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Nr. 5/2004 September & Oktober Ausgabe 16

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Interview Reiner Ramelsberger<br />

Der Pate<br />

Schon der erste Satz macht deutlich, warum der Pate der Branche<br />

eigentlich keine Interviews gibt. Umso Interessanter seine Meinung<br />

zum Produktzyklus und zum Gejammer der Branche.<br />

RR: Die wichtigste Message sollten wir gleich<br />

an den Anfang stellen: Die Firma Cobra International<br />

tritt normalerweise nicht gerne in den<br />

Vordergrund. Die Vermarktung der Windsurfbranche<br />

überlassen wir lieber unseren Kunden.<br />

Wir beschränken uns darauf, seit 27 Jahren<br />

schöne Technologien für schöne Boards zu entwickeln<br />

und sie dann noch schöner zu bauen.<br />

FM: Wir dürfen aber schon sagen, dass einige<br />

der besten Wassersportbrands ihre Produkte<br />

bei Cobra produzieren lassen?<br />

RR: Ja, das ist richtig. Wir entwickeln zusammen<br />

mit den Produktmanagern der einzelnen<br />

Brands die Boards. Daher ist auch sichergestellt,<br />

dass wirklich alle individuelle und besondere<br />

Produkte bekommen. Das ist keine Einheitssoße,<br />

die da am Ende rauskommt. Wir entwickeln<br />

mit den verschiedenen Leuten verschiedene<br />

Sachen für die einzelnen Firmen.<br />

Bestimmte Neuentwicklungen und Features<br />

sind für manche Brands dann für eine gewisse<br />

Zeit exklusiv. Darüber hinaus hat Cobra an den<br />

gesamten Ablauf von der Idee bis zur Fertigstellung<br />

höchste qualitative Ansprüche, weshalb<br />

wir z. B. auch ISO 9001 zertifiziert sind. Wir<br />

sind eben ein richtiger OEM-Hersteller (Original<br />

Equipment Manufacturer).<br />

FM: Dann zur wichtigsten Frage: Betreibst<br />

du selber noch Wassersport?<br />

RR: Also die Frage ist der Hammer! Ich windsurfe<br />

seit 28 Jahren! Wenn auch jetzt mit wenig<br />

Zeit nicht mehr so häufig und nicht mehr<br />

besonders gut, aber Spaß macht es mir trotzdem.<br />

FM: Deine Materialwahl ist dann sicherlich<br />

ein Geheimnis,<br />

oder?<br />

‘Wir treten nicht gerne<br />

in den Vordergrund.’<br />

RR: Ganz und gar<br />

nicht. Ich fahre einfach<br />

alles, was wir<br />

produzieren und was<br />

genug Volumen für<br />

mein Gewicht und mein eingeschränktes<br />

Fahrkönnen hat. ... Ich muss mir ja auch schließlich<br />

selber mal ein Bild von den unterschiedlichen<br />

Boards machen.<br />

FM: Wie bist du eigentlich dazu gekommen,<br />

Windsurfboards zu produzieren?<br />

RR: Nach meinem Studium habe ich bei BIC<br />

gearbeitet, die dann die Firma Windglider gekauft<br />

hat. Ich riet dem Geschäftsführer zwar davon<br />

ab, er tat es aber trotzdem.<br />

FM: Wieso hast du abgeraten?<br />

RR: Ich fragte ihn, warum er ein Pferd mit einem<br />

gebrochenen Fuß kaufen möchte? Er meinte,<br />

wenn der Fuß verheilt wäre, hätte er zwei<br />

Pferde. Daraufhin meinte ich dann wieder, dass<br />

Füße bei Pferden nie heilen würden. Auf<br />

Deutsch: Winglider war in meinen Augen für die<br />

damaligen Verhältnisse nicht mehr ganz up to<br />

date. Ich hatte während meines Studiums bei<br />

Windglider Thailand gearbeitet, dem Vorgänger<br />

von Cobra, und kannte das Geschäft mit den<br />

Boards also schon aus früheren Tagen.<br />

FM: Und dann fing BIC an, selber Boards zu<br />

produzieren.<br />

RR: Nein, die hatten schon vorher tolle Boards<br />

unter der Marke DUFOUR und dann später BIC<br />

gebaut. Dafür habe ich dann den deutschen<br />

Vertrieb gemacht. Anschließend bin ich zu Gaastra<br />

Sails, dem damals größten Hersteller von<br />

Windsurf-Segeln gegangen. Das hat mich dann<br />

mit meiner Familie bis nach Hongkong gebracht.<br />

Damals gab es Probleme bei unserem<br />

größten Kunden, Mistral (Anmerk. d. Red.: alle<br />

Segel von Mistral, die zu den Serienboards<br />

gehörten, wurden von Gaastra produziert),<br />

sodass ich dann von Gaastra abgeordnet<br />

wurde, beim Mistral-Boardproduzenten und<br />

Vertrieb M1 den Geschäftsführer zu machen. Fünf<br />

Jahre später wurde M1 (Mistral Windsurfing)<br />

unter meiner Egide an Jakobs verkauft.<br />

Nachdem dann noch North Sails dazu gekauft<br />

wurde, waren wir<br />

uns über den zukünf-<br />

tigen Kurs der Firma<br />

nicht mehr ganz einig,<br />

sodass ich 1995 eine<br />

eigene Firma gründete,<br />

die für Cobra<br />

gearbeitet hat und es immer noch tut.<br />

FM: Was für Unstimmigkeiten gab es denn<br />

damals beim Verkauf an die Firma Jakobs?<br />

RR: Das ist sehr schwierig zu beantworten und<br />

da hat wohl auch jeder seine eigene Meinung<br />

zu. Ich persönlich glaube, dass die Firma Jakobs<br />

mit ihren Töchtern eine sehr erfolgreiche<br />

Firmenkonstellation darstellt, aber vielleicht die<br />

Führungs- und Reportingstrukturen nicht ganz<br />

für die schnelllebige Windsurfbranche geeignet<br />

sind. Gewisse Dinge funktionieren halt bei<br />

Industrieschokolade und Zeitarbeit anders als<br />

beim Windsurfen.<br />

FM: Hast du jemals darüber nachgedacht<br />

mit deinem Wissen und Kontakten ein eigenes<br />

Label zu produzieren?<br />

RR: Darüber nachgedacht bestimmt. Ich bin mir<br />

aber ziemlich sicher, dass ich da, wo ich jetzt<br />

sitze, einen interessanteren Job mache.<br />

FM: Aber Cobra hatte doch mal eine eigene,<br />

sensationelle Boardmarke. Ich kann mich<br />

noch gut an die Softdecks erinnern. Warum<br />

hat Cobra das wieder eingestellt?<br />

RR: Wenn man ein erfolgreicher OEM-Hersteller<br />

für viele Marken sein will, darf man keine eigene<br />

Marke haben. Die Kunden meinen sonst immer,<br />

dass jede neue Entwicklung automatisch in die<br />

eigene Marke mit einfließt. Es war eine wichtige<br />

Entscheidung, die Marke wieder einzustellen<br />

und ich war daran nicht ganz unbeteiligt …<br />

FM: Ich habe das Gefühl, dass hinsichtlich der<br />

Materialwahl und der Bauweise bei den Boards<br />

seit einigen Jahren Stillstand herrscht. Ist der<br />

Eindruck richtig?<br />

RR: Keineswegs, denn wir entwickeln wirklich<br />

ständig weiter. Das Verrückte ist, dass jetzt die<br />

Ansprüche an das Verhältnis zwischen dem<br />

Gewicht, der Steifigkeit und Haltbarkeit so hoch<br />

geworden sind, dass wir unentwegt weiterforschen<br />

müssen. Wir haben so ein hohes Level<br />

erreicht, dass die Entwicklungssprünge sicherlich<br />

nicht mehr so groß sind wie vor sieben oder<br />

acht Jahren, aber da sind sie trotzdem. Und<br />

dadurch, dass wir auch noch andere Produkte<br />

als Windsurfboards herstellen, findet bei uns<br />

natürlich eine gegenseitige Befruchtung der<br />

Entwicklungen statt.<br />

FM: Wie würdest du die derzeitige Marktsituation<br />

einschätzen?<br />

RR: Genaue Zahlen der Aufteilung unter den<br />

Ländern kann und möchte ich hier nicht abgeben.<br />

Was mich persönlich nur sehr nervt, ist das<br />

ständige Gerede, dass Windsurfen tot sei. Jeder,<br />

der einmal mit einem Board im Gleiten war,<br />

weiß, dass dieser Sport nie sterben wird. Es<br />

wird mal mehr, mal weniger verkauft. Wenn wir<br />

wieder mehr Points of Sale haben, wird auch<br />

wieder mehr gekauft, weil es einfacher wird,<br />

sich Material zu besorgen. Aber dieses ständige<br />

Gerede seit 15 Jahren, dass Windsurfen tot ist,<br />

Rainer Ramelsberger ist bei Cobra speziell für<br />

den weltweiten Windsurfmarkt und einige andere<br />

Sonderprojekte und Produkte zuständig. Außerdem<br />

ist er Geschäftsführer der APM-Marketing<br />

GmbH in München, die ein Joint Venture von<br />

Cobra ist. Rainer verbringt durchschnittliche 30<br />

Tage (Nächte) pro Jahr im Flugzeug.<br />

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