritisiert er. „Compliance<br />
ist ein Thema für Menschen <strong>und</strong><br />
nicht für Sachen. Die Mitarbeiter müssen<br />
die Regeln einhalten, deshalb müssen<br />
HR <strong>und</strong> Betriebsrat rechtzeitig eingeb<strong>und</strong>en<br />
werden.“<br />
Christiane Siemann, freie Journalistin, Düsseldorf
ARBEITSRECHT Vergütung<br />
10<br />
Es gilt das<br />
geschriebene Wort<br />
Kosten sparen bei den Gehältern: Ein oft<br />
gehegter Gedanke vieler Personalabteilungen.<br />
Doch vor allem bei vereinbarten variablen<br />
Anteilen wie Boni ist es nicht ganz trivial,<br />
diese dem Mitarbeiter vorzuenthalten.<br />
D<br />
ie Zahlung von Boni <strong>und</strong> anderer Formen variabler Vergütung<br />
ist durch die Wirtschaftskrise in den Fokus der<br />
öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Der Blick richtet sich<br />
dabei meist auf den Bankensektor, darüber hinaus wird die<br />
Vergütung von Managern ganz allgemein kritisch beleuchtet.<br />
In den Medien wird vielfach der Eindruck erweckt, dass<br />
der Wegfall oder zumindest die Kürzung von Bonuszahlungen<br />
bei Führungskräften in Zeiten der Krise als einzig richtige<br />
Reaktion rechtens <strong>und</strong> geboten sind. Auch wenn diese<br />
Sichtweise sehr populär <strong>und</strong> vielfach auch menschlich<br />
nachvollziehbar sein mag, juristisch ist sie in den meisten<br />
Fällen nicht haltbar.<br />
Während sich die öffentliche Diskussion zumeist ohne weitere<br />
Differenzierung um „den Bonus“ dreht, sind juristisch<br />
in der Praxis eine Vielzahl von Varianten leistungs- <strong>und</strong>/oder<br />
zielbezogener variabler Vergütungssysteme zu prüfen <strong>und</strong><br />
zu bewerten. So kann ein Bonus an Umsatz oder Gewinn<br />
des Unternehmens oder einzelner Organisationseinheiten<br />
anknüpfen, er kann in Abhängigkeit von der Entwicklung<br />
eines K<strong>und</strong>enstamms oder konkreter Akquiseerfolge stehen<br />
oder von ganz individuell vereinbarten persönlichen<br />
Zielen abhängen. Die in den jeweiligen Regelungen verwendeten<br />
Begriffe sind entsprechend unscharf <strong>und</strong> vielfältig.<br />
So gibt es neben dem Bonus oder der Prämie auch Tantiemen,<br />
Sonderzahlungen, Stabilisierungszahlungen <strong>und</strong> mehr.<br />
Wie wird die Vereinbarung ausgelegt?<br />
Für alle Erscheinungsformen gilt, dass vor der Frage nach<br />
einem möglichen Eingriff in die variable Vergütung zunächst<br />
die Auslegung der jeweils getroffenen Vereinbarung oder<br />
der gegebenen Zusage steht. Nicht selten wird sich schon<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
dabei eine Anknüpfung an wirtschaftliche Kennzahlen <strong>und</strong><br />
den Erfolg des Unternehmens ergeben. Dann richtet sich<br />
das Ob <strong>und</strong> die Höhe einer Zahlung bereits nach der wirtschaftlichen<br />
Entwicklung des Unternehmens. Ein Bedarf<br />
zur Anpassung in der Krise besteht nicht.<br />
In anderen Fällen liegt die Höhe der variablen Vergütung<br />
ganz oder teilweise im billigen Ermessen des Unternehmens.<br />
Hier sind weite Gestaltungsspielräume gegeben, eine<br />
Orientierung an der wirtschaftlichen Ertragslage ist ohne<br />
Weiteres möglich. Exemplarisch steht ein aktueller Rechtsstreit<br />
vor dem Arbeitsgericht Frankfurt: Mehreren Mitarbeitern<br />
einer Bank waren hohe Bonuszahlungen, allerdings<br />
unter Vorbehalt, in Aussicht gestellt worden. Nach Bekanntwerden<br />
hoher Unternehmensverluste kam nur ein Bruchteil<br />
der ursprünglich angekündigten Summe zur Auszahlung.<br />
Die Klage der Mitarbeiter scheiterte, da es an einem<br />
vertraglichen Anspruch auf die Bonuszahlungen fehlte. Die<br />
Entscheidung des Unternehmens, in der Krise geringere<br />
Boni auszuschütten, war angesichts der vorbehaltenen<br />
Gestaltungsfreiheit nach Meinung des Arbeitsgerichts nicht<br />
zu beanstanden.<br />
„Pacta sunt servanda“<br />
Schwierigkeiten bereiten hingegen die Fälle, in denen ein<br />
Bonus für die Erreichung individuell definierter persönlicher<br />
Ziele zugesagt wird, die nicht in unmittelbarer Beziehung<br />
zur gesamtwirtschaftlichen Situation des Unternehmens<br />
stehen.<br />
Als Beispiel kann auch hier eine jüngere Entscheidung des<br />
Arbeitsgerichts Frankfurt dienen. Einem hochrangigen<br />
Investmentbanker war eine Bleibeprämie unbedingt vertrag
lich zugesagt worden. Das Unternehmen<br />
weigerte sich, die Prämie zu zahlen, <strong>und</strong><br />
berief sich auf die wirtschaftliche Schieflage<br />
des Unternehmens. Das Gericht<br />
bestätigte den Anspruch des Bankers auf<br />
ungekürzte Prämienzahlung, weil die Vereinbarung<br />
als echte „Bleibeprämie“ von<br />
Beginn an nicht in Zusammenhang mit<br />
der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens<br />
stand, sodass diese später auch keinen<br />
Einfluss auf Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Höhe der<br />
Prämiengewährung haben konnte.<br />
Diese Entscheidung verdeutlicht den zentralen<br />
Gr<strong>und</strong>satz des Vertragrechts: Verträge<br />
sind einzuhalten. Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage<br />
beruht das gesamte (Arbeits-)Vertragsrecht.<br />
Jede Partei trägt bei Abschluss<br />
eines Vertrages das Risiko, sich verkalkuliert<br />
zu haben. Realisiert sich dieses Risiko<br />
später, kann es nicht auf den Vertragspartner<br />
abgewälzt werden. Eine Durchbrechung<br />
dieses Gr<strong>und</strong>satzes kommt nur<br />
unter ganz eingeschränkten Voraussetzungen<br />
in Betracht.<br />
Ausnahme: Störung der<br />
Geschäftsgr<strong>und</strong>lage<br />
Eine beschränkte Handhabe zur Anpassung<br />
eines Vertrags kann das Rechtsinstitut<br />
der sogenannten „Störung der Geschäftsgr<strong>und</strong>lage“<br />
bieten. Dieses Instrument wur-<br />
de von der Rechtsprechung in der Zeit<br />
nach dem 1. Weltkrieg entwickelt. Aufgr<strong>und</strong><br />
der historischen Umstände von Weltwirtschaftskrise<br />
<strong>und</strong> Nachkriegswirren<br />
sah das Reichsgericht die Notwendigkeit,<br />
in besonderen Ausnahmefällen gravierende<br />
Störungen des ursprünglichen vertraglichen<br />
Gleichgewichts (die Juristen sprechen<br />
vom vertraglichen Äquivalenzinteresse)<br />
zu „reparieren“. Es entwickelte einen<br />
Anspruch auf Vertragsanpassung <strong>und</strong> in<br />
schweren Fällen sogar das Recht, sich vom<br />
Vertrag ganz zu lösen. Seit 2002 ist dieses<br />
Instrument der Störung der Geschäftsgr<strong>und</strong>lage<br />
in § 313 BGB ausdrücklich<br />
gesetzlich normiert.<br />
Geschäftsgr<strong>und</strong>lage in diesem Sinn sind<br />
die Umstände, die beide Parteien (es reicht<br />
nicht, dass eine Partei bestimmte Erwartungen<br />
hegt) erkennbar zur Gr<strong>und</strong>lage<br />
ihres Vertragsabschlusses gemacht haben.<br />
Wenn nun nicht vorhergesehene Umstände<br />
diese Gr<strong>und</strong>lage gravierend verändern,<br />
kann für eine Partei ein weiteres Festhalten<br />
am Vertrag in seiner bisherigen Form<br />
unzumutbar werden. Voraussetzung dafür<br />
ist, dass die eintretende Veränderung weder<br />
vorhersehbar war, noch der Risikosphäre<br />
einer der Parteien zugewiesen ist. Anerkannt<br />
sind beispielsweise unvorhersehbare<br />
Störungen im Verhältnis der Wertigkeit<br />
von Leistung <strong>und</strong> Gegenleistung,<br />
Leistungshindernisse oder Störungen, die<br />
verhindern, dass der vertragliche Zweck<br />
überhaupt erreicht werden kann.<br />
Die Verschlechterung der wirtschaftlichen<br />
Lage eines Unternehmens kann danach<br />
regelmäßig nicht als Störung der Geschäftsgr<strong>und</strong>lage<br />
angesehen werden. Für das<br />
Arbeitsrecht wird das Risiko einer unternehmerischen<br />
Tätigkeit am Markt ausschließlich<br />
dem Arbeitgeber zugeordnet<br />
(klassisches Arbeitgeberrisiko). Eine wirtschaftliche<br />
Krisensituation ist ein immanentes<br />
<strong>und</strong> damit auch vorhersehbares<br />
Risiko unternehmerischer Betätigung. Dieses<br />
Risiko kann ohne ausdrückliche Vereinbarung<br />
nicht nachträglich auf den Arbeitnehmer<br />
abgewälzt werden. Für diese<br />
gr<strong>und</strong>sätzliche Bewertung spielt es auch<br />
keine Rolle, welche Stellung der Arbeitneh-<br />
mer im Unternehmen bekleidet <strong>und</strong> wie<br />
hoch seine Vergütung ist.<br />
Ausnahme: Änderungskündigung<br />
Stattdessen greift die arbeitsrechtliche<br />
Praxis im Einzelfall auf die Änderungskündigung<br />
zurück. Eine solche richtet sich auf<br />
die Änderung von Arbeitsbedingungen,<br />
die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen<br />
muss. Dazu unterbreitet der Arbeitgeber<br />
dem Arbeitnehmer ein Angebot über<br />
geänderte Vertragsbedingungen <strong>und</strong> verbindet<br />
dies mit einer Kündigung für den<br />
Fall, dass der Arbeitnehmer das Angebot<br />
ablehnt. Anders als bei einer Vertragsanpassung,<br />
die mit dem Instrument der<br />
Störung der Geschäftsgr<strong>und</strong>lage aufgezwungen<br />
wird, hat der Arbeitnehmer bei<br />
der Änderungskündigung immer die Möglichkeit,<br />
zu wählen. Er kann die Änderung<br />
akzeptieren oder das Vertragsverhältnis<br />
beenden.<br />
Besteht die vom Arbeitgeber angebotene<br />
Vertragsänderung allein in einer Absenkung<br />
der bisherigen Vergütung (zum Beispiel<br />
der variablen Vergütung), gelten nach<br />
der Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esarbeitsgerichts<br />
strenge Maßstäbe für die Wirksamkeit<br />
der Kündigung. Der Arbeitgeber<br />
greift nachhaltig in das arbeitsvertraglich<br />
vereinbarte Verhältnis von Leistung <strong>und</strong><br />
Gegenleistung ein. Dies ist nur durch entsprechend<br />
dringende betriebliche Gründe<br />
zu rechtfertigen. Solche Gründe können darin<br />
liegen, dass eine unveränderte Personalkostenstruktur<br />
absehbar dazu führt,<br />
dass die Belegschaft in erheblichem Umfang<br />
reduziert oder der Betrieb geschlossen<br />
werden muss. Das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht<br />
verlangt im Regelfall einen umfassenden<br />
Sanierungsplan des Arbeitgebers, der aufzeigt,<br />
dass trotz aller Kosteneinsparungsmöglichkeiten<br />
die Änderungskündigung<br />
zur Entgeltabsenkung als Sanierungsbeitrag<br />
zusätzlich notwendig ist.<br />
Die Änderungskündigung ist damit außerhalb<br />
einer existenzgefährdenden Krise<br />
des Unternehmens kein taugliches Mittel,<br />
Personalkosten einzusparen. Damit folgt<br />
die Rechtsprechung den dargestellten<br />
Gr<strong>und</strong>sätzen der Vertragstreue, die es nur<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 11
ARBEITSRECHT Vergütung<br />
im Ausnahmefall zulassen, Risiken des<br />
Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer abzuwälzen.<br />
Ausnahme: Finanzsektor?<br />
Nachdem die allgemeinen Instrumente<br />
des Vertragsrechts ersichtlich nicht dafür<br />
bestimmt sind, außerhalb der dargestellten<br />
Ausnahmesituation in das vertragliche<br />
Entgeltgefüge einzugreifen, soll nach verbreiteter<br />
Ansicht jedenfalls für den Finanzsektor<br />
etwas anderes gelten. Im Fokus stehen<br />
dabei die Unternehmen, die vom staatlichen<br />
„Rettungsfonds“ profitieren.<br />
Tatsächlich ist unter dem sperrigen Begriff<br />
des „Finanzmarktstabilisierungsgesetzes“<br />
eine Neuregelung in Kraft getreten, die in<br />
der zugehörigen Verordnung auch Vorschriften<br />
zur Anpassung von Vergütungssystemen<br />
solcher Unternehmen enthält. Bei<br />
genauerem Hinsehen erweisen sich diese<br />
Regelungen aber als wenig tauglich. In<br />
Gesetz <strong>und</strong> Verordnung werden zwar<br />
Soll-Kriterien eines Vergütungssystems<br />
umschrieben, besondere Eingriffsbefugnisse<br />
in bestehende Systeme jedoch nicht<br />
definiert. Der Gesetzgeber hat sich also –<br />
trotz der außergewöhnlichen Situation, in<br />
der sich diese Unternehmen befinden – auch<br />
hier bewusst für die Beibehaltung der dargestellten<br />
allgemeinen Gr<strong>und</strong>sätze des<br />
Zivilrechts entschieden.<br />
Möglichkeiten der Gestaltung<br />
Für ein Unternehmen ergibt sich nach alledem<br />
die zwingende Folgerung, rechtzeitig<br />
Vorsorge zu treffen, um sich Einfluss auf<br />
die Höhe der variablen Vergütung in wirtschaftlichen<br />
Krisen zu sichern. Eine<br />
nachträgliche Intervention kann unter den<br />
gegebenen Voraussetzungen nur sehr<br />
begrenzt wirken. Geeignete Handlungsinstrumente<br />
müssen vielmehr von vornherein<br />
auf der vertraglichen Ebene ansetzen<br />
<strong>und</strong> dem Unternehmen Spielräume eröffnen,<br />
die es in der Krise nutzen kann. Dabei<br />
gibt es keine allgemeine Patentlösung. Das<br />
Recht bietet aber vielfältige Möglichkeiten,<br />
für die jeweils verfolgten Zwecke angemessene<br />
Regelungen zu finden. Denkbar<br />
ist, die Bonussysteme inhaltlich offen <strong>und</strong><br />
12<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
rechtlich unverbindlich zu gestalten <strong>und</strong><br />
dem Unternehmen auf diese Weise weitgehende<br />
Gestaltungsfreiheit einzuräumen.<br />
Dies bietet maximale Sicherheit für das<br />
Unternehmen. Für die Mitarbeiter bleibt<br />
allerdings ungewiss, ob es einen Bonus<br />
gibt <strong>und</strong> wie hoch dieser ausfällt. Die<br />
wohlüberlegte Koppelung von Bonuszusagen<br />
an wirtschaftliche Kennzahlen des<br />
Unternehmens stellt demgegenüber sicher,<br />
dass Boni auch nur im Erfolgsfalle gezahlt<br />
werden müssen. Dabei können auch persönliche<br />
Zielvorgaben einfließen, solange<br />
das Ob <strong>und</strong> die Höhe der Zahlung<br />
durch die Erreichung wirtschaftlicher<br />
Mindestkennziffern entsprechend abgesichert<br />
werden.<br />
Eine Alternative kann eine – sehr detaillierte<br />
– Vereinbarung über die individuelle<br />
variable Vergütung darstellen, die von<br />
einem Widerrufsvorbehalt flankiert wird.<br />
Während die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts<br />
einerseits dem Bedürfnis<br />
des Arbeitgebers entgegenkommt, in der<br />
Krise auch bei den Personalkosten gegensteuern<br />
zu können, bietet die Vereinbarung<br />
dem Mitarbeiter andererseits für den<br />
Regelfall Planungssicherheit.<br />
Nicht vollständig abwälzbar<br />
Als eine Abweichung von dem allgemeinen<br />
Gr<strong>und</strong>satz „Pacta sunt servanda“ unterliegen<br />
Widerrufsklauseln, die vom Arbeitgeber<br />
vorgegeben sind, einer strengen<br />
gerichtlichen Inhaltskontrolle. Ein Interesse<br />
des Arbeitgebers, wegen der Ungewissheit<br />
der wirtschaftlichen Entwicklung<br />
bestimmte Leistungen von vorneherein<br />
flexibel auszugestalten, wird zwar anerkannt.<br />
Durch den Vorbehalt darf aber das<br />
Wirtschaftsrisiko des Unternehmers nicht<br />
vollständig auf den Arbeitnehmer verlagert<br />
werden. Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts<br />
ist zulässig, wenn der widerrufliche<br />
Teil des Gesamtverdienstes unter<br />
25 Prozent liegt. Außerdem verlangt das<br />
B<strong>und</strong>esarbeitsgericht eine möglichst konkrete<br />
Regelung des Grads der wirtschaftlichen<br />
Störung in der Klausel (beispielsweise:<br />
wirtschaftliche Notlage des Unternehmens,<br />
negatives Ergebnis der Betriebs-<br />
abteilung, nicht ausreichender Gewinn,<br />
Rückgang oder Nichterreichen der erwarteten<br />
wirtschaftlichen Entwicklung).<br />
Ein anderer Weg ist die Vereinbarung einer<br />
Betriebsvereinbarung über die variable<br />
Vergütung der (nicht leitenden) Mitarbeiter.<br />
Hier bestimmt das Unternehmen die<br />
Gesamtdotation frei, die Verteilung obliegt<br />
dann Arbeitgeber <strong>und</strong> Betriebsrat gemeinsam.<br />
Anpassungen in der Krise können<br />
durch Kündigung der Betriebsvereinbarung<br />
<strong>und</strong> gänzlichen Wegfall für die Zukunft<br />
oder anschließende Neuverhandlung auf<br />
Basis einer neuen Festlegung des Dotierungsrahmens<br />
umgesetzt werden.<br />
Krise allein reicht nicht<br />
Entgegen verbreiteter Meinung ist die<br />
Anpassung variabler Vergütung nicht allein<br />
aus einer Krisensituation des Unternehmens<br />
zu rechtfertigen. Nur wenn die bestehenden<br />
Vereinbarungen aus sich heraus<br />
Spielräume eröffnen, ist eine Anpassung<br />
möglich. Soweit die Bonuszahlung aber<br />
vertraglich festgelegt ist, gilt das Vereinbarte<br />
– <strong>und</strong> zwar unabhängig davon, ob<br />
ein dreistelliger oder aber ein sechsstelliger<br />
Bonus infrage steht. Die Gr<strong>und</strong>sätze<br />
des Vertragsrechts erlauben dem Unternehmen<br />
erst in einer bestandsgefährdenden<br />
Krisensituation, die Vergütung im Wege<br />
der Änderungskündigung – <strong>und</strong> auch das<br />
nur für die Zukunft – anzupassen.<br />
Entscheidende Bedeutung kommt nach<br />
alledem einer vorausschauenden Vertragsgestaltung<br />
zu. Nur hier können die Gr<strong>und</strong>lagen<br />
dafür gelegt werden, auch in der Krise<br />
handlungsfähig zu bleiben. Angesichts<br />
vielfältiger Gestaltungsmöglichkeiten <strong>und</strong><br />
hoher Anforderungen der Rechtsprechung<br />
an Transparenz <strong>und</strong> inhaltliche Angemessenheit<br />
empfiehlt es sich, dazu fachlichen<br />
Rat einzu<strong>holen</strong>.<br />
Autorin<br />
Dr. Susanne Clemenz,<br />
Rechtsanwältin <strong>und</strong><br />
Fachanwältin für Arbeitsrecht,<br />
Tschöpe Schipp Clemenz,<br />
Gütersloh,<br />
susanne.clemenz@t-s-c.eu
ARBEITSRECHT Krise <strong>und</strong> HR<br />
14<br />
Sich rüsten für die<br />
Zeit danach<br />
In der Krise sind im Personalwesen keine<br />
Schönwetterkapitäne gefragt. HR-Manager<br />
müssen sich um die dringenden betrieblichen<br />
Probleme kümmern. Häufig braucht es die<br />
Hilfe von Arbeitsrechtlern.<br />
A<br />
uch wenn gerade ein gemeinsames neues Logo vorgestellt<br />
wurde, unter dem die frisch fusionierten<br />
Bankhäuser Commerzbank <strong>und</strong> Dresdner Bank nun firmieren,<br />
ist der Zusammenschluss noch lange nicht abgeschlossen.<br />
Rainer Dahms, Leiter Policies <strong>und</strong> Guidelines<br />
in der Personalabteilung der Commerzbank in Frankfurt<br />
am Main, muss deshalb derzeit Vollgas geben. „Natürlich<br />
ist die Fusion bei uns zurzeit ein großes Thema für HR“,<br />
sagt er. Aus zwei Belegschaften wird derzeit in Frankfurt<br />
eine. Nicht nur in der Firmenzentrale werden die Abteilungen<br />
aus zwei Häusern in einer neuen Organisation<br />
zusammengeführt. Auch in den Filialen in ganz Deutschland<br />
werden Teams umgebaut <strong>und</strong> neu kombiniert. Zugleich<br />
müssen Vergütungs- <strong>und</strong> Arbeitszeitregelungen harmonisiert<br />
werden.<br />
In nur fünf Monaten füllten Dahms <strong>und</strong> seine Kollegen<br />
mit den Betriebsräten zwei Leitzordner mit wichtigen Verträgen.<br />
Einer davon ist der Sozialplan. Darin geht es etwa<br />
um Regelungen zu Abfindungen <strong>und</strong> Altersteilzeit, die<br />
einen möglichst sozialverträglichen Abbau von Stellen<br />
sicherstellen sollen. Im Laufe der Zeit werden im Rahmen<br />
der Fusion voraussichtlich weltweit 9000 Vollzeitstellen<br />
abgebaut, davon 6500 in Deutschland. Im Interessenausgleich<br />
wurde festgelegt, wie die Frankfurter Bank neu<br />
aufgestellt wird. Außerdem wird beschrieben, in welcher<br />
Weise die dritte <strong>und</strong> vierte Führungsebene des fusionierten<br />
Instituts besetzt werden sollen.<br />
Großprojekt mit vielen Herausforderungen<br />
Bei diesen Projekten nahm die Commerzbank auch externe<br />
Arbeitsrechtler zur Hilfe. „In der Regel erledigen wir<br />
die Dinge mit Bordmitteln“, sagt Dahms. „Wir haben her-<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
vorragende Arbeitsrechtler in unserer Abteilung <strong>und</strong> in<br />
der Rechtsabteilung. Aber eine so große Fusion ist eben<br />
nicht alltäglich, deswegen haben wir uns externe Unterstützung<br />
geholt.“<br />
Derzeit arbeitet das Projektteam daran, die Vereinbarungen<br />
aus dem Interessenausgleich praktisch umzusetzen.<br />
Dabei geht es darum, wie die Besetzungsprozesse für die<br />
Stellen in der neuen, einheitlichen Organisationsstruktur<br />
vonstatten gehen, wie die Bank also letztlich zusammenwächst.<br />
Während die erste <strong>und</strong> zweite Führungsebene<br />
bereits im vorigen Jahr benannt wurden, werden nun auch<br />
die dritte <strong>und</strong> die vierte Führungsriege in der Zentrale<br />
benannt. „10 000 Mitarbeiter sind damit der neuen Struktur<br />
zugeordnet <strong>und</strong> r<strong>und</strong> 1000 Führungskräfte sind besetzt<br />
worden“, sagt Dahms. „Die Fusion in der Zentrale ist damit<br />
organisatorisch umgesetzt.“<br />
In der Fläche hat die Bank aber noch Arbeit vor sich. Bevor<br />
die Teams in den 1200 Filialen endgültig zusammengestellt<br />
<strong>und</strong> Filialleitungen ernannt werden, muss die Commerzbank<br />
eine gemeinsame Betriebsratswahl stemmen. „Aus<br />
den beiden Betriebsratsorganisationen eine zu machen, ist<br />
ein komplexer Vorgang, weil die Strukturen dieser Organsationen<br />
sehr unterschiedlich sind“, sagt Dahms. Erst wenn<br />
der neue Betriebsrat gewählt wurde, beginnen die Versetzungen<br />
in den Filialen in einer durch einen abzuschließenden<br />
Haustarif geregelten neuen Struktur.<br />
Bis dahin wird auch das Vergütungssystem der beiden Banken<br />
harmonisiert sein. „Die tariflichen Regelungen sind<br />
klar definiert, aber bei den außertariflichen Leistungen<br />
haben wir noch unterschiedliche Strukturen“, so der Personalchef.<br />
So zahlte die Dresdner Bank etwa bisher 14 Gehälter,<br />
aber keinen Gr<strong>und</strong>bonus, während die Commerzbank
auf zwölf Monatssaläre <strong>und</strong> einen variablen<br />
Gr<strong>und</strong>anteil setzt. Wie das neue Vergütungssystem<br />
aussieht, ist intern mit<br />
den Arbeitnehmervertretern bereits ausgehandelt.<br />
Hilfe bei Fördergeldern<br />
Dass Fusionsfolgen <strong>und</strong> Vergütungsfragen<br />
Arbeitsrechtsexperten mitten in der<br />
Finanz- <strong>und</strong> Wirtschaftskrise in Atem<br />
halten, ist aber die Ausnahme. Vor allem<br />
Themen wie Kurzarbeit, Entlassungen<br />
<strong>und</strong> interne Qualifikationsmaßnahmen<br />
beschäftigen derzeit die Personalentscheider.<br />
Randnotizen sind dagegen etwa die<br />
Neuregelungen im Arbeitnehmerdatenschutz<br />
oder Compliance-Fragen.<br />
Detlef Gagg, Leiter des Bereichs Arbeitsbeziehungen<br />
<strong>und</strong> Personalgr<strong>und</strong>satzfragen<br />
bei ZF Friedrichshafen, setzt sich derzeit<br />
vor allem mit den Bestimmungen zur<br />
Kurzarbeit auseinander. Im Laufe eines<br />
Jahres ist die Nachfrage nach Lastkraftwagen,<br />
für die sein Arbeitgeber Komponenten<br />
herstellt, um etwa die Hälfte eingebrochen.<br />
Besonders interessant sind<br />
für ihn die Sonderregelungen zu Kurzarbeitergeld,<br />
Qualifizierung <strong>und</strong> Arbeitslosengeld,<br />
wie sie im § 421t des Sozialgesetzbuchs<br />
definiert sind. Bei ZF Friedrichshafen<br />
setzt man auf Schulungen, um<br />
den Leerlauf während der im Februar<br />
2009 gestarteten Kurzarbeit zu minimieren.<br />
Diese Bildungsinitiativen verursachen<br />
einen erheblichen administrativen<br />
Aufwand, weil sie mit der B<strong>und</strong>esagentur<br />
für Arbeit abgestimmt werden müssen,<br />
wenn diese einen Teil der Qualifizierungskosten<br />
übernehmen soll.<br />
Zusammen mit den internen Arbeitsrechtlern<br />
hat Gagg ausgearbeitet, wie die Anträge<br />
auf diese Förderung an die B<strong>und</strong>esagentur<br />
formuliert <strong>und</strong> begründet werden müssen,<br />
damit die Unterstützung fließt. „Die<br />
Förderung für Referenten <strong>und</strong> Lehrgangskosten<br />
durch die B<strong>und</strong>esagentur zu bekommen,<br />
ist für uns enorm attraktiv“, sagt der<br />
Personalchef. „In der Hochkonjunktur in<br />
den Jahren 2007 <strong>und</strong> 2008 kam das Thema<br />
Qualifikation oft zu kurz. Jetzt können<br />
wir es angehen, <strong>und</strong> das in einem<br />
„ Wir haben hervorragende Arbeitsrechtler. Aber eine<br />
so große Fusion ist eben nicht alltäglich, deswegen<br />
haben wir uns externe Unterstützung geholt.“<br />
Umfeld, das für uns kostenseitig absolut<br />
vorteilhaft ist.“ Lediglich 23 Prozent des<br />
Bruttogehalts müssen die Firmen als<br />
Remanenzkosten ab dem siebten Kurzarbeitsmonat<br />
tragen. Mit dem Betriebsrat<br />
hat Gagg ausgehandelt, dass es eine Anwesenheitspflicht<br />
für die SAP-Schulungen<br />
<strong>und</strong> die übrigen Qualifizierungsmaßnahmen<br />
gibt. „Bis Ende 2010 wollen wir mit<br />
insgesamt 7000 Mitarbeitern 24 000 Schulungstage<br />
durchziehen“, sagt er.<br />
Ges<strong>und</strong> schrumpfen<br />
Die Übernahme seiner neuen Aufgabe<br />
hätte für Klaus Hofer kaum schwieriger<br />
sein können. Seit dem 1. Dezember 2008<br />
ist der 52-jährige Jurist Personalchef der<br />
Heidelberg-Gruppe. Er übernahm sein<br />
Amt fast zeitgleich mit dem Ausbruch<br />
der Finanz- <strong>und</strong> Wirtschaftskrise, in deren<br />
Folge sich der Auftragsbestand des Druckmaschinenproduzenten<br />
halbiert hat.<br />
Im laufenden Geschäftsjahr sollen nun in<br />
Heidelberg die Kosten im Vergleich zum<br />
Vorjahr um mehr als 250 Millionen Euro<br />
reduziert werden. Vor allem die Personalausgaben<br />
sind dafür eine Stellschraube.<br />
Weltweit sollen bis zum Geschäftsjahr<br />
2010/2011 bis zu 5000 der derzeit<br />
18 300 Stellen wegfallen.<br />
Hofer ist kein Manager, der sich in so<br />
einer Zeit duckt. „Gerade in schwierigen<br />
Zeiten sind keine Schönwetterkapitäne,<br />
sondern erfahrene Personalmanager<br />
gefragt, die zeigen können, welchen Bei-<br />
„<br />
Rainer Dahms, Leiter Policies <strong>und</strong> Guidelines, Commerzbank<br />
trag sie für ihr Unternehmen zu leisten<br />
vermögen“, sagt er. „Im Zuge unserer<br />
Restrukturierung sind wir gezwungen,<br />
uns von zahlreichen Mitarbeitern zu<br />
trennen, um die Zukunft der Heidelberg-<br />
Gruppe zu sichern.“ Zu dem bisher größten<br />
Personalabbau in der Unternehmensgeschichte<br />
gibt es aufgr<strong>und</strong> der bestehenden<br />
Überkapazitäten im Druckmaschinenmarkt<br />
keine Alternative. Bei den<br />
Verhandlungen mit dem Betriebsrat <strong>und</strong><br />
der IG Metall ist es jedoch gelungen, vernünftige<br />
Lösungen für die an den deutschen<br />
Standorten betroffenen Mitarbeiter<br />
zu finden. Dazu gehört ein ausgewogener<br />
Sozialplan mit entsprechenden<br />
Abfindungen sowie das Angebot an alle<br />
ausscheidenden Mitarbeiter, für die Dauer<br />
von zwölf Monaten in eine Transfergesellschaft<br />
zu wechseln, berichtet Hofer.<br />
Mehr als 95 Prozent der Mitarbeiter haben<br />
sich für den Abschluss von Aufhebungsverträgen<br />
entschieden.<br />
Akzeptierter Verzicht<br />
Doch auch die verbleibende Belegschaft<br />
musste Opfer bringen. „Wir haben mit<br />
Instrumenten wie der Kurzarbeit, flexiblen<br />
Arbeitszeitmodellen sowie Einsparungen<br />
bei tariflichen Sonderzahlungen<br />
<strong>und</strong> übertariflichen Leistungen alle<br />
Möglichkeiten genutzt, um möglichst viele<br />
Mitarbeiter an Bord zu halten ohne die<br />
erforderlichen Einsparziele zu verfehlen“,<br />
sagt Hofer. „Schließlich benötigen wir<br />
Gerade in schwierigen Zeiten sind keine<br />
Schönwetterkapitäne, sondern erfahrene<br />
Personalmanager gefragt, die zeigen können,<br />
welchen Beitrag sie für ihr Unternehmen zu<br />
leisten vermögen.“<br />
Klaus Hofer, Personalchef, Heidelberg-Gruppe<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 15
ARBEITSRECHT Krise <strong>und</strong> HR<br />
„<br />
Wir erleben momentan die Nachwirkungen der Kurzarbeit<br />
als sehr arbeitsintensiv. So ist der<br />
administrative Aufwand bei der Betreuung der<br />
Fachabteilungen, der Pflege der Anwesenheitslisten<br />
<strong>und</strong> der Klärung von Mitarbeiterfragen enorm hoch.“<br />
kompetente Mitarbeiter, wenn wir die Talsohle<br />
durchschritten haben <strong>und</strong> die Konjunktur<br />
in der Print-Medien-Industrie<br />
wieder anzieht.“<br />
In diesem Jahr verzichten die Mitarbeiter<br />
etwa auf das Weihnachtsgeld <strong>und</strong> erhalten<br />
stattdessen eine Einmalzahlung von<br />
900 Euro. „Im kommenden Jahr verzichtet<br />
die Belegschaft auf das Urlaubs- <strong>und</strong><br />
Weihnachtsgeld, wobei das Unternehmen<br />
jedem Mitarbeiter anstelle der vorgenannten<br />
tariflichen Sonderzahlungen pauschal<br />
1050 Euro zahlt“, erklärt Hofer. Der mit<br />
dem Betriebsrat <strong>und</strong> der IG Metall vereinbarte<br />
Verzicht auf die tarifvertraglichen<br />
Sonderzahlungen beinhaltet somit eine<br />
soziale Staffelung. Diejenigen, die über ein<br />
höheres Einkommen verfügen, verzichten<br />
stärker als die Mitarbeiter aus dem mittleren<br />
oder niedrigen Lohnsegment. Diese<br />
Komponente war für beide Verhandlungsparteien<br />
von besonderer Bedeutung.“<br />
Auch das Top-Management <strong>und</strong><br />
die Führungskräfte bringen durch einen<br />
Tantiemeverzicht Opfer.<br />
Vor allem eine Regelung zur Flexibilisierung<br />
der Arbeitszeit hat Heidelberg neuen<br />
Spielraum verschafft. „Wir haben die<br />
bestehende Vereinbarung zur 37,5-St<strong>und</strong>en-Woche<br />
durch eine neue Regelung<br />
ersetzt, die es uns im Rahmen der tarifvertraglichen<br />
Arbeitszeit ermöglicht,<br />
innerhalb eines Zeitkorridors bis zu 40<br />
Wochenst<strong>und</strong>en ohne die entsprechenden<br />
Mehrarbeitszuschläge abzurufen.“<br />
Zusätzlich verpflichten sich die Mitarbeiter,<br />
unentgeltlich Mehrarbeit zu leisten,<br />
sobald der Auftragseingang wieder anzieht.<br />
Dazu werden im kommenden Jahr entsprechende<br />
Soll-Arbeitszeitkonten eingerichtet.<br />
„Das Unternehmen kann so sowohl in<br />
der Produktion als auch in den adminis-<br />
16<br />
Jürgen Zürlein, Personalleiter, Webasto<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
trativen Funktionen flexibel reagieren.<br />
Das ist ein erheblicher Wettbewerbsvorteil<br />
– gerade wenn es wieder aufwärts<br />
geht <strong>und</strong> es mehr zu tun gibt“, skizziert<br />
Hofer das Modell.<br />
Mit Weiterbildung Zeichen setzen<br />
Die Konzeption eines flexiblen Beschäftigungsmodells<br />
wäre ein klassisches Thema<br />
für externe Berater gewesen. Hofer zog<br />
es jedoch vor, es gemeinsam mit dem<br />
Betriebsrat <strong>und</strong> der IG Metall in mehreren<br />
Verhandlungsr<strong>und</strong>en zu entwickeln.<br />
„Beide Seiten sind mit den spezifischen<br />
Besonderheiten des Unternehmens vertraut<br />
<strong>und</strong> schon im eigenen Interesse<br />
bestrebt, sachgerechte Lösungen zu finden“,<br />
beschreibt Hofer die Vorteile dieser<br />
Vorgehensweise. Außerdem schade es<br />
nie, selbst nachzudenken, bevor man<br />
externe Berater hinzuzieht.<br />
Mit eigenen Ressourcen werden auch die<br />
umfangreichen Weiterbildungsprogramme<br />
gestemmt, die man bei Heidelberg ins<br />
Leben gerufen hat, um die Kurzarbeit für<br />
Qualifizierungsmaßnahmen zu nutzen.<br />
„Aufgr<strong>und</strong> der Einführung der Kurzarbeit<br />
Ende vergangenen Jahres, den damit<br />
verb<strong>und</strong>enen Einkommenseinbußen sowie<br />
den seinerzeit noch bevorstehenden<br />
Personalanpassungsmaßnahmen waren<br />
unsere Mitarbeiter verständlicherweise<br />
verunsichert <strong>und</strong> zum Teil demotiviert.<br />
Mit unserer Qualifizierungsoffensive<br />
signalisieren wir, dass wir trotz der<br />
Krise bewusst in die Weiterbildung<br />
unserer Leute investieren“, sagt Hofer.<br />
Dabei möchte er die zahlreichen Fortbildungen<br />
indes nicht nur als Motivationsinstrument<br />
verstanden wissen. „Gerade<br />
jetzt kommt es darauf an, die Voraussetzungen<br />
dafür zu schaffen, beim kommen-<br />
den Aufschwung durchstarten zu können.<br />
Kompetente <strong>und</strong> hochqualifizierte<br />
Mitarbeiter sind die Basis, um unsere<br />
Technologie- <strong>und</strong> Marktführerschaft weiter<br />
auszubauen.“ Neben Fach-, Methoden<strong>und</strong><br />
IT-Trainings umfasst das Angebot für<br />
die gesamte Belegschaft auch Kurse in<br />
Management <strong>und</strong> Führung sowie die Vermittlung<br />
von Strategiekompetenzen.<br />
Hoher Aufwand als Folge<br />
Auch bei Webasto – vom Great Place to<br />
Work-Institut als einer von „Deutschlands<br />
besten Arbeitgebern 2009“ gekürt – steht<br />
die Personalarbeit momentan im Zeichen<br />
der Krise. Doch die Kurzarbeit ist nicht<br />
mehr Thema Nummer eins, sondern ihre<br />
Folgen. „Wir erleben momentan die Nachwirkungen<br />
der Kurzarbeit als sehr arbeitsintensiv“,<br />
sagt Jürgen Zürlein, Personalleiter<br />
des Standorts Stockdorf. „So ist der<br />
administrative Aufwand bei der Betreuung<br />
der Fachabteilungen, der Pflege der<br />
Anwesenheitslisten <strong>und</strong> der Klärung von<br />
Mitarbeiterfragen enorm hoch. Dabei geht<br />
es aber weniger um arbeitsrechtliche<br />
Aspekte als vielmehr um die notwendige<br />
Kommunikation.“<br />
Anfang 2009 hatte der Hersteller von<br />
Dachsystemen <strong>und</strong> Standheizungen ebenfalls<br />
zu diesem Instrument gegriffen.<br />
Inzwischen wurde die Kurzarbeit an den<br />
Zentralstandorten in Stockdorf <strong>und</strong> Gilching<br />
wieder ausgesetzt. Sollte sich die<br />
Unternehmenssituation verschlechtern,<br />
könnte Webasto aber dieses Instrument<br />
in Abstimmung mit dem Betriebsrat wieder<br />
einsetzen.<br />
Darüber hinaus hatten die Personaler bei<br />
Webasto Ideen entwickelt, wie man das<br />
Thema Kostensenkung HR-seitig angehen<br />
kann – etwa die St<strong>und</strong>ung von Gehaltsbestandteilen,<br />
die die Mitarbeiter befristet<br />
dem Unternehmen überlassen. „Dabei<br />
handelt es sich zum Beispiel um Urlaubsgeld,<br />
Prämien oder Gewinnbeteiligungen“,<br />
erklärt Zürlein. „Durch diese Maßnahme<br />
können wir den Cash Flow des<br />
Unternehmens mit für die Mitarbeiter<br />
verträglichen Aktionen positiv beeinflussen.“<br />
Lars Reppesgaard, freier Journalist, Hamburg
ARBEITSRECHT Arbeitskämpfe<br />
18<br />
Der akzeptierte Mob<br />
Das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht hat entschieden, dass spontane Zusammenkünfte als ergänzende Maßnahmen<br />
zum Arbeitskampf gr<strong>und</strong>sätzlich der durch das Gr<strong>und</strong>gesetz geschützten Koalitionsfreiheit unterfallen.<br />
O<br />
b auf Sylt oder beim Einzelhändler um die Ecke – die<br />
als Flash Mobs bezeichneten Blitzaufläufe von Menschen<br />
auf öffentlichen oder halböffentlichen Plätzen<br />
beschränken sich nicht mehr auf politische oder künstlerische<br />
Aktivitäten, sondern haben Einzug in deutsche<br />
Gerichtssäle gehalten.<br />
In dem Fall, der das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht beschäftigte, hatte<br />
sich Ver.di die neuen Kommunikationsmöglichkeiten<br />
zunutze gemacht <strong>und</strong> via Internet um Teilnahme an Flash<br />
Mob-Aktivitäten geworben. Interessierte Flash Mobber<br />
konnten ihre Handy-Nummer übermitteln <strong>und</strong> wurden<br />
dann per SMS zu einer bestreikten Rewe-Filiale bestellt.<br />
Dort hatten 40 bis 50 Personen für etwa eine dreiviertel<br />
St<strong>und</strong>e teils Pfennigartikel gekauft oder randvoll gefüllte<br />
Einkaufswagen mit dem Hinweis auf vergessenes Geld an<br />
der Kasse stehen gelassen <strong>und</strong> so Belegschaft <strong>und</strong> K<strong>und</strong>en<br />
gestört. Die übrigen Teilnehmer klatschten Beifall<br />
oder gaben durch laute Zurufe ihr Gefallen k<strong>und</strong>. Hiergegen<br />
wehrte sich der zuständige Arbeitgeberverband, in allen<br />
drei Instanzen jedoch erfolglos.<br />
Legitimationsbasis Gr<strong>und</strong>gesetz<br />
Mit dem Arbeitsgericht Berlin <strong>und</strong> dem Landesarbeitsgericht<br />
(LAG) Berlin-Brandenburg bestätigte der 1. Senat<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
des B<strong>und</strong>esarbeitsgerichts (BAG) in seiner Entscheidung<br />
vom 22. September 2009 diese Maßnahme als zulässiges<br />
Arbeitskampfmittel (Az.: 1 AZR 972/08). In der bislang<br />
lediglich als Pressemitteilung vorliegenden Begründung<br />
der Entscheidung geht das BAG zunächst darauf ein, dass<br />
mit einer derartigen Flash Mob-Aktion zwar in den eingerichteten<br />
<strong>und</strong> ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen<br />
würde. Allerdings könne ein solcher Eingriff aus Gründen<br />
des Arbeitskampfes gerechtfertigt sein.<br />
Gewerkschaftliche Maßnahmen, die zur Durchsetzung<br />
tariflicher Ziele auf eine Störung betrieblicher Abläufe gerichtet<br />
seien, unterfielen der durch Artikel 9 Abs. 3 Gr<strong>und</strong>gesetz<br />
gewährleisteten Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften.<br />
Zu dieser gehöre auch die Wahl der Arbeitskampfmittel.<br />
Deren Zulässigkeit richte sich nach dem Gr<strong>und</strong>satz<br />
der Verhältnismäßigkeit, die hier gegeben sei.<br />
Auch wenn dem BAG der Vorwurf gemacht wird, die bisherigen<br />
Grenzziehungen zugunsten eines „diffusen Verhältnismäßigkeitsmaßstabes<br />
aufzulösen“, setzt es doch<br />
lediglich die in diesem Bereich ergangenen Urteile des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />
(BVerfG) um. Denn nach ständiger<br />
Rechtsprechung des BVerfG ist der Schutzbereich des<br />
Artikel 9 Abs. 3 Gr<strong>und</strong>gesetz nicht nur auf einen Kernbereich<br />
koalitionsmäßiger Betätigung beschränkt, der für die
Sicherung des Bestandes der Koalitionen<br />
unerlässlich ist. Er erstreckt sich vielmehr<br />
auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen,<br />
das heißt auf Betätigungen,<br />
die dem Zweck dienen, die Arbeits<strong>und</strong><br />
Wirtschaftsbedingungen zu wahren<br />
<strong>und</strong> zu fördern. Dabei ist die Wahl der Mittel,<br />
die die Koalitionen für die Erfüllung<br />
ihrer Aufgaben für geeignet erachten,<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich ihnen überlassen.<br />
Dementsprechend ist nicht nur der Streik<br />
gr<strong>und</strong>rechtlich geschützt, sondern auch<br />
Maßnahmen, die den Streik ergänzen<br />
oder unterstützen. Hierbei ist es nach der<br />
Rechtsprechung des BAG zum „Unterstützungsstreik“<br />
auch möglich, sich der Mithilfe<br />
Dritter zu bedienen, um eigene<br />
Tarifinteressen durchzusetzen. Damit<br />
ist den Koalitionen ganz bewusst ein<br />
weites Feld der Einschätzungshoheit<br />
überantwortet worden. Als Grenze der<br />
so geschaffenen weiten Betätigungsfreiheit<br />
bleibt der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit.<br />
Praktische Probleme<br />
Wenn als Grenze der Kampfmittelfreiheit<br />
in jedem Einzelfall der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit<br />
bleibt, ist es für den<br />
Rechtsanwender von entscheidender<br />
Bedeutung, was sich hinter diesem unbestimmten<br />
Rechtsbegriff verbirgt. Nach<br />
ständiger Rechtsprechung muss eine Maßnahme,<br />
um verhältnismäßig <strong>und</strong> damit<br />
rechtmäßig zu sein, drei Kriterien erfüllen:<br />
Das Kampfmittel muss geeignet, erforderlich<br />
<strong>und</strong> angemessen sein.<br />
Geeignet ist ein Kampfmittel bereits, wenn<br />
durch seinen Einsatz die Durchsetzung<br />
des Kampfziels gefördert werden kann.<br />
Erforderlichkeit liegt vor, wenn mildere<br />
Mittel nicht zur Verfügung stehen, um<br />
das angestrebte Ziel zu erreichen. Da das<br />
BVerfG den Koalitionen für beide Kriterien<br />
eine sogenannte Einschätzungsprärogative<br />
einräumt, Gewerkschaften <strong>und</strong><br />
Arbeitgeberverbände also selbst beurteilen<br />
dürfen, ob ein Mittel geeignet <strong>und</strong><br />
erforderlich ist, sind Verstöße gegen diese<br />
Kriterien allenfalls bei Rechtsmissbrauch<br />
denkbar.<br />
Das könnte beispielsweise der Fall sein,<br />
wenn der Gegner offenk<strong>und</strong>ig bereit ist,<br />
die Forderungen zu erfüllen oder das<br />
Arbeitskampfmittel eine reine Machtdemonstration<br />
<strong>und</strong> nicht auf den Abschluss<br />
von Tarifverträgen gerichtet ist. Dies ist<br />
denkbar bei branchenmäßig oder räumlich<br />
weit entfernten Unternehmen in Fällen<br />
sogenannter Unterstützungsstreiks.<br />
Allein das Kriterium der Angemessenheit<br />
unterliegt nicht der Einschätzungsprärogative<br />
der Koalitionen, sondern stellt<br />
eine rein rechtliche Abwägung dar. Vor<br />
diesem Hintergr<strong>und</strong> wird erkennbar, dass<br />
sich – wie in der jetzigen Flash Mob-Entscheidung<br />
– auch in Zukunft die Rechtmäßigkeit<br />
auf die Frage der Angemessenheit<br />
des Arbeitskampfmittels zuspitzen<br />
wird.<br />
Angemessen oder nicht?<br />
Ob eine Arbeitskampfmaßnahme angemessen<br />
ist oder nicht, stellt allerdings<br />
Gerichte <strong>und</strong> insbesondere die betroffenen<br />
Rechtsanwender vor erhebliche Probleme,<br />
denn bislang existieren keine konkretisierenden<br />
Vorgaben. Das BAG spricht<br />
hier teilweise vom Fairnessgebot, das<br />
unter anderem Maßnahmen unterbindet,<br />
die eine Existenzvernichtung der Gegenseite<br />
zum Inhalt haben. Auch in Fällen<br />
sogenannter „existenzieller Drittbetroffenheit“,<br />
wie im Lokführerstreik 2007, ist<br />
die Angemessenheit nicht mehr gegeben,<br />
wenn nicht ein Mindestmaß an Versorgung<br />
Dritter sichergestellt ist.<br />
Die Frage der Angemessenheit wird in<br />
Fällen des Flash Mobbings besonders<br />
problematisch. Im Gegensatz zum klassischen<br />
Streik, aber auch zum Unterstützungsstreik,<br />
sind mit den Parteien nicht<br />
verb<strong>und</strong>ene Aktive beteiligt, deren Motivation<br />
<strong>und</strong> Reaktion weder vorhersehbar<br />
noch vollständig kontrollierbar sind.<br />
In seiner Entscheidung zum Flash<br />
Mobbing weist das BAG zwar zu Recht<br />
darauf hin, dass die Arbeitgeber zur Herstellung<br />
der Arbeitskampfparität von<br />
ihrem Hausrecht Gebrauch machen <strong>und</strong><br />
gegebenenfalls auch eine kurzfristige<br />
Betriebsschließung vornehmen können,<br />
sodass die Angemessenheit letztlich von<br />
den zur Verfügung stehenden Rechten<br />
der Arbeitgeber abhängt. Flash Mobbing-<br />
Aktionen, denen nicht durch derartige<br />
Rechte entgegengetreten werden kann,<br />
laufen aber Gefahr, unangemessen <strong>und</strong><br />
damit rechtswidrig zu sein. Beispielsweise<br />
wenn sie Persönlichkeitsrechte von<br />
Mitarbeitern oder K<strong>und</strong>en durch Beleidigungen<br />
verletzen oder Freiheitsrechte<br />
Betroffener durch Zugangs- oder Ausgangsbeeinträchtigungen<br />
einschränken.<br />
Sind diese Rechte mehr als nur geringfügig<br />
berührt oder führen die Beeinträchtigungen<br />
zu einer Betriebsblockade, ist<br />
der Flash Mob als unangemessene Arbeitskampfmaßnahme<br />
rechtswidrig.<br />
Folgen rechtswidrigen<br />
Flash Mobbings<br />
Ist die Maßnahme rechtswidrig, unterliegt<br />
sie nicht dem Schutz des Artikel<br />
9 Abs. 3 GG. Sie kann dann mit gerichtlicher<br />
Hilfe untersagt werden, sofern<br />
Wiederholungsgefahr droht. Von besonderer<br />
Bedeutung ist beim Flash Mobbing<br />
jedoch die Exzesshaftung. Die Anregungen<br />
des LAG Berlin-Brandenburg, zur<br />
Vermeidung von Exzessen die Anzahl<br />
der Teilnehmer zu begrenzen oder klare<br />
Anweisungen zum Ablauf zu geben,<br />
erscheinen angesichts der Anonymität<br />
der Aktionen wenig sicher. Denn der<br />
Erscheinungsform ist eben ein erhebliches<br />
Mobbing-Element zu Eigen, das<br />
bewusst genutzt wird <strong>und</strong> bei dem Exzesse<br />
erwartbar sind. Solche machen – bei<br />
entsprechender Anwendung der Rechtsprechung<br />
zu Streikexzessen – die Flash<br />
Mob-Aktionen selbst zwar nicht rechtswidrig.<br />
Sie verpflichten jedoch die<br />
Gewerkschaft zum Ersatz des Schadens,<br />
der durch diese Handlungen entstanden<br />
ist.<br />
Autorin<br />
Dr. Daniela Rossa-Heise,<br />
Rechtsanwältin <strong>und</strong> Partnerin,<br />
Kanzlei Boege Rohde<br />
Luebbehuesen, Hamburg,<br />
daniela.rossa-heise@brlnet.com<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 19
ARBEITSRECHT Auslandsentsendung<br />
20<br />
Im Radar der<br />
Kostenkontrolle<br />
Wer international tätig ist, kommt um<br />
Auslandsentsendungen meist nicht<br />
herum. Aktuell steht zur Debatte, ob <strong>und</strong><br />
wie sich die Kosten für die weltweiten<br />
Einsätze zurückfahren lassen.<br />
D<br />
ie Wirtschaftskrise zwingt die Unternehmen dazu,<br />
Kosten zu senken. Im Bereich der Personalkosten fallen<br />
regelmäßig die Expatriates besonders <strong>und</strong> schnell auf.<br />
Denn nicht nur die Vergütung ist im Durchschnitt höher<br />
als die von anderen Mitarbeitern, sondern auch die Sachleistungen.<br />
Dazu gehören nicht nur die Wohnraumstellung<br />
<strong>und</strong> die internationale Schule für die mitreisenden Kinder,<br />
sondern auch der Dienstwagen, der Sprachkurs <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />
sogar Hauspersonal sowie die interkulturelle<br />
Vorbereitung.<br />
Nun ist es nicht einfach, die Vergütungsmodalitäten während<br />
der Dauer eines laufenden Vertrags einseitig zu ändern. Deshalb<br />
wird in der Praxis zunächst auch nach einvernehmlichen<br />
Lösungen gesucht. Denn der Expatriate ist gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
ein Mitarbeiter, der wirtschaftliche Zusammenhänge<br />
nachvollziehen kann.<br />
So werden wie die anderen<br />
Ein weit verbreiteter Ansatz ist die sogenannte Lokalisierung.<br />
Typischerweise finden Lokalisierungen erst im Anschluss<br />
an eine Befristung statt, also am Ende der ursprünglichen<br />
Aufgabe. Der Expat wird durch die Lokalisierung wirtschaftlich<br />
so gestellt wie ein lokaler Mitarbeiter. Demzufolge fallen<br />
die privilegierenden Sachleistungen <strong>und</strong> üblicherweise<br />
ein nicht unerheblicher Anteil des Gehaltes weg. Kürzungen<br />
bis zu 50 Prozent sind nicht selten.<br />
Allerdings stoßen die Lokalisierungen in der Praxis auch an<br />
eine Einsichtsgrenze bei den Expatriates, die bisher einen<br />
herausragenden <strong>und</strong> privilegierten Lebensstil gewohnt waren.<br />
In vielen Fällen reduziert sich die Entscheidungslage auf die<br />
Frage, ob das Leben <strong>und</strong> Arbeiten im Tätigkeitsstaat einen<br />
so großen Anreiz darstellen, dass die erheblich geringere Vergütung<br />
in den Hintergr<strong>und</strong> tritt.<br />
Einige Unternehmen haben ihre Entsendungen von Anfang<br />
an konsequent auf Lokalisierungen umgestellt, um das<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
Kostenthema gleich zu vermeiden. Diese Umstellung stieß<br />
in vielen Fällen auf eine überraschend hohe Akzeptanz.<br />
Offensichtlich tritt bei den neuen Expatriate-Generationen<br />
der Absicherungsgedanke in den Hintergr<strong>und</strong>. Der Anreiz,<br />
in einem bestimmten Land zu arbeiten, ist stärker.<br />
Regelmäßig prüfen<br />
Einen weiteren Anknüpfungspunkt für Kostenoptimierungen<br />
stellen regelmäßige Vertragsprüfungen dar. Im Laufe der<br />
Zeit ändern sich Regelungen <strong>und</strong> Inhalte durch Gesetze,<br />
Urteile oder Verordnungen. Bei Auslandsentsendungen ist<br />
diese Änderungsqualität weitaus häufiger anzutreffen als<br />
bei inländischen Beschäftigungsverhältnissen, weil sich<br />
neben dem deutschen Recht auch das Recht des Tätigkeitsstaates<br />
ändern kann.<br />
Völlig anders stellt sich die Situation dar, wenn eine Vertragsanpassung<br />
während der Laufzeit erfolgen soll. Dem zuzustimmen<br />
besteht für den Entsendeten weder eine juristische<br />
noch eine moralische Verpflichtung. Hinzu kommt, dass die<br />
Planungssicherheit des Expatriates <strong>und</strong> gegebenenfalls auch<br />
die seiner Familie ganz erheblich beeinträchtigt wird.<br />
Dennoch wächst der Druck auf Unternehmen <strong>und</strong> Expatriates<br />
gleichermaßen, Kostenoptimierungsansätze zu diskutieren.<br />
In den meisten Fällen sind die Einsparpotenziale bei den<br />
Weiterbildungskosten, den Reisekosten <strong>und</strong> den Bewirtungskosten<br />
zum Beispiel schon ausgeschöpft.<br />
Übliche Ansätze für Einsparungen sind die Kosten für die<br />
Wohnung oder das Haus. Vor einiger Zeit hat sich die Einsicht<br />
durchgesetzt, dass es sich um Kosten handelt, die der<br />
Expatriate auch in seinem Heimatland hätte. Infolgedessen<br />
vereinbarte man einen Selbstbehalt oder Eigenanteil in den<br />
Expat-Verträgen. Die Ansätze zur Ermittlung des Eigenanteils<br />
waren teilweise kompliziert. Sie führten aber zu einer<br />
Verringerung der Kosten. Diese Kostenart wird jetzt wieder<br />
stärker untersucht <strong>und</strong> konsequenter vereinbart.
Das Einvertragsmodell Abbildung 1<br />
1. Alternative<br />
Anstellungsvertrag<br />
Aufhebung/Kündigung<br />
des Anstellungsvertrages<br />
Einvertragsmodell<br />
Entsendungsvertrag<br />
Bei dieser Vertragsgestaltung wird bei Beendigung einer<br />
Auslandsentsendung entweder der Anstellungsvertrag oder der<br />
Entsendungsvertrag gelöst.<br />
In vielen Unternehmen werden auch die Entsendungsrichtlinien<br />
angepasst. Häufig wirken sie erst bei neuen Auslandseinsätzen<br />
<strong>und</strong> entfalten für die Entsendungen vor der Anpassung der Richtlinie<br />
keine Wirkung. Denn dort besteht sicher Bestandsschutz. In<br />
einigen Entsendungsverträgen finden sich Bezugnahmeklauseln,<br />
sodass die Richtlinien auch für den konkreten neuen Einsatz<br />
gelten. Fehlen diese Bezugnahmeklauseln, ist fraglich, ob die Richtlinien<br />
für den Einsatz des Expatriates überhaupt anwendbar sind.<br />
Problematisch ist in diesem Zusammenhang die sogenannte<br />
dynamische Bezugnahmeklausel. Danach soll die Entsendungsrichtlinie<br />
in ihrer jeweils gültigen Fassung für das jeweilige<br />
Land gelten. Die unvorhersehbaren – meist gesetzlichen – Veränderungen<br />
kommen für den Expatriate immer überraschend, sodass<br />
dynamische Bezugnahmeklauseln in vielen Fällen unwirksam<br />
sein dürften. Einige Unternehmen räumen den Altfällen eine Übergangsfrist<br />
ein, um das Überraschungsmoment zu relativieren.<br />
Allerdings ist hier zu beachten, dass die Einsparpotenziale erst<br />
nach einiger Zeit eintreten.<br />
Einseitige Vertragsanpassungen<br />
2. Alternative nur<br />
Für den Fall, dass keine einvernehmliche Lösung gef<strong>und</strong>en wird,<br />
wären einseitige Ansätze zu erwägen. Wenn <strong>und</strong> soweit deutsches<br />
Recht zur Anwendung kommt, könnte man an die Durchführung<br />
einer Änderungskündigung denken. Mit der Änderungskündigung<br />
erhält der Expat ein Angebot, die Entsendung zu veränderten<br />
finanziellen Bedingungen fortzusetzen. Lehnt er das Angebot<br />
ab, endet die Entsendung automatisch zum Ablauftag. Das<br />
will sicher <strong>und</strong> wohl erwogen sein. Denn dieser Ansatz kann sich<br />
zu einer Beendigungskündigung entwickeln, die nicht gewollt<br />
ist.<br />
Die Anforderungen an eine Änderungskündigung sind hoch. Die<br />
Erfüllung der einzelnen Voraussetzungen muss sorgfältig überprüft<br />
werden. In einzelnen Fällen kann sie sich als zielführend<br />
erweisen.<br />
Das Zweivertragsmodell Abbildung 2<br />
Ruhensvereinbarung<br />
bezüglich Anstellungsvertrag<br />
Entsendungsvertrag<br />
Zweivertragsmodell<br />
Anstellungsvertrag<br />
Die Entsendung per Zweivertragsmodell hat einen Anstellungsvertrag<br />
als Basis. Bei einer Kündigung sind jedoch weitere Verträge oder<br />
Vereinbarungen zu beachten.<br />
Da Änderungskündigungen aber das Risiko einer Kündigungsschutzklage<br />
beinhalten, wird vielfach der Weg eines Änderungsvertrages<br />
gewählt. Dabei versuchen die Unternehmen, mit ihren Entsendeten<br />
eine einvernehmliche Lösung zu finden. Viele Expats sind<br />
verständig <strong>und</strong> wirtschaftlichen Argumenten gegenüber aufgeschlossen.<br />
Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass diese typischerweise<br />
ein höheres Beschäftigungsrisiko tragen als Mitarbeiter im<br />
Inland.<br />
Rückruf ist noch keine Änderung<br />
Ergänzungsvereinbarung<br />
Ein weiterer einseitiger Ansatz aus der Praxis erfolgt über den<br />
Rückruf des Expats. Der Anweisung des Arbeitgebers folgend,<br />
kommt der Expatriate dann zurück in den entsendenden Betrieb.<br />
Aber Vorsicht: Der Expatriate hat bei einem Rückruf nach wie vor<br />
Anspruch auf die Vergütung aus dem Entsendungsvertrag. Denn<br />
dieser wird durch den Rückruf nicht beendet. Das Rückrufrecht<br />
ist nur eine Ausprägung des Direktionsrechts. Oft ist der Expat<br />
aber mit der Weiterbeschäftigung in Deutschland nicht zufrieden,<br />
entweder weil die angebotene Tätigkeit unterwertig ist oder in einem<br />
Umfeld angesiedelt ist, das wenig Entwicklungspotenzial bietet.<br />
Dann entwickelt der Expatriate vielfach eigene Initiativen, um ein<br />
neues Einvernehmen zu erzielen.<br />
Es ist jedoch zu beachten, dass das Rückrufrecht nicht missbraucht<br />
wird. Es darf nur im Rahmen der vertraglichen Regelungen ausgeübt<br />
werden, wenn diese rechtskonform sind. Auf jeden Fall hat<br />
ein Rückruf nur vorübergehende Natur. Wenn er sich zu einer dauerhaften<br />
Veränderung des Arbeitsorts verdichtet, ist der Rückruf<br />
in Wahrheit eine Änderungskündigung.<br />
Zudem dürfte es unzulässig sein, das Rückrufrecht allein zur Herbeiführung<br />
einer Vertragsänderung zu nutzen. Es darf nur zur Verfolgung<br />
von dienstlichen beziehungsweise vertraglichen Zwecken<br />
ausgeübt werden. Überschreitet der Arbeitgeber seine Befugnisse,<br />
ist die Ausübung des Rückrufrechtes unwirksam <strong>und</strong> der Expatriate<br />
kann sich dieser Anweisung rechtmäßig widersetzen mit dem<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 21
ARBEITSRECHT Auslandsentsendung<br />
22<br />
Das Mehrvertragsmodell Abbildung 3<br />
Ruhensvereinbarung<br />
Entsendungsvertrag<br />
Ergebnis, dass er das Land nicht verlässt. Eine Kündigung wegen<br />
Arbeitsverweigerung ist in solchen Fällen nicht möglich.<br />
Einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf die Durchführung einer<br />
Kündigung. Es ist zwischen einem Einvertrags-, einem Zweivertrags-<br />
<strong>und</strong> einem Mehrvertragsmodell zu unterscheiden (siehe dazu<br />
Abbildungen 1 bis 3). Die Einteilung der Vertragsmodelle erfolgt<br />
im Wesentlichen nach der Anzahl der verwendeten Dokumente.<br />
Sie dient dem Zweck, den Regelungsumfang besser zu erkennen.<br />
Während es bei einem Einvertragsmodell ausreicht, eine Kündigung<br />
zu erklären, sind bei einem Zweivertragsmodell zwei Erklärungen<br />
<strong>und</strong> bei einem Mehrvertragsmodell mehrere Kündigungserklärungen<br />
erforderlich, wenn das gesamte Beschäftigungsverhältnis<br />
rechtssicher beendet werden soll. Die drei Diagramme verdeutlichen<br />
die Komplexität.<br />
In den meisten Fällen müssen die Kündigungserklärungen schriftlich<br />
erfolgen; nach deutschem Recht auf jeden Fall. Deshalb<br />
reichen eine E-Mail oder ein Fax nicht aus. Der sicherste Weg ist<br />
immer die persönliche Übergabe, die bei einem Aufenthalt des Expatriates<br />
im Ausland nicht immer einfach durchzuführen ist. Hier<br />
sind besondere Vorkehrungen zu treffen. Unter Umständen ist ein<br />
Kurierdienst erforderlich.<br />
Die Kündigung begründen<br />
Mehrvertragsmodell<br />
Anstellungsvertrag<br />
Lokaler Vertrag<br />
Bei diesen Konstellationen müssen bei Veränderungen von<br />
Auslandsentsendungen diverse, einzelne Vertragswerke<br />
berücksichtigt <strong>und</strong> abgehandelt werden.<br />
Problematisch ist die Begründung in jedem Fall. Eine Kostenoptimierung<br />
rechtfertigt nicht ohne Weiteres eine betriebsbedingte<br />
Änderungskündigung. Unter Umständen ist in Deutschland zudem<br />
eine Sozialauswahl durchzuführen.<br />
Bei einem Zweivertrags- oder Mehrvertragsmodell stellt sich allerdings<br />
noch eine weitere nicht ganz unerhebliche Frage: Begründet<br />
das Kündigungsrecht nach deutschem Recht auch eine Kündigung<br />
nach dem Recht des Einsatzlandes? Reicht der Kündigungsgr<strong>und</strong><br />
des einen Unternehmens auch gegenüber einem anderen<br />
Unternehmen aus? Denn die Zwei- <strong>und</strong> Mehrvertragsmodelle wer-<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
Ergänzungsvereinbarung<br />
den in der Regel mit unterschiedlichen Unternehmen abgeschlossen.<br />
Manche gehören zu einem Konzern <strong>und</strong> andere nicht.<br />
Vielfach wird die Komplexität von Kündigungen bei Auslandsentsendungen<br />
unterschätzt. Die Folge sind unerwünschte Arbeitsgerichtsprozesse<br />
<strong>und</strong> teure Vergleiche.<br />
Im Falle einer Betriebsschließung stellt sich die Frage, ob Expatriates<br />
eine Sozialplanabfindung erhalten müssen. Vielfach<br />
herrscht die Ansicht, dass Expatriates nicht mehr in dem Betrieb<br />
integriert sind, der ihn entsendet hat. Die Antwort ist durch eine<br />
juristische Bewertung nur im Einzelfall zu finden.<br />
Vielfach weigern sich außerdem die Betriebsräte, die Gruppe der<br />
Expatriates mit in den Sozialplan aufzunehmen. Ihre Argumente:<br />
Sie würden nicht von den Expats gewählt oder die Expats gehörten<br />
nicht mehr dem Betrieb an. Dann ist die Lage naturgemäß besonders<br />
schwierig. In diesen Fällen muss das Unternehmen Einzelgespräche<br />
mit den Mitarbeitern führen. Diese Vorgehensweise ist<br />
allerdings sehr umstritten.<br />
Kosten sparen durch Rückkehr<br />
Eine weitere Rolle kann die Reintegration von Expatriates in das<br />
entsendende Unternehmen spielen, wenn der Zeitraum der<br />
Entsendung abgelaufen ist oder vorzeitig beendet werden konnte.<br />
Dem allgemeinen Trend folgend wurden die vertraglichen Reintegrationspflichten<br />
inzwischen auf einen Bemühenstatbestand<br />
seitens des Arbeitgebers reduziert. Dahinter steckt ein handfestes<br />
Problem: Die meisten Unternehmen können die ehemaligen Expatriates<br />
schlicht nicht mehr aufnehmen. Vielfach wurden Arbeitsplätze<br />
<strong>und</strong> Funktionen vollständig ins Ausland verlagert. Oder die<br />
Kapazitäten mussten reduziert werden. Während die Reintegration<br />
bisher ein kulturelles Problem darstellte, ist es in der Wirtschaftskrise<br />
ein Kostenproblem.<br />
Daher machen viele Unternehmen davon Gebrauch, die Expatriates<br />
erst gar nicht mehr in Deutschland einzusetzen. Dafür gibt es<br />
außer den Kosten auch eine Zahl von anderen Gründen.<br />
Die meisten Unternehmen nutzen den Anlass der Wirtschaftskrise,<br />
um die finanziellen Eckdaten einer neuen Entsendung erheblich<br />
zu reduzieren. Schließlich befinden sich auch die Expatriates<br />
in einem veränderten Bewerbermarkt. Mancherorts wird überlegt,<br />
ob Expats auch durch lokale Mitarbeiter ersetzt werden können.<br />
Soweit zu diesem Ansatz Erkenntnisse vorliegen, dokumentieren<br />
sie, dass es auch eine „Low Budget“-Entsendung geben kann. In<br />
einigen Fällen wurde schlicht die Dauer der Auslandseinsätze verringert.<br />
Das wird aber sicher nicht in allen Fällen unternehmerisch<br />
darstellbar sein.<br />
Autor<br />
Achim Heuser,<br />
Rechtsanwalt <strong>und</strong> Fachanwalt<br />
für Arbeitsrecht, HEUSER & COLLEGEN,<br />
Duisburg, achim.heuser@heuser-collegen.de
ARBEITSRECHT Dienstwagen<br />
24<br />
Und immer wieder offene Fragen<br />
Für viele Mitarbeiter unentbehrlich, für andere ein Motivationsfaktor: Der Firmenwagen.<br />
Trotz seiner weiten Verbreitung gibt es regelmäßig Probleme zwischen Arbeitgeber<br />
<strong>und</strong> Mitarbeitern – vor allem bei der Privatnutzung.<br />
D<br />
as Auto ist der Deutschen liebstes Kind – erst recht in<br />
Form eines Dienstwagens. Er ist nicht nur Arbeitsmittel,<br />
sondern auch Statussymbol, dessen Existenz <strong>und</strong> Ausstattung<br />
über den Erfolg im Arbeitsleben Auskunft gibt. Da<br />
der Dienstwagen in der Regel vom Arbeitgeber zur Privatnutzung<br />
freigegeben wird, ist er für viele Arbeitnehmer auch<br />
im privaten Bereich von großer Bedeutung. Es w<strong>und</strong>ert<br />
nicht, dass sich am Entzug der Privatnutzung oft Streit entzündet.<br />
Typischerweise wird der Umfang der Nutzung im Arbeitsvertrag<br />
selbst geregelt. Der Arbeitgeber kann einen Dienstwagen<br />
ausschließlich zur dienstlichen Nutzung zur Verfügung<br />
stellen. Nur wenn die Parteien dies ausdrücklich<br />
vereinbaren, darf der Arbeitnehmer das Fahrzeug auch<br />
privat nutzen. Allerdings kann sich ein Anspruch auf die<br />
Nutzung des Dienstwagens, auch privat, aus betrieblicher<br />
Übung ergeben.<br />
Bei einem Vertrag über einen Dienstwagen sind zweckmäßigerweise<br />
auch Regelungen zur Gestellung <strong>und</strong> Nutzung<br />
zu treffen. Diese finden sich oft in sogenannten „Car-Policies“,<br />
die dem Arbeitsvertrag beigefügt sind. Typische Punkte<br />
darin sind Aussagen über die Kfz-Kategorie, die Nutzungsbefugnisse,<br />
die Haftung für Schäden <strong>und</strong> die Kostenverteilung<br />
bei Instandhaltungsarbeiten.<br />
Arbeitsrechtlich interessant ist der zur privaten Nutzung<br />
freigegebene Dienstwagen. Denn diese stellt einen geldwer-<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
ten Vorteil in Form eines Sachbezugs dar, während die ausschließlich<br />
dienstliche Nutzung den Wagen lediglich zu<br />
einem Arbeitsmittel macht.<br />
Wenn der Wagen zum Lohn gehört<br />
Der in der privaten Nutzung liegende geldwerte Vorteil ist<br />
Teil der Vergütung, unterliegt dem gleichen Schutz wie<br />
andere Vergütungsbestandteile <strong>und</strong> ist damit gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
nicht der einseitigen Disposition des Arbeitgebers unterworfen.<br />
Damit kann die Überlassung des Dienstwagens zur<br />
privaten Nutzung im Prinzip nur durch eine Änderungskündigung<br />
(§ 2 KSchG) oder eine Vereinbarung mit dem<br />
Arbeitnehmer beseitigt werden.<br />
Die Änderungskündigung erweist sich jedoch nicht nur als<br />
schwer durchsetzbar, sondern ist zudem aufgr<strong>und</strong> der anzuwendenden<br />
Kündigungsfristen recht unflexibel. Eine Einigung<br />
mit dem Arbeitnehmer ist oft nur durch andere Zugeständnisse<br />
zu erreichen. Mithin erweisen sich diese Instrumente<br />
in der Praxis als wenig brauchbar beziehungsweise<br />
zu kostenintensiv. Arbeitgeber suchen also nach einer einseitigen<br />
Widerrufsmöglichkeit der privaten Nutzung. Eine<br />
solche muss im Vertrag aber ausdrücklich vereinbart werden.<br />
Eine Car-Policy, die lediglich dem Vertrag anhängt<br />
<strong>und</strong> nicht separat von beiden Parteien unterschrieben ist,<br />
reicht hierfür nicht aus. Hierfür ist entweder eine Regelung<br />
im Arbeitsvertrag oder in einem separat von beiden Par
teien unterschriebenen Dienstwagenvertrag<br />
erforderlich.<br />
Einfach Widerrufen geht nicht<br />
Das BAG stellt an die Wirksamkeit einer<br />
Widerrufsklausel in einem Formulararbeitsvertrag<br />
hohe Anforderungen. (BAG<br />
vom 19.12.2006 – 9 AZR 294/06). So hält<br />
eine „jederzeitige Widerrufbarkeit“ der<br />
Privatnutzung einer Inhaltskontrolle nicht<br />
stand. Vielmehr müssen sachliche Gründe<br />
festgelegt werden. Dabei sollen pauschale<br />
Hinweise auf wirtschaftliche Gründe,<br />
Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers<br />
ausreichen, aus Gründen der<br />
Transparenz ist jedoch deren ausdrückliche<br />
Nennung in der Widerrufsklausel ratsam.<br />
Das können sein:<br />
● Freistellung des Arbeitnehmers von der<br />
Arbeitspflicht;<br />
● Suspendierung der Hauptleistungspflichten,<br />
sofern auch der Vergütungsanspruch<br />
des Arbeitnehmers erlischt, zum Beispiel<br />
bei Wehr- <strong>und</strong> Ersatzdienst, Elternzeit,<br />
Langzeiterkrankung ab sechs<br />
Wochen;<br />
● Änderung der Arbeitsaufgabe;<br />
● Verlust der Fahrerlaubnis/Verbot zum<br />
Führen eines Kraftfahrzeuges.<br />
Im Allgemeinen ist nur durch eine berechtigte<br />
einseitige Freistellung der Widerruf<br />
der Privatnutzung möglich. Auch hier gilt,<br />
dass eine pauschale, vertraglich vorbehaltene<br />
Berechtigung zur einseitigen Freistellung<br />
einer Inhaltskontrolle nach den<br />
§§ 305 ff. BGB nicht standhält. Bei Änderung<br />
der Arbeitsaufgabe (etwa Wechsel<br />
vom Außen- in den Innendienst) ist die<br />
Aufhebung der privaten Nutzung jedenfalls<br />
nur dann möglich, wenn der Dienstwagen<br />
ursprünglich auch aufgr<strong>und</strong> der Arbeitsaufgabe<br />
zur Verfügung gestellt wurde.<br />
Ob das Widerrufsrecht in den Fällen vereinbart<br />
werden muss, in denen der Arbeitnehmer<br />
keine Vergütung mehr erhält (wie<br />
Langzeiterkrankung über sechs Wochen),<br />
ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.<br />
Man wird aber gr<strong>und</strong>sätzlich davon<br />
ausgehen können, dass mit Wegfall des Vergütungsanspruchs<br />
die private Nutzung<br />
automatisch entfällt. Da die Tendenz des<br />
BAG allerdings dahingeht, dem Arbeitnehmer<br />
die weitere private Nutzung des Fahrzeugs<br />
zuzugestehen, wenn Entgeltersatzleistungen<br />
(etwa Zuschuss zum Mutterschaftsgeld)<br />
fließen, ist anzuraten, auch<br />
diese Fälle in die Widerrufsklausel aufzunehmen.<br />
Ein Widerruf ist auch nur dann möglich,<br />
wenn die Nutzung nicht mehr als 25 bis<br />
30 Prozent des Gesamteinkommens des<br />
Arbeitnehmers ausmacht. Vorsicht ist<br />
insofern geboten, wenn der Arbeitnehmer<br />
ein geringes Fixeinkommen, aber<br />
einen hohen variablen Vergütungsanteil<br />
hat. Da nicht das maximale hypothetische<br />
Einkommen, sondern das tatsächliche<br />
Gesamteinkommen maßgeblich ist,<br />
können die Verhältnisse sich im Laufe<br />
des Arbeitsverhältnisses verschieben, je<br />
nachdem, wie hoch der variable Anteil ausfällt.<br />
Knackpunkt Fahrzeugrückgabe<br />
Der berechtigte Widerruf der Privatnutzung<br />
<strong>und</strong> die Rücknahme des Dienstwagens<br />
lösen gr<strong>und</strong>sätzlich keine Entschädigungspflicht<br />
aus. Dennoch empfiehlt sich eine<br />
entsprechende Klarstellung im Vertrag.<br />
Fehlt sie, würde sich die Höhe einer Entschädigung<br />
nach Gr<strong>und</strong>sätzen der lohnsteuerrechtlichen<br />
Vorteilsermittlung (üblicherweise<br />
1-Prozent-Regel) berechnen.<br />
Auch wenn bislang noch nicht höchstrichterlich<br />
geklärt ist, ob ein vereinbarter Ausschluss<br />
eines Zurückbehaltungsrechts am<br />
Dienstwagen entgegen des in § 309 Nr. 2<br />
BGB enthaltenen gr<strong>und</strong>sätzlichen Verbots<br />
des Ausschlusses von Leistungsverweigerungsrechten<br />
durchsetzbar ist, sollte er<br />
geregelt werden. Die im AGB-Recht geltenden<br />
„Besonderheiten des Arbeitsrechtes“<br />
könnten in diesem Fall den Ausschluss<br />
des Zurückbehaltungsrechts erlauben, was<br />
eine Herausgabe erheblich vereinfacht.<br />
Der Arbeitnehmer muss den Dienstwagen<br />
bei einem berechtigten Widerruf der Privatnutzung<br />
unverzüglich herausgeben.<br />
Tut er dies nicht, zum Beispiel wegen vermeintlicher<br />
Gegenansprüche, stellt sich<br />
die Frage, welche Mittel dem Arbeitgeber<br />
zur Verfügung stehen.<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 25
ARBEITSRECHT Dienstwagen<br />
Dringend abzuraten ist von einer eigenmächtigen<br />
Inbesitznahme des Fahrzeugs. Eine<br />
solche führt dazu – unabhängig davon, ob<br />
mögliche Gegenansprüche gerechtfertigt<br />
sind – dass der Arbeitgeber zur Rückgabe<br />
an den Arbeitnehmer aufgr<strong>und</strong> verbotener<br />
Eigenmacht verpflichtet ist.<br />
Insofern muss der Arbeitgeber gerichtlich<br />
– unter Umständen auch mittels einstweiliger<br />
Verfügung – auf Herausgabe klagen.<br />
Beruft der Arbeitnehmer sich auf Gegenansprüche<br />
(etwa wegen ausstehendem Bonus),<br />
müssen diese im Verfahren geprüft werden.<br />
Ob ein im Dienstwagenvertrag vereinbarter<br />
Ausschluss von Zurückbehaltungsrechten<br />
hier weiterhilft, ist zweifelhaft,<br />
siehe oben. Daher besteht das Risiko, dass<br />
der Arbeitgeber seinen Herausgabeanspruch<br />
erst gegen Ansprüche des Arbeitnehmers<br />
durchsetzen muss.<br />
Sportsitze, Spezialfelgen <strong>und</strong> Co.<br />
Häufig wird dem Arbeitnehmer auf dessen<br />
Wunsch ein Fahrzeug mit Sonderausstattung<br />
gewährt. Endet das Arbeitsverhältnis<br />
vorzeitig <strong>und</strong> gibt es für den<br />
Leasingwagen keine andere Verwendung,<br />
wollen Arbeitgeber meist von den Verpflichtungen<br />
aus dem Leasingvertrag<br />
loskommen. Oder sie wollen die entstehenden<br />
Ablösungskosten wegen vorzeitiger<br />
Beendigung ganz oder teilweise dem<br />
Arbeitnehmer aufbürden. Solche Regelungen<br />
haben gr<strong>und</strong>sätzlich nur ein geringes<br />
Risiko, unwirksam zu sein, wenn sie von<br />
den Parteien anlässlich der Beendigung des<br />
Arbeitsverhältnisses in einem ausgehandelten<br />
Aufhebungsvertrag vereinbart werden.<br />
Dagegen sind sie in vorformulierten<br />
Dienstwagenverträgen oftmals unwirksam.<br />
Eine dem Arbeitnehmer auferlegte Pflicht,<br />
im Falle seines Ausscheidens vor Ablauf<br />
der Leasingdauer die anfallenden Ablösekosten<br />
für die vorzeitige Vertragsaufhebung<br />
zu tragen, ist unwirksam (LAG Düsseldorf<br />
vom 18.05.1995 – 12 Sa 183/95).<br />
Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber<br />
nur die Ablösekosten abwälzen möchte,<br />
die der Differenz der durch die Zusatzausstattung<br />
höheren Leasingraten ent-<br />
26<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
sprechen. Dem finanziellen Nachteil des<br />
Arbeitnehmers stünde kein wirtschaftliches<br />
Äquivalent gegenüber, da er das Fahrzeug<br />
ja zurückgeben müsste. Dadurch würde sein<br />
Recht auf freie Arbeitsplatzwahl faktisch<br />
erschwert, denn solche Regelungen halten<br />
ihn womöglich von der Eigenkündigung<br />
ab.<br />
Noch nicht entschieden ist, ob die Ablösekosten<br />
dem Arbeitnehmer aufgebürdet<br />
werden können, wenn er die vorzeitige<br />
Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst<br />
schuldhaft herbeigeführt hat. Ausgehend<br />
von den Argumenten, mit denen die Gerichte<br />
die Unwirksamkeitsfolge begründen,<br />
wird das dann der Fall sein, wenn der Mitarbeiter<br />
sich schuldhaft <strong>und</strong>/oder so verhalten<br />
hat, dass eine außerordentliche<br />
Kündigung gerechtfertigt ist.<br />
Die Unwirksamkeitsfolge gilt für einen<br />
Formularvertrag. Ein zwischen den Parteien<br />
ausgehandelter Dienstwagenvertrag<br />
unter Wahrung der Vertragsparität könnte<br />
hingegen halten. Im Streitfall wird es<br />
allerdings schwer nachzuweisen sein, dass<br />
der Arbeitnehmer bei den Verhandlungen<br />
nicht „strukturell unterlegen“ war, was<br />
die Arbeitsgerichte sonst üblicherweise<br />
annehmen.<br />
Gleichermaßen ist es unwirksam, wenn<br />
der Arbeitnehmer laut Formulardienstwagenvertrag<br />
bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
den Leasingvertrag übernehmen<br />
soll, sofern der Leasinggeber<br />
einverstanden ist. Anders als bei den Ablösekosten<br />
wird dem Arbeitnehmer zwar ein<br />
wirtschaftliches Äquivalent gegenüberstehen,<br />
da er schließlich den Wagen weiter<br />
nutzen kann. Die unangemessene<br />
Benachteiligung wird trotzdem angenommen<br />
<strong>und</strong> vor allem damit begründet, dass<br />
sich Leasing bei rein privater Nutzung<br />
regelmäßig nicht rechne.<br />
Besonderheiten beim Verkauf<br />
Möchte der Arbeitnehmer bei der Beendigung<br />
des Arbeitsverhältnisses dem<br />
Arbeitgeber das bisher genutzte Fahrzeug<br />
abkaufen, sollten die Gewährleistungsrechte<br />
des Arbeitnehmers gemäß § 437<br />
BGB soweit wie möglich ausgeschlossen<br />
oder eingeschränkt werden. Ein Arbeitnehmer<br />
ist nach Ansicht des BAG bei<br />
arbeitsverhältnisbezogenen Vertragsgestaltungen<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich wie ein Verbraucher<br />
anzusehen. Daher können Mangelbeseitigungs-<br />
<strong>und</strong> Rücktrittsrechte nach<br />
§ 475 Abs. 1 Satz 1 BGB im Prinzip nicht<br />
ausgeschlossen werden. Dennoch empfiehlt<br />
sich eine entsprechende Regelung<br />
für den Vertrag, da beim Dienstwagenkauf<br />
die Arbeitsgerichte die den Arbeitnehmer<br />
begünstigenden Verbrauchervorschriften<br />
deshalb auch nicht anwenden<br />
könnten, weil es sich hierbei um ein für<br />
den Arbeitgeber fremdes Geschäft handelt.<br />
So könnte die Sachschadensersatzhaftung<br />
des Arbeitgebers auf grobe Fahrlässigkeit<br />
beschränkt werden. Neben dem<br />
Ausschluss oder der Beschränkung dieser<br />
Rechte könnte eine weitere Regelung<br />
im Kaufsfall sein, die Verjährungsfrist<br />
auf ein Jahr zu verkürzen, was beim Kauf<br />
gebrauchter Waren selbst im Falle eines<br />
Verbrauchergütekaufs wirksam vereinbart<br />
werden kann.<br />
Bei der Vertragsgestaltung über Dienstwagenüberlassung<br />
ist also Sorgfalt geboten.<br />
Insbesondere sollten Widerrufsmöglichkeiten<br />
ausdrücklich genannt werden,<br />
um zu vermeiden, dass das Fahrzeug ohne<br />
Arbeitsleistung nicht weiter genutzt wird.<br />
Ferner sollte man Wünschen des Arbeitnehmers<br />
nach Sonderausstattung mit gebotener<br />
Zurückhaltung begegnen, da diese<br />
bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
für den Arbeitgeber erhebliche Kosten verursachen<br />
können.<br />
Autorin<br />
Petra Hess,<br />
Rechtsanwältin <strong>und</strong><br />
Fachanwältin für<br />
Arbeitsrecht, LLM, Kanzlei<br />
Baker & McKenzie, Frankfurt,<br />
petra.hess@bakernet.com<br />
Autorin<br />
Izabela Kasprzyk,<br />
Rechtsanwältin,<br />
Kanzlei Baker & McKenzie,<br />
Frankfurt,<br />
izabela.kasprzyk@bakernet.com
ARBEITSRECHT Compliance<br />
28<br />
Gefahrlos Aufklären<br />
Whistleblower sollen sich an besondere Stellen<br />
wenden können, um ihre Hinweise über Straftaten<br />
loszuwerden. Doch betriebsseitig engagierte<br />
Personen sind dafür nicht die beste Wahl. Über den<br />
Konflikt von Anonymität <strong>und</strong> Aufklärungswillen.<br />
W<br />
er heute auf Missstände <strong>und</strong> Gefahren im Unternehmen<br />
hinweist oder gar eine strafbare Geschäftspraxis<br />
aufzudecken hilft, macht sich nicht beliebt. Es heißt:<br />
Wer meldet, verpfeift. Wie zahlreiche Untersuchungen<br />
zeigen, setzt sich der Whistleblower oder Hinweisgeber<br />
Anfeindungen am Arbeitsplatz aus. Anonymität bietet<br />
dabei selten ausreichend Schutz vor diskriminierenden<br />
Maßnahmen. Gleichwohl sind Unternehmen interessiert<br />
zu wissen, was in ihrer Organisation nicht funktioniert.<br />
Haben sie als börsennotierte Gesellschaft sogar die Pflicht,<br />
ein sogenanntes Risk Management einzurichten, kann es<br />
geradezu überlebenswichtig sein, frühzeitig Kenntnis von<br />
Fehlentwicklungen zu haben. Diese kann man – wie Fälle<br />
bei der Bahn <strong>und</strong> der Telekom zeigen – selten durch<br />
flächendeckende, interne Ermittlungen ins Blaue hinein<br />
erreichen. Insofern sollte der einzelne Mitarbeiter motiviert<br />
sein, sich aus eigenem Antrieb zu offenbaren.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich müsste jedes Unternehmen daran Interesse<br />
haben, Informationskanäle aus dem Kreis der Mitarbeiter<br />
zu erschließen. Nicht nur börsennotierte Unternehmen,<br />
die nach den Regeln des Sarbanes-Oxley Act zur Einrichtung<br />
eines entsprechenden Meldesystems verpflichtet<br />
sind (zum Beispiel Siemens, Allianz), müssen sich um<br />
eine funktionierende Compliance-Organisation kümmern.<br />
Inzwischen besteht der Druck von K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Lieferanten,<br />
entsprechende Systeme einzurichten, mit denen die<br />
Geschäftsleitungen auch nicht börsennotierter Unternehmen<br />
auf Regeltreue achten sollen. Dabei geht es häufig<br />
noch um das Vermeiden erheblicher Schäden <strong>und</strong> den<br />
damit verb<strong>und</strong>enen Imageverlust in der Öffentlichkeit im<br />
Falle der klassischen unternehmensbezogenen Rechtsverstöße,<br />
wie Korruption <strong>und</strong> Kartellabsprachen. Whistleblowing<br />
stellt dann praktizierte Risikofrüherkennung dar.<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
Die Rechtslage ist für den Hinweisgeber nicht überschaubar.<br />
Es steht fest, dass er sich bei einem ungewöhnlichen<br />
Verhalten, das er als Korruption wahrnimmt, nicht gleich<br />
an die Staatsanwaltschaft wenden kann. Der Mitarbeiter<br />
hat sich mit Rücksicht auf die Geschäftsinteressen seines<br />
Arbeitgebers zunächst an innerbetriebliche Stellen zu<br />
wenden. Neben der arbeitsvertraglichen Pflicht, Schäden<br />
zu verhindern, hat er auch die Pflicht zur Verschwiegenheit<br />
von Betriebs- <strong>und</strong> Geschäftsgeheimnissen gegenüber<br />
Dritten.<br />
Vor Schaden bewahren wollen<br />
In zwei Leitentscheidungen von 2003 <strong>und</strong> 2006 hat das<br />
B<strong>und</strong>esarbeitsgericht diese Rahmenbedingungen infolge<br />
einer Entscheidung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichtes wie<br />
folgt festgelegt: Der Arbeitgeber hat ein rechtlich geschütztes<br />
Interesse, nur mit solchen Arbeitnehmern zusammenzuarbeiten,<br />
die die Ziele des Unternehmens fördern <strong>und</strong><br />
es vor Schaden bewahren.<br />
Das Recht zur außerbetrieblichen Anzeige durch den<br />
Arbeitnehmer besteht erst, wenn ein innerbetrieblicher<br />
Abhilfeversuch erfolglos war oder bei objektiver Betrachtung<br />
nicht erwartet werden kann, dass der Arbeitgeber<br />
Abhilfe schafft. Dies wird immer angenommen, wenn<br />
gesetzliche Vertreter als Organe eines Unternehmens<br />
selbst strafbare Handlungen begehen. Hier kann der<br />
Arbeitnehmer nicht annehmen, dass diese gegen sich<br />
selbst Maßnahmen ergreifen. Auch wird es keinen<br />
innerbetrieblichen Abhilfeversuch geben, wenn schwerwiegende<br />
<strong>und</strong> mit erheblichen Gefahren verb<strong>und</strong>ene strafbare<br />
Rechtsverletzungen vorliegen oder gar Straftaten, bei<br />
deren Nichtanzeige sich der Whistleblower selbst strafbar<br />
machen würde.
Die Erwartung der Rechtsprechung an<br />
den Anzeigenden ist, dass er sich moralisch<br />
einwandfrei verhält. Bei wissentlich<br />
falscher oder leichtfertiger Anzeige muss<br />
er mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen<br />
rechnen. Die Praxis zeigt aber: Eine zutreffende<br />
Einschätzung eines Sachverhalts<br />
durch den Arbeitnehmer ist selten ohne<br />
anwaltliche Beratung möglich.<br />
Vom Wollen <strong>und</strong> Können<br />
Inzwischen ermöglichen zahlreiche Unternehmen<br />
die anonyme Anzeige über eine<br />
Telefonhotline oder ein Internetportal.<br />
Unabhängig von der Frage, inwieweit ein<br />
anonymer Hinweis zu einer strafbaren<br />
falschen Verdächtigung einer involvierten<br />
Person führt, ist der Whistleblower<br />
darauf hinzuweisen, dass personenbezogene<br />
Daten nur erhoben, verarbeitet oder<br />
genutzt werden können, wenn eine Einwilligung<br />
vorliegt. Diese müsste gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
schriftlich erfolgen. Ein anonymer<br />
Hinweisgeber kann nur unter Preisgabe<br />
seiner Identität eine solche Zustimmung<br />
geben. Erst wenn zu dokumentierende<br />
konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass<br />
eine Straftat begangen worden ist, ist eine<br />
solche Einwilligung des Hinweisgebers<br />
<strong>und</strong> betroffener Arbeitnehmer entbehrlich.<br />
Wann diese Schwelle erreicht ist, ist selbst<br />
unter Experten strittig.<br />
Die Qualität einer funktionierenden Compliance-Organisation<br />
hängt im Wesentlichen<br />
von der Organisation der Kommunikation<br />
ab. In diesem Rahmen kommt es<br />
gerade auf die Glaubwürdigkeit des anzeigenden<br />
Arbeitnehmers an, der als sogenannter<br />
„Risk Messenger“ über das ausschlaggebende<br />
Wissen eines Vorgangs verfügt.<br />
Es ist entscheidend, dass die den Hinweis<br />
aufnehmende Stelle nicht nur willens, sondern<br />
auch in der Lage ist, die Meldung so<br />
zu bearbeiten, dass der Whistleblower keine<br />
Repressalien zu befürchten hat.<br />
Die Erfahrung zeigt, dass innerbetriebliche<br />
Stellen, wie eine eigene Beschwerdestelle,<br />
ein Beauftragter des Unternehmens<br />
oder ein besonderes Mitglied des Betriebsrates<br />
selten über die Überzeugungskraft<br />
verfügen, dass sich ein zum Hinweis<br />
motivierter Arbeitnehmer ausreichend<br />
geschützt fühlt. Es handelt sich immer noch<br />
um Personen, die dem Unternehmen<br />
angehören. Der Arbeitnehmer kann nicht<br />
einschätzen, ob diese aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />
arbeitsvertraglichen Situation oder persönlicher<br />
Interessen dauerhaft die zugesagte<br />
Vertraulichkeit einhalten. Schließlich<br />
sind vor allem in kleinen <strong>und</strong> mittelständischen<br />
Unternehmen solche Personen<br />
selten geschult, um Person <strong>und</strong><br />
Aussagen eines Whistleblowers kritisch<br />
zu würdigen.<br />
Externe Hilfe bietet Sicherheit<br />
Zahlreiche Unternehmen bedienen sich<br />
insoweit externer Beauftragter, die als<br />
sogenannte Ombudsleute die Möglichkeit<br />
bieten, vor staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen<br />
eigene sachdienliche Aufklärung<br />
zu betreiben. Solche externen Dienstleister,<br />
die regelmäßig Anwälte sind, unterliegen<br />
bereits einer beruflichen Verschwiegenheitspflicht,<br />
die zudem strafbewehrt ist. Im Prozess<br />
genießen sie das Privileg eines Zeugnisverweigerungsrechts,<br />
wenn sie zu wahrheitsgemäßen<br />
Angaben verpflichtet oder<br />
gezwungen würden. Darauf können sich<br />
interne Stellen nicht berufen.<br />
Im Rahmen der ersten Schlüssigkeitsprüfung<br />
können sich Ombudsleute ein Bild<br />
über die Plausibilität eines Hinweises <strong>und</strong><br />
die Glaubwürdigkeit des Hinweisgebers<br />
machen, bevor sie im Verlauf des Verfahrens<br />
eine Empfehlung für weitere (interne<br />
oder externe) Nachforschungen oder<br />
Ermittlungen geben. Selbst wenn der Hinweisgeber<br />
im Rahmen von weiterer Korrespondenz<br />
seine Identität preisgibt, ist<br />
der Ombudsmann nicht verpflichtet, diese<br />
an das Unternehmen weiterzugeben.<br />
Angesichts seiner Unabhängigkeit kann<br />
er auch dem Druck eines solchen Ansinnens<br />
seines Auftraggebers widerstehen.<br />
Er genießt eine gesteigerte Autorität.<br />
In der Praxis zeigt sich zudem, dass bei<br />
einer Aufgabe der Identität des Hinweisgebers<br />
ein entsprechend hohes Maß an<br />
Vertraulichkeit gegenüberstehen muss.<br />
Der Whistleblower beraubt sich selbst<br />
seines wichtigsten Schutzes, der Anony-<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 29
ARBEITSRECHT Compliance<br />
mität. Gleichzeitig unterstützt dies in<br />
hohem Maße die Annahme, dass die Meldung<br />
plausibel <strong>und</strong> die Person des Hinweisgebers<br />
glaubwürdig sind.<br />
So lange der Hinweisgeber verdeckt eine<br />
Anzeige erstatten kann, bewegt er sich noch<br />
in einer Komfortzone (in der Abbildung<br />
unter 1). Dort ist das Risiko, sich schutzlos<br />
zu offenbaren, noch gering. Gleichzeitig<br />
führt dies – zumindest bei schematischer<br />
Betrachtung – zu einem maximalen<br />
Wert der Glaubhaftigkeit von 50 Prozent:<br />
Der Hinweis kann zutreffend oder<br />
nicht zutreffend sein. In der Vertraulichkeitszone<br />
hingegen (in der Abbildung<br />
unter 2) hat sich der Whistleblower entschlossen,<br />
Hinweise zu geben, durch die<br />
Rückschlüsse auf die Identität seiner Person<br />
möglich sind. Spätestens wenn er<br />
dies preisgibt, was auch bei anonymen Hinweisgebern<br />
nach entsprechender Rückfrage<br />
durch Ombudsleute möglich ist, gibt<br />
er einen offenen Hinweis, an dessen Glaubwürdigkeit<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich kein Zweifel<br />
mehr bestehen sollte.<br />
Besonderen Schutz kommunizieren<br />
Um dieses Maß an Vertraulichkeit zu erreichen,<br />
müsste der Schutz für den Hinweisgeber<br />
besonders ausgeprägt sein. Auf den<br />
ersten Blick klingt es befremdend: Warum<br />
braucht jemand Schutz, der sich für das<br />
Unternehmen einsetzt? Das wird aber der<br />
betrieblichen Wirklichkeit nicht gerecht.<br />
Bereits in der griechischen Mythologie<br />
wird nicht der Verursacher, sondern der<br />
Überbringer der schlechten Nachricht<br />
bestraft. Damit muss auch der Hinweisgeber<br />
im Unternehmen rechnen. Er hat selten<br />
die entscheidenden Kenntnisse über<br />
einen Missstand, wenn er nicht Teil des<br />
„kritischen“ Systems ist. Offenbart er sich,<br />
muss er damit rechnen, als Nestbeschmutzer<br />
<strong>und</strong> nicht als reinigender Faktor wahrgenommen<br />
zu werden. Dafür benötigt er<br />
einen nach Möglichkeit freiwillig eingeräumten<br />
Sonderkündigungsschutz.<br />
Mit einer ergänzenden Vereinbarung zum<br />
Arbeitsvertrag könnte das von einem Hinweis<br />
profitierende Unternehmen dem<br />
Whistleblower zusagen, dass sein Arbeits-<br />
30<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
Wechselwirkung zwischen der Art des Whistleblowing<br />
<strong>und</strong> der Glaubhaftigkeit der Hinweise<br />
Grad<br />
100%<br />
Glaubhaftigkeit<br />
der Hinweise<br />
50%<br />
0%<br />
2<br />
verhältnis für die Dauer von bis zu einem<br />
Jahr nach Abschluss der eingeleiteten<br />
(innerbetrieblichen) Ermittlungen ordentlich<br />
unkündbar ist. Eine Kündigung wäre<br />
nur aus wichtigem Gr<strong>und</strong>e möglich. Letztlich<br />
soll das Unternehmen signalisieren,<br />
dass es Mitarbeiter zu nützlichen Hinweisen<br />
ermutigt <strong>und</strong> dafür konkreten<br />
Schutz gewährt.<br />
Eine solche Interessenlage liegt auch dem<br />
Abschnitt 806 des Sarbanes Oxley Act<br />
zugr<strong>und</strong>e, der Unternehmen verpflichtet,<br />
Whistleblower nicht unter Druck zu<br />
setzen. Im Falle einer ungerechtfertigten<br />
Kündigung eines Hinweisgebers hat das<br />
Unternehmen diesen – entgegen der in<br />
den USA üblichen Employment at will-Doktrin<br />
– wieder einzustellen <strong>und</strong> ihm einen<br />
umfassenden Ausgleich für materielle<br />
<strong>und</strong> immaterielle Schäden zu gewähren.<br />
Der Whistleblower stellt eine Erkenntnisquelle<br />
von erheblichem Wert dar. Damit<br />
ermöglicht er letztlich der Geschäftsleitung,<br />
ihren Leitungsauftrag im Sinne<br />
gesetzlicher Sorgfaltspflichten zu erfüllen.<br />
Er rückt in die Nähe eines Unternehmensbeauftragten,<br />
der ebenfalls auf der<br />
Gr<strong>und</strong>lage seines Arbeitsverhältnisses<br />
1<br />
Nachfragen<br />
Verdeckt<br />
Belegbarkeit<br />
mit Dokumenten<br />
Vertraulichkeitszone<br />
1 2<br />
Benennung<br />
von Zeugen<br />
Preisgabe der Identität<br />
des Hinweisgebers<br />
Art des Whistleblowing Offen<br />
Komfortzone<br />
Aufgaben zu erfüllen <strong>und</strong> Pflichten zu<br />
beachten hat, um mit seinen Hinweisen,<br />
Empfehlungen oder gar Anweisungen<br />
eine Entscheidung von der Geschäftsleitung<br />
herbeizuführen.<br />
Schließlich wird die besondere Pflichtenlage<br />
eines Whistleblowers gewürdigt. Dieser<br />
nimmt bei seiner Entscheidung nicht<br />
nur sein Recht auf freie Meinungsäußerung<br />
in Anspruch. Er muss zudem die Interessen<br />
des Arbeitgebers auf innerbetriebliche<br />
Abhilfe oder Schadensabwehr genau<br />
so berücksichtigen wie die berechtigten<br />
Interessen verdächtigter Personen <strong>und</strong><br />
deren datenschutzrechtlichen Belange.<br />
Damit könnte insgesamt der Kern einer<br />
funktionierenden Compliance-Organisation<br />
gewahrt bleiben, mittels der relevante<br />
Informationen zuverlässig beschafft<br />
<strong>und</strong> deren Quelle besonders geschützt<br />
würde.<br />
Autor<br />
Dr. Hans-Joachim Fritz,<br />
Partner Kanzlei Kaye<br />
Scholer LLP, Frankfurt,<br />
hans-joachim.fritz@<br />
kayescholer.com.<br />
Abbildung<br />
Whistleblower befinden sich in einer gewissen Konfiktlage. Sie wollen einerseits durch ihren<br />
Hinweis auf Missstände aufmerksam machen, andererseits wird ihre Aussage erst dann auch<br />
rechtlich glaubwürdig, wenn sie sich selbst – zumindest teilweise – zu erkennen geben.<br />
Zeit
D<br />
ie Schlagzeile oben <strong>und</strong> ähnliche finden<br />
sich in nahezu jeder Tageszeitung<br />
<strong>und</strong> mit jedem Bericht werden es<br />
mehr Unternehmen, die Bluttests als<br />
Einstellungsvoraussetzung durchführen.<br />
Selbst die R<strong>und</strong>funkanstalten, die über die<br />
umstrittenen Vorgehensweisen berichteten,<br />
verlangen Blutproben von ihren Bewerbern.<br />
Sogar bei befristeten Arbeitsverträgen<br />
für den klassischen Schreibtisch-Job.<br />
Der Bewerber hat dabei keine Wahl. Auch<br />
wenn die freiwillige Einwilligung des Bewerbers<br />
Voraussetzung für die Blutabnahme<br />
<strong>und</strong> -untersuchung ist: Wird die Einwilligung<br />
verweigert, gibt es keinen Arbeitsvertrag.<br />
Aus arbeitsrechtlicher Sicht bestehen gegen<br />
diese Praxis keine Bedenken, aus der sich<br />
eine Unzulässigkeit der Ges<strong>und</strong>heitsprüfung<br />
ableiten ließe. Es gibt weder einschlägige<br />
Vorschriften noch gerichtliche Entscheidungen,<br />
die dieser Praxis entgegenstehen.<br />
Zum einen besteht zu diesem Zeitpunkt<br />
noch gar kein Arbeitsverhältnis,<br />
zum anderen verbietet auch ein sogenanntes<br />
Vertragsanbahnungsverhältnis Ges<strong>und</strong>heitstests<br />
bei Bewerbern nicht.<br />
Wie notwendig ist die Blutprobe?<br />
Bedenken bestehen hinsichtlich der<br />
Gr<strong>und</strong>sätze zum Datenschutz <strong>und</strong> des<br />
Umgangs mit potenziellen neuen Mitarbeitern.<br />
Es besteht Einigkeit darüber, dass<br />
die Einzelheiten der Bluttests nicht an die<br />
Personalabteilung weitergegeben werden<br />
dürfen, sondern der Schweigepflicht des<br />
Arztes unterliegen. Dieser gibt nur die Mitteilung<br />
der ges<strong>und</strong>heitlichen Eignung oder<br />
Nichteignung an das Unternehmen wei-<br />
ter. Darin liegt gr<strong>und</strong>sätzlich auch eine<br />
Aufgabe des Betriebsrates, sicherzustellen,<br />
dass nicht mehr Tests als erforderlich<br />
durchgeführt werden <strong>und</strong> der Umgang mit<br />
den Daten unter dem Gesichtspunkt des<br />
Datenschutzes kontrolliert wird.<br />
Aber muss erst Blut fließen, damit ein<br />
Arbeitsvertrag zustande kommen kann?<br />
Arbeitgeber haben ein berechtigtes Interesse<br />
daran zu erfahren, ob der zukünftige<br />
Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete<br />
Arbeitsleistung erbringen kann. Kein<br />
Zweifel an der Erforderlichkeit von Bluttests<br />
besteht bei der Qualifikation für Heilberufe<br />
oder bei Berufsfeldern, in denen<br />
zum Beispiel Suchtkrankheiten mit Sicherheit<br />
ausgeschlossen werden müssen. Chirurgen<br />
<strong>und</strong> Piloten müssen mit größter Sorgfalt<br />
ges<strong>und</strong>heitlich untersucht werden.<br />
Doch wie ist es mit dem Sachbearbeiter, der<br />
seine Arbeitsleistung ohne K<strong>und</strong>enkontakt<br />
am Schreibtisch erbringt? Die Praxis<br />
zeigt, dass viele Unternehmen ihre Tauglichkeitsprüfung<br />
auch bei diesen Tätigkeiten<br />
bis hin zu Bluttests ausweiten. Vor einiger<br />
Zeit wurde noch von wenigen schwarzen<br />
Schafen gesprochen.<br />
Leistungsfähigkeit sicherstellen<br />
Demgemäß sollte nicht nur darüber diskutiert<br />
werden, ob derartige Vorgehensweisen<br />
zu tolerieren sind; vielmehr sollte ein<br />
Augenmerk darauf gelegt werden, warum<br />
die Unternehmen zu derartigen Mitteln<br />
greifen. In der Praxis besteht offensichtlich<br />
der Bedarf, zumindest zum Zeitpunkt<br />
der Einstellung sicherzustellen, dass der<br />
Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete<br />
Leistung tatsächlich erbringen kann. Dies<br />
Rekrutierung ARBEITSRECHT<br />
Blutprobe bitte, sonst kein Vertrag<br />
Offenbar gar nicht so wenige Arbeitgeber lassen im Bewerbungsverfahren<br />
Bluttests durchführen. Aber sind diese auch zulässig? Eine Bestandsaufnahme.<br />
ist gr<strong>und</strong>sätzlich nicht verwerflich. Solche<br />
Blutuntersuchungen sind zum Beispiel für<br />
die Einstellung in den öffentlichen Dienst<br />
eine unumgängliche Voraussetzung – auch<br />
bei einem Sachbearbeiter, der seine Arbeitsleistung<br />
ausschließlich am Schreibtisch<br />
mit geregelten Arbeitszeiten erbringt. Die<br />
Rechtfertigung dafür ist die Begründung<br />
eines Beamtenverhältnisses, welches den<br />
öffentlichen Arbeitgeber an den Arbeitnehmer<br />
langfristig bindet.<br />
Aber besteht diese langfristige Bindung<br />
faktisch nicht auch für den privaten Arbeitgeber?<br />
Das Gesetz lässt eine personenbedingte<br />
Kündigung bei Krankheit des Arbeitnehmers<br />
nur unter sehr schwierigen <strong>und</strong><br />
aufwendigen Voraussetzungen zu. Jedes<br />
Unternehmen, welches solche Prozesse vor<br />
der Arbeitsgerichtsbarkeit geführt hat,<br />
weiß dieses.<br />
Dies führt auch bei privatwirtschaftlichen<br />
Arbeitgebern zu einem nicht zu unterschätzenden<br />
finanziellen <strong>und</strong> organisatorischen<br />
Aufwand. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist das<br />
Bedürfnis der Unternehmen, sich vor vermeidbaren<br />
Belastungen durch erkrankte<br />
Arbeitnehmer zu schützen, durchaus nachvollziehbar.<br />
Dabei sollte die Beachtung der<br />
Datenschutzvorschriften <strong>und</strong> die Beschränkung<br />
der Untersuchungen auf die erforderlichen<br />
Kriterien selbstverständlich sein.<br />
Autorin<br />
Prof. Dr. Stephanie Michel,<br />
Professorin für Wirtschaftsrecht,<br />
Fachhochschule der<br />
Wirtschaft, Hannover,<br />
stephanie.michel@fhdw.de<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 31
ARBEITSRECHT Datenschutz<br />
32<br />
Das Leid mit den Krankheiten<br />
Der Umgang mit Krankheiten oder Beeinträchtigungen von Mitarbeitern ist nicht einfach.<br />
Allein schon die Erfassung von Ges<strong>und</strong>heitsdaten bringt besondere Voraussetzungen mit sich.<br />
V<br />
erstöße gegen den Arbeitnehmerdatenschutz gingen<br />
zuletzt verstärkt durch die Presse. Ob Daimler, Lidl<br />
oder Deutsche Bahn, häufig ging es um einen unzulässigen<br />
Umgang mit Daten über Krankheiten der Mitarbeiter.<br />
Die öffentliche Empörung war groß, zumal das Erfassen<br />
der Krankheiten als „Jagd auf Kranke“ empf<strong>und</strong>en wird.<br />
Dabei darf nicht übersehen werden, dass der Arbeitgeber<br />
gute Gründe dafür haben kann, Informationen über die<br />
Krankheiten der Mitarbeiter festzuhalten. Dabei gelten wichtige<br />
(datenschutz-)rechtliche Grenzen.<br />
Persönlichkeitsrecht beachten<br />
Bereits nach dem Arbeitsschutzrecht hat der Arbeitgeber<br />
die Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Sicherheit seiner Mitarbeiter zu schützen.<br />
Hierzu muss er die Arbeitsbedingungen ständig überprüfen<br />
<strong>und</strong> gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen. Flankierend<br />
sollte ein präventives Ges<strong>und</strong>heitsmanagement<br />
eingerichtet sein, das arbeitsplatzbedingte Ges<strong>und</strong>heitsschäden<br />
verhindert. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wird der<br />
Arbeitgeber die Belastungen im Unternehmen bewerten<br />
müssen. Das wird nicht ohne das Erfassen <strong>und</strong> Analysieren<br />
von Fehlzeiten <strong>und</strong> deren Ursachen gehen, da durch<br />
diese Informationen die ges<strong>und</strong>heitliche Situation im<br />
Unternehmen sichtbar wird.<br />
Im Zuge dessen müssen Arbeitnehmer dem Arbeitgeber<br />
jedoch keinesfalls Krankheitsdiagnosen mitteilen. Die<br />
Ursachen der Krankheiten möchten Arbeitgeber dennoch<br />
möglichst genau erfahren – durchaus auch berechtigt –<br />
beispielsweise wenn die Verwendung ges<strong>und</strong>heitsschädlicher<br />
Materialien oder ein unzureichend abgesicherter<br />
Arbeitsplatz die Ursachen für die Erkrankungen sind. Nur<br />
so können die Ursachen auch abgestellt werden. Diesem<br />
Interesse steht jedoch das Persönlichkeitsrecht der Arbeit-<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
nehmer auf größtmögliche Geheimhaltung ihrer Krankheiten<br />
<strong>und</strong> deren Ursachen gegenüber. Ein besonderes Interesse<br />
an Krankheitsinformationen besteht auch im Zusammenhang<br />
mit Arbeitsverhältnissen, die durch hohe Fehlzeiten<br />
belastet sind. Denn hier rückt die Möglichkeit einer<br />
krankheitsbedingten Kündigung ins Blickfeld.<br />
Nach alternativen Arbeiten suchen<br />
Nach § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz kann die Kündigung<br />
eines Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein,<br />
wenn die Gründe in der Person des Arbeitnehmers liegen.<br />
Zwar ist eine Krankheit als solche kein Kündigungsgr<strong>und</strong>.<br />
Allerdings kann sie für eine Kündigung relevant werden,<br />
wenn von ihr störende Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis<br />
ausgehen. Dies kann bei häufigen Kurzerkrankungen<br />
<strong>und</strong> Langzeiterkrankungen der Fall sein.<br />
Nach der Rechtsprechung des BAG (etwa Urteil vom<br />
10.11.2005, 2 AZR 54/05) ist hierfür zunächst eine negative<br />
Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Ges<strong>und</strong>heitszustands<br />
erforderlich. Des Weiteren müssen die bisherigen<br />
<strong>und</strong> die laut Prognose erwartbaren Erkrankungen<br />
des Arbeitnehmers zu einer erheblichen Beeinträchtigung<br />
der betrieblichen Interessen führen. Diese wiederum<br />
muss schließlich zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden<br />
Belastung des Arbeitgebers führen.<br />
Bevor es zu einer krankheitsbedingten Kündigung kommt,<br />
ist der Arbeitgeber aber gehalten, den Arbeitnehmer auf<br />
einem leidensgerechten Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen,<br />
bei dem es voraussichtlich nicht zu ähnlichen Krankheitszeiten<br />
kommt. Dies kann durch eine Versetzung<br />
oder durch eine Änderungskündigung geschehen.<br />
Daneben ist die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements<br />
(BEM) zu beachten. Hier gilt:
Wenn Beschäftigte innerhalb eines<br />
Jahres insgesamt länger als sechs Wochen<br />
arbeitsunfähig sind, hat der Arbeitgeber<br />
mit dem Betroffenen <strong>und</strong> der zuständigen<br />
Interessenvertretung zu erörtern,<br />
wie die Arbeitsunfähigkeit überw<strong>und</strong>en,<br />
mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter<br />
Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt <strong>und</strong><br />
der Arbeitsplatz erhalten werden kann.<br />
Soll es nun zu einer krankheitsbedingten<br />
Kündigung kommen, treten verschiedene<br />
Probleme auf. Zum einen weiß der<br />
Arbeitgeber häufig nicht, welche Krankheit<br />
den Fehlzeiten zugr<strong>und</strong>e liegt. Zum<br />
anderen muss der Arbeitnehmer nicht<br />
antworten oder seine Ärzte von der Schweigepflicht<br />
entbinden, wenn sich der Arbeitgeber<br />
nach den Krankheiten erk<strong>und</strong>igt.<br />
Auch durch das BEM ändert sich an dieser<br />
Ausgangslage nichts, da die Teilnahme<br />
hieran für den Arbeitnehmer freiwillig<br />
ist.<br />
Datenschutzrechtliche Grenzen<br />
Anders als man angesichts der öffentlichen<br />
Empörung über die in einigen<br />
Unternehmen angelegten Krankenakten<br />
vermuten könnte, sind Mitarbeiter<br />
im Rahmen von Fehlzeitengesprächen<br />
erfahrungsgemäß gerne bereit, über die<br />
Hintergründe ihrer Erkrankung zumindest<br />
grob Auskunft zu geben. Mit Blick<br />
auf die beschriebene Interessenlage des<br />
Arbeitgebers stellt sich aber die Frage,<br />
wie mit diesen Informationen in datenschutzrechtlicher<br />
Hinsicht umzugehen<br />
ist.<br />
Unabhängig davon, ob Ges<strong>und</strong>heitsdaten<br />
automatisiert verarbeitet oder manuell in<br />
eine Personalakte eingepflegt werden, ist<br />
das B<strong>und</strong>esdatenschutzgesetz (BDSG) zu<br />
beachten. Ges<strong>und</strong>heitsdaten sind Angaben<br />
zu einzelnen Krankheiten des Betroffenen,<br />
zum Ablauf <strong>und</strong> Inhalt der medizinischen<br />
Behandlung sowie dazu, ob die<br />
betroffene Person inzwischen ges<strong>und</strong> ist.<br />
Bei Hinweisen auf Krankheitsursachen <strong>und</strong><br />
-diagnosen handelt es sich somit um<br />
Ges<strong>und</strong>heitsdaten. Diese sind nach § 3 Abs.<br />
9 BDSG „besondere Daten“ oder auch<br />
„sensitive Daten“, deren Verarbeitung<br />
besonderen Einschränkungen unterliegt.<br />
So ist das Erheben <strong>und</strong> Speichern von<br />
Ges<strong>und</strong>heitsdaten nur erlaubt, wenn entweder<br />
eine ausdrückliche Einwilligung<br />
der betroffenen Person vorliegt, die sich<br />
auf die Erhebung solcher Daten beziehen<br />
muss, oder wenn ein Erlaubnistatbestand<br />
des § 28 Abs. 6 Nr. 1 bis 4 BDSG eingreift.<br />
Nun könnte man die Auffassung vertreten,<br />
dass Mitarbeiter in eine Datenerhebung<br />
<strong>und</strong> -speicherung eingewilligt haben<br />
oder zumindest die Daten offenk<strong>und</strong>ig<br />
öffentlich gemacht haben, wenn sie über<br />
ihre Krankheiten bereitwillig Auskunft<br />
geben. Eine Einwilligung zur Verwen-<br />
dung sensitiver Daten muss sich aber<br />
ausdrücklich auf diese Daten beziehen<br />
<strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich schriftlich erfolgen.<br />
Daher scheidet eine konkludente, also<br />
schlüssige, Einwilligung aus. Die bloße<br />
Preisgabe von Ges<strong>und</strong>heitsdaten im Rahmen<br />
eines Fehlzeitengesprächs bedeutet<br />
nicht, dass der Mitarbeiter diese Information<br />
jedermann zugänglich <strong>und</strong> damit<br />
„offenk<strong>und</strong>ig öffentlich“ im Sinne des<br />
§ 28 Abs. 6 Nr. 2 BDSG machen will. Ein<br />
Mitarbeiter teilt Ges<strong>und</strong>heitsdaten im<br />
Zweifel nur aufgr<strong>und</strong> der vertraulichen<br />
Atmosphäre des Krankengesprächs mit.<br />
Dürfen ja – aber was?<br />
Daher wird eine Verwendung solcher<br />
Daten im Arbeitsverhältnis letztlich an<br />
§ 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG zu messen sein.<br />
Danach ist die Verwendung erlaubt, wenn<br />
sie zur Geltendmachung, Ausübung oder<br />
Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich<br />
ist. Gleichzeitig darf das schutzwürdige<br />
Interesse des Betroffenen am Ausschluss<br />
der Erhebung <strong>und</strong> Speicherung<br />
der Daten nicht überwiegen.<br />
Der Begriff „rechtlicher Anspruch“ ist<br />
wiederum so zu verstehen, dass es um die<br />
Rechte <strong>und</strong> Pflichten des Arbeitgebers<br />
<strong>und</strong> um die Ansprüche des Arbeitnehmers<br />
gegen den Arbeitgeber geht <strong>und</strong><br />
daher Informationen zu deren Klärung<br />
gesammelt werden dürfen.<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 33
ARBEITSRECHT Datenschutz<br />
Die Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung<br />
im Krankheitsfall, ein BEM durchzuführen<br />
oder vor Ausspruch einer krankheitsbedingten<br />
Kündigung einen leidensgerechten<br />
Arbeitsplatz anzubieten, sprechen<br />
also für das Interesse des Arbeitgebers,<br />
bestimmte Ges<strong>und</strong>heitsdaten erheben zu<br />
können.<br />
Zweifelhaft ist aber, ob sämtliche Krankheitsgründe<br />
ohne konkreten Anlass <strong>und</strong><br />
ob Diagnosen aufgenommen werden dürfen.<br />
Dies wird teilweise bejaht, da der<br />
Arbeitgeber die Daten benötigt, um seinen<br />
Anspruch auf Erfüllung der Arbeitspflicht<br />
geltend machen beziehungsweise<br />
durchsetzen zu können – bis zur krankheitsbedingten<br />
Kündigung.<br />
Nach anderer Ansicht ist die Erhebung von<br />
Krankheitsdaten auch zur Durchsetzung<br />
einer Kündigung nicht erforderlich, da<br />
der Arbeitgeber eine krankheitsbedingte<br />
Kündigung auch auf die bloßen Fehlzeiten<br />
stützen kann. Allerdings ist zu<br />
beachten, dass der Arbeitgeber nach dieser<br />
Ansicht eine Kündigung ausspricht,<br />
deren Wirksamkeit er nicht sicher beurteilen<br />
kann.<br />
Der Arbeitsplatz als Maßstab<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> bietet sich für die<br />
Praxis folgende Leitlinie an: Informationen<br />
über Erkrankungen können erhoben<br />
werden, wenn sie „arbeitsplatzspezifisch“<br />
sind. Das kann der Fall sein:<br />
● bei Ges<strong>und</strong>heitsdaten, die sich auf besonders<br />
ansteckende oder schwere Erkrankungen<br />
beziehen. Hier ließe sich ein<br />
Anspruch des Arbeitgebers auf Erhebung<br />
entsprechender Angaben herleiten,<br />
etwa wenn die Erkrankung den<br />
Arbeitnehmer dauerhaft an der Durchführung<br />
<strong>und</strong> Abwicklung des Arbeits-<br />
34<br />
Impressum<br />
Redaktion: Jürgen Scholl (js), Chefredakteur; Nancy Schnittker<br />
(nbs), Redakteurin; Elke Schwuchow (es), Redakteurin;<br />
Erwin Stickling (sti), stellv. Chefredakteur; Christiane Siemann,<br />
freie Mitarbeiterin<br />
Redaktionsanschrift: Wolters Kluwer<br />
Deutschland GmbH, Luxemburger Straße 449, 50939 Köln,<br />
Telefon: 0221/94373-7653, Fax: 0221/94373-7757,<br />
E-Mail: personalwirtschaft@wolterskluwer.de,<br />
www.personalwirtschaft.de<br />
Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />
verhältnisses hindert. Mit Blick auf<br />
ansteckende Krankheiten könnten auch<br />
Fürsorgepflichten des Arbeitgebers<br />
gegenüber den übrigen Arbeitnehmern,<br />
gegebenenfalls auch gegenüber Dritten<br />
(etwa K<strong>und</strong>en), in Rede stehen.<br />
● wenn Arbeitsunfähigkeitszeiten bei<br />
Beschäftigung auf einem anderen<br />
Arbeitsplatz reduziert werden könnten.<br />
Der Arbeitgeber hat ein Interesse <strong>und</strong><br />
gegebenenfalls auch einen Anspruch<br />
darauf, zu erfahren <strong>und</strong> zu dokumentieren,<br />
ob durch eine Krankheit oder<br />
Beeinträchtigung die ausgeübte Tätigkeit<br />
gravierend eingeschränkt ist <strong>und</strong><br />
so die Ausübung der arbeitsvertraglichen<br />
Pflichten dauerhaft infrage steht.<br />
● wenn die Krankheitsursachen im betrieblichen<br />
Bereich wurzeln, zum Beispiel<br />
wegen der Verwendung ges<strong>und</strong>heitsschädlicher<br />
Materialien oder eines unzureichend<br />
abgesicherten Arbeitsplatzes.<br />
● wenn eine krankheitsbedingte Kündigung<br />
in Betracht kommt, da hier der<br />
vertragliche Hauptanspruch des Arbeitgebers<br />
auf Erbringung der Arbeitsleistung<br />
betroffen ist. Das ist laut BAG der<br />
Fall, wenn eine negative Prognose des<br />
zukünftigen Ges<strong>und</strong>heitszustands anzunehmen<br />
ist <strong>und</strong> die bisherigen <strong>und</strong> zu<br />
erwartenden Fehlzeiten zu einer erheblichen<br />
Beeinträchtigung der betrieblichen<br />
Interessen führen (BAG, Urteil<br />
vom 24.11.2005, 2 AZR 514/04).<br />
Da die negative Ges<strong>und</strong>heitsprognose<br />
aufgr<strong>und</strong> einer Einzelfallbetrachtung<br />
festzustellen ist, legt die Rechtsprechung<br />
keine konkreten Zeiten von<br />
Arbeitsunfähigkeiten fest, bei denen<br />
von einer solchen Negativprognose auszugehen<br />
ist. Bei krankheitsbedingten<br />
Fehlzeiten von sechs Wochen bei<br />
Fachbeiträge aus bereits erschienenen Ausgaben sind<br />
verfügbar unter: www.personalwirtschaft.de<br />
Geschäftsführer: Dr. Ulrich Hermann<br />
Anzeigen: Rolf Ganzer (Verkaufsleitung),<br />
Telefon: 0221/94373-7620, E-Mail: rganzer@wolterskluwer.de<br />
Karin Kamphausen (Anzeigenmarketing),<br />
Telefon: 0221/94373-7629, E-Mail: kkamphausen@wolterskluwer.de<br />
Jörg Walter (Anzeigenverkauf), wanema media,<br />
Telefon: 0931/304699-66, E-Mail: pw@wanema.de<br />
langen Erkrankungen beziehungsweise<br />
mindestens sechs Wochen pro Jahr<br />
bezogen auf einen Zeitraum von zwei<br />
Jahren bei häufigen Kurzerkrankungen<br />
kommt eine negative Ges<strong>und</strong>heitsprognose<br />
in Betracht.<br />
Über die Erfassung informieren<br />
Falls Krankheitsursachen <strong>und</strong> -diagnosen<br />
bei Fehlzeitengesprächen zur Sprache<br />
kommen, muss der Mitarbeiter vorab<br />
darauf hingewiesen werden, dass die<br />
Angabe freiwillig ist. Ein Arbeitnehmer<br />
ist gr<strong>und</strong>sätzlich nicht verpflichtet, Angaben<br />
über seinen Ges<strong>und</strong>heitszustand zu<br />
machen (BAG, Urteil vom 25.11.1982, 2 AZR<br />
140/81). Ihn hierauf im Vorfeld hinzuweisen,<br />
ist daher obligatorisch.<br />
Wenngleich die freiwillige Preisgabe der<br />
Ges<strong>und</strong>heitsdaten nicht die Qualität einer<br />
Einwilligung im Sinne von § 4a BDSG<br />
hat, so ist sie doch im Rahmen der Interessenabwägung<br />
zu berücksichtigen. Fehlt<br />
es hieran, stehen der Erhebung <strong>und</strong> Speicherung<br />
der Ges<strong>und</strong>heitsdaten schutzwürdige<br />
Interessen des Mitarbeiters entgegen.<br />
Sofern ausnahmsweise Ges<strong>und</strong>heitsdaten<br />
rechtmäßig erhoben werden dürfen,<br />
sind diese Informationen sehr vertraulich<br />
zu behandeln. Daher dürfen sie nicht offen<br />
in die Personalakte abgeheftet werden.<br />
Tipp: In einem verschlossenen Umschlag<br />
aufbewahren <strong>und</strong> den Kreis der Informationsberechtigten<br />
einschränken.<br />
Autor<br />
Dr. Ansgar Fröhlich,<br />
Rechtsanwalt <strong>und</strong> Fachanwalt<br />
für Arbeitsrecht,<br />
KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft<br />
mbH, Hamburg,<br />
afroehlich@kpmg-law.com<br />
Karin Odening (Anzeigendisposition),<br />
Telefon: 0221/94373-7266, E-Mail: kodening@wolterskluwer.de<br />
Herstellung: Michael Dullau<br />
Gestaltung: Art + Work, Köln, Lars Auhage, Martin Schwarz<br />
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