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Das abhängige Gehirn

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werden, gewinnen automatische Prozesse an Stärke und zwar vor allen in dem von Dopamin geprägten<br />

Motivationszentren. Die liegen in enger Nachbarschaft zu Nervenknoten, die an der Steuerung von<br />

automatischen Bewegungen beteiligt sind, erläutert der Berliner Suchtforscher Andreas Heinz.<br />

<strong>Das</strong> System ist so gebaut, das etwas, was immer häufiger gemacht wird, immer weiter in einen hinteren<br />

Teil verschoben wird, in dem es immer automatisierter wird und immer weniger bewusste Kontrolle<br />

benötigt oder in Anspruch nimmt. Beim Zigarettenrauchen ist es am besten untersucht, da gibt es viele<br />

Befunde, die darauf hinweisen, dass die Leute wirklich automatisch anspringen, schon wenn sie<br />

Zigaretten sehen, in Regionen des <strong>Gehirn</strong>s, die etwas mit motorischer Bewegungssteuerung zu tun<br />

haben, die gar nicht mehr groß bewusst geplant werden. So dass viele Patienten ihren Rückfall auch so<br />

beschreiben, dass es kein bewusster Vorsatz war oder weiß ich eine besonders intensiv ambivalent<br />

erlebte Verführungssituation sondern, dass die ganz automatisch losgelaufen sind zur nächsten<br />

Tankstelle, sich ihre Schnapsflasche gekauft haben zu Hause geleert und Verlangen und Schuldgefühle<br />

und alles mögliche ihnen erst hinterher am nächsten Tag gekommen sind.<br />

Im Stirnhirn ist die bewusste Verhaltenskontrolle geschwächt, gleichzeitig hat sich das Lernprogramm<br />

der Sucht verfestigt. Spätestens jetzt ist die Schwelle vom bloßen Drogenmissbrauch zur<br />

Abhängigkeitserkrankung überschritten. <strong>Das</strong> Verhalten ist quasi auf Autopilot geschaltet. Einzige<br />

Zielkoordinaten: die Sucht.<br />

Nicht nur Alkohol und Kokain vermögen das <strong>Gehirn</strong> Richtung zwanghaftem Verhalten umzusteuern.<br />

Studien zeigen ähnliche Veränderungen der Nervenschaltkreise auch bei Menschen, die nicht mit dem<br />

Roulettspielen aufhören, oder die sich nicht vom Computer losreißen können.<br />

Selbst die Fresssucht trägt in einigen Fällen ihren Namen zurecht. Nora Volkow hat extrem<br />

übergewichtigen Patienten untersucht. Deren Dopaminsystem erwies sich als ebenso gestört, wie das<br />

von Drogen<strong>abhängige</strong>n. Der Effekt war um so deutlicher, je mehr die Personen auf die Waage brachten.<br />

Wie gesagt, es handelte sich um extreme Fälle. Der durchschnittliche Übergewichtige ist wohl nicht in<br />

einem klinischen Sinne süchtig nach Süßem.<br />

Experimente an Ratten zeigen aber, dass Futter mit hohem Fett und Zuckergehalt die normalen<br />

Sättigungsmechanismen des <strong>Gehirn</strong>s außer Kraft setzen kann. Auch wenn der Magen objektiv voll ist,<br />

fressen die Tiere weiter Junkfood. Auf Dauer schädigen sie damit auch ihr Motivationssystem, bis sich im<br />

Käfig alles nur noch ums Fressen dreht.<br />

Im Kern ist die Sucht ein außer Kontrolle geratener Lernmechanismus. Einerseits erzeugt er<br />

automatisierte Verhaltensprogramme. Auf der anderen Seite schafft er aber auch besonders starke<br />

Erinnerungen an alles, was mit der Droge verknüpft ist. Diese tief eingeprägten Gedächtnisspuren sind<br />

ein wichtiger Grund für die hohe Rückfallrate nach einer Therapie von Süchtigen. Schon kleine Reize in<br />

der Umwelt, eine Bierwerbung, der zufällig gehörte Name einer Disko, in der es Heroin gibt, sind in der<br />

Lage, den Autopiloten der Abhängigkeit wieder zu aktivieren.<br />

Wie effektiv das Suchtgedächtnis arbeitet, konnte Andreas Heinz im Labor nachweisen. Er hat

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