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Das abhängige Gehirn

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erhalten die Patienten einen Betablocker. Er verlangsamt den Herzschlag, verringert das Schwitzen,<br />

dämpft ganz allgemein die körperliche Reaktion auf die Angst. Dabei wird auch das erneute Abspeichern<br />

der Erinnerung behindert.<br />

Die Ergebnisse stehen noch aus, doch wenn die Studien erfolgreich verlaufen, will Johnathan Lee<br />

Betablocker auch in der Therapie von Süchtigen erproben. Allerdings gibt es dabei ein Problem.<br />

Traumapatienten leiden meist unter der Erinnerung an ein einziges dramatisches Erlebnis. Bei Süchtigen<br />

ist aber praktisch ihr ganze Leben mit der Droge verknüpft. Nichtsdestotrotz konnten schon mehrere<br />

Forscher im Tierversuch zeigen, dass sich das Suchtgedächtnis löschen lässt. Der Weg bis zu einer<br />

effektiven Therapie für Menschen ist an Ansicht von Andreas Heinz aber noch weit.<br />

<strong>Das</strong> hat im Tierversuch, allerdings bei einer sehr kleinen Zahl von Ratten erstaunlich gut geklappt. Beim<br />

Menschen waren bisher die Behandlungsergebnisse nicht deutlich besser als die Standardbehandlung,<br />

was eine gewisse Ernüchterung zu Folge gehabt hat. <strong>Das</strong> heißt nicht, das der Weg nicht interessant ist.<br />

Ich glaube aber, man darf sich das <strong>Gehirn</strong> nicht zu sehr wie einen Computer vorstellen, wo man dann auf<br />

der Festplatte nach ein par Operationen wieder den Ausgangszustand hat.<br />

Die Therapie eines Alkoholikers oder eines Heroinabhängen erfolgt in zwei Schritten. Am Anfang steht<br />

der Entzug und der läuft nicht ohne schwere Nebenwirkungen ab. Schließlich haben sich Körper und<br />

<strong>Gehirn</strong> auf die Droge eingestellt. So kommt es, dass langjährige Alkoholiker selbst mit drei, vier Promille<br />

im Blut vergleichsweise nüchtern wirken können. Bei ihnen wird die dämpfende Wirkung des Alkohols<br />

durch eine erhöhte Grundaktivität der Nerven ausgeglichen. Im Entzug dreht das <strong>Gehirn</strong> dann sozusagen<br />

hoch, und löst ein Gefühl der Angst, der Nervosität aus. Dazu kommen Zittern, Schwitzen, Herzrasen und<br />

Schlaflosigkeit. Nach einigen Tagen gehen die schlimmsten Symptome zurück.<br />

Jetzt beginnt die zweite Phase der Therapie. Der Süchtige muss lernen, auch ohne die Droge zurecht zu<br />

kommen. Und das ist schwierig. Normale Genüsse, wie ein gutes Essen, haben oft ihren Reiz verloren.<br />

Dagegen erinnern sich die Patienten nur zu deutlich, an den positiven Effekt, den ein Schnaps oder ein<br />

Spritze ausgelöst haben. Suchtdruck oder Craving nennen das die Wissenschaftler.<br />

Häufig müssen die Süchtigen ihr ganzes Leben neu ordnen. Die Stunden, die vorher mit der Flasche vor<br />

dem Fernseher oder mit Beschaffungsdiebstählen vergingen, müssen nun anderes gefüllt werden. Kein<br />

leichtes Unterfangen, zumal Ex-Alkoholiker auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben. In der Therapie,<br />

mit Gesprächen und konkreten Hilfen für den Alltag, versuchen die Ärzte den Süchtigen, auf ein Leben<br />

ohne Drogen vorzubereiten. Der Erfolg ist allerdings gering. Nach einem Jahr sind zwischen siebzig und<br />

achtzig Prozent rückfällig geworden.<br />

Inzwischen lässt sich der Erfolg der Suchtbehandlung durch Medikamente steigern. Am Bekanntesten ist<br />

wohl das Methadon, dass als Heroinersatz verwendet werden kann. Methadon bindet im <strong>Gehirn</strong> an die<br />

selben Rezeptoren wie Heroin, aber es löst keine Kick aus weil es nicht direkt ins Blut gespritzt, sondern<br />

getrunken und langsam über den Darm aufgenommen wird. Damit fällt ein wichtiger Anreiz aus, die<br />

Dosis zu erhöhen. Methadon verhindert Entzugserscheinungen, so dass die Patienten auf Heroin

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