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Tief Luft holen und loslegen - Archiv - Personalwirtschaft

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<strong>Personalwirtschaft</strong><br />

Magazin für Human Resources<br />

extra<br />

12 2009<br />

Ro<strong>und</strong> Table | Whistleblowing | Dienstwagen | Flash Mobs | Datenschutz<br />

Arbeitsrecht<br />

Krise als Turbo für<br />

Veränderungen


<strong>Tief</strong> <strong>Luft</strong> <strong>holen</strong> <strong>und</strong> <strong>loslegen</strong><br />

Inhalt<br />

Keine Frage des Gesetzes<br />

Im Ro<strong>und</strong> Table-Gespräch diskutierten<br />

Arbeitsrechtler über die Handlungsmöglichkeiten<br />

<strong>und</strong> Herausforderungen<br />

der Personalentscheider in der Krise. | 4<br />

Es gilt das<br />

geschriebene Wort<br />

In Zeiten des Sparens rückt die Kürzung<br />

von Boni <strong>und</strong> anderen Gehaltsbestandteilen<br />

in den Blick. Dies ist aber nicht<br />

einfach. | 10<br />

Wenn es hart auf hart kommt, wie bei vielen<br />

Unternehmen in der aktuellen Wirtschaftskrise,<br />

dann sollen schnelle <strong>und</strong> effektive Mittel gef<strong>und</strong>en<br />

werden, um den Betrieb am Leben zu halten.<br />

Wenn da nicht das Arbeitsrecht wäre. In den<br />

verschiedensten Bereichen wirkt es sich bei<br />

der Krisenbewältigung – von der Kostenkontrolle<br />

über Datenschutz bis zu betriebsbedingten<br />

Kündigungen – aus. Im Ro<strong>und</strong> Table-Gespräch<br />

haben Arbeitsrechtler die derzeit wichtigsten<br />

Herausforderungen diskutiert <strong>und</strong> festgestellt, dass<br />

manches nicht ganz einfach zu ändern ist (Seite 4).<br />

Wie ein roter Faden zieht sich das Motiv der Krise<br />

durch dieses gesamte erste Sonderheft zum Arbeitsrecht.<br />

Ob es um die Kürzung von Boni geht<br />

(Seite 10), die Neuerungen im Streikrecht, mit denen<br />

sich krisengebeutelte Mitarbeiter neue Formen<br />

Sich rüsten für die Zeit danach<br />

Bei manchen Aufgaben, die HR-Abteilungen<br />

in der Krise zu meistern haben, ist die Hilfe<br />

von Fachanwälten nötig. Doch oft geht es<br />

um rein bürokratische Angelegenheiten.<br />

Ein Krisenbericht. | 14<br />

Der akzeptierte Mob<br />

Flash Mobs als Aktionen im Arbeitskampf<br />

wurden gerichtlich vor Kurzem erlaubt.<br />

Doch müssen sich Unternehmen alles<br />

gefallen lassen? | 18<br />

Im Radar der Kostenkontrolle<br />

Auslandsentsendungen sind kostspielig. Ob<br />

<strong>und</strong> wie hier gespart werden kann, ist von<br />

vielen Faktoren abhängig. Dabei reicht es<br />

nicht, den Einsatz schlicht zu beenden. | 20<br />

Und immer wieder<br />

offene Fragen<br />

Der Dienstwagen ist Motivationsfaktor <strong>und</strong><br />

wichtiges Arbeitsmittel. Obwohl weit verbreitet,<br />

treten hier oft Probleme auf, besonders<br />

bei der Rückgabe des Fahrzeugs. | 24<br />

Gefahrlos Aufklären<br />

Wer als Whistleblower Missstände<br />

aufdecken will, hat es schwer. Aber auch<br />

für aufklärungswillige Personalabteilungen<br />

stellen sich viele Fragen. | 28<br />

Blutprobe bitte,<br />

sonst kein Vertrag<br />

Scheinbar gar nicht so wenige Unternehmen<br />

lassen im Bewerbungsverfahren<br />

Bluttests durchführen. Dafür gibt es<br />

durchaus gute Gründe. Ginge es aber<br />

nicht auch ohne? | 31<br />

Das Leid mit den<br />

Krankheiten<br />

Längere Erkrankungen oder plötzliche<br />

Beeinträchtigungen der Arbeitsfähigkeit<br />

sind erhebungstechnisch ein heikles<br />

Thema. Welche Informationen über<br />

Krankheiten dürfen überhaupt dokumentiert<br />

werden? | 32<br />

Impressum | 34<br />

EDITORIAL<br />

des Gehörs verschaffen (Seite 18) oder um das<br />

Sammeln von Ges<strong>und</strong>heitsdaten (Seite 32): Veränderungen<br />

stehen an <strong>und</strong> wollen bewältigt werden.<br />

Sehr schnell stoßen die Personalverantwortlichen<br />

dabei an rechtliche Grenzen, die sie oft gar nicht kennen.<br />

Und: Kommt es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen<br />

über die gewünschten Änderungen, ist ein<br />

schneller Change eher nicht machbar.<br />

Aber es gibt sie, die Stellschrauben, die dem<br />

Unternehmen Beweglichkeit <strong>und</strong> <strong>Luft</strong> verschaffen –<br />

man muss sie nur kennen.<br />

Ihre<br />

Nancy Schnittker<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 3


ARBEITSRECHT Ro<strong>und</strong> Table<br />

4<br />

Keine Frage des Gesetzes<br />

Über arbeitsrechtliche Handlungsmöglichkeiten in der Krise diskutierten Arbeitsrechtler beim Ro<strong>und</strong><br />

Table der <strong>Personalwirtschaft</strong>. Unter der Leitung von Professor Frank Maschmann, Dekan der juristischen<br />

Fakultät der Universität Mannheim, berichteten sie über die Problematik des Arbeitnehmerdatenschutzes<br />

<strong>und</strong> sprachen über den Regelungsbedarf von Compliance-Richtlinien in Unternehmen.<br />

D<br />

as deutsche Arbeitsrecht bietet zahlreiche Möglichkeiten,<br />

Personalabbau zu vermeiden <strong>und</strong> Personalkosten<br />

in der Krise zu steuern: Vom Ausgleich der Arbeitszeitkonten,<br />

Anordnung von Urlaub, dem Abbau übertariflicher<br />

Zulagen <strong>und</strong> Sondervergünstigungen bis zur<br />

Gewährung unbezahlten Sonderurlaubs <strong>und</strong> andere. Etliche<br />

dieser Maßnahmen greifen derzeit in Unternehmen,<br />

manche wurden durch das Konjunkturpaket II erst möglich,<br />

wie die Kombination von Kurzarbeit <strong>und</strong> Qualifizierung.<br />

Die meisten der Instrumente können nicht einseitig<br />

durch den Arbeitgeber eingeführt werden, sondern es<br />

bedarf einer Regelung im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder<br />

in einer Betriebsvereinbarung. Spätestens an dieser Stelle<br />

ist das Know-how der Arbeitsrechtler gefragt.<br />

In der Praxis, so berichten die Experten, sind viele der<br />

Instrumente zur Anwendung gekommen, um Arbeitsplätze<br />

zu sichern. Im Gegensatz zu vergangenen Arbeitsmarktkrisen<br />

hat auch ein Paradigmenwechsel stattgef<strong>und</strong>en.<br />

Ulrich Fischer, der als Rechtsanwalt <strong>und</strong> Arbeitsrechtler<br />

vorrangig Arbeitnehmer vertritt, stellt fest: „Anders<br />

als vor zehn Jahren ist das Thema Kurzarbeit positiv<br />

besetzt, da aufgr<strong>und</strong> der demografischen Entwicklung<br />

qualifizierte Mitarbeiter gehalten werden sollen. Auch<br />

denkt man jetzt kreativer über weitere Möglichkeiten<br />

nach, Arbeitszeit <strong>und</strong> -kosten zu verringern. Insgesamt<br />

ist die Krise ein Beispiel dafür, dass ein Lerneffekt sowohl<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

auf Seiten der Arbeitgeber als auch bei den Arbeitnehmern<br />

<strong>und</strong> Betriebsräten eingetreten ist.“<br />

Kapazitätsüberhänge ausgleichen<br />

Personalüberhänge frühzeitig zu erkennen, ist aktuell<br />

eine der zentralen Aufgaben der Personalplaner, die<br />

Beschäftigtenabbau in großem Umfang vermeiden wollen.<br />

Wenn die Gleitzeitkonten leer sind, die Kurzarbeit als<br />

Brücke auch nicht mehr greift <strong>und</strong> eine Kapazitätsauslastung<br />

noch nicht in Sicht ist, könnte der unbezahlte<br />

Urlaub – etwa das Sabbatical – ein probates Mittel darstellen.<br />

Allerdings beobachten die Arbeitsrechtler, dass von<br />

diesen Angeboten wenig Gebrauch gemacht wird.<br />

Bernd Weller von der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek<br />

sagt: „Sabbaticals sind eher für Mitarbeiter in den<br />

Branchen geeignet, die in der Vergangenheit sehr gut verdient<br />

haben <strong>und</strong> finanziell abgesichert sind.“ Dies trifft<br />

auf gewerbliche Mitarbeiter nicht zu. Aber auch bei allen<br />

anderen Gruppen hat diese Form der Auszeit ein Akzeptanzproblem.<br />

Ein Gr<strong>und</strong>: „Vor einigen Jahren wurden Mitarbeiter,<br />

die ein Sabbatical in Anspruch nehmen wollten,<br />

dahingehend stigmatisiert, dass ihr Engagement in Zweifel<br />

gezogen wurde. Häufig unterstellte man, dass sie die<br />

Unternehmensziele nicht so mittragen, wie es das Unternehmen<br />

erwartet. Mittlerweile entwickelt sich der unbezahlte<br />

Urlaub zum Instrument, um in bestimmten Berei-


chen Überhänge für eine begrenzte Zeit<br />

zu managen“, so Gerhard Schmalz von der<br />

Kanzlei Schmalz Rechtsanwälte. Allerdings<br />

erlebten die Mitarbeiter in der Vergangenheit<br />

auch, dass die Rückkehr nach<br />

einem Sabbatical ähnlich wie nach einer<br />

Auslandsentsendung nicht unproblematisch<br />

ist. „Wer nicht im Unternehmen ist,<br />

geht das Risiko ein, dass er möglicherweise<br />

nachher nicht mehr gebraucht wird.<br />

Gerade in der jetzigen Wirtschaftslage<br />

begeben sich weniger Mitarbeiter in eine<br />

unbezahlte Urlaubszeit, deshalb stellt es<br />

in der Breite kein geeignetes Instrument<br />

dar“, meint Roland Falder, Arbeitsrechtler<br />

bei Taylor Wessing.<br />

Aber es gibt auch andere Erfahrungen, nach<br />

denen es gerade jetzt Mitarbeitern leichter<br />

fällt, ein Sabbatical zu nehmen. „Die<br />

äußere Motivlage ist nicht mehr nur egoistisch,<br />

sondern altruistisch – die Mitarbeiter<br />

bringen sogar zuvorderst ein Sonderopfer<br />

in der Krise, <strong>und</strong> zeigen damit<br />

Solidarität mit dem Arbeitgeber“, so Volker<br />

Werxhausen, CBH Cornelius Bartenbach<br />

Haesemann & Partner.<br />

Beschäftigungssicherung: Geben<br />

<strong>und</strong> Nehmen<br />

In der Krise beschäftigen sich viele Arbeitsrechtsexperten<br />

aber besonders mit der<br />

Gestaltung von Beschäftigungssicherungsvereinbarungen,<br />

die Unternehmen finanzielle<br />

Verbesserungen gegenüber der<br />

gegenwärtigen (tariflichen) Situation<br />

einräumen sollen. Als Gegenleistung kommen<br />

verschiedene, zeitlich befristete<br />

Regelungen zum Einsatz wie das Verbot<br />

betriebsbedingter Kündigungen, Ausgliederungsverbote,<br />

die Reduzierung oder<br />

Erhöhung der Wochenarbeitszeit (letzteres<br />

ohne Erhöhung der Bezüge), die Kürzung<br />

von Vergütungsbestandteilen oder<br />

sonstige Maßnahmen mit vergleichbaren<br />

Einspareffekten.<br />

Umgesetzt werden sie beispielweise durch<br />

einen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag.<br />

Alternativ kommt ein solcher<br />

Sanierungstarifvertrag in Form eines<br />

Haustarifvertrages in Betracht. Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

möglich, jedoch faktisch kaum recht-<br />

lich umsetzbar, ist der Abschluss einer<br />

Betriebsvereinbarung. Auch kommen<br />

formlose Regelungsabreden mit dem<br />

Betriebsrat in Betracht. „Diese müssen<br />

jedoch, da sie nicht unmittelbar auf die<br />

Arbeitsverhältnisse einwirken, jeweils<br />

einzelvertraglich bestätigt werden. Denn<br />

Arbeitsverträge weisen regelmäßig Bezugnahmen<br />

auf Tarifverträge auf“, erklärt<br />

Prof. Dr. Stefan Lunk von Latham & Watkins.<br />

Diese Gefahr sehen aber sowohl Arbeitgeber<br />

als auch Betriebsräte nicht. „Ist ein<br />

Sanierungstarifvertrag abgeschlossen,<br />

besteht das Risiko, dass über die Bezugnahmeklausel<br />

Mitarbeiter die Vereinbarungen<br />

später unterlaufen, indem sie sich<br />

auf die alten Regelungen berufen“, so<br />

Lunk. Arbeitgeber sollten am Besten eine<br />

möglichst hohe Quote von einzelvertraglichen<br />

Bestätigungen vor Abschluss von<br />

Sanierungstarifverträgen umsetzen. Erfahrungsgemäß<br />

lasse sich das im Mittelstand<br />

eher umsetzen als bei Großunternehmen.<br />

Optionen offenhalten<br />

Wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

jedoch nicht wie gewünscht<br />

entwickeln, müssen Exit-Möglichkeiten<br />

„ Die Anforderungen des Marktes <strong>und</strong><br />

die zunehmende Häufigkeit gerichtlicher<br />

Auseinandersetzungen werden<br />

dazu führen, dass mittelständische<br />

Unternehmen sich mit Compliance-<br />

Regeln auseinandersetzen müssen.“<br />

Roland Falder, Rechtsanwalt,<br />

Fachanwalt für Arbeitrecht, Taylor Wessing<br />

„<br />

Die Mitarbeiter müssen die<br />

Compliance-Regeln einhalten,<br />

deshalb sollten HR <strong>und</strong> Betriebsrat<br />

rechtzeitig eingeb<strong>und</strong>en werden.“<br />

Ulrich Fischer, Rechtsanwalt,<br />

Fachanwalt für Arbeitsrecht,<br />

Kanzlei Ulrich Fischer<br />

gesichert sein. Entscheidend ist, dass eine<br />

Klausel eingeführt wird, in der eine Sachlage<br />

definiert wird, die ein Sonderkündigungsrecht<br />

gewährt, betont Roland Falder.<br />

„Beispielsweise kann man betriebswirtschaftliche<br />

Kenndaten festlegen, um nicht<br />

mit einem letzten rechtlichen Rettungsanker,<br />

wie Wegfall der Geschäftsgr<strong>und</strong>lage,<br />

argumentieren zu müssen.“<br />

Aus Arbeitgebersicht ist die Vereinbarung<br />

von Sonderkündigungsklauseln<br />

immer oberstes Ziel. Eine Vereinbarung<br />

zur Standort- oder Beschäftigungssicherung<br />

birgt Risiken – schließlich gehen<br />

die Arbeitnehmer häufig durch Lohnverzicht<br />

oder ähnliches in Vorleistung. Wie<br />

auf geänderte Umstände reagiert wird,<br />

hängt davon ab, wer die Beschäftigungssicherung<br />

vereinbart hat, berichtet Bernd<br />

Weller. Der Betriebsrat versuche einen<br />

möglichst großen Belegschaftskern – auch<br />

auf Kosten der Gekündigten – zu retten.<br />

Bei gewerkschaftlich betriebenen Beschäftigungssicherungen<br />

würden hingegen<br />

auch die gekündigten Mitarbeiter bedacht.<br />

Eine weitere Exit-Möglichkeit sieht so<br />

aus, dass anstelle des Ausschlusses<br />

betriebsbedingter Kündigungen vereinbart<br />

wird, dass während der Dauer des Beschäf-<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 5


ARBEITSRECHT Ro<strong>und</strong> Table<br />

tigungssicherungspakets Kündigungen<br />

mit der Zustimmung des Betriebrates<br />

durchgeführt werden können, ergänzt<br />

Volker Werxhausen.<br />

Früh die Weichen stellen<br />

Wenn Personalabbau jedoch unvermeidbar<br />

ist, greift zunächst die Sozialauswahl.<br />

Wie man das arbeitsmarktpolitische Instrument<br />

zielführend nutzt, will Moderator Professor<br />

Frank Maschmann wissen. „Die<br />

Sozialauswahl ist leichter geworden, weil<br />

die sogenannte Dominotheorie nicht mehr<br />

greift“, so Dietmar Heise, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft.<br />

Will heißen: Seit 2006<br />

führt ein Fehler bei der Ermittlung der<br />

Sozialauswahl nicht mehr dazu, dass die<br />

Kündigungen aller gekündigten Arbeitnehmer<br />

als unwirksam angesehen wird. Nun<br />

kommt der Fehler nur dem einen Arbeitnehmer<br />

zugute, der bei korrekter Sozialauswahl<br />

nicht zur Kündigung angestanden<br />

hätte.<br />

Generell sollten Personalentscheider bei<br />

der Sozialauswahl die Weichenstellungen<br />

früh vornehmen, rät Stefan Lunk.<br />

„Sie sollten sich zwischen Rechtssicherheit<br />

<strong>und</strong> der Möglichkeit entscheiden, im<br />

Rahmen von größeren Umstrukturierun-<br />

6<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

„<br />

Die Änderungskündigung ist<br />

meist kein kurzfristiges Heilmittel<br />

in der Krise, da sie erst zum<br />

Ablauf der Kündigungsfrist, also<br />

nach Monaten, wirkt.“<br />

„<br />

Dietmar Heise, Rechtsanwalt <strong>und</strong> Partner,<br />

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft<br />

Vor Abschluss von Sanierungstarifverträgen<br />

sollten Arbeitgeber<br />

eine möglichst hohe Quote von<br />

einzelvertraglichen Bestätigungen der<br />

Sanierungsregelungen erreichen.“<br />

Prof. Dr. Stefan Lunk, Rechtsanwalt,<br />

Fachanwalt für Arbeitsrecht,<br />

Latham & Watkins<br />

gen auch Kündigungen gegenüber Mitarbeitern<br />

auszusprechen, von denen sie<br />

sich eher aus Leistungsgesichtspunkten<br />

trennen möchten.“ Rechtssicherheit<br />

lässt sich beispielsweise durch Punkteschemata<br />

erreichen, nimmt dem Arbeitgeber<br />

dann jedoch die Möglichkeit, Leistungsgesichtspunkte<br />

jedenfalls „unterschwellig“<br />

bei der Auswahlentscheidung mit einfließen<br />

zu lassen.<br />

Die Rechtsexperten sehen viele Stellschrauben,<br />

mit denen die Sozialauswahl<br />

beeinflusst werden kann: beginnend<br />

bei der Definition der Vergleichbarkeit<br />

bis zur zielgerichteten Gewichtung der<br />

Sozialkriterien. Auch die Bildung von<br />

Altersgruppen ist ein geeignetes Mittel.<br />

„Die Leistungsträger können aus der<br />

Sozialauswahl herausgenommen werden.<br />

Sollen viele Mitarbeiter auf diese Weise<br />

‚gerettet’ werden <strong>und</strong> kommt man mit der<br />

Vergleichbarkeit nicht zum Ziel, sind<br />

Alternativen beispielsweise der Wechsel<br />

des Arbeitnehmers innerhalb eines<br />

Konzerns <strong>und</strong> die Schaffung von Beförderungsstellen“,<br />

sagt Bernd Weller.<br />

Letztlich bleibt die Sozialauswahl immer<br />

eine Wertungsfrage. Das Fazit von Arbeitnehmeranwalt<br />

Fischer lautet: „Auch wenn<br />

einige gesetzliche Änderungen in den<br />

vergangenen Jahren Erleichterungen<br />

brachten, ist man vor Gericht doch überwiegend<br />

von der Entscheidung des einzelnen<br />

Richters abhängig. Da ein effektiver<br />

Arbeitsplatzschutz fehlt, geht es<br />

deshalb eigentlich nur um Kündigungen<br />

mit oder ohne Abfindung.“<br />

Streitpunkt Namensliste<br />

Der Gesetzgeber hat es 1996 <strong>und</strong> 2004<br />

den Arbeitgebern leichter gemacht, Mitarbeitern<br />

betriebsbedingt zu kündigen.<br />

Eine wichtige Rolle spielt dabei die<br />

Namensliste: Wenn sich Arbeitgeber <strong>und</strong><br />

Betriebsrat gemeinsam auf die Namen<br />

von Arbeitnehmern einigen, denen gekündigt<br />

werden soll, so wird vermutet, dass<br />

die Kündigung durch dringende betriebliche<br />

Erfordernisse bedingt ist. Die Sozialauswahl<br />

selbst kann dann vom Gericht<br />

nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft<br />

werden: „Arbeitgeber <strong>und</strong> ihre Anwälte<br />

würden gerne auf eine Namensliste<br />

zurückgreifen. Aber Namenslisten scheitern<br />

sehr häufig aus ideologischen Gründen.<br />

Betriebsräte lehnen sie ab, weil sie<br />

meinen, damit dem Arbeitgeber die Hand<br />

zur Kündigung der Kollegen zu reichen“,<br />

so Dietmar Heise.<br />

Oft gelingt es nicht, die Namensliste <strong>und</strong><br />

die Auswahlkriterien nach den Vorstellungen<br />

des Arbeitgebers im Rahmen einer<br />

kollektiven Regelung festzulegen. Wenn<br />

dies in Einzelfällen gelungen ist, haben<br />

die Betriebsräte ihre Zugeständnisse von<br />

deutlich höheren Abfindungsregelungen<br />

abhängig gemacht, berichten die Teilnehmer.<br />

Arbeitsrechtler Fischer setzt dagegen:<br />

„Wenn man als Arbeitgeber mit seinem<br />

Betriebsrat eine Namensliste zum<br />

Interessenausgleich vereinbaren will,<br />

kommt es vor allem darauf an, dem<br />

Betriebsrat zu vermitteln, dass die verbleibenden<br />

Arbeitnehmer die Zukunftsfähigkeit<br />

des Betriebs eher gewährleisten können,<br />

als wenn es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen<br />

um die richtige Sozialauswahl<br />

<strong>und</strong> die Leistungsträger kommt.“<br />

Arbeitgeber, die das glaubwürdig vermitteln,<br />

hätten sehr große Chancen, denn


Betriebsräte wollen nicht unbedingt die<br />

Leistungsschwächsten halten, wenn sie im<br />

Sozialplan adäquat <strong>und</strong> sozial ausgewogen<br />

abgef<strong>und</strong>en würden.<br />

(K)eine Frage des Gesetzes<br />

Eine Welle der Entrüstung lösten in den<br />

vergangenen beiden Jahren umfassende<br />

Datenscreenings von Mitarbeitern aus,<br />

was das Thema Arbeitnehmerschutz ins<br />

Bewusstsein rückte. „Als Begründung für<br />

das Screening von Arbeitnehmerdaten<br />

wurde die präventive Korruptionsbekämpfung<br />

ins Feld geführt, vor allem von US-<br />

Unternehmen“, sagt Michael Magotsch,<br />

Office Managing Partner bei DLA Piper.<br />

„Hierzulande gibt es bereits strenge<br />

datenschutzrechtliche Grenzen, die den<br />

gläsernen Mitarbeiter nicht befürchten<br />

lassen. Aber ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz<br />

könnte möglicherweise für zusätzliche<br />

Klarheit sorgen. Vorausgesetzt, dass<br />

die berechtigten Interessen von Arbeitnehmern<br />

an ihrem Persönlichkeitsschutz<br />

<strong>und</strong> von Arbeitgebern an wirksamer<br />

Korruptionsbekämpfung zu einem ausgewogenen<br />

Ausgleich gebracht werden.“<br />

Arbeitnehmerdatenschutzgesetz – ja oder<br />

nein? Darüber diskutierten die Arbeits-<br />

„ Wenn der Gesetzgeber die<br />

Gesetzeslage nicht verbessert,<br />

kann durch Betriebsvereinbarungen<br />

bei der Leistungs- <strong>und</strong> Verhaltenskontrolle<br />

Sicherheit erzielt werden.“<br />

Gerhard Schmalz, Rechtsanwalt,<br />

Schmalz Rechtsanwälte<br />

„<br />

Arbeitgeber nutzen derzeit alle<br />

arbeitsrechtlichen Möglichkeiten, um<br />

Kapazitätsüberhänge auszugleichen.“<br />

Michael Magotsch,<br />

Office Managing Partner, DLA Piper<br />

rechtler genauso kontrovers wie die Politiker.<br />

Bislang richten sich Juristen <strong>und</strong> Personaler<br />

nach den Regelungen des BSDG,<br />

des Gr<strong>und</strong>gesetzes, des Telekommunikations-<br />

<strong>und</strong> Betriebsverfassungsgesetzes <strong>und</strong><br />

der EU-Richtlinie zum Arbeiternehmerschutz.<br />

Laut Koalitionsvertrag soll es einen<br />

verstärkten Arbeiternehmerdatenschutz<br />

geben, innerhalb des B<strong>und</strong>esdatenschutzgesetzes.<br />

„Ich habe keine Hoffnung, dass<br />

neue Gesetze Rechtssicherheit schaffen.<br />

Sie sind selten eindeutig formuliert. Außerdem<br />

sollte bedacht werden, dass neue<br />

Regulierungen meist Handlungsspielräume<br />

für Arbeitgeber einschränken“, bezweifelt<br />

Dietmar Heise.<br />

Außerdem sei ein neuer Arbeitnehmerdatenschutz<br />

für den Arbeitgeber zweischneidig:<br />

Einerseits treffen ihn immer<br />

mehr Pflichten, andererseits werde ihm<br />

verboten, Verstöße effektiv zu verfolgen<br />

<strong>und</strong> zu ahnden. Die Betriebsräte würden<br />

dies häufig noch verschärfen, indem sie<br />

verhindern, dass mit der EDV rechtswidriges<br />

Verhalten der Arbeitnehmer aufgedeckt<br />

oder geahndet werden kann. Dagegen<br />

plädiert Lunk für mehr Rechtssicherheit<br />

seitens des Gesetzgebers. „Dabei<br />

spielt es keine Rolle, ob ein eigenes Arbeit-<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 7


ARBEITSRECHT Ro<strong>und</strong> Table<br />

nehmerdatenschutzgesetz geschaffen wird<br />

oder die bisherigen Regelungen des BDSG<br />

konkretisiert werden. Wir erleben ständig<br />

Beratungssituationen, in denen derzeit<br />

eindeutige, gesetzliche Regelungen<br />

fehlen.“<br />

Wenn die Regierung die Gesetzeslage nicht<br />

verbessert, können Arbeitgeber im innerbetrieblichen<br />

Bereich der Leistungs- <strong>und</strong><br />

Verhaltenskontrolle durch Betriebsvereinbarungen<br />

Sicherheit erzielen. Gerhard<br />

Schmalz sagt: „Jede technische Einrichtung,<br />

die eine Leistungs- <strong>und</strong> Verhaltenskontrolle<br />

herbeiführt, löst Mitbestimmungsrechte<br />

des Betriebsrates aus. Arbeitgeber<br />

können aber im Rahmen der Betriebsvereinbarung<br />

die Einführung <strong>und</strong> Nutzung<br />

der technischen Einrichtung regeln <strong>und</strong><br />

die jeweiligen Auswertungen vereinbaren<br />

– insbesondere, wenn der Verdacht<br />

einer strafbaren Handlung vorliegt.“<br />

Compliance: Ein Job für HR?<br />

Bei der Frage nach der Regelung strafbarer<br />

Handlungen ist das Thema Compliance<br />

nicht fern. Es steht für die Einhaltung<br />

von zahlreichen Bestimmungen, wie den<br />

Vorschriften des Kapitalmarkt-, Wirtschafts-<br />

<strong>und</strong> Kartellrechts sowie gesetzlichen<br />

Standards wie AGG, Sarbanes Oxley<br />

Act <strong>und</strong> anderen. Darüber hinaus umfasst<br />

Compliance interne Standards <strong>und</strong> Werte<br />

der Unternehmenskultur, wie beispielsweise<br />

das Verbot der Korruption. Die im<br />

Dax notierten Unternehmen, die auch die<br />

Regeln nach dem US-Recht einhalten müssen,<br />

haben meist entsprechende Vorbeuge-<br />

<strong>und</strong> Kontrollmechanismen installiert.<br />

Aber auch Mittelständler <strong>und</strong> kleine Unternehmen<br />

müssen nach dem Gesellschaftsrecht<br />

eine angemessene Sorgfaltspflicht<br />

nachweisen, verdrängen jedoch oft noch<br />

die Auswirkungen von Non-Compliance.<br />

„Das größte Problem liegt bei der Implementierung<br />

von Compliance-Regelwerken<br />

nicht auf juristischer Ebene, sondern<br />

in der kulturellen <strong>und</strong> konzeptionellen<br />

Organisation. Es fehlt das Verständnis<br />

bei Betriebsrat <strong>und</strong> Mitarbeitern, gesetzliche<br />

Pflichten aus den USA in Deutschland<br />

einzuhalten“, erläutert Bernd Wel-<br />

8<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

ler. Er sieht das HR-Management vor<br />

einem dramatischen Problem – der Gestaltung.<br />

Häufig müsse HR die Anweisungen<br />

der Muttergesellschaften im Ausland eins<br />

zu eins umsetzen. „Sinnvoller ist es, die<br />

Thematik proaktiv anzufassen <strong>und</strong> zu<br />

klären, welche spezifischen Risiken bestehen<br />

<strong>und</strong> wie Compliance sinnvoll umgesetzt<br />

werden kann.“<br />

Ein anderes Problem in der Praxis: Ein<br />

hoher Anteil an Regelungen unterliegt<br />

der betrieblichen Mitbestimmung. „Es<br />

gibt auch die Möglichkeit, die einzelnen<br />

Regelungen innerhalb eines Code of Conduct<br />

zu strukturieren <strong>und</strong> Regeln zu bündeln,<br />

die nicht der Mitbestimmung des<br />

Betriebsrats unterliegen“, so Volker Werxhausen.<br />

Die übrigen Regelungen könnten<br />

dann einem Mitbestimmungsverfahren<br />

mit dem Betriebsrat zugeführt <strong>und</strong> nach<br />

erfolgreichem Abschluss durch Betriebsvereinbarung<br />

eingeführt werden.<br />

Sicherheit für alle Seiten<br />

„<br />

Insgesamt müssen Arbeitgeber die Akzeptanz<br />

der Mitarbeiter <strong>und</strong> des Betriebsrats<br />

für Compliance-Regelungen deutlich<br />

verbessern. „Den Arbeitnehmern ist in der<br />

Regel ohne entsprechende Aufklärung<br />

Es gibt viele Stellschrauben, mit<br />

denen die Sozialauswahl beeinflusst<br />

werden kann. Auch können<br />

Leistungsträger aus der Sozialauswahl<br />

herausgenommen werden.“<br />

Bernd Weller, Rechtsanwalt,<br />

Fachanwalt für Arbeitsrecht,<br />

Heuking Kühn Lüer Wojtek<br />

„<br />

Engagierte Betriebsräte verwehren<br />

sich nicht gr<strong>und</strong>sätzlich gegen<br />

eine Namensliste, sondern nehmen<br />

ihrerseits die Gestaltungsmöglichkeiten<br />

aktiv an.“<br />

Volker Werxhausen,<br />

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht,<br />

CBH Cornelius Bartenbach Haesemann &<br />

Partner<br />

nicht bewusst, dass Compliance für sie <strong>und</strong><br />

das Unternehmen von maßgeblicher<br />

Bedeutung ist <strong>und</strong> auch bei den Mitarbeitern<br />

für Sicherheit sorgt“, sagt Gerhard<br />

Schmalz.<br />

Ein Schritt auf diesem Weg wäre die breite<br />

Einbindung der Compliance-Beauftragten,<br />

die häufig in den Rechtsabteilungen<br />

angesiedelt sind. „Zur erfolgreichen Erledigung<br />

ihrer Aufgaben sind sie auf die<br />

Kooperation anderer Unternehmensbereiche<br />

<strong>und</strong> gerade auch der HR-Abteilungen<br />

angewiesen. Die zwangsläufig größere<br />

Nähe zu den Arbeitnehmern machen<br />

diese aus meiner Sicht unverzichtbar“,<br />

so Michael Magotsch. Werden heute Compliance-Regelwerke<br />

installiert, sind vorrangig<br />

Controller <strong>und</strong> Gesellschaftsrechtler<br />

damit befasst, bestätigt Ulrich Fischer.<br />

„Erst ganz zum Schluss, wenn es um die<br />

ordnungsgemäße Einhaltung geht, werden<br />

die Arbeitsrechtler <strong>und</strong> das HR-Management<br />

eingeb<strong>und</strong>en“, kritisiert er. „Compliance<br />

ist ein Thema für Menschen <strong>und</strong><br />

nicht für Sachen. Die Mitarbeiter müssen<br />

die Regeln einhalten, deshalb müssen<br />

HR <strong>und</strong> Betriebsrat rechtzeitig eingeb<strong>und</strong>en<br />

werden.“<br />

Christiane Siemann, freie Journalistin, Düsseldorf


ARBEITSRECHT Vergütung<br />

10<br />

Es gilt das<br />

geschriebene Wort<br />

Kosten sparen bei den Gehältern: Ein oft<br />

gehegter Gedanke vieler Personalabteilungen.<br />

Doch vor allem bei vereinbarten variablen<br />

Anteilen wie Boni ist es nicht ganz trivial,<br />

diese dem Mitarbeiter vorzuenthalten.<br />

D<br />

ie Zahlung von Boni <strong>und</strong> anderer Formen variabler Vergütung<br />

ist durch die Wirtschaftskrise in den Fokus der<br />

öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Der Blick richtet sich<br />

dabei meist auf den Bankensektor, darüber hinaus wird die<br />

Vergütung von Managern ganz allgemein kritisch beleuchtet.<br />

In den Medien wird vielfach der Eindruck erweckt, dass<br />

der Wegfall oder zumindest die Kürzung von Bonuszahlungen<br />

bei Führungskräften in Zeiten der Krise als einzig richtige<br />

Reaktion rechtens <strong>und</strong> geboten sind. Auch wenn diese<br />

Sichtweise sehr populär <strong>und</strong> vielfach auch menschlich<br />

nachvollziehbar sein mag, juristisch ist sie in den meisten<br />

Fällen nicht haltbar.<br />

Während sich die öffentliche Diskussion zumeist ohne weitere<br />

Differenzierung um „den Bonus“ dreht, sind juristisch<br />

in der Praxis eine Vielzahl von Varianten leistungs- <strong>und</strong>/oder<br />

zielbezogener variabler Vergütungssysteme zu prüfen <strong>und</strong><br />

zu bewerten. So kann ein Bonus an Umsatz oder Gewinn<br />

des Unternehmens oder einzelner Organisationseinheiten<br />

anknüpfen, er kann in Abhängigkeit von der Entwicklung<br />

eines K<strong>und</strong>enstamms oder konkreter Akquiseerfolge stehen<br />

oder von ganz individuell vereinbarten persönlichen<br />

Zielen abhängen. Die in den jeweiligen Regelungen verwendeten<br />

Begriffe sind entsprechend unscharf <strong>und</strong> vielfältig.<br />

So gibt es neben dem Bonus oder der Prämie auch Tantiemen,<br />

Sonderzahlungen, Stabilisierungszahlungen <strong>und</strong> mehr.<br />

Wie wird die Vereinbarung ausgelegt?<br />

Für alle Erscheinungsformen gilt, dass vor der Frage nach<br />

einem möglichen Eingriff in die variable Vergütung zunächst<br />

die Auslegung der jeweils getroffenen Vereinbarung oder<br />

der gegebenen Zusage steht. Nicht selten wird sich schon<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

dabei eine Anknüpfung an wirtschaftliche Kennzahlen <strong>und</strong><br />

den Erfolg des Unternehmens ergeben. Dann richtet sich<br />

das Ob <strong>und</strong> die Höhe einer Zahlung bereits nach der wirtschaftlichen<br />

Entwicklung des Unternehmens. Ein Bedarf<br />

zur Anpassung in der Krise besteht nicht.<br />

In anderen Fällen liegt die Höhe der variablen Vergütung<br />

ganz oder teilweise im billigen Ermessen des Unternehmens.<br />

Hier sind weite Gestaltungsspielräume gegeben, eine<br />

Orientierung an der wirtschaftlichen Ertragslage ist ohne<br />

Weiteres möglich. Exemplarisch steht ein aktueller Rechtsstreit<br />

vor dem Arbeitsgericht Frankfurt: Mehreren Mitarbeitern<br />

einer Bank waren hohe Bonuszahlungen, allerdings<br />

unter Vorbehalt, in Aussicht gestellt worden. Nach Bekanntwerden<br />

hoher Unternehmensverluste kam nur ein Bruchteil<br />

der ursprünglich angekündigten Summe zur Auszahlung.<br />

Die Klage der Mitarbeiter scheiterte, da es an einem<br />

vertraglichen Anspruch auf die Bonuszahlungen fehlte. Die<br />

Entscheidung des Unternehmens, in der Krise geringere<br />

Boni auszuschütten, war angesichts der vorbehaltenen<br />

Gestaltungsfreiheit nach Meinung des Arbeitsgerichts nicht<br />

zu beanstanden.<br />

„Pacta sunt servanda“<br />

Schwierigkeiten bereiten hingegen die Fälle, in denen ein<br />

Bonus für die Erreichung individuell definierter persönlicher<br />

Ziele zugesagt wird, die nicht in unmittelbarer Beziehung<br />

zur gesamtwirtschaftlichen Situation des Unternehmens<br />

stehen.<br />

Als Beispiel kann auch hier eine jüngere Entscheidung des<br />

Arbeitsgerichts Frankfurt dienen. Einem hochrangigen<br />

Investmentbanker war eine Bleibeprämie unbedingt vertrag


lich zugesagt worden. Das Unternehmen<br />

weigerte sich, die Prämie zu zahlen, <strong>und</strong><br />

berief sich auf die wirtschaftliche Schieflage<br />

des Unternehmens. Das Gericht<br />

bestätigte den Anspruch des Bankers auf<br />

ungekürzte Prämienzahlung, weil die Vereinbarung<br />

als echte „Bleibeprämie“ von<br />

Beginn an nicht in Zusammenhang mit<br />

der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens<br />

stand, sodass diese später auch keinen<br />

Einfluss auf Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Höhe der<br />

Prämiengewährung haben konnte.<br />

Diese Entscheidung verdeutlicht den zentralen<br />

Gr<strong>und</strong>satz des Vertragrechts: Verträge<br />

sind einzuhalten. Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage<br />

beruht das gesamte (Arbeits-)Vertragsrecht.<br />

Jede Partei trägt bei Abschluss<br />

eines Vertrages das Risiko, sich verkalkuliert<br />

zu haben. Realisiert sich dieses Risiko<br />

später, kann es nicht auf den Vertragspartner<br />

abgewälzt werden. Eine Durchbrechung<br />

dieses Gr<strong>und</strong>satzes kommt nur<br />

unter ganz eingeschränkten Voraussetzungen<br />

in Betracht.<br />

Ausnahme: Störung der<br />

Geschäftsgr<strong>und</strong>lage<br />

Eine beschränkte Handhabe zur Anpassung<br />

eines Vertrags kann das Rechtsinstitut<br />

der sogenannten „Störung der Geschäftsgr<strong>und</strong>lage“<br />

bieten. Dieses Instrument wur-<br />

de von der Rechtsprechung in der Zeit<br />

nach dem 1. Weltkrieg entwickelt. Aufgr<strong>und</strong><br />

der historischen Umstände von Weltwirtschaftskrise<br />

<strong>und</strong> Nachkriegswirren<br />

sah das Reichsgericht die Notwendigkeit,<br />

in besonderen Ausnahmefällen gravierende<br />

Störungen des ursprünglichen vertraglichen<br />

Gleichgewichts (die Juristen sprechen<br />

vom vertraglichen Äquivalenzinteresse)<br />

zu „reparieren“. Es entwickelte einen<br />

Anspruch auf Vertragsanpassung <strong>und</strong> in<br />

schweren Fällen sogar das Recht, sich vom<br />

Vertrag ganz zu lösen. Seit 2002 ist dieses<br />

Instrument der Störung der Geschäftsgr<strong>und</strong>lage<br />

in § 313 BGB ausdrücklich<br />

gesetzlich normiert.<br />

Geschäftsgr<strong>und</strong>lage in diesem Sinn sind<br />

die Umstände, die beide Parteien (es reicht<br />

nicht, dass eine Partei bestimmte Erwartungen<br />

hegt) erkennbar zur Gr<strong>und</strong>lage<br />

ihres Vertragsabschlusses gemacht haben.<br />

Wenn nun nicht vorhergesehene Umstände<br />

diese Gr<strong>und</strong>lage gravierend verändern,<br />

kann für eine Partei ein weiteres Festhalten<br />

am Vertrag in seiner bisherigen Form<br />

unzumutbar werden. Voraussetzung dafür<br />

ist, dass die eintretende Veränderung weder<br />

vorhersehbar war, noch der Risikosphäre<br />

einer der Parteien zugewiesen ist. Anerkannt<br />

sind beispielsweise unvorhersehbare<br />

Störungen im Verhältnis der Wertigkeit<br />

von Leistung <strong>und</strong> Gegenleistung,<br />

Leistungshindernisse oder Störungen, die<br />

verhindern, dass der vertragliche Zweck<br />

überhaupt erreicht werden kann.<br />

Die Verschlechterung der wirtschaftlichen<br />

Lage eines Unternehmens kann danach<br />

regelmäßig nicht als Störung der Geschäftsgr<strong>und</strong>lage<br />

angesehen werden. Für das<br />

Arbeitsrecht wird das Risiko einer unternehmerischen<br />

Tätigkeit am Markt ausschließlich<br />

dem Arbeitgeber zugeordnet<br />

(klassisches Arbeitgeberrisiko). Eine wirtschaftliche<br />

Krisensituation ist ein immanentes<br />

<strong>und</strong> damit auch vorhersehbares<br />

Risiko unternehmerischer Betätigung. Dieses<br />

Risiko kann ohne ausdrückliche Vereinbarung<br />

nicht nachträglich auf den Arbeitnehmer<br />

abgewälzt werden. Für diese<br />

gr<strong>und</strong>sätzliche Bewertung spielt es auch<br />

keine Rolle, welche Stellung der Arbeitneh-<br />

mer im Unternehmen bekleidet <strong>und</strong> wie<br />

hoch seine Vergütung ist.<br />

Ausnahme: Änderungskündigung<br />

Stattdessen greift die arbeitsrechtliche<br />

Praxis im Einzelfall auf die Änderungskündigung<br />

zurück. Eine solche richtet sich auf<br />

die Änderung von Arbeitsbedingungen,<br />

die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen<br />

muss. Dazu unterbreitet der Arbeitgeber<br />

dem Arbeitnehmer ein Angebot über<br />

geänderte Vertragsbedingungen <strong>und</strong> verbindet<br />

dies mit einer Kündigung für den<br />

Fall, dass der Arbeitnehmer das Angebot<br />

ablehnt. Anders als bei einer Vertragsanpassung,<br />

die mit dem Instrument der<br />

Störung der Geschäftsgr<strong>und</strong>lage aufgezwungen<br />

wird, hat der Arbeitnehmer bei<br />

der Änderungskündigung immer die Möglichkeit,<br />

zu wählen. Er kann die Änderung<br />

akzeptieren oder das Vertragsverhältnis<br />

beenden.<br />

Besteht die vom Arbeitgeber angebotene<br />

Vertragsänderung allein in einer Absenkung<br />

der bisherigen Vergütung (zum Beispiel<br />

der variablen Vergütung), gelten nach<br />

der Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esarbeitsgerichts<br />

strenge Maßstäbe für die Wirksamkeit<br />

der Kündigung. Der Arbeitgeber<br />

greift nachhaltig in das arbeitsvertraglich<br />

vereinbarte Verhältnis von Leistung <strong>und</strong><br />

Gegenleistung ein. Dies ist nur durch entsprechend<br />

dringende betriebliche Gründe<br />

zu rechtfertigen. Solche Gründe können darin<br />

liegen, dass eine unveränderte Personalkostenstruktur<br />

absehbar dazu führt,<br />

dass die Belegschaft in erheblichem Umfang<br />

reduziert oder der Betrieb geschlossen<br />

werden muss. Das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht<br />

verlangt im Regelfall einen umfassenden<br />

Sanierungsplan des Arbeitgebers, der aufzeigt,<br />

dass trotz aller Kosteneinsparungsmöglichkeiten<br />

die Änderungskündigung<br />

zur Entgeltabsenkung als Sanierungsbeitrag<br />

zusätzlich notwendig ist.<br />

Die Änderungskündigung ist damit außerhalb<br />

einer existenzgefährdenden Krise<br />

des Unternehmens kein taugliches Mittel,<br />

Personalkosten einzusparen. Damit folgt<br />

die Rechtsprechung den dargestellten<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen der Vertragstreue, die es nur<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 11


ARBEITSRECHT Vergütung<br />

im Ausnahmefall zulassen, Risiken des<br />

Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer abzuwälzen.<br />

Ausnahme: Finanzsektor?<br />

Nachdem die allgemeinen Instrumente<br />

des Vertragsrechts ersichtlich nicht dafür<br />

bestimmt sind, außerhalb der dargestellten<br />

Ausnahmesituation in das vertragliche<br />

Entgeltgefüge einzugreifen, soll nach verbreiteter<br />

Ansicht jedenfalls für den Finanzsektor<br />

etwas anderes gelten. Im Fokus stehen<br />

dabei die Unternehmen, die vom staatlichen<br />

„Rettungsfonds“ profitieren.<br />

Tatsächlich ist unter dem sperrigen Begriff<br />

des „Finanzmarktstabilisierungsgesetzes“<br />

eine Neuregelung in Kraft getreten, die in<br />

der zugehörigen Verordnung auch Vorschriften<br />

zur Anpassung von Vergütungssystemen<br />

solcher Unternehmen enthält. Bei<br />

genauerem Hinsehen erweisen sich diese<br />

Regelungen aber als wenig tauglich. In<br />

Gesetz <strong>und</strong> Verordnung werden zwar<br />

Soll-Kriterien eines Vergütungssystems<br />

umschrieben, besondere Eingriffsbefugnisse<br />

in bestehende Systeme jedoch nicht<br />

definiert. Der Gesetzgeber hat sich also –<br />

trotz der außergewöhnlichen Situation, in<br />

der sich diese Unternehmen befinden – auch<br />

hier bewusst für die Beibehaltung der dargestellten<br />

allgemeinen Gr<strong>und</strong>sätze des<br />

Zivilrechts entschieden.<br />

Möglichkeiten der Gestaltung<br />

Für ein Unternehmen ergibt sich nach alledem<br />

die zwingende Folgerung, rechtzeitig<br />

Vorsorge zu treffen, um sich Einfluss auf<br />

die Höhe der variablen Vergütung in wirtschaftlichen<br />

Krisen zu sichern. Eine<br />

nachträgliche Intervention kann unter den<br />

gegebenen Voraussetzungen nur sehr<br />

begrenzt wirken. Geeignete Handlungsinstrumente<br />

müssen vielmehr von vornherein<br />

auf der vertraglichen Ebene ansetzen<br />

<strong>und</strong> dem Unternehmen Spielräume eröffnen,<br />

die es in der Krise nutzen kann. Dabei<br />

gibt es keine allgemeine Patentlösung. Das<br />

Recht bietet aber vielfältige Möglichkeiten,<br />

für die jeweils verfolgten Zwecke angemessene<br />

Regelungen zu finden. Denkbar<br />

ist, die Bonussysteme inhaltlich offen <strong>und</strong><br />

12<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

rechtlich unverbindlich zu gestalten <strong>und</strong><br />

dem Unternehmen auf diese Weise weitgehende<br />

Gestaltungsfreiheit einzuräumen.<br />

Dies bietet maximale Sicherheit für das<br />

Unternehmen. Für die Mitarbeiter bleibt<br />

allerdings ungewiss, ob es einen Bonus<br />

gibt <strong>und</strong> wie hoch dieser ausfällt. Die<br />

wohlüberlegte Koppelung von Bonuszusagen<br />

an wirtschaftliche Kennzahlen des<br />

Unternehmens stellt demgegenüber sicher,<br />

dass Boni auch nur im Erfolgsfalle gezahlt<br />

werden müssen. Dabei können auch persönliche<br />

Zielvorgaben einfließen, solange<br />

das Ob <strong>und</strong> die Höhe der Zahlung<br />

durch die Erreichung wirtschaftlicher<br />

Mindestkennziffern entsprechend abgesichert<br />

werden.<br />

Eine Alternative kann eine – sehr detaillierte<br />

– Vereinbarung über die individuelle<br />

variable Vergütung darstellen, die von<br />

einem Widerrufsvorbehalt flankiert wird.<br />

Während die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts<br />

einerseits dem Bedürfnis<br />

des Arbeitgebers entgegenkommt, in der<br />

Krise auch bei den Personalkosten gegensteuern<br />

zu können, bietet die Vereinbarung<br />

dem Mitarbeiter andererseits für den<br />

Regelfall Planungssicherheit.<br />

Nicht vollständig abwälzbar<br />

Als eine Abweichung von dem allgemeinen<br />

Gr<strong>und</strong>satz „Pacta sunt servanda“ unterliegen<br />

Widerrufsklauseln, die vom Arbeitgeber<br />

vorgegeben sind, einer strengen<br />

gerichtlichen Inhaltskontrolle. Ein Interesse<br />

des Arbeitgebers, wegen der Ungewissheit<br />

der wirtschaftlichen Entwicklung<br />

bestimmte Leistungen von vorneherein<br />

flexibel auszugestalten, wird zwar anerkannt.<br />

Durch den Vorbehalt darf aber das<br />

Wirtschaftsrisiko des Unternehmers nicht<br />

vollständig auf den Arbeitnehmer verlagert<br />

werden. Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts<br />

ist zulässig, wenn der widerrufliche<br />

Teil des Gesamtverdienstes unter<br />

25 Prozent liegt. Außerdem verlangt das<br />

B<strong>und</strong>esarbeitsgericht eine möglichst konkrete<br />

Regelung des Grads der wirtschaftlichen<br />

Störung in der Klausel (beispielsweise:<br />

wirtschaftliche Notlage des Unternehmens,<br />

negatives Ergebnis der Betriebs-<br />

abteilung, nicht ausreichender Gewinn,<br />

Rückgang oder Nichterreichen der erwarteten<br />

wirtschaftlichen Entwicklung).<br />

Ein anderer Weg ist die Vereinbarung einer<br />

Betriebsvereinbarung über die variable<br />

Vergütung der (nicht leitenden) Mitarbeiter.<br />

Hier bestimmt das Unternehmen die<br />

Gesamtdotation frei, die Verteilung obliegt<br />

dann Arbeitgeber <strong>und</strong> Betriebsrat gemeinsam.<br />

Anpassungen in der Krise können<br />

durch Kündigung der Betriebsvereinbarung<br />

<strong>und</strong> gänzlichen Wegfall für die Zukunft<br />

oder anschließende Neuverhandlung auf<br />

Basis einer neuen Festlegung des Dotierungsrahmens<br />

umgesetzt werden.<br />

Krise allein reicht nicht<br />

Entgegen verbreiteter Meinung ist die<br />

Anpassung variabler Vergütung nicht allein<br />

aus einer Krisensituation des Unternehmens<br />

zu rechtfertigen. Nur wenn die bestehenden<br />

Vereinbarungen aus sich heraus<br />

Spielräume eröffnen, ist eine Anpassung<br />

möglich. Soweit die Bonuszahlung aber<br />

vertraglich festgelegt ist, gilt das Vereinbarte<br />

– <strong>und</strong> zwar unabhängig davon, ob<br />

ein dreistelliger oder aber ein sechsstelliger<br />

Bonus infrage steht. Die Gr<strong>und</strong>sätze<br />

des Vertragsrechts erlauben dem Unternehmen<br />

erst in einer bestandsgefährdenden<br />

Krisensituation, die Vergütung im Wege<br />

der Änderungskündigung – <strong>und</strong> auch das<br />

nur für die Zukunft – anzupassen.<br />

Entscheidende Bedeutung kommt nach<br />

alledem einer vorausschauenden Vertragsgestaltung<br />

zu. Nur hier können die Gr<strong>und</strong>lagen<br />

dafür gelegt werden, auch in der Krise<br />

handlungsfähig zu bleiben. Angesichts<br />

vielfältiger Gestaltungsmöglichkeiten <strong>und</strong><br />

hoher Anforderungen der Rechtsprechung<br />

an Transparenz <strong>und</strong> inhaltliche Angemessenheit<br />

empfiehlt es sich, dazu fachlichen<br />

Rat einzu<strong>holen</strong>.<br />

Autorin<br />

Dr. Susanne Clemenz,<br />

Rechtsanwältin <strong>und</strong><br />

Fachanwältin für Arbeitsrecht,<br />

Tschöpe Schipp Clemenz,<br />

Gütersloh,<br />

susanne.clemenz@t-s-c.eu


ARBEITSRECHT Krise <strong>und</strong> HR<br />

14<br />

Sich rüsten für die<br />

Zeit danach<br />

In der Krise sind im Personalwesen keine<br />

Schönwetterkapitäne gefragt. HR-Manager<br />

müssen sich um die dringenden betrieblichen<br />

Probleme kümmern. Häufig braucht es die<br />

Hilfe von Arbeitsrechtlern.<br />

A<br />

uch wenn gerade ein gemeinsames neues Logo vorgestellt<br />

wurde, unter dem die frisch fusionierten<br />

Bankhäuser Commerzbank <strong>und</strong> Dresdner Bank nun firmieren,<br />

ist der Zusammenschluss noch lange nicht abgeschlossen.<br />

Rainer Dahms, Leiter Policies <strong>und</strong> Guidelines<br />

in der Personalabteilung der Commerzbank in Frankfurt<br />

am Main, muss deshalb derzeit Vollgas geben. „Natürlich<br />

ist die Fusion bei uns zurzeit ein großes Thema für HR“,<br />

sagt er. Aus zwei Belegschaften wird derzeit in Frankfurt<br />

eine. Nicht nur in der Firmenzentrale werden die Abteilungen<br />

aus zwei Häusern in einer neuen Organisation<br />

zusammengeführt. Auch in den Filialen in ganz Deutschland<br />

werden Teams umgebaut <strong>und</strong> neu kombiniert. Zugleich<br />

müssen Vergütungs- <strong>und</strong> Arbeitszeitregelungen harmonisiert<br />

werden.<br />

In nur fünf Monaten füllten Dahms <strong>und</strong> seine Kollegen<br />

mit den Betriebsräten zwei Leitzordner mit wichtigen Verträgen.<br />

Einer davon ist der Sozialplan. Darin geht es etwa<br />

um Regelungen zu Abfindungen <strong>und</strong> Altersteilzeit, die<br />

einen möglichst sozialverträglichen Abbau von Stellen<br />

sicherstellen sollen. Im Laufe der Zeit werden im Rahmen<br />

der Fusion voraussichtlich weltweit 9000 Vollzeitstellen<br />

abgebaut, davon 6500 in Deutschland. Im Interessenausgleich<br />

wurde festgelegt, wie die Frankfurter Bank neu<br />

aufgestellt wird. Außerdem wird beschrieben, in welcher<br />

Weise die dritte <strong>und</strong> vierte Führungsebene des fusionierten<br />

Instituts besetzt werden sollen.<br />

Großprojekt mit vielen Herausforderungen<br />

Bei diesen Projekten nahm die Commerzbank auch externe<br />

Arbeitsrechtler zur Hilfe. „In der Regel erledigen wir<br />

die Dinge mit Bordmitteln“, sagt Dahms. „Wir haben her-<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

vorragende Arbeitsrechtler in unserer Abteilung <strong>und</strong> in<br />

der Rechtsabteilung. Aber eine so große Fusion ist eben<br />

nicht alltäglich, deswegen haben wir uns externe Unterstützung<br />

geholt.“<br />

Derzeit arbeitet das Projektteam daran, die Vereinbarungen<br />

aus dem Interessenausgleich praktisch umzusetzen.<br />

Dabei geht es darum, wie die Besetzungsprozesse für die<br />

Stellen in der neuen, einheitlichen Organisationsstruktur<br />

vonstatten gehen, wie die Bank also letztlich zusammenwächst.<br />

Während die erste <strong>und</strong> zweite Führungsebene<br />

bereits im vorigen Jahr benannt wurden, werden nun auch<br />

die dritte <strong>und</strong> die vierte Führungsriege in der Zentrale<br />

benannt. „10 000 Mitarbeiter sind damit der neuen Struktur<br />

zugeordnet <strong>und</strong> r<strong>und</strong> 1000 Führungskräfte sind besetzt<br />

worden“, sagt Dahms. „Die Fusion in der Zentrale ist damit<br />

organisatorisch umgesetzt.“<br />

In der Fläche hat die Bank aber noch Arbeit vor sich. Bevor<br />

die Teams in den 1200 Filialen endgültig zusammengestellt<br />

<strong>und</strong> Filialleitungen ernannt werden, muss die Commerzbank<br />

eine gemeinsame Betriebsratswahl stemmen. „Aus<br />

den beiden Betriebsratsorganisationen eine zu machen, ist<br />

ein komplexer Vorgang, weil die Strukturen dieser Organsationen<br />

sehr unterschiedlich sind“, sagt Dahms. Erst wenn<br />

der neue Betriebsrat gewählt wurde, beginnen die Versetzungen<br />

in den Filialen in einer durch einen abzuschließenden<br />

Haustarif geregelten neuen Struktur.<br />

Bis dahin wird auch das Vergütungssystem der beiden Banken<br />

harmonisiert sein. „Die tariflichen Regelungen sind<br />

klar definiert, aber bei den außertariflichen Leistungen<br />

haben wir noch unterschiedliche Strukturen“, so der Personalchef.<br />

So zahlte die Dresdner Bank etwa bisher 14 Gehälter,<br />

aber keinen Gr<strong>und</strong>bonus, während die Commerzbank


auf zwölf Monatssaläre <strong>und</strong> einen variablen<br />

Gr<strong>und</strong>anteil setzt. Wie das neue Vergütungssystem<br />

aussieht, ist intern mit<br />

den Arbeitnehmervertretern bereits ausgehandelt.<br />

Hilfe bei Fördergeldern<br />

Dass Fusionsfolgen <strong>und</strong> Vergütungsfragen<br />

Arbeitsrechtsexperten mitten in der<br />

Finanz- <strong>und</strong> Wirtschaftskrise in Atem<br />

halten, ist aber die Ausnahme. Vor allem<br />

Themen wie Kurzarbeit, Entlassungen<br />

<strong>und</strong> interne Qualifikationsmaßnahmen<br />

beschäftigen derzeit die Personalentscheider.<br />

Randnotizen sind dagegen etwa die<br />

Neuregelungen im Arbeitnehmerdatenschutz<br />

oder Compliance-Fragen.<br />

Detlef Gagg, Leiter des Bereichs Arbeitsbeziehungen<br />

<strong>und</strong> Personalgr<strong>und</strong>satzfragen<br />

bei ZF Friedrichshafen, setzt sich derzeit<br />

vor allem mit den Bestimmungen zur<br />

Kurzarbeit auseinander. Im Laufe eines<br />

Jahres ist die Nachfrage nach Lastkraftwagen,<br />

für die sein Arbeitgeber Komponenten<br />

herstellt, um etwa die Hälfte eingebrochen.<br />

Besonders interessant sind<br />

für ihn die Sonderregelungen zu Kurzarbeitergeld,<br />

Qualifizierung <strong>und</strong> Arbeitslosengeld,<br />

wie sie im § 421t des Sozialgesetzbuchs<br />

definiert sind. Bei ZF Friedrichshafen<br />

setzt man auf Schulungen, um<br />

den Leerlauf während der im Februar<br />

2009 gestarteten Kurzarbeit zu minimieren.<br />

Diese Bildungsinitiativen verursachen<br />

einen erheblichen administrativen<br />

Aufwand, weil sie mit der B<strong>und</strong>esagentur<br />

für Arbeit abgestimmt werden müssen,<br />

wenn diese einen Teil der Qualifizierungskosten<br />

übernehmen soll.<br />

Zusammen mit den internen Arbeitsrechtlern<br />

hat Gagg ausgearbeitet, wie die Anträge<br />

auf diese Förderung an die B<strong>und</strong>esagentur<br />

formuliert <strong>und</strong> begründet werden müssen,<br />

damit die Unterstützung fließt. „Die<br />

Förderung für Referenten <strong>und</strong> Lehrgangskosten<br />

durch die B<strong>und</strong>esagentur zu bekommen,<br />

ist für uns enorm attraktiv“, sagt der<br />

Personalchef. „In der Hochkonjunktur in<br />

den Jahren 2007 <strong>und</strong> 2008 kam das Thema<br />

Qualifikation oft zu kurz. Jetzt können<br />

wir es angehen, <strong>und</strong> das in einem<br />

„ Wir haben hervorragende Arbeitsrechtler. Aber eine<br />

so große Fusion ist eben nicht alltäglich, deswegen<br />

haben wir uns externe Unterstützung geholt.“<br />

Umfeld, das für uns kostenseitig absolut<br />

vorteilhaft ist.“ Lediglich 23 Prozent des<br />

Bruttogehalts müssen die Firmen als<br />

Remanenzkosten ab dem siebten Kurzarbeitsmonat<br />

tragen. Mit dem Betriebsrat<br />

hat Gagg ausgehandelt, dass es eine Anwesenheitspflicht<br />

für die SAP-Schulungen<br />

<strong>und</strong> die übrigen Qualifizierungsmaßnahmen<br />

gibt. „Bis Ende 2010 wollen wir mit<br />

insgesamt 7000 Mitarbeitern 24 000 Schulungstage<br />

durchziehen“, sagt er.<br />

Ges<strong>und</strong> schrumpfen<br />

Die Übernahme seiner neuen Aufgabe<br />

hätte für Klaus Hofer kaum schwieriger<br />

sein können. Seit dem 1. Dezember 2008<br />

ist der 52-jährige Jurist Personalchef der<br />

Heidelberg-Gruppe. Er übernahm sein<br />

Amt fast zeitgleich mit dem Ausbruch<br />

der Finanz- <strong>und</strong> Wirtschaftskrise, in deren<br />

Folge sich der Auftragsbestand des Druckmaschinenproduzenten<br />

halbiert hat.<br />

Im laufenden Geschäftsjahr sollen nun in<br />

Heidelberg die Kosten im Vergleich zum<br />

Vorjahr um mehr als 250 Millionen Euro<br />

reduziert werden. Vor allem die Personalausgaben<br />

sind dafür eine Stellschraube.<br />

Weltweit sollen bis zum Geschäftsjahr<br />

2010/2011 bis zu 5000 der derzeit<br />

18 300 Stellen wegfallen.<br />

Hofer ist kein Manager, der sich in so<br />

einer Zeit duckt. „Gerade in schwierigen<br />

Zeiten sind keine Schönwetterkapitäne,<br />

sondern erfahrene Personalmanager<br />

gefragt, die zeigen können, welchen Bei-<br />

„<br />

Rainer Dahms, Leiter Policies <strong>und</strong> Guidelines, Commerzbank<br />

trag sie für ihr Unternehmen zu leisten<br />

vermögen“, sagt er. „Im Zuge unserer<br />

Restrukturierung sind wir gezwungen,<br />

uns von zahlreichen Mitarbeitern zu<br />

trennen, um die Zukunft der Heidelberg-<br />

Gruppe zu sichern.“ Zu dem bisher größten<br />

Personalabbau in der Unternehmensgeschichte<br />

gibt es aufgr<strong>und</strong> der bestehenden<br />

Überkapazitäten im Druckmaschinenmarkt<br />

keine Alternative. Bei den<br />

Verhandlungen mit dem Betriebsrat <strong>und</strong><br />

der IG Metall ist es jedoch gelungen, vernünftige<br />

Lösungen für die an den deutschen<br />

Standorten betroffenen Mitarbeiter<br />

zu finden. Dazu gehört ein ausgewogener<br />

Sozialplan mit entsprechenden<br />

Abfindungen sowie das Angebot an alle<br />

ausscheidenden Mitarbeiter, für die Dauer<br />

von zwölf Monaten in eine Transfergesellschaft<br />

zu wechseln, berichtet Hofer.<br />

Mehr als 95 Prozent der Mitarbeiter haben<br />

sich für den Abschluss von Aufhebungsverträgen<br />

entschieden.<br />

Akzeptierter Verzicht<br />

Doch auch die verbleibende Belegschaft<br />

musste Opfer bringen. „Wir haben mit<br />

Instrumenten wie der Kurzarbeit, flexiblen<br />

Arbeitszeitmodellen sowie Einsparungen<br />

bei tariflichen Sonderzahlungen<br />

<strong>und</strong> übertariflichen Leistungen alle<br />

Möglichkeiten genutzt, um möglichst viele<br />

Mitarbeiter an Bord zu halten ohne die<br />

erforderlichen Einsparziele zu verfehlen“,<br />

sagt Hofer. „Schließlich benötigen wir<br />

Gerade in schwierigen Zeiten sind keine<br />

Schönwetterkapitäne, sondern erfahrene<br />

Personalmanager gefragt, die zeigen können,<br />

welchen Beitrag sie für ihr Unternehmen zu<br />

leisten vermögen.“<br />

Klaus Hofer, Personalchef, Heidelberg-Gruppe<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 15


ARBEITSRECHT Krise <strong>und</strong> HR<br />

„<br />

Wir erleben momentan die Nachwirkungen der Kurzarbeit<br />

als sehr arbeitsintensiv. So ist der<br />

administrative Aufwand bei der Betreuung der<br />

Fachabteilungen, der Pflege der Anwesenheitslisten<br />

<strong>und</strong> der Klärung von Mitarbeiterfragen enorm hoch.“<br />

kompetente Mitarbeiter, wenn wir die Talsohle<br />

durchschritten haben <strong>und</strong> die Konjunktur<br />

in der Print-Medien-Industrie<br />

wieder anzieht.“<br />

In diesem Jahr verzichten die Mitarbeiter<br />

etwa auf das Weihnachtsgeld <strong>und</strong> erhalten<br />

stattdessen eine Einmalzahlung von<br />

900 Euro. „Im kommenden Jahr verzichtet<br />

die Belegschaft auf das Urlaubs- <strong>und</strong><br />

Weihnachtsgeld, wobei das Unternehmen<br />

jedem Mitarbeiter anstelle der vorgenannten<br />

tariflichen Sonderzahlungen pauschal<br />

1050 Euro zahlt“, erklärt Hofer. Der mit<br />

dem Betriebsrat <strong>und</strong> der IG Metall vereinbarte<br />

Verzicht auf die tarifvertraglichen<br />

Sonderzahlungen beinhaltet somit eine<br />

soziale Staffelung. Diejenigen, die über ein<br />

höheres Einkommen verfügen, verzichten<br />

stärker als die Mitarbeiter aus dem mittleren<br />

oder niedrigen Lohnsegment. Diese<br />

Komponente war für beide Verhandlungsparteien<br />

von besonderer Bedeutung.“<br />

Auch das Top-Management <strong>und</strong><br />

die Führungskräfte bringen durch einen<br />

Tantiemeverzicht Opfer.<br />

Vor allem eine Regelung zur Flexibilisierung<br />

der Arbeitszeit hat Heidelberg neuen<br />

Spielraum verschafft. „Wir haben die<br />

bestehende Vereinbarung zur 37,5-St<strong>und</strong>en-Woche<br />

durch eine neue Regelung<br />

ersetzt, die es uns im Rahmen der tarifvertraglichen<br />

Arbeitszeit ermöglicht,<br />

innerhalb eines Zeitkorridors bis zu 40<br />

Wochenst<strong>und</strong>en ohne die entsprechenden<br />

Mehrarbeitszuschläge abzurufen.“<br />

Zusätzlich verpflichten sich die Mitarbeiter,<br />

unentgeltlich Mehrarbeit zu leisten,<br />

sobald der Auftragseingang wieder anzieht.<br />

Dazu werden im kommenden Jahr entsprechende<br />

Soll-Arbeitszeitkonten eingerichtet.<br />

„Das Unternehmen kann so sowohl in<br />

der Produktion als auch in den adminis-<br />

16<br />

Jürgen Zürlein, Personalleiter, Webasto<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

trativen Funktionen flexibel reagieren.<br />

Das ist ein erheblicher Wettbewerbsvorteil<br />

– gerade wenn es wieder aufwärts<br />

geht <strong>und</strong> es mehr zu tun gibt“, skizziert<br />

Hofer das Modell.<br />

Mit Weiterbildung Zeichen setzen<br />

Die Konzeption eines flexiblen Beschäftigungsmodells<br />

wäre ein klassisches Thema<br />

für externe Berater gewesen. Hofer zog<br />

es jedoch vor, es gemeinsam mit dem<br />

Betriebsrat <strong>und</strong> der IG Metall in mehreren<br />

Verhandlungsr<strong>und</strong>en zu entwickeln.<br />

„Beide Seiten sind mit den spezifischen<br />

Besonderheiten des Unternehmens vertraut<br />

<strong>und</strong> schon im eigenen Interesse<br />

bestrebt, sachgerechte Lösungen zu finden“,<br />

beschreibt Hofer die Vorteile dieser<br />

Vorgehensweise. Außerdem schade es<br />

nie, selbst nachzudenken, bevor man<br />

externe Berater hinzuzieht.<br />

Mit eigenen Ressourcen werden auch die<br />

umfangreichen Weiterbildungsprogramme<br />

gestemmt, die man bei Heidelberg ins<br />

Leben gerufen hat, um die Kurzarbeit für<br />

Qualifizierungsmaßnahmen zu nutzen.<br />

„Aufgr<strong>und</strong> der Einführung der Kurzarbeit<br />

Ende vergangenen Jahres, den damit<br />

verb<strong>und</strong>enen Einkommenseinbußen sowie<br />

den seinerzeit noch bevorstehenden<br />

Personalanpassungsmaßnahmen waren<br />

unsere Mitarbeiter verständlicherweise<br />

verunsichert <strong>und</strong> zum Teil demotiviert.<br />

Mit unserer Qualifizierungsoffensive<br />

signalisieren wir, dass wir trotz der<br />

Krise bewusst in die Weiterbildung<br />

unserer Leute investieren“, sagt Hofer.<br />

Dabei möchte er die zahlreichen Fortbildungen<br />

indes nicht nur als Motivationsinstrument<br />

verstanden wissen. „Gerade<br />

jetzt kommt es darauf an, die Voraussetzungen<br />

dafür zu schaffen, beim kommen-<br />

den Aufschwung durchstarten zu können.<br />

Kompetente <strong>und</strong> hochqualifizierte<br />

Mitarbeiter sind die Basis, um unsere<br />

Technologie- <strong>und</strong> Marktführerschaft weiter<br />

auszubauen.“ Neben Fach-, Methoden<strong>und</strong><br />

IT-Trainings umfasst das Angebot für<br />

die gesamte Belegschaft auch Kurse in<br />

Management <strong>und</strong> Führung sowie die Vermittlung<br />

von Strategiekompetenzen.<br />

Hoher Aufwand als Folge<br />

Auch bei Webasto – vom Great Place to<br />

Work-Institut als einer von „Deutschlands<br />

besten Arbeitgebern 2009“ gekürt – steht<br />

die Personalarbeit momentan im Zeichen<br />

der Krise. Doch die Kurzarbeit ist nicht<br />

mehr Thema Nummer eins, sondern ihre<br />

Folgen. „Wir erleben momentan die Nachwirkungen<br />

der Kurzarbeit als sehr arbeitsintensiv“,<br />

sagt Jürgen Zürlein, Personalleiter<br />

des Standorts Stockdorf. „So ist der<br />

administrative Aufwand bei der Betreuung<br />

der Fachabteilungen, der Pflege der<br />

Anwesenheitslisten <strong>und</strong> der Klärung von<br />

Mitarbeiterfragen enorm hoch. Dabei geht<br />

es aber weniger um arbeitsrechtliche<br />

Aspekte als vielmehr um die notwendige<br />

Kommunikation.“<br />

Anfang 2009 hatte der Hersteller von<br />

Dachsystemen <strong>und</strong> Standheizungen ebenfalls<br />

zu diesem Instrument gegriffen.<br />

Inzwischen wurde die Kurzarbeit an den<br />

Zentralstandorten in Stockdorf <strong>und</strong> Gilching<br />

wieder ausgesetzt. Sollte sich die<br />

Unternehmenssituation verschlechtern,<br />

könnte Webasto aber dieses Instrument<br />

in Abstimmung mit dem Betriebsrat wieder<br />

einsetzen.<br />

Darüber hinaus hatten die Personaler bei<br />

Webasto Ideen entwickelt, wie man das<br />

Thema Kostensenkung HR-seitig angehen<br />

kann – etwa die St<strong>und</strong>ung von Gehaltsbestandteilen,<br />

die die Mitarbeiter befristet<br />

dem Unternehmen überlassen. „Dabei<br />

handelt es sich zum Beispiel um Urlaubsgeld,<br />

Prämien oder Gewinnbeteiligungen“,<br />

erklärt Zürlein. „Durch diese Maßnahme<br />

können wir den Cash Flow des<br />

Unternehmens mit für die Mitarbeiter<br />

verträglichen Aktionen positiv beeinflussen.“<br />

Lars Reppesgaard, freier Journalist, Hamburg


ARBEITSRECHT Arbeitskämpfe<br />

18<br />

Der akzeptierte Mob<br />

Das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht hat entschieden, dass spontane Zusammenkünfte als ergänzende Maßnahmen<br />

zum Arbeitskampf gr<strong>und</strong>sätzlich der durch das Gr<strong>und</strong>gesetz geschützten Koalitionsfreiheit unterfallen.<br />

O<br />

b auf Sylt oder beim Einzelhändler um die Ecke – die<br />

als Flash Mobs bezeichneten Blitzaufläufe von Menschen<br />

auf öffentlichen oder halböffentlichen Plätzen<br />

beschränken sich nicht mehr auf politische oder künstlerische<br />

Aktivitäten, sondern haben Einzug in deutsche<br />

Gerichtssäle gehalten.<br />

In dem Fall, der das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht beschäftigte, hatte<br />

sich Ver.di die neuen Kommunikationsmöglichkeiten<br />

zunutze gemacht <strong>und</strong> via Internet um Teilnahme an Flash<br />

Mob-Aktivitäten geworben. Interessierte Flash Mobber<br />

konnten ihre Handy-Nummer übermitteln <strong>und</strong> wurden<br />

dann per SMS zu einer bestreikten Rewe-Filiale bestellt.<br />

Dort hatten 40 bis 50 Personen für etwa eine dreiviertel<br />

St<strong>und</strong>e teils Pfennigartikel gekauft oder randvoll gefüllte<br />

Einkaufswagen mit dem Hinweis auf vergessenes Geld an<br />

der Kasse stehen gelassen <strong>und</strong> so Belegschaft <strong>und</strong> K<strong>und</strong>en<br />

gestört. Die übrigen Teilnehmer klatschten Beifall<br />

oder gaben durch laute Zurufe ihr Gefallen k<strong>und</strong>. Hiergegen<br />

wehrte sich der zuständige Arbeitgeberverband, in allen<br />

drei Instanzen jedoch erfolglos.<br />

Legitimationsbasis Gr<strong>und</strong>gesetz<br />

Mit dem Arbeitsgericht Berlin <strong>und</strong> dem Landesarbeitsgericht<br />

(LAG) Berlin-Brandenburg bestätigte der 1. Senat<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

des B<strong>und</strong>esarbeitsgerichts (BAG) in seiner Entscheidung<br />

vom 22. September 2009 diese Maßnahme als zulässiges<br />

Arbeitskampfmittel (Az.: 1 AZR 972/08). In der bislang<br />

lediglich als Pressemitteilung vorliegenden Begründung<br />

der Entscheidung geht das BAG zunächst darauf ein, dass<br />

mit einer derartigen Flash Mob-Aktion zwar in den eingerichteten<br />

<strong>und</strong> ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen<br />

würde. Allerdings könne ein solcher Eingriff aus Gründen<br />

des Arbeitskampfes gerechtfertigt sein.<br />

Gewerkschaftliche Maßnahmen, die zur Durchsetzung<br />

tariflicher Ziele auf eine Störung betrieblicher Abläufe gerichtet<br />

seien, unterfielen der durch Artikel 9 Abs. 3 Gr<strong>und</strong>gesetz<br />

gewährleisteten Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften.<br />

Zu dieser gehöre auch die Wahl der Arbeitskampfmittel.<br />

Deren Zulässigkeit richte sich nach dem Gr<strong>und</strong>satz<br />

der Verhältnismäßigkeit, die hier gegeben sei.<br />

Auch wenn dem BAG der Vorwurf gemacht wird, die bisherigen<br />

Grenzziehungen zugunsten eines „diffusen Verhältnismäßigkeitsmaßstabes<br />

aufzulösen“, setzt es doch<br />

lediglich die in diesem Bereich ergangenen Urteile des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />

(BVerfG) um. Denn nach ständiger<br />

Rechtsprechung des BVerfG ist der Schutzbereich des<br />

Artikel 9 Abs. 3 Gr<strong>und</strong>gesetz nicht nur auf einen Kernbereich<br />

koalitionsmäßiger Betätigung beschränkt, der für die


Sicherung des Bestandes der Koalitionen<br />

unerlässlich ist. Er erstreckt sich vielmehr<br />

auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen,<br />

das heißt auf Betätigungen,<br />

die dem Zweck dienen, die Arbeits<strong>und</strong><br />

Wirtschaftsbedingungen zu wahren<br />

<strong>und</strong> zu fördern. Dabei ist die Wahl der Mittel,<br />

die die Koalitionen für die Erfüllung<br />

ihrer Aufgaben für geeignet erachten,<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich ihnen überlassen.<br />

Dementsprechend ist nicht nur der Streik<br />

gr<strong>und</strong>rechtlich geschützt, sondern auch<br />

Maßnahmen, die den Streik ergänzen<br />

oder unterstützen. Hierbei ist es nach der<br />

Rechtsprechung des BAG zum „Unterstützungsstreik“<br />

auch möglich, sich der Mithilfe<br />

Dritter zu bedienen, um eigene<br />

Tarifinteressen durchzusetzen. Damit<br />

ist den Koalitionen ganz bewusst ein<br />

weites Feld der Einschätzungshoheit<br />

überantwortet worden. Als Grenze der<br />

so geschaffenen weiten Betätigungsfreiheit<br />

bleibt der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit.<br />

Praktische Probleme<br />

Wenn als Grenze der Kampfmittelfreiheit<br />

in jedem Einzelfall der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit<br />

bleibt, ist es für den<br />

Rechtsanwender von entscheidender<br />

Bedeutung, was sich hinter diesem unbestimmten<br />

Rechtsbegriff verbirgt. Nach<br />

ständiger Rechtsprechung muss eine Maßnahme,<br />

um verhältnismäßig <strong>und</strong> damit<br />

rechtmäßig zu sein, drei Kriterien erfüllen:<br />

Das Kampfmittel muss geeignet, erforderlich<br />

<strong>und</strong> angemessen sein.<br />

Geeignet ist ein Kampfmittel bereits, wenn<br />

durch seinen Einsatz die Durchsetzung<br />

des Kampfziels gefördert werden kann.<br />

Erforderlichkeit liegt vor, wenn mildere<br />

Mittel nicht zur Verfügung stehen, um<br />

das angestrebte Ziel zu erreichen. Da das<br />

BVerfG den Koalitionen für beide Kriterien<br />

eine sogenannte Einschätzungsprärogative<br />

einräumt, Gewerkschaften <strong>und</strong><br />

Arbeitgeberverbände also selbst beurteilen<br />

dürfen, ob ein Mittel geeignet <strong>und</strong><br />

erforderlich ist, sind Verstöße gegen diese<br />

Kriterien allenfalls bei Rechtsmissbrauch<br />

denkbar.<br />

Das könnte beispielsweise der Fall sein,<br />

wenn der Gegner offenk<strong>und</strong>ig bereit ist,<br />

die Forderungen zu erfüllen oder das<br />

Arbeitskampfmittel eine reine Machtdemonstration<br />

<strong>und</strong> nicht auf den Abschluss<br />

von Tarifverträgen gerichtet ist. Dies ist<br />

denkbar bei branchenmäßig oder räumlich<br />

weit entfernten Unternehmen in Fällen<br />

sogenannter Unterstützungsstreiks.<br />

Allein das Kriterium der Angemessenheit<br />

unterliegt nicht der Einschätzungsprärogative<br />

der Koalitionen, sondern stellt<br />

eine rein rechtliche Abwägung dar. Vor<br />

diesem Hintergr<strong>und</strong> wird erkennbar, dass<br />

sich – wie in der jetzigen Flash Mob-Entscheidung<br />

– auch in Zukunft die Rechtmäßigkeit<br />

auf die Frage der Angemessenheit<br />

des Arbeitskampfmittels zuspitzen<br />

wird.<br />

Angemessen oder nicht?<br />

Ob eine Arbeitskampfmaßnahme angemessen<br />

ist oder nicht, stellt allerdings<br />

Gerichte <strong>und</strong> insbesondere die betroffenen<br />

Rechtsanwender vor erhebliche Probleme,<br />

denn bislang existieren keine konkretisierenden<br />

Vorgaben. Das BAG spricht<br />

hier teilweise vom Fairnessgebot, das<br />

unter anderem Maßnahmen unterbindet,<br />

die eine Existenzvernichtung der Gegenseite<br />

zum Inhalt haben. Auch in Fällen<br />

sogenannter „existenzieller Drittbetroffenheit“,<br />

wie im Lokführerstreik 2007, ist<br />

die Angemessenheit nicht mehr gegeben,<br />

wenn nicht ein Mindestmaß an Versorgung<br />

Dritter sichergestellt ist.<br />

Die Frage der Angemessenheit wird in<br />

Fällen des Flash Mobbings besonders<br />

problematisch. Im Gegensatz zum klassischen<br />

Streik, aber auch zum Unterstützungsstreik,<br />

sind mit den Parteien nicht<br />

verb<strong>und</strong>ene Aktive beteiligt, deren Motivation<br />

<strong>und</strong> Reaktion weder vorhersehbar<br />

noch vollständig kontrollierbar sind.<br />

In seiner Entscheidung zum Flash<br />

Mobbing weist das BAG zwar zu Recht<br />

darauf hin, dass die Arbeitgeber zur Herstellung<br />

der Arbeitskampfparität von<br />

ihrem Hausrecht Gebrauch machen <strong>und</strong><br />

gegebenenfalls auch eine kurzfristige<br />

Betriebsschließung vornehmen können,<br />

sodass die Angemessenheit letztlich von<br />

den zur Verfügung stehenden Rechten<br />

der Arbeitgeber abhängt. Flash Mobbing-<br />

Aktionen, denen nicht durch derartige<br />

Rechte entgegengetreten werden kann,<br />

laufen aber Gefahr, unangemessen <strong>und</strong><br />

damit rechtswidrig zu sein. Beispielsweise<br />

wenn sie Persönlichkeitsrechte von<br />

Mitarbeitern oder K<strong>und</strong>en durch Beleidigungen<br />

verletzen oder Freiheitsrechte<br />

Betroffener durch Zugangs- oder Ausgangsbeeinträchtigungen<br />

einschränken.<br />

Sind diese Rechte mehr als nur geringfügig<br />

berührt oder führen die Beeinträchtigungen<br />

zu einer Betriebsblockade, ist<br />

der Flash Mob als unangemessene Arbeitskampfmaßnahme<br />

rechtswidrig.<br />

Folgen rechtswidrigen<br />

Flash Mobbings<br />

Ist die Maßnahme rechtswidrig, unterliegt<br />

sie nicht dem Schutz des Artikel<br />

9 Abs. 3 GG. Sie kann dann mit gerichtlicher<br />

Hilfe untersagt werden, sofern<br />

Wiederholungsgefahr droht. Von besonderer<br />

Bedeutung ist beim Flash Mobbing<br />

jedoch die Exzesshaftung. Die Anregungen<br />

des LAG Berlin-Brandenburg, zur<br />

Vermeidung von Exzessen die Anzahl<br />

der Teilnehmer zu begrenzen oder klare<br />

Anweisungen zum Ablauf zu geben,<br />

erscheinen angesichts der Anonymität<br />

der Aktionen wenig sicher. Denn der<br />

Erscheinungsform ist eben ein erhebliches<br />

Mobbing-Element zu Eigen, das<br />

bewusst genutzt wird <strong>und</strong> bei dem Exzesse<br />

erwartbar sind. Solche machen – bei<br />

entsprechender Anwendung der Rechtsprechung<br />

zu Streikexzessen – die Flash<br />

Mob-Aktionen selbst zwar nicht rechtswidrig.<br />

Sie verpflichten jedoch die<br />

Gewerkschaft zum Ersatz des Schadens,<br />

der durch diese Handlungen entstanden<br />

ist.<br />

Autorin<br />

Dr. Daniela Rossa-Heise,<br />

Rechtsanwältin <strong>und</strong> Partnerin,<br />

Kanzlei Boege Rohde<br />

Luebbehuesen, Hamburg,<br />

daniela.rossa-heise@brlnet.com<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 19


ARBEITSRECHT Auslandsentsendung<br />

20<br />

Im Radar der<br />

Kostenkontrolle<br />

Wer international tätig ist, kommt um<br />

Auslandsentsendungen meist nicht<br />

herum. Aktuell steht zur Debatte, ob <strong>und</strong><br />

wie sich die Kosten für die weltweiten<br />

Einsätze zurückfahren lassen.<br />

D<br />

ie Wirtschaftskrise zwingt die Unternehmen dazu,<br />

Kosten zu senken. Im Bereich der Personalkosten fallen<br />

regelmäßig die Expatriates besonders <strong>und</strong> schnell auf.<br />

Denn nicht nur die Vergütung ist im Durchschnitt höher<br />

als die von anderen Mitarbeitern, sondern auch die Sachleistungen.<br />

Dazu gehören nicht nur die Wohnraumstellung<br />

<strong>und</strong> die internationale Schule für die mitreisenden Kinder,<br />

sondern auch der Dienstwagen, der Sprachkurs <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />

sogar Hauspersonal sowie die interkulturelle<br />

Vorbereitung.<br />

Nun ist es nicht einfach, die Vergütungsmodalitäten während<br />

der Dauer eines laufenden Vertrags einseitig zu ändern. Deshalb<br />

wird in der Praxis zunächst auch nach einvernehmlichen<br />

Lösungen gesucht. Denn der Expatriate ist gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

ein Mitarbeiter, der wirtschaftliche Zusammenhänge<br />

nachvollziehen kann.<br />

So werden wie die anderen<br />

Ein weit verbreiteter Ansatz ist die sogenannte Lokalisierung.<br />

Typischerweise finden Lokalisierungen erst im Anschluss<br />

an eine Befristung statt, also am Ende der ursprünglichen<br />

Aufgabe. Der Expat wird durch die Lokalisierung wirtschaftlich<br />

so gestellt wie ein lokaler Mitarbeiter. Demzufolge fallen<br />

die privilegierenden Sachleistungen <strong>und</strong> üblicherweise<br />

ein nicht unerheblicher Anteil des Gehaltes weg. Kürzungen<br />

bis zu 50 Prozent sind nicht selten.<br />

Allerdings stoßen die Lokalisierungen in der Praxis auch an<br />

eine Einsichtsgrenze bei den Expatriates, die bisher einen<br />

herausragenden <strong>und</strong> privilegierten Lebensstil gewohnt waren.<br />

In vielen Fällen reduziert sich die Entscheidungslage auf die<br />

Frage, ob das Leben <strong>und</strong> Arbeiten im Tätigkeitsstaat einen<br />

so großen Anreiz darstellen, dass die erheblich geringere Vergütung<br />

in den Hintergr<strong>und</strong> tritt.<br />

Einige Unternehmen haben ihre Entsendungen von Anfang<br />

an konsequent auf Lokalisierungen umgestellt, um das<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

Kostenthema gleich zu vermeiden. Diese Umstellung stieß<br />

in vielen Fällen auf eine überraschend hohe Akzeptanz.<br />

Offensichtlich tritt bei den neuen Expatriate-Generationen<br />

der Absicherungsgedanke in den Hintergr<strong>und</strong>. Der Anreiz,<br />

in einem bestimmten Land zu arbeiten, ist stärker.<br />

Regelmäßig prüfen<br />

Einen weiteren Anknüpfungspunkt für Kostenoptimierungen<br />

stellen regelmäßige Vertragsprüfungen dar. Im Laufe der<br />

Zeit ändern sich Regelungen <strong>und</strong> Inhalte durch Gesetze,<br />

Urteile oder Verordnungen. Bei Auslandsentsendungen ist<br />

diese Änderungsqualität weitaus häufiger anzutreffen als<br />

bei inländischen Beschäftigungsverhältnissen, weil sich<br />

neben dem deutschen Recht auch das Recht des Tätigkeitsstaates<br />

ändern kann.<br />

Völlig anders stellt sich die Situation dar, wenn eine Vertragsanpassung<br />

während der Laufzeit erfolgen soll. Dem zuzustimmen<br />

besteht für den Entsendeten weder eine juristische<br />

noch eine moralische Verpflichtung. Hinzu kommt, dass die<br />

Planungssicherheit des Expatriates <strong>und</strong> gegebenenfalls auch<br />

die seiner Familie ganz erheblich beeinträchtigt wird.<br />

Dennoch wächst der Druck auf Unternehmen <strong>und</strong> Expatriates<br />

gleichermaßen, Kostenoptimierungsansätze zu diskutieren.<br />

In den meisten Fällen sind die Einsparpotenziale bei den<br />

Weiterbildungskosten, den Reisekosten <strong>und</strong> den Bewirtungskosten<br />

zum Beispiel schon ausgeschöpft.<br />

Übliche Ansätze für Einsparungen sind die Kosten für die<br />

Wohnung oder das Haus. Vor einiger Zeit hat sich die Einsicht<br />

durchgesetzt, dass es sich um Kosten handelt, die der<br />

Expatriate auch in seinem Heimatland hätte. Infolgedessen<br />

vereinbarte man einen Selbstbehalt oder Eigenanteil in den<br />

Expat-Verträgen. Die Ansätze zur Ermittlung des Eigenanteils<br />

waren teilweise kompliziert. Sie führten aber zu einer<br />

Verringerung der Kosten. Diese Kostenart wird jetzt wieder<br />

stärker untersucht <strong>und</strong> konsequenter vereinbart.


Das Einvertragsmodell Abbildung 1<br />

1. Alternative<br />

Anstellungsvertrag<br />

Aufhebung/Kündigung<br />

des Anstellungsvertrages<br />

Einvertragsmodell<br />

Entsendungsvertrag<br />

Bei dieser Vertragsgestaltung wird bei Beendigung einer<br />

Auslandsentsendung entweder der Anstellungsvertrag oder der<br />

Entsendungsvertrag gelöst.<br />

In vielen Unternehmen werden auch die Entsendungsrichtlinien<br />

angepasst. Häufig wirken sie erst bei neuen Auslandseinsätzen<br />

<strong>und</strong> entfalten für die Entsendungen vor der Anpassung der Richtlinie<br />

keine Wirkung. Denn dort besteht sicher Bestandsschutz. In<br />

einigen Entsendungsverträgen finden sich Bezugnahmeklauseln,<br />

sodass die Richtlinien auch für den konkreten neuen Einsatz<br />

gelten. Fehlen diese Bezugnahmeklauseln, ist fraglich, ob die Richtlinien<br />

für den Einsatz des Expatriates überhaupt anwendbar sind.<br />

Problematisch ist in diesem Zusammenhang die sogenannte<br />

dynamische Bezugnahmeklausel. Danach soll die Entsendungsrichtlinie<br />

in ihrer jeweils gültigen Fassung für das jeweilige<br />

Land gelten. Die unvorhersehbaren – meist gesetzlichen – Veränderungen<br />

kommen für den Expatriate immer überraschend, sodass<br />

dynamische Bezugnahmeklauseln in vielen Fällen unwirksam<br />

sein dürften. Einige Unternehmen räumen den Altfällen eine Übergangsfrist<br />

ein, um das Überraschungsmoment zu relativieren.<br />

Allerdings ist hier zu beachten, dass die Einsparpotenziale erst<br />

nach einiger Zeit eintreten.<br />

Einseitige Vertragsanpassungen<br />

2. Alternative nur<br />

Für den Fall, dass keine einvernehmliche Lösung gef<strong>und</strong>en wird,<br />

wären einseitige Ansätze zu erwägen. Wenn <strong>und</strong> soweit deutsches<br />

Recht zur Anwendung kommt, könnte man an die Durchführung<br />

einer Änderungskündigung denken. Mit der Änderungskündigung<br />

erhält der Expat ein Angebot, die Entsendung zu veränderten<br />

finanziellen Bedingungen fortzusetzen. Lehnt er das Angebot<br />

ab, endet die Entsendung automatisch zum Ablauftag. Das<br />

will sicher <strong>und</strong> wohl erwogen sein. Denn dieser Ansatz kann sich<br />

zu einer Beendigungskündigung entwickeln, die nicht gewollt<br />

ist.<br />

Die Anforderungen an eine Änderungskündigung sind hoch. Die<br />

Erfüllung der einzelnen Voraussetzungen muss sorgfältig überprüft<br />

werden. In einzelnen Fällen kann sie sich als zielführend<br />

erweisen.<br />

Das Zweivertragsmodell Abbildung 2<br />

Ruhensvereinbarung<br />

bezüglich Anstellungsvertrag<br />

Entsendungsvertrag<br />

Zweivertragsmodell<br />

Anstellungsvertrag<br />

Die Entsendung per Zweivertragsmodell hat einen Anstellungsvertrag<br />

als Basis. Bei einer Kündigung sind jedoch weitere Verträge oder<br />

Vereinbarungen zu beachten.<br />

Da Änderungskündigungen aber das Risiko einer Kündigungsschutzklage<br />

beinhalten, wird vielfach der Weg eines Änderungsvertrages<br />

gewählt. Dabei versuchen die Unternehmen, mit ihren Entsendeten<br />

eine einvernehmliche Lösung zu finden. Viele Expats sind<br />

verständig <strong>und</strong> wirtschaftlichen Argumenten gegenüber aufgeschlossen.<br />

Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass diese typischerweise<br />

ein höheres Beschäftigungsrisiko tragen als Mitarbeiter im<br />

Inland.<br />

Rückruf ist noch keine Änderung<br />

Ergänzungsvereinbarung<br />

Ein weiterer einseitiger Ansatz aus der Praxis erfolgt über den<br />

Rückruf des Expats. Der Anweisung des Arbeitgebers folgend,<br />

kommt der Expatriate dann zurück in den entsendenden Betrieb.<br />

Aber Vorsicht: Der Expatriate hat bei einem Rückruf nach wie vor<br />

Anspruch auf die Vergütung aus dem Entsendungsvertrag. Denn<br />

dieser wird durch den Rückruf nicht beendet. Das Rückrufrecht<br />

ist nur eine Ausprägung des Direktionsrechts. Oft ist der Expat<br />

aber mit der Weiterbeschäftigung in Deutschland nicht zufrieden,<br />

entweder weil die angebotene Tätigkeit unterwertig ist oder in einem<br />

Umfeld angesiedelt ist, das wenig Entwicklungspotenzial bietet.<br />

Dann entwickelt der Expatriate vielfach eigene Initiativen, um ein<br />

neues Einvernehmen zu erzielen.<br />

Es ist jedoch zu beachten, dass das Rückrufrecht nicht missbraucht<br />

wird. Es darf nur im Rahmen der vertraglichen Regelungen ausgeübt<br />

werden, wenn diese rechtskonform sind. Auf jeden Fall hat<br />

ein Rückruf nur vorübergehende Natur. Wenn er sich zu einer dauerhaften<br />

Veränderung des Arbeitsorts verdichtet, ist der Rückruf<br />

in Wahrheit eine Änderungskündigung.<br />

Zudem dürfte es unzulässig sein, das Rückrufrecht allein zur Herbeiführung<br />

einer Vertragsänderung zu nutzen. Es darf nur zur Verfolgung<br />

von dienstlichen beziehungsweise vertraglichen Zwecken<br />

ausgeübt werden. Überschreitet der Arbeitgeber seine Befugnisse,<br />

ist die Ausübung des Rückrufrechtes unwirksam <strong>und</strong> der Expatriate<br />

kann sich dieser Anweisung rechtmäßig widersetzen mit dem<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 21


ARBEITSRECHT Auslandsentsendung<br />

22<br />

Das Mehrvertragsmodell Abbildung 3<br />

Ruhensvereinbarung<br />

Entsendungsvertrag<br />

Ergebnis, dass er das Land nicht verlässt. Eine Kündigung wegen<br />

Arbeitsverweigerung ist in solchen Fällen nicht möglich.<br />

Einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf die Durchführung einer<br />

Kündigung. Es ist zwischen einem Einvertrags-, einem Zweivertrags-<br />

<strong>und</strong> einem Mehrvertragsmodell zu unterscheiden (siehe dazu<br />

Abbildungen 1 bis 3). Die Einteilung der Vertragsmodelle erfolgt<br />

im Wesentlichen nach der Anzahl der verwendeten Dokumente.<br />

Sie dient dem Zweck, den Regelungsumfang besser zu erkennen.<br />

Während es bei einem Einvertragsmodell ausreicht, eine Kündigung<br />

zu erklären, sind bei einem Zweivertragsmodell zwei Erklärungen<br />

<strong>und</strong> bei einem Mehrvertragsmodell mehrere Kündigungserklärungen<br />

erforderlich, wenn das gesamte Beschäftigungsverhältnis<br />

rechtssicher beendet werden soll. Die drei Diagramme verdeutlichen<br />

die Komplexität.<br />

In den meisten Fällen müssen die Kündigungserklärungen schriftlich<br />

erfolgen; nach deutschem Recht auf jeden Fall. Deshalb<br />

reichen eine E-Mail oder ein Fax nicht aus. Der sicherste Weg ist<br />

immer die persönliche Übergabe, die bei einem Aufenthalt des Expatriates<br />

im Ausland nicht immer einfach durchzuführen ist. Hier<br />

sind besondere Vorkehrungen zu treffen. Unter Umständen ist ein<br />

Kurierdienst erforderlich.<br />

Die Kündigung begründen<br />

Mehrvertragsmodell<br />

Anstellungsvertrag<br />

Lokaler Vertrag<br />

Bei diesen Konstellationen müssen bei Veränderungen von<br />

Auslandsentsendungen diverse, einzelne Vertragswerke<br />

berücksichtigt <strong>und</strong> abgehandelt werden.<br />

Problematisch ist die Begründung in jedem Fall. Eine Kostenoptimierung<br />

rechtfertigt nicht ohne Weiteres eine betriebsbedingte<br />

Änderungskündigung. Unter Umständen ist in Deutschland zudem<br />

eine Sozialauswahl durchzuführen.<br />

Bei einem Zweivertrags- oder Mehrvertragsmodell stellt sich allerdings<br />

noch eine weitere nicht ganz unerhebliche Frage: Begründet<br />

das Kündigungsrecht nach deutschem Recht auch eine Kündigung<br />

nach dem Recht des Einsatzlandes? Reicht der Kündigungsgr<strong>und</strong><br />

des einen Unternehmens auch gegenüber einem anderen<br />

Unternehmen aus? Denn die Zwei- <strong>und</strong> Mehrvertragsmodelle wer-<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

Ergänzungsvereinbarung<br />

den in der Regel mit unterschiedlichen Unternehmen abgeschlossen.<br />

Manche gehören zu einem Konzern <strong>und</strong> andere nicht.<br />

Vielfach wird die Komplexität von Kündigungen bei Auslandsentsendungen<br />

unterschätzt. Die Folge sind unerwünschte Arbeitsgerichtsprozesse<br />

<strong>und</strong> teure Vergleiche.<br />

Im Falle einer Betriebsschließung stellt sich die Frage, ob Expatriates<br />

eine Sozialplanabfindung erhalten müssen. Vielfach<br />

herrscht die Ansicht, dass Expatriates nicht mehr in dem Betrieb<br />

integriert sind, der ihn entsendet hat. Die Antwort ist durch eine<br />

juristische Bewertung nur im Einzelfall zu finden.<br />

Vielfach weigern sich außerdem die Betriebsräte, die Gruppe der<br />

Expatriates mit in den Sozialplan aufzunehmen. Ihre Argumente:<br />

Sie würden nicht von den Expats gewählt oder die Expats gehörten<br />

nicht mehr dem Betrieb an. Dann ist die Lage naturgemäß besonders<br />

schwierig. In diesen Fällen muss das Unternehmen Einzelgespräche<br />

mit den Mitarbeitern führen. Diese Vorgehensweise ist<br />

allerdings sehr umstritten.<br />

Kosten sparen durch Rückkehr<br />

Eine weitere Rolle kann die Reintegration von Expatriates in das<br />

entsendende Unternehmen spielen, wenn der Zeitraum der<br />

Entsendung abgelaufen ist oder vorzeitig beendet werden konnte.<br />

Dem allgemeinen Trend folgend wurden die vertraglichen Reintegrationspflichten<br />

inzwischen auf einen Bemühenstatbestand<br />

seitens des Arbeitgebers reduziert. Dahinter steckt ein handfestes<br />

Problem: Die meisten Unternehmen können die ehemaligen Expatriates<br />

schlicht nicht mehr aufnehmen. Vielfach wurden Arbeitsplätze<br />

<strong>und</strong> Funktionen vollständig ins Ausland verlagert. Oder die<br />

Kapazitäten mussten reduziert werden. Während die Reintegration<br />

bisher ein kulturelles Problem darstellte, ist es in der Wirtschaftskrise<br />

ein Kostenproblem.<br />

Daher machen viele Unternehmen davon Gebrauch, die Expatriates<br />

erst gar nicht mehr in Deutschland einzusetzen. Dafür gibt es<br />

außer den Kosten auch eine Zahl von anderen Gründen.<br />

Die meisten Unternehmen nutzen den Anlass der Wirtschaftskrise,<br />

um die finanziellen Eckdaten einer neuen Entsendung erheblich<br />

zu reduzieren. Schließlich befinden sich auch die Expatriates<br />

in einem veränderten Bewerbermarkt. Mancherorts wird überlegt,<br />

ob Expats auch durch lokale Mitarbeiter ersetzt werden können.<br />

Soweit zu diesem Ansatz Erkenntnisse vorliegen, dokumentieren<br />

sie, dass es auch eine „Low Budget“-Entsendung geben kann. In<br />

einigen Fällen wurde schlicht die Dauer der Auslandseinsätze verringert.<br />

Das wird aber sicher nicht in allen Fällen unternehmerisch<br />

darstellbar sein.<br />

Autor<br />

Achim Heuser,<br />

Rechtsanwalt <strong>und</strong> Fachanwalt<br />

für Arbeitsrecht, HEUSER & COLLEGEN,<br />

Duisburg, achim.heuser@heuser-collegen.de


ARBEITSRECHT Dienstwagen<br />

24<br />

Und immer wieder offene Fragen<br />

Für viele Mitarbeiter unentbehrlich, für andere ein Motivationsfaktor: Der Firmenwagen.<br />

Trotz seiner weiten Verbreitung gibt es regelmäßig Probleme zwischen Arbeitgeber<br />

<strong>und</strong> Mitarbeitern – vor allem bei der Privatnutzung.<br />

D<br />

as Auto ist der Deutschen liebstes Kind – erst recht in<br />

Form eines Dienstwagens. Er ist nicht nur Arbeitsmittel,<br />

sondern auch Statussymbol, dessen Existenz <strong>und</strong> Ausstattung<br />

über den Erfolg im Arbeitsleben Auskunft gibt. Da<br />

der Dienstwagen in der Regel vom Arbeitgeber zur Privatnutzung<br />

freigegeben wird, ist er für viele Arbeitnehmer auch<br />

im privaten Bereich von großer Bedeutung. Es w<strong>und</strong>ert<br />

nicht, dass sich am Entzug der Privatnutzung oft Streit entzündet.<br />

Typischerweise wird der Umfang der Nutzung im Arbeitsvertrag<br />

selbst geregelt. Der Arbeitgeber kann einen Dienstwagen<br />

ausschließlich zur dienstlichen Nutzung zur Verfügung<br />

stellen. Nur wenn die Parteien dies ausdrücklich<br />

vereinbaren, darf der Arbeitnehmer das Fahrzeug auch<br />

privat nutzen. Allerdings kann sich ein Anspruch auf die<br />

Nutzung des Dienstwagens, auch privat, aus betrieblicher<br />

Übung ergeben.<br />

Bei einem Vertrag über einen Dienstwagen sind zweckmäßigerweise<br />

auch Regelungen zur Gestellung <strong>und</strong> Nutzung<br />

zu treffen. Diese finden sich oft in sogenannten „Car-Policies“,<br />

die dem Arbeitsvertrag beigefügt sind. Typische Punkte<br />

darin sind Aussagen über die Kfz-Kategorie, die Nutzungsbefugnisse,<br />

die Haftung für Schäden <strong>und</strong> die Kostenverteilung<br />

bei Instandhaltungsarbeiten.<br />

Arbeitsrechtlich interessant ist der zur privaten Nutzung<br />

freigegebene Dienstwagen. Denn diese stellt einen geldwer-<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

ten Vorteil in Form eines Sachbezugs dar, während die ausschließlich<br />

dienstliche Nutzung den Wagen lediglich zu<br />

einem Arbeitsmittel macht.<br />

Wenn der Wagen zum Lohn gehört<br />

Der in der privaten Nutzung liegende geldwerte Vorteil ist<br />

Teil der Vergütung, unterliegt dem gleichen Schutz wie<br />

andere Vergütungsbestandteile <strong>und</strong> ist damit gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

nicht der einseitigen Disposition des Arbeitgebers unterworfen.<br />

Damit kann die Überlassung des Dienstwagens zur<br />

privaten Nutzung im Prinzip nur durch eine Änderungskündigung<br />

(§ 2 KSchG) oder eine Vereinbarung mit dem<br />

Arbeitnehmer beseitigt werden.<br />

Die Änderungskündigung erweist sich jedoch nicht nur als<br />

schwer durchsetzbar, sondern ist zudem aufgr<strong>und</strong> der anzuwendenden<br />

Kündigungsfristen recht unflexibel. Eine Einigung<br />

mit dem Arbeitnehmer ist oft nur durch andere Zugeständnisse<br />

zu erreichen. Mithin erweisen sich diese Instrumente<br />

in der Praxis als wenig brauchbar beziehungsweise<br />

zu kostenintensiv. Arbeitgeber suchen also nach einer einseitigen<br />

Widerrufsmöglichkeit der privaten Nutzung. Eine<br />

solche muss im Vertrag aber ausdrücklich vereinbart werden.<br />

Eine Car-Policy, die lediglich dem Vertrag anhängt<br />

<strong>und</strong> nicht separat von beiden Parteien unterschrieben ist,<br />

reicht hierfür nicht aus. Hierfür ist entweder eine Regelung<br />

im Arbeitsvertrag oder in einem separat von beiden Par


teien unterschriebenen Dienstwagenvertrag<br />

erforderlich.<br />

Einfach Widerrufen geht nicht<br />

Das BAG stellt an die Wirksamkeit einer<br />

Widerrufsklausel in einem Formulararbeitsvertrag<br />

hohe Anforderungen. (BAG<br />

vom 19.12.2006 – 9 AZR 294/06). So hält<br />

eine „jederzeitige Widerrufbarkeit“ der<br />

Privatnutzung einer Inhaltskontrolle nicht<br />

stand. Vielmehr müssen sachliche Gründe<br />

festgelegt werden. Dabei sollen pauschale<br />

Hinweise auf wirtschaftliche Gründe,<br />

Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers<br />

ausreichen, aus Gründen der<br />

Transparenz ist jedoch deren ausdrückliche<br />

Nennung in der Widerrufsklausel ratsam.<br />

Das können sein:<br />

● Freistellung des Arbeitnehmers von der<br />

Arbeitspflicht;<br />

● Suspendierung der Hauptleistungspflichten,<br />

sofern auch der Vergütungsanspruch<br />

des Arbeitnehmers erlischt, zum Beispiel<br />

bei Wehr- <strong>und</strong> Ersatzdienst, Elternzeit,<br />

Langzeiterkrankung ab sechs<br />

Wochen;<br />

● Änderung der Arbeitsaufgabe;<br />

● Verlust der Fahrerlaubnis/Verbot zum<br />

Führen eines Kraftfahrzeuges.<br />

Im Allgemeinen ist nur durch eine berechtigte<br />

einseitige Freistellung der Widerruf<br />

der Privatnutzung möglich. Auch hier gilt,<br />

dass eine pauschale, vertraglich vorbehaltene<br />

Berechtigung zur einseitigen Freistellung<br />

einer Inhaltskontrolle nach den<br />

§§ 305 ff. BGB nicht standhält. Bei Änderung<br />

der Arbeitsaufgabe (etwa Wechsel<br />

vom Außen- in den Innendienst) ist die<br />

Aufhebung der privaten Nutzung jedenfalls<br />

nur dann möglich, wenn der Dienstwagen<br />

ursprünglich auch aufgr<strong>und</strong> der Arbeitsaufgabe<br />

zur Verfügung gestellt wurde.<br />

Ob das Widerrufsrecht in den Fällen vereinbart<br />

werden muss, in denen der Arbeitnehmer<br />

keine Vergütung mehr erhält (wie<br />

Langzeiterkrankung über sechs Wochen),<br />

ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.<br />

Man wird aber gr<strong>und</strong>sätzlich davon<br />

ausgehen können, dass mit Wegfall des Vergütungsanspruchs<br />

die private Nutzung<br />

automatisch entfällt. Da die Tendenz des<br />

BAG allerdings dahingeht, dem Arbeitnehmer<br />

die weitere private Nutzung des Fahrzeugs<br />

zuzugestehen, wenn Entgeltersatzleistungen<br />

(etwa Zuschuss zum Mutterschaftsgeld)<br />

fließen, ist anzuraten, auch<br />

diese Fälle in die Widerrufsklausel aufzunehmen.<br />

Ein Widerruf ist auch nur dann möglich,<br />

wenn die Nutzung nicht mehr als 25 bis<br />

30 Prozent des Gesamteinkommens des<br />

Arbeitnehmers ausmacht. Vorsicht ist<br />

insofern geboten, wenn der Arbeitnehmer<br />

ein geringes Fixeinkommen, aber<br />

einen hohen variablen Vergütungsanteil<br />

hat. Da nicht das maximale hypothetische<br />

Einkommen, sondern das tatsächliche<br />

Gesamteinkommen maßgeblich ist,<br />

können die Verhältnisse sich im Laufe<br />

des Arbeitsverhältnisses verschieben, je<br />

nachdem, wie hoch der variable Anteil ausfällt.<br />

Knackpunkt Fahrzeugrückgabe<br />

Der berechtigte Widerruf der Privatnutzung<br />

<strong>und</strong> die Rücknahme des Dienstwagens<br />

lösen gr<strong>und</strong>sätzlich keine Entschädigungspflicht<br />

aus. Dennoch empfiehlt sich eine<br />

entsprechende Klarstellung im Vertrag.<br />

Fehlt sie, würde sich die Höhe einer Entschädigung<br />

nach Gr<strong>und</strong>sätzen der lohnsteuerrechtlichen<br />

Vorteilsermittlung (üblicherweise<br />

1-Prozent-Regel) berechnen.<br />

Auch wenn bislang noch nicht höchstrichterlich<br />

geklärt ist, ob ein vereinbarter Ausschluss<br />

eines Zurückbehaltungsrechts am<br />

Dienstwagen entgegen des in § 309 Nr. 2<br />

BGB enthaltenen gr<strong>und</strong>sätzlichen Verbots<br />

des Ausschlusses von Leistungsverweigerungsrechten<br />

durchsetzbar ist, sollte er<br />

geregelt werden. Die im AGB-Recht geltenden<br />

„Besonderheiten des Arbeitsrechtes“<br />

könnten in diesem Fall den Ausschluss<br />

des Zurückbehaltungsrechts erlauben, was<br />

eine Herausgabe erheblich vereinfacht.<br />

Der Arbeitnehmer muss den Dienstwagen<br />

bei einem berechtigten Widerruf der Privatnutzung<br />

unverzüglich herausgeben.<br />

Tut er dies nicht, zum Beispiel wegen vermeintlicher<br />

Gegenansprüche, stellt sich<br />

die Frage, welche Mittel dem Arbeitgeber<br />

zur Verfügung stehen.<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 25


ARBEITSRECHT Dienstwagen<br />

Dringend abzuraten ist von einer eigenmächtigen<br />

Inbesitznahme des Fahrzeugs. Eine<br />

solche führt dazu – unabhängig davon, ob<br />

mögliche Gegenansprüche gerechtfertigt<br />

sind – dass der Arbeitgeber zur Rückgabe<br />

an den Arbeitnehmer aufgr<strong>und</strong> verbotener<br />

Eigenmacht verpflichtet ist.<br />

Insofern muss der Arbeitgeber gerichtlich<br />

– unter Umständen auch mittels einstweiliger<br />

Verfügung – auf Herausgabe klagen.<br />

Beruft der Arbeitnehmer sich auf Gegenansprüche<br />

(etwa wegen ausstehendem Bonus),<br />

müssen diese im Verfahren geprüft werden.<br />

Ob ein im Dienstwagenvertrag vereinbarter<br />

Ausschluss von Zurückbehaltungsrechten<br />

hier weiterhilft, ist zweifelhaft,<br />

siehe oben. Daher besteht das Risiko, dass<br />

der Arbeitgeber seinen Herausgabeanspruch<br />

erst gegen Ansprüche des Arbeitnehmers<br />

durchsetzen muss.<br />

Sportsitze, Spezialfelgen <strong>und</strong> Co.<br />

Häufig wird dem Arbeitnehmer auf dessen<br />

Wunsch ein Fahrzeug mit Sonderausstattung<br />

gewährt. Endet das Arbeitsverhältnis<br />

vorzeitig <strong>und</strong> gibt es für den<br />

Leasingwagen keine andere Verwendung,<br />

wollen Arbeitgeber meist von den Verpflichtungen<br />

aus dem Leasingvertrag<br />

loskommen. Oder sie wollen die entstehenden<br />

Ablösungskosten wegen vorzeitiger<br />

Beendigung ganz oder teilweise dem<br />

Arbeitnehmer aufbürden. Solche Regelungen<br />

haben gr<strong>und</strong>sätzlich nur ein geringes<br />

Risiko, unwirksam zu sein, wenn sie von<br />

den Parteien anlässlich der Beendigung des<br />

Arbeitsverhältnisses in einem ausgehandelten<br />

Aufhebungsvertrag vereinbart werden.<br />

Dagegen sind sie in vorformulierten<br />

Dienstwagenverträgen oftmals unwirksam.<br />

Eine dem Arbeitnehmer auferlegte Pflicht,<br />

im Falle seines Ausscheidens vor Ablauf<br />

der Leasingdauer die anfallenden Ablösekosten<br />

für die vorzeitige Vertragsaufhebung<br />

zu tragen, ist unwirksam (LAG Düsseldorf<br />

vom 18.05.1995 – 12 Sa 183/95).<br />

Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber<br />

nur die Ablösekosten abwälzen möchte,<br />

die der Differenz der durch die Zusatzausstattung<br />

höheren Leasingraten ent-<br />

26<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

sprechen. Dem finanziellen Nachteil des<br />

Arbeitnehmers stünde kein wirtschaftliches<br />

Äquivalent gegenüber, da er das Fahrzeug<br />

ja zurückgeben müsste. Dadurch würde sein<br />

Recht auf freie Arbeitsplatzwahl faktisch<br />

erschwert, denn solche Regelungen halten<br />

ihn womöglich von der Eigenkündigung<br />

ab.<br />

Noch nicht entschieden ist, ob die Ablösekosten<br />

dem Arbeitnehmer aufgebürdet<br />

werden können, wenn er die vorzeitige<br />

Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst<br />

schuldhaft herbeigeführt hat. Ausgehend<br />

von den Argumenten, mit denen die Gerichte<br />

die Unwirksamkeitsfolge begründen,<br />

wird das dann der Fall sein, wenn der Mitarbeiter<br />

sich schuldhaft <strong>und</strong>/oder so verhalten<br />

hat, dass eine außerordentliche<br />

Kündigung gerechtfertigt ist.<br />

Die Unwirksamkeitsfolge gilt für einen<br />

Formularvertrag. Ein zwischen den Parteien<br />

ausgehandelter Dienstwagenvertrag<br />

unter Wahrung der Vertragsparität könnte<br />

hingegen halten. Im Streitfall wird es<br />

allerdings schwer nachzuweisen sein, dass<br />

der Arbeitnehmer bei den Verhandlungen<br />

nicht „strukturell unterlegen“ war, was<br />

die Arbeitsgerichte sonst üblicherweise<br />

annehmen.<br />

Gleichermaßen ist es unwirksam, wenn<br />

der Arbeitnehmer laut Formulardienstwagenvertrag<br />

bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

den Leasingvertrag übernehmen<br />

soll, sofern der Leasinggeber<br />

einverstanden ist. Anders als bei den Ablösekosten<br />

wird dem Arbeitnehmer zwar ein<br />

wirtschaftliches Äquivalent gegenüberstehen,<br />

da er schließlich den Wagen weiter<br />

nutzen kann. Die unangemessene<br />

Benachteiligung wird trotzdem angenommen<br />

<strong>und</strong> vor allem damit begründet, dass<br />

sich Leasing bei rein privater Nutzung<br />

regelmäßig nicht rechne.<br />

Besonderheiten beim Verkauf<br />

Möchte der Arbeitnehmer bei der Beendigung<br />

des Arbeitsverhältnisses dem<br />

Arbeitgeber das bisher genutzte Fahrzeug<br />

abkaufen, sollten die Gewährleistungsrechte<br />

des Arbeitnehmers gemäß § 437<br />

BGB soweit wie möglich ausgeschlossen<br />

oder eingeschränkt werden. Ein Arbeitnehmer<br />

ist nach Ansicht des BAG bei<br />

arbeitsverhältnisbezogenen Vertragsgestaltungen<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich wie ein Verbraucher<br />

anzusehen. Daher können Mangelbeseitigungs-<br />

<strong>und</strong> Rücktrittsrechte nach<br />

§ 475 Abs. 1 Satz 1 BGB im Prinzip nicht<br />

ausgeschlossen werden. Dennoch empfiehlt<br />

sich eine entsprechende Regelung<br />

für den Vertrag, da beim Dienstwagenkauf<br />

die Arbeitsgerichte die den Arbeitnehmer<br />

begünstigenden Verbrauchervorschriften<br />

deshalb auch nicht anwenden<br />

könnten, weil es sich hierbei um ein für<br />

den Arbeitgeber fremdes Geschäft handelt.<br />

So könnte die Sachschadensersatzhaftung<br />

des Arbeitgebers auf grobe Fahrlässigkeit<br />

beschränkt werden. Neben dem<br />

Ausschluss oder der Beschränkung dieser<br />

Rechte könnte eine weitere Regelung<br />

im Kaufsfall sein, die Verjährungsfrist<br />

auf ein Jahr zu verkürzen, was beim Kauf<br />

gebrauchter Waren selbst im Falle eines<br />

Verbrauchergütekaufs wirksam vereinbart<br />

werden kann.<br />

Bei der Vertragsgestaltung über Dienstwagenüberlassung<br />

ist also Sorgfalt geboten.<br />

Insbesondere sollten Widerrufsmöglichkeiten<br />

ausdrücklich genannt werden,<br />

um zu vermeiden, dass das Fahrzeug ohne<br />

Arbeitsleistung nicht weiter genutzt wird.<br />

Ferner sollte man Wünschen des Arbeitnehmers<br />

nach Sonderausstattung mit gebotener<br />

Zurückhaltung begegnen, da diese<br />

bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

für den Arbeitgeber erhebliche Kosten verursachen<br />

können.<br />

Autorin<br />

Petra Hess,<br />

Rechtsanwältin <strong>und</strong><br />

Fachanwältin für<br />

Arbeitsrecht, LLM, Kanzlei<br />

Baker & McKenzie, Frankfurt,<br />

petra.hess@bakernet.com<br />

Autorin<br />

Izabela Kasprzyk,<br />

Rechtsanwältin,<br />

Kanzlei Baker & McKenzie,<br />

Frankfurt,<br />

izabela.kasprzyk@bakernet.com


ARBEITSRECHT Compliance<br />

28<br />

Gefahrlos Aufklären<br />

Whistleblower sollen sich an besondere Stellen<br />

wenden können, um ihre Hinweise über Straftaten<br />

loszuwerden. Doch betriebsseitig engagierte<br />

Personen sind dafür nicht die beste Wahl. Über den<br />

Konflikt von Anonymität <strong>und</strong> Aufklärungswillen.<br />

W<br />

er heute auf Missstände <strong>und</strong> Gefahren im Unternehmen<br />

hinweist oder gar eine strafbare Geschäftspraxis<br />

aufzudecken hilft, macht sich nicht beliebt. Es heißt:<br />

Wer meldet, verpfeift. Wie zahlreiche Untersuchungen<br />

zeigen, setzt sich der Whistleblower oder Hinweisgeber<br />

Anfeindungen am Arbeitsplatz aus. Anonymität bietet<br />

dabei selten ausreichend Schutz vor diskriminierenden<br />

Maßnahmen. Gleichwohl sind Unternehmen interessiert<br />

zu wissen, was in ihrer Organisation nicht funktioniert.<br />

Haben sie als börsennotierte Gesellschaft sogar die Pflicht,<br />

ein sogenanntes Risk Management einzurichten, kann es<br />

geradezu überlebenswichtig sein, frühzeitig Kenntnis von<br />

Fehlentwicklungen zu haben. Diese kann man – wie Fälle<br />

bei der Bahn <strong>und</strong> der Telekom zeigen – selten durch<br />

flächendeckende, interne Ermittlungen ins Blaue hinein<br />

erreichen. Insofern sollte der einzelne Mitarbeiter motiviert<br />

sein, sich aus eigenem Antrieb zu offenbaren.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich müsste jedes Unternehmen daran Interesse<br />

haben, Informationskanäle aus dem Kreis der Mitarbeiter<br />

zu erschließen. Nicht nur börsennotierte Unternehmen,<br />

die nach den Regeln des Sarbanes-Oxley Act zur Einrichtung<br />

eines entsprechenden Meldesystems verpflichtet<br />

sind (zum Beispiel Siemens, Allianz), müssen sich um<br />

eine funktionierende Compliance-Organisation kümmern.<br />

Inzwischen besteht der Druck von K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Lieferanten,<br />

entsprechende Systeme einzurichten, mit denen die<br />

Geschäftsleitungen auch nicht börsennotierter Unternehmen<br />

auf Regeltreue achten sollen. Dabei geht es häufig<br />

noch um das Vermeiden erheblicher Schäden <strong>und</strong> den<br />

damit verb<strong>und</strong>enen Imageverlust in der Öffentlichkeit im<br />

Falle der klassischen unternehmensbezogenen Rechtsverstöße,<br />

wie Korruption <strong>und</strong> Kartellabsprachen. Whistleblowing<br />

stellt dann praktizierte Risikofrüherkennung dar.<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

Die Rechtslage ist für den Hinweisgeber nicht überschaubar.<br />

Es steht fest, dass er sich bei einem ungewöhnlichen<br />

Verhalten, das er als Korruption wahrnimmt, nicht gleich<br />

an die Staatsanwaltschaft wenden kann. Der Mitarbeiter<br />

hat sich mit Rücksicht auf die Geschäftsinteressen seines<br />

Arbeitgebers zunächst an innerbetriebliche Stellen zu<br />

wenden. Neben der arbeitsvertraglichen Pflicht, Schäden<br />

zu verhindern, hat er auch die Pflicht zur Verschwiegenheit<br />

von Betriebs- <strong>und</strong> Geschäftsgeheimnissen gegenüber<br />

Dritten.<br />

Vor Schaden bewahren wollen<br />

In zwei Leitentscheidungen von 2003 <strong>und</strong> 2006 hat das<br />

B<strong>und</strong>esarbeitsgericht diese Rahmenbedingungen infolge<br />

einer Entscheidung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichtes wie<br />

folgt festgelegt: Der Arbeitgeber hat ein rechtlich geschütztes<br />

Interesse, nur mit solchen Arbeitnehmern zusammenzuarbeiten,<br />

die die Ziele des Unternehmens fördern <strong>und</strong><br />

es vor Schaden bewahren.<br />

Das Recht zur außerbetrieblichen Anzeige durch den<br />

Arbeitnehmer besteht erst, wenn ein innerbetrieblicher<br />

Abhilfeversuch erfolglos war oder bei objektiver Betrachtung<br />

nicht erwartet werden kann, dass der Arbeitgeber<br />

Abhilfe schafft. Dies wird immer angenommen, wenn<br />

gesetzliche Vertreter als Organe eines Unternehmens<br />

selbst strafbare Handlungen begehen. Hier kann der<br />

Arbeitnehmer nicht annehmen, dass diese gegen sich<br />

selbst Maßnahmen ergreifen. Auch wird es keinen<br />

innerbetrieblichen Abhilfeversuch geben, wenn schwerwiegende<br />

<strong>und</strong> mit erheblichen Gefahren verb<strong>und</strong>ene strafbare<br />

Rechtsverletzungen vorliegen oder gar Straftaten, bei<br />

deren Nichtanzeige sich der Whistleblower selbst strafbar<br />

machen würde.


Die Erwartung der Rechtsprechung an<br />

den Anzeigenden ist, dass er sich moralisch<br />

einwandfrei verhält. Bei wissentlich<br />

falscher oder leichtfertiger Anzeige muss<br />

er mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen<br />

rechnen. Die Praxis zeigt aber: Eine zutreffende<br />

Einschätzung eines Sachverhalts<br />

durch den Arbeitnehmer ist selten ohne<br />

anwaltliche Beratung möglich.<br />

Vom Wollen <strong>und</strong> Können<br />

Inzwischen ermöglichen zahlreiche Unternehmen<br />

die anonyme Anzeige über eine<br />

Telefonhotline oder ein Internetportal.<br />

Unabhängig von der Frage, inwieweit ein<br />

anonymer Hinweis zu einer strafbaren<br />

falschen Verdächtigung einer involvierten<br />

Person führt, ist der Whistleblower<br />

darauf hinzuweisen, dass personenbezogene<br />

Daten nur erhoben, verarbeitet oder<br />

genutzt werden können, wenn eine Einwilligung<br />

vorliegt. Diese müsste gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

schriftlich erfolgen. Ein anonymer<br />

Hinweisgeber kann nur unter Preisgabe<br />

seiner Identität eine solche Zustimmung<br />

geben. Erst wenn zu dokumentierende<br />

konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass<br />

eine Straftat begangen worden ist, ist eine<br />

solche Einwilligung des Hinweisgebers<br />

<strong>und</strong> betroffener Arbeitnehmer entbehrlich.<br />

Wann diese Schwelle erreicht ist, ist selbst<br />

unter Experten strittig.<br />

Die Qualität einer funktionierenden Compliance-Organisation<br />

hängt im Wesentlichen<br />

von der Organisation der Kommunikation<br />

ab. In diesem Rahmen kommt es<br />

gerade auf die Glaubwürdigkeit des anzeigenden<br />

Arbeitnehmers an, der als sogenannter<br />

„Risk Messenger“ über das ausschlaggebende<br />

Wissen eines Vorgangs verfügt.<br />

Es ist entscheidend, dass die den Hinweis<br />

aufnehmende Stelle nicht nur willens, sondern<br />

auch in der Lage ist, die Meldung so<br />

zu bearbeiten, dass der Whistleblower keine<br />

Repressalien zu befürchten hat.<br />

Die Erfahrung zeigt, dass innerbetriebliche<br />

Stellen, wie eine eigene Beschwerdestelle,<br />

ein Beauftragter des Unternehmens<br />

oder ein besonderes Mitglied des Betriebsrates<br />

selten über die Überzeugungskraft<br />

verfügen, dass sich ein zum Hinweis<br />

motivierter Arbeitnehmer ausreichend<br />

geschützt fühlt. Es handelt sich immer noch<br />

um Personen, die dem Unternehmen<br />

angehören. Der Arbeitnehmer kann nicht<br />

einschätzen, ob diese aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

arbeitsvertraglichen Situation oder persönlicher<br />

Interessen dauerhaft die zugesagte<br />

Vertraulichkeit einhalten. Schließlich<br />

sind vor allem in kleinen <strong>und</strong> mittelständischen<br />

Unternehmen solche Personen<br />

selten geschult, um Person <strong>und</strong><br />

Aussagen eines Whistleblowers kritisch<br />

zu würdigen.<br />

Externe Hilfe bietet Sicherheit<br />

Zahlreiche Unternehmen bedienen sich<br />

insoweit externer Beauftragter, die als<br />

sogenannte Ombudsleute die Möglichkeit<br />

bieten, vor staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen<br />

eigene sachdienliche Aufklärung<br />

zu betreiben. Solche externen Dienstleister,<br />

die regelmäßig Anwälte sind, unterliegen<br />

bereits einer beruflichen Verschwiegenheitspflicht,<br />

die zudem strafbewehrt ist. Im Prozess<br />

genießen sie das Privileg eines Zeugnisverweigerungsrechts,<br />

wenn sie zu wahrheitsgemäßen<br />

Angaben verpflichtet oder<br />

gezwungen würden. Darauf können sich<br />

interne Stellen nicht berufen.<br />

Im Rahmen der ersten Schlüssigkeitsprüfung<br />

können sich Ombudsleute ein Bild<br />

über die Plausibilität eines Hinweises <strong>und</strong><br />

die Glaubwürdigkeit des Hinweisgebers<br />

machen, bevor sie im Verlauf des Verfahrens<br />

eine Empfehlung für weitere (interne<br />

oder externe) Nachforschungen oder<br />

Ermittlungen geben. Selbst wenn der Hinweisgeber<br />

im Rahmen von weiterer Korrespondenz<br />

seine Identität preisgibt, ist<br />

der Ombudsmann nicht verpflichtet, diese<br />

an das Unternehmen weiterzugeben.<br />

Angesichts seiner Unabhängigkeit kann<br />

er auch dem Druck eines solchen Ansinnens<br />

seines Auftraggebers widerstehen.<br />

Er genießt eine gesteigerte Autorität.<br />

In der Praxis zeigt sich zudem, dass bei<br />

einer Aufgabe der Identität des Hinweisgebers<br />

ein entsprechend hohes Maß an<br />

Vertraulichkeit gegenüberstehen muss.<br />

Der Whistleblower beraubt sich selbst<br />

seines wichtigsten Schutzes, der Anony-<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 29


ARBEITSRECHT Compliance<br />

mität. Gleichzeitig unterstützt dies in<br />

hohem Maße die Annahme, dass die Meldung<br />

plausibel <strong>und</strong> die Person des Hinweisgebers<br />

glaubwürdig sind.<br />

So lange der Hinweisgeber verdeckt eine<br />

Anzeige erstatten kann, bewegt er sich noch<br />

in einer Komfortzone (in der Abbildung<br />

unter 1). Dort ist das Risiko, sich schutzlos<br />

zu offenbaren, noch gering. Gleichzeitig<br />

führt dies – zumindest bei schematischer<br />

Betrachtung – zu einem maximalen<br />

Wert der Glaubhaftigkeit von 50 Prozent:<br />

Der Hinweis kann zutreffend oder<br />

nicht zutreffend sein. In der Vertraulichkeitszone<br />

hingegen (in der Abbildung<br />

unter 2) hat sich der Whistleblower entschlossen,<br />

Hinweise zu geben, durch die<br />

Rückschlüsse auf die Identität seiner Person<br />

möglich sind. Spätestens wenn er<br />

dies preisgibt, was auch bei anonymen Hinweisgebern<br />

nach entsprechender Rückfrage<br />

durch Ombudsleute möglich ist, gibt<br />

er einen offenen Hinweis, an dessen Glaubwürdigkeit<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich kein Zweifel<br />

mehr bestehen sollte.<br />

Besonderen Schutz kommunizieren<br />

Um dieses Maß an Vertraulichkeit zu erreichen,<br />

müsste der Schutz für den Hinweisgeber<br />

besonders ausgeprägt sein. Auf den<br />

ersten Blick klingt es befremdend: Warum<br />

braucht jemand Schutz, der sich für das<br />

Unternehmen einsetzt? Das wird aber der<br />

betrieblichen Wirklichkeit nicht gerecht.<br />

Bereits in der griechischen Mythologie<br />

wird nicht der Verursacher, sondern der<br />

Überbringer der schlechten Nachricht<br />

bestraft. Damit muss auch der Hinweisgeber<br />

im Unternehmen rechnen. Er hat selten<br />

die entscheidenden Kenntnisse über<br />

einen Missstand, wenn er nicht Teil des<br />

„kritischen“ Systems ist. Offenbart er sich,<br />

muss er damit rechnen, als Nestbeschmutzer<br />

<strong>und</strong> nicht als reinigender Faktor wahrgenommen<br />

zu werden. Dafür benötigt er<br />

einen nach Möglichkeit freiwillig eingeräumten<br />

Sonderkündigungsschutz.<br />

Mit einer ergänzenden Vereinbarung zum<br />

Arbeitsvertrag könnte das von einem Hinweis<br />

profitierende Unternehmen dem<br />

Whistleblower zusagen, dass sein Arbeits-<br />

30<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

Wechselwirkung zwischen der Art des Whistleblowing<br />

<strong>und</strong> der Glaubhaftigkeit der Hinweise<br />

Grad<br />

100%<br />

Glaubhaftigkeit<br />

der Hinweise<br />

50%<br />

0%<br />

2<br />

verhältnis für die Dauer von bis zu einem<br />

Jahr nach Abschluss der eingeleiteten<br />

(innerbetrieblichen) Ermittlungen ordentlich<br />

unkündbar ist. Eine Kündigung wäre<br />

nur aus wichtigem Gr<strong>und</strong>e möglich. Letztlich<br />

soll das Unternehmen signalisieren,<br />

dass es Mitarbeiter zu nützlichen Hinweisen<br />

ermutigt <strong>und</strong> dafür konkreten<br />

Schutz gewährt.<br />

Eine solche Interessenlage liegt auch dem<br />

Abschnitt 806 des Sarbanes Oxley Act<br />

zugr<strong>und</strong>e, der Unternehmen verpflichtet,<br />

Whistleblower nicht unter Druck zu<br />

setzen. Im Falle einer ungerechtfertigten<br />

Kündigung eines Hinweisgebers hat das<br />

Unternehmen diesen – entgegen der in<br />

den USA üblichen Employment at will-Doktrin<br />

– wieder einzustellen <strong>und</strong> ihm einen<br />

umfassenden Ausgleich für materielle<br />

<strong>und</strong> immaterielle Schäden zu gewähren.<br />

Der Whistleblower stellt eine Erkenntnisquelle<br />

von erheblichem Wert dar. Damit<br />

ermöglicht er letztlich der Geschäftsleitung,<br />

ihren Leitungsauftrag im Sinne<br />

gesetzlicher Sorgfaltspflichten zu erfüllen.<br />

Er rückt in die Nähe eines Unternehmensbeauftragten,<br />

der ebenfalls auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage seines Arbeitsverhältnisses<br />

1<br />

Nachfragen<br />

Verdeckt<br />

Belegbarkeit<br />

mit Dokumenten<br />

Vertraulichkeitszone<br />

1 2<br />

Benennung<br />

von Zeugen<br />

Preisgabe der Identität<br />

des Hinweisgebers<br />

Art des Whistleblowing Offen<br />

Komfortzone<br />

Aufgaben zu erfüllen <strong>und</strong> Pflichten zu<br />

beachten hat, um mit seinen Hinweisen,<br />

Empfehlungen oder gar Anweisungen<br />

eine Entscheidung von der Geschäftsleitung<br />

herbeizuführen.<br />

Schließlich wird die besondere Pflichtenlage<br />

eines Whistleblowers gewürdigt. Dieser<br />

nimmt bei seiner Entscheidung nicht<br />

nur sein Recht auf freie Meinungsäußerung<br />

in Anspruch. Er muss zudem die Interessen<br />

des Arbeitgebers auf innerbetriebliche<br />

Abhilfe oder Schadensabwehr genau<br />

so berücksichtigen wie die berechtigten<br />

Interessen verdächtigter Personen <strong>und</strong><br />

deren datenschutzrechtlichen Belange.<br />

Damit könnte insgesamt der Kern einer<br />

funktionierenden Compliance-Organisation<br />

gewahrt bleiben, mittels der relevante<br />

Informationen zuverlässig beschafft<br />

<strong>und</strong> deren Quelle besonders geschützt<br />

würde.<br />

Autor<br />

Dr. Hans-Joachim Fritz,<br />

Partner Kanzlei Kaye<br />

Scholer LLP, Frankfurt,<br />

hans-joachim.fritz@<br />

kayescholer.com.<br />

Abbildung<br />

Whistleblower befinden sich in einer gewissen Konfiktlage. Sie wollen einerseits durch ihren<br />

Hinweis auf Missstände aufmerksam machen, andererseits wird ihre Aussage erst dann auch<br />

rechtlich glaubwürdig, wenn sie sich selbst – zumindest teilweise – zu erkennen geben.<br />

Zeit


D<br />

ie Schlagzeile oben <strong>und</strong> ähnliche finden<br />

sich in nahezu jeder Tageszeitung<br />

<strong>und</strong> mit jedem Bericht werden es<br />

mehr Unternehmen, die Bluttests als<br />

Einstellungsvoraussetzung durchführen.<br />

Selbst die R<strong>und</strong>funkanstalten, die über die<br />

umstrittenen Vorgehensweisen berichteten,<br />

verlangen Blutproben von ihren Bewerbern.<br />

Sogar bei befristeten Arbeitsverträgen<br />

für den klassischen Schreibtisch-Job.<br />

Der Bewerber hat dabei keine Wahl. Auch<br />

wenn die freiwillige Einwilligung des Bewerbers<br />

Voraussetzung für die Blutabnahme<br />

<strong>und</strong> -untersuchung ist: Wird die Einwilligung<br />

verweigert, gibt es keinen Arbeitsvertrag.<br />

Aus arbeitsrechtlicher Sicht bestehen gegen<br />

diese Praxis keine Bedenken, aus der sich<br />

eine Unzulässigkeit der Ges<strong>und</strong>heitsprüfung<br />

ableiten ließe. Es gibt weder einschlägige<br />

Vorschriften noch gerichtliche Entscheidungen,<br />

die dieser Praxis entgegenstehen.<br />

Zum einen besteht zu diesem Zeitpunkt<br />

noch gar kein Arbeitsverhältnis,<br />

zum anderen verbietet auch ein sogenanntes<br />

Vertragsanbahnungsverhältnis Ges<strong>und</strong>heitstests<br />

bei Bewerbern nicht.<br />

Wie notwendig ist die Blutprobe?<br />

Bedenken bestehen hinsichtlich der<br />

Gr<strong>und</strong>sätze zum Datenschutz <strong>und</strong> des<br />

Umgangs mit potenziellen neuen Mitarbeitern.<br />

Es besteht Einigkeit darüber, dass<br />

die Einzelheiten der Bluttests nicht an die<br />

Personalabteilung weitergegeben werden<br />

dürfen, sondern der Schweigepflicht des<br />

Arztes unterliegen. Dieser gibt nur die Mitteilung<br />

der ges<strong>und</strong>heitlichen Eignung oder<br />

Nichteignung an das Unternehmen wei-<br />

ter. Darin liegt gr<strong>und</strong>sätzlich auch eine<br />

Aufgabe des Betriebsrates, sicherzustellen,<br />

dass nicht mehr Tests als erforderlich<br />

durchgeführt werden <strong>und</strong> der Umgang mit<br />

den Daten unter dem Gesichtspunkt des<br />

Datenschutzes kontrolliert wird.<br />

Aber muss erst Blut fließen, damit ein<br />

Arbeitsvertrag zustande kommen kann?<br />

Arbeitgeber haben ein berechtigtes Interesse<br />

daran zu erfahren, ob der zukünftige<br />

Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete<br />

Arbeitsleistung erbringen kann. Kein<br />

Zweifel an der Erforderlichkeit von Bluttests<br />

besteht bei der Qualifikation für Heilberufe<br />

oder bei Berufsfeldern, in denen<br />

zum Beispiel Suchtkrankheiten mit Sicherheit<br />

ausgeschlossen werden müssen. Chirurgen<br />

<strong>und</strong> Piloten müssen mit größter Sorgfalt<br />

ges<strong>und</strong>heitlich untersucht werden.<br />

Doch wie ist es mit dem Sachbearbeiter, der<br />

seine Arbeitsleistung ohne K<strong>und</strong>enkontakt<br />

am Schreibtisch erbringt? Die Praxis<br />

zeigt, dass viele Unternehmen ihre Tauglichkeitsprüfung<br />

auch bei diesen Tätigkeiten<br />

bis hin zu Bluttests ausweiten. Vor einiger<br />

Zeit wurde noch von wenigen schwarzen<br />

Schafen gesprochen.<br />

Leistungsfähigkeit sicherstellen<br />

Demgemäß sollte nicht nur darüber diskutiert<br />

werden, ob derartige Vorgehensweisen<br />

zu tolerieren sind; vielmehr sollte ein<br />

Augenmerk darauf gelegt werden, warum<br />

die Unternehmen zu derartigen Mitteln<br />

greifen. In der Praxis besteht offensichtlich<br />

der Bedarf, zumindest zum Zeitpunkt<br />

der Einstellung sicherzustellen, dass der<br />

Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete<br />

Leistung tatsächlich erbringen kann. Dies<br />

Rekrutierung ARBEITSRECHT<br />

Blutprobe bitte, sonst kein Vertrag<br />

Offenbar gar nicht so wenige Arbeitgeber lassen im Bewerbungsverfahren<br />

Bluttests durchführen. Aber sind diese auch zulässig? Eine Bestandsaufnahme.<br />

ist gr<strong>und</strong>sätzlich nicht verwerflich. Solche<br />

Blutuntersuchungen sind zum Beispiel für<br />

die Einstellung in den öffentlichen Dienst<br />

eine unumgängliche Voraussetzung – auch<br />

bei einem Sachbearbeiter, der seine Arbeitsleistung<br />

ausschließlich am Schreibtisch<br />

mit geregelten Arbeitszeiten erbringt. Die<br />

Rechtfertigung dafür ist die Begründung<br />

eines Beamtenverhältnisses, welches den<br />

öffentlichen Arbeitgeber an den Arbeitnehmer<br />

langfristig bindet.<br />

Aber besteht diese langfristige Bindung<br />

faktisch nicht auch für den privaten Arbeitgeber?<br />

Das Gesetz lässt eine personenbedingte<br />

Kündigung bei Krankheit des Arbeitnehmers<br />

nur unter sehr schwierigen <strong>und</strong><br />

aufwendigen Voraussetzungen zu. Jedes<br />

Unternehmen, welches solche Prozesse vor<br />

der Arbeitsgerichtsbarkeit geführt hat,<br />

weiß dieses.<br />

Dies führt auch bei privatwirtschaftlichen<br />

Arbeitgebern zu einem nicht zu unterschätzenden<br />

finanziellen <strong>und</strong> organisatorischen<br />

Aufwand. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist das<br />

Bedürfnis der Unternehmen, sich vor vermeidbaren<br />

Belastungen durch erkrankte<br />

Arbeitnehmer zu schützen, durchaus nachvollziehbar.<br />

Dabei sollte die Beachtung der<br />

Datenschutzvorschriften <strong>und</strong> die Beschränkung<br />

der Untersuchungen auf die erforderlichen<br />

Kriterien selbstverständlich sein.<br />

Autorin<br />

Prof. Dr. Stephanie Michel,<br />

Professorin für Wirtschaftsrecht,<br />

Fachhochschule der<br />

Wirtschaft, Hannover,<br />

stephanie.michel@fhdw.de<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 31


ARBEITSRECHT Datenschutz<br />

32<br />

Das Leid mit den Krankheiten<br />

Der Umgang mit Krankheiten oder Beeinträchtigungen von Mitarbeitern ist nicht einfach.<br />

Allein schon die Erfassung von Ges<strong>und</strong>heitsdaten bringt besondere Voraussetzungen mit sich.<br />

V<br />

erstöße gegen den Arbeitnehmerdatenschutz gingen<br />

zuletzt verstärkt durch die Presse. Ob Daimler, Lidl<br />

oder Deutsche Bahn, häufig ging es um einen unzulässigen<br />

Umgang mit Daten über Krankheiten der Mitarbeiter.<br />

Die öffentliche Empörung war groß, zumal das Erfassen<br />

der Krankheiten als „Jagd auf Kranke“ empf<strong>und</strong>en wird.<br />

Dabei darf nicht übersehen werden, dass der Arbeitgeber<br />

gute Gründe dafür haben kann, Informationen über die<br />

Krankheiten der Mitarbeiter festzuhalten. Dabei gelten wichtige<br />

(datenschutz-)rechtliche Grenzen.<br />

Persönlichkeitsrecht beachten<br />

Bereits nach dem Arbeitsschutzrecht hat der Arbeitgeber<br />

die Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Sicherheit seiner Mitarbeiter zu schützen.<br />

Hierzu muss er die Arbeitsbedingungen ständig überprüfen<br />

<strong>und</strong> gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen. Flankierend<br />

sollte ein präventives Ges<strong>und</strong>heitsmanagement<br />

eingerichtet sein, das arbeitsplatzbedingte Ges<strong>und</strong>heitsschäden<br />

verhindert. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wird der<br />

Arbeitgeber die Belastungen im Unternehmen bewerten<br />

müssen. Das wird nicht ohne das Erfassen <strong>und</strong> Analysieren<br />

von Fehlzeiten <strong>und</strong> deren Ursachen gehen, da durch<br />

diese Informationen die ges<strong>und</strong>heitliche Situation im<br />

Unternehmen sichtbar wird.<br />

Im Zuge dessen müssen Arbeitnehmer dem Arbeitgeber<br />

jedoch keinesfalls Krankheitsdiagnosen mitteilen. Die<br />

Ursachen der Krankheiten möchten Arbeitgeber dennoch<br />

möglichst genau erfahren – durchaus auch berechtigt –<br />

beispielsweise wenn die Verwendung ges<strong>und</strong>heitsschädlicher<br />

Materialien oder ein unzureichend abgesicherter<br />

Arbeitsplatz die Ursachen für die Erkrankungen sind. Nur<br />

so können die Ursachen auch abgestellt werden. Diesem<br />

Interesse steht jedoch das Persönlichkeitsrecht der Arbeit-<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

nehmer auf größtmögliche Geheimhaltung ihrer Krankheiten<br />

<strong>und</strong> deren Ursachen gegenüber. Ein besonderes Interesse<br />

an Krankheitsinformationen besteht auch im Zusammenhang<br />

mit Arbeitsverhältnissen, die durch hohe Fehlzeiten<br />

belastet sind. Denn hier rückt die Möglichkeit einer<br />

krankheitsbedingten Kündigung ins Blickfeld.<br />

Nach alternativen Arbeiten suchen<br />

Nach § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz kann die Kündigung<br />

eines Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein,<br />

wenn die Gründe in der Person des Arbeitnehmers liegen.<br />

Zwar ist eine Krankheit als solche kein Kündigungsgr<strong>und</strong>.<br />

Allerdings kann sie für eine Kündigung relevant werden,<br />

wenn von ihr störende Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis<br />

ausgehen. Dies kann bei häufigen Kurzerkrankungen<br />

<strong>und</strong> Langzeiterkrankungen der Fall sein.<br />

Nach der Rechtsprechung des BAG (etwa Urteil vom<br />

10.11.2005, 2 AZR 54/05) ist hierfür zunächst eine negative<br />

Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Ges<strong>und</strong>heitszustands<br />

erforderlich. Des Weiteren müssen die bisherigen<br />

<strong>und</strong> die laut Prognose erwartbaren Erkrankungen<br />

des Arbeitnehmers zu einer erheblichen Beeinträchtigung<br />

der betrieblichen Interessen führen. Diese wiederum<br />

muss schließlich zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden<br />

Belastung des Arbeitgebers führen.<br />

Bevor es zu einer krankheitsbedingten Kündigung kommt,<br />

ist der Arbeitgeber aber gehalten, den Arbeitnehmer auf<br />

einem leidensgerechten Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen,<br />

bei dem es voraussichtlich nicht zu ähnlichen Krankheitszeiten<br />

kommt. Dies kann durch eine Versetzung<br />

oder durch eine Änderungskündigung geschehen.<br />

Daneben ist die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements<br />

(BEM) zu beachten. Hier gilt:


Wenn Beschäftigte innerhalb eines<br />

Jahres insgesamt länger als sechs Wochen<br />

arbeitsunfähig sind, hat der Arbeitgeber<br />

mit dem Betroffenen <strong>und</strong> der zuständigen<br />

Interessenvertretung zu erörtern,<br />

wie die Arbeitsunfähigkeit überw<strong>und</strong>en,<br />

mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter<br />

Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt <strong>und</strong><br />

der Arbeitsplatz erhalten werden kann.<br />

Soll es nun zu einer krankheitsbedingten<br />

Kündigung kommen, treten verschiedene<br />

Probleme auf. Zum einen weiß der<br />

Arbeitgeber häufig nicht, welche Krankheit<br />

den Fehlzeiten zugr<strong>und</strong>e liegt. Zum<br />

anderen muss der Arbeitnehmer nicht<br />

antworten oder seine Ärzte von der Schweigepflicht<br />

entbinden, wenn sich der Arbeitgeber<br />

nach den Krankheiten erk<strong>und</strong>igt.<br />

Auch durch das BEM ändert sich an dieser<br />

Ausgangslage nichts, da die Teilnahme<br />

hieran für den Arbeitnehmer freiwillig<br />

ist.<br />

Datenschutzrechtliche Grenzen<br />

Anders als man angesichts der öffentlichen<br />

Empörung über die in einigen<br />

Unternehmen angelegten Krankenakten<br />

vermuten könnte, sind Mitarbeiter<br />

im Rahmen von Fehlzeitengesprächen<br />

erfahrungsgemäß gerne bereit, über die<br />

Hintergründe ihrer Erkrankung zumindest<br />

grob Auskunft zu geben. Mit Blick<br />

auf die beschriebene Interessenlage des<br />

Arbeitgebers stellt sich aber die Frage,<br />

wie mit diesen Informationen in datenschutzrechtlicher<br />

Hinsicht umzugehen<br />

ist.<br />

Unabhängig davon, ob Ges<strong>und</strong>heitsdaten<br />

automatisiert verarbeitet oder manuell in<br />

eine Personalakte eingepflegt werden, ist<br />

das B<strong>und</strong>esdatenschutzgesetz (BDSG) zu<br />

beachten. Ges<strong>und</strong>heitsdaten sind Angaben<br />

zu einzelnen Krankheiten des Betroffenen,<br />

zum Ablauf <strong>und</strong> Inhalt der medizinischen<br />

Behandlung sowie dazu, ob die<br />

betroffene Person inzwischen ges<strong>und</strong> ist.<br />

Bei Hinweisen auf Krankheitsursachen <strong>und</strong><br />

-diagnosen handelt es sich somit um<br />

Ges<strong>und</strong>heitsdaten. Diese sind nach § 3 Abs.<br />

9 BDSG „besondere Daten“ oder auch<br />

„sensitive Daten“, deren Verarbeitung<br />

besonderen Einschränkungen unterliegt.<br />

So ist das Erheben <strong>und</strong> Speichern von<br />

Ges<strong>und</strong>heitsdaten nur erlaubt, wenn entweder<br />

eine ausdrückliche Einwilligung<br />

der betroffenen Person vorliegt, die sich<br />

auf die Erhebung solcher Daten beziehen<br />

muss, oder wenn ein Erlaubnistatbestand<br />

des § 28 Abs. 6 Nr. 1 bis 4 BDSG eingreift.<br />

Nun könnte man die Auffassung vertreten,<br />

dass Mitarbeiter in eine Datenerhebung<br />

<strong>und</strong> -speicherung eingewilligt haben<br />

oder zumindest die Daten offenk<strong>und</strong>ig<br />

öffentlich gemacht haben, wenn sie über<br />

ihre Krankheiten bereitwillig Auskunft<br />

geben. Eine Einwilligung zur Verwen-<br />

dung sensitiver Daten muss sich aber<br />

ausdrücklich auf diese Daten beziehen<br />

<strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich schriftlich erfolgen.<br />

Daher scheidet eine konkludente, also<br />

schlüssige, Einwilligung aus. Die bloße<br />

Preisgabe von Ges<strong>und</strong>heitsdaten im Rahmen<br />

eines Fehlzeitengesprächs bedeutet<br />

nicht, dass der Mitarbeiter diese Information<br />

jedermann zugänglich <strong>und</strong> damit<br />

„offenk<strong>und</strong>ig öffentlich“ im Sinne des<br />

§ 28 Abs. 6 Nr. 2 BDSG machen will. Ein<br />

Mitarbeiter teilt Ges<strong>und</strong>heitsdaten im<br />

Zweifel nur aufgr<strong>und</strong> der vertraulichen<br />

Atmosphäre des Krankengesprächs mit.<br />

Dürfen ja – aber was?<br />

Daher wird eine Verwendung solcher<br />

Daten im Arbeitsverhältnis letztlich an<br />

§ 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG zu messen sein.<br />

Danach ist die Verwendung erlaubt, wenn<br />

sie zur Geltendmachung, Ausübung oder<br />

Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich<br />

ist. Gleichzeitig darf das schutzwürdige<br />

Interesse des Betroffenen am Ausschluss<br />

der Erhebung <strong>und</strong> Speicherung<br />

der Daten nicht überwiegen.<br />

Der Begriff „rechtlicher Anspruch“ ist<br />

wiederum so zu verstehen, dass es um die<br />

Rechte <strong>und</strong> Pflichten des Arbeitgebers<br />

<strong>und</strong> um die Ansprüche des Arbeitnehmers<br />

gegen den Arbeitgeber geht <strong>und</strong><br />

daher Informationen zu deren Klärung<br />

gesammelt werden dürfen.<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de 33


ARBEITSRECHT Datenschutz<br />

Die Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung<br />

im Krankheitsfall, ein BEM durchzuführen<br />

oder vor Ausspruch einer krankheitsbedingten<br />

Kündigung einen leidensgerechten<br />

Arbeitsplatz anzubieten, sprechen<br />

also für das Interesse des Arbeitgebers,<br />

bestimmte Ges<strong>und</strong>heitsdaten erheben zu<br />

können.<br />

Zweifelhaft ist aber, ob sämtliche Krankheitsgründe<br />

ohne konkreten Anlass <strong>und</strong><br />

ob Diagnosen aufgenommen werden dürfen.<br />

Dies wird teilweise bejaht, da der<br />

Arbeitgeber die Daten benötigt, um seinen<br />

Anspruch auf Erfüllung der Arbeitspflicht<br />

geltend machen beziehungsweise<br />

durchsetzen zu können – bis zur krankheitsbedingten<br />

Kündigung.<br />

Nach anderer Ansicht ist die Erhebung von<br />

Krankheitsdaten auch zur Durchsetzung<br />

einer Kündigung nicht erforderlich, da<br />

der Arbeitgeber eine krankheitsbedingte<br />

Kündigung auch auf die bloßen Fehlzeiten<br />

stützen kann. Allerdings ist zu<br />

beachten, dass der Arbeitgeber nach dieser<br />

Ansicht eine Kündigung ausspricht,<br />

deren Wirksamkeit er nicht sicher beurteilen<br />

kann.<br />

Der Arbeitsplatz als Maßstab<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> bietet sich für die<br />

Praxis folgende Leitlinie an: Informationen<br />

über Erkrankungen können erhoben<br />

werden, wenn sie „arbeitsplatzspezifisch“<br />

sind. Das kann der Fall sein:<br />

● bei Ges<strong>und</strong>heitsdaten, die sich auf besonders<br />

ansteckende oder schwere Erkrankungen<br />

beziehen. Hier ließe sich ein<br />

Anspruch des Arbeitgebers auf Erhebung<br />

entsprechender Angaben herleiten,<br />

etwa wenn die Erkrankung den<br />

Arbeitnehmer dauerhaft an der Durchführung<br />

<strong>und</strong> Abwicklung des Arbeits-<br />

34<br />

Impressum<br />

Redaktion: Jürgen Scholl (js), Chefredakteur; Nancy Schnittker<br />

(nbs), Redakteurin; Elke Schwuchow (es), Redakteurin;<br />

Erwin Stickling (sti), stellv. Chefredakteur; Christiane Siemann,<br />

freie Mitarbeiterin<br />

Redaktionsanschrift: Wolters Kluwer<br />

Deutschland GmbH, Luxemburger Straße 449, 50939 Köln,<br />

Telefon: 0221/94373-7653, Fax: 0221/94373-7757,<br />

E-Mail: personalwirtschaft@wolterskluwer.de,<br />

www.personalwirtschaft.de<br />

Sonderheft 12 |2009 www.personalwirtschaft.de<br />

verhältnisses hindert. Mit Blick auf<br />

ansteckende Krankheiten könnten auch<br />

Fürsorgepflichten des Arbeitgebers<br />

gegenüber den übrigen Arbeitnehmern,<br />

gegebenenfalls auch gegenüber Dritten<br />

(etwa K<strong>und</strong>en), in Rede stehen.<br />

● wenn Arbeitsunfähigkeitszeiten bei<br />

Beschäftigung auf einem anderen<br />

Arbeitsplatz reduziert werden könnten.<br />

Der Arbeitgeber hat ein Interesse <strong>und</strong><br />

gegebenenfalls auch einen Anspruch<br />

darauf, zu erfahren <strong>und</strong> zu dokumentieren,<br />

ob durch eine Krankheit oder<br />

Beeinträchtigung die ausgeübte Tätigkeit<br />

gravierend eingeschränkt ist <strong>und</strong><br />

so die Ausübung der arbeitsvertraglichen<br />

Pflichten dauerhaft infrage steht.<br />

● wenn die Krankheitsursachen im betrieblichen<br />

Bereich wurzeln, zum Beispiel<br />

wegen der Verwendung ges<strong>und</strong>heitsschädlicher<br />

Materialien oder eines unzureichend<br />

abgesicherten Arbeitsplatzes.<br />

● wenn eine krankheitsbedingte Kündigung<br />

in Betracht kommt, da hier der<br />

vertragliche Hauptanspruch des Arbeitgebers<br />

auf Erbringung der Arbeitsleistung<br />

betroffen ist. Das ist laut BAG der<br />

Fall, wenn eine negative Prognose des<br />

zukünftigen Ges<strong>und</strong>heitszustands anzunehmen<br />

ist <strong>und</strong> die bisherigen <strong>und</strong> zu<br />

erwartenden Fehlzeiten zu einer erheblichen<br />

Beeinträchtigung der betrieblichen<br />

Interessen führen (BAG, Urteil<br />

vom 24.11.2005, 2 AZR 514/04).<br />

Da die negative Ges<strong>und</strong>heitsprognose<br />

aufgr<strong>und</strong> einer Einzelfallbetrachtung<br />

festzustellen ist, legt die Rechtsprechung<br />

keine konkreten Zeiten von<br />

Arbeitsunfähigkeiten fest, bei denen<br />

von einer solchen Negativprognose auszugehen<br />

ist. Bei krankheitsbedingten<br />

Fehlzeiten von sechs Wochen bei<br />

Fachbeiträge aus bereits erschienenen Ausgaben sind<br />

verfügbar unter: www.personalwirtschaft.de<br />

Geschäftsführer: Dr. Ulrich Hermann<br />

Anzeigen: Rolf Ganzer (Verkaufsleitung),<br />

Telefon: 0221/94373-7620, E-Mail: rganzer@wolterskluwer.de<br />

Karin Kamphausen (Anzeigenmarketing),<br />

Telefon: 0221/94373-7629, E-Mail: kkamphausen@wolterskluwer.de<br />

Jörg Walter (Anzeigenverkauf), wanema media,<br />

Telefon: 0931/304699-66, E-Mail: pw@wanema.de<br />

langen Erkrankungen beziehungsweise<br />

mindestens sechs Wochen pro Jahr<br />

bezogen auf einen Zeitraum von zwei<br />

Jahren bei häufigen Kurzerkrankungen<br />

kommt eine negative Ges<strong>und</strong>heitsprognose<br />

in Betracht.<br />

Über die Erfassung informieren<br />

Falls Krankheitsursachen <strong>und</strong> -diagnosen<br />

bei Fehlzeitengesprächen zur Sprache<br />

kommen, muss der Mitarbeiter vorab<br />

darauf hingewiesen werden, dass die<br />

Angabe freiwillig ist. Ein Arbeitnehmer<br />

ist gr<strong>und</strong>sätzlich nicht verpflichtet, Angaben<br />

über seinen Ges<strong>und</strong>heitszustand zu<br />

machen (BAG, Urteil vom 25.11.1982, 2 AZR<br />

140/81). Ihn hierauf im Vorfeld hinzuweisen,<br />

ist daher obligatorisch.<br />

Wenngleich die freiwillige Preisgabe der<br />

Ges<strong>und</strong>heitsdaten nicht die Qualität einer<br />

Einwilligung im Sinne von § 4a BDSG<br />

hat, so ist sie doch im Rahmen der Interessenabwägung<br />

zu berücksichtigen. Fehlt<br />

es hieran, stehen der Erhebung <strong>und</strong> Speicherung<br />

der Ges<strong>und</strong>heitsdaten schutzwürdige<br />

Interessen des Mitarbeiters entgegen.<br />

Sofern ausnahmsweise Ges<strong>und</strong>heitsdaten<br />

rechtmäßig erhoben werden dürfen,<br />

sind diese Informationen sehr vertraulich<br />

zu behandeln. Daher dürfen sie nicht offen<br />

in die Personalakte abgeheftet werden.<br />

Tipp: In einem verschlossenen Umschlag<br />

aufbewahren <strong>und</strong> den Kreis der Informationsberechtigten<br />

einschränken.<br />

Autor<br />

Dr. Ansgar Fröhlich,<br />

Rechtsanwalt <strong>und</strong> Fachanwalt<br />

für Arbeitsrecht,<br />

KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft<br />

mbH, Hamburg,<br />

afroehlich@kpmg-law.com<br />

Karin Odening (Anzeigendisposition),<br />

Telefon: 0221/94373-7266, E-Mail: kodening@wolterskluwer.de<br />

Herstellung: Michael Dullau<br />

Gestaltung: Art + Work, Köln, Lars Auhage, Martin Schwarz<br />

Druckerei <strong>und</strong> Lieferanschrift für Beilagen:<br />

Druckerei Wilhelm & Adam OHG<br />

Werner-von-Siemens-Straße 29, 63150 Heusenstamm<br />

Copyright: Luchterhand, eine Marke von Wolters Kluwer Deutschland<br />

GmbH. © 2009 Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Köln.

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