Friedrich Ani Tatort München - Boersenblatt.net
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Heft 1 • 2011 ISSN 0178-7241<br />
Streitschrift<br />
Publizistin Bascha<br />
Mika fordert die<br />
Frauen heraus<br />
Treffpunkt Venedig<br />
Ein Gespräch mit<br />
Michael Cunningham<br />
Kolumnistin 2011<br />
Komikerin Cordula<br />
Stratmann schreibt<br />
für das Buchjournal<br />
Fantastische Welt<br />
Zu Besuch bei<br />
Wolfgang Hohlbein<br />
SchWerpunKT<br />
^ Krimi &<br />
Thriller<br />
Bestsellerautorin<br />
Anne Holt im<br />
Porträt, Trendthema<br />
Öko-Thriller, die<br />
Faszination von<br />
Serienhelden<br />
Gewinnspiel<br />
buchjournal.de<br />
Für Sie von Ihrer Buchhandlung<br />
buch journal<br />
Weil Lesen Spaß macht<br />
<strong>Friedrich</strong> <strong>Ani</strong><br />
<strong>Tatort</strong> <strong>München</strong>
www.greenpeace.de/spenden<br />
TOD<br />
durch Öl?<br />
Woran ist dieser Deln im Golf von Mexiko<br />
gestorben – 100 Tage nach der Explosion<br />
der BP-Ölplattform? Seinen Öltod können wir<br />
nicht beweisen. Eines ist aber sicher: Der Ölunfall<br />
hat eine beispiellose Umweltkatastrophe<br />
verursacht. Obwohl das Bohrloch versiegelt<br />
ist, werden weiter Tiere an den Folgen des<br />
massiven Ölaustritts sterben. Manche Küstenabschnitte<br />
sind für Jahre erheblich geschädigt.<br />
Das ganze Ausmaß der Katastrophe wird gar<br />
nicht sichtbar. Unermüdlich hat BP Chemikalien<br />
in den Golf gekippt, um das Öl verschwinden<br />
zu lassen. Der Cocktail aus Öl und<br />
Chemie wabert unterhalb der Meeresoberfläche<br />
oder bedeckt den Meeresboden.<br />
Sicher bis zur Katastrophe<br />
Ein „weiter so“ scheint angesichts dieser<br />
Katastrophe undenkbar – und doch passiert<br />
genau das. Die Sicherheitsvorkehrungen bei<br />
Tiefseebohrungen haben sich nicht grundlegend<br />
verbessert. Alles gilt als 100% sicher,<br />
solange nichts passiert. Und so besteht die<br />
Ja, ab jetzt helfe ich regelmäßig!<br />
Ich erteile GREENPEACE eine Einzugsermächtigung<br />
und zahle einen Betrag von monatlich:<br />
5 d 10 d 15 d oder d<br />
Vorname, Name<br />
Straße, Hausnummer<br />
PLZ Wohnort<br />
Kontonummer Bankleitzahl<br />
Geldinstitut (Ihre Bankdaten geben wir nicht an Dritte weiter)<br />
Datum Unterschrift<br />
Ich möchte die CD mit aktueller Popmusik junger Künstler<br />
zugesandt bekommen: Ja (302013) Nein (302014) Greenpeace<br />
Ihre Adressdaten verwenden wir nur für Förderer-Service und -Information<br />
über unsere Aktivitäten. Eine Übermittlung der Daten erfolgt ausschließlich<br />
an Greenpeace-Organisationen und an den Tierpark Arche<br />
Warder e.V. Dieser Weitergabe können Sie jederzeit widersprechen.<br />
Gefahr für das labile Ökosystem Meer weiter<br />
– weltweit. Greenpeace ist daher überzeugt:<br />
Ölbohrungen in der Tiefsee sind nicht zu<br />
verantworten!<br />
Nichts dazugelernt?<br />
Und als wäre das Desaster von BP nicht<br />
genug, muß nun auch die Arktis dran glauben.<br />
In einer der letzten unberührten Regionen<br />
unserer Erde bohrte eine schottische<br />
Firma monatelang nach Öl. Notfallpläne<br />
– falls es sie überhaupt gibt – werden nicht<br />
offengelegt. Dabei lauert in der Arktis eine<br />
große Gefahr: Eisberge, die mit den Ölplatt-<br />
Jetzt Greenpeace-Fördermitglied werden!<br />
Diesen Abschnitt bitte als Postkarte verwenden, entlang der gestrichelten Linie ausschneiden und an Greenpeace senden.<br />
e.V., Große Elbstr. 39, 22767 Hamburg; V.i.S.d.P.: G. Wallmeyer; Stand 01/2011<br />
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Leben retten<br />
Porto zahlt<br />
Greenpeace!<br />
Oder faxen<br />
Sie uns 040-<br />
30 618 100<br />
GREENPEACE e.V.<br />
Große Elbstraße 39<br />
22767 Hamburg<br />
©Vollmer/Greenpeace<br />
formen kollidieren können. Einige wenige<br />
Schiffe sollen das verhindern – 100% sicher<br />
soll das sein.<br />
Den Wahnsinn stoppen<br />
„Raus aus der Tiefsee“, fordert Greenpeace.<br />
Vor Grönland erkletterten Aktivisten die<br />
Ölplattform Stena Don, um Probebohrungen<br />
im Arktischen Ozean zu verhindern. Und im<br />
Golf von Mexiko hat unser Schiff, die Arctic<br />
Sunrise, drei Monate lang das Ausmaß der<br />
verheerenden Ölkatastrophe untersucht.<br />
Kommen Sie an Bord<br />
Wollen Sie sich an die Bilder toter Delfine<br />
oder ölverklebter Gefieder gewöhnen?<br />
Oder möchten Sie etwas tun? Es ist ganz<br />
einfach. Werden auch Sie Fördermitglied bei<br />
Greenpeace! Helfen Sie, die Delfine wirksam<br />
zu schützen und die Ölindustrie von ihren<br />
riskanten Plänen abzubringen.<br />
Ihre Vorteile als Fördermitglied<br />
Service-Scheckheft mit wertvollen<br />
Informationen und besonderen Angeboten,<br />
wie Trinkwasser-Analyse, Filmverleih und<br />
mehr<br />
Greenpeace-Nachrichten<br />
4 x im Jahr frei Haus<br />
Spendenbescheinigung,<br />
da steuerlich absetzbarer Förderbeitrag<br />
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Mitgliedschaft<br />
Ihr Willkommensgeschenk:<br />
Eine CD<br />
mit aktueller Popmusik<br />
junger Künstler<br />
CD gratis!<br />
© Dermansky/Greenpeace
© Denis Stanisic<br />
Eckart Baier, Redaktionsleiter<br />
e.baier@buchjournal.de<br />
buchjournal 1/2011<br />
3<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser!<br />
K ommt<br />
Editorial<br />
sie oder kommt sie<br />
nicht? Auch wenn die<br />
Kanzlerin ihr Veto gegen die Frauenquote<br />
eingelegt hat, dürfte die Debatte<br />
um ein Gesetz bei der Besetzung von<br />
Chefposten nicht beendet sein. Zu verdanken<br />
haben wir sie nicht zuletzt<br />
Bascha Mikas Buch „Die Feigheit der Frauen“ – obwohl die Quote nur<br />
Randthema in ihrem zornigen Buch wider weiblichen Selbstbetrug ist.<br />
Buchjournal-Redakteurin Sabine Schmidt hatte Gelegenheit, mit der Publizistin<br />
über ihre provokanten Thesen zu sprechen (Seite 68).<br />
Beim größten Literatur-Event des Frühjahrs hat das Buchjournal einen<br />
großen Auftritt: Wir sind neuer Medienpartner beim renommierten<br />
Preis der Leipziger Buchmesse und mit unserem Heft stimmen wir<br />
Sie auf die Messe ein. Ans Herz legen wollen wir Ihnen natürlich auch<br />
unsere eigenen Buchjournal-Talks in Leipzig: Die Termine mit Bascha<br />
Mika, Astrid Rosenfeld und <strong>Friedrich</strong> <strong>Ani</strong> und alle anderen wichtigen<br />
Informationen zur Buchmesse lesen Sie auf Seite 12.<br />
Für unsere Titelgeschichte, die den Schwerpunkt Krimi & Thriller<br />
eröff<strong>net</strong>, habe ich in <strong>München</strong> mit <strong>Friedrich</strong> <strong>Ani</strong>, einem der besten<br />
deutschen Krimiautoren gesprochen. Eigentlich hatte er Kommissar<br />
Tabor Süden nach 14 Büchern schon vor Jahren in Pension geschickt,<br />
doch der charismatische Ermittler ließ <strong>Ani</strong> keine Ruhe: Am 14. März<br />
erscheint Krimi Nummer 15 mit dem lapidaren Titel „Süden“ (Seite 14).<br />
Lesen ist schön, selber schreiben aber auch: Wir freuen uns auf Ihre<br />
Kurzgeschichten zum Buchjournal-Schreibwettbewerb! Das<br />
Thema lautet in diesem Jahr, kurz und knapp, „Rot“. Die Teilnahmekriterien<br />
finden Sie auf Seite 95.<br />
Die Geschichte<br />
einer Liebe –<br />
feinsinnig,<br />
temperamentvoll,<br />
unvergesslich!<br />
Sechzehn Jahre haben sich Dora<br />
und Luka nicht mehr gesehen, seit<br />
sie als Kinder in Kroatien unzertrennlich<br />
waren. Als Mittzwanziger treffen<br />
sie sich nun überraschend<br />
in Paris wieder, und es ist klar:<br />
Sie gehören einfach zusammen.<br />
Nach drei glücklichen Monaten will<br />
Luka nur kurz zurück in die Heimat,<br />
um ein paar Dinge in Ordnung<br />
zu bringen – doch dann meldet er<br />
sich nicht mehr ...<br />
Gebunden, 288 Seiten, € 19,99 (D)<br />
ISBN 978-3-421-04516-4<br />
www.dva.de
Str8ts –<br />
der Sudoku-<br />
Nachfolger.<br />
Von leicht<br />
bis teuflisch –<br />
3 neue<br />
Ausgaben<br />
Str8ts St – leicht / mittel<br />
144 14 Seiten<br />
100 10 Rätsel + Lösungsteil<br />
ISBN: IS 978-3-86615-853-5<br />
9,90 9, Euro<br />
Str8ts St – schwer<br />
144 14 Seiten<br />
100 10 Rätsel + Lösungsteil<br />
ISBN: IS 978-3-86615-854-2<br />
9,90 9, Euro<br />
Str8ts St – teuflisch / extrem<br />
144 14 Seiten<br />
100 10 Rätsel + Lösungsteil<br />
ISBN: IS 978-3-86615-855-9<br />
9,90 9, Euro<br />
Sudoku war gestern. Heute spielt man STR8TS.<br />
Der Name des neuen Logik-Zahlenrätsels wird<br />
ausgesprochen wie das englische Wort „straights“<br />
und ist dabei, die Welt zu erobern. Dabei steht<br />
es seinem japanischen Vorgänger in Sachen<br />
Knobelspaß, Tiefgründigkeit und Faszination<br />
in nichts nach, sondern entwickelt den Klassiker<br />
fort. So wird es noch schöner, um die Ecke zu<br />
denken. STR8TS – das neue Zahlenrätsel mit<br />
Suchtpotenzial jetzt für 9,90 Euro pro Band<br />
im Handel.<br />
Inhalt<br />
Titel<br />
14 <strong>Friedrich</strong> <strong>Ani</strong> _ Eigentlich hatte er sich von seinem Kommissar Tabor Süden schon<br />
verabschiedet. Aber er hat ihn vermisst – und lässt ihn in seinem neuen Krimi<br />
nun doch wieder ermitteln. Wie es dazu kam, hat er dem Buchjournal erzählt.<br />
Schwerpunkt Krimi & Thriller<br />
18 Anne Holt _ Buch mit Botschaft: Norwegens Krimi-Queen will Toleranz<br />
20 Lesestoff Krimi & Thriller _ Neuerscheinungen kurz und knapp<br />
24 Wanted _ Thrillerautor Michael Connelly im Steckbrief<br />
26 Ökothriller _ Spannend und verantwortungsbewusst<br />
29 Buchjournal-Tipp _ „Sterbenskalt“ von Tana French<br />
30 Martin Maurer _ Politthriller: Wenn der Italienurlaub zum Horrortrip wird<br />
31 Dunkelkammer _ Die Krimikolumne von Tobias Gohlis<br />
32 Fortsetzung folgt _ Manchmal müssen es Serienhelden sein<br />
34 Simon Beckett _ Ermittlungen in den Sümpfen von Dartmoor<br />
36 Lieblingskrimis _ Was Prominente gern lesen<br />
Literatur<br />
12 Leipzig _ Die Buchmesse mit dem Buchjournal als neuem Medienpartner<br />
40 Familiengeschichte _ Interview mit der Frankfurter Autorin Zsuzsa Bánk<br />
42 Lesestoff Romane _ Neuerscheinungen kurz und knapp<br />
44 Midlife-Crisis _ Eine Begegnung mit Michael Cunningham in Venedig<br />
46 Erster Auftritt _ Romandebütanten bei der Leipziger Buchmesse<br />
49 Buchjournal-Tipp _ „Cherryman jagt Mr. White“ von Jakob Arjouni<br />
50 Nachgefragt _ TV-Comedian und Neu-Autor Kaya Yanar auf den Zahn gefühlt<br />
52 Frankreich _ Samuel Benchetrit erinnert sich an seine Kindheit<br />
56 Fantasy _ Zu Besuch beim Meister des Grauens: Wolfgang Hohlbein<br />
Hörbuch und Film<br />
58 Neue CDs _ Eine Auswahl für die Ohren<br />
60 Kino _ „Dschungelkind“ erzählt Sabine Kueglers Leben jetzt auf der Leinwand<br />
62 Porträt _ Die Schauspielerin und Hörbuchsprecherin Juliane Köhler<br />
Im Gespräch<br />
68 Bascha Mika _ Sie initiierte eine Mediendebatte, noch bevor ihre Streitschrift<br />
„Die Feigheit der Frauen“ erschien. Das Buchjournal traf die Publizistin zum<br />
Interview – und begeg<strong>net</strong>e einer starken, ungewöhnlichen Frau.<br />
© FinePic / Helmut Henkensiefken<br />
14<br />
4<br />
© Paul Souders / Corbis<br />
26<br />
buchjournal 1/2011
© Boris Breuer<br />
Sachbücher / Ratgeber<br />
72 Lesestoff _ Neuerscheinungen kurz und knapp<br />
74 Philosophie _ Rainer Erlinger stellt sich Gewissensfragen<br />
76 Lebensgeschichte _ Charly Graf: Sportstar, Häftling und jetzt Sozialarbeiter<br />
78 Wirtschaft _ Der Kult um die Marke: Bücher zum Thema Marketing<br />
80 Diät _ Aber bitte mit Genuss: Ruth Moschner braucht Süßes zum Abnehmen<br />
82 Interview _ Starkoch Steffen Henssler über gesundes Essen<br />
Kinder- und Jugendbuch<br />
86 Familie _ Schöne Geschichten über neue Formen des Zusammenlebens<br />
88 Lesestoff _ Neuerscheinungen zum Lesen und Vorlesen<br />
90 Sachwissen _ Informative Bücher machen den Nachwuchs fit<br />
92 Interview _ Kerstin Gier über ihre fantastischen Jugendbücher<br />
94 Lernhilfen _ Frische Ideen für Vor- und Grundschüler<br />
Service<br />
64 BuchTipps _ Neuerscheinungen im Überblick<br />
Sehen Sie rot!<br />
Rubriken<br />
Machen Sie mit beim Buchjournal-<br />
Schreibwettbewerb 2011.<br />
Mehr dazu auf Seite 95<br />
3 Editorial<br />
6 Leselust<br />
10 Schön & Gut<br />
buchjournal 1/2011 5<br />
38 Stratmanns Welt _ Die neue Buchjournal-<br />
Kolumnistin stellt sich vor<br />
54 Mediathek<br />
84 Wir lesen<br />
85 Leselotse<br />
96 Bücherköpfe<br />
97 Impressum<br />
97 Ganz oder gar nicht _ Mirjam Pressler<br />
98 Ratelust _ Das Buchjournal-Gewinnspiel<br />
© Denis Rouvre<br />
© Cordula Giese<br />
Titelbild: © FinePic / Helmut Henkensiefken<br />
52 68<br />
80<br />
© istockphoto, Manfred Baumann / Fotomontage<br />
Bücher<br />
für eine bessere We W lt<br />
Einer von drei Bänden mit Ve V rschenktexten,<br />
die in die Tiefe gehen, Alltagssituationen,<br />
Gedanke k n und Gefühle vo v n Millionen<br />
spiegeln. Auch wer Gedichte sonst<br />
nicht so sehr mag, kann sich für diese<br />
wunderschön illustrierten Bestseller von<br />
K. Allert-Wybranietz begeistern: „Immer<br />
mehr le l gen ih i re r Gefü f hle l in i di die Ti Tiefk fkühl tr truhe. Ob sie i gla l uben, da d du d rc r h di die Ha H ltbark<br />
rkeit zu ve v rl rlängern r ?“<br />
64 Seiten, traumhaft illustriert!<br />
ISBN 978-3-922028-02-4 12,50 €<br />
Eine literarische Lovestory über Gefühle,<br />
die selbst im Winter noch tanzen:<br />
Zwei grundverschiedene Menschen begegnen<br />
sich – und damit zwei gegensätzliche<br />
Welten, die in einer überraschenden<br />
Liebe aus den Fugen zu geraten drohen.<br />
Die seltsame Stimmung und eigenwillige<br />
Sprache werden Sie zutiefst berühren,<br />
wenn Sie sich auf die faszinierende Frau<br />
mit den tiefschwarzen Augen und den<br />
Tr T aumtänzer einlassen!<br />
96 Seiten, kartoniert<br />
ISBN 978-3-922028-14-7 12,50 €<br />
Postfach 11 06 · 70701 Fellbach<br />
lucy körner verlag
© Salvador Dalí, Fundació Gala – Salvador Dalí / VG Bild-Kunst, Bonn<br />
Leselust_Ab ins Museum!<br />
Tasse mit Fellbezug<br />
Es darf gern gelacht werden beim Rundgang durch die Ausstellung<br />
„Surreale Dinge. Skulpturen und Objekte von Dalí bis<br />
Man Ray“ in der Frankfurter Schirn. Noch bis zum 29. Mai ist<br />
dort Merkwürdiges zu sehen: Pelzhandschuhe, in denen noch Finger<br />
stecken, die Venus von Milo mit Schubladen in Bauch und Busen, ein<br />
Bügeleisen mit Stacheln, eine mit Fell überzogene Tasse. Was sich die<br />
Surrealisten zwischen 1925 und 1945 ausdachten, hat bis heute nichts<br />
an Witz, Esprit und der Lust an der Provokation verloren. Rund 180 ausschließlich<br />
dreidimensionale Werke von Surrealisten sind hier versammelt, von Künstlern wie Duchamp,<br />
Magritte, Dalí, Picasso und Man Ray. Ihr Ziel war es, das Banale, Schmutzige und Abseitige zum<br />
Kunstwerk umzuformen; auf der Suche nach geeig<strong>net</strong>en Dingen durchstöberten sie Dachböden<br />
und Flohmärkte. Schock, Verblüffung und Gelächter sollten die „Werke ohne Kunst“ beim Betrachter<br />
auslösen – das klappt auch noch heute, und<br />
besser als der Dichter Comte de<br />
Lautréamont könnten wir die<br />
Schau nicht loben: „Schön wie<br />
die Begegnung einer Nähmaschine<br />
mit einem Regenschirm<br />
auf einem Operationstisch.“ bai<br />
^ Ingrid Pfeiffer, Max Hollein (Hrsg.): „Sur reale<br />
Dinge. Skulpturen und Objekte von Dalí bis Man Ray“.<br />
Hatje Cantz, 288 S., 39,80 € (D) • 40,90 € (A) • 56,90 sFr.<br />
Schwarz-weiße Erinnerungen<br />
Deutschland, Deutschland über alles – Schwarz-<br />
Rot-Gold und am liebsten in Farbe. Rudolf Holtappel<br />
und Thomas Kläber sehen das anders: Sie<br />
zeigen BRD und DDR in Schwarz-Weiß. Der Westdeutsche<br />
Holtappel stellt Bilder aus dem Ruhrgebiet<br />
vor, beginnend 1959. Der Ostdeutsche Kläber<br />
präsentiert Bilder aus der DDR, beginnend 1978.<br />
Andere Zeiten und andere Länder, und doch fangen<br />
beide Fotografen ähnliche Atmosphären ein<br />
– und vermitteln nachdenkenswerte Ansichten.<br />
Zu sehen sind sie in einem Fotoband<br />
und in der Ausstellung „Deutschland,<br />
Deutschland ... Fotografi en aus zwei Ländern“<br />
im Bochumer Kubus bis 1. Mai. sc<br />
^ „Deutschland,<br />
Deutschland.<br />
Fotografi en aus<br />
zwei Ländern von<br />
Rudolf Holtappel<br />
und Thomas<br />
Kläber“. Kerber,<br />
124 S., 27,90 € (D) •<br />
28,70 € (A) • 42,– sFr.<br />
Dalís „Hummer- oder aphrodisisches Telefon“ (1936)<br />
Das Auge der Straße<br />
Sie war die „Fotogräfi n“. Zweifellos der treffendste<br />
Titel für die Fotokünstlerin Abisag<br />
Tüllmann, die bis heute als eine der bedeutendsten<br />
ihrer Zunft gilt. Als politischer Geist mit<br />
scharfem Auge hat sie die Krisenherde in Israel<br />
dokumentiert und in ihrer Wahlheimat Frankfurt<br />
die Studentenbewegung, den Häuserkampf, die<br />
Startbahn-West-Proteste. Tüllmann hatte den<br />
Fokus aber auch immer auf der Straße.<br />
Fotografi er te Arbeiter und Banker, Obdachlose,<br />
die ersten Gastarbeiter. Zu ihrem 75. Geburtstag<br />
zeigt das Historische Museum Frankfurt<br />
bis 27. März eine postume Werkschau. 1996 ist die<br />
„Gräfi n mit der Kamera“ gestorben. ana<br />
^ „Abisag Tüllmann 1935 – 1996. Bildreportagen und<br />
Theaterfotografi e“. Hatje Cantz, 304 S., 29,80 € (D) •<br />
30,60 € (A) • 43,90 sFr.<br />
»Die meisten Dummheiten der Welt<br />
muss sich wahrscheinlich ein Gemälde<br />
in einem Museum anhören«<br />
Edmond de Goncourt (1822 – 1896), französischer Schriftsteller<br />
Der umstrittene Korse<br />
Er erwarb sich im Bereich des Rechts große Verdienste,<br />
ließ aber seine Soldaten in Russland erfrieren. Wer war<br />
dieser Mann, der manch Gutes und viel Schlechtes<br />
brachte? Und was bedeutete er für den Kontinent Europa?<br />
Die Ausstellung „Napoleon und Europa. Traum<br />
und Trauma“ versucht jenseits der Klischees ein differenziertes<br />
Bild des schillernden Staatsmanns und seiner<br />
Taten zu zeichnen. Zu sehen ist sie bis 25. April in<br />
der Bundeskunsthalle in Bonn. Dazu gibt es<br />
einen prachtvollen und informativen Bildband. sc<br />
^ „Napoleon und Europa. Traum und Trauma“.<br />
Prestel, 384 S., 39,95 € (D) • 41,10 € (A) • 58,90 sFr.<br />
6<br />
buchjournal 1/2011
Männlich – was ist das eigentlich: soft oder machomäßig, elegant<br />
oder doch lieber rustikal? Überraschend vielfältige Fotografi en<br />
von Traummännern geben Stoff zum Nachdenken.<br />
Bilder von besonderen Typen<br />
S exiest<br />
man alive? George Clooney natürlich, auch wenn der aktuelle Inhaber<br />
dieses Titels ein anderer ist, nämlich Ryan Reynolds. Aber welche Frau interessiert<br />
das? Unabhängig davon, ob sie Espresso mag oder nicht. Und auch unabhängig davon,<br />
wie er so in echt und zu Hause ist. Wer will das schon wissen? George Clooney – das ist<br />
ein Bild, ein Traum (jedenfalls wenn er sich die Mühe macht, sich zu rasieren).<br />
Wenn das erst mal klargestellt ist, kann frau auch einräumen, dass es noch ein paar<br />
andere Traummänner gibt. Neben George. Zum Beispiel Brad Pitt. Daniel Craig. Oder<br />
Barack Obama. Er taucht erst einmal überraschend in dem Bildband „Traummänner“<br />
auf, in dem Starfotografen zeigen, was und wen sie wie unter diesen Begriff fassen.<br />
Hier geht es aber nicht nur um Bilder von schönen Gesichtern und Körpern, sondern<br />
auch um Träume und Visionen. Um Männlichkeit, die Verantwortung meint. Verpfl<br />
ichtung. Oder auch den Willen zur Macht. Es sind aber auch witzige, gemeine,<br />
nachdenklich stimmende Bilder dabei und solche wie das von Johnny Depp und Tim<br />
Burton (siehe unten), bei dem sich frau – und vielleicht ja auch mann – fragt, welcher<br />
Traum von einem Mann das denn sein soll. Wer vertieft nachdenken will, dem sei die<br />
Ausstellung „Traummänner“ mit etwa 100 Werken empfohlen: im Haus der Photographie<br />
in den Deichtorhallen Hamburg vom 11. März bis 22. Mai. <br />
Lesezeichen<br />
Traummänner. Starfotografen zeigen ihre Vision<br />
vom Ideal. DuMont, 224 S., 49,99 € (D) •<br />
51,40 € (A) • 70,90 sFr.<br />
Traummänner, wie sie im Buche stehen: Johnny Depp, Tim Burton und Coverboy George Clooney<br />
buchjournal 1/2011 7<br />
© Marc Hom, aus: „Traummänner. Starfotografen zeigen ihre Vision vom Ideal“, hrsg. von Nadine Barth, DuMont Buchverlag, 2011<br />
Rudolf Steiner<br />
Zwischen<br />
Ost und West<br />
Zwei Bände<br />
ISBN 978-3-86772-031-1<br />
€ 12<br />
Die<br />
Zwänge<br />
der Macht<br />
und<br />
der Geist<br />
der<br />
Wahrheit<br />
9 Vorträge<br />
1916/1917<br />
480 S.<br />
gebunden<br />
Ursachen<br />
des<br />
neuzeitlichenWeltgeschehens<br />
7 Vorträge<br />
1916/1921<br />
431 S.<br />
gebunden<br />
Ein anderes Verständnis<br />
des Jahrhunderts<br />
Band 2<br />
«Rudolf Steiner spricht<br />
Wahrheiten aus,<br />
die viele Menschen Mitteleuropas<br />
aus der Sorge vor Instrumentalisierung<br />
durch nationalistische Interessen<br />
verdrängen.»<br />
Dr. Horst G. Appelhagen<br />
im Vorwort zu Band 2<br />
www.archiati-verlag.de<br />
Band 1<br />
ISBN 978-3-86772-039-7<br />
€ 12
HEILIGE UND<br />
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JEDEN TAG<br />
Mehr als 600 Schutzpatrone<br />
Ihre Errungenschaften,<br />
Symbole, Pilgerstätten und<br />
ihr Einfluss auf unser Leben<br />
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für Konfirmation, Firmung<br />
oder zum Geburtstag<br />
DAS BUCH DER HEILIGEN –<br />
Ein Schutzpatron für jeden Tag<br />
Sachbuch Geschichte, Hardcover, 336 Seiten, 500 Bilder,<br />
25,5 x 29 cm, ISBN 978-3-86690-229-9<br />
€ 39,95 (D), € 41,20 (A), sFr 69,90<br />
www.nationalgeographic.de<br />
NEU<br />
LESELUST_ JAHR DER WÄLDER<br />
Um alte Bäume ranken sich seit jeher Mythen und Legenden,<br />
wie auch die Geschichte der Ravenseiche im Dörfchen<br />
Erle im Kreis Borken zeigt: Unter dem wahrscheinlich<br />
ältesten Laubbaum Deutschlands soll, so heißt es,<br />
schon Gott Odin als Richter gesessen haben. Historisch<br />
belegt dagegen ist, dass dort bis zum Jahr<br />
1589 Verbrechen wie Mord, Raub und Meineid verhandelt<br />
wurden. Die Ravenseiche, die noch heute<br />
grüne Blätter treibt, obwohl sie bereits um<br />
1800 komplett hohl war, ist mit ihren gut 800<br />
Jahren der Methusalem unter den deutschen Bäumen und damit eines der<br />
Prachtexemplare im Bildband „Deutschlands alte Bäume“. Das kürzlich in<br />
gründlich überarbeiteter Neuaufl age erschienene Werk zeigt 200 Naturmonumente<br />
wie die Riesenlinde zu Heede, die Gerichtseiche am Junkernkopf, die<br />
Alte Ulme in Gülitz, die Malerkiefer bei Storkow und viele andere Veteranen<br />
der Botanik, in deren Schatten schon unsere Vorfahren gesessen haben. bai<br />
^ Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn: „Deutschlands alte Bäume“.<br />
blv, 192 S., 29,95 € (D) • 30,9o € (A) • 49,90 sFr.<br />
© Bernd Ullrich Veteranen der Botanik<br />
Kurioses Exemplar: die 26-stämmige Buche im Stuttgarter Solitude-Park<br />
Schattenspender am Pilgerpfad<br />
Wer den Jakobsweg pilgern will, muss nicht nach Spanien reisen, sondern kann vor der Haustür<br />
anfangen – auf dem fränkisch-schwäbischen Jakobsweg etwa. Während es an Wanderführern<br />
für den Pilgerpfad nicht mangelt, lenkt Hilde Nittinger den Blick auf die Bäume entlang des<br />
Wegs von Würzburg nach Konstanz. Mit dem übersichtlichen, in Etappen<br />
geglie derten Band führt uns die Autorin – ohne den Anspruch, exakte Tourenbeschreibungen<br />
zu liefern – zu sehenswerten Exemplaren wie der mehrhundertjährigen<br />
Kunigundenlinde bei Aub, vorbei an prächtigen Alleen und durch<br />
dichte Wälder. Sie zeigt ebenso die Naturdenkmäler wie unscheinbare Schattenspender.<br />
Der Leser wird mit zahlreichen nützlichen Informationen über Bäume<br />
versorgt und bekommt Lust, die Wanderschuhe zu schnüren. eb<br />
^ Hilde Nittinger: „Bäume am Jakobsweg. Zwischen Main und Bodensee.<br />
Baier Verlag, 232 S., 19,90 € (D) • 20,50 € (A) • 17,90 sFr.<br />
8<br />
buchjournal 1/2011
© DNY59 / istockphoto<br />
Ein Parkspaziergang<br />
Die Proteste um das Projekt Stuttgart 21 dürften<br />
auch im Frühjahr weitergehen – vor<br />
allem, wenn tatsächlich weitere rund 250<br />
alte Bäume im Schlossgarten der Kettensäge<br />
zum Opfer fallen. Höchste Zeit also,<br />
dachte sich Autor Jürgen Blümle, den<br />
Hauptakteuren der eindrucksvollen Anlage<br />
Aufmerksamkeit zu schenken. Er<br />
nimmt uns mit auf einen drei Kilometer<br />
langen Spaziergang vom Neuen<br />
Schloss im Zentrum bis zum Beginn<br />
des Rosensteinparks, vorbei an Kastanien,<br />
Stieleichen, Sumpfzypressen,<br />
Blutbuchen und durch die<br />
prächtige Platanenallee. Kein Wunder,<br />
dass der Verlust jedes einzelnen<br />
der Bäume, die nicht zuletzt das Klima<br />
im Talkessel verbessern, viele<br />
Stuttgarter schmerzen muss. eb<br />
^ Jürgen Blümle: „Bäume im Stuttgarter<br />
Schlossgarten“. Silberburg Verlag,<br />
60 S., 12,– € (D) • 12,40 € (A) •<br />
18,90 sFr.<br />
Schönste Gartenbücher<br />
buchjournal 1/2011 9<br />
Wälder unserer Erde<br />
Ein Drittel der Erdoberfl äche bedecken Wälder –<br />
wovon rund 13 Millionen Hektar jedes Jahr vernichtet<br />
werden. Ohne Bäume und Wälder können<br />
Menschen nicht leben, daher haben die Vereinten<br />
Nationen das Jahr 2011 zum Internationalen<br />
Jahr der Wälder ausgerufen. Der prachtvolle<br />
Bildband von Dominique Seytre führt eindrucksvoll<br />
vor, was Wälder biologisch, klimatisch, wirtschaftlich<br />
und kulturell leisten. Der französische<br />
Forstwirtschaftler entführt uns in den Urwald und<br />
in die Taiga, in Mangrovensümpfe und nach Mikronesien.<br />
Und wir lernen die sieben „Baumweltwunder“<br />
kennen, zu denen unter anderen die<br />
kalifornischen Mammutbäume, der Ginkgo und<br />
der Affenbrotbaum auf Madagaskar zählen. bai<br />
^ Dominique Seytre: „Bäume und Wälder der Erde“.<br />
Delius Klasing, 288 S., 39,90 € (D) • 41,10 € (A) •<br />
68,90 sFr.<br />
Das Buchjournal baut seine Medienpartnerschaften<br />
aus: Neben der Kooperation<br />
mit dem Preis der Leipziger<br />
Buchmesse (siehe Seite 12) sind wir<br />
seit diesem Jahr auch Partner<br />
beim Deutschen Gartenbuchpreis.<br />
Der Preis wird 2011 zum<br />
fünften Mal verliehen und zeich- Deutscher<br />
<strong>net</strong> in fünf Kategorien qualitativ Gartenbuchherausragende<br />
Werke der Gar-<br />
Preis®<br />
tenliteratur aus. Initiator des<br />
Preises ist Robert Freiherr von Süsskind,<br />
Hausherr von Schloss Dennenlohe<br />
bei Ansbach, einem der schönsten Barockensembles<br />
in Bayern. In der nächsten Ausgabe<br />
des Buchjournals, die am 15. April erscheint, stellen<br />
wir die preisgekrönten Gartenbücher vor. Schloss Dennenlohe: Gartenpracht in Bayern<br />
Verleihung durch<br />
Schloss Dennenlohe – gesponsert von STIHL<br />
© Schloss Dennenlohe<br />
Edition am Gutenbergplatz Leipzig.<br />
Verlag für Forschung, Lehre und Anwendung.<br />
Gegründet am 21.02.2003 im Haus des Buches<br />
in Leipzig, am Gutenbergplatz.<br />
Verlagsname abgekürzt: EAGLE bzw. EAG.LE.<br />
www.eagle-leipzig.de / tagesaktuell:<br />
www.eagle-leipzig.de/verlagsprogramm.htm<br />
2011. 1. Aufl. EAGLE 050. 2011. 1. Aufl. EAGLE 049.<br />
241 S. € 26,50. 95 S. € 18,50.<br />
ISBN 978-3-937219-50-9 ISBN 978-3-937219-49-3<br />
EAGLE 048, 049, 050 sind die ersten Bände der neuen Reihe<br />
„Leipziger Manuskripte zur Verlags-, Buchhandels-, Firmenund<br />
Kulturgeschichte“: www.leipziger-manuskripte.de<br />
Siehe: www.weiss-leipzig.de/wissenschaftsgeschichte.htm<br />
2011. 2. Aufl. EAGLE 048. 2009. 1. Aufl. EAGLE 035.<br />
110 S. € 18,50. 127 S. € 18,50.<br />
ISBN 978-3-937219-48-6 ISBN 978-3-937219-35-6<br />
Alle Titel verzeich<strong>net</strong><br />
im VLB-online.<br />
2010. 2. Aufl. EAGLE 040. 2010. 1. Aufl. EAGLE 041.<br />
148 S. € 14,50. 70 S. € 14,50.<br />
ISBN 978-3-937219-40-0 ISBN 978-3-937219-41-7<br />
2010. 1. Aufl. EAGLE 038. 2009. 2. Aufl. EAGLE 017.<br />
186 S. € 18,50. 85 S. € 12,00.<br />
ISBN 978-3-937219-38-7 ISBN 978-3-937219-96-7<br />
Bestellungen bitte an Ihre Buchhandlung.
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Größen perfekt an diverse Buchformate anpasst.<br />
Die weiße, seidenmatte Oberfl äche verleiht dem<br />
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Wohnlösungen inspiriert: Die Quader lassen sich<br />
im patentierten Stecksystem stellen, stapeln oder<br />
hängen, zum Beispiel als Wandregal, Raumteiler<br />
oder Sideboard. Es ist ständig erweiterbar und damit<br />
bestens geeig<strong>net</strong> für wachsende Bibliotheken<br />
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Bücher stehen für Inspiration und Erlebnisse, Träume, Sehnsüchte und Erinnerungen. Für alle, die<br />
diesen Schätzen einen angemessenen Platz einräumen möchten, ist eine private Bibliothek<br />
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Die maßgeschneiderten Unikate werden den individuellen Wünschen und architektonischen<br />
Besonderheiten angepasst. Vorgelagerte Schiebeelemente zum Beispiel sind wahre Raumsparwunder.<br />
Durch die handwerkliche Gestaltung können Ideen vom kleinen Bücherregal bis zur<br />
multifunktionalen Medienbibliothek umgesetzt werden.<br />
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Zeitschriften studieren oder einfach auf der<br />
Lese- und Präsentationsfl äche aufgeklappt liegen<br />
lassen. Zwei Regalfächer schaffen Stauraum<br />
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Für die Lesestunde braucht man einen Lieblingsplatz – und hier sollte einfach alles<br />
stimmen: das Licht, die Atmosphäre und natürlich der individuelle Komfort. Eine<br />
(ent-)spannende Lektüre garantiert der Stressless-Bequemsessel.<br />
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sich jeder Körperbewegung an, Hals- und Rückenmuskulatur<br />
werden optimal gestützt. Sogar die Sitzbreite ist wählbar,<br />
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© Paschen<br />
10<br />
buchjournal 1/2011<br />
© Ekornes
«Das größte Wunder ist und bleibt der Mensch: das vom<br />
Paradox getriebene Tier, das sich Fragen stellt, die es<br />
nicht beantworten kann.»<br />
Eduard Kaeser Pop Science<br />
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«Als meine Mutter lebe ich noch<br />
und werde alt.» (Nietzsche)<br />
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ISBN 978-3-7965-2728-9<br />
«Wenn wir also sagen, die Lust<br />
sei das Ziel, meinen wir damit<br />
[…]: weder Schmerz im Körper<br />
noch Erschütterung in der Seele<br />
zu empfinden.» (Epikur)<br />
152 S., br. ¤ 13.80 / sFr. 19.50<br />
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dass die Gesetze, die die Tötung<br />
als verabscheuenswert erachten<br />
und bestrafen, sie selbst vollziehen.»<br />
(Beccaria)<br />
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schlecht» geht, sondern weshalb<br />
die «Frevler» glücklich sind,<br />
ist die Frage, die den Gläubigen<br />
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LEIPZIGER BUCHMESSE<br />
Die Messe ist das Top-Ereignis<br />
des Bücherfrühlings – mit<br />
dem Buchjournal als neuem<br />
Medienpartner beim Preis<br />
der Leipziger Buchmesse.<br />
Trubel,<br />
Spannung,<br />
Leselust<br />
I n<br />
diesem Jahr gibt es in Leipzig etwas zu<br />
feiern: Zum 20. Mal lädt „Leipzig liest“ im<br />
Rahmen der Frühjahrsbuchmesse Leser und<br />
Literaturbegeisterte ein. Inzwischen ist das<br />
Lesefest Europas größtes Literaturfestival –<br />
und eine Erfolgsstory, die man 1991 kaum<br />
für möglich gehalten hätte. „Leipzig liest“<br />
war damals kaum mehr als eine Solidaritätsaktion<br />
von Verlagen, die nach der Wende der<br />
Leipziger Buchmesse die Stange hielten und<br />
sie als Pendant zur großen Schwester Frankfurt<br />
zur wichtigsten Publikums-Buchmesse<br />
machen wollten. Dass dieses Ziel längst erreicht<br />
ist, zeigen die nackten Zahlen: Mehr<br />
als 2 100 Aussteller, 1 500 Autoren, 150 000<br />
Besucher und über 2 000 Veranstaltungen<br />
machen die Leipziger Buchmesse auch 2011<br />
zum Top-Ereignis des Bücherfrühlings.<br />
Für das Buchjournal wird das Literaturevent<br />
in diesem Jahr ein besonderes sein:<br />
Wir sind neuer Medienpartner beim Preis<br />
der Leipziger Buchmesse, der jeweils am<br />
ersten Buchmesse-Nachmittag in der Glashalle<br />
– mitten im Messetrubel – in den Kategorien<br />
Belletristik, Sachbuch und Übersetzung<br />
verliehen wird; die nominierten<br />
Bücher und Autoren lesen Sie auf Seite 13.<br />
Die Auszeichnung, die mit insgesamt<br />
45 000 Euro dotiert ist, gilt als einer der renommiertesten<br />
Literaturpreise in Deutschland.<br />
Eine Kooperation mit dem Buchjournal,<br />
dem meistgelesenen Buchhandelsmagazin<br />
im deutschsprachigen Raum, dürfte<br />
© Stefan Waldek<br />
10 x 2 Karten zu gewinnen!<br />
Das Buchjournal verlost 10 x 2 Tageskarten<br />
für die Leipziger Buchmesse, die vom 17. bis<br />
20. März täglich von 10 bis 18 Uhr geöff<strong>net</strong><br />
ist. Senden Sie uns unter dem Stichwort<br />
„Leipziger Buchmesse“ eine E-Mail an<br />
leipzig@buchjournal.de oder schreiben Sie<br />
uns per Post an: Redaktion Buchjournal,<br />
Postfach 10 04 42, 60004 Frankfurt. Der<br />
Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Einsendeschluss ist der 3. März. Viel Glück!<br />
Stimmungsvolles Ambiente: Die große Treppe in<br />
der Glashalle führt hinauf in die Messehallen<br />
dem Preis eine noch breitere Wahrnehmung<br />
bescheren: „Das Buchjournal erreicht über<br />
eine Million vielseitig interessierte Leser<br />
pro Ausgabe. Mit dieser Reichweite ist das<br />
Magazin ein idealer Partner“, sagt Oliver<br />
Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse.<br />
Welche Bücher das Rennen machen, wird<br />
sich am 17. März bei der ebenso spannenden<br />
wie unterhaltsamen Preisverleihung zeigen<br />
– und 20 Buchjournal-Leser können mit ein<br />
wenig Glück dabei sein, denn wir verlosen<br />
10 x 2 Eintrittskarten (sie he Kasten). Wer keine<br />
Gelegenheit hat, bereits am Messe-Don-<br />
12<br />
buchjournal 1/2011
Preis der Leipziger Buchmesse 2011<br />
Die Nominierungen<br />
Belletristik<br />
• Anna Katharina Fröhlich: Kream Korner.<br />
Berlin Verlag<br />
• Arno Geiger: Der alte König in seinem Exil.<br />
Hanser<br />
• Wolfgang Herrndorf: Tschick. Rowohlt Berlin<br />
• Clemens J. Setz: Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter<br />
Kindes. Suhrkamp<br />
• Peter Stamm: Seerücken. S. Fischer<br />
Sachbuch<br />
• Henning Ritter: Notizhefte. Berlin Verlag<br />
• Andrea Böhm: Gott und die Krokodile. Eine<br />
Reise durch den Kongo. Pantheon Verlag<br />
• Karen Duve: Anständig essen. Ein Selbstversuch.<br />
Galiani Verlag<br />
• Patrick Bahners: Die Panikmacher. Die deutsche<br />
Angst vor dem Islam. Eine Streitschrift.<br />
C. H. Beck<br />
• Marie Luise Knott: Verlernen. Denkwege bei<br />
Hannah Arendt. Matthes & Seitz Verlag<br />
Übersetzung<br />
• Aus dem Russischen von Barbara Conrad:<br />
Lew Tolstoi: Krieg und Frieden. Hanser<br />
• Aus dem Portugiesischen von Maralde Meyer-<br />
Minnemann: António Lobo Antunes: Mein Name<br />
ist Legion. Luchterhand Literaturverlag<br />
• Aus dem Altfranzösischen von Ralph Dutli:<br />
Anonym: Fatrasien. Absurde Poesie des Mittelalters.<br />
Wallstein<br />
• Aus dem Ungarischen von Terézia Mora: Péter<br />
Esterházy: Ein Produktionsroman. Berlin Verlag<br />
• Aus dem argentinischen Spanisch von Dagmar<br />
Ploetz: Carlos Busqued: Unter dieser furchterregenden<br />
Sonne. Kunstmann<br />
nerstag anzureisen, kann dem Preisträger<br />
oder der Preisträgerin dann vielleicht am<br />
Freitag beim Gespräch auf dem Blauen Sofa<br />
lauschen: Das Möbelstück, auf dem sich die<br />
bekanntesten Autoren ein Stelldichein geben,<br />
ist inzwischen eine feste Institution auf<br />
den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt.<br />
^ Und auch das Buchjournal lädt wieder<br />
zum Talk im Leipzig liest Forum (Halle 5,<br />
E 600): Am Donnerstag, 17. März, 11 Uhr ist<br />
Romandebütantin Astrid Rosenfeld zu<br />
Gast (siehe Seite 46), und am Freitag, dem<br />
18. März, stellen sich Krimiautor <strong>Friedrich</strong><br />
<strong>Ani</strong> (11 Uhr) und Publizistin Bascha Mika<br />
(15 Uhr) den Fragen der Buchjournal-<br />
Redakteure. <br />
buchjournal 1/2011 13<br />
Der tut nichts.<br />
Der will<br />
nur quälen.<br />
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Auch als<br />
E-Book<br />
Nigel ist sicherlich nicht der Hellste. Aber er ist ganz glücklich. Im<br />
Büro gibt es immer etwas zu tun. Auch im ehemaligen Pub seiner<br />
Eltern, das er jetzt bewohnt, fühlt er sich wohl. Und dann ist da noch<br />
der Keller. Hier hält Nigel seine «Mitbewohner». Dass die nicht freiwillig<br />
da unten sind, stört Nigel nicht ...
Schwerpunkt Krimi & Thriller<br />
Tabor Süden ist zurück: <strong>Friedrich</strong> <strong>Ani</strong> lässt den charismatischen Fahnder als<br />
Privatdetektiv wiederauferstehen. Der Autor über seine späte Entdeckung des<br />
Krimigenres, über Schreibdisziplin und seine Vorliebe für Gasthäuser und Hotels.<br />
„Ich habe<br />
ihn vermisst“<br />
TEXT: ECKART BAIER • FOTOS: HELMUT HENKENSIEFKEN<br />
münchen, Westin Grand Hotel,<br />
23. Etage. Regenwolken liegen schwer über<br />
der Stadt, verhängen die Sicht auf Olympiaturm<br />
und Frauenkirche. <strong>München</strong> trägt<br />
Grau – genau der richtige Tag, um mit<br />
<strong>Friedrich</strong> <strong>Ani</strong> über seine Krimis zu reden,<br />
die in der Isarmetropole spielen, sich aber<br />
wenig um ihre glitzernde Fassade scheren.<br />
„<strong>München</strong> ist eine schöne Stadt, die mir<br />
manchmal vorkommt wie eine Schauspielerin,<br />
die so tut, als wäre alles in bester<br />
Ordnung“, sagt <strong>Ani</strong> und blickt hinunter<br />
auf die Lichter der Großstadt. „Ich interessiere<br />
mich eher für die weniger ausgeleuchteten<br />
Gegenden. Wissen Sie übrigens,<br />
dass es in <strong>München</strong> besonders<br />
viele Obdachlose gibt?“<br />
<strong>Ani</strong>s Reviere sind die dunklen<br />
Ecken, die Arbeiterbezirke, das<br />
<strong>München</strong> der kleinen Leute.<br />
Zum Beispiel Giesing. Der „Arbeiterklub“<br />
TSV 1860 <strong>München</strong><br />
ist hier zu Hause, hier<br />
steht die Haftanstalt Stadelheim,<br />
und in Giesing wurde<br />
1919 die Münchner Räterepublik<br />
niedergeknüppelt. In<br />
diesem Stadtteil wohnen<br />
<strong>Friedrich</strong> <strong>Ani</strong> – übrigens erklärter<br />
Fan des FC Bayern<br />
<strong>München</strong> – und sein Krimiheld<br />
Tabor Süden. Nach 14<br />
Büchern beendete <strong>Ani</strong> 2005<br />
die Karriere des Kommissars. Doch der charismatische<br />
Süden ließ ihm keine Ruhe.<br />
Nun feiert die Figur im Kriminalroman „Süden“<br />
(erscheint am 14. März) ihr Comeback.<br />
Und natürlich quartiert ihn <strong>Ani</strong> erst einmal<br />
in einem Hotel in Giesing ein. Die billige<br />
Absteige steht für Anonymität und Flüchtigkeit<br />
und ist damit die ideale Verbindung<br />
zum Kernthema der großartigen Serie: dem<br />
Verschwinden von Menschen.<br />
„Wesensverwandt“ fühle er sich mit dem<br />
Kommissar, keine Frage. „Süden ist mir<br />
sympathisch“, sagt <strong>Ani</strong> mit bayerischem<br />
Zungenschlag und lächelt. Und auch die<br />
Vorliebe für Hotels teilt er mit ihm. „Wenn<br />
ich es mir leisten könnte, würde ich mich<br />
auf Dauer hier einquartieren.“ <strong>Ani</strong>, ein<br />
schlanker, hochgewachsener Mann mit<br />
Dreitagebart, der mit Vorliebe Schwarz<br />
trägt, denkt gern einen Moment nach,<br />
bevor er spricht. „Du hast einen<br />
Koffer mit deinen Sachen dabei<br />
und musst dich ansonsten um<br />
nichts kümmern.“ Ihn fasziniert<br />
das Kommen und Gehen im Hotel<br />
ebenso wie das Gefühl, Reisender<br />
und Sesshafter zugleich zu<br />
sein. „Man könnte ewig bleiben, aber<br />
auch den Koffer packen und in fünf<br />
Minuten weg sein.“<br />
Als „Writer in Residence“ war der<br />
52-Jährige schon mehrfach Gast im<br />
Westin Grand Hotel, einer Nobelherberge<br />
im Stadtteil Bogenhausen.<br />
Sein bevorzugter Platz – neben der Edel-Lounge<br />
hoch oben – ist die Lobby, wo er Gäste<br />
beobachten und ihren Gesprächen lauschen<br />
kann. Auch sonst verbringt <strong>Ani</strong> seine Zeit<br />
gern in Kneipen. „Ich bin Gasthausbewohner.“<br />
Nachmittags beim Kaffee und abends<br />
bei einem Bier oder Weißwein trifft er<br />
Freunde und holt sich in der angeregten Atmosphäre<br />
Einfälle für seine Bücher.<br />
Geboren und aufgewachsen ist <strong>Ani</strong> in Kochel<br />
am See, doch schon immer fühlte er<br />
sich in <strong>München</strong> zu Hause. „Ich brauche die<br />
Großstadt, das Landleben wäre unerträglich<br />
für mich.“ Nur nach Sylt würde <strong>Ani</strong> sofort<br />
umziehen. Er schaut hinaus in den Regen.<br />
„Für ein Häuschen auf Sylt reicht mein Geld<br />
leider nicht.“ Millionenauflagen erreichen<br />
seine Bücher zwar nicht, doch <strong>Ani</strong> ist gut im<br />
Geschäft und als Autor ausgesprochen produktiv<br />
– Schreib blockaden oder die Angst<br />
vor dem leeren Blatt kennt er nicht. Im 0<br />
»Am liebsten<br />
würde ich im<br />
Hotel wohnen«<br />
14<br />
buchjournal 1/2011
Erfolgreich Für seine Kriminalromane hat<br />
<strong>Friedrich</strong> <strong>Ani</strong> zahlreiche Auszeichnungen erhalten.<br />
„Es ist die Form, in der ich meine Geschichten am<br />
besten erzählen kann“, sagt er<br />
buchjournal 1/2011 15
SCHWERPUNKT KRIMI & THRILLER<br />
0 Unterschied zu manch anderen<br />
Autoren lässt sich <strong>Ani</strong> beim Schreiben<br />
nicht einfach von der Story treiben,<br />
sondern fertigt stets ein mehrseitiges<br />
Konzept an. „Dann weiß<br />
ich, welche Richtung die Geschichte<br />
nimmt und welche<br />
Figuren ich brauche.“ Für Recherchezwecke<br />
spricht er mit<br />
„echten“ Ermittlern, holt beim Landeskriminalamt<br />
Informationen ein<br />
und erhält gelegentlich Einblick in<br />
polizeiliches Material. „Mir ist wichtig,<br />
ein realistisches Bild des Polizeiberufs<br />
wiederzugeben.“ Beim Schreiben<br />
ist der extrem uneitle Autor extrem<br />
streng mit sich selbst. „Ich<br />
schreibe sehr viel um und bin erst zufrieden,<br />
wenn ich sicher bin, das Beste<br />
herausgeholt zu haben.“<br />
Neben mehr als 20 Krimis hat <strong>Ani</strong><br />
Drehbücher, Hörspiele, Theaterstücke,<br />
Gedichte, Romane und Jugendbücher<br />
geschrieben. Seine Vorliebe<br />
für eigenwillige Ermittler, schräge Figuren<br />
und eindringliche Milieu schilde run gen<br />
haben der ARD-Reihe „<strong>Tatort</strong>“ einige der<br />
besten Folgen mit den Münchner Kommissaren<br />
Batić und Leitmayr beschert. Und<br />
auch die Figur des Tabor Süden geriet in<br />
den Blick der Fernsehmacher. Allerdings<br />
stoppte das ZDF das Projekt bereits nach<br />
zwei Folgen – trotz eines Grimme-Preises<br />
für <strong>Ani</strong>s Drehbuch. Der Autor nimmt’s<br />
sportlich – er kennt die Regeln der Branche.<br />
„Was zählt, sind Einschaltquoten.“ <strong>Ani</strong><br />
schreibt, seit er denken kann, als<br />
Elfjähriger stand sein Berufswunsch<br />
fest: „Ich wollte<br />
Schriftsteller werden.“ Als<br />
junger Mann veröffentlichte<br />
er die ersten Werke, sein<br />
Geld verdiente er aber als<br />
Zeitungsreporter. Zum Krimigenre<br />
fand <strong>Ani</strong> spät,<br />
„durch einen Zufall“, wie<br />
er sagt. „Mitte der 90er<br />
Jahre fragte mich der<br />
Verleger Hejo Emons, ob<br />
ich ihm nicht einen<br />
<strong>München</strong>-Krimi liefern<br />
könnte.“ 1996 erschien<br />
„Killing Giesing“, zwei<br />
Jahre später dann der erste<br />
Tabor-Süden-Roman – ein<br />
Wendepunkt in <strong>Ani</strong>s Leben.<br />
„Mit dieser Figur<br />
Schriftsteller <strong>Friedrich</strong> <strong>Ani</strong>: „Ich brauche die Großstadt“<br />
begann meine wahre Existenz als Schriftsteller.“<br />
Zuvor befand sich <strong>Ani</strong> in einer<br />
„Phase der Ratlosigkeit“. „Alles, was ich anfing,<br />
führte zu nichts.“ Doch dann kam ihm<br />
– natürlich in einer Kneipe – die „magische<br />
Figur“ des Tabor Süden in den Sinn, mit der<br />
er gleich ein neues Genre in der Kriminalliteratur<br />
kreierte – Vermisstenfälle, im Polizeijargon:<br />
Vermissungen.<br />
Wie <strong>Ani</strong> auf dieses Thema kam, kann er<br />
nicht genau sagen. „Als Jugendlicher war<br />
ich selbst einige Zeit für meine Angehörigen<br />
spurlos verschwunden, ich musste raus<br />
und war weg“, erinnert er sich. „Ich verstehe,<br />
wie es so weit kommen kann.“ Die Vermisstenthematik<br />
ist für ihn auch heute<br />
noch eine besondere literarische Herausforderung:<br />
„Das Spektakuläre ist nicht etwas<br />
Mörderisch-Grausames, sondern die vollkommen<br />
unerwartete Abwesenheit eines<br />
Zur Person<br />
<strong>Friedrich</strong> <strong>Ani</strong> wurde 1959 in Kochel am See geboren<br />
und lebt heute in <strong>München</strong>. Er arbeitete als Reporter,<br />
bevor er sich ganz der Schriftstellerei widmete.<br />
Seine Werke wurden mit zahlreichen Preisen<br />
ausgezeich<strong>net</strong>. 2003 erhielt er als bisher einziger<br />
Autor den Deutschen Krimipreis für drei (Tabor-<br />
Süden-)Titel gleichzeitig. 2010 wurde das Drehbuch<br />
nach seinem Roman „Süden und der Luftgitarrist“<br />
mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeich<strong>net</strong>.<br />
Menschen.“ Nachdenklich streicht<br />
sich <strong>Ani</strong> das grau melierte Haar aus<br />
der Stirn. „Zu erzählen ist jetzt dessen<br />
Biografie anhand der Aussagen<br />
von Freunden und Verwandten, die<br />
schließlich in einen schöpferischen<br />
Akt des Kommissars oder Detektivs<br />
münden, der das Wesen des Abwesenden<br />
neu erfinden muss und damit,<br />
womöglich, der Wirklichkeit<br />
nahekommt.“ Als seine literarischen<br />
Vorbilder nennt er Dashiell Hammetts<br />
realistische, harte Kriminalromane,<br />
die Bücher George Simenons<br />
mit ihren eindringlichen Personenund<br />
Milieuschilderungen und <strong>Friedrich</strong><br />
Glausers 30er-Jahre-Krimis, die nicht<br />
zuletzt von der eigensinnigen Figur des<br />
Wachtmeisters Studer mit seinem Herz für<br />
Außenseiter und Gestrauchelte leben.<br />
© Friedemann Meyer<br />
<strong>Ani</strong>s starrköpfiger Kommissar Süden ist<br />
auf der Suche nach Menschen, die ohne Abschiedsbrief<br />
aus dem Leben fallen, abtauchen,<br />
unsichtbar werden. Die Ermittlungen<br />
führen ihn gelegentlich zu einer Leiche –<br />
aber meistens zu Personen, die ihr altes Leben<br />
abstreifen wollten wie einen alten Mantel.<br />
Süden bringt die Leute meist nicht kraft<br />
polizeilicher Autorität zum Reden, sondern<br />
durch sein Schweigen. „Stundenlanges Zuhören<br />
entsprach seinem Wesen“, heißt es<br />
im neuen Süden-Krimi. Dabei sind <strong>Ani</strong>s Romane<br />
reich an glänzenden Dialogen. In ihnen<br />
lässt der Autor seine Leser in Abgründe<br />
hinter glänzenden Fassaden blicken, eine<br />
vordergründig reibungslos funktionierende<br />
Beziehung entpuppt sich als zwischenmenschliche<br />
Tragödie und das vermeintlich<br />
grundlose Fortschleichen eines Ehepartners<br />
war nur letzter Schritt eines<br />
jahrzehntelangen Dramas. Häufig sind es<br />
die Zwischentöne, Andeutungen oder das<br />
Nicht-Gesagte, die den Reiz und die Spannung<br />
von <strong>Ani</strong>s Büchern ausmachen und die<br />
ihnen eine Ausnahmestellung in der deutschen<br />
Krimilandschaft verleihen.<br />
2005 hatte er mit dem Roman „Süden und<br />
der Mann im langen schwarzen Mantel“<br />
schon den Schlusspunkt unter die Süden-<br />
16<br />
»Es geht mir<br />
nicht um Mord<br />
und Totschlag«<br />
buchjournal 1/2011
* unverbind. Preisempfehlung<br />
Reihe gesetzt: Der Kommissar quittierte den<br />
Dienst und zog nach Köln. <strong>Ani</strong> suchte nach<br />
neuen Ansatzpunkten im Krimigenre, erfand<br />
mit Hauptkommissar Polonius Fischer,<br />
einem ehemaligen Mönch, und dem erblindeten<br />
Exkommissar Jonas Vogel zwei weitere<br />
unkonventionelle, faszinierende<br />
Ermittlerfi guren. Spätestens<br />
beim vorerst letzten<br />
Fischer-Krimi „Totsein verjährt<br />
nicht“ war <strong>Ani</strong> wieder<br />
bei seinem Lebensthema<br />
angekommen:<br />
Der Kommissar ermittelt<br />
im Fall eines sechs<br />
Jahre zuvor verschwundenen<br />
achtjährigen Mädchens.<br />
Der Mörder wurde<br />
damals zwar überführt,<br />
die Leiche aber nie gefunden.<br />
Und nun behauptet<br />
ein Schulfreund der Verschwundenen,<br />
das Kind auf<br />
der Straße erkannt zu haben.<br />
Grandios, wie sich <strong>Ani</strong> dem<br />
Schreckensthema Nummer<br />
eins, dem Verbrechen an<br />
Wer Verrat sät, wird<br />
ernten.<br />
einem Kind, annimmt und die Ungewissheit<br />
über das Schicksal des Mädchens dem<br />
Leser wie böse Medizin einträufelt.<br />
Auch in seinen drei Polonius-Fischer-Krimis<br />
blickt <strong>Ani</strong> wieder in <strong>München</strong>s dunkle<br />
Ecken, lässt die Außenseiter und sozial Benachteiligten<br />
zu Wort kommen. Fischer, der<br />
Sinnsucher, will Verbrecher überführen,<br />
aber auch Beweggründe für Taten ergründen<br />
– um hinter Verzweifl ung, Hass und Gewalt<br />
der Frage nach Schuld und gerechter<br />
Strafe nachzugehen. <strong>Ani</strong> erntete für seine<br />
Lesezeichen<br />
Als ein russischer Überläufer in London<br />
verschwindet, wird Geheimagent Gabriel<br />
Allon mit dem Fall betraut. Schnell merkt<br />
er, dass es hier vor allem um eines geht:<br />
gnadenlose, blutige Rache!<br />
416 Seiten. € 19.95 [D], € 20.60 [A], sFr 30.50 *<br />
<strong>Friedrich</strong> <strong>Ani</strong>: Süden.<br />
Droemer Knaur, 368 S.,<br />
19,99 € (D) • 20,60 € (A) •<br />
30,50 sFr.<br />
Erscheint am 14. März<br />
Fischer-Romane Preise, und doch klopfte<br />
eines Tages ein alter Bekannter bei ihm an:<br />
„Als ich an einem Buch nicht so recht weiterkam,<br />
war in meinem Kopf plötzlich<br />
Tabor Süden wieder da. Da wurde mir klar:<br />
Ich habe ihn vermisst.“ Im neuen Krimi ermittelt<br />
Süden in einem Vermisstenfall, der<br />
ihn selbst betrifft: Sein seit 35 Jahren verschwundener<br />
Vater hatte sich telefonisch<br />
aus <strong>München</strong> gemeldet, doch der Anruf<br />
brach unvermittelt ab. Der Exkommissar<br />
macht sich auf den Weg in die alte Heimat,<br />
heuert als Privatdetektiv an. „Einer wie Süden<br />
kann nicht auf der faulen Haut liegen.“<br />
Der Autor schmunzelt, weil erneut die<br />
Wesensverwandtschaft mit seinem Helden<br />
zur Sprache kommt: Auch <strong>Ani</strong> ist ein disziplinierter<br />
Arbeiter, der morgens um acht<br />
Uhr am Schreibtisch sitzt und dann bis in<br />
den Nachmittag hinein durcharbeitet. Die<br />
Beine hochlegen, zwei, drei Projekte im<br />
Jahr weniger realisieren, sich auf den Lorbeeren<br />
ausruhen, kommt für ihn nicht infrage.<br />
„Ich bin Schriftsteller von Beruf und<br />
aus Leidenschaft.“ Und er verspricht: Tabor<br />
Süden wird die Leser erst einmal nicht wieder<br />
so schnell verlassen.
Unsere<br />
Buchempfehlungen<br />
für<br />
Krimi- und Thrillerliebhaber<br />
Nebelhaft<br />
Ein packender Krimi, der die menschlichen<br />
Abgründe beleuchtet, die oft ganz nahe<br />
unter der glatten Oberfl äche ruhen.<br />
Carola Rudolph<br />
ISBN 978-3-86683-771-3<br />
Preis: 11,90 Euro<br />
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Torsten Clauß<br />
WAGNER VERLAG ®<br />
Thriller<br />
WV<br />
Liam<br />
Ein Technologiekonzern, illegale<br />
Forschungen und menschenrechtsverletzende<br />
Experimente. Spannung ist garantiert!<br />
Torsten Clauß<br />
ISBN 978-3-86683-364-7<br />
Preis: 19,90 Euro<br />
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SCHWERPUNKT KRIMI & THRILLER<br />
Sie ist prominent, lesbisch – und stand selbst schon unter<br />
öffentlichem Beschuss. Das greift Anne Holt in ihrem neuen<br />
Roman auf: Er ist ein Plädoyer für ein offeneres Miteinander.<br />
„Mehr Zurückhaltung<br />
wäre gut für uns alle“<br />
TEXT: CHRISTINA BUSSE<br />
A ls<br />
ich jung war und mich neu verliebte,<br />
war es gerade schön, sich nach<br />
und nach zu entdecken“, sagt Anne Holt.<br />
„Heute lernen sich junge Menschen auf einer<br />
Party kennen und schon am nächsten<br />
Tag wissen sie alles voneinander, weil sie<br />
auf Facebook sind.“ Für die norwegische<br />
Krimiautorin ist es eine Horrorvorstellung,<br />
ihre Person derart zu präsentieren<br />
und völlig „nackt“ dazustehen.<br />
Sie legt großen Wert auf die Wahrung ihrer<br />
Privatsphäre. Will ganz deutlich zwischen<br />
öffentlicher und privater Person unterscheiden.<br />
„Wir geben viel zu viel von<br />
uns in der Öffentlichkeit preis“, sagt sie.<br />
Ihrer 18-jährigen Nichte habe sie deshalb<br />
den Rat gegeben, ihre Facebook-Seite zu<br />
schließen.<br />
„Das Leben sollte so sein, dass nur<br />
wenige, einem nahestehende Menschen<br />
Einblick in private Angelegenheiten haben“,<br />
findet Anne Holt, die als internationale<br />
Bestsellerautorin mehr als andere im<br />
Fokus der Öffentlichkeit steht und selbst<br />
schon unangenehme Erfahrungen machen<br />
musste. „Als homosexueller Mensch über<br />
50 habe ich viele Situationen erlebt, in denen<br />
andere meinten, sie hätten das Recht,<br />
mich anzugreifen“, sagt Anne Holt, die<br />
zusammen mit Ehefrau Tine Kjaer und ihrer<br />
achtjährigen Tochter in Oslo lebt. Als<br />
vor drei Jahren in Norwegen die Heirat<br />
gleichgeschlechtlicher Paare gesetzlich<br />
gleichgestellt wurde, seien fundamentalistische<br />
christliche Gruppen sehr aktiv<br />
gewesen, die auch Anne Holt im Visier<br />
hatten.<br />
Rein äußerlich bleibt sie gelassen, wenn<br />
sie davon erzählt und die Erinnerungen<br />
Anne Holt: Respekt ist ein wichtiges Thema<br />
mit einer Handbewegung wie lästige<br />
Insekten verscheuchen will. Sie hatte Zeit<br />
genug, sich eine professionelle Miene<br />
ohne emotionale Regungen anzueignen:<br />
Die studierte Rechtswissenschaftlerin<br />
war als Journalistin tätig, als TV-Nachrichtensprecherin<br />
und als Anwältin. Für<br />
kurze Zeit war sie sogar norwegische<br />
Justizministerin. Trotzdem spürt man,<br />
dass das Thema sie innerlich aufwühlt.<br />
Dass sie sich darüber in Rage reden kann.<br />
Auch wenn sie sagt: „Ich lasse mich nicht<br />
18<br />
© Peter von Felbert<br />
»Nur wenige<br />
sollten Einblick<br />
in unser<br />
Privatleben haben«<br />
buchjournal 1/2011
»Schon viele sahen<br />
sich im Recht,<br />
mich angreifen<br />
zu können«<br />
von jedem angreifen – da bin ich wählerisch.“<br />
In „Gotteszahl“ greift sie ihre Erfahrungen<br />
auf und befasst sich mit der Erfahrung<br />
von Intoleranz. Im Küstenort Bergen<br />
nimmt eine Mordserie ihren Anfang. Die<br />
engagierte Bischöfi n Eva Karin Lysgaard<br />
wird erstochen aufgefunden, ohne erkennbares<br />
Motiv. Kommissar Yngvar Stubø<br />
sucht nach Antworten, stößt aber auf eine<br />
Mauer des Schweigens. Die Ermittlungen<br />
laufen noch, als in Oslo weitere Morde geschehen,<br />
scheinbar ohne Verbindung und<br />
in sehr rascher Folge: eine Leiche im Hafenbecken,<br />
ein toter Junkie und ein herzkranker<br />
Künstler. Dann stößt Stubø bei seinen<br />
Nachforschungen auf eine christlichfundamentalistische<br />
Bewegung: die<br />
„Gruppe 25“ – Zahlenmystiker, die, von archaischem<br />
Hass getrieben, jeden töten, der<br />
ihren religiösen Vorstellungen nicht entspricht.<br />
Die „25er“ hat Anne Holt für ihren Roman<br />
erfunden. Hintergrund sind aber real<br />
existierende Vereinigungen, die im Namen<br />
der Religion Gewalttaten verüben – bis hin<br />
zu Mord. Die Idee, die hinter der Geschichte<br />
steckt, versucht Holt so zu beschreiben:<br />
„In unserer Welt, die täglich immer mehr<br />
zusammenrückt, ist es eine große Herausforderung,<br />
miteinander klarzukommen.<br />
Der Schlüssel liegt darin, einander zu respektieren.<br />
Darum geht es mir im Buch:<br />
Man braucht andere Leute nicht zu verstehen,<br />
man muss sie nicht mögen, nicht einmal<br />
tolerieren. Aber man muss einen Weg<br />
fi nden, mit ihnen zu leben, ohne sie ständig<br />
zu beleidigen und anzugreifen. Denn<br />
sonst leistet man Gruppen, wie ich sie im<br />
Buch beschreibe, Vorschub.“<br />
Sie selbst sei in einem atheistischen Elternhaus<br />
groß geworden. Woran sie glaubt?<br />
„An den Intellekt und an die Menschenrechte<br />
als grundlegende gemeinsame Verhaltensrichtlinie.“<br />
Für Religionen habe sie<br />
„großen Respekt“, auch wenn sie wünscht,<br />
es gäbe sie nicht. „Respekt“, das ist das<br />
Wort, das sich wie ein roter Faden durch<br />
buchjournal 1/2011 19<br />
das Gespräch mit Anne Holt zieht. Und die<br />
Welt wäre besser, meint sie, wenn sich jeder<br />
etwas zurückziehen würde. Nach Hause<br />
gehen. Nicht zu allen freundlich sein.<br />
Auswählen, mit wem man spricht. Lernen,<br />
den Mund zu halten. Das sind die Maximen,<br />
die sie klar und deutlich vertritt. Die<br />
aber nicht ausschließen, in der öffentlichen<br />
Debatte Position zu beziehen.<br />
Auseinandersetzungen, Gewalt, Terror,<br />
Konfl ikte – Anne Holt fi ndet hier den Stoff<br />
für ihre Kriminalromane und Thriller, die<br />
in rund 30 Ländern veröffentlicht werden.<br />
Eine andere Seite offenbart sie als Kinderbuchautorin.<br />
Gerade ist in Norwegen der<br />
erste Titel einer Serie erschienen. „Altmodisch<br />
im Sinne von Astrid Lindgren“, sagt<br />
Holt, die in Tochter Iohanne eine kritische<br />
Testleserin hat.<br />
Die Ideen für neue Geschichten entwickelt<br />
Anne Holt vorzugsweise im Sommer.<br />
Dann nutzt sie die Chance, die sich ihr bietet,<br />
seitdem sie 1997 Vollzeit-Autorin wurde:<br />
„Ich kann mir im Sommer mehrere Wochen<br />
freinehmen und verschwinden.“ In<br />
Südfrankreich an der Riviera, in der Nähe<br />
von St. Tropez, genießt sie das Zusammensein<br />
mit Familie und Freunden, bevor sie<br />
sich den langen, norwegischen Winter<br />
über wieder in ihre Schreibstube zurückzieht<br />
und die Personen ihres nächsten Romans<br />
Gestalt annehmen. <br />
^ Anne Holt, geboren 1958 in Larvik, wuchs in Norwegen<br />
und in den USA auf. Seit 1993 veröffentlicht<br />
sie Kriminalromane, die zu internationalen Bestsellern<br />
avancierten und mit den wichtigsten Krimipreisen<br />
ihres Landes ausgezeich<strong>net</strong> wurden. Als freie Autorin<br />
lebt sie heute mit ihrer Familie in Oslo.<br />
Lesezeichen<br />
j<br />
Anne Holt: Gotteszahl. Übersetzt von Gabriele Haefs.<br />
Piper, 464 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
Anne Holt: Gotteszahl. Gelesen von Andreas Fröhlich.<br />
Osterwoldaudio, 5 CDs, 24,95 € (D / A) • 39,90 sFr.<br />
© FinePic ® , <strong>München</strong><br />
UNTER<br />
ADRENALIN.<br />
Detective Harry Bosch lässt sich weder von Gewalt,<br />
Mord oder chinesischen Triaden schrecken.<br />
Bis seine 15jährige Tochter in Hongkong entführt wird.<br />
480 Seiten | € [D] 9,99 Auch als eBook erhältlich.
© Jošt Gantar<br />
SCHWERPUNKT KRIMI & THRILLER<br />
Urlaub in<br />
New York ...<br />
FERNSEHERFAHRUNG INKLUSIVE<br />
Raffi niert und lakonisch<br />
Bankkaufmann ist der gelernte Beruf von Jürgen<br />
Pomorin, seine Berufung indes sind Tätigkeiten<br />
als Investigativ-Journalist und Drehbuchautor für<br />
telegene Polizeiserien. Zudem schreibt der Grimme-Preisträger<br />
Krimis unter dem Pseudonym<br />
Leo P. Ard. Lakonischer Ton, raffi nierte Erzähldramaturgie<br />
und fi ndige Themenzugänge mögen<br />
dabei Kollateralnutznießereien seiner Fernsehskripterfahrung<br />
sein. In „Mein Vater, der Mörder“<br />
geht es um das Meucheln eines ohnedies dem<br />
Tode geweihten Hospizbewohners, um das verschwiegene<br />
sexuelle Vorleben eines früheren<br />
Fremdenlegionärs – und um die kluge Puzzlearbeit<br />
einer Hauptkommissarin namens Sonja<br />
Kruse. Zwischen Vietnam und Deutschland entspinnt<br />
sich die spannende,<br />
passagenweise gar dramatische<br />
Geschichte um die<br />
Bewältigung einer Vergangenheit,<br />
die nicht vergehen<br />
will. wer<br />
^ Leo P. Ard: „Mein Vater,<br />
der Mörder“. Grafi t, 281 S.,<br />
9,50 € (D) • 9,80 € (A) •<br />
15,50 sFr.<br />
EINTAUCHEN IN DIE VERGANGENHEIT<br />
Rätselhafte<br />
Entführung<br />
Einem Kurzurlaub in New York folgt der Schock: Wenige Minuten nach<br />
ihrer Ankunft in Deutschland wird Lena, die 18-jährige Freundin des Kölner<br />
Kommissars Zbigniew Meier, am Flughafen von Unbekannten in ein<br />
Auto gezerrt. Während die Polizei einen terroristischen Hintergrund der Tat vermutet,<br />
folgt Meier einer ganz anderen Spur: Er und seine Freundin wurden in New York von Samuel<br />
Weiss berg, einem pensionierten US-Polizisten, angesprochen, der sie darum bat, ihm bei der<br />
Suche nach seiner gen Ende des Zweiten Weltkriegs verschwundenen kleinen Schwester Eva behilfl<br />
ich zu sein. Lange bleibt die Entführung rätselhaft – die verschleppte Lena ist kurz darauf sogar<br />
an einem Banküberfall beteiligt – und Meyer stößt bei seinen Recherchen auf immer neue Fakten,<br />
auf die er sich keinen Reim machen kann. Doch wir kennen den eigensinnigen wie sympathischen<br />
Ermittler aus Brüggenthies’ preisgekröntem Krimi-Debüt „Der geheimnislose Junge“ und wissen:<br />
Meier bleibt dran und lässt sich bei der Suche nach seiner Freundin schon gar nicht von den eigenen<br />
Kollegen kaltstellen. Trotz der verzweigten Handlung, die in die Kunstszene New Yorks ebenso<br />
hineinführt wie in die deutsche Geschichte, ist Brüggenthies’ „Tote Schwester“ ein spannendes<br />
Lesevergnügen – und knüpft damit nahtlos an die Klasse seines Erstlings an, der für den <strong>Friedrich</strong>-<br />
Glauser-Preis 2010 in der Kategorie „Debüt“ nominiert war. bai<br />
^ Stephan Brüggenthies: „Die tote Schwester“. Eichborn, 440 S., 16,95 € (D) • 17,50 € (A) • 25,90 sFr.<br />
SCHWEDISCHE INSELIMPRESSIONEN<br />
Karg und unheimlich<br />
Auf Öland, einer kargen Insel<br />
im Südosten Schwedens,<br />
beziehen Vendela<br />
und Per im Frühjahr ihre<br />
Sommerhäuser. Doch statt<br />
Frieden in der Abgeschiedenheit<br />
zu fi nden, bestimmen<br />
Krankheit und Tod<br />
plötzlich Pers Leben und er<br />
muss herausfi nden, vor<br />
wem sein dementer Vater Angst hat. Vendela<br />
sucht nach Elfen in der großen Alvar, der kargen<br />
Heidelandschaft, und wird dabei von ihrer trostlosen<br />
Kindheit eingeholt. Im dritten Band von<br />
Johan Theorins Jahreszeiten-Quartett sprießt<br />
nach einem düsteren Herbst und einem gespenstischen<br />
Winter nur sehr zögernd das Grün, ertrinkt<br />
die Insel im Schmelzwasser und es weht<br />
nach wie vor ein rauer Wind. Der schwedische<br />
Autor ist ein Meister der subtil unheimlichen<br />
Stimmung. Seine Figuren spiegeln das Bild der<br />
Insel: schroff, eigenwillig und ohne überfl üssige<br />
Schnörkel. „Blutstein“ ist nicht nur ein Krimi, sondern<br />
auch ein fesselnder Roman über Familie,<br />
Einsamkeit und das Altern. dan<br />
^ Johan Theorin: „Blutstein“. Übersetzt von Kerstin<br />
Schöps. Piper, 448 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) •<br />
30,50 sFr.<br />
NEUE SERIENHELDIN<br />
Tough und sensibel<br />
Bisweilen empfi ehlt es sich für Kriminalschriftsteller,<br />
ihren Serienhelden eine Auszeit zu gönnen.<br />
Derlei schafft im Idealfall konstruktive, womöglich<br />
gar kreative Distanz zum notorischen<br />
Protagonisten. Die Finnin Leena Lehtolainen, bislang<br />
bekannt für serielle Spannungsliteratur mit<br />
Kommissarin Maria Kallio, etabliert in „Die Leibwächterin“<br />
mit der ganzheitlich schlagfertigen<br />
Hilja Ilvereskero gleich eine neue Reihe. Dabei gewährt<br />
die Heldin, die wiederholt innere Sensibilität<br />
und toughes Auftreten ausbalancieren muss,<br />
dem Leser eindringliche Einblicke in die strapaziöse<br />
Ausbildung und das aufregende Berufsleben<br />
von Bodyguards. Der fl ott erzählte Plot handelt<br />
von der belasteten Beziehung zwischen Finnland<br />
und Russland. Die literarische Königsdisziplin namens<br />
Morden im Norden beherrscht Leena Lehtolainen<br />
ohnehin so souverän wie ihr Landsmann<br />
Matti Rönkä. Das mag auch<br />
daran liegen, dass sich beide<br />
das Privileg einer sehr<br />
kompetenten Übersetzerin<br />
teilen . wer<br />
^ Leena Lehtolainen: „Die<br />
Leibwächterin“. Übersetzt<br />
von Gabriele Schrey-Vasara.<br />
Kindler, 384 S., 19,95 € (D) •<br />
20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
20<br />
buchjournal 1/2011
ZWISCHEN DEN KRIEGEN<br />
Sehr französisch, sehr noir<br />
Krieg und Frieden, Paris 1938. In der Detektei<br />
Bohmann sitzt der Ermittler Nestor Burma und<br />
grübelt über einem neuen Auftrag: Die Tochter<br />
eines Fabrikanten ist verschwunden, der Vater<br />
vermutet eine Liebesaffäre mit einem italienischen<br />
Arbeiter. Die Angelegenheit scheint<br />
nicht kriminell zu sein, und so hat es Burma<br />
zwischen Kneipen- und Cabaret-Besuchen<br />
nicht eilig, Nachforschungen anzustellen.<br />
Während sich der Privatschnüffl er seine Zeit<br />
mit Poeten, Tänzerinnen und Trinkern vertreibt,<br />
gerät die Welt um ihn herum täglich<br />
weiter aus den Fugen: Die Schreckensherrscher<br />
Hitler, Mussolini, Stalin und Franco bestimmen<br />
das politische<br />
Klima in Europa. Auch Burma<br />
wird Opfer grausamer<br />
Willkür: Er wird verdächtigt,<br />
den italienischen<br />
Liebhaber ermordet zu haben.<br />
Wie im ersten Band<br />
seiner Krimi-Trilogie über<br />
die seltsam fl irrenden Jahre<br />
zwischen den Weltkrie-<br />
buchjournal 1/2011 21<br />
Tendenz dunkel: Patrick Pécherot versetzt<br />
seine Leser in die 1930er Jahre<br />
gen führt Pécherot abermals Fiktion und historische<br />
Tatsachen klug und spannend zusammen.<br />
Ein atmosphärisch dichter Krimi, sehr<br />
französisch, sehr noir. aw<br />
^ Patrick Pécherot: „Belleville – Barcelona“.<br />
Übersetzt von Cornelia Wend. Edition Nautilus,<br />
192 S., 14,90 € (D) • 15,40 € (A) • 25,50 sFr.<br />
Er hat es<br />
wieder getan.<br />
© Peter Zureka<br />
Der neue<br />
«David Hunter»-<br />
Thriller von<br />
Simon Beckett.<br />
ALPENKRIMI<br />
Schöner Mief<br />
Ausgerech<strong>net</strong> in die steirische Krakau muss<br />
Sandra Mohr vom LKA Graz – dorthin, wo sie nicht<br />
mal tot überm Zaun hängen möchte. Hier ist sie<br />
aufgewachsen, hier lebt ihre zänkische Mutter mit<br />
Sandras Halbbruder, der mit Mitte 20 immer noch<br />
das Hotel Mama nutzt, und auch sonst zieht es die<br />
Ermittlerin nicht in die provinzielle Enge, die sie<br />
schon vor Jahren hinter sich lassen wollte. Aber<br />
die Pfl icht ruft: Eine Journalistin wurde in Sandras<br />
Heimatdorf ermordet. Verbindungen zu dem idyllischen<br />
Ort und seinen untereinander verschworenen<br />
Bewohnern scheint es nicht zu geben, Verdächtige<br />
und Motive sind nicht erkennbar – der<br />
Fall ist eine harte Nuss für die angereisten Ermittler.<br />
Zum Urlaubmachen in<br />
der schönen Alpenregion<br />
lädt der Krimi ein. Aber auch<br />
dazu, den Mief bald wieder<br />
hinter sich zu lassen und<br />
freie Stadtluft zu atmen. sc<br />
^ Claudia Rossbacher:<br />
„Steirerblut“. Gmeiner, 273 S.,<br />
9,90 € (D) • 10,20 € (A) •<br />
15,90 sFr.<br />
Zum exklusiven<br />
Interview<br />
Braun<br />
Gewinnspiel unter<br />
Malte ©<br />
www.simonbeckett.de<br />
Simon Beckett | Verwesung<br />
Aus dem Englischen von Andree Hesse<br />
22,95 (D) / 23,60 (A) / sFr. 34,90 (UVP)
Das Alte Rom<br />
zur Zeit Caesars<br />
Hans Dieter Stöver<br />
Jetzt lieferbar Band 3<br />
Zwei Romane in einem Band<br />
ISBN 978-3-939625-27-8<br />
480 Seiten<br />
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Bereits lieferbare C.V.T.-Romane:<br />
Band 1<br />
Mord auf der Via Appia / Die Frau des Senators<br />
ISBN 978-3-939625-07-0<br />
Band 2<br />
Ich fordere Gerechtigkeit / Skandal um Nausikaa<br />
ISBN 978-3-939625-10-0<br />
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www.bocola.com<br />
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SCHWERPUNKT KRIMI & THRILLER<br />
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Erpressung in Genf<br />
Der Kunsthistoriker Benjamin<br />
Lorant – verheiratet,<br />
vermögend und vertrauenswürdig<br />
– wird erpresst: Ein<br />
Unbekannter besitzt detaillierte<br />
Informationen über<br />
Lorants Vergangenheit als<br />
Agent des DDR-Auslandsgeheimdienstes<br />
HVA. Unter<br />
dem Namen Johann Blume<br />
in Leipzig geboren, wurde er Ende der 1980er Jahre<br />
nach Genf geschickt – doch dann fi el die Mauer<br />
und mit ihr der geplante Spionageeinsatz. Lorant<br />
alias Blume behielt die falsche Identität bei. Nun<br />
droht der Unbekannte diese Lebenslüge aufzudecken,<br />
wenn Lorant nicht umgehend vertrauliche<br />
Akten aus dem Kernforschungszentrum CERN besorgt.<br />
Dort stehen gefährliche physikalische Experimente<br />
an, in denen der Urknall simuliert werden<br />
soll. Der Schweizer Peter Zeindler, Meister des<br />
psychologischen Agententhrillers, dirigiert auch in<br />
seinem neuen Roman souverän die Mitglieder<br />
seines Erzählorchesters – „Urknall“ ist ein packender<br />
Thriller im Breitwandformat und zugleich<br />
eine gespenstische Geschichte voller leiser, subtiler<br />
Töne. aw<br />
^ Peter Zeindler: „Urknall“. <strong>Friedrich</strong> Reinhardt<br />
Verlag, 320 S., 23,– € (D / A) • 34,80 sFr.<br />
Die Bösen von Belfast ...<br />
22<br />
ABRECHNUNG MIT DER IRA<br />
Quälende Schuld<br />
Da scheint einer richtig sauer zu sein: Stuart<br />
Neville rech<strong>net</strong> in seinem engagierten Debüt<br />
mit der IRA in Belfast ab. Es war nicht viel mit<br />
Freiheitskampf, sagt er, umso mehr mit<br />
Grausamkeit, Selbstsucht, Verrat und Gemeinheit.<br />
Sichtbar macht er das an einer ungewöhnlichen<br />
Thrillerhandlung, in deren<br />
Mittelpunkt ein Antiheld steht: Gerry Fegan,<br />
ein ehemaliger, längst legendärer Kämpfer,<br />
der nach einer langen Gefängnisstrafe sein<br />
Leben versäuft. Sein Geheimnis: Zwölf Menschen,<br />
die er getötet hat, geistern durch seinen<br />
Kopf, eine Art Manifestation seiner<br />
Schuldgefühle, machen ihn fertig und rauben<br />
ihm jeden Schlaf. Ihre Forderung: Er soll<br />
sie rächen, indem er die Auftraggeber seiner<br />
Morde tötet – Männer, von denen inzwischen<br />
einige wichtige Rollen in der nordirischen<br />
Politik spielen, scheinbar Stützen der Gesellschaft,<br />
die tatsächlich aber ziemlich viel<br />
Dreck am Stecken haben. Und die den jungen<br />
Gerry vor vielen Jahren zum Killer machten.<br />
Nevilles Buch ist eine eindringliche Abrechnung<br />
mit einem Krieg, dem Gutes auf<br />
die Fahnen geschrieben<br />
war, der aber, wie alle<br />
Kriege, vor allem Leid<br />
brachte. sc<br />
^ Stuart Neville: „Die<br />
Schatten von Belfast“.<br />
Übersetzt von Armin<br />
Gontermann. Rütten &<br />
Loening, 400 S.,<br />
19,95 € (D) • 20,60 €<br />
(A) • 30,50 sFr.<br />
buchjournal 1/2011
KRIMIDEBÜT<br />
Suche nach der Schwester<br />
Auf dem Sterbebett diktiert<br />
ein italienischer Arzt einen<br />
Brief, der ein Geständnis<br />
ist: Vor 30 Jahren hat er<br />
einem Ehepaar ihr Neugeborenes<br />
weg genommen –<br />
mit der Begründung, das<br />
Mädchen habe die Geburt<br />
nicht überlebt. Für die Eltern<br />
ist der Brief ein Schock,<br />
ihre Tochter Leah, von Beruf Polizistin, macht sich<br />
nach Italien auf, um die Schwes ter aufzuspüren.<br />
Dem Vermisstenfall folgt ein Mord: Der Bruder<br />
ihres Vaters wird in Frankfurt erschossen, wo sich<br />
Polizist Louis, Leahs Exmann, ins Geschehen einschaltet.<br />
„Die verkaufte Schwester“ von Olivia<br />
Meltz – laut Verlag ein Pseudonym, hinter dem<br />
sich ein Autorenteam verbirgt – ist ein charmantes,<br />
fl ott zu lesendes Krimidebüt. Kleine handwerkliche<br />
Schwächen seien daher verziehen – die Lust<br />
auf den nächsten Leah & Louis-Krimi bleibt. eb<br />
^ Olivia Meltz: „Die verkaufte Schwester. Ein Leah &<br />
Louis Krimi“. Molden, 256 S., 19,95 € (D / A) • 30,50 sFr.<br />
GEFÄHRLICHES NORDHESSEN<br />
Miese Geschäfte<br />
27 Jahre saß Helmut Sutter<br />
für einen Dreifachmord im<br />
Kasseler Gefängnis – ein<br />
Verbrechen, das er zwar<br />
gestanden, aber nicht begangen<br />
hatte. Stockbesoffen<br />
fand man ihn damals<br />
in dem Haus, in dem ein<br />
Ehepaar und ihre fünfjährige<br />
Tochter erschossen<br />
worden waren. Obwohl Sutter sein Geständnis widerrief,<br />
brummten ihm die Richter „lebenslänglich“<br />
auf. Nun steht er wieder in Freiheit, versteht<br />
die Welt um sich herum nicht mehr – und will<br />
doch wissen, für wen er damals ins Gefängnis<br />
ging. Den Job des Schnüffl ers übernimmt für ihn<br />
ein reicher Edel-Ganove, der mit Sutter eine Weile<br />
einsaß und ihm versprach, ein wenig „im Dreck“<br />
zu wühlen. Und wie es sich für einen guten<br />
Re giokrimi gehört, geht es in Volker Schnells<br />
„Mordhessen“ um miese Geschäfte, korrupte<br />
Politiker und Leute, die um des eigenen Vorteils<br />
willen skrupellos über Leichen gehen. Fazit: solide<br />
Krimikost, an der insbesondere Nordhessen ihre<br />
Freude haben werden. bai<br />
^ Volker Schnell: „Mordhessen“. Emons, 320 S.,<br />
10,90 € (D) • 11,20 € (A) • 17,50 sFr.<br />
buchjournal 1/2011 23<br />
NOIR-TRADITION<br />
Neues vom Krimi-Poeten<br />
Lakonischer geht’s nimmer: Der Sound von Bruens<br />
Roman um einen brachialen Geldeintreiber namens<br />
Mitch gemahnt in seinem atemlosen Stakkato<br />
mehr an experimentelle Lyrik als an konventionelle<br />
Krimis: „Kerrkovian erleichterte ich um /<br />
Eine Sig Sauer .45 / Eine Brieftasche / Zigaretten /<br />
Ein Stilett / Und einen Zettel mit einer Telefonnummer,<br />
/ Die von Gant. / Dem Punk nahm ich ab: /<br />
Eine Browning / Ein dickes Bündel Geldscheine /<br />
Pfefferminzbonbons / Kondome / Koks.“ Kolossal<br />
verdichtet und sehr gewitzt sind zudem die Dialoge<br />
in „London Boulevard“. Auch dieses Prosawerk<br />
des irischen Sozialkritik-Virtuosen steht in der Noir-<br />
Tradition. Zehn Jahre nach der Veröffentlichung im<br />
englischsprachigen Raum erreicht und adelt es<br />
endlich den hiesigen Buchmarkt. Da Bruen eine<br />
ertragreiche Arbeitsbeziehung zu ausgekochten<br />
Thrillerpoeten wie Allan<br />
Guthrie und Jason Starr unterhält,<br />
dürfte für eine Renaissance<br />
der hardboiled<br />
novel gesorgt sein. wer<br />
^ Ken Bruen: „London Boulevard“.<br />
Übersetzt von Conny<br />
Lösch. Suhrkamp, 262 S.,<br />
8,95 € (D) • 9,20 € (A) •<br />
14,50 sFr.<br />
© Julius Fekete<br />
VERBOTENE FILME<br />
Mauer des Schweigens<br />
Ein Thriller für hartgesottene Leser – dies lassen<br />
zumindest die ersten Seiten vermuten: Journalist<br />
Florian Baumgartner soll eine Story über seinen<br />
früheren Freund, den berühmten und umstrittenen<br />
Regisseur David Mosbach, schreiben, der<br />
unter geheimnisvollen Umständen verschwunden<br />
ist. Seine Recherchen führen ihn in Berliner Hinterhöfe,<br />
wo verbotene Filme gezeigt werden, in denen<br />
Menschen gequält und ermordet werden und<br />
an deren Produktion Mosbach beteiligt ist. Baumgartner<br />
stößt auf eine Mauer des Schweigens –<br />
und spürt schließlich Mosbach auf, der von einer<br />
kranken Idee besessen ist. Jonas Winners Debütthriller<br />
überzeugt mit<br />
einem spannenden, ungewöhnlichen<br />
Plot, der allerdings<br />
die Erwartungen des<br />
Lesers gegen Ende nicht<br />
ganz einlösen kann. eb<br />
^ Jonas Winner: „Davids<br />
letzter Film“. dtv, 352 S.,<br />
8,95 € (D) • 9,20 € (A) •<br />
13,90 sFr.<br />
WER DIE<br />
LETZTEN SPUREN<br />
BESEITIGT<br />
WIRD ZUR ZEUGIN<br />
DER TOTEN:<br />
DIE CLEANERIN<br />
Geb. mit Schutzumschlag<br />
432 Seiten<br />
€ [D] 19,99 / € [A] 20,60 / sFr 33,90<br />
ISBN 978-3-471-35037-9<br />
www.list-verlag.de
SCHWERPUNKT KRIMI & THRILLER<br />
Zur Fahndung ausgeschrieben ist der Thrillerautor<br />
Michael Connelly. Buchjournal-Profi lerin Sabine Schmidt<br />
hat die wichtigsten Daten zusammengestellt.<br />
<br />
Michael Connelly<br />
Früher war er Reporter, der es bis zu einer Nominierung<br />
für den Pulitzer-Preis gebracht hat. Heute ist er<br />
hochdekorierter Autor<br />
Viele seiner mehr als 20 Thriller spielen in Los<br />
Angeles, praktischerweise also fast schon in Hollywood. Eine berühmte Verfi lmung – von<br />
und mit Clint Eastwood – gibt es dann auch: „Blood Work“ („Das zweite Herz“); eine weitere<br />
Verfi lmung kommt demnächst ins Kino: „Der Mandant“ – der Thriller gilt als eines der besten<br />
Bücher Connellys<br />
Zu ihnen gehört Terry McCaleb, der FBI-Agent mit dem implantierten<br />
Herzen, der es Clint Eastwood angetan hat; vor allem aber Harry – eigentlich: Hieronymus<br />
– Bosch (ja genau: wie der Maler mit den Albtraumbildern, dem Harry sich tatsächlich<br />
verbunden fühlt), ein ernster Cop mit einer düsteren Vergangenheit, Typ einsamer Wolf,<br />
einer der wirklich Guten, der sich immer wieder in seine Fälle geradezu verbeißt<br />
Gerichtsreporter Jack McEvoy. Er hat schon einmal ermittelt – in einem von<br />
Connellys berühmtesten Thrillern: „Der Poet“. Damals fand er heraus, dass der gesuchte Serienkiller<br />
zugleich FBI-Agent war und die Fahndung nach sich selbst leitete. Mit diesem spektakulären<br />
Fall wurde Jack zum Star, jetzt aber, einige Jahre später, wird er von der „L.A. Times“ gefeuert<br />
– der Top-Journalist ist den Controllern zu teuer. 14 Tage hat er noch bei der Zeitung, die<br />
er für einen Coup nutzen will, und tatsächlich kommt er wieder einem Serienkiller auf die Spur<br />
FBI-Agentin Rachel Walling. Weil sie während der Jagd auf den „Poeten“<br />
eine Affäre mit Jack hatte, ist sie buchstäblich in der Wüste gelandet: Sie wurde ins Niemandsland<br />
versetzt. Mittlerweile ist sie aber zurück – zum Glück<br />
für Jack, weil sie ihn retten muss<br />
Lesezeichen<br />
Connelly erzählt fesselnd von<br />
den weniger heiteren Seiten der Stadt der Engel, und dementsprechend<br />
sind seine Helden meist ernste Typen, die ihre Michael Connelly: Sein letzter<br />
Fälle sehr persönlich nehmen und engagiert ermitteln – so, Auftrag. Übersetzt von Sepp<br />
wie im neuen Thriller Jack McEvoy gemeinsam mit der<br />
Leeb. Heyne, 496 S., 19,99 € (D) •<br />
tou ghen Rachel. Alles andere als Durchschnittskost, dabei 20,60 € (A) • 30,90 sFr.<br />
aber Hollywood sehr nahe: absolut fesselndes Kopfkino<br />
24<br />
© Peter von Felbert; © spxChrome / istockphoto<br />
buchjournal 1/2011
Drei Generationen<br />
unter einem Dach:<br />
Ingrid Noll spinnt<br />
gekonnt ihr Netz aus<br />
guten Vorsätzen und<br />
bösen Absichten.<br />
336 Seiten, Leinen, € (D) 21.90<br />
sFr 38.90* / € (A) 22.60<br />
Auch als Hörbuch<br />
Student Max, die Buchhändlerin Petra, Ingenieur<br />
Harald und Willy Knobel, hochbetagt. Trautes<br />
Heim, Glück allein? Zwischen Maxiwindeln und<br />
mörderischer Eisenstange spielt diese bitterböse<br />
Kriminalkomödie.<br />
Der neue Fall des<br />
Kult-Kommissars<br />
Hunkeler aus Basel.<br />
Ein havariertes Hausboot auf dem Rhein. Ein verschwundener<br />
Intendant. Ein handfester Theaterskandal.<br />
Eine unwahrscheinliche Liebe. Und ein<br />
paar alte Rechnungen. Peter Hunkeler vom Kriminalkommissariat<br />
Basel ermittelt.<br />
Foto: © Isolde Ohlbaum<br />
»Der mir die<br />
Geschichte erzählt<br />
hat, in der Hoffnung,<br />
dass ich sie mir<br />
zu Herzen nehme…«<br />
192 Seiten, Leinen, € (D) 19.90<br />
sFr 35.90* / € (A) 20.50<br />
Eine Familiengeschichte über drei Generationen –<br />
über 100 Jahre und unsere Gegenwart. Sie beschreibt<br />
Ungerechtigkeit und Not, aber auch<br />
Treue, Freundschaft und die Hoffnung auf Glück.<br />
Ein Nobelpreisträger<br />
in der Krise, eine<br />
Zivilisation auf dem<br />
Prüfstand.<br />
Neue Bücher bei Diogenes<br />
240 Seiten, Leinen, € (D) 19.90<br />
sFr 35.90* / € (A) 20.50<br />
Foto: © Bastian Schweitzer / Diogenes Verlag<br />
Ein neuer Serienheld<br />
betritt die Bühne:<br />
Allmen. Genauer:<br />
Johann <strong>Friedrich</strong> von.<br />
208 Seiten, Leinen, € (D) 18.90<br />
sFr 29.90* / € (A) 19.50<br />
Auch als Hörbuch<br />
Allmen, eleganter Lebemann und Feingeist, ist<br />
über die Jahre finanziell in die Bredouille geraten.<br />
Fünf zauberhafte Jugendstil-Schalen bringen ihn<br />
und sein Faktotum Carlos auf eine Geschäftsidee:<br />
eine Firma für die Wiederbeschaffung von schönen<br />
Dingen.<br />
Foto: © Timón Solinís<br />
Foto: Copyright © Christian Kaufmann<br />
416 Seiten, Leinen, € (D) 21.90<br />
sFr 38.90* / € (A) 22.60<br />
Auch als Hörbuch<br />
Michael Beard ist Physiker – und Frauenheld.<br />
Er hat den Nobelpreis erhalten, doch ist er alles<br />
andere als nobel: Im Beruf ruht er sich auf seinen<br />
Lorbeeren aus, privat hält es ihn auf Dauer bei<br />
keiner Frau. Bis die geniale Idee eines Rivalen für<br />
Zündstoff in seinem Leben sorgt.<br />
Nach Liebesfluchten<br />
der neue Band mit<br />
Geschichten von<br />
Bernhard Schlink.<br />
288 Seiten, Leinen, € (D) 19.90<br />
sFr 35.90* / € (A) 20.50<br />
Auch als Hörbuch<br />
Lebensentwürfe, Liebeshoffnungen, Alterseinsichten<br />
– was ist Illusion, und was stimmt? Was<br />
bleibt, wenn eine Illusion zerplatzt? Die Flucht in<br />
eine andere? Sieben irritierend-bewegende Geschichten<br />
von Bernhard<br />
Schlink.<br />
Foto: © Roeland Fossen<br />
Foto: © Regine Mosimann / Diogenes Verlag<br />
* unverb. Preisempfehlung
SCHWERPUNKT KRIMI & THRILLER<br />
Eisberge schmelzen, Bäche werden zu reißenden Flüssen, und<br />
Genmanipulationen sind längst Alltag: Ökothriller befassen sich mit<br />
diesen Me<strong>net</strong>ekeln, spannend natürlich – und verantwortungsbewusst.<br />
Apokalypse<br />
jetzt!<br />
TEXT: HENDRIK WERNER<br />
A ls<br />
Mutter jüngerer literarischer<br />
Warnvisionen hierzulande darf Frank<br />
Schätzings globale Bestseller-Prosa „Der<br />
Schwarm“ gelten. Der apokalyptisch gestimmte<br />
Thriller, erschienen 2004 beim<br />
Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch, handelt<br />
von der Bedrohung der Menschheit<br />
durch eine maritime Lebensform von erschreckend<br />
hoher Intelligenz. Zuletzt fiel<br />
der Name des Buchs fast nur noch, wenn es<br />
um ein Phänomen von zweifelhafter Intelligenz<br />
ging: jenen Schwarm, der im Online-Lexikon<br />
Wikipedia und auf anderen<br />
Plattformen des Web 2.0 den Beweis antreten<br />
will, dass die Weisheit der Vielen qualifizierteres<br />
lexikalisches Wissen schafft als<br />
gedruckte Enzyklopädien.<br />
Da scheint es hohe Zeit, dass der begnadete<br />
Mahner Schätzing sich und die Naturkatastrophenliteratur<br />
neueren Typs wieder<br />
ins Gespräch bringt. In diesem Bücherfrühjahr<br />
tut er dies nicht mit einer eigenen<br />
Hervorbringung, sondern als Mentor:<br />
„Intelligent und rasant!“ prangt in lobender<br />
Absicht auf dem Cover von Sven Böttchers<br />
Thriller „Prophezeiung“, erschienen<br />
– ein Schelm, wer Böses dabei denkt – bei<br />
Schätzings Verlag Kiepenheuer & Witsch.<br />
„Ein Klimathriller, bei dem einem kalt und<br />
heiß wird“, schiebt der Kölner Kultautor<br />
hinterher.<br />
Obwohl die Lektüreempfehlung nach<br />
einem allenfalls lauwarmen Kalauer klingt:<br />
Recht hat der Mann – wenigstens prinzipiell.<br />
Denn obschon das Spiel mit der Lust<br />
© Paul Souders / Corbis<br />
des Lesers am Untergang keinen Anspruch<br />
auf Originalität mehr geltend machen<br />
kann, hat Sven Böttcher, Jahrgang 1964,<br />
kaum weniger brisante Prosa über die existenzielle<br />
Gefährdung unseres Pla<strong>net</strong>en vorgelegt<br />
als weiland Schätzing in seinem<br />
Maßstäbe setzenden Roman. Das liegt an<br />
Böttchers Gabe, den Niedergang der Umwelt<br />
drastisch und plastisch zu schildern –<br />
»Sven Böttcher sagt in<br />
seinem Thriller eine<br />
Katastrophe riesigen<br />
Ausmaßes voraus«<br />
26<br />
buchjournal 1/2011
und seinem auf Effekte bedachten Plot<br />
dennoch jenes Quantum wissenschaftliche<br />
Beglaubigung einzuspeisen, das es<br />
braucht, um vor Kolportagegeruch zu<br />
schützen.<br />
Wenn bei Böttcher etwa Teile von Hamburg<br />
überflutet sind und in den Hafenbecken<br />
Feuerquallen sonder Zahl dümpeln,<br />
ist das kein Unkenruf, sondern tadellos<br />
buchjournal 1/2011 27<br />
Schmelzender Eisberg: Der Klimawandel ist<br />
Thema in Unterhaltungsromanen, die mehr<br />
wollen als unterhalten<br />
hergeleitet, was die immanente Logik der<br />
Geschichte anbelangt. Und die geht anfangs<br />
so: „Prometheus“, ein geheimes und<br />
vermeintlich unfehlbares Programm zur<br />
Prognostizierung des weltweiten Klimas,<br />
sagt eine Katastrophe riesigen Ausmaßes<br />
voraus. Bis zu 800 Millionen Tote soll der<br />
Prophezeiung zufolge eine Dürre am Äquator<br />
in Tateinheit mit einem Dauermonsun<br />
in gemäßigten Breiten zeitigen.<br />
Als Mavie Heller, eine Klimaforscherin,<br />
das Me<strong>net</strong>ekel öffentlich machen will, um<br />
die drohende Katastrophe abzuwenden,<br />
muss sie feststellen, dass es potenzielle<br />
Profiteure des Schreckensszenarios gibt,<br />
denen an der Geheimhaltung der verheerenden<br />
Wetterprognose gelegen ist. Zunächst<br />
stirbt die Journalistin Helen, eine<br />
enge Freundin von Mavie; bald gerät sie<br />
selbst in Lebensgefahr.<br />
Der Übersetzer, Drehbuchautor und<br />
Schriftsteller Sven Böttcher surft mit seiner<br />
klugen und auch für politisch korrekte<br />
Ökoaktivisten unbedenklichen Spannungsliteratur<br />
auf einer bemerkenswerten<br />
Veröffentlichungswelle zum Thema Klimakatastrophe.<br />
Das ist weder ehrenrührig<br />
noch unbotmäßig auf horrende Spektakel<br />
versessen, sondern folgt dem gebotenen<br />
Krisenmanagement der Stunde. Und es<br />
geht ihm um fundierte Kassandrarufe. Damit<br />
ist er nicht allein. Derzeit boomt eine<br />
Literatur, die nicht Ängste schüren, sondern<br />
Verantwortung für den geschundenen<br />
Pla<strong>net</strong>en übernehmen will.<br />
Schon vor 20 Jahren übte sich der kanadische<br />
Autor Douglas Coupland in einer<br />
engagierten Disziplin, die Natur- und Kulturpessimismus<br />
verband. Sein zum Kultbuch<br />
avancierter Roman „Generation X“<br />
handelte von einer demotivierten Generation,<br />
die zwischen Phlegma, Fantasielosigkeit,<br />
stumpfem Fernsehkonsum und ökologischem<br />
Desinteresse schwankt. Jetzt hat<br />
Coupland noch ein defätistisches Schäufelchen<br />
draufgelegt: In „Generation A“ entwirft<br />
er das in einer nicht allzu fernen Zukunft<br />
angesiedelte Szenario einer total ver<strong>net</strong>zten<br />
Welt.<br />
Darin ist modernen Kommunikationsformen<br />
nicht mehr zu entkommen. Video-<br />
Blogs in Echtzeit und SMS-Jargon sind 0<br />
<strong>Tatort</strong> Deutschland<br />
Krimi-Highlights 2011<br />
GMEINER Original<br />
GMEINER Original<br />
GMEINER Original<br />
GMEINER Original<br />
GMEINER Original<br />
GMEINER Original<br />
CLAUDIA ROSSBACHER<br />
Steirerblut<br />
Ein Alpen-Krimi<br />
MANFRED BOMM<br />
Blutsauger Ein<br />
Schwaben-<br />
Krimi<br />
SIGRID HUNOLD-REIME<br />
Janssenhaus<br />
Kriminalroman<br />
REINHARD PELTE<br />
Inselbeichte<br />
Ein Nordfriesland-Krimi<br />
FRIEDERIKE SCHMÖE<br />
Wernievergibt<br />
Kriminalroman<br />
UWE KLAUSNER<br />
Bernstein-<br />
Connection<br />
Kriminalroman<br />
Claudia Rossbacher<br />
Steirerblut<br />
..............................................<br />
273 S. · 978-3-8392-1136-6 · € 9,90<br />
AUF HEIMATBESUCH Als die<br />
LKA-Beamtin Sandra Mohr ausgerech<strong>net</strong><br />
in ein kleines Alpen-Dorf<br />
gerufen wird, um in einem rätselhaften<br />
Mordfall zu ermitteln, ist sie alles<br />
andere als begeistert. Schließlich hat<br />
sie ihrer Heimat nicht ohne Grund<br />
vor Jahren den Rücken gekehrt …<br />
Manfred Bomm<br />
Blutsauger<br />
..............................................<br />
488 S. · 978-3-8392-1114-4 · € 11,90<br />
DIAGNOSE MORD Im schwäbischen<br />
Geislingen wird ein Mann nach<br />
einem Autounfall schwer verletzt in<br />
die Klinik eingeliefert. Kurz darauf<br />
stirbt er. Kommissar Häberle findet<br />
heraus, dass das Unfallopfer ein Arzt<br />
war, der an einer Forschungsgesellschaft<br />
für Stammzellen beteiligt war.<br />
Sigrid Hunold-Reime<br />
Janssenhaus<br />
..............................................<br />
277 S. · 978-3-8392-1123-6 · € 9,90<br />
FAMILIENBANDE Emma von<br />
Odenwald, 31-jährige Köchin aus<br />
Hannover, erfährt, dass sie nicht das<br />
leibliche Kind iher Eltern ist. Als sie<br />
diese damit konfrontiert, nennen sie<br />
ihr widerstrebend eine Adresse in<br />
Ostfriesland und gestehen, dass es<br />
keine legale Adoption war …<br />
Reinhard Pelte<br />
Inselbeichte<br />
..............................................<br />
227 S. · 978-3-8392-1122-9 · € 9,90<br />
EISHEILIGE Kriminalrat Jung,<br />
Leiter des Dezernats für unaufgeklärte<br />
Kapitalverbrechen bei der Polizeiinspektion<br />
Nord in Flensburg, hat es<br />
mit einem zehn Jahre zurückliegenden<br />
Fall zu tun: Damals verschwand ein<br />
junges Mädchen auf dem Weg vom<br />
elterlichen Hof nach Husum spurlos.<br />
Friederike Schmöe<br />
Wernievergibt<br />
..............................................<br />
276 S. · 978-3-8392-1135-9 · € 9,90<br />
TOD IM KAUKASUS Die Münchner<br />
Ghostwriterin Kea Laverde reist<br />
nach Georgien, um eine Journalistin<br />
zu treffen. Doch diese ist verschwunden.<br />
Ebenso wie die Mezzosopranistin<br />
Clara Cleveland, die als gefeierte<br />
Künstlerin der Bayerischen Staatsoper<br />
ein Konzert in Tiflis gegeben hatte …<br />
Uwe Klausner<br />
Bernstein-Connection<br />
..............................................<br />
421 S. · 978-3-8392-1113-7 · € 11,90<br />
GEHEIME KRIEGSBEUTE Berlin<br />
1953. In der Nähe von Schloss Bellevue<br />
wird eine männliche Wasserleiche<br />
entdeckt. Kurz darauf wird das<br />
Grab eines unlängst bestatteten Geschäftsmannes<br />
geschändet. Alles nur<br />
Zufall? Keineswegs, wie Kommissar<br />
Tom Sydow herausfindet …<br />
Wir machen’s spannend
SCHWERPUNKT KRIMI & THRILLER<br />
0 die Merkmale einer tendenziell totalitären<br />
Kultur, in welcher der Mensch sich<br />
zwar unentwegt austauscht – und doch so<br />
allein ist wie nie zuvor.<br />
Das liegt indes nicht nur an der Eigendynamik<br />
der Technologien, sondern vor<br />
allem am Medikament Solon, das die Angst<br />
vor der Zukunft nimmt, weil nur noch die<br />
Gegenwart zählt. Mit der riskanten Nebenwirkung,<br />
dass alle menschlichen Beziehungen<br />
zum Scheitern verurteilt sind.<br />
Noch einen Kollateralschaden zeitigt das<br />
Massenpräparat. Aus unerfi ndlichen Gründen<br />
sind alle Bienen von der Erde verschwunden<br />
– und mit ihnen sämtliches<br />
Obst und Gemüse, nicht zu vergessen: alle<br />
Blumen.<br />
Hoffnung gibt der aller Flora entwöhnten<br />
Welt eine unvermutete Bienenattacke<br />
auf fünf junge Menschen auf verschiedenen<br />
Kontinenten. Die Gestochenen,<br />
aus deren Perspektive die episodische Geschichte<br />
erzählt wird, werden zunächst in<br />
strikt isolierten Laboratorien interniert –<br />
und schließlich mit einer eigentümlichen<br />
Mission auf eine einsame Insel gebracht:<br />
Sie sollen einander Geschichten erzählen.<br />
Coupland fabuliert zumal im ersten Teil<br />
seiner Vision nahe einer vorstellbaren Realität.<br />
„Generation A“ ist eine grandiose, mit<br />
satirischen und zeitkritischen Elementen<br />
unterfütterte Dystopie.<br />
Die Fortschrittsschelte des Paul McEuen<br />
ist weniger ironisch grundiert. Kein Wunder:<br />
Der Mann ist Professor für Nanotechnologie<br />
– und veröffentlicht regelmäßig in<br />
Blättern wie „Science“. Gleichwohl ist mit<br />
»Bei Paul McEuen<br />
geht es um<br />
einen extrem<br />
gefährlichen Pilz«<br />
einem Eintreten seiner Anti-Utopie nicht<br />
so rasch zu rechnen: In dem für einen Naturwissenschaftler<br />
fl ott erzählten Thriller<br />
„Spiral“ ersinnt er einen Pilz, der die gesamte<br />
Menschheit vernichten kann. Die<br />
perfi de Massenvernichtungswaffe, die im<br />
Zweiten Weltkrieg von Japanern entwickelt<br />
wurde, bringt einen Biologen ums Leben –<br />
und dessen Bezugspersonen fast um den<br />
Verstand. Immerhin müssen sie eine Bio-<br />
Lesezeichen<br />
waffe unschädlich machen, die auf den ersten<br />
Blick denkbar harmlos anmutet.<br />
Zwei weitere Ökothriller zeigen an, wie<br />
groß die Themenbreite des Subgenres ist:<br />
In „Aquagene“ verschränkt Cord Hagen die<br />
Folgen geschmolzener Polkappen mit dem<br />
Kampf um die letzten Erdölreserven in der<br />
Arktis. In „Die Saat“ befasst sich Fran Ray<br />
mit dem Zusammenhang zwischen genmanipuliertem<br />
Gemüse, Globalisierung<br />
und Überbevölkerung.<br />
So lange sich nicht nur in empfi ndsamen<br />
Esoterikern und notorischen Naturschützern<br />
so etwas wie ein ökologisches<br />
Weltgewissen regt, sondern auch<br />
in toughen Thrillerautoren, scheint unsere<br />
Biosphäre noch nicht ganz verloren. Das<br />
macht Mut. <br />
1. Sven Böttcher: Prophezeiung. Kiepenheuer & Witsch, 400 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
2. Douglas Coupland: Generation A. Übersetzt von Clara Drechsler und Harald Hellmann. Tropen, 332 S., 19,95 € (D) •<br />
20,60 € (A) • 29,90 sFr.<br />
3. Paul McEuen: Spiral. Übersetzt von Rainer Schmidt. Scherz, 400 S., 18,95 € (D) • 19,50 € (A) • 28,90 sFr.<br />
4. Fran Ray: Die Saat. Bastei Lübbe, 512 S., 8,99 € (D) • 9,30 € (A) • 14,50 sFr.<br />
5. Cord Hagen: Aquagene. Heyne, 512 S., 9,99 € (D) • 10,30 € (A) • 17,90 sFr.<br />
28<br />
© Floris Leeuwenberg / Corbis<br />
Ständig in Kontakt<br />
und doch einsam –<br />
und dann gibt es in<br />
Douglas Couplands<br />
Thriller auch keine<br />
Bienen mehr. Schuld<br />
ist ein Medikament<br />
buchjournal 1/2011
© Denis Stanisic<br />
Manche mögen’s schwer: Buchjournal-<br />
Redakteurin Sabine Schmidt<br />
hat keine Angst vor dicken<br />
Büchern und ernsten Themen –<br />
sie empfi ehlt „Sterbenskalt“ von<br />
Tana French.<br />
Dublins<br />
dunkle Seiten<br />
^ Darum geht es: Vor 20 Jahren wollte Frank abhauen, zusammen<br />
mit seiner großen Liebe Rosie, weg von seinem saufenden,<br />
prügelnden Vater und dem Rest seiner schrecklichen Familie.<br />
Doch Rosie kam nicht zum verabredeten Zeitpunkt, ist seitdem<br />
spurlos verschwunden, und er glaubte, dass sie ihn sitzen ließ –<br />
bis ihre Leiche im Keller eines leer stehenden Hauses in<br />
Dublin gefunden wird. Frank, der damals allein und mit<br />
gebrochenem Herzen in ein neues Leben als Polizist aufbrach,<br />
ermittelt – und ist wieder mit seiner Familie konfrontiert.<br />
^ Das ist das Besondere: „Sterbenskalt“ ist auch ein<br />
Krimi mit zwei Mordfällen und einem unkonventio-<br />
Sabine Schmidt nellen Ermittler. Aber am meisten Raum nimmt Franks<br />
Lebensgeschichte und die seiner Familie ein – und Tana<br />
French ist sehr überzeugend in dem, was sie sagen will:<br />
dass es schwer ist, sich selbst von einer kaputten Familie zu<br />
lösen; und dass es wichtig ist, es dennoch zu tun. Es ist ein Krimi,<br />
der zum Nachdenken anregt und Mut macht, die Grenzen,<br />
die einem Leben gesetzt sind, zu überwinden.<br />
^ Für wen ist das? Vor allem für hartgesottene Leser. Nicht<br />
nur, dass es mit 600 Seiten ein Backstein von einem Buch ist. Es<br />
ist auch harter Tobak mit der ganzen Familientristesse und<br />
dem Unterschichtenmist. Aber es ist ein fesselndes Buch für<br />
alle, die sich von einem Krimi nicht nur Unterhaltung versprechen,<br />
sondern sich auch mit den dunklen Seiten des Lebens<br />
auseinandersetzen wollen. <br />
^ Tana French: „Sterbenskalt“.<br />
Übersetzt von Ulrike Wasel und<br />
Klaus Timmermann. Scherz,<br />
608 S., 16,95 € (D) •<br />
17,50 € (A) • 25,90 sFr.<br />
Tana French: „Sterbenskalt“.<br />
Gelesen von Dietmar<br />
Wunder. Argon, 6 CDs,<br />
19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 31,90 sFr.<br />
buchjournal 1/2011 29<br />
BUCHJOURNAL-TIPP<br />
j<br />
Der neue<br />
Gerichtsthriller<br />
von Joseph Teller!<br />
EMILIE RICHARDS<br />
Mrs. Wilcox und der<br />
Jahrmarkt der Eitelkeiten<br />
ISBN 978-3-89941-820-0<br />
352 Seiten / 7,95 € [D]<br />
ERICA SPINDLER<br />
Im Schatten des Mörders<br />
ISBN 978-3-89941-827-9<br />
480 Seiten / 7,95 € [D]<br />
HEATHER GRAHAM<br />
Ahnentanz<br />
ISBN 978-3-89941-811-8<br />
384 Seiten / 8,95 € [D]<br />
Band 1 der<br />
Flynn-Brother Trilogie<br />
M.J. ROSE<br />
Der Beethoven-Fluch<br />
ISBN 978-3-89941-802-6<br />
480 Seiten / 8,95 € [D]<br />
KAT MARTIN<br />
Das Schweigen der Rose<br />
ISBN 978-3-89941-803-3<br />
544 Seiten / 8,95 € [D]<br />
J.T. ELLISON<br />
Poesie des Todes<br />
ISBN 978-3-89941-791-3<br />
416 Seiten / 8,95 € [D]<br />
JOSEPH TELLER<br />
Das Gesetz der Bronx<br />
ISBN 978-3-89941-819-4<br />
384 Seiten / 8,95 € [D]<br />
COSY CRIME THRILLER<br />
THRILLER<br />
THRILLER<br />
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Deutschen Telekom (Mo bis Fr: 9 - 20 Uhr) www.mira-taschenbuch.de
Krimiland<br />
Deutschland<br />
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978-3-89705-798-2 · 9,90 EUR<br />
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978-3-89705-793-7 · 10,90 EUR<br />
erscheint im März 2011!<br />
emons: neu<br />
SCHWERPUNKT KRIMI & THRILLER<br />
Der Italien-Urlaub als Horrortrip: In Martin Maurers<br />
Politthriller „Terror“ gerät eine Familie ins Visier staatlicher Gewalt.<br />
Dunkle Machenschaften<br />
TEXT: ECKART BAIER<br />
J eder<br />
kennt wahrscheinlich<br />
Leute,<br />
die steif und fest behaupten,<br />
die Mondlandung<br />
war von der<br />
NASA nur vorgetäuscht,<br />
Paul McCartney<br />
sei tot und wurde<br />
durch einen Doppelgänger<br />
ersetzt und<br />
hinter den Anschlägen<br />
vom 11. September<br />
stecke in Wahrheit<br />
der US-Geheimdienst.<br />
Derlei Verschwörungstheorien<br />
sind<br />
wahlweise zum Lachen<br />
oder zum Heulen<br />
– und doch gibt es Ereignisse, die nie<br />
restlos aufgeklärt wurden und zu Spekulationen<br />
Anlass geben. Etwa 1980 der Anschlag<br />
auf das Münchner Oktoberfest mit 13<br />
Toten oder, im selben Jahr, das Attentat auf<br />
den Hauptbahnhof von Bologna, bei dem 85<br />
Menschen starben. Immer wieder werden<br />
die Anschläge mit einer ominösen Geheimorganisation<br />
in Verbindung gebracht: Gladio,<br />
ein staatlich sanktioniertes Terror<strong>net</strong>zwerk,<br />
hinter dem die NATO, die CIA und<br />
der britische Geheimdienst stehen sollen.<br />
Mitten hinein in diese düstere Welt katapultiert<br />
uns Martin Maurer in seinem Thriller<br />
„Terror“. Im Mittelpunkt steht der Kameramann<br />
Marc Burth, der sich zusammen mit<br />
seiner Frau und ihrer kleinen Tochter eine<br />
Auszeit in einem Bergdorf in den ligurischen<br />
Alpen gönnt. Durch Zufall wird Marco Zeuge<br />
eines brutalen Überfalls auf den marokkanischen<br />
Nachbarn, der behauptet, er werde<br />
von Carabinieri drangsaliert. Marc geht der<br />
Sache nach und stößt mithilfe eines befreundeten<br />
Journalisten auf Hinweise, dass hinter<br />
den Vorgängen keine gewöhnlichen Kriminellen<br />
stecken. Sie fi nden heraus, dass die<br />
Schläger bereits im Umfeld von Attentaten<br />
wie dem auf das Oktoberfest 1980 auftauchten<br />
und auch an den polizeilichen<br />
Übergriffen beim G-8-<br />
Gipfel in Genua 2001<br />
beteiligt waren. Zu<br />
spät erkennt Marc,<br />
dass er durch seine Recherchen<br />
ins Visier der<br />
Staatsterroristen geraten<br />
ist und er und seine<br />
Familie in höchster<br />
Gefahr schweben.<br />
Alles Hirngespinste<br />
und Verschwörungstheorien<br />
könnte man<br />
meinen und Maurers Buch lediglich als originellen<br />
und spannenden Politthriller lesen.<br />
Doch was der 42-jährige Drehbuchautor<br />
in seinem ersten Roman ausbreitet,<br />
hat einen so brisanten wie realen Hintergrund:<br />
In Italien belegen Untersuchungskommissionen,<br />
Gerichtsverfahren und<br />
Dokumente die Verstrickung von Geheimdiensten<br />
in Terroranschläge – und das<br />
Netzwerk soll auch in Deutschland aktiv<br />
gewesen sein. Die politischen Fakten zum<br />
Buch fi nden sich übrigens auf dem Blog<br />
www.prenz lauerberger.wordpress.com.<br />
Die Geschichte des Terrorismus müsse<br />
neu aufgearbeitet werden, schreibt Maurer<br />
im Nachwort. Sein brisanter Thriller könnte<br />
vielleicht Anstoß sein, die Verstrickung<br />
deutscher Behörden in verdeckte Aktionen<br />
aufzuklären – und Verschwörungstheorien<br />
damit ein Ende zu bereiten. <br />
Lesezeichen<br />
Martin Maurer: Terror.<br />
DuMont, 384 S., 19,95 € (D) •<br />
20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
30<br />
© Moodboard Images<br />
Verdeckte Aktionen:<br />
Gibt es ein Netzwerk<br />
staatlichen Terrors?<br />
buchjournal 1/2011
Er ist einer der Besten – nur in Deutschland ist<br />
Elmore Leonard kaum bekannt. Höchste Zeit,<br />
dass sich das ändert.<br />
Elegant, leicht und<br />
unvorhersehbar<br />
TEXT: TOBIAS GOHLIS<br />
E r<br />
ist einer der besten lebenden Kriminalschriftsteller<br />
und dazu noch ein<br />
Mann, dessen Bücher in Hollywood heiß<br />
begehrte Ware sind. Und doch könnte es<br />
sein, dass dieser Elmore Leonard, geboren<br />
1925 in New Orleans, einfach zu gut ist für<br />
den deutschen Krimimarkt.<br />
Zu diesem Schluss kam der Kritiker Thomas<br />
Wörtche vor mehr als 16 Jahren. Wörtche<br />
damals: „‚Alligator‘ ist ein guter Roman,<br />
weil er erzählökonomisch meisterhaft<br />
gebaut ist, weil die Dialoge stimmen<br />
und Leonard verschiedene Handlungsstränge<br />
virtuos zu handhaben weiß. (...) Typologisierungen<br />
gibt es nicht. Solche uneindeutigen<br />
Verhältnisse sind wahrscheinlich<br />
auch der Grund, warum Leonards<br />
Bücher hier nicht allzu beliebt sind. Er repräsentiert<br />
keinen Standpunkt, er steht für<br />
nichts anderes als für seine dichterische<br />
Wahrheit. Und er produziert keinen Kitsch,<br />
will heißen: kein geschlossenes Weltbild<br />
nebst ideologischem Wertmaßstab.“<br />
Leider trifft das ebenfalls auf sein neues<br />
Buch zu, das der Eichborn Verlag mit der<br />
heroischen Absicht herausgebracht hat,<br />
Elmore Leonard auch in Deutschland<br />
einem breiteren Publikum bekannt zu<br />
machen. „Road Dogs“ heißt das Stück.<br />
„Road Dogs. Das war so ein Knastding.<br />
Wenn man nicht zu einer der Gangs gehörte,<br />
für die alle anderen automatisch<br />
Feinde waren, tat man sich zu zweit zusammen.“<br />
Im Knast von Miami sind es Jack Foley,<br />
der so um die 200 Banken ausgeraubt hat,<br />
und der kleine kubanische Dealer Cundo<br />
Rey. Der sucht Unterstützung beim großen<br />
coolen Bankräuber, obwohl er sie vielleicht<br />
gar nicht braucht. Denn Cundo ist<br />
so reich, das er anderen Gefälligkeiten erweisen<br />
kann. So auch Foley. Ganz ohne<br />
Not verschafft und bezahlt er ihm eine<br />
buchjournal 1/2011 31<br />
DUNKELKAMMER_DIE KRIMIKOLUMNE<br />
Tobias Gohlis<br />
schlaue Anwältin, der es im Handumdrehen<br />
gelingt, aus 30 Jahren Knast 30 Monate<br />
zu machen. Das Ergebnis: Im Abstand<br />
von nur zwei Wochen werden Cundo<br />
und Foley freikommen.<br />
Foley ist der Erste, und da er nicht weiß,<br />
was er sonst machen soll, reist er nach Venice<br />
in Kalifornien und quartiert sich in<br />
einem von Cundos Häusern ein. Im rosa<br />
Haus gegenüber wohnt Cundos Ehefrau<br />
Dawn Navarro, die geschworen hat, ihrem<br />
Gatten sieben Knastjahre lang treu zu sein.<br />
Was von dem Schwur zu halten ist, erfährt<br />
Foley am zweiten Tag. Alles kommt –<br />
und das ist große Kunst, wie Leonard über<br />
kleine Andeutungen und viel Dialog<br />
erzählt – so ein bisschen ins Rutschen: die<br />
Freundschaft der beiden Road Dogs, die<br />
Ehe, Dawns andere Liebschaften. Wer<br />
ist auf wessen Seite? Was ist wahr? Was gelogen?<br />
Foley, der es auch nicht weiß, hat eins gelernt:<br />
nur so gierig zu sein, wie er es verkraften<br />
kann. Deshalb wird er überleben. Und<br />
vielleicht auch noch einmal von George<br />
Clooney dargestellt werden, wie schon in<br />
der Verfi lmung des Vorgängerbands „Out of<br />
Sight“ (der deutsche Titel des Buchs ist „Zuckerschnute“).<br />
In seiner Eleganz, Leichtigkeit<br />
und Unvorhersehbarkeit ist „Road<br />
Dogs“ äußerst charmant. <br />
^ Tobias Gohlis ist Sprecher der<br />
KrimiWelt-Bestenliste.<br />
www.arte.tv/krimiwelt<br />
Elmore Leonard: Road Dogs.<br />
Übersetzt von Conny Lösch und<br />
Kirsten Riesselmann. Eichborn,<br />
304 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) •<br />
30,50 sFr.<br />
© Marco Grundt<br />
Urknall<br />
PETER ZEINDLER liest an der<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Ab 1. März 2011 im Handel erhältlich.
SCHWERPUNKT KRIMI & THRILLER<br />
Serien scheinen etwas Magisches zu haben – nicht nur für Leser, sondern<br />
auch für Autoren. Zum Beispiel Martin Suter und Åke Edwardson: Der<br />
eine hat jetzt eine angefangen, der andere kann nicht aufhören.<br />
folgt …<br />
TEXT: SABINE SCHMIDT<br />
K aum<br />
war der Krimi geboren, erblickte<br />
auch der Serienheld das Licht – oder<br />
eher: das Dunkel – der Welt. In allen möglichen<br />
Varianten: Agatha Christies Miss<br />
Marple (tatsächlich: gleich zu Beginn eine<br />
Frau im Männergenre), Raymond Chandlers<br />
Marlowe, Georges Simenons Maigret, Henning<br />
Mankells Wallander, Donna Leons<br />
Bru<strong>net</strong>ti, Fred Vargas’ Adamsberg. Und<br />
viele, viele mehr, unter ihnen inzwischen<br />
auch (wieder) weibliche Ermittler.<br />
Was andere Autoren langweilig fi nden,<br />
nämlich immer mit demselben Typen am<br />
Schreibtisch zu sitzen, schätzen die Erfi nder<br />
von Serienhelden gerade. Und ihre Geschichten<br />
werden schwer geliebt. Vielleicht<br />
weil manche der Helden über die Jahre fast<br />
so etwas wie Freunde werden. Starke, coole,<br />
clevere, integre oder auf eine berührende Art<br />
© Anders Deros Fortsetzung<br />
angeschlagene Typen, die Gerechtigkeit<br />
wollen. Oder kauzige, schrullige Figuren,<br />
mit denen man Abstand zur Welt gewinnt.<br />
Diese letzte Variante des Serienhelden hat<br />
sich Martin Suter ausgewählt. Der Schweizer<br />
Bestsellerautor hat jetzt mit einer Krimiserie<br />
begonnen, wenn auch mit einer der etwas<br />
anderen Art: Sein Held Johann <strong>Friedrich</strong> von<br />
Allmen ist erst einmal nicht einer der Guten,<br />
sondern einer der Übeltäter. Nachdem er<br />
sein Erbe durchgebracht hat, fi nanziert er<br />
seinen ausgeprägten Hang zum Luxus, indem<br />
er Antiquitäten stiehlt. Als er aber bei<br />
einem Rendezvous mit einer Millionenerbin<br />
kostbare Jugendstilvasen mitgehen lässt,<br />
gibt es bald einen Toten, auch auf von Allmen<br />
wird geschossen – und am Ende beschließt<br />
er, nicht nur die Polizei zu unter-<br />
Schwedisch ernst:<br />
Åke Edwardson gibt Einblicke<br />
in eine gequälte Seele<br />
»Ich vermisse Winter sehr, schließlich<br />
waren wir 15 Jahre zusammen«<br />
Åke Edwardson<br />
stützen, sondern es auch selbst<br />
einmal mit Arbeit zu versuchen: Er<br />
gründet „Johann <strong>Friedrich</strong> von Allmen. International<br />
Inquiries“ – in der Hoffnung,<br />
mit Ermittlungen einen Steinway und sein<br />
auch sonst nicht unaufwendiges Leben zu<br />
fi nanzieren.<br />
In Suters Auftakt seiner Serie geht es nicht<br />
darum, dass es ein bisschen Gerechtigkeit<br />
gibt in einer ansonsten eher dunklen Welt.<br />
Sondern darum, mit einem leichten, amüsanten<br />
Gegenentwurf zum Alltag und zu den<br />
(Leistungs-)Ansprüchen einer immer verrückter<br />
werdenden Welt aus ebendiesem<br />
Alltag auszusteigen. So, wie sich auch von<br />
Allmen seine kleinen und großen Auszeiten<br />
nimmt – er selbst nennt das „Leben schwänzen“.<br />
Schwedisch ernst geht es dagegen in Åke<br />
Edwardsons Serie um den Göteborger<br />
Kommissar Erik Winter zu, auch in seinem<br />
zehnten Fall. Nach dem Mord an zwei jungen<br />
Frauen kommt er einem Täter auf die<br />
Spur, der sich für etwas rächen will, was<br />
ihm als Jugendlichem angetan wurde. Das<br />
ist die gewohnt gute Spannungsliteratur<br />
des beliebten Autors um seinen oft ein wenig<br />
depressiven, snobistischen (jedenfalls<br />
für schwedische Verhältnisse), aber auf<br />
viele Leser sympathisch wirkenden Serienhelden.<br />
Eines aber war dieses Mal anders:<br />
Der Titel des Buchs ist Programm – „Der<br />
letzte Winter“ sollte der letzte Band der<br />
Reihe und auch Edwardsons letzter Krimi<br />
werden.<br />
Der Autor fand, dass er mit seinem zehnten<br />
Band ein gutes Serienende gefunden hatte:<br />
„Hier greifen alle Themen, die mir wichtig<br />
sind, ineinander“, sagt er im Buchjour-<br />
Lesezeichen<br />
Martin Suter: Allmen und die Libellen. Diogenes,<br />
208 S., 18,90 € (D) • 19,50 € (A) • 29,90 sFr.<br />
Åke Edwardson: Der letzte Winter. Übersetzt von<br />
Angelika Kutsch. Ullstein, 512 S., 19,95 € (D) •<br />
20,60 € (A) • 33,90 sFr.<br />
32<br />
buchjournal 1/2011
nal-Interview: „dass niemand seiner<br />
Vergangenheit entkommen kann; dass Kinder<br />
schutzlos sind – ich habe selbst sehr früh<br />
herausgefunden, dass man Erwachsenen<br />
nicht trauen kann, auch denen nicht, die<br />
einem nahestehen; und dass jeder immer<br />
auch ein Opfer ist“.<br />
Es sei Zeit für Geschichten, die keine<br />
Krimis sind, meinte Edwardson. Aber er hatte<br />
nicht mit seinen Fans gerech<strong>net</strong>, die so gar<br />
nicht glücklich darüber waren, dass Schluss<br />
mit Winter sein sollte. Und er hatte auch mit<br />
sich selbst nicht gerech<strong>net</strong>: „Ich vermisse<br />
Winter sehr, schließlich waren wir 15 Jahre<br />
zusammen.“ Und dann kommt die gute<br />
Nachricht für alle Fans: „Es wird doch noch<br />
einen weiteren Band mit Erik Winter geben“<br />
– 2013 soll er in Schweden erscheinen.<br />
Auch und gerade in Edwardsons Heimat<br />
gilt also, dass etwas Magisches an der Serie<br />
ist. Aber ebenso, dass die Serienzahl, die das<br />
Überelternautorenpaar Sjöwall / Wahlöö in<br />
den 60er und 70er Jahren ihren inzwischen<br />
zahlreichen Nachfolgern vorgegeben hat –<br />
nach zehn Bänden ist Schluss –, nicht unantastbar<br />
ist. <br />
PIPER.BÜCHER, ÜBER DIE MAN SPRICHT.<br />
»Bei Theorin sind<br />
alle Lobeshymnen<br />
angebracht.« Brigitte<br />
Beklemmend und extrem spannend: der<br />
dritte Teil der Öland-Reihe – ein Kriminal -<br />
roman über die dunklen Mythen einer Insel<br />
und ein grausiges Familiengeheimnis.<br />
Aus dem Schwedischen von Kerstin Schöps.<br />
448 Seiten. Gebunden € 19.95 (D)/€ 20.60 (A)/sFr 30.50*<br />
*unverb. Preisempf.<br />
www.piper.de<br />
Kleine Auszeit:<br />
Martin Suter nimmt<br />
den Krimi leicht<br />
»Johann <strong>Friedrich</strong> von Allmen: ein<br />
Übeltäter, der das Leben schwänzen will«<br />
Martin Suter<br />
© Anna Weise
SCHWERPUNKT KRIMI & THRILLER<br />
Leichen, von denen fast nichts übrig blieb, sind David Hunters Arbeitsgebiet. Mit dem neuen<br />
Roman um den forensischen Anthropologen liefert Simon Beckett erneut harte Krimikost.<br />
Die Tote in den Sümpfen<br />
TEXT: ULRICH BARON<br />
Verwesung sei eine Frage der Umgebung,<br />
heißt es in Simon Becketts<br />
viertem Roman mit dem forensischen Anthropologen<br />
David Hunter: „Je tiefer etwas<br />
vergraben ist, desto länger wird es überdauern.“<br />
Erst recht in den sumpfi gen Böden<br />
von Dartmoor, wohin David gerufen<br />
wird, um eine Leiche zu untersuchen. Es<br />
gelingt ihm, sie als Opfer eines Serienmörders<br />
zu identifi zieren, doch die Suche nach<br />
weiteren vermissten Mädchen bleibt erfolglos.<br />
Beckett greift in die Zeit kurz vor jenem<br />
tödlichen Unfall von Hunters Frau und<br />
Tochter zurück, nach dem sich David im<br />
ersten Band „Die Chemie des Todes“ als<br />
Landarzt zurückgezogen hatte. Der Unfall<br />
lässt den Erzählfaden dann reißen, aber<br />
acht Jahre später führt der Hilferuf einer<br />
Kollegin David nach Dartmoor zurück. Der<br />
Mann, der als Mörder verurteilt worden<br />
war, ist gefl ohen. In der von Sümpfen und<br />
Bergwerkstollen durchzogenen Gegend,<br />
wo schon der Hund der Baskervilles seine<br />
Opfer fand, sieht sich David bald als Verfolger,<br />
bald als Opfer eines Mannes, der wie<br />
ein fl eischgewordener Albtraum aussieht.<br />
Der 1968 in Sheffi eld geborene Beckett<br />
entwickelt den Hintergrund seines Helden<br />
weiter, lässt Hunter dabei aber kaum Zeit,<br />
seiner Profession nachzugehen. Verwesung,<br />
aasfressende Maden und Käfer, die<br />
in „Leichenblässe“ so grässliche Spuren<br />
hinterlassen haben, leisten ihm dazu nur<br />
die Vorarbeit. Als forensischer Anthropologe<br />
wird Hunter nämlich aktiv, wenn von<br />
einer Leiche zu wenig übrig ist, um einem<br />
Gerichtsmediziner Anhaltspunkte zu liefern.<br />
Hunter untersucht Knochen; er bestimmt<br />
Größe, Geschlecht und Alter und<br />
analysiert Spuren der Gewalt, die zum<br />
Tode geführt hat.<br />
Becketts Romangestalt ist also ein Kollege<br />
der forensischen Anthropologin Kathy<br />
Reichs und ihrer Thrillerheldin Temperance<br />
Brennan. Er selbst kam als Journalist<br />
aufs Thema, was ihn mit Patricia Cornwell<br />
verbindet, die mit ihren Kay-Scarpetta-Krimis<br />
zu den Pionierinnen der literarischen<br />
Leichenbeschau zählt. Beckett reiste 2002<br />
Lesezeichen<br />
j<br />
Simon Beckett: Verwesung. Übersetzt von<br />
Andree Hesse. Wunderlich, 480 S., 22,95 € (D) •<br />
23,60 € (A) • 34,90 sFr.<br />
Simon Beckett: Verwesung. Gelesen von<br />
Johannes Steck. Argon, 24,95 € (D ) •<br />
25,70 € (A) • 39,90 sFr.<br />
© Malte Braun<br />
in den US-Bundesstaat Tennessee, um über<br />
jene „Leichenfarm“ zu berichten, die Cornwell<br />
1994 in „Body Farm“ (Hoffmann und<br />
Campe) beschrieben hat. Diese Forschungseinrichtung<br />
war 1980 von William<br />
Bass gegründet worden, um Verwesungsprozesse<br />
unter kontrollierten Bedingungen<br />
zu studieren.<br />
Simon Beckett war so beeindruckt, dass<br />
er die Body Farm zum Angelpunkt seiner<br />
Hunter-Romane machte, die in Deutschland<br />
mehr als drei Millionen Mal verkauft<br />
wurden. „Bodyfarmer“ Bill Bass wiederum<br />
hat nicht nur ein Sachbuch über seine Arbeit<br />
geschrieben („Der Knochenleser“; erschienen<br />
bei Goldmann), sondern auch<br />
Krimis. Und schon ein Veteran der forensischen<br />
Anthropologie hat ein populäres<br />
Buch veröffentlicht, das Beckett inspiriert<br />
hat – William R. Maples „Knochengefl üster“<br />
(Birkhäuser Verlag). Dessen Originaltitel<br />
klingt heute prophetisch: „Tote erzählen<br />
Geschichten“. Und das ungemein<br />
lebendig. <br />
34<br />
Simon Beckett: Die „Leichenfarm“ in<br />
Tennesse ist Angelpunkt seiner Thriller<br />
Zur Person<br />
Bevor er sich dem Schreiben widmete, arbeitete<br />
Simon Beckett als Hausmeister,<br />
Lehrer und Schlagzeuger. Seine ersten<br />
beiden Thriller um den forensischen Anthropologen<br />
Dr. David Hunter, „Die Chemie<br />
des Todes“ und „Kalte Asche“, standen<br />
in Deutschland monatelang auf der<br />
Bestsellerliste. Der 42-jährige Engländer<br />
ist verheiratet und lebt in Sheffi eld.<br />
buchjournal 1/2011
Zukunft für Kinder !<br />
JA, ICH MÖCHTE HELFEN UND PATE WERDEN!<br />
<br />
<br />
Unterstützen möchte ich gerne:
© Konrad Theiss Verlag<br />
SCHWERPUNKT KRIMI & THRILLER<br />
Eine der schwierigsten Fragen ist die nach einem Lieblingskrimi, meint Schriftstellerin<br />
Andrea Maria Schenkel. Wir haben sie ihr und drei weiteren Prominenten trotzdem gestellt.<br />
Heinrich Steinfest, seine Romane<br />
wurden vielfach ausgezeich<strong>net</strong>; kürzlich<br />
erschien Steinfests „Stuttgart 21“-Krimi<br />
„Wo die Löwen weinen“ (Theiss)<br />
HEINRICH STEINFEST<br />
Realistisch irreal<br />
»<br />
In Highsmith’ Büchern begegnen uns Menschen,<br />
deren merkwürdiges, irreales Verhalten so absolut realistisch<br />
anmutet. So sind wir nämlich: gefangen in unseren Unarten.<br />
Und dass wir das fatale Ende erkennen, nützt uns rein gar nichts. Im<br />
„Schrei der Eule“ wird das Motiv des Voyeurs radikal durchbrochen,<br />
indem Betrachter und Betrachtete die Distanz der Betrachtung und des<br />
Betrachtetwerdens restlos aufl ösen. Im Grunde wie bei einem Gemälde,<br />
bei dem Bild und Rezipient auf eine tödliche Weise eins werden.<br />
Wer das Buch liebt, sollte sich unbedingt auch die kongeniale Neuverfi<br />
lmung von Jamie Thraves ansehen. Und umgekehrt.«<br />
^ Patricia Highsmith: „Der Schrei der Eule“. Übersetzt von Irene Rumler. Diogenes,<br />
425 S., 6,– € (D) • 6,20 € (A) • 10,90 sFr.<br />
© Heiner Stöcker<br />
ANDREA MARIA SCHENKEL<br />
Ahnungsloser Held<br />
»<br />
Eine der schwierigsten Fragen ist<br />
die nach einem Lieblingskrimi.<br />
Ich bekenne mich schuldig, ich habe<br />
nicht nur ein Buch, das mir besonders<br />
am Herzen liegt, ich habe eine ganze<br />
Liste davon. Habe ich mich nach<br />
langem Überlegen und schlafl osen<br />
Andrea Maria Schenkel, Nächten für eines entschieden, ver-<br />
mit ihrem Debüt „Tannöd“ werfe ich den Gedanken am nächsten<br />
(2006) sorgte die Autorin, Tag gleich wieder. Nach zähem Ringen<br />
die bei Regensburg lebt, für<br />
bleibt letztlich doch ein Favorit übrig.<br />
Furore – es folgten die Krimis<br />
„Kalteis“ und „Bunker“ Carlo Lucarelli. Warum er? Jedes<br />
Buch ist anders, nirgends ein wiederkehrendes<br />
Muster. Lucarelli ist unglaublich vielseitig und<br />
facettenreich, und welcher andere Autor schickt schon wie<br />
Lucarelli in „Mafi a alla Chinese“ einen ahnungslosen,<br />
schwer fi ebernden Helden auf Verbrecherjagd.<br />
Ich fi nde die Idee auch nach vielen<br />
Jahren noch immer großartig.«<br />
^ Carlo Lucarelli: „Mafi a alla Chinese“. Fischer Taschenbuch,<br />
120 S. – Der Titel ist derzeit leider vergriffen<br />
36<br />
buchjournal 1/2011
VOLKER KLÜPFEL<br />
Großer Rätselspaß<br />
»<br />
Wer Rätselkrimis liebt, muss diesen (in Vergessenheit<br />
geratenen) Klassiker lesen: Ein Mord in einem verschlossenen<br />
Raum stellt für Schriftsteller und ihre<br />
Detektive immer eine besondere Herausforderung dar –<br />
auch wir haben uns an eine satirische Interpretation dieses<br />
Themas gewagt. Was Leroux jedoch daraus macht, ist<br />
atemberaubend: Der Fall scheint absolut unlösbar – und am<br />
Schluss habe ich mich doch gefragt, warum ich<br />
so vernagelt war, die Spuren, die im Laufe der<br />
Geschichte gelegt wurden, nicht richtig gedeutet<br />
zu haben. Ein großer Rätselspaß für<br />
Freunde des scharfen Detektivverstands.«<br />
<br />
^ Gaston Leroux: „Das geheimnisvolle Zimmer“. Area Verlag,<br />
256 S. Der Titel ist derzeit leider vergriffen<br />
buchjournal 1/2011 37<br />
© Peter von Felbert<br />
Volker Klüpfel, die „Kommissar<br />
Kluftinger“-Romane, die er zusammen<br />
mit Michael Kobr schreibt, sind Kult. Im Mai<br />
»<br />
erscheint ihr neuer Fall: „Schutzpatron“<br />
WÄHREND DEIN LEBEN<br />
PERFEKT SCHEINT ...<br />
LAUERT ER IM DUNKELN.<br />
HANNELORE HOGER<br />
Enorme Wut<br />
Der erste Krimi, den ich gelesen habe, war<br />
wohl ein Roman von Dostojewski –<br />
„Schuld und Sühne“ vielleicht. Um bei „Bella Block“ zu bleiben:<br />
Als mir die Rolle angeboten wurde, hatte Doris Gercke erst<br />
zwei oder drei Bücher geschrieben. Ihr erster Roman gefi el mir<br />
am besten: „Weinschröter,<br />
du musst hängen“. Ich<br />
spürte die Schubkraft der<br />
Empörung, die Wut der<br />
Autorin. Menschen, die die<br />
naive Gutgläubigkeit einer<br />
Schwächeren, eines halben<br />
Kindes, mit Grausamkeit<br />
und Demütigung beant-<br />
© Ci<strong>net</strong>ext<br />
Hannelore Hoger, populär wurde die<br />
Schauspielerin durch ihre Rolle als<br />
eigensinnige TV-Kommissarin Bella Block<br />
<br />
<br />
worten und so Hass säen.«<br />
^ Doris Gercke: „Weinschröter, du<br />
musst hängen“. Fischer Taschenbuch,<br />
128 S., 7,95 € (D) • 8,20 € (A) •<br />
12,90 sFr.
Stratmanns Welt<br />
Schlecht geschlafen, schlecht gelaunt – das fängt ja gut<br />
an mit unserer neuen Buchjournal-Kolumnistin. Ein<br />
Spaziergang am Rhein und ein selbst genähtes Kleid<br />
bringen die Autorin aber schnell wieder in die Spur – und<br />
die Rehabilitierung eines unterschätzten Satzzeichens.<br />
Jetzt; schreibe; ich;<br />
TEXT: CORDULA STRATMANN<br />
Einen wunderschönen guten Tag allerseits. Ich möchte Sie aufs<br />
Allerherzlichste begrüßen und Ihnen einen großartigen Verlauf<br />
des heutigen Tages wünschen. Das mache ich natürlich, weil<br />
ich es grundsätzlich besser fi nde, wenn man gute Tage hat und<br />
wenn es Leute gibt, die einem das auch ausdrücklich wünschen<br />
und weil Sie mich beim Lesen meiner ersten Zeilen sofort zackzack<br />
ins Herz schließen sollen. Das müsste hoffentlich geklappt haben.<br />
Den Jan Weiler können Sie nämlich vergessen. Der kommt jetzt<br />
nicht mehr. Ich mache das jetzt.<br />
Und da wäre es natürlich gut, wenn Sie den Wechsel, der ja nicht<br />
ganz leicht für uns alle ist, mithilfe meiner freundlichen Worte<br />
gleich zu Beginn harmonisch vollziehen könnten.<br />
Mir gehen nur gerade die freundlichen Worte aus, weil ich heute<br />
mit einer üblen Übellaunigkeit geschlagen bin, dass es nur so eine<br />
Art hat. Ich musste mich für die Begrüßung schon immens am<br />
Riemen reißen.<br />
Dass ich mich hier nun aber versuche unter Kontrolle zu halten,<br />
steht Ihnen ganz einfach zu, denn ich bin absolut nicht der Meinung,<br />
dass Sie außer mir auch noch Leidtragende von dem Umstand<br />
werden sollten, dass ich heute Nacht saumäßig geschlafen<br />
habe, weil mir der rechte Arm eingeschlafen war, und zwar über<br />
mehrere Stunden. Das fi nde ich für jemanden, der sich nachts verdientermaßen<br />
eine Mütze Schlaf wünscht, zwar unzumutbar, der<br />
Rezipient eines Textes aber sollte doch unbedingt von Nachteilen,<br />
mit denen der erstellende Autor zu kämpfen hatte, unbehelligt<br />
bleiben. Meine Meinung. Zumal mein Arm schon längst keine<br />
Probleme mehr macht. Meine Laune schon.<br />
Weil ich ja wusste, dass ich mich heute an diese Kolumne setze,<br />
geriet ich natürlich in Panik, als ich so schlecht ausgestattet erwachte.<br />
Ich habe sofort sämtliche Maßnahmen ergriffen, die Abhilfe<br />
schaffen sollten: Ich habe gründlich gelüftet, auch mich, indem<br />
ich erst einmal eine Runde an den Rhein gegangen bin; ich<br />
habe mir nach meiner Rückkehr einen Kaffee, einen Tee und einen<br />
Kakao mit Sahne zubereitet; ich habe mir 41 Folgen „Sopranos“ auf<br />
DVD angeschaut; ich habe mir ein Kleid genäht.<br />
Das habe ich jetzt auch an, es kneift allerdings am Bauch, weil ich<br />
den Schnitt nicht in meiner Größe dahatte. Ansonsten steht es mir<br />
sehr gut, da ich einen roten Stoff verwandt habe – und Rot hebt ja<br />
bekanntlich die Stimmung. So langsam geht es jetzt auch wieder.<br />
»Jan Weiler kommt nicht<br />
mehr, ich mache das jetzt«<br />
Was mich fast auch schon vergnüglich stimmt, ist die Tatsache,<br />
dass ich in der obigen Aufzählung dreimal ein Semikolon einsetzen<br />
konnte. Das Semikolon ist ja bei vielen sehr in Vergessenheit<br />
geraten, ist uns aber doch vor allem in längeren Texten stets<br />
ein emsiger Helfer. In Aufzählungen zum Beispiel immer nur mit<br />
Kommata zu operieren überfordert diese und ignoriert wiederum<br />
die Möglichkeiten, die uns das Semikolon bietet. Nicht umsonst<br />
besteht das Semikolon aus Punkt UND Komma. Jetzt zählen Sie<br />
mal zusammen, was für einen tollen Job das Semikolon jahrein,<br />
jahraus macht! Die beiden Kollegen können nämlich jeder nur die<br />
Hälfte! Der Punkt macht Schluss mit dem Satz, das Komma unterteilt<br />
ihn. Das Semikolon wiederum unterteilt energischer, fährt<br />
den Satz aber nicht so vor die Wand wie der Punkt.<br />
Mensch, nun bin ich aber doch froh, dass ich so drangeblieben<br />
bin und nicht gleich hingeschmissen habe, als ich heute Morgen<br />
so schief gewickelt war; so haben Sie für die Zeit bis zur nächsten<br />
Ausgabe nämlich wichtige Anregungen bekommen für das Verfassen<br />
Ihrer Texte; ich helfe gern; herzlichst; Ihre; Cordula; Stratmann.<br />
<br />
^ Cordula Stratmann, geboren 1963, zählt zu den<br />
erfolgreichsten deutschen Komikerinnen. Sie ist<br />
vielfach preis gekrönt: vom Deutschen Comedypreis<br />
über die Goldene Kamera bis zum Bayerischen Fernsehpreis.<br />
„Sie da oben, er da unten“ ist ihr erster Roman.<br />
http://cordula-stratmann.de<br />
Cordula Stratmann: Sie da oben, er da unten.<br />
Kiepenheuer & Witsch, 256 S.,<br />
13,95 € (D) • 14,40 € (A) • 21,90 sFr.<br />
38<br />
© Boris Breuer<br />
buchjournal 1/2011
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ROMANE_FAMILIENGESCHICHTE<br />
Ihr Debüt „Der Schwimmer“ wurde vielfach preisgekrönt und machte die Autorin<br />
berühmt. Neun Jahre später erscheint nun Zsuzsa Bánks zweiter Roman.<br />
„Ich leide<br />
mit meinen<br />
Figuren“<br />
INTERVIEW: ANITA STRECKER<br />
I n<br />
ihrem neuen Roman „Die hellen Tage“<br />
führt Zsuzsa Bánk in die romantische<br />
Landschaft einer süddeutschen Kleinstadt,<br />
in der drei Kinder, Aja, Karl und Therese,<br />
zusammenfinden. In dieser äußerlich heilen<br />
Kinderwelt wachsen doch alle mit Traumata,<br />
Lügen und Geheimnissen auf, die sie<br />
und ihre Familien zur Schicksalsgemeinschaft<br />
zusammenschweißen. Es entsteht<br />
ein Beziehungsgeflecht, in dem alle lernen,<br />
sich zu stützen und trotz aller Verletzungen<br />
ihren Weg zu finden.<br />
Frau Bánk, wird ein Erwachsener zwangsläufig<br />
zu dem, was er als Kind erfährt?<br />
Zsuzsa Bánk: Vielleicht nicht 100-prozentig,<br />
aber bis zu einem bestimmten Grad<br />
glaube ich schon daran, dass wir später als<br />
Erwachsene das sind, was in unserer Kindheit<br />
angelegt wurde. Diese Frage habe ich<br />
auch für mich versucht zu beantworten.<br />
Oder was uns Kindern zuzumuten ist, um<br />
noch halbwegs stabil ins Erwachsenenleben<br />
zu gehen. Und wie wir es schaffen,<br />
uns davon zu befreien. Es geschieht ja<br />
beides in dem Buch.<br />
Am Ende des Romans hat man das Gefühl, alles<br />
hatte eine Zwangsläufigkeit. Hatten Sie die<br />
ganze Geschichte schon im Kopf, als Sie mit<br />
dem ersten Satz begonnen haben?<br />
Nein, das habe ich nie. Die Geschichte<br />
entwickelt sich während des Schreibens.<br />
Natürlich gibt es einige Dinge, die mir von<br />
Anfang an klar waren, die ich als Motive zu<br />
Beginn habe einfließen lassen und die immer<br />
wieder auftauchen. Aber ich webe daran,<br />
weiß noch nicht, wohin es führen wird,<br />
welche Stärke oder Relevanz sie gewinnen.<br />
Wie legen Sie Ihre Figuren an, wenn sie erst im<br />
Laufe des Schreibens erwachsen werden?<br />
Es beginnt mit einem Bild, und das sehe<br />
ich ganz deutlich. Dieses Mal war es dieser<br />
Garten, die Weizenfelder, der Bachlauf, die<br />
Schaukel, die schwingt. Ich kann mir auch<br />
Zur Person<br />
Zsuzsa Bánk, geboren 1965, arbeitete als Buchhändlerin<br />
und studierte anschließend Publizistik,<br />
Politikwissenschaft und Literatur. Für ihren ersten<br />
Roman „Der Schwimmer“ (2002) wurde sie<br />
unter anderem mit dem „aspekte“-Literaturpreis,<br />
dem Deutschen Bücherpreis und dem Chamisso-<br />
Preis ausgezeich<strong>net</strong>. Die Autorin lebt mit ihrem<br />
Mann und zwei Kindern in Frankfurt am Main.<br />
40<br />
© Alex Kraus<br />
Schriftstellerin<br />
Zsuzsa Bánk:<br />
„Es ist nicht schön,<br />
dreieinhalb Jahre<br />
in Klausur zu leben“<br />
die Hauptfiguren genau vorstellen. Ihre Art<br />
zu sein, zu empfinden und wie sie aufeinanderstoßen.<br />
Irgendwann entwickeln sie eine<br />
Eigendynamik, beginnen ein eigenes Leben<br />
zu leben. Das klingt absurd, als müsste ich<br />
dafür dann nichts mehr tun. Aber ich<br />
könnte ihnen nichts andichten, was nicht in<br />
ihren natürlichen Lauf passen würde.<br />
Welche Beziehung bauen Sie zu ihnen auf ?<br />
Ich entwickle eine ganz innige Beziehung<br />
zu ihnen. Das ist ganz entsetzlich und quälend.<br />
Ich leide mit ihnen, kann es kaum aushalten.<br />
Seit der Roman abgegeben ist, kann<br />
ich auch kaum mehr in diese 550 Seiten<br />
schauen, weil mich das so bewegt.<br />
Sie sind selbst Mutter, schauen Sie seit dem Roman<br />
auch bei Ihren Kindern genauer hin?<br />
Das Schreiben hat sehr wenig mit meinem<br />
Alltagsleben und meinen Kindern zu tun.<br />
Aber die Grundsatzfragen interessieren<br />
mich natürlich auch bei meinen Kindern.<br />
Welche Erfahrungen machen sie, welche<br />
Schmerzen haben sie, über was kommen sie<br />
nicht hinweg, was wird sie stärken?<br />
buchjournal 1/2011
Wie geht das überhaupt, Schriftstellerin sein<br />
mit zwei kleinen Kindern?<br />
Das ist immer der Kampf zwischen bürgerlichem<br />
Leben und Künstlerleben. Ich arbeite<br />
zu Hause, brauche absolute Ruhe und<br />
Stille, und das geht nur, wenn die Kinder aus<br />
dem Haus sind. Also morgens bis zum<br />
Nachmittag. Ich habe mittlerweile eine Beamtenarbeitszeit:<br />
von 8.00 bis 15.30 Uhr.<br />
Kann man sich antrainieren, genau dann auch<br />
konzentriert zu sein?<br />
Ich musste mir das nicht antrainieren.<br />
Konzentration herzustellen ist nie das Problem.<br />
Ich bin an manchen Tagen vielleicht<br />
weniger ausgeruht. Als die Kinder klein<br />
waren, ich nachts wenig Schlaf hatte und<br />
am Schreibtisch fast eingeschlafen bin,<br />
war das lange mein einziges Problem. Die<br />
Konzentration nie. Sobald alle das Haus<br />
verlassen haben, funktioniert das sofort.<br />
Ich bin einfach besessen und sehne mich<br />
danach, dass 8.03 Uhr ist und Ruhe und ich<br />
endlich weitermachen kann.<br />
Sie haben Buchhändlerin gelernt, dann Publizistik,<br />
Politik und Literatur studiert, wie<br />
buchjournal 1/2011 41<br />
kam es zu dem Beschluss, Schriftstellerin zu<br />
werden?<br />
Ich habe das nicht beschlossen, das<br />
Schreiben gehört schon immer zum Mittelpunkt<br />
meines Lebens. Bestimmt war es<br />
auch immer ein Traum, vom Schreiben leben<br />
zu können. Ich habe Kurzgeschichten<br />
geschrieben und geschaut, wo ich sie veröffentlichen<br />
könnte. So wurde der Fischer<br />
Verlag auf mich aufmerksam. Erst sind ein<br />
paar Kurzgeschichten erschienen, dann<br />
wurde ich dazu ermuntert, doch mal was<br />
Längeres zu schreiben. So ist der Schwimmer<br />
entstanden. Es war für mich ein Versuch.<br />
Ich dachte o. k., ich schreib den jetzt,<br />
Lesezeichen<br />
Zsuzsa Bánk: Die hellen Tage.<br />
S. Fischer, 544 S., 21,95 € (D)<br />
• 22,60 € (A) • 33,50 sFr.<br />
und wenn es was wird, ist gut, und wenn<br />
nicht, ist es auch in Ordnung.<br />
Ihre Eltern kommen aus Ungarn, das im<br />
„Schwimmer“ eine zentrale Rolle spielt. In „Die<br />
hellen Tage” taucht Ungarn wieder auf. Die<br />
Kindheit der drei Protagonisten spielt in den<br />
60ern wie Ihre eigene. Inwieweit ist autobiografi<br />
sche Nähe wichtig für Sie beim Schreiben?<br />
Die ist nicht wichtig. Aber es muss in einer<br />
Zeit und an einem Ort spielen, der mir<br />
in irgendeiner Form nahe ist. Ich könnte<br />
zum Beispiel keinen Roman schreiben, der<br />
vor 100 Jahren spielt. Auch keine Zukunftsromane.<br />
Ich muss mir das Leben schon<br />
sehr gut vorstellen können, muss es sehen<br />
können, ohne es selbst gelebt zu haben.<br />
Dreieinhalb Jahre waren Sie in „Die hellen<br />
Tage“ versunken. Wie geht es Ihnen jetzt, da<br />
der Roman fertig ist?<br />
Das ist eine große Befreiung. Es ist nicht<br />
schön, dreieinhalb Jahre in Klausur zu leben.<br />
Es gibt in dieser Zeit praktisch nichts<br />
anderes, ich bin wie eingesperrt. Wenn das<br />
aufhört, ist das wie eine zurückgewonnene<br />
Freiheit. <br />
Berlin 1982: Ein grandioser Großstadtroman<br />
Tanja<br />
Dückers<br />
Hausers<br />
Zimmer<br />
Roman<br />
Schöffling & Co.<br />
Schöffling & Co.<br />
www.schoeffling.de<br />
» Westen, Osten, es verging ja<br />
kein Tag ohne die bedeutungsvolle<br />
Nennung dieser Himmelsrichtungen.<br />
Ich aber wollte mit Motorradwind<br />
nach Süden.«<br />
496 Seiten. Gebunden<br />
€ 24,95 / € [A] 25,70 / SFR 37,90<br />
ISBN 978-3-89561-010-3<br />
Foto: Anton Landgraf
© Robert Simon / istockphoto Lesestoff Romane<br />
DREIECKSGESCHICHTE<br />
Eitelkeit und Eifersucht<br />
„Leben ist immer ein Problem“,<br />
stellt Serge auf der<br />
letzten Seite von Helmut<br />
Kraussers Roman „Die<br />
letzten schönen Tage“ ernüchtert<br />
fest. Seine<br />
Freundin Kati hat mit ihm<br />
endgültig Schluss gemacht,<br />
hat die Koffer gepackt<br />
und ist nun vielleicht<br />
sogar schon mit David, Serges Arbeitskollegen,<br />
zusammen, mit dem sie ihn vorher<br />
monatelang betrogen hat. Doch was heißt<br />
schon betrogen? Hat der manisch-depressive<br />
Serge nicht auch Kati hintergangen, als er ihr<br />
hinterherspionierte, ihr Handy kontrollierte und<br />
dem Liebhaber unter Katis Namen E-Mails geschrieben<br />
hat? Dass es keine absolute Wahrheit,<br />
sondern nur verschiedene Sichtweisen auf<br />
die Realität geben kann, führt Krausser in seiner<br />
virtuos komponierten Dreiecksbeziehung<br />
ebenso überzeugend wie schmerzhaft vor. Abwechselnd<br />
erzählen Serge, Kati und David, wie<br />
sie die Geschichte erleben; daraus entsteht ein<br />
dicht gewebtes Netz aus Eitelkeit und Eifersucht,<br />
Lügen und Wahn, in das sich die Protagonisten<br />
auf der Suche nach Glück und Erfüllung<br />
unlösbar verstricken. bai<br />
^ Helmut Krausser: „Die letzten schönen Tage“.<br />
DuMont, 224 S., 19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
Rätselhafter<br />
Schreibtisch ...<br />
JÜDISCHE VERGANGENHEIT<br />
Spurensuche<br />
Während Jonathan Safran Foer derzeit mit<br />
„Tiere essen“ von sich reden macht, setzt<br />
sich seine Frau, die Schriftstellerin Nicole<br />
Krauss, erneut mit der Frage nach jüdischer<br />
Vergangenheit auseinander. Ein Kunsthändler<br />
jagt dem Familienbesitz hinterher,<br />
der seiner Familie vor dem Abtransport in<br />
ein Konzentrationslager geraubt wurde. Im<br />
Zentrum steht dabei ein Unglück bringender<br />
Schreibtisch auf seiner rätselhaften<br />
Reise zwischen New York, Chile und Israel.<br />
Daraus entspinnt sich eine berührende,<br />
komplexe Geschichte, wie nur Nicole<br />
Krauss sie schreiben kann. Sprachmächtig,<br />
intensiv und schön. Nach „Die Geschichte der<br />
Liebe“ schenkt uns die Amerikanerin einen<br />
neuen bewegenden Roman, mit dem sie auf<br />
die Shortlist des<br />
National Book<br />
Award gewählt<br />
wurde. nf<br />
^ Nicole Krauss:<br />
„Das große Haus“.<br />
Übersetzt von<br />
Grete Osterwald.<br />
Rowohlt, 384 S.,<br />
19,95 € (D) •<br />
20,60 € (A) •<br />
30,50 sFr.<br />
DEBÜTSENSATION AUS ITALIEN<br />
Fasziniert von Fanatismus<br />
Italien im Jahr 1978. Der<br />
Politiker Aldo Moro wird<br />
von den Roten Brigaden<br />
entführt und schließlich<br />
ermordet. Drei elfjährige<br />
Jungen in Palermo sind<br />
fasziniert von der kalten<br />
Kompromisslosigkeit in<br />
der Sprache der Terroristen<br />
und ihrer unbeirrten<br />
Tat. Mit überwachen Sinnen und vorpubertärem<br />
Existenz-Ekel sezieren sie ihre Lebenswelt.<br />
Da ist kein Raum für Kindlichkeit und Empathie,<br />
nur das „kreolische Mädchen“ vermittelt eine<br />
Ahnung von Emotionalität. „Infi ziert wie von<br />
einer Krankheit“, gründen die drei Jungen eine<br />
eigene Zelle, driften ab in einen Rausch aus<br />
Machtwahn und Gewalt. Für deutsche Leser<br />
drängen sich Parallelen zum Herbst 1977 und<br />
der RAF auf. Der 40-jährige Autor Giorgio Vasta<br />
öff<strong>net</strong> am Ende seines in Italien gefeierten,<br />
düsteren Debütromans über eine Fanatisierung<br />
ein schmales Fenster der Hoffnung auf läuternde<br />
Erkenntnis. jo<br />
^ Giorgio Vasta: „Die Glasfresser“. Übersetzt<br />
von Ulrich Hartmann. DVA, 320 S., 19,99 € (D) •<br />
20,60 € (A) • 30,90 sFr.<br />
JUNGENINTERNAT MIT SUCHTFAKTOR<br />
Wahnsinnszeiten<br />
Das Seabrook College in<br />
Dublin ist ein von Priestern<br />
geführtes Jungeninternat.<br />
Dort leben der ebenso geniale<br />
wie übergewichtige<br />
Ruprecht, sein Zimmernachbar<br />
Skippy, der Gelegenheitsdrogendealer<br />
Carl<br />
und frustrierte Lehrer, die<br />
zu allem fähig sind. Wie<br />
durch ein Vergrößerungsglas blickt der Ire Paul<br />
Murray seinen Figuren mitten ins Herz und macht<br />
daraus einen witzigen, ideenreichen Roman über<br />
den alltäglichen Wahnsinn, den man Erwachsenwerden<br />
nennt. Mit seiner Romantrilogie ergeht es<br />
einem wie mit einer guten Soap: Man wird süchtig<br />
danach und muss einfach wissen, wie es weitergeht.<br />
Zum Glück besteht „Skippy stirbt“ gleich aus<br />
den drei Bänden mit den bezeichnenden Titeln<br />
„Hopeland“, „Heartland“ und „Ghostland“. nf<br />
^ Paul Murray: „Skippy stirbt“. Übersetzt von<br />
Martina Tichy und Rudolf Hermstein. A. Kunstmann,<br />
782 S., 26,– € (D) • 26,60 € (A) • 39,50 sFr.<br />
42<br />
buchjournal 1/2011
FAMILIENCHRONIK<br />
Märchenhaftes Happy End<br />
Was für ein Ziegelstein von einem Buch! Und<br />
dabei hatte die junge Amerikanerin Julie Orringer<br />
erst einen Band mit Kurzgeschichten veröffentlicht,<br />
als sie begann, die dramatische Lebensgeschichte<br />
ihres Großvaters, eines in die<br />
USA emigrierten ungarischen Juden, zu einem<br />
Roman zu verarbeiten. Herausgekommen ist<br />
ein süffi ger Schmöker von 800 Seiten, eine<br />
Chronik der Liebe, der Hoffnung und des Schreckens.<br />
Orringers Großeltern überlebten wie<br />
durch ein Wunder mit ihren kleinen Kindern den<br />
Krieg, während viele enge Verwandte starben.<br />
Doch Elend und Horror<br />
des Zweiten Weltkriegs<br />
treten in Orringers Buch<br />
erst spät in Aktion. Viel<br />
Raum nimmt die Pariser<br />
Studienzeit des Großvaters<br />
und die romantische<br />
Zeit der Verliebtheit der<br />
Großeltern ein; Angst vor<br />
Kitsch kennt die schreibende<br />
Enkelin dabei<br />
WESTBERLIN IN DEN 80ER JAHREN<br />
Mädchen mit Traumtyp<br />
Eine bittersüße Coming-of-Age-Geschichte aus<br />
dem Westberlin des Jahres 1982 – liebevoll,<br />
treffsicher und mit spitzer Feder erzählt: Julika<br />
ist 14, sieht aus wie elf und lebt mit Vater Klaus,<br />
Mutter Wiebke und Bruder Falk in einem labyrinthischen<br />
Altbau voller Kunstobjekte. Klaus<br />
schreibt Kritiken, Wiebke übersetzt Bücher.<br />
Falk arbeitet daran, seinen Haschischkonsum<br />
theoretisch zu untermauern. Julika wundert<br />
sich: über ihre merkwürdig intakte Familie,<br />
in der doch jeder mit sich selbst beschäftigt<br />
ist. Über Ratten, die sich auf zugemüllten Grasfl<br />
ächen als Herren aufführen. Über hochnäsige<br />
Mitschülerinnen und kauzige Nachbarn.<br />
Vor allem über den Proleten Hauser, dessen ungezügeltes<br />
Leben sie heimlich beobachtet.<br />
Gern würde sie mit ihm auf seinem Motorrad<br />
gen Süden fahren, am<br />
liebsten bis nach Patagonien.<br />
Aber da hat sie nicht<br />
nur sich, sondern auch ihren<br />
heimlichen Helden<br />
überschätzt. ub<br />
^ Tanja Dückers: „Hausers<br />
Zimmer“. Schöffl ing, 496 S.,<br />
24,95 € (D) • 25,70 € (A) •<br />
37,90 sFr.<br />
buchjournal 1/2011 43<br />
nicht. Später wird jedoch<br />
gerade die fehlende Tiefe<br />
der Darstellung zu einer<br />
Stärke des Buchs, denn<br />
im eher seichten Fluss der<br />
Prosa kommt auch das<br />
Böse ganz natürlich in<br />
seiner alltäglichen Banalität<br />
daher. Genau wie die<br />
Romanfi guren sich an die<br />
Hoffnung klammern, verschont zu bleiben, und<br />
trotz allem versuchen, ein normales Leben zu<br />
führen, muss es auch der Leserin schwerfallen,<br />
an ein tragisches Ende zu glauben. Und tatsächlich<br />
gibt es am Schluss inmitten von Tod und<br />
Zerstörung eine Art Happy<br />
End, das, wie man aus<br />
dem Nachwort erfährt,<br />
auch noch der Wirklichkeit<br />
entspricht. gran<br />
^ Julie Orringer: „Die<br />
unsichtbare Brücke“.<br />
Übersetzt von Andrea<br />
Fischer. Kiepenheuer &<br />
Paar in Budapest: Julie Orringer erzählt von Witsch, 816 S., 24,95 € (D)<br />
furchtbaren Zeiten und einer großen Liebe • 25,70 € (A) • 37,90 sFr.<br />
© Urbanhearts - Fotolia<br />
ZERBROCHENE LIEBE<br />
Das Tagebuch als Waffe<br />
Früher konnten sie nicht<br />
ohne einander sein, jetzt<br />
fühlt sich Irene in ihrer Ehe<br />
gefangen. Ihr Mann Gil, ein<br />
indianischer Künstler, verweigert<br />
aber die Trennung.<br />
Wegen der drei Kinder und<br />
weil Irene seine Muse ist.<br />
Und so beginnt sie, sein<br />
Herz zu vergiften. Bei diesem<br />
perfi den Spiel bedient sie sich ihres Tagebuchs,<br />
von dem sie weiß, dass er es heimlich<br />
liest. Sie schreibt Dinge hinein, die nie so passiert<br />
sind, von denen sie aber sicher ist, dass sie<br />
ihn verletzen. Sozusagen als Rache dafür, dass<br />
Gil „seinen Fuß auf ihren Schatten“ gesetzt hat,<br />
als er begonnen hat, sie zu malen. Denn wer<br />
den Schatten fängt, fängt die Seele – so sagen<br />
Amerikas Ureinwohner. Die Kunst der in Minnesota<br />
lebenden Halbindianerin Louise Erdrich<br />
besteht darin, ihre Leser geradewegs ins Innere<br />
der Hauptpersonen zu verpfl anzen. Gebannt<br />
folgt man den familiären Verstrickungen bis<br />
zum Kollaps. vh<br />
^ Louise Erdrich: „Schattenfangen“. Übersetzt von<br />
Chris Hirte. Suhrkamp, 17,90 € (D) • 18,40 € (A) •<br />
27,50 sFr.<br />
VOM WILDEN<br />
UND VOM<br />
ZAHMEN LEBEN<br />
Roman<br />
gebunden, 288 Seiten<br />
ISBN 978-3-0369-5600-8, 19.90<br />
Nach Emmas Glück brilliert<br />
die Bestseller-Autorin<br />
Claudia Schreiber wieder mit<br />
einem Roman, der vor<br />
Lebenslust nur so strotzt.<br />
KEIN & ABER<br />
Foto: <strong>Ani</strong>ta Affentranger
ROMANE_MIDLIFE-CRISIS<br />
Bei seinem Welterfolg „Die Stunden“ stand Virginia Woolf Pate, bei seinem neuen Buch Thomas<br />
Mann. Eine Begegnung mit dem Pulitzer-Preisträger Michael Cunningham in Venedig.<br />
„Entspann<br />
dich, genieß<br />
das Leben“<br />
TEXT: SABINE SCHMIDT<br />
E r<br />
ist im Hotel Bauer abgestiegen, einem<br />
der elegantesten Hotels in Venedig.<br />
Michael Cunningham gibt sich aber lässig<br />
in Jeans und legerem Hemd, räkelt sich<br />
quer in einem der auf alt getrimmten Sessel,<br />
ist zurückhaltend, aber freundlich.<br />
Starallüren scheinen nicht sein Ding zu<br />
sein – ja, er ist Pulitzer-Preisträger, ein gefeierter<br />
Star nicht nur in den USA, aber er<br />
hebt deswegen nicht ab.<br />
Von seinem ganz großen Erfolg erzählt er<br />
dennoch gern: von dem Roman „Die Stunden“,<br />
einer Hommage an Virginia Woolfs<br />
„Mrs. Dalloway“. „Ich war 15, als ich den<br />
Roman das erste Mal las“, sagt Cunningham.<br />
„Ich wollte mit der Lektüre ein Mädchen<br />
beeindrucken, aber dann hat mich<br />
das Buch tatsächlich fasziniert.“ Die Faszination<br />
blieb – und schließlich ließ er sich<br />
drei Jahrzehnte später zu einem eigenen<br />
Roman anregen, den er unter dem ursprünglichen<br />
Arbeitstitel von Virginia<br />
Woolfs Roman veröffentlichte: „The<br />
Hours“. Dafür gab es 1999 den Pulitzer-<br />
Preis, und 2002 wurde sein Werk mit Starbesetzung<br />
verfilmt: mit Nicole Kidman, die<br />
einen Oscar erhielt, mit Meryl Streep und<br />
Julianne Moore.<br />
Für seinen nächsten Roman „Helle Tage“<br />
spielte der amerikanische Dichter Walt<br />
Whitman eine wichtige Rolle. Und bei seinem<br />
neuen Buch „In die Nacht hinein“<br />
stand jetzt einer der Größten Pate: Thomas<br />
Mann. Auch dieses Mal war der Schatten<br />
der Vergangenheit nicht erdrückend, son-<br />
Michael Cunningham in Venedig: In die Lagunenstadt kehrt der US-Amerikaner<br />
immer wieder gern zurück – auch wegen Thomas Manns berühmter Novelle<br />
dern anregend – Cunningham war es anfangs<br />
allerdings auch nicht bewusst, dass<br />
ihm eine andere Geschichte durch den<br />
Sinn ging. „Ich merkte erst nach einer Weile,<br />
dass ich Thomas Manns Novelle im Kopf<br />
hatte. Manche Bücher, die wir lieben, werden<br />
ein Teil von uns, und so ist es mir mit<br />
‚Tod in Venedig‘ ergangen.“<br />
Weil die Novelle ihm viel bedeutet, ist er<br />
ihr nachgegangen. Nicht bei diesem Venedigbesuch,<br />
aber bei einem früheren war er<br />
am Lido. „Damals habe ich einen kleinen,<br />
braunen Stein mitgenommen, der jetzt auf<br />
meinem Schreibtisch liegt. Und wenn es<br />
nur ist“, sagt er lächelnd, „um mich daran<br />
zu erinnern, mein Haar nicht zu färben<br />
und kein Make-up zu tragen, weil nichts<br />
Gutes dabei herauskommt.“<br />
Er spielt darauf an, dass in Manns Novelle<br />
Gustav von Aschenbach sich in den jungen<br />
Tadzio verliebt. Am Ende liegt er ge-<br />
schminkt und mit gefärbten Haaren in<br />
einem Liegestuhl, schaut dem unerreichbaren<br />
Geliebten nach und stirbt – ein Witwer,<br />
der erst spät die Neigung zu einem<br />
Jungen in sich entdeckt hat und zur Parodie<br />
eines Homosexuellen wird.<br />
Davon ist Cunningham weit entfernt –<br />
der kleine Stein vom Lido scheint seine<br />
Schuldigkeit getan zu haben. Der Autor,<br />
der seit 20 Jahren mit seinem Partner in<br />
Zur Person<br />
Michael Cunningham, geboren 1952 in Cincinnati,<br />
Ohio, lebt in New York City und Provincetown und<br />
unterrichtet Creative Writing an der Columbia<br />
University. Für „Die Stunden“ wurde er mehrfach<br />
ausgezeich<strong>net</strong>, unter anderem mit dem Pulitzerpreis<br />
und dem PEN / Faulkner-Award. „In die<br />
Nacht hinein“ ist Cunninghams vierter Roman.<br />
44<br />
buchjournal 1/2011<br />
© Getty Images
New York lebt, steht zwar dazu, dass er homosexuell<br />
ist, an Äußerlichkeiten ist es<br />
aber nicht zu merken. Er geht mit diesem<br />
Aspekt seines Lebens zurückhaltend um,<br />
und wenn er sich öffentlich äußert, dann<br />
vor allem, weil er hofft, dass seine Stimme<br />
Gewicht hat und er anderen helfen kann.<br />
Homosexualität und Erotik spielen in<br />
Cunninghams neuem Roman eine Rolle,<br />
aber sie sind, wie in Manns „Tod in Venedig“,<br />
nicht die einzigen Themen, sondern<br />
Momente unter anderen. Es geht auch um<br />
Kunst und Schönheit, um die Faszination<br />
der Jugend und darum, wie schwer es ist,<br />
das Älterwerden hinzunehmen.<br />
Hauptfi gur ist der 44-jährige Peter Harris,<br />
der mit seiner Frau Rebecca in Soho,<br />
Manhattan, lebt. Sie gibt ein Kunstmagazin<br />
heraus, er hat eine Kunstgalerie. Sie haben<br />
viel erreicht, sind zufrieden – als aber<br />
Rebeccas sehr viel jüngerer Bruder nach<br />
New York kommt und einige Tage bei ihnen<br />
unterschlüpft, gerät Peters gut eingerichtetes<br />
Leben aus den Fugen. Er verguckt<br />
sich in den begabten, gut aussehenden jungen<br />
Mann, der von seiner Familie lange als<br />
<br />
buchjournal 1/2011 45<br />
Wunderkind gefeiert wurde, jetzt aber, mit<br />
Anfang 20, Drogen nimmt und ziellos<br />
durch die Welt streift.<br />
Anders als Thomas Mann in seiner Novelle<br />
gibt Cunningham seiner Geschichte<br />
eine weniger tragische Richtung. Anstatt<br />
wie Aschenbach sterben zu müssen, kann<br />
Peter sich mit der Frage auseinandersetzen,<br />
wie viel ihm sein bisheriges Leben bedeutet.<br />
Und vielleicht – das lässt der Autor<br />
offen – kann er es zurückgewinnen, nachdem<br />
er es aufs Spiel gesetzt hat.<br />
Es scheint das Romanende eines Autors<br />
zu sein, der selbst versucht, seine Sehnsüchte,<br />
Träume und (unerfüllbaren) Wünsche<br />
im Zaum zu halten und das Gute in<br />
Lesezeichen<br />
Michael Cunningham: In die<br />
Nacht hinein. Übersetzt von<br />
Georg Schmidt. Luchterhand,<br />
320 S., 19,99 € (D) •<br />
20,60 € (A) • 33,90 sFr.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Nach ihrem hochgelobten Debütroman ›Der Schwimmer‹<br />
schreibt Zsuzsa Bánk die bewegende Geschichte dreier<br />
Kinder, die den Weg ins Leben finden. ›Die hellen Tage‹ ist<br />
ein großes Buch über Freundschaft und Verrat, Liebe und<br />
Lüge – über eine Vergangenheit, die erst allmählich ihre<br />
Geheimnisse enthüllt, und die Sekunden, die unser Leben<br />
für immer verändern.<br />
<br />
<br />
dem zu sehen, was ist. So klingt er sehr vernünftig,<br />
wenn er über „The Hours“ spricht:<br />
„Solch einen Erfolg werde ich sicherlich<br />
nie wieder haben. Aber ich bin froh darüber,<br />
dass ich ihn hatte und er mir viele Türen<br />
öff<strong>net</strong>e.“<br />
Auch das Älterwerden versucht der<br />
58-Jährige entspannt zu nehmen. „Manchmal<br />
stelle ich mir vor, wie ich als 85-Jähriger<br />
mir heute über die Schulter schaue<br />
und sage: ‚Entspann dich, genieß das Leben<br />
– es hat immer noch viele gute Seiten.‘“<br />
Das klingt abgeklärt, fast einstudiert.<br />
Aber Cunningham scheint es ernst zu meinen:<br />
Es gibt, für ihn wie für Peter in seinem<br />
Roman, den starken Wunsch nach etwas<br />
Neuem, Aufregendem, nach dem, was das<br />
Leben durcheinanderwirbelt; es gibt aber<br />
auch die Überzeugung, dass gute Gründe<br />
dafür sprechen, mit dem zufrieden zu sein,<br />
was ist.<br />
Die Zeit des wilden jungen Mannes ist<br />
vorbei, die des reifen ist gekommen. Für<br />
junge Leser mag das wie von einem anderen<br />
Stern klingen. Für diejenigen aber, die vom<br />
Älterwerden schon betroffen sind, ist es ein<br />
tröstlicher, nachdenkenswerter Roman. <br />
€€
ROMANE_ERSTER AUFTRITT<br />
Einmal mehr beschert uns der Bücherfrühling zahlreiche Debütanten, deren erste Romane<br />
das Lesen lohnen. Und man kann die Nachwuchsautoren im Frühjahr auch live erleben:<br />
bei ihren Auftritten während der Leipziger Buchmesse und beim Lesefest „Leipzig liest“.<br />
Frisch auf den Tisch<br />
Verschlungene<br />
Lebensgeschichten<br />
Familiengeschichten liegen<br />
im Trend, doch die, die uns<br />
Astrid Rosenfeld erzählt, ist<br />
ganz und gar ungewöhnlich:<br />
In „Adams Erbe“ geht es um<br />
die jüdische Familie Cohen,<br />
genauer: um die beiden jungen<br />
Männer Edward und<br />
Adam. Edward, Ende der<br />
1970er Jahre geboren, hat seinen<br />
Vater nie kennengelernt<br />
und führt als Junge ein Vagabundenleben.<br />
Und seit er Kind<br />
ist, hört Edward immer wieder,<br />
wie er doch Adam gleicht,<br />
dem Bruder seines Großva-<br />
Astrid Rosenfeld<br />
ters. Eines Tages fi ndet Edward<br />
auf dem Dachboden, eingewickelt in Packpapier,<br />
Adams Aufzeichnungen. Den wahren Empfänger<br />
der Blätter – Adams jüdische Freundin Anna<br />
– hat das Paket nie erreicht: Sie verschwand in der<br />
Reichspogromnacht 1938. Atemlos liest Edward<br />
Adams Geschichte, wie sein Großonkel sich unter<br />
falschem Namen auf die Reise nach Polen machte,<br />
um seine Freundin zu fi nden. So viel sei verraten:<br />
Edward ist es, der die Geschichte zu einem Ende<br />
führt – Pointe und gelungener Schlusspunkt des<br />
Romans. Wir folgen staunend Adams Bericht – und<br />
bewundern, wie leichtfüßig die 33-jährige Debütantin,<br />
die ihr Geld als Casterin in der Filmbranche<br />
verdient, mit dem tiefernsten Thema umgeht.<br />
„Adams Erbe“ ist ein großartiger Roman, der die<br />
Leser zum Lachen und zum<br />
Weinen bringt. bai<br />
Leipziger Buchmesse: Astrid Rosenfeld<br />
ist Gast beim Buchjournal-Talk<br />
am 17. März, 11 Uhr (Halle 5, E 600)<br />
^ Astrid Rosenfeld: „Adams<br />
Erbe“. Diogenes, 400 S., 21,90 €<br />
(D) • 22,60 € (A) • 36,90 sFr.<br />
© Bastian Schweitzer / Diogenes Verlag<br />
© Horst Rudel<br />
Unterwegs<br />
an die Westküste<br />
Was für ein Buch kann man von einem Autor erwarten, dessen Texte im<br />
Satiremagazin „Titanic“ erscheinen? Mit der Vermutung, dass Gunnar<br />
Homanns „All exclusive“ lustiger ist als der Durchschnittsroman, liegen<br />
Sie richtig. Doch keine Angst: Trotz seines Untertitels („Ein Unterwegsroman“)<br />
und Homanns witziger Schreibe spielt das Buch in einer ganz<br />
anderen Liga als etwa Tommy Jauds Namibia-Klamotte „Hummeldumm“.<br />
Es ist die Geschichte von Viktor Hoffmann, dem Icherzähler, der<br />
nach New York fl iegt, um von dort aus an die Westküste zu trampen.<br />
Auf welchem Weg er dorthin gelangt, ist ihm egal – solange er nicht<br />
über Florida führt. Florida kann er zwar vermeiden, aber nicht die Begegnung<br />
mit der toughen deutschen Studentin Casbah Feininger, die<br />
ihn in ihrem Mietauto mitnimmt. Man reist gemeinsam, ist sich aber<br />
erst einmal herzlich unsympathisch. Homanns Roadnovel ist ironisch,<br />
witzig und mit feiner Beobachtungsgabe geschrieben<br />
– wer Wolfgang Herrndorfs „Tschick“ mag, wird<br />
„All exclusive“ lieben. bai<br />
Leipziger Buchmesse: Gunnar Homann liest am 16. März,<br />
21 Uhr im Rahmen von „Leipzig liest“ im Café Telegraph<br />
^ Gunnar Homann: „All exclusive.<br />
Ein Unterwegsroman“. DuMont, 120 S.,<br />
14,99 € (D) • 15,50 € (A) • 23,50 sFr.<br />
46<br />
Gunnar Homann<br />
buchjournal 1/2011
Ganz von vorn anfangen<br />
buchjournal 1/2011 47<br />
Constanze Petery<br />
Innensicht einer verlorenen Generation<br />
<strong>Ani</strong>ta ist eine Göttin, eine Discodiva, ein funkelndes Nachtgestirn am Himmel<br />
der Clubs. Zumindest in ihren Fantasien. In Wirklichkeit ist sie eine<br />
einsame 15-Jährige, vom Vater verlassen, von der karrierebewussten Mutter<br />
vernachlässigt. Sie schwänzt die Schule, trinkt, zieht durch Clubs und Bars,<br />
lässt sich Drinks spendieren und stellt eines Tages fest, dass sie schwanger<br />
ist: „Ich bin zwei“, lautet ihre verstörende Erkenntnis, die nur noch deutlicher<br />
macht, wie einsam sie ist. „Ich wäre gern deine perfekte Tochter geblieben“,<br />
sagt sie zum abwesenden Vater, aber das ist ebenso ins Leere<br />
gesprochen wie der Vorwurf: „Meine Mutter hat mir Liebe nie beigebracht.“<br />
Mit Auszügen aus dem Roman einer Generation, die sich schon<br />
verloren fühlt, bevor sie erwachsen ist, gewann die 1991 geborene<br />
Constanze Petery als bisher jüngste Teilnehmerin ein Literaturstipendium<br />
der Stadt <strong>München</strong>. Mit ihrem Debüt beweist sie nicht<br />
nur ein sicheres Gespür für das provozierende Pathos und die<br />
coolen Gesten, mit denen sich ihre Heldin gegen die Welt<br />
zu wappnen versucht, sondern auch für die Verzweifl ung<br />
und Hilfl osigkeit, die sich dahinter verbergen. ub<br />
Leipziger Buchmesse: Constanze Petery liest am 19. März,<br />
19 Uhr bei der Langen Leipziger Lesenacht in der Moritzbastei<br />
Rastlosigkeit sei eine Eigenschaft, die er an sich<br />
selbst nicht gern mag, gab Hubertus Meyer-<br />
Burckhardt in einem Fragebogen zu Protokoll.<br />
Nun liefert der TV-Produzent, Journalist, Professor<br />
an der Hamburg Media School und Gastgeber der<br />
„NDR Talk Show“ mit seinem ersten Roman einen<br />
weiteren Beleg für diesen Charakterzug. Das<br />
Buch ist das Psychogramm des Managers Simon<br />
Kannstatt, dessen Leben in einem Moment aus<br />
den Fugen gerät: Er wird gekündigt. Ende, aus,<br />
von hundert auf null in einer Sekunde. Meyer-<br />
Burckhardt gelingt es, diesen Zustand der Leere,<br />
der Haltlosigkeit mit großer Eindringlichkeit spürbar<br />
zu machen. Kannstatt hadert mit dem Schicksal,<br />
hat Mordfantasien, lässt sein Leben mit all<br />
seinen verpassten Chancen Revue passieren.<br />
Wenig überraschend, dass die neue Freiheit<br />
schließlich auch neue Perspektiven schafft,<br />
gleichwohl gleitet Meyer-Burckhardt nie ins Kli-<br />
Hubertus Meyer-Burckhardt<br />
scheehaft-Plakative ab. Der<br />
TV-Profi versteht auch das Handwerk des Schreibens, führt den Leser immer wieder<br />
aufs Glatteis, indem er Realität und Traum vermengt und mit Lust an ironischen<br />
Zwischentönen davon erzählt, wie es ist, noch einmal ganz neu anzufangen. bai<br />
Leipziger Buchmesse: Hubertus Meyer-Burckhardt liest am 17. März, 20 Uhr im Rahmen von<br />
„Leipzig liest“ im Festsaal des Finanzamts (Wilhelm-Liebknecht-Platz)<br />
^ Hubertus Meyer-Burckhardt: „Die Kündigung“. Ullstein,<br />
160 S., 18,– € (D) • 18,50 € (A) • 29,90 sFr. Erscheint am 11. März<br />
© Kay Blaschke<br />
^ Constanze Petery: „Eure Kraft<br />
und meine Herrlichkeit“. Heyne, 240 S.,<br />
14,99 € (D) • 15,50 € (A) • 26,90 sFr.<br />
© picture-alliance / dpa<br />
© esolla
© Marcus Gruber<br />
ROMANE_ERSTER AUFTRITT<br />
Zwischen Blizzard<br />
und Badeparty<br />
Nach Laramie, Wyoming, mit Blick auf Prärie und Rocky Mountains,<br />
verschlägt es den Gastschüler aus dem norddeutschen Flachland.<br />
Schauspieler Joachim Meyerhoff beschreibt in seinem Roman einen<br />
autobiografi sch inspirierten Icherzähler, der mit Witz und Selbstironie<br />
die fremde Kultur der christlich-amerikanischen Provinz zu entschlüsseln<br />
sucht. Er trifft auf Stinktiere und Blizzards, opulente<br />
Haarspray-Frisuren, strenge Date-Regeln und Badepartys im<br />
Schnee. „The German“ fasst Fuß als bejubeltes Mitglied des Basketballteams<br />
seiner Schule. Bis eine Nachricht aus der Heimat ihn aus<br />
seiner neu eroberten Welt reißt: Einer seiner beiden Brüder ist tödlich<br />
verunglückt. Beschrieben wird der Weg zwischen Verlust, Trauer<br />
und Selbstbehauptung des heranwachsenden Ichs. Meyerhoff, geboren<br />
1967, ist seit 2005 Mitglied des Wiener Burgtheater-Ensembles.<br />
In einem sechsteiligen Bühnenzyklus, ebenfalls „Alle Toten<br />
fl iegen hoch“ benannt, steht er bereits erfolgreich als Erzähler seiner<br />
oft skurrilen Familien- und Lebensgeschichte auf der Bühne. Ein<br />
Teil ist in den Roman eingefl ossen, der sich gemütlich-unterhaltsam<br />
herunterlesen lässt. jo<br />
Leipziger Buchmesse: Joachim Meyerhoff liest am<br />
19. März, 19.30 Uhr im Rahmen von „Leipzig liest“ im<br />
Schauspiel Leipzig<br />
^ Joachim Meyerhoff: „Alle Toten fl iegen hoch.<br />
Amerika“. Kiepenheuer & Witsch, 320 S.,<br />
18,95 € (D) • 19,50 € (A) • 29,50 sFr. Joachim Meyerhoff<br />
Geschichte zweier Königskinder<br />
Das Romandebüt der 45-jährigen Literaturdozentin, die seit 1994 in Erlangen lebt, sorgt bereits vor seinem Erscheinen für eine Sensation:<br />
Die Übersetzungsrechte wurden bisher in 21 Länder verkauft – USA, Großbritannien und Frankreich inclusive. Die Senkrechtstarterin<br />
Dragnić erzählt eine bewegende Geschichte: Als Dora das erste Mal den Kindergarten betritt, hört Luka bei ihrem Anblick<br />
vor Aufregung auf zu atmen und fällt ihn Ohnmacht. „Wach auf, mein Prinz“, sagt Dora und küsst den Fünfjährigen wach. So beginnt<br />
eine Liebe, die gegen alle Widerstände ein Leben lang<br />
halten wird. Nataša Dragnić, wie ihre Helden Dora und<br />
Luka in Kroatien geboren, hat einen Roman geschrieben,<br />
der gleichermaßen herzzerreißend wie herzerwärmend<br />
ist und große Gefühle nicht scheut. Dora und Luka<br />
verleben sorglose Kindheitssommer an der kroatischen<br />
Küste, doch Doras Familie zieht nach Paris. Luka bleibt<br />
zurück, unglücklich und einsam. Feinfühlig, mit kraftvoller,<br />
poetischer Sprache erkundet die Autorin die Seelen<br />
ihrer Protagonisten und ihre verschlungenen Lebenswege.<br />
Ein Zufall führt die beiden in der<br />
Stadt der Liebe zusammen, und ein Zufall<br />
trennt sie – beinahe für immer. br<br />
Leipziger Buchmesse: Nataša Dragnić liest am<br />
19. März, 13 Uhr im Café Europa (Halle 4, D 505)<br />
Nataša Dragnić<br />
^ Nataša Dragnic´: „Jeden Tag, jede<br />
Stunde“. DVA, 288 S., 19,99 € (D) •<br />
20,60 € (A) • 33,90 sFr.<br />
48<br />
© Julia Stix<br />
buchjournal 1/2011
© Denis Stanisic<br />
Kurz, knapp, knallhart: Jakob Arjounis<br />
Roman „Cherryman jagt Mr. White“<br />
taucht ein in die Neonazi-Szene –<br />
und beweist einmal mehr, dass<br />
er zu den besten deutschen<br />
Autoren zählt, meint Buchjournal-<br />
Redakteur Eckart Baier.<br />
Falsche Freunde<br />
^ Darum geht’s: Der 18-jährige Rick aus einem Dorf in Brandenburg<br />
glaubt, mit der Gärtnerlehre in Berlin das große Los<br />
gezogen zu haben. Die Ausbildung vermittelt haben ihm ausgerech<strong>net</strong><br />
die Freunde aus dem Dorf, die Rick gern schlagen<br />
und quälen. Außerdem ist eine Bedingung daran geknüpft:<br />
Rick soll nicht nur Beete bepfl anzen und Unkraut jäten,<br />
sondern auch einen jüdischen Kindergarten bespitzeln<br />
– für eine Neonazi-Gruppe. Rick will mit Rechtsradikalen<br />
eigentlich nichts zu tun haben, fl üchtet am liebsten<br />
in seine Comicwelt und hofft, sich irgendwie aus<br />
der Sache rauswinden zu können – ein Trugschluss.<br />
^ Das bekommen Sie: eine straff erzählte Story, die<br />
Eckart Baier sich an Nebenschauplätzen wie Ricks Liebe zur attraktiven<br />
Marilyn nicht lange aufhält. Man muss einfach<br />
immer weiterlesen, nicht zuletzt, weil man hofft, dass<br />
Rick doch noch irgendwann die Kurve kriegt und den Wahnsinn<br />
stoppt.<br />
^ Das bekommen Sie nicht: ein Happy End. Der schmale<br />
Roman könnte beinahe als Lehrstück über Rechtsradikalismus<br />
und Mitläufertum und damit gut als Schullektüre taugen –<br />
wenn nicht der Autor etwas dagegen gehabt hätte, denn am<br />
Schluss erwartet den Leser ein blutiger Showdown.<br />
^ Wer ist der Autor? Berühmt wurde Jakob Arjouni mit<br />
Anfang 20 durch seinen Frankfurt-Krimi „Happy Birthday,<br />
Türke!“. Der heute 46-Jährige schrieb danach drei weitere Bücher<br />
mit dem Detektiv Kemal Kayankaya, zeigte in Romanen<br />
wie „Magic Hoffmann“ (1996) oder „Der heilige Eddy“ (2009),<br />
dass er Sozialkritik auch ganz anders anpacken kann.<br />
Seine intelligenten, realistischen Storys, sein Humor<br />
und sein lakonischer Stil machen Arjouni zu einem<br />
der besten deutschsprachigen Autoren. <br />
^ Jakob Arjouni: „Cherryman jagt Mr. White “.<br />
Diogenes, 176 S., 19,90 € (D) • 20,50 € (A) • 33,90 sFr.<br />
buchjournal 1/2011 49<br />
BUCHJOURNAL-TIPP<br />
Ein bewegendes<br />
Familienepos und<br />
die Geschichte<br />
einer großen Liebe<br />
Die<br />
unsichtbare<br />
Brücke<br />
Roman<br />
Deutsch von Andrea Fischer. Gebunden mit Lesebändchen<br />
832 Seiten. € (D) 24,95 / € (A) 25,70 / sFr 37,90<br />
Die ergreifende Geschichte der<br />
ungarisch-jüdischen Familie Lévi<br />
vor dem Hintergrund des Zweiten<br />
Weltkriegs. Paris und Budapest<br />
sind die Schauplätze dieses beeindruckenden<br />
Romans.<br />
»Bewegend. Betörend. Mitreißend<br />
wie ›Doktor Schiwago‹.«<br />
The New York Times<br />
www.kiwi-verlag.de
© Jan-Phillip Harder; istockphoto<br />
NACHGEFRAGT<br />
Weshalb lebt es sich in<br />
Deutschland so gut?<br />
weil man hier auch wegen Nachbarschaftsstreitigkeiten<br />
um Gartenzwerge<br />
vor Gericht gehen kann<br />
weil Jungen hier gut ausgebildet<br />
werden: Es gehört zum Standardrepertoire,<br />
dass sie selbst die Namen der<br />
Ersatztorhüter von Eintracht Braunschweig<br />
seit den 1960er Jahren kennen<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Warum kochen Sie nicht gern?<br />
weil es so aufwendig ist, sich die<br />
Namen aller Produkte auf dem<br />
Wochenmarkt zu merken<br />
weil die Sprache der Kochshows<br />
so kompliziert ist, dass man sich lieber<br />
gleich eine fi nnische Sitcom im<br />
Original anguckt<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Wieso ist es toll, türkische<br />
Wurzeln zu haben?<br />
weil man als Kind jedes Jahr die<br />
Ferien in einem türkischen Kaff mitten<br />
im Nirgendwo verbringen konnte<br />
weil man auch heute noch von<br />
wohlmeinenden Deutschen dafür<br />
gelobt wird, so gut Deutsch zu<br />
sprechen<br />
<br />
<br />
<br />
Doch, er macht sich Gedanken –<br />
nicht nur auf der Bühne, sondern<br />
jetzt auch in einem Buch. Wie ist<br />
das also mit Deutschland und<br />
seinen türkischen Wurzeln, mit<br />
ihm und dem Fernsehen? Sabine<br />
Schmidt hat Comedian Kaya<br />
Yanar auf den Zahn gefühlt.<br />
Was denkst du?<br />
Ab wann hilft nicht einmal<br />
mehr Alkohol, um das deutsche<br />
TV-Programm zu ertragen?<br />
wenn Daniela Katzenberger ihre<br />
goldenen Einsichten vorträgt<br />
wenn schon Kids bei DSDS<br />
begeistert lernen, wie man sich<br />
demütigen lässt<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Lesezeichen<br />
Kaya Yanar: Made in Germany.<br />
Heyne, 288 S., 9,99 € D)<br />
• 10,30 € (A) • 16,90 sFr.<br />
50<br />
Warum haben nun auch Sie die<br />
Stadt verlassen und sind zum<br />
Landei geworden?<br />
weil es toll ist, nur „Muh“ und<br />
„Mäh“ zu hören<br />
weil hier niemand bei einem klingelt,<br />
außer den Sternsingern und den<br />
Zeugen Jehovas<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
^ Kaya Yanar wurde 1973 als<br />
Kind türkischer Eltern in Frankfurt<br />
am Main geboren. Mit seiner<br />
TV-Show „Was guckst du?“<br />
wurde er einem breiten Publikum<br />
als Comedian bekannt.<br />
buchjournal 1/2011
Die Klassik Radio Lesezeit.<br />
Sonntags von 14 bis 15 Uhr.<br />
Präsentiert von Clemens Benke.<br />
www.klassikradio.de<br />
fi nd us on
ROMANE_FRANKREICH<br />
Samuel Benchetrit, französischer<br />
Autor und Regisseur, kehrt in<br />
seinem ersten Roman in die eigene<br />
Kindheit in der Vorstadt zurück.<br />
Ein Junge<br />
aus der<br />
Banlieue<br />
TEXT: IRENE BINAL<br />
S ein<br />
Händedruck ist vorsichtig, sein<br />
Blick zurückhaltend, nur kurz erhellt<br />
ein schwaches Lächeln sein Gesicht, auf der<br />
Hand, halb unter dem langen Ärmel verborgen,<br />
lugt eine Tätowierung hervor: Samuel<br />
Benchetrit ist in Frankreich eine Berühmtheit,<br />
aber er wirkt immer noch wie<br />
der etwas schüchterne Junge, der seinem<br />
grauen Alltag in einer Pariser Banlieue mithilfe<br />
der Literatur zu entkommen sucht.<br />
„In meiner Kindheit waren wir sehr arm“,<br />
erinnert er sich. „Wir sind nie in Urlaub gefahren,<br />
bis ich 15 war, ich habe also die reale<br />
Welt erst sehr spät kennengelernt und darum<br />
habe ich sie in Büchern gesucht.“<br />
Deren Magie fasziniert ihn bis heute:<br />
„Literatur ist etwas Unglaubliches. Man<br />
kann dieselben Wörter lesen, aber man<br />
stellt sich nie dieselben Bilder vor. Sogar<br />
wenn man gemeinsam eine Seite liest, hat<br />
man zwar das gleiche Ticket, aber man<br />
macht eine ganz andere Reise.“<br />
Bücher und Filme sind Samuel Benchetrits<br />
Leben: Regisseur, Schauspieler, Drehbuchautor,<br />
Romancier – die Liste seiner<br />
Berufe ist lang. Mit Filmen wie „J’ai toujours<br />
rêvé d’être un gangster“ (zu Deutsch:<br />
Ich habe immer davon geträumt, ein<br />
Gangs ter zu sein) oder mit seiner fünfbändigen<br />
Autobiografie „Chroniques de<br />
l’asphalte“ eroberte er sich einen festen<br />
Platz in der künstlerischen Szene Frankreichs.<br />
„Als ich jünger war, wollte ich vor<br />
© Robert Kluba<br />
allem Filme machen“, erinnert er sich,<br />
„aber Dreharbeiten sind sehr kraftraubend.“<br />
Darum zieht er sich nach einem<br />
Film gern wieder zurück, um zu schreiben:<br />
„Das ist etwas sehr Intimes, nur die Worte<br />
sind meine Komplizen in der Einsamkeit.<br />
Bei der Arbeit für das Kino muss man immer<br />
mit sehr vielen Leuten kommunizie-<br />
52<br />
Samuel Benchetrit: „Nur die Worte sind<br />
meine Komplizen in der Einsamkeit“<br />
ren. Darum habe ich nach einem Film Lust,<br />
ein Buch zu schreiben, weil ich wieder allein<br />
sein möchte.“<br />
Vor allem in diesen Büchern kehrt er immer<br />
wieder in die Banlieue zurück, zuletzt<br />
in seinem Roman „Rimbaud und die Dinge<br />
buchjournal 1/2011
Zur Person<br />
Samuel Benchetrit, geboren 1973, ist Schriftsteller,<br />
Drehbuchautor, Filmemacher, Theaterregisseur<br />
und Schauspieler. Für seinen 2009 in Frankreich<br />
erschienenen Roman „Rimbaud und die<br />
Dinge des Herzens“ erhielt er den Prix Populiste.<br />
Benchetrit, der in erster Ehe mit Marie Trintignant<br />
liiert war, ist heute mit der Schauspielerin<br />
Anna Mouglalis verheiratet. Benchetrit lebt mit<br />
ihr und seinen beiden Kindern in der Nähe von<br />
Paris.<br />
des Herzens“, in dem der zehnjährige<br />
Charly sich auf die Suche nach seiner von<br />
der Polizei abgeführten Mutter macht und<br />
in dem Benchetrit ein anderes Bild der Banlieue<br />
malt: ein humorvolles und poetisches<br />
Bild, das so gar nicht zu den allgegenwärtigen<br />
Schreckensmeldungen passen will.<br />
„Natürlich gibt es dort Gewalt“, sagt er,<br />
„aber es gibt auch die Leute, die nach dem<br />
Glück suchen und versuchen, ein gutes<br />
Leben zu führen. Ich will die Banlieue<br />
nicht verherrlichen, ich würde auf keinen<br />
Fall zurückwollen. Alle, die dort leben,<br />
würden gern weggehen. Aber man muss<br />
das alles milder beurteilen und mehr Mitgefühl<br />
zeigen.“<br />
Also ein Autor und Filmemacher mit politischem<br />
Anspruch? „Ich denke“, sagt<br />
Benchetrit überzeugt, „dass die Kunst am<br />
meisten zur Entwicklung der Welt beigetragen<br />
hat. Musiker wie Bob Dylan zum<br />
Beispiel haben die Mentalität viel mehr<br />
verändert als jeder Politiker.“ Und so will<br />
auch Benchetrit etwas verändern, eine Diskussion<br />
in Gang setzen, das negative Bild<br />
der Vorstädte und ihrer Bewohner korrigieren.<br />
„Man muss die Jungen aus der Banlieue<br />
als die wahre Zukunft Frankreichs<br />
ansehen“, sagt er und nestelt an seinem<br />
Ärmel, als mache das Thema ihn nervös.<br />
„Es gibt dort enorm viele Talente. Manche<br />
Leute beginnen mittlerweile, das zu begreifen.“<br />
Er selbst hat sich aus der Tristesse der<br />
Wohntürme und Jugendgangs befreit, hat<br />
die Schule mit 15 Jahren verlassen, als Filmemacher<br />
und Autor Karriere und als Ehemann<br />
der später von ihrem Lebensgefährten<br />
erschlagenen Marie Trintignant<br />
Schlagzeilen gemacht. Aber die Erfahrungen<br />
seiner Jugend haben ihre Spuren<br />
hinterlassen: Samuel Benchetrit scheint<br />
immer auf dem Sprung, wahrt die Distanz<br />
buchjournal 1/2011 53<br />
und lächelt nur selten – vor allem nicht,<br />
wenn er fotografi ert werden soll.<br />
Höfl ich ist er und korrekt, aber gleichzeitig<br />
seltsam scheu, und Einblicke in sein<br />
Privatleben gewährt er kaum. Er schätzt<br />
ein zurückgezogenes Leben auf dem Land<br />
mit seiner zweiten Frau und seinen beiden<br />
Kindern, ein Leben ohne Fernsehen und<br />
ohne Inter<strong>net</strong>. „Ja, das ist manchmal ein<br />
bisschen kompliziert“, gibt er zu und dabei<br />
hellt sich seine Miene endlich ein wenig<br />
auf. „Wir besitzen einen Fernseher und<br />
meine Kinder verbringen Stunden davor,<br />
aber ich selbst halte es für schrecklich. Ich<br />
benutze das Gerät nur, um Filme anzusehen.“<br />
Auch das Inter<strong>net</strong> ist Benchetrit<br />
fremd geblieben. „Ich lehne es nicht ab,<br />
aber wenn ich wirklich etwas brauche,<br />
kann ich in den Computer meiner Frau<br />
schauen.“ Und sogar mit dem Telefon hat<br />
er seine Probleme. „Es ist für mich schwierig,<br />
jemanden anzurufen. Ich habe mein<br />
Handy auch schon mal verloren oder es<br />
funktioniert nicht, ich kriege das einfach<br />
nicht auf die Reihe.“ Das seltene Lächeln<br />
blitzt auf: „Aber das ist wirklich nicht<br />
schlimm, im Gegenteil, ich lebe so sehr<br />
gut.“<br />
Überhaupt scheint die moderne Wirklichkeit<br />
Samuel Benchetrit eher zu verängstigen<br />
als zu entzücken. „Alles geht viel zu<br />
schnell“, sagt er, „und die Leute lesen weniger<br />
und weniger. Die alte Welt ist dabei,<br />
einzustürzen.“ Gleichzeitig aber hat er zu<br />
alldem eine seltsam fatalistische Einstellung:<br />
„Man muss sehen, dass es früher<br />
auch nicht besser war. Als das Kino kam,<br />
dachten alle, das sei das Ende des Theaters,<br />
und irgendwann wird etwas das Inter<strong>net</strong><br />
bedrohen und dann werden meine Kinder<br />
Angst haben. Aber das ist im Grunde nicht<br />
so schlimm.“ Benchetrit ist kein Prophet<br />
des Untergangs und kein Moralapostel,<br />
nur ein Junge aus der Banlieue, der versucht,<br />
mit seiner Arbeit die Welt ein ganz<br />
klein wenig besser zu machen. <br />
Lesezeichen<br />
Samuel Benchetrit: Rimbaud<br />
und die Dinge des Herzens.<br />
Übersetzt von Olaf Matthias Roth.<br />
Aufbau, 256 S., 16,95 € (D) •<br />
17,50 € (A) • 25,90 sFr.<br />
Silberner Leopard Locarno<br />
BESTER DARSTELLER<br />
Kleine Wunder<br />
in Athen<br />
Ein Film von Filippos Tsitos<br />
Neu auf DVD!<br />
präsentiert:<br />
Nach »Kleine Verbrechen«<br />
der neue Komödienhit aus Griechenland!<br />
Eine warmherzige Komödie über einen alternden<br />
Kioskbesitzer, der seine Identität verliert<br />
und dafür einen Bruder gewinnt.<br />
Und nebenbei eine gelungene Einführung<br />
in die griechische Ökonomie.<br />
„Eine Perle in der Komödienlandschaft“ (Bayer. Rundfunk)<br />
„Ein Meisterwerk des skurrilen Humors.“ (die tageszeitung)<br />
„Schräg, hintersinnig und komisch.“ (Süddeutsche Zeitung)<br />
www.goodmovies.de
Mediathek<br />
CD-TIPPS<br />
MAHLER<br />
Glanzvolle<br />
Sinfonie<br />
2011 ist wieder Mahler-Jahr,<br />
das mit dem<br />
Orchester des Bayerischen<br />
Rundfunks<br />
und der brillanten<br />
Aufnahme der<br />
1. Sinfonie beginnt –<br />
inklusive Hörbiografi<br />
e. (BR Klassik)<br />
LIEDER<br />
Wolfs Tonkunst<br />
Hugo Wolfs 150. Geburtstag<br />
ist 2010 ein<br />
wenig untergegangen<br />
– ein Fehler, wie<br />
diese Acht-CD-Box<br />
und ihre Auswahl<br />
von Wolfs bekanntesten<br />
Liedern beweist.<br />
(EMI Classics)<br />
CHOR<br />
Raritäten<br />
Schon mal Schumanns<br />
Chorballade<br />
„Der Königssohn“<br />
gehört? Nein? Dann<br />
greifen Sie zur ersten<br />
CD-Aufnahme<br />
überhaupt – mit<br />
Stardirigent Kent<br />
Nagano. (Farao)<br />
KINO UND BUCH: „TRUE GRIT“<br />
Durch den Wilden Westen<br />
Ein Pferd und 150 Dollar: Das ist die Beute von Tom Chaney<br />
nach seinem Mord an Mattie Ross. Von den Sheriffs<br />
hat der Killer, der noch mehr Menschen auf dem Gewissen<br />
hat, wenig zu befürchten. Vor Ross’ 14-jähriger Tochter<br />
Mattie muss sich Chaney aber hüten, denn die will den<br />
Mörder ihres Vaters zur Rechenschaft ziehen. Zusammen<br />
mit dem versoffenen Ex-Marshall Rooster Cogburn (gespielt<br />
von Jeff Bridges), den sie für 100 Dollar engagiert<br />
hat, macht sich das Mädchen auf die Jagd nach Chaney.<br />
Dem ungewöhnlichen Duo schließt sich dann noch Kopfgeldjäger<br />
Texas Ranger LaBoeuf (Matt Damon) an. Nicht<br />
nur der Plot, sondern auch das Regieduo Joel und Ethan<br />
Coen garantiert einen sehenswerten Western. Mit Filmen<br />
wie „Blood Simple“, „Barton Fink“, „Fargo“ oder „No coun-<br />
DVD-TIPPS<br />
Entspannte Komödie<br />
Wer schon immer gern über die Arbeitsmoral<br />
der Griechen gespottet hat,<br />
wird sich durch den Film „Kleine<br />
Wunder in Athen“ in jeder Hinsicht<br />
bestätigt sehen: Die Hauptbeschäftigung<br />
des Ladenbesitzers Stavros ist es,<br />
mit seinen Freunden auf der Straße zu<br />
sitzen und anderen Leuten bei der Arbeit<br />
zuzusehen. Das ruhige Leben, das<br />
manche philosophisch nennen würden,<br />
ändert sich, als ein Mann namens<br />
Marengelen auftaucht, der behauptet,<br />
Stavros’ Bruder zu<br />
sein. Eine wunderbare<br />
Komödie und<br />
schöne Einführung<br />
in griechische Ökonomie.<br />
(good! movies)<br />
Auf Mörderjagd: die 14-jährige Mattie und Ex-Marshall Rooster Cogburn<br />
Oskars letzte Tage<br />
Eric-Emmanuel<br />
Schmitts gleichnamiges<br />
Buch über<br />
den todkranken<br />
Jungen Oskar rührte<br />
schon Millionen<br />
Buchleser zu Tränen.<br />
Kein Wunder, dass der französische<br />
Schriftsteller seinen Roman<br />
„Oskar und die Dame in Rosa“ auch<br />
zum Film gemacht und dabei gleich<br />
noch Regie geführt hat. Schauspieler<br />
wie Max von Sydow, Michèle Laroque<br />
und Amir in der Rolle des kleinen Oskar,<br />
der nur noch wenige Tage zu leben<br />
hat, machen den Streifen zu einem sehenswerten,<br />
familientauglichen Ereignis,<br />
das trotz aller Ernsthaftigkeit mit<br />
Humor überzeugt. (Arthaus)<br />
try for old men“ sorgten die Coen-Brüder stets für Begeisterung<br />
bei den Cineasten. Vorlage für den Kinofi lm ist<br />
übrigens Charles Portis’ gleichnamiger Roman – 1969 erstmals<br />
auf Deutsch unter dem Titel „Die mutige Mattie“ erschienen<br />
–, der bei uns nun als Taschenbuch-Neuaufl age<br />
zu haben ist. Dass der Film ein Kassenerfolg werden dürfte,<br />
dafür bürgen zehn Oscar-Nominierungen und die tollen<br />
Schauspieler: Neben den Oscar-Preisträgern Bridges<br />
und Damon sehen wir Josh Brolin in der Rolle des Tom<br />
Chaney – und die 14 Jahre alte Hailee Steinfeld als Mattie,<br />
die den Verbrecher durch die Prärie jagt. bai<br />
^ „True Grit“. Filmstart: 24. Februar<br />
Charles Portis: „True Grit“. Übersetzt von Richard K. Flesch.<br />
rororo, 224 S., 8,99 € (D) • 9,3o € (A) • 14,50 sFr.<br />
54<br />
Nostalgische Reise<br />
© Paramount Pictures<br />
Komisch, ergreifend, wunderbar – der<br />
Film „Das Konzert“ erntete überschwengliche<br />
Kritiken, als er 2009 ins<br />
Kino kam. Die Geschichte ist skurril:<br />
Andrej Filippov, einstmals Stardirigent<br />
am Bolschoi, arbeitet heute als Putzmann<br />
im Moskauer Theater. Eines Tages<br />
entdeckt er auf einem Schreibtisch<br />
ein Fax eines Pariser Veranstalters, der<br />
händeringend ein Orchester sucht. Filippov<br />
trommelt seine alten Musikerkollegen<br />
zusammen, mit denen er unter<br />
fal schem Namen<br />
in Paris auftreten<br />
will. Die Reise wird<br />
zum Desaster, das<br />
Konzert – natürlich –<br />
ein Erfolg. (Concorde<br />
Video)<br />
buchjournal 1/2011
CD-TIPPS DVD-TIPPS<br />
CROSS-OVER<br />
Barock<br />
meets Jazz<br />
Nicht das erste Mal,<br />
dass Monteverdi<br />
vom Jazz entdeckt<br />
wird. Nun wagt sich<br />
Barock-Sopranistin<br />
Roberta Mameli an<br />
den Cross-over –<br />
das Ergebnis ist der<br />
reine Hörgenuss.<br />
(Glossa)<br />
MAX RAABE<br />
Eigene Songs<br />
Zum ersten Mal veröffentlicht<br />
Sänger<br />
Max Raabe ein Album<br />
nur mit eigenen<br />
Liedern. Sein<br />
unnachahmlicher<br />
Stil wird einige seiner<br />
Songs zu Bestsellernkatapultieren.<br />
(Universal)<br />
FILMMUSIK<br />
Kino-Ohrwürmer<br />
„Der Pate“, „Herr<br />
der Ringe“ oder<br />
„Miss Marple“ – was<br />
wären Filme ohne<br />
die Musik? Eine mit<br />
Schwung gespielte<br />
Auswahl der besten<br />
Kino-Ohrwürmer.<br />
(Oehms Classics)<br />
buchjournal 1/2011 55<br />
© Ci<strong>net</strong>ext<br />
Kultserie aus England<br />
Es ist schon mehr als 40 Jahre her, dass die englische Serie „Mit Schirm,<br />
Charme und Melone“ zum ersten Mal über den Bildschirm fl immerte –<br />
und noch immer genießen die Agenten John Steed, Emma Peel und Tara<br />
King bei vielen Fans Kultstatus. Für alle, die nicht genug bekommen können,<br />
gibt es nun eine 1,5 Kilo schwere Box mit<br />
37 DVDs und üppigem Begleitmaterial. Enthalten<br />
sind unter anderem 83 Folgen von „The Avengers“<br />
(so der Originaltitel) sowie alle 26 Folgen<br />
von „The New Avengers“. (Arthaus)<br />
Zwischen zwei Männern<br />
Ungewöhnliche Dreiecksgeschichten haben nicht erst seit Tom Tykwers<br />
Kinofi lm „Drei“ Konjunktur. 2010 avancierte „Renn, wenn du kannst“ von<br />
Regie-Debütant Dietrich Brüggemann bei der Berlinale<br />
zum Publikumsliebling und gewann zahlreiche Preise.<br />
Der Film erzählt die Geschichte von Ben, der im Rollstuhl<br />
sitzt und von Zivi Christian betreut wird. Beide<br />
verlieben sich in die Cellostudentin Annika, die beide<br />
Jungs mag, sich aber nicht so recht entscheiden kann –<br />
intelligentes Unterhaltungskino. (Zorro Medien)<br />
Doppelter Mann im Mond<br />
Wer auf Science-Fiction steht, sollte sich diesen Film von Regisseur Duncan<br />
Jones, Sohn von David Bowie, nicht entgehen lassen: „Moon“ erzählt<br />
die Geschichte des Astronauten Sam Bell, der seit drei<br />
Jahren auf dem Mond arbeitet, um den Abbau von Helium<br />
3 zu überwachen, und kurz vor seiner Ablösung<br />
steht. Aus gesundheitlichen Gründen wird für ihn die<br />
Rückkehr auf die Erde ohnehin höchste Zeit – bis plötzlich<br />
ein Mann vor ihm steht, der so aussieht wie er<br />
selbst und behauptet, Sam Bell zu sein … (Koch Media)<br />
Max Frisch zum Geburtstag<br />
Am 15. Mai wäre der Schweizer Schriftsteller 100 Jahre alt geworden –<br />
eine gute Gelegenheit, die wichtigsten Filme von, mit und über Max<br />
Frisch Revue passieren zu lassen. Diese Box mit fünf DVDs enthält unter<br />
anderen Matthias von Guntens Porträt „Max Frisch. Citoyen“, die hochgelobte<br />
Verfi lmung „Holozän“ (1992) und natürlich Volker Schlöndorffs<br />
„Homo faber“-Adaption mit Stars wie Sam Shepard, Julie Delpy und Barbara<br />
Sukowa. (Filmedition Suhrkamp; erscheint am 31. März)<br />
Großes Kino: Sam Shepard und Julie Delpy in<br />
Volker Schlöndorffs „Homo faber“-Verfi lmung<br />
<br />
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Testsieger <br />
„Klang-Kunstwerk“ <br />
„Das neue Paradestück“ <br />
<br />
<br />
Ehrliche Lautsprecher
© Dan Morris<br />
ROMANE_FANTASY<br />
Hinter den Backsteinfassaden einer Reihenhaussiedlung<br />
lauert das Grauen: Hier schreibt Wolfgang Hohlbein –<br />
nachts, über Zombies, Vampire und andere Schattenwesen.<br />
Antje Deistler hat sich über die Schwelle getraut.<br />
Der Fürst<br />
der Finsternis<br />
Blutrünstige Fantasiewelten: Wer bei der Lektüre gern in düstere Sphären<br />
abtaucht, ist bei den Büchern von Wolfgang Hohlbein bestens aufgehoben<br />
56<br />
N euss-Hoisten,<br />
Stadtrand. Eine Reihenhauskolonie<br />
mit Blick ins niederrheinische<br />
Flachland: Äcker, Felder,<br />
ein paar Bäume, schwarzes Gekrächz von<br />
zahllosen Raben. Irgendwo hier wohnt<br />
Wolfgang Hohlbein. Backsteinfassaden<br />
dicht an dicht, eine sieht aus wie die andere.<br />
Gerade will man die Orientierung<br />
verlieren, als plötzlich alles klar ist: Vor<br />
dem Portal eines Reihenendhauses kauern<br />
zwei Steintrolle. Wer braucht Hausnummern?<br />
Nur hier kann sich der Fürst<br />
der deutschen Finsternis verbergen.<br />
Rund 200 Fantasyromane hat Wolfgang<br />
Hohlbein veröffentlicht, allein<br />
oder mit Koautoren. Seine mal märchenhaften,<br />
mal blutrünstigen Geschichten<br />
entführen in düstere Paral-<br />
leluniversen, in denen der ewige Kampf<br />
des Guten gegen das Böse tobt. Nibelungen<br />
schwingen ihre Runenschwerter,<br />
ganz normale Menschen stolpern in die<br />
Schattenwelt. Damit erreicht der<br />
57-Jährige ein riesiges, meist junges<br />
Publikum – nicht nur in Deutschland.<br />
Hohlbeins Weltauflage: 40 Millionen.<br />
In der Fantasyszene wird er wie ein<br />
Popstar verehrt, kreischende Mädchen<br />
inklusive.<br />
Doch bei ihm zu Hause ist von Ruhm<br />
oder gar Glamour nichts zu spüren. Und<br />
auch die Wohnung eines Schriftstellers<br />
stellt man sich anders vor. Wo bei anderen<br />
Vertretern seiner Branche Bücherregale<br />
bis zur Decke stehen, gucken einen<br />
in Hohlbeins Welt aus jeder Ecke die sagenhaftesten<br />
Nippesfiguren an: Monster,<br />
Ritter und Zombies aus Plastik,<br />
Holz, Gips oder Glas. Ein Drachenkopf<br />
ragt aus der Wand; unter dem Glastisch,<br />
der von einem gusseisernen Skorpion<br />
gestützt wird, schnarchen zwei übergewichtige<br />
Möpse.<br />
In eine Rauchwolke gehüllt sitzt<br />
Wolfgang Hohlbein am Esstisch und<br />
starrt in seinen Kaffeebecher. Es ist früher<br />
Nachmittag, gerade hat er sich aus<br />
dem Bett gequält. Die hüftlange Mähne<br />
zum Pferdeschwanz gebunden, die getönte<br />
Pilotenbrille aufgesetzt, erst mal<br />
eine anstecken.<br />
Zum Schreiben ist es ihm viel zu<br />
früh. Der Meister arbeitet nur im Dun-<br />
buchjournal 1/2011
uchjournal 1/2011 57<br />
© David Klammer / laif<br />
keln. Oben, in seinem Zimmer. Gegen<br />
Mitternacht trägt seine Frau Heike ihm<br />
noch ein Butterbrot und vielleicht auch<br />
die eine oder andere Idee die Wendeltreppe<br />
hinauf, dann lässt sie ihn bis<br />
zum Morgengrauen allein. Seine Bücher<br />
seien ihr immer zu brutal gewesen,<br />
sagt sie, die Thriller oder Horrorgeschichten<br />
mochte sie nicht. „Mach<br />
doch mal was Schönes“, habe sie ihn<br />
gebeten. Und mit ihm über wohligere<br />
Fantasien gesprochen. Das Resultat:<br />
„Märchenmond“ – der erste Bestseller<br />
aus der Hoistener Schreibfabrik. Bis<br />
heute steuert Heike Hohlbein zu den<br />
weniger gewalttätigen Geschichten<br />
ihres Gatten einiges bei. Wofür ihr<br />
Name später auf dem Titel erscheint,<br />
gleichberechtigt neben seinem.<br />
Das Arbeitszimmer ist so klein und<br />
so vollgestopft, dass man sich darin<br />
kaum drehen kann. Hier fi nden sich<br />
endlich auch Bücherregale, gefüllt mit<br />
den eigenen Werken. Hohlbeins in den<br />
verschiedensten Ausführungen, Sprachen<br />
und Schriftzeichen. In über 40<br />
Ländern erscheint das, was er hier niederschreibt.<br />
Nicht auf dem Computer,<br />
sondern per Hand, ganz konventionell.<br />
Scheinbar. Denn in dem Kugelschreiber<br />
befi ndet sich ein hochmoderner<br />
Chip. Per USB-Stecker lässt sich das Geschriebene<br />
in den PC einlesen und via<br />
E-Mail an die Verlage schicken.<br />
Wolfgang Hohlbein, der sich gern<br />
pseudomittelalterlich kleidet, ist ein<br />
Technikfreak. Kein Wunder, dass er mit<br />
„Wyrm“ den ersten Roman nur fürs<br />
Zur Person<br />
Wolfgang Hohlbein, geboren 1953 in Weimar, schreibt<br />
Horror-, Science-Fiction- und Fantasyliteratur. Mit 40 Millionen<br />
verkauften Büchern zählt er zu den erfolgreichsten<br />
Autoren Deutschlands. Der Durchbruch gelang dem gelernten<br />
Industriekaufmann 1982 mit „Märchenmond“.<br />
Handy geschrieben hat, und sein „Inquisitor“<br />
wurde zum Computerspiel.<br />
Nachts, wenn er schreibt, ist es ruhig<br />
bei ihm zu Hause, tagsüber aber sei immer<br />
die Hölle los. Früher mit den eigenen<br />
vier Söhnen und zwei Töchtern, heute mit<br />
deren Kindern. Und da ist er auch schon:<br />
der Auftritt der Hohlbein-Enkel. Durch<br />
die offene Gartentür rennt eine Bande<br />
sechs- bis achtjähriger Jungs herein. Sie<br />
wohnen mit ihren Eltern, Wolfgang und<br />
Heike Hohlbeins erwachsenen Kindern<br />
und deren Partnern, in den fast identischen<br />
Häuschen direkt nebenan. Darunter<br />
die 33-jährige Rebecca, die bereits eigene<br />
Fantasyromane veröffentlicht hat. Die<br />
beiden jüngsten Söhne, 20 und 22, sind<br />
noch nicht aus ihren Kinderzimmern im<br />
oberen Stock des Stammhauses ausgezogen.<br />
Wolfgang Hohlbeins Bücher mögen<br />
sich perfekt für die Flucht aus dem Alltag<br />
eignen. Doch die Hohlbeins selbst zieht<br />
es nicht in fremde Welten. <br />
Lesezeichen<br />
1. Wolfgang Hohlbein: Infi nity. Der Turm. Piper,<br />
608 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
2. Wolfgang und Heike Hohlbein: Märchenmond.<br />
Das Buch zum Musical nach dem Bestseller. Baumhaus,<br />
208 S., 10,– € (D) • 10,30 € (A) • 15,90 sFr.<br />
3. Wolfgang Hohlbein: Wir sind die Nacht. Heyne,<br />
608 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 33,90 sFr.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Michelle Raven<br />
Vertraute Gefahr<br />
€ 9,95 [D] · € 10,30* [A] · sFr* 15,90<br />
ISBN: 978-3-8025-8371-1<br />
Von der<br />
Autorin der<br />
erfolgreichen<br />
Ghostwalker<br />
-Serie<br />
<br />
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<br />
* unverbindliche Preisempfehlung
© froodmat / photocase<br />
Neue Hörbücher<br />
WITZIGE WELTGESCHICHTE<br />
Nero einmal anders<br />
Geschichte ereig<strong>net</strong><br />
sich immer zweimal,<br />
wusste Hegel – und<br />
Marx ergänzte: das<br />
eine Mal als Tragödie,<br />
das andere Mal<br />
als Farce. Insofern<br />
darf, nein: muss Geschichtsschreibung auch witzig<br />
sein. Dazu freilich braucht es witzige Historiker,<br />
doch die sind selten. Große Ausnahme:<br />
Chris toph Schulte-Richtering, was sich auch daran<br />
zeigt, dass er Pointen für Prominente wie<br />
Thomas Gottschalk, Harald Schmidt und Stefan<br />
Raab schreibt. Mit „Schnick, Schnack, Schnuck“<br />
hat er ein Geschichtsbuch geschrieben, wie es<br />
kein zweites gibt: Weltgeschichte vom alten<br />
Rom bis zur Finanzkrise – nicht mit pädagogisch<br />
bemühter Lockerheit, sondern wirklich witzig erzählt.<br />
Oliver Rohrbeck trägt die Anekdoten aus<br />
2000 Jahren nicht aufgekratzt komisch, sondern<br />
zurückhaltend, mit einem gewissen Staunen in<br />
der Stimme vor, was die Sache nur noch komischer<br />
macht. Auffällig ist, dass dem Hörbuch<br />
ausgerech<strong>net</strong> das Kapitel über die Tempelritter<br />
fehlt, das dem Buch seinen kuriosen Namen gegeben<br />
hat. Ist das Teil einer Verschwörung? rma<br />
^ Christoph Schulte-Richtering: „Schnick,<br />
Schnack, Schnuck. Schulte-Richterings kleine Weltgeschichte“.<br />
Gelesen von Oliver Rohrbeck. Argon,<br />
4 CDs, 19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 31,90 sFr.<br />
Abenteuerliche<br />
Freundschaft ...<br />
ABGEFAHREN<br />
Los geht’s in<br />
die Walachei<br />
Jeder hält Maik für einen Langweiler – sogar<br />
er selbst. Zur Schuljahresabschlussparty bei<br />
der tollen Tatjana im Haus am See ist er<br />
selbstverständlich nicht eingeladen. Harte<br />
Zeiten für einen 14-Jährigen. Aber da ist ja<br />
noch Tschick, der Russlanddeutsche, der neu<br />
ist in der Klasse und auch schon mal besoffen<br />
zum Unterricht erscheint. Tschick kriegt<br />
mit, dass Maik in den Ferien allein zu Haus<br />
ist, und drängt sich ihm ein bisschen auf. Und<br />
irgendwann haben die beiden genug vom<br />
Playstationgedaddel und fahren los: mit<br />
einem geklauten Lada von Berlin-Marzahn<br />
Richtung Walachei. Unterwegs lernen sie<br />
merkwürdige Menschen kennen – und Maik<br />
hat öfter mal die Gelegenheit, über sich hinauszuwachsen.<br />
Der junge Schauspieler Hanno<br />
Koffl er liest Wolfgang Herrndorfs abgefahrene<br />
Geschichte einer abenteuerlichen<br />
Freundschaft mit viel Gefühl. Seine Stimme<br />
ist jung, lässig, ein bisschen nasal. Dem jungen<br />
Russlanddeutschen Tschick verleiht er<br />
einen hübschen Proletensingsang. Sehr witzig<br />
– und sehr schön. rma<br />
^ Wolfgang Herrndorf: „Tschick“. Gelesen<br />
von Hanno Koffl er. Argon, 4 CDs, 19,95 € (D) •<br />
20,60 € (A) • 31,90 sFr.<br />
DUNKLE GEHEIMNISSE<br />
Liebe, Verrat und Mord<br />
Während des Zweiten<br />
Weltkriegs fand<br />
Ediths Mutter Zufl<br />
ucht auf Schloss<br />
Milderhurst. Doch<br />
warum spricht sie<br />
nicht über diese<br />
Zeit? Ein 50 Jahre zu spät zugestellter Brief führt<br />
Edith in die Vergangenheit. Im Schatten der alten<br />
Schlossmauern warten dunkle Geheimnisse<br />
darauf, gelüftet zu werden. Es geht um unerfüllte<br />
Liebe, um Verrat und Mord. Wie schon in<br />
ihrem Debütroman „Das geheime Spiel“ verwischt<br />
die Australierin Kate Morton die Grenzen<br />
zwischen Liebesgeschichte, Krimi und Familiensaga.<br />
Gelesen wird das unheimliche Verwirrspiel<br />
von Esther Schweins. Wer bei diesem Namen<br />
nur an „RTL Samstag Nacht“ denkt, wird<br />
schnell eines Besseren belehrt. Mal unheimlich,<br />
mal liebenswürdig, hochnäsig oder blasiert –<br />
die Schauspielerin verleiht jedem Charakter<br />
eine ganz eigene Stimme. nf<br />
^ Kate Morton: „Die fernen Stunden“. Gelesen<br />
von Esther Schweins. Random House Audio, 6 CDs,<br />
24,99 € (D / A) • 40,90 sFr.<br />
PSYCHOTHRILLER<br />
Beziehungsschatten<br />
Mit 17 ungewollt<br />
schwanger, kurz darauf<br />
sterben ihre Eltern<br />
auf tragische<br />
Weise: Holly hat es<br />
nicht leicht. Ein bisschen<br />
Glück, mehr<br />
erhofft sie sich gar nicht für ihr Leben. Ihr Wunsch<br />
scheint sich zu erfüllen, als sie Jack kennenlernt.<br />
Alles scheint perfekt. Aber warum hat Jack keine<br />
Freunde, keine Familie? Misstrauen und Argwohn<br />
werfen Schatten auf das junge Glück. Der Erstling<br />
der Amerikanerin Brooke Morgan ist ein Psychothriller<br />
der leisen Töne. Die Schauspielerin Valerie<br />
Niehaus schafft daraus eine dichte Atmosphäre,<br />
die immer beklemmender wird. Als Holly brilliert<br />
sie und trägt damit über kleinere Schwächen der<br />
Geschichte hinweg. Älteren Männern ihre Stimme<br />
zu leihen gehört dagegen nicht zu ihren Stärken.<br />
Das macht aber nichts, denn auch so bietet „Befl<br />
eckt“ über 370 Minuten fesselnde Spannung, die<br />
noch lange nachklingt. nf<br />
^ Brooke Morgan: „Befl eckt“. Gelesen von Valerie<br />
Niehaus. Der Audio Verlag, 5 CDs, 22,99 € (D) •<br />
23,20 € (A) • 36,90 sFr.<br />
58<br />
buchjournal 1/2011
ERINNERUNGEN AN ERICH KÄSTNER<br />
Emil und viel mehr<br />
„Ich war jung und hatte tausend Pläne. Doch der<br />
Plan, für Kinder zu schreiben, war nicht darunter“,<br />
so beginnt Erich Kästner seine Erinnerung an „Emil<br />
und die Detektive“. Auf Anraten seiner Verlegerin<br />
schrieb er dann doch für Kinder – und war damit<br />
überaus erfolgreich. Diese und andere Erinnerungen<br />
des großen Schriftstellers – sowie Gedichte,<br />
Zeitbetrachtungen und Briefe – liest der<br />
Schauspieler Walter Sittler mit ruhiger, sanfter<br />
Stimme. Aufregung ist ihr fremd, Trauer und<br />
Nachdenklichkeit dagegen liegen immer nah.<br />
„Vom Kleinmaleins des Seins“ ist die Fortsetzung<br />
der erfolgreichen Doppel-CD „Als ich ein kleiner<br />
Junge war“ (die Walter Sittler auch sehr erfolgreich<br />
als Bühnenprogramm präsentiert). Auf beiden<br />
Hörbüchern wird die vergangene Zeit zudem<br />
durch kurze Kompositionen von Libor Sima lebendig<br />
– von Tanz- bis<br />
Marschmusik. rma<br />
^ Erich Kästner:<br />
„Vom Kleinmaleins<br />
des Seins“. Gelesen<br />
von Walter Sittler.<br />
Atrium, 17,– € (D) •<br />
17,50 € (A) • 26,50 sFr.<br />
JAHRHUNDERTWERK<br />
Kafka als Hörcollage<br />
Muss das wirklich sein, noch eine weitere Audio-Fassung<br />
von Kafkas „Process“, nachdem es<br />
bereits zehn Komplettlesungen gibt? Beim Hören<br />
merkt man aber bald: Wenn überhaupt noch<br />
eine Version, dann diese. Das Fragment erfährt<br />
noch weitere Fragmentierungen, indem der Erzählfl<br />
uss aufgebrochen und der Text in kleinen<br />
Portionen auf die Sprecher verteilt wird: eine<br />
Hörcollage auf Basis der Stroemfeld-Ausgabe,<br />
die nicht willkürlich ist, sondern einer Logik des<br />
Romans folgt. Die vom Autor gestrichenen Passagen<br />
kommen geisterhaft aus dem Off des<br />
Kommando-Mikrofons. So wird die Grandiosität<br />
des Jahrhundertwerks Satz für Satz spürbar. Der<br />
ans Prager Deutsch gemahnende Akzent Samuel<br />
Finzis versetzt Josef K., den Jedermann des<br />
20. Jahrhunderts, zurück in sein historisches<br />
Sprachbiotop – ein interessanterVerfremdungseffekt.<br />
wos<br />
^ Franz Kafka: „Der<br />
Process“. Gelesen von<br />
Samuel Finzi u. a. Hörverlag,<br />
17 CDs, 69,95 €<br />
(D / A) • 105,– sFr.<br />
buchjournal 1/2011 59<br />
CD ISBN 978-3-8337-2747-4<br />
Teil 1: CD ISBN 978-3-8337-2686-6<br />
5 CD ISBN 978-3-8337-2740-5<br />
6 CD ISBN 978-3-8337-2752-8<br />
Neue HörErlebnisse<br />
»Marko Simsa – Er ist der König<br />
der Kinderkonzerte.« Fono Forum<br />
Die Original-Hörspiele zur TV-Zeichentrick-Serie<br />
im KI.KA und ZDF.<br />
TV-Serie ab April 2011<br />
»Ein Glücksfall, ein großer Wurf, ein<br />
heiter-zärtliches Vexierspiel von Liebe<br />
und Zufall.« Hellmuth Karasek<br />
CD ISBN 978-3-8337-2550-0<br />
Auf spielerische Art und Weise den<br />
Zahlenraum von 1 bis 10 entdecken.<br />
Am Anfang war das Wort. GoyaLiT<br />
Jettes fünfter Fall – ein mörderisches<br />
Katz-und-Maus-Spiel.<br />
»Als würde die beste Freundin beim Wein<br />
ihr Leben erzählen. Spitze!« life Magazin<br />
JUMBO Neue Medien & Verlag GmbH • www.jumbo-medien.de<br />
2 CD ISBN 978-3-8337-2687-3<br />
3 CD ISBN 978-3-8337-2749-8<br />
Zum<br />
Filmstart<br />
am 17.02.2011<br />
4 CD ISBN 978-3-8337-2733-7<br />
Das Original-Filmhörspiel zum<br />
großen Kinoereignis – mit den Stimmen<br />
von Michael Mittermeier u. v. a.<br />
Kinostart<br />
des Films<br />
März 2011<br />
Jacob Weigert spricht den Action-Thriller<br />
um einen jungen Außerirdischen.
KINO<br />
D ie<br />
Der kürzlich angelaufene Streifen „Dschungelkind“ erzählt das Leben von<br />
Sabine Kuegler, die sich heute für das Kinderhilfswerk World Vision engagiert.<br />
Einsatz für die ärmsten Kinder<br />
Geschichte des deutschen Mädchens,<br />
das im Dschungel aufwuchs,<br />
hat Millionen Leser fasziniert: Sabine Kueg -<br />
ler war acht Jahre alt, als sie an der Seite ihrer<br />
Eltern und ihrer beiden Geschwister in<br />
den Urwald von West-Papua ging. Als<br />
17-Jährige kehrte sie zurück nach Deutschland,<br />
kannte keine Autos, kein Fernsehen.<br />
Nur schwer fand sie sich in der „zivilisierten<br />
Welt“ zurecht und erst mit ihrem Erinnerungsbuch<br />
„Dschungelkind“, so sagte sie<br />
später in einem Interview, konnte sie den<br />
Kulturschock endgültig verarbeiten.<br />
2005 erschien das Buch, das schnell zum<br />
Bestseller und in 31 Sprachen übersetzt<br />
wurde und Kuegler berühmt machte. Die<br />
heute 37-Jährige legte noch zwei Bücher<br />
nach und stimmte schließlich auch dem<br />
Angebot zu, „Dschungelkind“ zu verfi lmen<br />
– am 17. Februar lief der Streifen in den<br />
deutschen Kinos an. In den Hauptrollen<br />
spielen unter anderen Nadja Uhl und Thomas<br />
Kretschmann. Gedreht wurde der Film<br />
allerdings nicht in Papua-Neuguinea, sondern<br />
im Urwald von Malaysia, wo auch Sabine<br />
Kuegler vor Ort war. Nicht nur, weil die<br />
bildhübsche Frau etwas vom Geschäft versteht,<br />
sondern weil sie es sich zur Aufgabe<br />
gemacht hat, ihre Bekanntheit zu nutzen,<br />
um sich für die Rechte Benachteiligter einzusetzen:<br />
für die bedrohten Ureinwohner<br />
West-Papuas und als Botschafterin der Organisation<br />
World Vision. Bei dem internationalen<br />
Kinderhilfswerk stehen Projekte<br />
für Mütter und kleine Kinder in den<br />
ärmsten Ländern der Welt im Mittelpunkt.<br />
„Mich beschäftigt als Mutter von vier<br />
Kindern schon länger, was Millionen<br />
Frauen durchmachen, die ohne ärztliche<br />
Betreuung ein Kind zur Welt bringen müssen,<br />
und wie sie darunter leiden, wenn ihr<br />
Kind bald darauf an den Folgen von<br />
Mangel ernährung, Durchfall oder schmutzigem<br />
Wasser stirbt“, erläutert Kuegler die<br />
Motivation für ihr Engagement. Die Arbeit<br />
Lesezeichen<br />
Sabine Kuegler:<br />
Dschungelkind. Droemer<br />
Knaur, 400 S., 9,99 € (D) •<br />
10,30 € (A) • 15,90 sFr.<br />
60<br />
Autorin Sabine Kuegler: nutzt ihre<br />
Popularität für soziales Engagement<br />
© Stephan Sahm; 2010 UFA Cinema<br />
von World Vision ist dringend nötig: Jedes<br />
Jahr sterben weltweit vier Millionen Neugeborene<br />
in den ersten vier Lebenswochen,<br />
fast neun Millionen Kinder erleben ihren<br />
fünften Geburtstag nicht. Abhilfe schaffen<br />
soll das Start helfer-Programm von World<br />
Vision, das neben Ernährungsschulungen<br />
therapeutische Aufbaunahrung für akut<br />
mangelernährte Kinder bereitstellt oder<br />
Impfkampagnen fördert.<br />
Das christliche Kinderhilfswerk profi -<br />
tiert in Deutschland nicht nur vom Engagement<br />
Sabine Kueglers, auch Regisseurin<br />
Caroline Link, Musiker Wolfgang Niedecken<br />
und Fußballprofi Mladen Petric gehören<br />
zu den prominenten Unterstützern von<br />
World Vision – für eine bessere Zukunft bedürftiger<br />
Kinder. <br />
buchjournal 1/2011
Kober Verlag AG<br />
Postfach 1051<br />
CH-8640 Rapperswil<br />
Das geistige Lehrwerk<br />
von Bô Yin Râ umfaßt die<br />
folgenden Titel:<br />
Das Buch der königlichen Kunst<br />
Das Buch vom lebendigen Gott<br />
Das Buch vom Jenseits<br />
Das Buch vom Menschen<br />
Das Buch vom Glück<br />
Der Weg zu Gott<br />
Das Buch der Liebe<br />
Das Buch des Trostes<br />
Das Buch der Gespräche<br />
Das Geheimnis<br />
Die Weisheit des Johannes<br />
Wegweiser<br />
Das Gespenst der Freiheit<br />
Der Weg meiner Schüler<br />
Das Mysterium von Golgotha<br />
Kultmagie und Mythos<br />
Der Sinn des Daseins<br />
Mehr Licht<br />
Das Hohe Ziel<br />
Auferstehung<br />
Welten<br />
Psalmen<br />
Die Ehe<br />
Das Gebet<br />
So sollt ihr beten<br />
Geist und Form<br />
Funken/Mantra Praxis<br />
Worte des Lebens<br />
Über dem Alltag<br />
Ewige Wirklichkeit<br />
Leben im Licht<br />
Briefe an einen und viele<br />
Hortus Conclusus<br />
Daran anschließende Werke:<br />
Kodizill zu meinem geistigen Lehrwerk<br />
Marginalien<br />
In eigener Sache<br />
Über die Gottlosigkeit<br />
Geistige Relationen<br />
Okkulte Rätsel<br />
Mancherlei<br />
Warum ich meinen Namen führe<br />
Über meine Schriften<br />
Aus meiner Malerwerkstatt<br />
Das Reich der Kunst<br />
Nachlese I<br />
Nachlese II<br />
Der Sinn des Daseins<br />
157 Seiten, Leinen<br />
Fr. 34.- / € 24.-<br />
ISBN 978-3-85767-070-1<br />
www.koberverlag.ch<br />
info@koberverlag.ch<br />
… „Du wirst erreichen, wonach du strebst,<br />
wenn du – trotz aller Freude an der Außenwelt<br />
– stets die Empfindung in dir wach erhalten<br />
kannst, daß noch ein anderes in dir<br />
lebt, das alles überragt, was je im Äußeren<br />
dir begegnen könnte, und daß du dieses ‚andere‘<br />
selber bist! – “ …<br />
Zuruf<br />
Die Sünde der Väter<br />
Das höchste Gut<br />
Der ‚böse‘ Mensch<br />
Bekundung der Lichtwelt<br />
Bedeutung des Schweigens<br />
Wahrheit und Wahrheiten<br />
Beschluß<br />
Kann das Leben auf unserm kleinen Pla<strong>net</strong>en mit seinen<br />
schwindenden Ressourcen und ständigen mörderischen<br />
Konflikten noch einen andern Sinn haben als die Erhaltung<br />
der Art, vergleichbar dem Treiben in einem Bienenstock<br />
oder dem Gewimmel in einem Ameisenhaufen? Fühlende<br />
Menschen, welche sich mit der Erklärung, ein intelligentes<br />
Tier zu sein, in ihrem tiefsten Empfinden nicht zufrieden<br />
geben können, suchen und finden Trost und Stärkung bei<br />
den grossen Religionen. Wen auch dort manches nicht zu<br />
überzeugen vermag, kann in den Büchern von Bô Yin Râ<br />
sichere Wegweisung finden. Auch in diesem Buch will<br />
Bô Yin Râ niemanden ‚bekehren‘ oder für sich gewinnen –<br />
nichts vertrüge sich schlechter mit seiner Aufgabe. In<br />
jedem nicht gänzlich verkommenen Menschen ist noch<br />
ein Funke Erinnerung an ein geistiges ewiges Leben erhalten.<br />
Um diesen Funken wieder zu Licht und Wärme zu erwecken,<br />
welche alles Elend des irdischen Daseins in Liebe<br />
überstrahlen, wurde das Buch geschrieben.<br />
In den den Büchern von Bô Yin Râ geht es nicht um eine neue<br />
religiöse Bewegung, es wird keine Gefolgschaft erwartet und<br />
nicht einmal ein Glaube ist gefordert. Es geht vielmehr um<br />
„… ein Erwecken der lebendigen geistigen Kräfte, die der Erdenmensch<br />
auch heute noch in sich selber finden kann …“.<br />
Mehr über den Autor mit dem fremd klingenden Namen erfahren<br />
Sie auf www.koberverlag.ch oder in unserem Gesamtverzeichnis,<br />
das wir Ihnen gerne zustellen, Tel. 0041 (0)55 214 11 34<br />
oder info@koberverlag.ch
HÖRBUCH_PORTRÄT<br />
Sie ist unprätentiös, pragmatisch und vielbeschäftigt. Juliane Köhler weiß, was sie<br />
kann – und was sie will. Nämlich alles, und das möglichst entspannt. Ein Besuch bei<br />
der Schauspielerin und Sprecherin in <strong>München</strong>.<br />
Handwerkerin mit Stimme<br />
TEXT: SABINE SCHWIETERT<br />
M itten<br />
im Zentrum von <strong>München</strong>s<br />
beliebtem Stadtteil Lehel wohnt<br />
Juliane Köhler. Sie hat Brötchen besorgt.<br />
Der Kaffeeautomat läuft, am großen Esstisch<br />
ist Platz für zehn. Der Raum hat Größe,<br />
locker 60 Quadratmeter. Loft würde<br />
man in Berlin dazu sagen, wäre dieses Familienzimmer<br />
nicht so gemütlich. „Früher<br />
war hier ein Yoga-Zentrum“, erklärt<br />
die 45-Jährige und sorgt sich, die Frühstücksgeräusche<br />
könnten die Aufnahme<br />
des Interviews stören.<br />
Die vielbeschäftigte Schauspielerin („Aimée<br />
und Jaguar“, „Der Untergang“, „Nirgendwo<br />
in Afrika“) kommt ohne Allüren<br />
aus, ihre Professionalität und Disziplin<br />
kommen nicht von ungefähr. „Ich habe in<br />
Amerika studiert und dort gelernt, dass<br />
dieser Beruf zu 90 Prozent Handwerk ist.“<br />
Das gilt auch für ihre Arbeit im Studio.<br />
Sprechübungen gehören für sie zur Vorbereitung<br />
dazu, Kenntnis der Buchvorlage,<br />
die ausgiebige Lektüre der Hörfassung.<br />
Ganz wichtig sei auch die körperliche Verfassung.<br />
„Ich trinke vor der Aufnahme nur<br />
Fencheltee, um Nebengeräusche zu vermeiden“,<br />
jedes kleine Glucksen würde schließlich<br />
zu unnötigen Störungen führen.<br />
Hörspiele unter der Regie von Klaus Buhlert,<br />
Gedichte, Texte von Freud und Heidegger,<br />
dicke Romane und Kindergeschichten:<br />
Die Liste ihrer Hörbücher zeich<strong>net</strong><br />
sich bisher mehr durch Vielfalt als<br />
durch Masse aus. Obwohl sie die intensive<br />
Arbeit mit Text und Stimme liebe, habe sie<br />
in Sachen Hörbuch vieles abgelehnt, sagt<br />
sie. Kein Wunder, als Filmschauspielerin<br />
und festes Ensemble-Mitglied am Residenz<br />
Theater mit zwei Töchtern im Alter von 13<br />
und acht Jahren.<br />
Zuletzt zugesagt hat sie bei „Der italienische<br />
Geliebte“ von Judith Lennox, einer<br />
Erzählerin, die weite Bögen über ver-<br />
zwickte Familienbande spannt. Ihre melodisch-warme<br />
Stimme passt perfekt, trägt<br />
Stunde um Stunde, ohne den Hörer zu ermüden.<br />
Den vielen unterschiedlichen Figuren<br />
gibt sie nur eine leicht unterschiedliche<br />
Stimmfärbung, Juliane Köhler liest,<br />
sie spielt nicht. Was man hört, ist ihre ganz<br />
normale Sprechstimme – bestens ausgebildet,<br />
selbstverständlich, aber eben ohne angestrengtes<br />
Zwerchfell und Überbetonung.<br />
Die Stimme zurückfahren, das scheint<br />
ihr Geheimnis. Schon komisch, dass Juliane<br />
Köhler sich ihre eigenen Hörbücher lieber<br />
nicht anhört. Ihr Respekt gehört Spre-<br />
cherkollegen wie Christian Brückner, Stefan<br />
Wilking und dem Rollenakrobaten<br />
Rufus Beck.<br />
Zum perfekten Studiotag gehören für sie<br />
gute Vorbereitung, fünf Stunden Lesezeit<br />
mit möglichst wenig Unterbrechungen –<br />
und ein guter Regisseur. „Wenn ich lese<br />
und selber höre, dass ich Fehler mache,<br />
aber der Regisseur es nicht merkt, dann<br />
läuft etwas schief.“ Gut ist der Mann hinter<br />
der Scheibe für sie, wenn er hellwach und<br />
konzentriert zuhören kann, die Figuren<br />
und Handlungsstränge im Kopf hat, auf<br />
62<br />
Schauspielerin Juliane<br />
Köhler: Sie ist ein Star – und<br />
kann doch unerkannt in die<br />
Münchner U-Bahn steigen<br />
© ddp images / Ruth Kappus<br />
buchjournal 1/2011
Zur Person<br />
Juliane Köhler wurde am 6. August 1965 in<br />
Göttingen geboren. Ihre Schauspielausbildung<br />
erhielt sie am H.B. Studio in New York, danach<br />
nahm sie in <strong>München</strong> Tanz- und Ballettunterricht.<br />
Mit 23 Jahren debütierte sie am Staatstheater<br />
in Hannover. International bekannt wurde<br />
Köhler durch die Rolle der Lilly Wust in dem Kinofi<br />
lm „Aimée und Jaguar“. Sie ist festes Ensemblemitglied<br />
am Münchner Residenz Theater. Am<br />
2. Juni kommt „Das Blaue vom Himmel“ in die<br />
Kinos, ein Film von Hans Steinbichler um eine<br />
Mutter-Tochter-Beziehung. Die Schauspielerin<br />
lebt mit ihrer Familie in <strong>München</strong>.<br />
die Betonungen achtet. Juliane Köhler ist<br />
für alles empfänglich, was die Sache besser<br />
macht: Dazu gehört auch, manches mehrmals<br />
zu lesen.<br />
Wie viel eigene Text interpretation in ihren<br />
Lesungen stecke, vermag Köhler nicht<br />
zu sagen. Wenn sie für Kinder liest, zum<br />
Beispiel die „Karlchen“-Geschichten von<br />
Rotraut Susanne Berner, interpretiere sie<br />
mehr, bei Lesungen für Erwachsene versuche<br />
sie „eigentlich nur, dem Autor gerecht<br />
zu werden“. Sie verhalte sich jedenfalls<br />
nicht wie ein Theaterregisseur, der<br />
den Text umkrempelt, extra gegen den<br />
Rhythmus sprechen lässt. Das erschiene<br />
ihr anmaßend.<br />
Studiotermine stehen bei der Schauspielerin<br />
derzeit nicht auf der Agenda. Dabei<br />
würde sie zu gern den Kinder-Klassiker<br />
„Pippi Langstrumpf“ lesen. Am 2. Juni<br />
Lesezeichen<br />
j<br />
buchjournal 1/2011 63<br />
kommt erst einmal Hans Steinbichlers<br />
neuer Film „Das Blaue vom Himmel“ in die<br />
Kinos, in dem Juliane Köhler die Tochter<br />
von Hannelore Elsner spielt. Gerade abgedreht<br />
sind die „Sterntaler“, sie ist hier die<br />
Königin, im Sommer beginnen die Dreharbeiten<br />
zu einem Spionagefi lm an der Seite<br />
von Liv Ullmann. Und dann braucht es ja<br />
auch Zeit für die Töchter, die Familie.<br />
Als Schauspielerin entspannt älter werden<br />
und ihren Aufgaben bei Theater, Film,<br />
Hörbuch und Familie gerecht werden – das<br />
ist es, was Juliane Köhler unter einen für sie<br />
passenden Hut bekommen will. Rote-Teppich-Geschichten<br />
in bunten Blättern gehören<br />
nicht zum Pensum. Stattdessen freut<br />
sie sich, dass sie in <strong>München</strong> unerkannt in<br />
die U-Bahn steigen kann. 2009 ist sie für<br />
ein Karl-Lagerfeld-Shooting auf der Berlinale<br />
mal auf einen Tisch gestiegen, ansonsten<br />
kommt sie in den bunten Blättern kaum<br />
vor. „Das Einzige, was steigt, wenn man<br />
sich Zeit für die Presse nimmt, ist die<br />
Gage“, sagt sie.<br />
Am Ende will man dann doch noch wissen,<br />
wie sie sich so jung und fi t hält. Die<br />
Frage löst bei ihr schallendes Gelächter<br />
aus. Sie sei weder jung noch sehe sie so aus.<br />
Sie habe ihrer Agentin versprochen, sich<br />
nicht liften zu lassen, damit es später im<br />
Film einmal Alte gibt, die auch alt aussehen.<br />
Und dann kommt eine Geschichte, bei<br />
der ein Kameramann ziemlich alt aussieht:<br />
Der hat sich bei Juliane Köhler nämlich einmal<br />
darüber beschwert, wie viele Lampen<br />
er braucht, um ältere Frauen gut auszuleuchten.<br />
Das kam gar nicht gut an. <br />
1. Isabel Allende, Marian Keyes, Charlotte Link, Maeve Binchy, Cecilia Ahern: Für immer dein. Liebesgeschichten zum<br />
Trräumen. Gelesen von Juliane Köhler, Ildikó von Kürthy u. a. Der Hörverlag, 19,99 € (D / A) • 35,20 sFr.<br />
2. Rotraut Susanne Berner: Neue Karlchen-Geschichten. Gelesen von Juliane Köhler. Der Hörverlag, 9,95 € (D / A) •<br />
16,90 sFr. Erscheint am 15. April<br />
3. Hermann Hesse: Hesse Projekt SA. „Die Welt unser Traum“. Gelesen von An<strong>net</strong>t Louisan, Till Brönner,<br />
Juliane Köhler u. a. Der Hörverlag, 10,– € (D / A) • 16,90 sFr. Erscheint am 18. März<br />
4. Judith Lennox: Der italienische Geliebte. Gelesen von Juliane Köhler. Der Hörverlag, 19,95 € (D / A) • 35,20 sFr.<br />
»Es sind immer<br />
die Frauen in<br />
unserer Familie,<br />
die den Stein ins<br />
Rollen bringen.«<br />
Warum wird über manche Begebenheiten<br />
seit Jahrzehnten geschwiegen? Woher<br />
kommen bestimmte Talente? Was wiederholt<br />
sich über Generationen hinweg?<br />
Marie Theres Kroetz Relin, Tochter des<br />
Filmstars Maria Schell und des Regisseurs<br />
Veit Relin, legt offen, was bisher über die<br />
Schells nicht bekannt war – und findet über<br />
diese Spurensuche auch zu sich selbst.<br />
360 Seiten mit zahlreichen Bildern<br />
ISBN 978-3-7844-3251-9<br />
s D 19,95 · CHF 29,90 (UVP)<br />
LangenMüller<br />
www.langen-mueller-verlag.de
Ich werde<br />
mal Ihr Chef.<br />
Aller Anfang<br />
ist Bildung.<br />
Spenden Sie heute<br />
für morgen.<br />
Spendenkonto 15 569 999<br />
HypoVereinsbank<br />
BLZ 100 208 90<br />
www.spendenbildet.de<br />
BuchTipps<br />
Belletristik | Krimi | Sachbuch | Ratgeber | Kinder- und Jugendbuch<br />
Das irrwitzige Leben<br />
am Seabrook College<br />
Ruprecht Van Doren<br />
und Daniel „Skippy“<br />
Juster teilen sich ein<br />
Zimmer im Turm des<br />
Seabrook College,<br />
einer altehrwürdigen<br />
Dubliner Institution,<br />
in der sich keiner so<br />
richtig für die beiden<br />
interessiert. Aber als<br />
Skippy sich in Lori<br />
verliebt, eine Frisbee spielende Schönheit<br />
aus der Mädchenschule gegenüber, haben<br />
auf einmal alle möglichen Leute Interesse.<br />
Eine Tragikomödie von epischer Dimension,<br />
die von großer Freundschaft und der<br />
ersten, unerwiderten Liebe erzählt – und ein<br />
grandioser Gesellschaftsroman, der uns wie<br />
durch ein Kaleidoskop die heutige Zeit<br />
entdecken lässt.<br />
<br />
<br />
Paul Murray: Skippy stirbt. 3 Bände im Schuber.<br />
Verlag Antje Kunstmann, 782 S., 26,00 € (D) •<br />
26,60 € (A) • 39,50 sFr., ISBN 978-3-88897-700-8<br />
Die kleine Seenadel –<br />
Jeder ist wichtig<br />
Eine kleine<br />
unschein bare<br />
Seenadel hat<br />
im Sturm die<br />
Kinderherzen<br />
erobert und<br />
begeistert mit<br />
ihren Abenteuergeschichten<br />
aus<br />
der Meereswelt<br />
von Nord- und Ostsee, mit 3 Büchern, 1 CD<br />
und einer Kinder Radio Serie.<br />
Heute trifft sie auf den klugen Watti Wendewurm,<br />
der ihr erklärt, dass jedes Lebewesen<br />
sehr wichtig ist. Eine Seenadelgeschichte<br />
über Ebbe und Flut, und die Kindern erzählt,<br />
wie schön es ist, einmalig zu sein.<br />
Von Psychologen empfohlen.<br />
Bereits in der 5. Aufl age! Ab 5 Jahre.<br />
Nicole Bernard / Nane Friedel (Illustrationen):<br />
Die kleine Seenadel. „Jeder ist wichtig“.<br />
fi schlandverlag, 24 S., 24 farbige Illustrationen,<br />
9,90 € (D), www.die-kleine-seenadel.de<br />
Solo mit Pink Lady –<br />
Mit 16 die Welt erobert<br />
Dies ist ein außergewöhnliches<br />
Buch von<br />
einem außergewöhnlichen<br />
Mädchen:<br />
einem „Aussie-Girl“,<br />
das die Welt zum Duell<br />
gebeten und gewonnen<br />
hat! Entwaffnend<br />
offen und mitreißend<br />
schildert die 16-jährige<br />
Australierin Jessica<br />
Watson den Verlauf<br />
ihrer Weltumsegelung in zwei Teilen und<br />
sechs Etappen. Mit ihren Lesern teilt sie<br />
Einblicke in das Innere ihrer Yacht ELLA’S<br />
PINK LADY – und in ihr eigenes Innerstes.<br />
Ein Buch, das zugleich fesselt und glücklich<br />
macht, das nicht segelnde Fans ebenso begeistert<br />
wie die technisch interessierte Fachwelt.<br />
Jessica Watson hat eines der letzten<br />
großen Abenteuer unserer Zeit erlebt.<br />
<br />
<br />
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Jessica Watson: Solo mit Pink Lady.<br />
Mit 16 die Welt erobert. Delius Klasing, 372 S.,<br />
67 Farbfotos, 19,90 € (D) • 20,50 € (A) • 31,90 sFr.,<br />
ISBN 978-3-7688-3250-2<br />
Aktueller denn je:<br />
Jesus den sie Christus nennen<br />
Den wahren Jesus<br />
haben sie zugeschüttet<br />
– gründlich! Doch<br />
wenn wir den echten<br />
Jesus ausgraben – hat<br />
der uns heute wirklich<br />
noch etwas zu sagen?<br />
Ein fundiertes Buch,<br />
das religiös Gestrige<br />
ebenso verprellt<br />
wie starre Atheisten. Bissige Kritik an<br />
Funktionären und Suche nach religiösen<br />
Erkenntnissen sind für den Autor kein<br />
Gegensatz: Jesus befreit vom Druck<br />
der Regeln und verleiht Mut zum selbst-<br />
bestimmten Tun.<br />
Und Christus? Ist der wirklich derselbe<br />
wie Jesus? Und wenn nicht, können wir<br />
trotzdem etwas mit ihm anfangen? Eine<br />
spannende Frage, ebenso spannend wie<br />
gescheit beantwortet.<br />
Günter Spitzing: JESUS den sie Christus nennen.<br />
Jesulogie der Befreiung. Asu poleng, 286 S.,<br />
26,00 € (D) • 26,80 € (A), www.asupoleng.de<br />
64 buchjournal 1/2011
BuchTipps<br />
Belletristik | Krimi | Sachbuch | Ratgeber | Kinder- und Jugendbuch<br />
Leben im Augenblick<br />
Wer wird nicht<br />
in größeren<br />
oder kleineren<br />
Abständen von<br />
der „Verschieberitis“befallen?<br />
Die einen<br />
vertagen das<br />
lästige Aufräumen, die anderen den Anruf<br />
bei den Eltern oder den Spaziergang in der<br />
Sonne. Egal, was man vor sich her schiebt,<br />
zufrieden macht es meistens nicht. Die<br />
Alternative heißt: „Lebe lieber jetzt!“<br />
Die Texte des neuen Fastenzeitkalenders von<br />
Anselm Grün, Jordana Schmidt OP, Pierre<br />
Stutz u.v.a. laden ein, die Aufmerksamkeit<br />
zu schärfen für das, was jetzt wichtig ist.<br />
„Lebe lieber jetzt!“ – eine charmante An-<br />
regung, in der Fastenzeit den Blick auf den<br />
Augenblick zu lenken und Wichtiges von<br />
Unwichtigem zu unterscheiden.<br />
<br />
<br />
Lebe lieber jetzt! Fastenzeitkalender. Hrsg.<br />
von Susanne Herzog. Matthias-Grünewald-Verlag,<br />
96 S., 9,90 € (D) •10,20 € (A) • 15,90 sFr.,<br />
ISBN 978-3-7867-2859-7<br />
„Laugenweckle zum Frühstück“<br />
– die Fortsetzung<br />
Die turbulente Beziehungskomödie<br />
aus<br />
„Laugenweckle zum<br />
Frühstück“ (über<br />
100.000 verkaufte<br />
Exemplare) geht weiter<br />
– fl ott, frech und<br />
romantisch zugleich,<br />
gespickt mit viel Situationskomik,Lokalkolorit<br />
und dem unvermeidlichenKatastrophen-Gen.<br />
Durch Leons Zuneigung<br />
scheint es zunächst deaktiviert – doch urplötzlich<br />
bricht um die liebenwerte Heldin<br />
Line wieder das Chaos aus: Ihre beste Freundin<br />
verliebt sich in den falschen Mann, die<br />
achtzigjährige Tante Dorle will doch nicht<br />
heiraten und Lines Schwester spielt mit<br />
dem Gedanken, ihre Familie zu verlassen …<br />
Endlich ein neuer Roman um Pipeline<br />
Praetorius.<br />
Elisabeth Kabatek: Brezeltango. Silberburg-<br />
Verlag, 336 S., 12,90 € (D) • 13,30 € (A),<br />
ISBN 978-3-87407-984-6<br />
buchjournal 1/2011<br />
65<br />
Die Sprache der Gefühle<br />
Liebeskummer? Oder<br />
Eifersucht? Wer kennt<br />
das nicht? Wie steht es<br />
mit Freude, Trauer oder<br />
Zorn? Manchmal sind<br />
Gefühle einfach nur<br />
wunderbar, ein anderes<br />
Mal machen sie uns zu<br />
schaffen. Und oft stellen<br />
wir uns die Frage:<br />
Was tun? Anna hat Liebeskummer. Doch die<br />
Warmherzigkeit und Lebenserfahrung von<br />
Opa Willi helfen ihr rasch auf die Sprünge:<br />
denn er weiß, woher unsere Gefühle kommen,<br />
was sie in uns auslösen und wie wir<br />
besser mit ihnen umgehen können. Mit<br />
Humor, Phantasie und viel Liebe hilft er<br />
Anna, sich und ihre Gefühle besser zu verstehen.<br />
Ein witziges und zugleich sehr nützliches<br />
Buch, das sogar bei Liebeskummer<br />
hilfreich sein kann.<br />
<br />
<br />
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Andreas Busch: Seelenwichtel. Lucy Körner<br />
Verlag, 80 S., 11,50 € (D) • 11,90 € (A) • 18,40 sFr.<br />
Bloß nicht Bestsellerautor<br />
werden!<br />
Schon mal davon geträumt,Nobelpreisträger,<br />
Rockstar, Fußballprofi<br />
oder Top-Model<br />
zu werden? Hat aber<br />
nicht geklappt? Alles<br />
halb so schlimm! Das<br />
TROSTBUCH beweist:<br />
Viel schlimmer als das<br />
Scheitern des Traums<br />
ist seine Erfüllung. 15<br />
Karriereträume werden<br />
genüsslich ausgemalt – und dann gnadenlos<br />
auseinander genommen. Herrlich komisch,<br />
wie die beiden Autoren Licht- und Schattenseiten<br />
von Ruhm und Erfolg beschreiben.<br />
„Gaw und Richter machen glücklich! Danke.“<br />
(Bastian Pastewka, Comedian). „Das vielleicht<br />
wichtigste Sachbuch des Jahres…<br />
Hut ab dafür!“ (Olli Welke, ZDF-heute-show).<br />
„Gerade rechtzeitig bin ich davor bewahrt<br />
worden, eine Karriere als Formel-1-Fahrer<br />
anzusteuern. Das Trostbuch hat mein Leben<br />
gerettet!“ (Maddin [Schneider]).<br />
Lou Richter/ Andreas Gaw: DAS TROSTBUCH.<br />
Lardon Media, 128 S., Hardcover, illustriert,<br />
14,95 € (D) • 15,40 € (A) • 25,50 sFr.<br />
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Lebenserinnerungen, Biographien,<br />
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der BRENTANO-GESELLSCHAFT<br />
FRANKFURT/M. MBH<br />
Die Themen lauten: Frei wählbares<br />
Thema (Klasse A), Der Jahrestag (Klasse<br />
B) und Die Reise (Klasse C).<br />
Ausgewählte Gedichte erscheinen im Standardwerk<br />
deutschsprachiger Lyrik, der Frankfurter<br />
Bibliothek.<br />
Einsendeschluß: 1. Oktober 2011. Sie können ein<br />
Gedicht über das Inter<strong>net</strong> oder per Post einreichen. Das<br />
eingesandte Gedicht darf 20 Zeilen nicht überschreiten;<br />
es muss maschinenschriftlich und mit Rückporto (3x EUR<br />
0,55) eingereicht werden (dem Autor entstehen außer dem Porto<br />
keine Kosten). Bitte geben Sie bei Ihrer Einsendung Ihr Geburtsjahr<br />
an. Dieses wird ggf. mitveröffentlicht. Es darf<br />
nur ein einziges Gedicht eingereicht werden.<br />
Redaktion der Frankfurter Bibliothek<br />
Brentano-Gesellschaft Frankfurt/M. mbH<br />
Großer Hirschgraben 15, D-60311 Frankfurt/M.<br />
Tel. 069-13377-177, Fax-175, www.brentano-gesellschaft.de
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BuchTipps<br />
Belletristik | Krimi | Sachbuch | Ratgeber | Kinder- und Jugendbuch<br />
Zuhörer begeistern mit einer<br />
straffen Rede!<br />
Eine straffe Rede ist<br />
nicht unbedingt kurz,<br />
aber immer kurz-<br />
weilig. Reden straffen<br />
heißt, dass dem Zuhörer<br />
eine halbe Stunde<br />
wie fünf Minuten<br />
vorkommt. Dass er<br />
gefesselt ist, statt<br />
gelangweilt.<br />
Straffe Reden sind<br />
authentisch, emotional, unterhaltsam,<br />
spannend wie ein Krimi. Sie überraschen<br />
mit Fakten, nutzen Bilder, verzichten auf<br />
eine komplizierte Sprache und Floskeln,<br />
begeistern die Zuhörer, werden frei gehalten<br />
und machen Spaß. Den Zuhörern UND dem<br />
Redner.<br />
Katja Kerschgens, „Die Redenstrafferin“,<br />
öff<strong>net</strong> mit diesem Buch erstmals ihre Trickkiste<br />
für straffe Reden.<br />
<br />
Katja Kerschgens: Reden straffen statt<br />
Zuhörer strafen. GABAL, circa 144 S.,<br />
2-farbige Illustrationen von Timo Wuerz,<br />
19,90 € (D) • 20,50 € (A) • 30,50 sFr.<br />
Mit Armbrust & Pfl öcken:<br />
Sissi die Vampirjägerin<br />
Um Sissi ranken sich<br />
zahllose Legenden<br />
und Mythen. Aber<br />
von diesem Geheimnis<br />
wissen wohl nur die<br />
wenigsten…<br />
Wien. Es ist die Zeit<br />
des sogenannten<br />
„rothosigen Leutnants“,<br />
Franz-Joseph<br />
I., Soldat, Kaiser und:<br />
Vampir! Herzog Max<br />
Joseph in Bayern bildet seine beiden<br />
Töchter Helene und Elisabeth insgeheim<br />
im Kampf gegen die Untoten aus. Sie sollen<br />
direkt in das Herz der Vampir-Monarchie<br />
vorstoßen und sie vernichten. Dabei könnte<br />
die zunächst unscheinbare Romanze der<br />
jungen Elisabeth das Fundament einer<br />
ganzen Welt erschüttern. Ein wahrhaft<br />
majestätisches Horror-Satire-Vergnügen!<br />
<br />
Claudia Kern: Sissi die Vampirjägerin.<br />
Scheusalsjahre einer Kaiserin. Panini Verlags<br />
GmbH, 320 S., 12,95 € (D) • 13,40 € (A)<br />
Ein Haus, zwei Frauen,<br />
zwei Geheimnisse<br />
Ein kleines altes Haus<br />
am Rande der Großstadt<br />
und zwei Frauen,<br />
wie sie verschiedener<br />
nicht sein könnten:<br />
Jelisaweta ist 23 und<br />
für ein paar Wochen<br />
aus Smolensk nach<br />
Deutschland gekommen,<br />
um Wilhelmine<br />
zu pfl egen, die seit<br />
einem Unfall an ihr<br />
Bett gefesselt ist.<br />
Doch was als scheinbar ideales Arrangement<br />
beginnt, gerät bald außer Kontrolle und wird<br />
zu einem Kleinkrieg. Am Ende wird jede auf<br />
die Frage zurückgeworfen, was man mit sich<br />
anfängt, nachdem man der Wahrheit ins<br />
Auge gesehen hat. Eine zarte, kraftvolle<br />
und hoch spannende Geschichte von Schuld,<br />
Verdrängung und Verantwortung.<br />
<br />
<br />
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Eva Baronsky: Magnolienschlaf. Aufbau Verlag,<br />
224 S., Geb. mit Schutzumschlag, 17,95 € (D) •<br />
18,50 € (A) • 27,50 sFr., ISBN 978-3-351-03338-5<br />
Ein Insiderbericht aus der Société<br />
Générale<br />
Sonntag, 20. Januar<br />
2008: Die Leitung der<br />
Société Générale entdeckt,<br />
dass Jérôme<br />
Kerviel im Namen der<br />
französischen Großbank<br />
mit 50 Milliarden<br />
Euro spekuliert hat.<br />
Hugues Le Bret, selbst<br />
ehemaliger leitender<br />
Bankmanager der<br />
Société Générale,<br />
schildert, wie es gelang, den Bankrott ab-<br />
zuwenden. Zusammen mit der Finanzaufsicht<br />
– aber ohne Einschaltung der Politik –<br />
arbeiten sie an der Rettung des Weltfi nanzsystems;<br />
die Rechnungseinheit ist eine<br />
Milliarde Euro. Ein wesentlicher Beitrag zum<br />
Verständnis der Finanzkrise, ein persönliches<br />
Zeugnis, eine rückhaltlose Selbstprüfung.<br />
Hugues Le Bret: Die Woche, in der Jérôme<br />
Kerviel beinahe das Weltfi nanzsystem<br />
gesprengt hätte. Verlag Antje Kunstmann,<br />
296 S., 18,00 € (D) • 18,40 € (A) • 27,90 sFr.<br />
66 buchjournal 1/2011
BuchTipps<br />
Belletristik | Krimi | Sachbuch | Ratgeber | Kinder- und Jugendbuch<br />
Originell und spannend<br />
<br />
Ella Theiss: Die Spucke des Teufels.<br />
Historischer Roman. Grafi t Verlag, 286 S.,<br />
8,99 € (D) • 9,30 € (A) • 14,50 sFr.<br />
Wanderparadies Mallorca<br />
<br />
<br />
Mitreißend erzählt Ella<br />
Theiss in ihrem Debüt-<br />
roman von der kürzlich verwitweten<br />
Wirtin Lisbeth,<br />
die für ihre Unabhängigkeit<br />
über Leichen geht, und von<br />
den Bemühungen <strong>Friedrich</strong>s<br />
II., seinem Volk die<br />
Kartoffel nahezubringen.<br />
Sonnige Olivenhaine, spektakuläreKüstenlandschaften<br />
und aussichtsreiche<br />
Gipfel – 35 Touren laden ein,<br />
das „andere“ Mallorca zu<br />
entdecken. Mit empfehlenswertenEinkehrmöglichkeiten,<br />
ganz nach dem Motto<br />
„Wandern & Genießen“.<br />
Meyrinks Novellen werden<br />
in dieser Ausgabe in 3 Bänden<br />
zusammengefaßt.<br />
Sie vereinigen in sich die<br />
Hauptaspekte in seinem<br />
Schaffen – das Satirische<br />
geht eine Synthese ein mit<br />
dem Mystischen, Übersinnlichen,<br />
Esoterischen.<br />
Gustav Meyrink: Des deutschen Spießers Wunderhorn.<br />
3 Bde. i. Schuber. WFB Verlagsgruppe,<br />
164, 156, 164 S., 24,00 € (D) • 24,70 € (A)<br />
Dieses Buch zeigt die erfolgreiche<br />
Verbindung zwischen<br />
Hightech-Medizin und<br />
Naturheilverfahren. Wissenschaftlich<br />
fundiert wird<br />
veranschaulicht, wie beide<br />
Disziplinen in der Therapie<br />
sinnvoll miteinander kombiniert<br />
werden können.<br />
buchjournal 1/2011 67<br />
<br />
<br />
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Nach Lektüre der lustigen<br />
Erlebnisse des Landarztes<br />
Dr. Krieg wird jeder Leser<br />
zugeben: Er ist wirklich der<br />
Beste. Achtung: Es besteht<br />
Gefahr für Ihre Lachmuskeln,<br />
was weder Ihr Arzt<br />
noch Apotheker verhindern<br />
sollte.<br />
Dr. med. Helmuth Krieg: Ich bin einfach der<br />
Beste. medicus media verlag (Calw),135 S.,<br />
illustriert, 14,80 € (D), ISBN 978-3-9813964-0-9<br />
In einer Hinterhofmoschee<br />
explodiert eine Bombe: ein<br />
Anschlag der Rechten oder<br />
ein verunglücktes Attentat<br />
fanatischer Moslems?<br />
„Eckert braucht den Vergleich<br />
zu Grisham und John<br />
le Carré nicht zu scheuen.“<br />
hr2 Kultur<br />
Tradition der Phantastischen Literatur Leibspeisen aus Omas Küche<br />
Neue Wege in der Krebstherapie!<br />
<br />
Rolf Goetz: Mallorca. Wandern & Genießen.<br />
35 Touren. Bergverlag Rother, 192 S., 100 Farbabb.,<br />
19,90 € (D) • 20,50 € (A) • 30,50 sFr.<br />
Gustav Dobos / Sherko Kümmel: Gemeinsam<br />
gegen Krebs. Zabert Sandmann, 304 S., 24,95 €<br />
(D) • 25,70 € (A) • 37,90 sFr., www.zsverlag.de<br />
Ich bin einfach der Beste!<br />
Ein hochaktueller Politthriller<br />
<br />
Für alle, die sich nach den<br />
guten alten Klassikern<br />
sehnen! Über 80 Rezepte<br />
machen Lust auf jede Menge<br />
traditionelle Leibgerichte<br />
aus Omas Küche, wie Maultaschen,<br />
Schupfnudeln,<br />
Rote Grütze, Arme Ritter<br />
und vieles mehr.<br />
Birgit Hamm, Linn Schmidt: Heimwehküche.<br />
Dorling Kindersley, 192 S., über 100 Farbfotos,<br />
19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 36,90 sFr.<br />
Stuttgarter Krimipreis 2011<br />
<br />
Horst Eckert: Sprengkraft. Thriller. Grafi t Verlag,<br />
413 S., 10,99 € (D) • 11,30 € (A) • 17,50 sFr.<br />
Beim Bau der Stuttgarter<br />
Fildermesse wird ein Toter<br />
gefunden. Die Ermittlunen<br />
führen in die Welt der Bauwirtschaft<br />
– einer Branche,<br />
in der ruinöser Preiskampf<br />
und die Skrupellosigkeit<br />
von Wirtschaftsbossen an<br />
der Tagesordnung sind.<br />
Birgit Hummler: Stahlbeton. Ein Stuttgart-Krimi.<br />
Silberburg-Verlag, 464 S., 12,90 € (D) • 13,30 € (A),<br />
ISBN 978-3-87407-988-4<br />
Der demokratische Kapitalismus, eine der<br />
größten Kräfte der Zivilisation, ist an den Rand<br />
seiner Existenz gedrängt worden. Eine neue<br />
Weltwirtschaftsordnung, die nicht länger von<br />
der Geldherrschaft und dem Kreditsystem der<br />
Banken abhängig ist, muss durch kluge Entscheidungen<br />
der Politik Wirklichkeit werden.<br />
Verfasst von einem internationalen Währungsexperten<br />
und einem globalen Wirtschaftswissenschaftler,<br />
eröff<strong>net</strong> Geldherrschaft einen<br />
ungeschönten Blick auf die Probleme, denen<br />
wir in der gegenwärtigen Krise gegenüberstehen.<br />
Die Autoren zeigen Lösungen auf, die<br />
Geldherrschaft zu zähmen, das Weltwährungssystem<br />
zu retten und den Kapitalismus zu<br />
seiner Rolle als Wachstums- und Innovationsmotor<br />
zurückzuführen.<br />
Wird die Zukunft ein Ende der Geldherrschaft<br />
und eine neue Welt des wirtschaftlichen<br />
Wachstums für alle bereithalten oder<br />
weiterhin Schauplatz einer unermüdlichen<br />
Abwärtsspirale von wirtschaftlichen Krisen<br />
sein? Wilhelm Hankel und Robert Isaak weisen<br />
den Weg in eine bessere Zukunft. Der Rest liegt<br />
allein in unseren Händen.<br />
Der Autor und Währungsexperte Wilhelm<br />
Hankel ist in der Öffentlichkeit durch seine Klagen<br />
gegen den Euro bekannt geworden. Sein<br />
Co-Autor Robert Isaak ist Globalisierungs- und<br />
Wirtschaftexperte. Diskutieren Sie mit beiden<br />
in Ihrem Blog:<br />
http//geldherrschaft.blogspot.com/<br />
Hankel, W. / Isaak, R.<br />
Geldherrschaft<br />
Ist unser Wohlstand noch zu retten?<br />
2011. Ca. 248 Seiten, ca. 8 Abbildungen.<br />
Gebunden. € 19,90
Im Gespräch<br />
Es ist höchste Zeit, dass Frauen sich nicht mehr (ihren) Männern unterordnen,<br />
meint Bascha Mika. Die ehemalige Chefredakteurin der „taz“ provoziert –<br />
und hat eine Mission: Selbstbestimmung und echte Gleichberechtigung.<br />
„Kämpfen macht Spaß“<br />
INTERVIEW: SABINE SCHMIDT • FOTOS: CORDULA GIESE<br />
nein, der sanftmütige, sich zurücknehmende<br />
Frauentyp ist sie nicht. Bascha<br />
Mika will und kann sich durchsetzen – und<br />
sie will provozieren, nicht zuletzt mit ihren<br />
Büchern. Mit ihrem ersten, „Alice Schwarzer.<br />
Eine kritische Biographie“, das sie<br />
schrieb, kurz bevor sie 1998 Chefredakteurin<br />
der Zeitung „taz“ wurde. Und jetzt wieder<br />
mit einem Buch: „Die Feigheit der<br />
Frauen“. Das entstand, nachdem sie als<br />
Chefredakteurin zurückgetreten war, um<br />
sich eigenen Projekten widmen zu können.<br />
Ein halbes Jahr hat sie an der Streitschrift<br />
gearbeitet, unter „klosterähnlichen Bedingungen“,<br />
sagt sie: sieben Tage die Woche<br />
und so versunken, dass sie im Januar, als das<br />
Buch fertig war, ihre Freunde zu einer „Doch<br />
– ich lebe noch“-Party einlud.<br />
Konflikte mag sie, kämpfen, provozieren.<br />
Aber die Frau, die die Tür zu ihrer geschmackvoll<br />
eingerichteten Dachgeschosswohnung<br />
in Berlin-Charlottenburg<br />
öff<strong>net</strong>, wirkt nicht aggressiv. Die 57-Jährige<br />
ist freundlich, offen, kommunikativ.<br />
Frischer Tee wird aufgebrüht, es gibt Plätzchen<br />
und Pralinen, Kaffee wäre auch zu haben<br />
oder Espresso. Auch sonst passt Bascha<br />
Mika nicht in das Bild, das gern von Feministinnen<br />
gezeich<strong>net</strong> wird, um sie zu diffamieren:<br />
verbissen und unattraktiv. Sie ist<br />
geschminkt, wie fast immer, trägt schönen<br />
Schmuck, schöne Kleidung und elegante<br />
Schuhe mit Absätzen. Zierlich, sportlich,<br />
nicht sonderlich groß – 1,54 ohne Absätze<br />
–, selbstbewusst, souverän, temperamentvoll.<br />
Insbesondere kaum zu bremsen, wenn<br />
es um das Buch geht, dem sie ein halbes<br />
Jahr ihres Lebens gewidmet hat.<br />
Frau Mika, was meinen Sie mit dem Buchtitel<br />
„Die Feigheit der Frauen“?<br />
Bascha Mika: Es geht mir um die vielen<br />
Frauen, die gleich und frei sein wollen und<br />
dann doch in die typisch weibliche Kiste<br />
klettern. Wir wissen aus Umfragen, dass ein<br />
großer Teil der Frauen, insbesondere der<br />
jungen, gut ausgebildeten alles haben will:<br />
eine partnerschaftliche Beziehung, Kinder<br />
und einen Job. Aber es ordnen sich auch<br />
schon junge Frauen ihren Freunden unter,<br />
sie nehmen zum Beispiel großartige Jobangebote<br />
nicht an, weil sie dann in einer anderen<br />
Stadt arbeiten würden als er, und<br />
wenn Kinder kommen, sind es erst recht die<br />
Frauen, die komplett zurückstecken.<br />
Warum ist das feige?<br />
Früher hatten Frauen keine Wahl, sie waren<br />
gezwungen, sich in vielen Punkten un-<br />
Zur Person<br />
Bascha Mika wurde 1954 in Polen geboren und siedelte<br />
mit ihrer Familie 1959 in die Bundesrepublik<br />
über. Nach einer Banklehre studierte sie Germanis<br />
tik, Philosophie und Ethnologie. Sie arbeitete<br />
als Redakteurin und Journalistin und veröffentlichte<br />
1998 eine kritische Alice-Schwarzer-Biografie,<br />
die für großes Aufsehen sorgte. Von 1998 bis<br />
2009 war sie Chefredakteurin der „taz“. Heute ist<br />
sie Honorarprofessorin an der Universität der<br />
Künste, Berlin, und freie Publizistin.<br />
terzuordnen, sie waren gesetzlich dazu<br />
verpflichtet, bis in die 1970er Jahre. Der<br />
Mann hatte an vielen Punkten die Entscheidungsbefugnis<br />
über das Leben seiner Frau,<br />
über das Vermögen, die Kinder. Er konnte<br />
sogar die Arbeitsstelle seiner Frau ohne ihr<br />
Wissen kündigen. Wir aber können heute<br />
selbst über unser Leben bestimmen. Dennoch<br />
scheint es für viele Frauen leichter zu<br />
sein, in die alte Rolle zu schlüpfen, zu<br />
einem Mann aufzuschauen und die Verantwortung<br />
sogar für das eigene Leben abzugeben,<br />
als für das einzustehen, was ihnen<br />
wichtig ist. Ja, es gibt einen starken Druck,<br />
einen starken Sog hin zu den alten Rollen<br />
– aber wer nicht Nein sagt, wer sich dagegen<br />
nicht wehrt, der hat für mich nicht den<br />
Mut, zu sich selbst zu stehen, zu einem<br />
weiblichen Ich, das auf Augenhöhe mit jedem<br />
Mann ist. Wenn man dem Druck nachgibt,<br />
auch wenn er noch so stark ist, dann<br />
ist man, finde ich, feige.<br />
Spätestens wenn eine Frau schwanger wird,<br />
wird der Druck aber massiv: Frauen, die ihren<br />
Kindern keinen 24-Stunden-Service bieten, gelten<br />
in Deutschland als schlechte Mütter. Und es<br />
ist ja auch kein Zuckerschlecken, Beruf und Familie<br />
unter einen Hut zu bekommen.<br />
Ja, da sind wir uns einig: Die männlich<br />
dominierten Gesellschaftsstrukturen insgesamt,<br />
aber auch spezielle Regelungen<br />
wie die Kinderbetreuung sind Mist. Zum<br />
Beispiel die 35 Prozent, die jetzt für 2013 an<br />
Kita-Plätzen für Kinder unter drei Jahren<br />
versprochen werden – 35 Prozent, das ist<br />
absolut lächerlich. Aber die Frage ist doch<br />
auch, wie Frauen damit umgehen. Die 0<br />
68<br />
buchjournal 1/2011
uchjournal 1/2011 69<br />
Powerfrau „Wenn ich einen Berg sehe, will ich nach oben“, sagt Bascha Mika.<br />
Hindernisse schrecken sie nicht, sondern geben ihr ein intensives Lebensgefühl
IM GESPRÄCH<br />
meisten ziehen sich den Kinderschuh<br />
völlig allein an.<br />
0 »Natürlich ist die<br />
Welche Alternativen sehen Sie?<br />
Warum teilt sich ein Paar nicht die Elternzeit?<br />
Wenn ein Elternpaar sich dafür entscheidet,<br />
dass das Kind die ersten zwei Jahre<br />
zu Hause bleiben soll, finde ich das völlig<br />
verständlich, ich würde das wahrscheinlich<br />
auch so machen. Dass die Frau zuerst zu<br />
Hause bleibt, ist auch klar, der Mann kann<br />
nun mal nicht stillen. Aber was kommt<br />
dann? Warum übernimmt der Mann nicht<br />
die zweite Hälfte der Elternzeit? Weil es ihm<br />
beruflich schadet, sagt er. Aber was ist mit<br />
dem Beruf der Frau? Und auch wenn er mehr<br />
Geld verdient als sie, ist es letztlich eine<br />
idiotische Rechnung, weil es doch auch um<br />
ihre Versorgungsansprüche geht. Und es<br />
geht zugleich um mehr als Geld: Es geht<br />
auch darum, dass die Frauen in der Welt<br />
sind, dass sie sich bewähren und Anerkennung<br />
finden und nicht emotional abhängig<br />
sind von ihren Männern.<br />
Dennoch: Wenn Mütter erwerbstätig bleiben,<br />
ist es extrem anstrengend, Kinder und Beruf<br />
zu vereinbaren, selbst wenn der Partner mitzieht.<br />
Ja, so ist es leider. Aber wir haben doch<br />
jetzt lange genug abgewartet, um zu erkennen,<br />
dass sich nichts tut. Wir müssen<br />
schon selbst dafür kämpfen, sonst passiert<br />
eben nichts. Nur wenn wir Frauen das<br />
Quote eine Krücke,<br />
aber eine, die<br />
wirklich hilft«<br />
männlich geprägte System nicht mehr unterstützen,<br />
wird sich etwas ändern.<br />
Wie ist das bei Ihnen: Sind Sie auch manchmal<br />
in Versuchung, nachzugeben und in eine typische<br />
Frauenrolle zu schlüpfen?<br />
Na klar. Es gibt eine starke Anziehungskraft<br />
der alten Rollen, wir sind ja auch alle<br />
auf sie hinsozialisiert. Deswegen rede ich in<br />
meinem Buch auch immer wieder von „wir“:<br />
weil ich glaube, dass fast alle Frauen die Verführungskraft<br />
der alten Rollen kennen.<br />
Es gibt aber auch Frauen, die nicht in den alten<br />
Rollen leben und die öffentlich sichtbar sind.<br />
Angela Merkel, Ursula von der Leyen, Anne<br />
Will oder Bascha Mika. Ist das nicht ein Zeichen<br />
dafür, dass alles bestens ist – jede Frau wählt<br />
sich eben das Leben aus, das sie haben will?<br />
Nein, es ist nicht alles bestens. Wenn<br />
viele Frauen, die eigentlich den Anspruch<br />
haben, gleich und frei zu sein, ihr Leben<br />
einem Mann unterordnen, ist das nicht in<br />
Ordnung. Und auch die Zahl der Frauen in<br />
Führungspositionen ist ein Witz.<br />
Was halten Sie von der Quote?<br />
Sehr viel. Sie ist eine Krücke, aber eine,<br />
die wirklich hilft. Wie sehr, habe ich bei<br />
der „taz“ erlebt: Sie war der erste Betrieb<br />
in Deutschland, der eine 50 : 50-Quote<br />
hatte. Es gibt in Deutschland über 300<br />
Zeitungstitel, und als ich Chefredakteurin<br />
wurde, hatte ich drei Kolleginnen im<br />
Regionalbereich, überregional keine. Als<br />
ich nach elf Jahren aufhörte, war die Situation<br />
unverändert, während ich bei der<br />
„taz“ schon die dritte Frau an der Spitze<br />
war, und nach mir kam eine weitere Chefin.<br />
Ich finde es wahnsinnig dumm, wenn<br />
Frauen gegen die Quote sind – sie hilft,<br />
und schließlich kommen Männer ja auch<br />
nicht nur durch Leistung und Engagement<br />
an die Spitze. Der einzige Unterschied<br />
ist, dass die Quote der Männerbünde<br />
inoffiziell ist.<br />
War es ein Ziel, ein Wunsch von Ihnen, Chefredakteurin<br />
zu werden, oder ist Ihnen das irgendwie<br />
passiert?<br />
Eine Führungsposition zu haben, entscheiden<br />
zu können, war immer mein Ziel.<br />
Ich war immer Klassensprecherin, und<br />
Ehrgeiz war für mich selbstverständlich.<br />
Dennoch, und das ist typisch feige Frau,<br />
hätte ich mich nicht in der Redaktion hingestellt<br />
und laut gesagt, dass ich Chefredakteurin<br />
der „taz“ werden will, auch<br />
wenn ich es wollte. Ich wurde gefragt.<br />
Aber Sie haben auch nicht Nein gesagt, obwohl<br />
die Chefredaktion damals ein Kamikaze-Unternehmen<br />
war: Sie waren die Nummer<br />
13 in acht Jahren. Warum haben Sie sich<br />
darauf eingelassen?<br />
Mich reizt das Risiko, und eine Sache,<br />
die ein bisschen gefährlich riecht, finde<br />
ich gut.<br />
70<br />
buchjournal 1/2011
Wie war es, als Sie Chefi n wurden?<br />
Ich war damals schon zehn Jahre bei der<br />
„taz“, ich war beliebt – und ich wusste, dass<br />
sich das sofort ändern würde, auch deshalb,<br />
weil die Chefredaktion damals geradezu<br />
verhasst war. Aber nach einem Jahr hatte ich<br />
mir durch meine Arbeit und mein Engagement<br />
so viel Respekt erworben, dass die<br />
massiven Konfrontationen aufhörten.<br />
Wie sind Sie mit dem Druck fertiggeworden?<br />
Das Leben ist nicht immer einfach, aber<br />
deswegen ist es doch nicht schlecht. Sehr<br />
viel Arbeit schreckt mich nicht, und ich<br />
kann auch Druck aushalten. Ich bin eine<br />
Kämpfernatur. Kämpfen macht Spaß – das<br />
ist auch etwas, was ich mit meinem Buch<br />
sagen möchte. Natürlich sind Konfl ikte<br />
nicht immer einfach, man kann auch Pech<br />
haben und auf die Schnauze fallen. Aber es<br />
prickelt doch auch, wenn man Herausforderungen<br />
annimmt, es macht einen wach<br />
– es ist ein intensives Lebensgefühl.<br />
Viele Frauen sind eher keine Kämpfernaturen,<br />
nicht zuletzt auch deshalb, weil das Mädchen<br />
auch heute noch geradezu ausgetrieben wird.<br />
Wie kommt es, dass Sie anders ticken?<br />
Meine Familie spielt sicherlich eine<br />
große Rolle. Ich habe einen älteren Bruder,<br />
wir mochten uns supergern, aber wir ha-<br />
Lesezeichen<br />
Bascha Mika: Die Feigheit der<br />
Frauen. Rollenfallen und<br />
Geiselmentalität. Eine Streitschrift<br />
wider den Selbstbetrug.<br />
C. Bertelsmann, 256 S., 14,99 €<br />
(D) • 15,50 € (A) • 24,90 sFr.<br />
buchjournal 1/2011 71<br />
Erleichterung, weil das<br />
Buch fertig ist – und schon<br />
geht es weiter: mit der<br />
Überzeugungsarbeit<br />
im Gespräch<br />
ben uns ständig geschlagen, und es ging<br />
bei uns beiden immer darum, wer gewinnt.<br />
Wie viele Geschwister haben Sie?<br />
Wir sind fünf, und weil ich das älteste<br />
Mädchen war, wurde ich sehr früh in die<br />
Verantwortung genommen – und ich habe<br />
wohl bei meinen jüngeren Geschwistern<br />
alle meine Muttergefühle ausgetobt. Meine<br />
Mutter ist Hilde, eines der Fallbeispiele aus<br />
meinem Buch: die 78-jährige Bankerin,<br />
Mutter von fünf Kindern, die ihr ganzes Leben<br />
lang hart gearbeitet hat. Sie hat das<br />
nicht nur getan, um uns Kindern eine gute<br />
Ausbildung zu fi nanzieren und das Haus<br />
bezahlen zu können, sondern sie wollte das<br />
auch. Gleichzeitig habe ich aber einen sehr<br />
traditionellen Vater, was Rollen angeht. Er<br />
hat mich immer schon als kleines Mädchen<br />
mit klassischen Klischees geärgert.<br />
Es ist oft so, dass hinter einem erfolgreichen<br />
Mann eine Frau steht, die ihm den Rücken freihält.<br />
Wie war das bei Ihnen – mussten Sie sich<br />
die Unterstützung Ihres Partners erkämpfen?<br />
Nein, ich könnte auch nicht mit einem<br />
Mann zusammen sein, bei dem ich mir<br />
das erkämpfen müsste. Für mich funktioniert<br />
eine Beziehung nur partnerschaftlich<br />
und während meiner Zeit als Chefredakteurin<br />
hat mein Liebster mir tatsächlich<br />
sehr viel abgenommen. Das heißt<br />
nicht, dass ich den Job sonst nicht hätte<br />
machen können, aber mit weniger Lebensqualität.<br />
Allerdings war mir immer<br />
bewusst, dass das ein Privileg war. Vielen<br />
der Frauen in Führungspositionen, denen<br />
ich begeg<strong>net</strong> bin, geht es nicht so gut.<br />
Und hier sind wir wieder beim Thema<br />
meines Buchs: Ich fi nde, sie sollten auch<br />
etwas für sich selbst tun und dafür kämpfen,<br />
dass es besser wird. <br />
Führungskraft<br />
mit Leib<br />
und Seele<br />
Eigene unternehmerische Quali-<br />
âtäten und Fähigkeiten entdecken<br />
Eigene Ideen einbringen – unter-<br />
ânehmerisch aktiv gestalten<br />
Eigenen Bewegungsspielraum im<br />
âUnternehmen stärken<br />
Ca. 220 Seiten, € 24,90 (D) /<br />
6 € 25,60 (A) / sFr 37,90<br />
ISBN 978-3-86936-173-4<br />
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Lesestoff Sachbücher<br />
SCHLICHT UND EINFACH<br />
Crashkurs zum Mitreden<br />
Im Konzert gelangweilt,<br />
Theaterstück nicht verstanden<br />
und kein Kommentar<br />
zur Ausstellung „Moderne<br />
Kunst“? Damit wir demnächst<br />
mitreden können,<br />
geben Markus Reiter und<br />
Tim Schleider einen Crashkurs<br />
in Sachen westliche<br />
Kultur. Ob Architektur oder<br />
Malerei, Film, Theater und Oper, Musik oder Literatur,<br />
aber auch Philosophie und Religion: Dieser<br />
Kulturführer für zwischendurch ist leicht und verständlich<br />
geschrieben, und am Ende eines jeden<br />
Kapitels geben Top-Ten-Listen einen Überblick,<br />
welche Bücher, Theaterstücke oder Filme am besten<br />
für den Einstieg geeig<strong>net</strong> sind. Wer schnell<br />
wissen möchte, wie das mit den verschiedenen<br />
Säulenarten war oder dem Goldenen Schnitt, was<br />
eine Operette oder gute Literatur ausmacht, der<br />
fi ndet hier kompakte Antworten. nf<br />
^ Markus Reiter, Tim Schleider: „Kultur für<br />
Banausen. Alles, was Sie wissen müssen, um<br />
mitreden zu können“. Ehrenwirth, 320 S.,<br />
16,99 € (D) • 17,50 € (A) • 25,90 sFr.<br />
LEBENDIGE GESCHICHTE<br />
Impressionen aus der Türkei<br />
Geschichtliche Entwicklungen<br />
einprägsam zu vermitteln<br />
– das gelingt dem<br />
Essayband „Hundert Jahre<br />
Türkei“ vortreffl ich. Denn<br />
die Herausgeberinnen, eine<br />
Literatur- und eine Islamwissenschaftlerin,<br />
lassen<br />
Zeitzeugen erzählen, Politiker,<br />
Intellektuelle, Journalisten,<br />
Schriftsteller. So fügt sich aus Tagebüchern,<br />
Reden und Zeitungsartikeln mosaikartig<br />
ein authentisches Bild von der Entstehung des<br />
türkischen Staats und kulturellen Umbrüchen,<br />
das Probleme wie Nationalismus, Frauenemanzipation<br />
und Re-Islamisierung einschließt. Das<br />
Werk bildet den Abschluss der 20-bändigen „Türkischen<br />
Bibliothek“ des Unionsverlags, das Meilensteine<br />
türkischer Literatur von 1900 bis heute<br />
versammelt. hc<br />
^ Hülya Adak, Erika Glassen (Hrsg.): „Hundert Jahre<br />
Türkei. Zeitzeugen erzählen“. Unionsverlag, 544<br />
S., 24,90 € (D) • 25,60 € (A) • 37,90 sFr.<br />
© Yakobchuk / istockphoto<br />
AUS DEM NÄHKÄSTCHEN GEPLAUDERT<br />
Live bei der Gallen-OP<br />
Eine Biografi e der anderen Art: Chronologisch<br />
geord<strong>net</strong>e Berichte und Aufzeichnungen rekonstruieren<br />
Ereignisse aus dem Leben des österreichischen<br />
Schriftstellers Robert Musil und beleuchten<br />
diesen besonderen, berühmten Autor<br />
aus ganz eigenen Perspektiven. Der Leser ist<br />
live bei Musils Gallenoperation dabei, erfährt,<br />
dass sich der Dichter im Frankfurter Goethe-<br />
Haus nicht für die Bibliothek, sondern für die<br />
gusseisernen Öfen interessierte und dass Bertolt<br />
Brechts Kommentar zu Musils Komödien-<br />
Manuskript „Vinzenz“ schlicht „Scheiße“ lautete.<br />
Amüsant ist auch die Geschichte jenes Verehrers,<br />
der Musil im Sprechzimmer der Österreichischen<br />
Nationalbibliothek nicht erkannte –<br />
vermutlich hatte er eine stattlichere Erscheinung<br />
als den 1,64 Meter großen kahlköpfi gen<br />
Mann erwartet. Prominente wie Elias Ca<strong>net</strong>ti,<br />
Ignazio Silone oder Ninon Hesse wechseln mit<br />
unbekannteren Augenzeugen, und so wird<br />
während der Lektüre aus<br />
dem Autor des Klassikers<br />
„Der Mann ohne Eigenschaften“<br />
ein Mann mit vielen<br />
Eigenschaften. hc<br />
^ Karl Corino: „Erinnerungen<br />
an Robert Musil.<br />
En face – Texte von Augenzeugen“.<br />
Nimbus, 280 S., 36,– €<br />
(D) • 37,10 € (A) • 48,– sFr.<br />
Das Gehirn auf<br />
Abwegen ...<br />
72<br />
NEUROLOGIE<br />
Wahre<br />
Geschichten<br />
Die Fallgeschichten des englischen, seit Langem<br />
in New York lebenden Neurologen<br />
Oliver Sacks entführen in Welten, die auch<br />
Dr. House noch überraschen dürften: Da ist<br />
eine Pianistin, die keine Noten mehr erkennt;<br />
ein Autor, der Worte nicht mehr wahrnimmt;<br />
Menschen, die Gesichter nicht mehr<br />
zuordnen können. Mit Menschenfreundlichkeit,<br />
Witz, Leichtigkeit und Klarheit versteht<br />
es Sacks, von rätselhaften neurologischen<br />
Ausfällen des Gehirns zu erzählen. Besonders<br />
berührend sind die zwei letzten Kapitel,<br />
in denen Sacks zu seinem eigenen Objekt<br />
wird: Er berichtet von einer schweren Augenerkrankung,<br />
die ihm, dem erfahrenen<br />
Mediziner, unkontrollierbare, ja geradezu panische<br />
Angst eingefl ößt hat. Infolge eines<br />
bösartigen Tumors verfügt er heute nur noch<br />
über ein stark eingeschränktes Gesichtsfeld,<br />
die rechte Hälfte fehlt ganz. Eindringlich<br />
schildert er den Schrecken, wenn Menschen<br />
urplötzlich aus seinem Blick verschwinden<br />
und ebenso jäh wieder auftauchen. So verwundert<br />
es nicht, dass er sich im Schlussessay<br />
mit Blinden auseinandersetzt, die zäh<br />
ganz unterschiedliche Kompensationswege<br />
einschlugen. Und auf sehr individuelle, erstaunliche,<br />
mutige Art und Weise ein erfülltes<br />
Leben führen. ky<br />
^ Oliver Sacks: „Das innere Auge. Neue<br />
Fallgeschichten“. Übersetzt von Hainer Kober.<br />
Rowohlt, 288 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) •<br />
30,50 sFr.<br />
buchjournal 1/2011
EINSICHTEN EINES EINFLUSSREICHEN<br />
Neue Diplomatie<br />
Der 1977 in Indien geborene und heute in New<br />
York lebende Politologe Parag Khanna gilt als<br />
einer der ausgewiesenen Experten für Internationale<br />
Beziehungen und für die Entwicklung von<br />
Zukunftsszenarien in einer globalisierten Welt.<br />
Welche Rolle die Diplomatie in Zukunft spielen<br />
kann, sagt Khanna, laut dem Magazin „Esquire“<br />
einer der „75 einfl ussreichsten Menschen des<br />
21. Jahrhunderts“, in seinem neuen Buch. Nicht<br />
erst seit den spektakulären Wikileaks-Enthüllungen<br />
wissen wir, dass die diplomatischen Gepfl<br />
ogenheiten in einer zusehends öffentlicher<br />
werdenden Welt sich<br />
zwangsläufi g ändern. Die<br />
Diplomatie, wie wir sie<br />
kennen, so prophezeit<br />
Khanna, hat ausgedient.<br />
Basierend auf den Erfahrungen<br />
der Jahrhunderte<br />
entwickelt er die Theorie<br />
einer „Mega-Diplomatie“,<br />
die sich in folgendem<br />
Satz zusammenfassen<br />
DER ETWAS ANDERE BENIMM-GUIDE<br />
Wie peinlich!<br />
Gesprächsrüpel, Gefühlsautisten, Danebenbenimmkünstler:<br />
Für alle, die „Knigge“ erst googeln<br />
müssen, gibt es nun den viel lustigeren<br />
„Anti-Knigge“. Die Werbetexterin Nina Puri hat<br />
einen wunderbar genau dem zeitgenössischen<br />
Menschenzoo abgelauschten Peinlichkeits-Guide<br />
zusammengestellt, mit dem zukünftig kein Fettnapf<br />
mehr auszulassen ist, ob im Büro, im Restaurant<br />
oder im Straßenverkehr. Blamagen bei<br />
Begrüßung, Kinderaufzucht, E-Kommunikation<br />
oder Paarungsanbahnung werden so unvermeidlich.<br />
Treffsicher handelt sie bestürzend lustige<br />
wie realistische Szenen ab. Doch das Lächeln<br />
friert bald ein, das Lachen bleibt im Hals<br />
stecken. Denn: Habe ich nicht gestern auf genau<br />
diese Weise jemanden begrüßt? Bin ich nicht<br />
vorgestern selber kopfüber und beidfüßig in diesen<br />
Fauxpas-Topf gesprungen<br />
(was ich erst jetzt erkenne)?<br />
Und: Exakt das<br />
habe ich ja auch gesagt –<br />
wie peinlich! ky<br />
^ Nina Puri: „Tischlein, leck<br />
mich. Wie man sich anständig<br />
danebenbenimmt“. Droemer<br />
Knaur, 240 S., 14,99 € (D) •<br />
15,50 € (A) • 23,50 sFr.<br />
buchjournal 1/2011 73<br />
lässt: „Global regieren, lokal<br />
handeln.“ Denn die<br />
entscheidenden Konfl ikte,<br />
von denen wir uns zukünftig<br />
herausgefordert<br />
sehen, erkennt Khanna in<br />
den jeweiligen Regionen,<br />
von wo aus sie sich zu<br />
globaler Bedeutung ausweiten:<br />
Über bevölkerung,<br />
religiöser Fundamentalismus, Ressourcenknappheit.<br />
„Die Revolution in der Informationstechnologie“,<br />
so Khanna, „befähigt Menschen<br />
zu eigenmächtigem Handeln, und dies wird uns<br />
in eine Welt wechselseitiger Beziehungen zwischen<br />
zahllosen Gemeinschaftenunterschiedlicher<br />
Größe führen.“<br />
^ Parag Khanna: „Wie<br />
man die Welt regiert. Eine<br />
neue Diplomatie in Zeiten<br />
der Verunsicherung“.<br />
Übersetzt von Thorsten<br />
Schmidt. Berlin Verlag,<br />
cs<br />
Die neuen Medien verändern die Welt – 336 S., 26,– € (D) •<br />
und die Art, wie über sie verhandelt wird 26,80 € (A) • 38,90 sFr.<br />
© Joachim Wendler - Fotolia<br />
INSIDER-BERICHT<br />
Eine Stadt und ihr Trauma<br />
Jochen Kalka ist Journalist,<br />
Vater von zwei Kindern, er<br />
wohnt in Winnenden – und<br />
er hat ein Buch über den<br />
Schul-Amoklauf vom 11.<br />
März 2009 in der Stadt nahe<br />
Stuttgart geschrieben. Damals<br />
kamen 15 Menschen<br />
und der Amokläufer ums<br />
Leben. Kalka hat sein Buch<br />
aus subjektiver Insider-Perspektive verfasst – seine<br />
zwei Töchter kannten Schüler, die mit einigen<br />
der Getöteten befreundet waren –, und er liefert<br />
andere Einsichten und Beobachtungen als Psychologen,<br />
Professoren oder Geistliche. Es ist ein an<br />
keiner Stelle abstrakter, sondern ein fast durchgehend<br />
ergreifender, oft wütender und stets auf genauen<br />
Beobachtungen gründender Bericht über<br />
eine Stadt, die sich verändert hat. Über Schüler,<br />
die noch lange danach Albträume hatten. Über<br />
leere Versprechungen und Apathie. Über zynische<br />
und oberfl ächliche Medien. Und vor allem über ein<br />
erschreckend lasches Waffenrecht, das weitere<br />
Amokläufe begünstigen könnte. ky<br />
^ Jochen Kalka: „Winnenden. Ein Amoklauf und<br />
seine Folgen“. DVA, 240 S., 17,99 € (D) • 18,50 € (A) •<br />
27,90 sFr.<br />
DER<br />
CASSIUS<br />
CLAY VOM<br />
WALDHOF<br />
„Deutschlands Sozialarbeiter<br />
Nummer eins.“<br />
welt am sonntag<br />
Hardcover mit Schutzumschlag<br />
192 Seiten<br />
mit vielen Fotos<br />
ca. € 19,90 [D] / € 20,50 [A] / sfr 30,50<br />
ISBN 978-3-8436-0015-6<br />
Er wächst auf in einer Mannheimer Barackensiedlung,<br />
wird als Star der deutschen<br />
Box-Szene gefeiert, rutscht ab ins kriminelle<br />
Milieu und verbringt zehn Jahre hinter<br />
Gittern. Nun arbeitet Charly Graf, die Boxlegende,<br />
als Lehrer für schwer erziehbare<br />
Jugend liche. Er bringt ihnen das Boxen<br />
bei und hilft ihnen, einen Weg zu gehen,<br />
der nicht von Gewalt, sondern von Selbstvertrauen<br />
bestimmt ist. Einen<br />
Weg, für den man immer wieder<br />
kämpfen muss.<br />
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SACHBUCH_PHILOSOPHIE<br />
Darf ich lügen, wenn es die Situation<br />
erfordert, schwarzfahren, wenn der<br />
Automat kaputt ist, und soll ich Bettlern<br />
Geld spenden? „SZ“-Kolumnist Rainer<br />
Erlinger hat dem Thema Moral im Alltag<br />
nun ein ganzes Buch gewidmet.<br />
Kant<br />
im Kopf<br />
TEXT: ELISABETH GRÜN<br />
U -Bahn.<br />
Plötzlich schiebt eine ärmlich<br />
gekleidete Gestalt dem Fahrgast einen<br />
abgegriffenen Pappzettel unter die Nase:<br />
„Bin gehörlos. Bitte Geld.“ Sofort sieht sich<br />
der Adressat dieser Bitte bei der Moral gepackt<br />
und fragt sich: Spende ich? Die Antwort<br />
moralischer Institutionen glaubt man<br />
zu kennen: Ja! – Allerdings melden sich<br />
auch Gegenargumente: Niemand kann so<br />
häufig spenden, wie Menschen in der Berliner<br />
U-Bahn betteln!<br />
Über die Steuern fi-<br />
»Moralische Maximalforderungen<br />
überfordern<br />
den Menschen«<br />
nanziert man schon<br />
Sozialhilfe für Bedürftige!<br />
Und unterstützt<br />
man nicht mit mancher<br />
Spende das System<br />
skrupelloser Betrüger<br />
und Wucherer?<br />
Wie also mit dieser<br />
Situation moralisch korrekt umgehen? Derlei<br />
„Gewissensfragen“ behandelt der promovierte<br />
Mediziner und Jurist Rainer Erlinger<br />
seit 2002 in einer Kolumne im Magazin<br />
der „Süddeutschen Zeitung“. Nun legt der<br />
Autor nach drei Kolumnensammlungen<br />
eine grundsätzliche Auseinandersetzung<br />
mit Moral im Alltag vor: „Moral. Wie man<br />
richtig gut lebt“ (erscheint am 10. März).<br />
Richtig und fair handeln gegenüber anderen,<br />
dabei selber gut leben? Schon sind<br />
wir mitten in der Philosophie, bei Aristo-<br />
teles. Der beschrieb ethische Tugend als<br />
Entscheidung „in der Mitte zwischen dem<br />
Übermaß und dem Mangel“, kurz: Mit moralischen<br />
Maximalforderungen ist der<br />
Mensch in der Regel überfordert. Denn wer<br />
ist schon heilig? Leicht und undogmatisch<br />
wägt Erlinger im ersten Kapitelbündel seines<br />
Buchs vermeintlich sichere Moralvorstellungen<br />
– nicht egoistisch zu sein, nicht<br />
zu lügen, Toleranz zu zeigen – auf ihre tatsächlichen<br />
Werte, aber<br />
auch Gefahren ab und<br />
74<br />
erklärt daran philosophische<br />
Hintergründe.<br />
Auf diese Weise schält<br />
er eine Handvoll Grundsätze<br />
heraus: Kants Diktum,<br />
der Mensch solle<br />
niemals als Mittel gebraucht<br />
werden, Kants kategorischen Imperativ<br />
(„Handle nur nach derjenigen Maxime,<br />
durch die du zugleich wollen kannst, dass<br />
sie ein allgemeines Gesetz werde!“). Oder die<br />
Sentenz des US-Juristen Oliver Wendell<br />
Holmes junior: „Das Recht, meine Faust zu<br />
schwingen, endet dort, wo die Nase des<br />
Nächsten anfängt.“ Diese Grundsätze bilden<br />
die Richtschnur für die Beurteilungen der<br />
Alltagssituationen des zweiten Buchteils:<br />
Höflichkeit, Sex, Mülltrennung und Biohähnchen<br />
– mit Kant im Kopf ist alles sauber<br />
buchjournal 1/2011
© Agentur Ostkreuz<br />
© Denis Pepin - Fotolia<br />
Spenden oder<br />
vorübergehen?<br />
Moralische Fragen des<br />
Alltags begegnen<br />
einem auf Schritt und Tritt<br />
zu lösen. Hingegen greifen die überkommenen<br />
Moralvorstellungen nicht mehr,<br />
sondern müssen überprüft werden: „Die<br />
Aufklärung, der Ausgang des Menschen aus<br />
seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit,<br />
hat unser Leben erreicht.“<br />
Das sehen auch andere Autoren so. War<br />
das originär Philosophen und Theologen<br />
angestammte Feld der Moral länger markiert<br />
durch radikale Forderungen wie<br />
„Schluss mit lustig“ (Peter Hahne) oder<br />
reine Textsammlungen wie <strong>Friedrich</strong><br />
Schorlemmers „Buch der Werte“, beschäftigen<br />
sich nun auch wieder Vertreter anderer<br />
Disziplinen damit, „Wie die Evolution<br />
die Moral hervorbrachte“ (Frans de<br />
Waal), oder denken über „Aufrichtigkeit<br />
im Kapitalismus“ (Wolfgang Engler) nach.<br />
Moral, das subakute Dauerthema, hat offenbar<br />
mit der Banken- und Finanzkrise<br />
und aktuellen interkulturellen Konfl ikten<br />
äußerst fruchtbaren Dünger erhalten.<br />
buchjournal 1/2011 75<br />
Lesezeichen<br />
j<br />
Rainer Erlinger: „Moral. Wie man richtig gut lebt“.<br />
S. Fischer, 368 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
Erscheint am 10. März<br />
Rainer Erlinger: „Moral. Wie man richtig gut lebt“.<br />
Gelesen von Axel Milberg. Der Hörverlag,<br />
19,95 € (D / A) • 31,90 sFr. Erscheint am 18. März<br />
Die wachsende Anzahl der neueren Publikationen,<br />
in denen vorsichtig eine Ethik als<br />
Refl exion darüber formuliert wird, wie Moral<br />
aussehen kann, zeugt womöglich vom<br />
Einsickern eines anderen Umgangs mit Moral<br />
in den Zeitgeist. So will auch Erlinger<br />
„nicht versuchen, für alle Fälle des Lebens<br />
Handlungsanweisungen zu geben“, sondern<br />
bietet im dritten Teil seines Buchs mit<br />
den Begriffen Achtung, Verständnis und<br />
Rücksicht bewegliche Prinzipien für eine<br />
Ethik von heute, statt Moral von gestern.<br />
Einen stark appellativen Charakter hat Erlingers<br />
Buch dennoch. Aber das dürfte an<br />
der Dringlichkeit einvernehmlicher Ordnungen<br />
fürs menschliche Miteinander liegen:<br />
Wir brauchen Moral, keine Frage. Daher<br />
ist der Imperativ der Moral gewissermaßen<br />
eingeboren, ob er nun wie bei Sloterdijk lautet<br />
„Du mußt dein Leben ändern“ oder eben<br />
eher empfehlend daherkommt: „Wie man<br />
richtig gut lebt“. Offen allerdings bleibt bei<br />
diesen aufklärerischen Konzepten, wie Menschen<br />
ohne ausreichendes Refl exionsvermögen<br />
ihre Ethik bilden können. Und bei Erlinger<br />
ausgespart ist die Arbeitswelt, in der eine<br />
solche Ethik, beruhend auf der Kunst des<br />
Hinterfragens, gerade heute oft nicht einmal<br />
erwünscht ist. <br />
^ Rainer Erlinger, geboren 1965, ist promovierter Mediziner und Jurist.<br />
Nach Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Arzt und Rechtsanwalt<br />
arbeitet er jetzt als Publizist vor allem auf dem Gebiet der Ethik.<br />
Bekannt ist Erlinger durch seine Kolumne „Die Gewissensfrage“, die<br />
allwöchentlich im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ erscheint.<br />
Irrtum und Preisänderungen vorbehalten.<br />
Manfred Spitzer<br />
Dopamin & Käsekuchen<br />
Hirnforschung à la carte<br />
In den neuesten Essays von Manfred Spitzer, die<br />
wieder einmal ebenso wissenschaftlich fundiert<br />
wie amüsant sind, geht es nicht nur um käsekuchensüchtige<br />
Ratten. Daneben nimmt er viele<br />
andere Fragen aufs Korn, die uns schon lange<br />
beschäftigen: Wir alle wissen, dass zuviel Zucker<br />
einen negativen Effekt auf den Leibesumfang<br />
hat, aber wussten Sie auch, dass Zucker hilft,<br />
unsere Zukunft zu planen? Oder dass auch Väter<br />
Schwangerschaftsdepressionen bekommen?<br />
2011. 228 Seiten, 57 Abb., 3 Tab., kart.<br />
€ 19,95 (D) / € 20,60 (A) • ISBN 978-3-7945-2813-4<br />
Heinz Hilbrecht<br />
Meditation und Gehirn<br />
Alte Weisheit und moderne Wissenschaft<br />
Seit über 2500 Jahren meditieren Menschen<br />
und erleben die verblüffenden Wirkungen der<br />
Meditation auf Gehirnleistungen, den Abbau<br />
von Stress oder Ängsten und die Entwicklung<br />
der Persönlichkeit. Viele dieser Phänomene sind<br />
durch neurowissenschaftliche Methoden nachvollziehbar<br />
und können immer besser verstanden<br />
werden.<br />
2010. 229 Seiten, kart.<br />
€ 19,95 (D) / € 20,60 (A) • ISBN 978-3-7945-2795-3<br />
Herausgegeben von Wulf Bertram
SACHBUCH_LEBENSGESCHICHTE<br />
Der Sport brachte ihm Erfolg – aber dann stürzte Charly Graf ab. Heute ist der Ex-<br />
Schwergewichtsmeister und Ex-Häftling Sozialarbeiter: Er leitet Boxkurse für Jugendliche.<br />
„Ich sehe<br />
mich nicht<br />
als Vorbild“<br />
INTERVIEW: ALEXANDER KLUY<br />
E s<br />
ist eine außergewöhnliche Lebensgeschichte<br />
mit einigen Höhen und heftigen<br />
Abstürzen. Geboren wurde Charly<br />
Graf als unehelicher Sohn der Arbeiterin<br />
Elisabeth Graf und des schwarzen US-amerikanischen<br />
Gefreiten Charles Blackwell,<br />
der kurz nach der Geburt seines Sohnes in<br />
die USA zurückkommandiert wurde. Am<br />
14. November 1969 gab der „Ali vom Waldhof“<br />
sein Debüt als Profi boxer. Nach ersten<br />
Erfolgen trieb es ihn ins Mannheimer Rotlichtmilieu.<br />
Wegen Glücksspiels, Zuhälterei<br />
und Körperverletzung saß er mit Unterbrechungen<br />
sechseinhalb Jahre in Haft, wo<br />
er den RAF-Terroristen Peter-Jürgen Boock<br />
kennenlernte. Boock ermunterte Graf, wieder<br />
mit dem Boxen anzufangen. Nach seiner<br />
Haftentlassung arbeitete er zwölf Jahre<br />
lang in verschiedenen Berufen, unter anderem<br />
als Lastwagenfahrer und bei einem<br />
Viehauktionator. Der zweimal geschiedene<br />
Vater von drei Kindern engagierte sich ehrenamtlich<br />
an mehreren Schulen als Laienlehrer,<br />
unter anderem für schwer erziehbare<br />
Jugendliche, und lebte von Sozialhilfe.<br />
Die Stadt Mannheim stellte ihn<br />
schließlich am 1. April 2008 als Betreuer für<br />
sozial auffällige Jugendliche fest an. Über<br />
sein Leben hat er nun ein Buch geschrieben<br />
– und mit dem Buchjournal über seine Erfahrungen<br />
gesprochen.<br />
Herr Graf, Sie leiten heute Boxkurse für gefährdete<br />
Jugendliche. Wie geht es Ihnen damit –<br />
fi nden Sie sich in den Jugendlichen wieder?<br />
Charly Graf: Ja, und vor allem anfangs<br />
war das auch eine Art Selbsttherapie für<br />
© Gudrun-Holde Ortner<br />
mich. Es hat immer wieder Déjà-vu-Erlebnisse<br />
gegeben, weil ich aus ähnlichen familiären<br />
Strukturen komme wie viele der<br />
Jungs, mit denen ich heute zusammenarbeite.<br />
Wie sie wurde ich nicht wirklich erzogen,<br />
und wie sie habe ich nur aus der Ferne<br />
mitbekommen, wie es ist, positiven<br />
Werten zu folgen.<br />
Sind Sie für die Jugendlichen ein Vorbild?<br />
Ich versuche, den Jungs und Mädchen<br />
viel von meinem Leben zu erzählen, von<br />
der Gefängniszeit. Manchmal sitzen wir<br />
zusammen und reden stundenlang miteinander.<br />
Viele sind schon vor mir in Tränen<br />
ausgebrochen – als ich über mich erzählte<br />
^ Charly Graf, geboren 1951, wuchs in der Mannheimer<br />
Obdachlosensiedlung „Benzbaracken“ auf. 1985<br />
wurde er Deutscher Schwergewichtsmeister im Boxen.<br />
Er war mehrere Male im Gefängnis, unter anderem<br />
wegen Körperverletzung.<br />
Heute ist er Sozialarbeiter.<br />
Charly Graf mit Armin Himmelrath:<br />
Kämpfe für dein Leben. Der Boxer<br />
und die Kinder vom Waldhof.<br />
Patmos, 200 S., 19,90 € (D) •<br />
20,50 € (A) • 30,50 sFr.<br />
76<br />
Boxen – und Spaß haben: Charly Graf will<br />
„seine“ Kids auf neue Wege bringen<br />
und sie sich darin erkannten. Das,<br />
wovon ich rede, habe ich auch erlebt.<br />
Daher kann ich mich gut in<br />
bestimmte Situationen einfühlen.<br />
Und ich präsentiere mich so, dass<br />
ich kein Vorbild sein kann. Meistens<br />
sage ich, dass meine Gewalttaten<br />
in jungen Jahren nur mit<br />
meiner Angst zu tun hatten. Dass<br />
ich ein sehr ängstlicher Junge<br />
war, der versuchte, das durch den<br />
Sport zu kompensieren. Im Grunde<br />
genommen sind Gewalttäter<br />
Angsthasen. Und das möchte keiner<br />
sein.<br />
Setzen Sie das Boxen auch deshalb bei<br />
Ihrer Arbeit mit den Jugendlichen<br />
ein, weil es dort Regeln gibt?<br />
Boxen ist eine besondere Stresssituation.<br />
In dieser Anspannung Regeln einzuhalten<br />
ist wichtig. Für die meisten der Jungs<br />
ist das etwas Neues.<br />
Gab es auch Fehlschläge, Enttäuschungen?<br />
Natürlich. Es ist ja nicht so, dass Sie<br />
durch Boxen sofort ein besserer Mensch<br />
werden. Manchmal stoße ich an meine<br />
Grenzen. Aber die Tendenz ist sehr positiv.<br />
Vor 14 Tagen war ich in einem Supermarkt,<br />
ein junger Mann in Anzug und Krawatte<br />
sprach mich an. Er war ein Schüler von<br />
mir, galt als hochgradig aggressiv und als<br />
hoffnungsloser Fall. Heute ist er der Filialleiter.<br />
Kommen gewaltbereite Jugendliche auch deshalb<br />
zu Ihnen, um besser kämpfen zu lernen,<br />
und nicht nur, weil sie mit ihren Aggressionen<br />
anders umgehen wollen?<br />
Einige kamen wohl mit diesem Vorsatz.<br />
Die merkten aber schnell, dass Boxen anstrengendes<br />
Konditionstraining und richtig<br />
hart ist. Am Anfang war auch tatsächlich<br />
umstritten, ob man gewaltbereiten<br />
Jungs auch noch eine Boxtechnik beibringen<br />
soll. Aber gerade bei den schwierigen<br />
Jugendlichen ist das Gegenteil eingetreten:<br />
Sie bauten ihre Aggressionen ab. <br />
buchjournal 1/2011
2011. 224 Seiten. € 19,90<br />
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© Lou Dematteis / Reuters / Corbis<br />
SACHBUCH_WIRTSCHAFT<br />
Wenn Konsumgüter zum Objekt der Begierde werden, hat das<br />
Marketing ganze Arbeit geleistet. Doch nicht immer klappt der<br />
Weg vom Produkt zur Marke – oft geht Werbung nach hinten los.<br />
W ir<br />
Der Kult um<br />
die Marke<br />
TEXT: ECKART BAIER<br />
Apple-Produkte genießen Kultstatus – zumindest mit Steve Jobs als Zeremonienmeister<br />
machen den Weg frei“, „Nogger<br />
dir einen“, „Bauknecht weiß, was<br />
Frauen wünschen“, „Mars macht mobil“:<br />
Es gibt Slogans, die sind unverwüstlich,<br />
auch wenn sie schon längst nicht mehr für<br />
die Werbung benutzt werden. Und wenn<br />
sich Menschen noch nach Jahrzehnten an<br />
Sprüche wie „Durst macht Spaß mit Fanta“<br />
oder „Der Tag geht, Johnnie Walker<br />
kommt“ erinnern, haben die Werbemacher<br />
ganze Arbeit geleistet, sprich: Sie haben<br />
ihre Produkte nachhaltig in den Köpfen der<br />
Verbraucher verankert.<br />
Heute gelingt dies allerdings erheblich<br />
seltener als noch vor 30, 40 Jahren, als es<br />
noch kein Inter<strong>net</strong> und nur wenige Fernsehprogramme<br />
gab, schreibt Martin Lindstrom<br />
in seinem Buch „Brand Sense“:<br />
„Marketing funktioniert nicht mehr. Neue<br />
Produkte scheitern in erschreckender Zahl.<br />
Die wenigsten Werbekampagnen hinterlassen<br />
beim Verbraucher bleibenden Eindruck.“<br />
Dabei pumpen die Firmen immer<br />
mehr Geld in Kampagnen – doch immer<br />
weniger Slogans bleiben im Gedächtnis<br />
haften. Lindstrom führt dem Leser einleuchtend<br />
und unterhaltsam vor, wie es<br />
Marken und Produkten dennoch gelingt,<br />
Köpfe und Gefühle von Verbrauchern zu erobern.<br />
Vor allem müssen sie alle fünf Sinne<br />
ansprechen – starke Marken lassen sich<br />
fühlen, riechen, schmecken, hören und sehen,<br />
schreibt Lindstrom, der schon Konzerne<br />
wie McDonald’s, Mercedes-Benz und<br />
Nestlé beraten hat.<br />
Zu den 20 Topmarken, die die Sensorik<br />
der Konsumenten am effektivsten ansprechen,<br />
gehören unter anderen Nike, Coca-<br />
Cola, Prada, Marlboro, Harley-Davidson,<br />
Nokia und Mercedes-Benz. Die beiden ersten<br />
Plätze dieser exklusiven Liste gehen allerdings<br />
an Apple und, ja, Singapore Airlines.<br />
Die Marketingstrategen dieser Unternehmen<br />
haben über Jahre alles richtig<br />
gemacht, meint Lindstrom. Sie haben es<br />
geschafft, ihre Produkte als etwas Exklusives,<br />
Einzigartiges zu präsentieren; Käufer<br />
dieser Marken sind mehr als simple Kunden,<br />
sie haben „eine Bindung entwickelt,<br />
die an eine Glaubensbeziehung erinnert“.<br />
»Starke Marken<br />
kann man fühlen,<br />
riechen, schmecken,<br />
hören und sehen«<br />
Wer kennt sie nicht, die Leute, die sich<br />
stets das neueste iPhone, den schicksten<br />
iPod und das schnellste MacBook zulegen<br />
und dem Tag des iPad-Verkaufsstarts im<br />
Mai vorigen Jahres entgegenfieberten? Die<br />
Produkte mit dem Apfel-Symbol haben für<br />
sie Kultstatus – selbst wenn unabhängige<br />
Warentests belegen, dass gelegentlich der<br />
Wurm drin ist.<br />
Häufig sind es die Kleinigkeiten, an denen<br />
die Markenmacher feilen: So richtete Mercedes<br />
beispielsweise vor Jahren eine eigene<br />
Abteilung ein, die am perfekten Klang einer<br />
zuschlagenden Autotür tüftelte. Auch der<br />
Crunch von Kellogg’s Cornflakes – die der<br />
wahre Genießer selbstverständlich von allen<br />
anderen Frühstücksflocken unterscheiden<br />
kann – wurde im Soundlabor ersonnen. Und<br />
Rolls Royce hat für die Entwicklung des unvergleichlichen<br />
Dufts seines „Silver Cloud“-<br />
Modells in den 60er Jahren Hunderttausende<br />
Dollar ausgegeben – „ein kleines Meisterwerk<br />
des sensorischen Brandings“, wie<br />
Lindstrom feststellt.<br />
Werbung und der Versuch von Markenbildung<br />
kann aber auch schiefgehen – bestenfalls<br />
hat der Verbraucher den Werbe-<br />
78<br />
buchjournal 1/2011
spot nach wenigen Sekunden wieder vergessen.<br />
Schlimmer ist es, wenn der Schuss<br />
nach hinten losgeht. Nicht selten liegt es<br />
an banalen Sprachhürden – der doofe Kunde<br />
will den tollen englischen Slogan einfach<br />
nicht richtig verstehen, wie uns Bernd<br />
Samland in seinem Buch „Übersetzt du<br />
noch oder verstehst du schon?“ klarmacht.<br />
„Come in and fi nd out“ der Parfümeriekette<br />
Douglas war so ein Fall: 54 Prozent der<br />
Befragten in Deutschland übersetzten den<br />
Spruch mit „Komm rein und fi nde wieder<br />
heraus“.<br />
Ein ähnlicher Rohrkrepierer war die „live<br />
unbuttoned“-Kampagne des Klamotten-<br />
Fabrikanten Levi’s. Nur 14 Prozent der Befragten<br />
übersetzten den Slogan („Lebe ungezwungen“)<br />
auch nur annähernd richtig,<br />
lesen wir in Samlands amüsantem Streifzug<br />
durchs Werbe-Englisch. Die meis ten<br />
vermuteten dahinter ein knopfl oses Leben<br />
oder glaubten, dass man Levi’s-Jeans künftig<br />
nicht zuknöpfen solle. Einige der Befragten<br />
waren völlig auf dem Holzweg und<br />
verwechselten „button“ (engl. Knopf ) mit<br />
„bottom“ (engl. Boden, auch Gesäß). Für sie<br />
buchjournal 1/2011<br />
79<br />
lautete die korrekte Übersetzung von<br />
„live unbuttoned“ demnach: ohne Hintern<br />
zu leben oder – noch besser – keinen<br />
Arsch in der Hose zu haben.<br />
Lesezeichen<br />
1. Martin Lindstrom: Brand Sense. Warum wir starke<br />
Marken fühlen, riechen, schmecken, hören und sehen<br />
können. Campus, 212 S., 24,90 € (D) • 25,60 € (A) •<br />
37,90 sFr.<br />
2. Hinrich Lührssen: 25 Prozent auf alles ohne Stecker.<br />
Werbung beim Wort genommen. rororo, 240 S.,<br />
8,99 € (D) • 9,30 € (A) • 14,50 sFr.<br />
3. Bernd M. Samland: Übersetzt du noch oder<br />
verstehst du schon? Werbe-Englisch für Anfänger.<br />
Herder, 160 S., 12,– € (D) • 12,40 € (A) • 18,90 sFr.<br />
Das neue Kochbuch von Jamie Oliver...<br />
Jamie Oliver<br />
Jamie unterwegs…<br />
Geniale Rezepte gegen Fernweh<br />
€ 24,95 (D) / € 25,70 (A) / sFr. 42,90 (UVP)<br />
360 Seiten, mehr als 500 Farbfotografien<br />
ISBN 978-3-8310-1845-1<br />
www.dorlingkindersley.de<br />
Während Samland dem Werbe-Englisch<br />
auf den Zahn fühlt, stellt Hinrich Lührssen<br />
für sein Buch „25 Prozent auf alles ohne<br />
Stecker“ die Werbesprache auf den Prüfstand<br />
– und nahm Reklame beim Wort. An<br />
der Wursttheke im Supermarkt verlangte<br />
er das Angebot von 200 Gramm Kalbsleberwurst<br />
– wohlgemerkt 200 und nicht etwa<br />
194 oder 211 Gramm. Bei der Imbisskette<br />
„Nordsee“ vertilgte Lührssen beim nachmittäglichen<br />
„All you can eat“-Angebot<br />
acht Portionen Grillfi sch für insgesamt<br />
5,95 Euro, und in mehreren Reisebüros forderte<br />
er hartnäckig den vom Veranstalter<br />
TUI angepriesenen „Urlaub auf Pump“.<br />
Trotz intensiver Recherchen konnten die<br />
genervten Reiseverkäufer die gesuchte Insel<br />
Pump auf keiner Landkarte fi nden.<br />
Dass in der Werbung gemogelt wird, ist<br />
zwar keine echte Neuigkeit, doch ist man<br />
bei der Lektüre von Lührssens Buch immer<br />
wieder überrascht, welch hanebüchenen<br />
Unsinn sich Verbraucher bisweilen unterjubeln<br />
lassen – und welchen Effekt Werbung<br />
haben kann: Bei einem Wettbewerb 1995<br />
sollten 40 000 Schulkinder eine Kuh ausmalen:<br />
Jedes dritte Kind griff zur Farbe Lila.
RATGEBER_DIÄT<br />
Genuss statt selbstquälerisches Kalorienzählen:<br />
Ruth Moschners Tipps sind für alle, die auf entspannte<br />
Weise schlanker werden wollen.<br />
Abnehmen –<br />
mit Schokolade!<br />
TEXT: SABINE SCHMIDT<br />
E s<br />
klingt wie ein Traum – vor dem Essen nascht man Schokolade,<br />
und danach muss man auch nicht auf viel verzichten:<br />
Drei Mahlzeiten am Tag sollten es schon sein. Ruth Moschner,<br />
die von sich selbst sagt, dass es keine Diät gibt, die sie nicht<br />
selbst schon erlitten hat, plädiert dafür, sich nicht zu kasteien.<br />
Besser sei es doch, meint sie, es sich gut gehen zu lassen,<br />
auch dann noch, wenn man das Hüftgold und den<br />
dicken Hintern loswerden will.<br />
Es gibt Wichtigeres als eine Waage – wer dennoch,<br />
auch ohne das Foltergerät, abnehmen will,<br />
muss bei Ruth Moschner zwar nicht auf jeden Genuss<br />
verzichten, sich allerdings dann doch auch etwas<br />
mit dem Thema Essen befassen. Vor den Mahlzeiten<br />
ist dunkle Schokolade erlaubt, um den Appetit zu zügeln,<br />
und das Essen sollte vernünftig zusammengestellt sein.<br />
Neben Genuss sind gesunde, ausgewogene Ernährung und<br />
Bewegung die wichtigsten Stichworte der TV-Moderatorin.<br />
Jede Menge Tipps und Rezepte liefert sie in ihrem launig geschriebenen<br />
Buch gleich mit. Und gibt einen deutlichen Hinweis,<br />
der (leider) immer wichtiger wird: Niemand sollte sich an<br />
Model-Maßen messen – viel wichtiger ist es, mit sich selbst im<br />
Reinen zu sein. <br />
^ TV-Moderatorin Ruth Moschner liebt lustvolles Essen,<br />
veröffentlichte schon 2006 eigene Pralinenrezepte („Süße<br />
Märchen“), gibt jetzt Tipps für genussvolles Abnehmen und<br />
moderiert auf dem Online-Portal bild.de eine eigene Kochshow.<br />
Ruth Moschner: Die Schoko-Diät. Endlich schlank mit Genuss.<br />
Krüger, 256 S., 14,95 € (D) • 15,40 € (A) • 23,50 sFr.<br />
Schokoholic Ruth Moschner: Ein bisschen Verführung darf sein<br />
80<br />
buchjournal 1/2011<br />
© istockphoto, Manfred Baumann / Fotomontage
Diät-Variationen<br />
Es geht auch anders – mit Büchern, in denen Süßes eher verpönt ist<br />
Hungern is’ nich. Auch hier<br />
kann man zuschlagen – am besten<br />
bei Obst und Gemüse.<br />
^ Martin Kunz: „Mehr essen –<br />
weniger wiegen:<br />
Die Volumetrics-Diät“.<br />
Goldmann,<br />
250 S., 7,99 €<br />
(D) • 8,30 € (A)<br />
• 14,50 sFr.<br />
Schoko-Fragen an<br />
Ruth Moschner:<br />
Zartbitter oder Vollmilch?<br />
Für mich muss Schokolade mindestens 65 Prozent Kakao enthalten,<br />
je mehr desto besser. Aktuell nasche ich eine Schokolade aus 100-prozentig<br />
kalt gerösteten Kakaobohnen, der absolute Wahnsinn!!!!<br />
Nougat oder Marzipan?<br />
Mit Marzipan kann man mich foltern, absolut ekelhaft – Nougat dagegen<br />
ist lecker, am liebsten aus Mandeln oder Pistazien.<br />
Riegel oder Tafel?<br />
Riegel fi nde ich toll, da hat man die passende Portion schon eingeteilt<br />
und sie passen sehr gut in die Handtasche. Ich liebe aber auch<br />
überdimensionale Schokotafeln. Die geben einem das beruhigende Gefühl,<br />
nicht so schnell „ohne“ dazustehen.<br />
Heimlich oder bekennend?<br />
Ich bin bekennende Schokoholikerin und Schokolistin: Ich teile nur, wenn es<br />
unbedingt sein muss, und mit Leuten, die das auch zu schätzen wissen.<br />
Fitnessstudio oder Couch?<br />
Man kann das Wohnzimmer in ein Fitnessstudio umwandeln. Für die<br />
tägliche Dosis Bauch-Beine-Po sollte es keine Ausrede geben. 15 Minuten<br />
Training gehen einfach immer und überall.<br />
buchjournal 1/2011 81<br />
Kopfsache. Jeden Tag eine Gewohnheit<br />
ändern: beim Essen,<br />
Bewegen und Alltagsverhalten.<br />
^ Patric Heizmann: „Ich bin dann<br />
mal schlank: das<br />
Erfolgsprogramm“.<br />
Gräfe<br />
und Unzer,<br />
176 S., 19,99 €<br />
(D) • 20,60 € (A)<br />
• 34,50 sFr.<br />
Nimm’s leicht. Dick war er,<br />
lustig ist Bernd Stelter immer<br />
noch, wenn er von seinem Abnehmen<br />
erzählt. Tipps inklusive.<br />
^ Bernd Stelter:<br />
„Wer abnimmt,<br />
hat mehr Platz<br />
im Leben“. Bastei<br />
Lübbe, 304 S.,<br />
18,– € (D) • 18,50<br />
€ (A) • 27,90 sFr.<br />
Für jeden<br />
Geschmack<br />
So wird<br />
Abnehmen<br />
zum Erfolg<br />
Neue Rezepte für jedes Zeitbudget<br />
Ursula Summ<br />
Trennkost: Das Minuten-Kochbuch<br />
144 Seiten, 40 Abb.<br />
€ 17,95 [D] · ISBN 978-3-8304-3871-7<br />
Kalorien sparen und keiner merkts!<br />
Schierz/Vallenthin<br />
Lowfett 30: Das große Kochbuch<br />
144 Seiten, 50 Abb.<br />
€ 19,95 [D] · ISBN 978-3-8304-3824-3<br />
Dauerhaft abnehmen ohne Hunger<br />
Sabine Wacker<br />
Basenfasten: Das große Kochbuch<br />
140 Seiten, 143 Abb.<br />
€ 17,95 [D] · ISBN 978-3-8304-3685-0<br />
Weitere Bücher zum Thema:<br />
www.trias-verlag.de
FIT UND GESUND_INTERVIEW<br />
Gern wird über mangelnde Qualität von Lebensmitteln geklagt, doch die Verbraucher<br />
haben eine Mitschuld, weil alles möglichst billig sein soll, meint Starkoch Steffen Henssler.<br />
Qualität hat zwar ihren Preis, doch auf gutes und gesundes Essen muss niemand verzichten.<br />
„Mit ‚bio‘<br />
isst man<br />
besser“<br />
INTERVIEW: MEIKE DANNENBERG<br />
Gentechnik, Gammelfleisch, Dioxin – haben<br />
Sie noch Vertrauen in die Lebensmittel, die Sie<br />
kaufen?<br />
Steffen Henssler: Der jüngste Skandal<br />
um dioxinbelastete Nahrungsmittel<br />
stimmt mich schon nachdenklich. Trotzdem<br />
esse ich noch Eier! Für mich war es<br />
aber schon immer wichtig, die Herkunft<br />
der Produkte zu kennen. Ich weiß, dass<br />
mein Fisch aus Norwegen, Dänemark oder<br />
Frankreich kommt. Die Norweger zum Beispiel<br />
kontrollieren ihre Lachszuchten sehr<br />
genau, weil das ein großer und wichtiger<br />
Markt für sie ist.<br />
Achten Sie bei dem Fisch, den Sie verarbeiten,<br />
denn auch auf nachhaltige Fischerei?<br />
Es gibt eine Liste vom WWF, auf der<br />
steht, welche Arten gefährdet sind und<br />
welche sich gerade erholen, aus welcher<br />
Region man kaufen darf und aus welcher<br />
nicht. Biolachs aus Norwegen kann man<br />
bedenkenlos kaufen. Thunfisch ist für ein<br />
Sushi-Sashimi-Restaurant immer ein<br />
schwieriges Thema, aber wir haben den<br />
Verbrauch reduziert und ich habe ja auch<br />
eine wirtschaftliche Verantwortung meinen<br />
Mitarbeitern gegenüber.<br />
Kaufen Sie denn ausschließlich Bioprodukte?<br />
Nein, es gibt so viele Siegel, bei denen<br />
man gar nicht genau weiß, was „bio“ eigentlich<br />
bedeutet. Chemische Tests konnten<br />
teilweise keinen Unterschied zwischen<br />
herkömmlichem Huhn und Biohuhn feststellen.<br />
© Marc Eckardt<br />
Soll das heißen: Da man es ohnehin nicht kontrollieren<br />
kann, braucht man gar nicht erst<br />
Lebens mittel mit der Bezeichnung „bio“ zu<br />
kaufen?<br />
Nein, so würde ich das nicht sagen. Trotzdem<br />
hat „bio“ eine gewisse Beliebigkeit bekommen.<br />
Beim gezüchteten Steinbutt vom<br />
Fischmarkt bedeutet „bio“ zum Beispiel,<br />
dass auf dem Boden des Fischbeckens Sand<br />
gelegen hat – was ändert das denn jetzt am<br />
Produkt? Dennoch glaube ich, dass man<br />
sich mit „bio“ grundsätzlich besser ernährt<br />
als mit herkömmlichen Produkten.<br />
Nicht jede Familie kann sich die hochwertige<br />
Wurst aus dem Ökoladen leisten …<br />
Das ist zwar richtig, andererseits ist in<br />
den meisten Fällen genug Geld da, um sich<br />
einen neuen Computer zu kaufen und immer<br />
online zu sein. Ich bin überzeugt, dass<br />
an der mangelnden Qualität von Lebensmitteln<br />
die Verbraucher nicht ganz unschuldig<br />
sind – für die meisten gilt doch<br />
das Prinzip „Hauptsache, billig!“. Für Elektromärkte<br />
mag das ja richtig sein. Aber<br />
sich zu freuen, dass man die Butter beson-<br />
Zur Person<br />
Steffen Henssler, 1972 in Neuenbürg im Schwarzwald<br />
geboren, wurde in einem Sternelokal zum<br />
Koch ausgebildet und besuchte die renommierte<br />
California Sushi Academy in Los Angeles, die er<br />
als erster Deutscher mit Bestnote abschloss. 2001<br />
eröff<strong>net</strong>e er in Hamburg gemeinsam mit seinem<br />
Vater das Restaurant Henssler & Henssler, 2009<br />
folgte das Ono. Seit 2004 ist Henssler regelmäßig<br />
Gast in TV-Kochshows und moderiert seit August<br />
2010 das Kochquiz „Topfgeldjäger“ im ZDF. Sein<br />
jüngstes Buch „Hauptsache lecker!“ enthält kreative<br />
Rezeptideen für 100 leichte Gerichte.<br />
ders günstig kriegt, ist falsch. Das ist ja sozusagen<br />
das eigene Benzin. Ein Vergleich:<br />
Beim eigenen Auto tankt man Super Plus,<br />
damit es schneller fährt, sich selbst zieht<br />
man aber das miese Verbleite rein!<br />
Aber weiß der Verbraucher denn immer, was er<br />
kauft – und wird er von den Herstellern nicht<br />
auch gelegentlich in die Irre geführt?<br />
82<br />
buchjournal 1/2011
TV-Koch Henssler:<br />
„Es gibt Kinder,<br />
die denken, das<br />
Schnitzel kommt<br />
vom Schnitzeltier“<br />
Natürlich werden die Verbraucher in die<br />
Irre geführt! Es ist ja schon schwierig, Produkte<br />
zu fi nden, die gesund sind. Es gibt<br />
fünf Biosiegel und bei der Kalorien-Ampel<br />
steht auch nur die Hälfte drauf. Es liegt an<br />
uns Verbrauchern: Wenn wir Druck machen<br />
würden, dann müsste die Industrie<br />
schnell umdenken. Wenn zehn Leute am<br />
Tag nach der Herkunft des Fleischs fragen,<br />
dann wird sich der Händler schon erkundigen,<br />
wo das Tier herkam. Etwas anderes ist,<br />
wenn man gleich beim lokalen Händler<br />
kauft, der weiß in der Regel, wo das Rind<br />
auf der Weide stand. Aber bei den meisten<br />
Verbrauchern läuft es so: Sieht gut aus, so<br />
fi t und fröhlich verpackt, das nehm’ ich<br />
mal. Wenn wir den Einheitsgeschmack mit<br />
Geschmacksverstärker hinnehmen, dann<br />
wird sich daran nichts ändern!<br />
Wie kann man Kinder wieder in ein natürliches<br />
Verhältnis zu Lebensmitteln bringen?<br />
Vor allem sie mitkochen lassen, sie ’ranholen!<br />
Auch etwas schneiden dürfen und<br />
die Produkte in die Hand nehmen. Es ist<br />
wichtig, Mahlzeiten frisch zuzubereiten.<br />
buchjournal 1/2011 83<br />
Viele Menschen sagen, sie hätten fürs Kochen<br />
keine Zeit …<br />
Das „Keine Zeit“-Argument gab es ja<br />
schon immer. Aber wir haben die Zeit, auf<br />
Facebook zu schreiben, dass wir gerade die<br />
Treppe raufgegangen sind und müde sind.<br />
Wir haben Zeit, uns Apps rauf und runter<br />
zu laden. In meiner Sendung mache ich ein<br />
einfaches Pfannengericht in fünf, sechs<br />
Minuten. Das Argument zieht also nicht.<br />
Brokkoli in den Topf, Deckel drauf. Keine<br />
große Kochkunst, aber allemal besser als<br />
Fertiggerichte.<br />
Sie meinen, wir nehmen uns auch zu wenig<br />
Zeit, den Kindern gute Ernährung beizubringen?<br />
Bei der Stiftung Mittagskinder, bei der<br />
ich mitarbeite, sehe ich ja, wie ahnungslos<br />
einige sind. Da sind Kinder, die denken, das<br />
Schnitzel kommt vom Schnitzeltier und<br />
Fischstäbchen ist ein Fisch. Sie können im<br />
Alter von sechs, sieben Jahren noch kein<br />
Butterbrot schmieren. Ich denke, Ernährung<br />
müsste Thema in der Schule werden.<br />
Aber vor allem die Eltern sind gefragt, ihr<br />
Wissen weiterzugeben.<br />
Haben wir eine Zwei-Klassen-Kochgesellschaft?<br />
Die einen mit hochgerüsteten Hightech-Küchen,<br />
teuren, natürlichen Lebensmitteln<br />
und bei den anderen gibt es nur noch Convenience<br />
aus der Mikrowelle?<br />
Ich glaube, die mit den Superküchen, die<br />
kochen am wenigsten. Und es wird auch<br />
immer Menschen geben, die sich die teuersten<br />
Lebensmittel gönnen. Aber man<br />
kann auch mit einfachen Mitteln etwas zubereiten,<br />
das schnell geht und lecker<br />
schmeckt. Für einen Karotteneintopf brauche<br />
ich fünf Minuten! Ich würde nie sagen,<br />
man sollte immer nur Äpfel und Möhren<br />
essen, auf die Wurst vom Imbiss verzichten<br />
und keine Schokolade konsumieren. Man<br />
muss eine gute Mischung fi nden. Aber es<br />
geht einem natürlich besser, wenn man<br />
sich gesund ernährt! <br />
Lesezeichen<br />
Steffen Henssler: Hauptsache<br />
lecker. Dorling Kindersley,<br />
224 S., 24,95 € (D)<br />
• 25,70 € (A) • 42,90 sFr.<br />
Leben - frei von Zivilisationskrankheiten<br />
zivilisatoselos<br />
4.<br />
Auflage<br />
Die modernen Zivilisationskrankheiten<br />
gelten z.Zt. als unheilbar. Nach den Autoren<br />
dieses Buches gibt es allerdings sehr<br />
wohl Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung<br />
als auch zu ihrer Überwindung.<br />
Am Beispiel der 60 am häufigsten auftretenden<br />
Krankheiten erklären die beiden<br />
Autoren logisch und verständlich deren<br />
Ursachen und weisen gleichzeitig anhand<br />
verblüffender Erkenntnisse und Erfolge der<br />
Naturheilkunde den Weg aus dem Irrgarten<br />
der Zivilisatose.<br />
Dr. h. c. Peter Jentschura · Josef Lohkämper<br />
374 Seiten · Fadenheftung, fester Einband<br />
ISBN: 978-3- 933874-30-6 · € 39,50<br />
Leseproben im Inter<strong>net</strong>:<br />
www.verlag-jentschura.de<br />
Verlag Peter Jentschura<br />
D-48163 Münster · Tel. +49 (0 ) 25 36 - 34 29 90
© privat<br />
j<br />
Wir lesen<br />
Spannung garantiert<br />
Klar: Krimis und Thriller sollen fesseln,<br />
möglichst so, dass man nicht von ihnen<br />
loskommt. Die richtig guten sind aber<br />
nicht nur spannend, sondern erzählen<br />
auch interessante Geschichten.<br />
HARTNÄCKIG UND CLEVER<br />
Toller Ermittler<br />
David Hoenig (12)<br />
war vom Hörbuch<br />
„Theo Boone“<br />
gefesselt<br />
Der 13-jährige Theo Boone ist vom Justizwesen<br />
begeistert. Seine Eltern sind beide Anwälte, und<br />
so hat er öfter mal Gelegenheit, bei Gerichtsprozessen<br />
dabei zu sein. Theo kann sich nichts<br />
Spannenderes vorstellen; auch er will später<br />
Richter oder Anwalt werden und für die Gerechtigkeit<br />
kämpfen. Da wird in seiner kleinen Stadt<br />
eine Frau ermordet, Hauptverdächtiger ist ihr<br />
Mann. Nur reichen die Beweise nicht aus, um<br />
ihn zu überführen. Doch Theo spürt einen Augenzeugen<br />
auf, dessen Aussage den Prozess<br />
entscheidend beeinfl ussen<br />
könnte, der sich aber nicht<br />
traut auszusagen. Ich habe<br />
mir die vier CDs ohne Pausen<br />
hintereinander<br />
angehört, weil die Geschichte<br />
superspannend ist und Theo mutig,<br />
clever, beharrlich und schlagfertig. Genau das<br />
Richtige für Krimifans. Es ist das erste Jugendbuch<br />
des Bestsellerautors John Grisham, der sich<br />
schon weitere Abenteuer mit Theo ausdenkt.<br />
^ John Grisham: „Theo Boone und der unsichtbare<br />
Zeuge“. Gelesen von Oliver Rohrbeck. cbj audio,<br />
4 CDs, 16,99 € (D / A) • 28,50 sFr.<br />
© Stefan Hauck<br />
© Franky De Meyer / istockphoto<br />
ZEIT FÜR DIE WAHRHEIT<br />
Eine Tote meldet sich zurück<br />
84<br />
Atem anhalten – und weiterlesen!<br />
Hannah Baker hat vor ihrem Tod sieben Kassetten besprochen, um<br />
13 Gründe für ihren Selbstmord zu nennen und damit 13 Menschen<br />
anzuklagen, die ihren Anteil daran tragen. Clay ist unter ihnen. Entsetzt<br />
muss er sich der Wahrheit stellen, da Hannah deutlich macht,<br />
dass die Botschaften öffentlich werden würden, sollten sie nicht an<br />
den Nächsten auf der beigelegten Liste weitergereicht werden. Für Isabella Lüderwald (14)<br />
Clay beginnt eine Reise durch die Nacht mit Hannahs mag Tiefgang<br />
Stimme im Ohr, bei der er erfährt, wie es so weit<br />
kommen konnte. Das Buch ist sensibel und packend geschrieben. Man wird mit<br />
einem realen Problem konfrontiert und dazu animiert, darüber nachzudenken.<br />
^ Jay Asher: „Tote Mädchen lügen nicht“. Übersetzt von Knut Krüger.<br />
cbt, 288 S., 9,99 € (D) • 10,30 € (A) • 17,90 sFr.<br />
THRILLER MIT MANIPULIERTEN JUNGS<br />
Rauskriegen, wer man ist<br />
Ein Junge wacht in der Wüste auf – und kann sich an nichts mehr erinnern. Er<br />
weiß nicht, wer er ist, noch wo er hinwill. Den einzigen Hinweis hört er auf<br />
seiner Mailbox –- mit seiner eigenen Stimme: „Geh nicht zur Polizei!“ Allein<br />
dieser Anfang hat mich zum Lesen gereizt. Schon<br />
nach den ersten Seiten fesselt das Buch, der Leser tastet sich mit dem<br />
Icherzähler an die Wahrheit heran, sucht nach möglichen Erklärungen.<br />
Etwas Science-Fiction-mäßig wird es, als herauskommt, dass eine Reihe<br />
„Boys“ durch eingepfl anzte Mikrochips manipuliert und zu Einbrüchen<br />
gezwungen wird, damit eine Geheimorganisation zu Macht und Geld<br />
kommt. Wer sich das vorstellen kann, fi ndet einen mitreißenden Thriller.<br />
Felix Gerlach (15)<br />
empfi ehlt „Boy 7“<br />
^ Mirjam Mous: „Boy 7. Vertraue niemandem. Nicht einmal dir selbst“.<br />
Arena, 288 S., 12,99 € (D) • 13,40 € (A) • 19,90 sFr.<br />
buchjournal 1/2011<br />
© privat
© Anke Kuhl<br />
buchjournal 1/2011 85<br />
LeseLotse<br />
Bestes aus dem Büchermeer für Kids Die LeseLotse-Jury empfi ehlt neue Bücher<br />
BILDERBUCH<br />
KINDERBUCH<br />
JUGENDBUCH<br />
FÄLLT AUS DEM RAHMEN<br />
COMIC<br />
Schön schräg<br />
Mit Lust am Reim spielt sich Krimiautor Wolf<br />
Haas durch seinen ersten Bilderbuchtext um<br />
einen Fuchs mit Haarproblemen und eine ausgefuchste<br />
Gans, die Hilfe verspricht.<br />
^ Wolf Haas, Teresa Präauer (Ill.): „Die Gans<br />
im Gegenteil“. Hoffmann und Campe, 40 S.,<br />
16,– € (D) • 16,50 € (A) • 25,90 sFr., ab 8<br />
Familie ist nicht einfach<br />
Eine fesselnde Familiengeschichte um den<br />
Vierling Sophie – von einer Autorin, die viel<br />
von Kindern versteht und ohne Schnörkel erzählt,<br />
wie schwierig das Leben sein kann.<br />
^ Marjaleena Lembcke: „Die Füchse von<br />
Andorra“. Nagel & Kimche, 128 S., 12,90 € (D) •<br />
13,30 € (A) • 19,90 sFr., ab 9<br />
Freunde fürs Leben<br />
Eine ruhige, realistische Geschichte über<br />
zwei Außenseiter, die es schaffen, ihr problembeladenes<br />
Leben zu gestalten. Beeindruckendes<br />
Coming-of-Age-Debüt aus England.<br />
^ Robert Williams: „Luke und Jon“. Berliner<br />
Taschenbuch Verlag, 192 S., 8,95 € (D) •<br />
9,20 € (A) • 14,50 sFr., ab 12<br />
Wunderbare Bilderreise<br />
In der Nähe von Florenz steht ein Haus, das viel<br />
gesehen und etlichen Generationen Schutz geboten<br />
hat. Dann ist es zerfallen – und schließlich zu neuem Leben<br />
erweckt worden. Eine meisterhaft inszenierte Bilderreise<br />
durch die Geschichte, an der Illustrator Roberto Innocenti<br />
drei Jahre lang gearbeitet hat.<br />
^ J. Patrick Lewis, Roberto Innocenti (Ill.): „Ein Haus erzählt“.<br />
Sauerländer, 64 S., 24,90 € (D) • 25,60 € (A) • 39,90 sFr., ab 6<br />
Tolle Trolle<br />
Neben den Kinderbüchern ließ Tove Jansson<br />
ihre liebenswerten Mumins auch in einer Comicserie<br />
auftreten. Zum ersten Mal erscheinen<br />
diese Comicstrips bei uns in einer Gesamtausgabe.<br />
Ein funkelndes Fundstück.<br />
^ Tove Jansson: „Mumins 3“. Reprodukt,<br />
112 S., 24,– € (D) • 24,70 € (A) • 37,– sFr., ab 6<br />
Selbstständig werden<br />
Jippie, zum ersten Mal darf Mia bei ihrer<br />
Freundin übernachten! Doch dann wird es<br />
gar nicht so supertoll, wie Mia sich das ausgemalt<br />
hat ...<br />
^ Pija Lindenbaum: „Mia schläft woanders“.<br />
Oetinger, 40 S., 12,95 € (D) • 13,40 € (A) •<br />
19,90 sFr., ab 4<br />
Cool, Mann!<br />
Kai hat einen Begleiter namens Coolman, den<br />
nur er sehen kann – ein Aufschneider, der Kai<br />
dauernd in Schwierigkeiten bringt. Ein<br />
Comic roman zum Dauerglucksen.<br />
^ Rüdiger Bertram, Heribert Schulmeyer (Ill.):<br />
„Coolman und ich“. Oetinger, 208 S., 12,– € (D) •<br />
12,40 € (A) • 18,90 sFr., ab 10<br />
Wilder Trip nach Schottland<br />
Kenny, Slim und Blake stehlen die Urne<br />
ihres verstorbenen Kumpels Ross, um ihm<br />
ein Begräbnis zu verschaffen, wie es ihm gefallen<br />
hätte. Die Reise führt durch Schottland<br />
und zu einer schrecklichen Erkenntnis.<br />
^ Keith Gray: „Ostrich Boys“. rororo rotfuchs,<br />
320 S., 12,95 € (D) • 13,40 € (A) • 20,50 sFr., ab 14<br />
Die Jury<br />
Stefan Hauck Börsenblatt-Redakteur, Mitglied<br />
in verschiedenen Jurys<br />
Verena Hoenig Kulturjournalistin und<br />
Kinderliteratur-Expertin<br />
Katrin Maschke Buchhändlerin in <strong>München</strong>,<br />
Jurymitglied des Dt. Jugendliteraturpreises<br />
Ralf Schweikart Journalist und Literaturkritiker<br />
Liebe in Türkis<br />
Im Schwimmbad kommen sich ein wenig<br />
sportbegeisterter junger Mann und eine Athletin<br />
nahe. Die faszinierende Geschichte ist<br />
ganz in türkis-blau-grüne Farbtöne getaucht.<br />
^ Bastien Vivès: „Der Geschmack von Chlor“.<br />
Reprodukt, 144 S., 18,– € (D) • 18,50 € (A) •<br />
32,40 sFr., ab 14
KINDER- UND JUGENDBÜCHER<br />
© Barbara Nascimbeni<br />
Tolle Bücher mit schönen Bildern –<br />
Geschichten, die trösten, Verständnis<br />
zeigen oder einfach nur Spaß machen:<br />
„Wir haben dich immer lieb“ (oben),<br />
„Wann gehen die wieder?“ (links unten),<br />
„Die wichtigen Dinge“ (rechts unten)<br />
© Ute Krause<br />
Die Familienformen haben sich verändert – und das<br />
spiegelt sich auch in Büchern wider: in Mut machenden<br />
und herzerfrischenden Geschichten und Bildern.<br />
Jetzt wird’s bunt<br />
TEXT: MARION KLÖTZER<br />
Vater, Mutter, Kind – das ist die klassische<br />
Bilderbuchfamilie. Dabei<br />
sieht die Realität ganz anders aus: Da gibt es<br />
Patchwork- , Scheidungs- oder Adoptionsfamilien,<br />
schmerzhafte Trennungen, Alleinerziehende<br />
und neue Partnerschaften<br />
samt Stief- oder Halbgeschwistern – ein<br />
nicht unproblematisches Geflecht an Beziehungen,<br />
das nun erfreulicherweise auch<br />
verstärkt im Kinderbuch verhandelt wird.<br />
Sensibel und offenherzig widmet sich<br />
das Bilderbuch „Wir haben dich immer<br />
lieb“ dem Thema Trennung. Fällt der kleine<br />
Ben doch aus allen Wolken, als Papa seinen<br />
Auszug ankündigt. Sicher, in letzter<br />
Zeit war der Vater wenig zu Hause, aber<br />
sind Ben und er nicht ein fabelhaftes Team?<br />
Und was soll das bedeuten, dass Papa und<br />
Mama Abstand voneinander brauchen?<br />
Wie gut, dass die Eltern seine Fragen, Sorgen<br />
und Ängste ebenso ernst nehmen wie<br />
dieses Buch: Mit klaren Worten und farbenfrohen<br />
Illustrationen bietet es Trennungskindern<br />
eine gelungene Gesprächsgrundlage.<br />
Auch in dem Buch „Die wichtigen Dinge“<br />
geht es um den Verlust des Vaters. Doch der<br />
ist schon so lange weg, dass Christopher<br />
sich gar nicht mehr an ihn erinnern kann.<br />
Nur ein paar alte Sachen sind von ihm übrig<br />
geblieben: ein Heft voller Klaviernoten, ein<br />
alter Hut, ein Paar Pantoffeln. Die packt<br />
Christophers Mutter eines Tages in einen<br />
Karton und bringt sie zum Trödler. Aber wie<br />
seltsam, dass all diese Dinge nach und nach<br />
wieder auftauchen. Ist es Zauberei oder die<br />
Sehnsuchtskraft eines Jungen, der nicht alles<br />
verlieren möchte? Eine kleine, aber eindrückliche<br />
Geschichte darüber, wie wichtig<br />
das Erinnern ist.<br />
Um eine mutige Vatersuche dreht sich der<br />
Roman „Immer diese Weiber“. Weil Rune die<br />
Nase voll hat von all den Frauen in seinem<br />
zwölfjährigen Leben, will er jetzt endlich seinen<br />
unbekannten Erzeuger kennenlernen.<br />
Doch je näher er seinem Ziel kommt, umso<br />
größer wird seine Angst vor Enttäuschung:<br />
Was ist, wenn sein Vater ein Säufer ist? Oder<br />
ein kompletter Idiot? Oder wenn er gar keine<br />
Lust hat auf einen Sohn? Um dieses heikle<br />
Gefühlswirrwarr offenzulegen und doch den<br />
richtigen Ton für männliche Leser zu finden,<br />
greift die Autorin zu einem genialen Trick:<br />
Sie lässt Kumpel Eddie erzählen, und das tut<br />
er mit so viel Einfühlungsvermögen, Humor<br />
und schnoddriger Ehrlichkeit, dass einem<br />
beim Lesen glatt das Herz aufgeht.<br />
Auch in Juma Kliebensteins neuem Roman<br />
„Speed-Dating mit Papa“ geht es um<br />
den Traum von der Bilderbuchfamilie, nur<br />
fehlt hier die geeig<strong>net</strong>e Mutter. Dabei geht<br />
es Jonas und seinem Vater in ihrem Männerhaushalt<br />
richtig gut, auch ohne Frau. Das<br />
sieht Tante Birgit allerdings anders und so<br />
besuchen die beiden Männer bald eine Reihe<br />
äußerst seltsamer Single-Veranstaltungen<br />
86<br />
© Peter Carnavas<br />
buchjournal 1/2011
voller schräger Flirts, Verkupplungsversuche<br />
und Missverständnisse. Dass die Liebe<br />
manchmal so kompliziert ist wie ein Fußballspiel<br />
und so einfach wie eine Schüssel<br />
Bratkartoffeln, berichtet Jonas mit Tempo,<br />
Coolness und viel Situationskomik.<br />
Wie haarig das Leben in einer Patchworkfamilie<br />
sein kann, zeigt das Bilderbuch<br />
„Wann gehen die wieder?“. Denn dass Papa<br />
Räuberhauptmann auszieht, nachdem zu<br />
Hause immer öfter böse Worte und sogar<br />
Bratpfannen fl ogen, verstehen seine Räuberkinder<br />
gut. Aber als er sich dann ausgerech<strong>net</strong><br />
eine Prinzessin mit vielen rosaroten<br />
Sprösslingen anlacht, ist die Bande extrem<br />
sauer. Ute Krause packt das emotionale<br />
Chaos aus Wut, Eifersucht und Verlustangst<br />
in freche und sehr komische Bilder.<br />
Weil das Thema Familie alles in allem<br />
ganz schön verwirrend sei kann, kommen<br />
gute Sachbücher gerade recht:<br />
Denn wie können lesbische Frauen eigentlich<br />
Kinder kriegen? Wieso habe<br />
ich Opas Nase geerbt? Und muss man<br />
unbedingt blutsverwandt sein, um sich als<br />
Familie zu fühlen? - „Alles Familie“ schafft<br />
hier Aufklärung – mit umwerfenden Bildern<br />
von Anke Kuhl im Comicstil, die mit<br />
viel Witz und Einfühlungsvermögen die<br />
knackigen Texte kommentieren und so<br />
ganz unverkrampft zum Gespräch einladen.<br />
Rundum gelungen!<br />
Sehr viel konventioneller illustriert, aber<br />
nicht weniger offen ist „Du gehörst dazu –<br />
das große Buch der Familien“ (Sauerländer),<br />
das zu Themen wie „Arbeit“, „Hobbys“ oder<br />
Lesezeichen<br />
buchjournal 1/2011 87<br />
„Essen“ ein Kaleidoskop an Lebensformen<br />
präsentiert: Da gibt es große und kleine Familien,<br />
laute und leise, reiche und arme,<br />
christliche und muslimische. Ein lockerer<br />
Seitenaufbau mit prägnanten Bildern und<br />
klaren Texten bietet viele Möglichkeiten,<br />
die eigene Familie wiederzufi nden oder<br />
Neues zu entdecken. Das schmökert sich<br />
ausgesprochen interessant und blickt dabei<br />
über den deutschen Tellerrand in eine multikulturelle<br />
Wirklichkeit hinaus. <br />
1. Christine Merz, Barbara Nascimbeni (Ill.): Wir haben dich immer lieb. Sauerländer, 32 S., 14,95 € (D) •<br />
15,40 € (A) • 24,90 sFr., ab 4<br />
2. Peter Carnavas: Die wichtigen Dinge. Boje, 32 S., 12,99 € (D) • 13,40 € (A) • 20,50 sFr., ab 4<br />
3. Kristin A. Sandberg, Philip Waechter (Ill.): Immer diese Weiber. Carlsen, 104 S., 9,95 € (D) • 10,30 € (A) •<br />
15,90 sFr., ab 11<br />
4. Juma Kliebenstein, Alexander Bux (Ill.): Speed-Dating mit Papa. Oetinger, 160 S., 12,– € (D) • 12,40 € (A) •<br />
18,90 sFr., ab 10<br />
5. Ute Krause: Wann gehen die wieder? Berlin Verlag, 32 S., 13,90 € (D) • 14,30 € (A) • 21,90 sFr., ab 4<br />
© Barbara Nascimbeni<br />
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Lesestoff Kinder- und Jugendbuch<br />
AB 4 BILDERBUCH<br />
Sehnsüchtig warten<br />
Nadine Brun-Cosme braucht nur wenige<br />
Worte, um zu erzählen, wie<br />
eines Tages der kleine Wolf über die<br />
Hügel kam und sich unter den<br />
Baum des großen Wolfs gesetzt<br />
hat. Wie er wieder verschwunden<br />
ist, wie der große Wolf lange gewartet und<br />
sich riesig gefreut hat, als der kleine Wolf zurückkam.<br />
Kurze prägnante Sätze, die ebenso viel<br />
über Gefühle aussagen wie Oliver Tallecs farbintensive<br />
Bilder mit pastosem Strich: Die Kinder<br />
spüren sofort, was in den Tieren vor sich geht.<br />
Das sehnsüchtige Warten auf einen, den man<br />
zum Freund gewinnen möchte, ist Kindern nur<br />
allzu bekannt – ein Buch, das beim Betrachten zu<br />
Gesprächen über Emotionen führt.<br />
^ Nadine Brun-Cosme, Oliver Tallec: „Großer Wolf<br />
& kleiner Wolf. Vom Glück, zu zweit zu sein“. Gerstenberg,<br />
32 S., 12,95 € (D) • 13,40 € (A) • 19,90 sFr.<br />
AB 4 MÄRCHEN<br />
Teilen lernen<br />
Alles will der große Gungatz für sich allein, selbst<br />
den Teich des Entchens. Von den Dienern verjagt,<br />
will das mutige Entchen den Gungatz empört zur<br />
Rede stellen, und auf dem Weg dorthin begleiten<br />
es ein Fuchs, ein Bach und eine Leiter, die<br />
ihm beistehen – und den Gungatz verjagen. Wiederkehrende<br />
Reime treiben die Handlung des<br />
französischen Märchens dramatisch voran, in mit<br />
Collagen und Übermalungen arbeitenden Zeichnungen<br />
karikiert Alicia Sancha farbprächtig Boshaftigkeit<br />
wie Unerschrockenheit. Bis am Ende<br />
das Entchen in der Sommerhitze dem Gungatz<br />
ein Bad im Teich erlaubt: „Er ist groß<br />
genug für dich und mich.“<br />
^ Käthe Recheis, Georg Bydlinski,<br />
Alicia Sancha: „Das Entchen und der<br />
große Gungatz“. Dom, 48 S.,<br />
14,90 € (D / A) • 27,30 sFr.<br />
AB 5 BALLADE<br />
Rhythmus, wo man mitmuss<br />
Das hat sich schon lange keiner mehr getraut:<br />
eine Erzählung in Balladenform zu schreiben. Die<br />
Rhythmen der Verse entwickeln eine eigene Dynamik,<br />
ziehen den Leser in die Geschichte zweier<br />
Jungen: Von Tieren und drei Hexen genau be-<br />
© panthermedia<br />
TEXT: STEFAN HAUCK, VERENA HOENIG<br />
Schmöker-<br />
Stunden<br />
Manche Geschichten<br />
sind so spannend, dass man<br />
gar nicht mehr aufhören<br />
möchte. Zehn Lesetipps<br />
für freie Minuten.<br />
obachtet, wird der eine von einer Elfe zum Träumen<br />
verleitet, während sein Bruder weiterzieht.<br />
Die poetischen Reime, die Loschütz wie ein Hörspiel<br />
arrangiert, eignen sich wunderbar zum Vorlesen<br />
– am besten spricht der Erzähler mit mehreren<br />
Stimmen. Nur zum Schauen wünschte man<br />
sich von Philipp Waechters<br />
zartfühlenden Illustrationen<br />
noch viel, viel mehr.<br />
^ Gert Loschütz, Philipp<br />
Waechter: „Auf der Birnbaumwiese“.<br />
Schöffl ing, 80 S., 14,95 €<br />
(D) • 15,40 € (A) • 23,50 sFr.<br />
AB 9 COMIC<br />
Hinreißende Erlebnisse<br />
Slapstick mit Tiefgang bieten die Lou-Bände des<br />
französischen Zeichners Julien Neel: Jede Seite<br />
erzählt in unterschiedlich großen, farbigen Panels<br />
eine mit einer Pointe endende Episode, sodass<br />
nach und nach die Geschichte entsteht. Bei<br />
„Sonnenschein & Rosenkohl“ erleben Lou, ihre<br />
Katze und die durchgeknallte Mama die Sommerferien<br />
bei der schrulligen Oma in der Provinz.<br />
Alltagsprobleme, Missverständnisse, Sehnsüchte<br />
werden mit leichtem Strich in Szene gesetzt,<br />
Situationskomik erzeugt beim<br />
Leser Lachen, aber auch<br />
Nachdenklichkeit. Denn:<br />
Viele der gezeigten Erfahrungen<br />
dürften den präpu-<br />
bertären Kindern ziemlich vertraut sein. Die teils<br />
kleine Schrift in den Sprechblasen garantiert,<br />
dass Erwachsene nicht ungehindert mitschmökern<br />
– obwohl auch sie jede Menge Spaß daran<br />
haben werden.<br />
^ Julien Neel: „Lou! Bd. 2: Sonnenschein & Rosenkohl“.<br />
Tokyopop, 48 S., 9,95 € (D) • 10,30 € (A) • 17,50 sFr.<br />
AB 10 GESCHICHTEN ZU FAKTEN j<br />
Stechmücken und Blutsauger<br />
Sein neuer Fall führt Privatdetektiv Frank Faust<br />
junior nach Rumänien, wo er einen Sarg ausgraben<br />
soll … Wird er darin tatsächlich Draculas<br />
Braut vorfi nden? Ingo Naujoks<br />
spricht den etwas trotteligen<br />
Faust so überzeugend,<br />
dass man aus dem Kichern<br />
nicht mehr herauskommt. Das<br />
Autorenduo Preger und Erdenberger<br />
spinnt aus Fakten mitreißende<br />
Kinderkrimis. Das Besondere: Die Wissenschaftler<br />
sprechen ihren Part an realen Orten jeweils<br />
selbst. So kommt neben anderen Constantin<br />
Balasceanu zu Wort, der nicht nur Professor in Bukarest<br />
ist, sondern auch ein Nachfahre von Vlad<br />
III. Draculea. Am Ende hat der Hörer auf höchst<br />
unterhaltsame Weise viel über die Hintergründe<br />
des Vampir-Aberglaubens erfahren.<br />
^ Ralph Erdenberger, Sven Preger: „Wahre<br />
Vampire“. Gelesen von Ingo Naujoks u. a.<br />
Aktive Musik, 12,95 € (D) • 13,10 € (A) • 19,90 sFr.<br />
88<br />
buchjournal 1/2011
AB 10 HÖRSPIEL j<br />
Regenwald zum Miterleben<br />
Theresia Singer hat von ihren<br />
Recherchen in Costa Rica Tonaufnahmen<br />
aus dem grünen Paradies<br />
mitgebracht: Man lauscht<br />
knackenden Baumriesen, Regentropfen,<br />
Vogelkreischen. Solche<br />
Höreindrücke lassen den fremden Lebensraum<br />
greifbar werden. Mitreißend erzählt Singer von<br />
ihren Erlebnissen im tropischen Regenwald, der<br />
als größte Apotheke der Welt gilt. Sie hat auch<br />
den österreichischen Musiker Michael Schnitzler<br />
besucht, der sich in Costa Rica dafür einsetzt,<br />
dass in einem Naturschutzgebiet der Regenwald<br />
gerettet und durch Wiederbewaldungsprojekte<br />
sogar vergrößert wird. Und am Ende weiß der<br />
Hörer, warum es im Regenwald selbst während<br />
der Trockenzeit reg<strong>net</strong>.<br />
^ Theresia Singer, Daniela Wakonigg: „Der Regenwald.<br />
Erforschung eines Paradieses“. Gelesen von<br />
Frauke Poolman u. a., Headroom, 12,90 € (D / A) •<br />
24,– sFr.<br />
AB 10 FANTASY j<br />
Junge ohne Vergangenheit<br />
Ein Junge, der keinen Schlaf<br />
braucht und alle Sprachen lesen<br />
kann, ein Wal mit U-Boot<br />
auf dem Rücken und ein<br />
Brief, der sich selbst verbrennt:<br />
Wer es geheimnisvoll<br />
mag und actiongeladene Handlungen liebt,<br />
ist mit dem Auftakt der Trilogie „Die Bücher von<br />
Umber“ bestens bedient. Da versuchen Lord Umber,<br />
ein einhändiges Mädchen und der starke<br />
Oakes, der immerzu die Wahrheit sagen muss,<br />
das Rätsel um Hap zu lösen: Der hat keine Erinnerung,<br />
wer er ist. „Ein-Mann-Orchester“ Rufus<br />
Beck gelingt es wieder, die Ohren seiner Zuhörer<br />
dauergespitzt zu halten.<br />
^ P. W. Catanese: „Die Bücher von Umber. Der<br />
gefundene Junge“. Gelesen von Rufus Beck,<br />
cbj audio, 4 CDs, 19,99 € (D / A) • 32,90 sFr.<br />
AB 12 MITMACH-KRIMI<br />
Mysteriöses Gift-Attentat<br />
Mit der Reihe „Bernstein Akte“ öff<strong>net</strong> sich für Krimifans<br />
ein neues Kapitel: Ein Aktenordner mit<br />
E-Mails, Aussageprotokollen, Notizen und Beweismaterial<br />
wie Kassenzettel lädt zum Lesen,<br />
Blättern und Kombinieren ein. Im „Fall Piranha“<br />
kümmern sich Technik-Freak Smut, Logikexper-<br />
buchjournal 1/2011 89<br />
tin Birke, Spurensucher Morten und Forensikprofessor<br />
Bernstein um ein rätselhaftes Gift-Attentat,<br />
das im Zoo-Aquarium auf Fische verübt worden<br />
ist. Wen das Detektivfi eber befallen hat, der<br />
kann sich am gleichzeitig erschienenen „Fall<br />
Picasso“ versuchen. Dort geht es um ein scheinbar<br />
wertloses Gemälde, das<br />
einem Museum abhandengekommen<br />
ist.<br />
^ Christian Tielmann: „Der<br />
Fall Piranha“. Meyers, 14,95 €<br />
(D) • 15,40 € (A) • 24.90 sFr.<br />
AB 14 SCHWANGERSCHAFT<br />
Alles muss einen Sinn haben<br />
Arztpraxen, Wohnzimmer, Bürgersteige in Paris,<br />
Supermärkte – Murail konzentriert sich auf wenige<br />
Drehorte, um ihren Roman mit Tempo voranzutreiben.<br />
Jawohl, Drehorte – denn Murails Bücher<br />
sind wie kleine Soaps angelegt, mit klaren<br />
Strukturen, fl ießenden Dialogen, Zoom. Die<br />
Hauptpersonen: eine ichbezogene 17-Jährige, ein<br />
arbeitsmüder Arzt-Vater mit unbeschwert jungem<br />
Kollegen, eine gute Freundin, alle von großer<br />
Unsicherheit getragen. Mit leichter Hand packt<br />
Murail das schwierige Thema Schwangerschaft<br />
an, zeigt, wie der Alltag zunehmend<br />
kippt – ein All-Age-Buch<br />
mit unterhaltsamen Einsichten.<br />
^ Marie-Aude Murail: „So oder so<br />
ist das Leben“. Fischer Schatzinsel,<br />
256 S., 13,95 € (D) • 14,40 € (A) •<br />
21,90 sFr.<br />
AB 14 ALLTAG IN DER DIKTATUR<br />
Von der Realität geschlagen<br />
Erst geht der Vater in den Westen, dann die Mutter,<br />
und es braucht seine Zeit, bis Agnes im siebenbürgischen<br />
Rumänien kapiert, dass sie nun<br />
allein zurechtkommen muss. Karin Bruder versteht<br />
es, das Leben unter Ceaușescu bis zur Revolution<br />
1989 eindringlich zu schildern. Mangelwirtschaft,<br />
Tauschhandel, die allmächtige Securitate<br />
– vor diesem Hintergrund durchlebt Agnes<br />
die Pubertät, verliebt sich in einen Studenten, der<br />
heimlich Flugblätter druckt und verhaftet wird.<br />
Bruder erzählt nüchtern, realitätshart, zeigt, wie<br />
sich Agnes Gefühle erobern muss, weil Vertrauen<br />
für sie fremd geworden ist. Ein starker Roman,<br />
der durch die Wucht der<br />
Wirklichkeit fesselt.<br />
^ Karin Bruder: „Zusammen<br />
allein“. dtv, 272 S., 12,95 € (D) •<br />
13,40 € (A) • 19,90 sFr.<br />
Was wäre,<br />
wenn du in der<br />
Tiefsee leben<br />
könntest?<br />
www.rufdertiefe.de<br />
Was wäre,<br />
wenn du Wasser<br />
wie Sauerstoff<br />
atmen könntest?<br />
Was wäre,<br />
wenn du dort unten<br />
eine gigantische<br />
Katastrophe entdecken<br />
würdest?<br />
Finde es heraus.<br />
416 S., gebunden, a 16,95. ISBN 978-3-407-81082-3
KINDER- UND JUGENDBUCH_SACHWISSEN<br />
Von Backpulver-Vulkanen bis zur<br />
Radioaktivität: Neue Sachbücher<br />
machen den Nachwuchs mit<br />
Wissen fi t.<br />
Einblicke in<br />
die Welt<br />
TEXT: STEFAN HAUCK<br />
D as<br />
Leben auf einem Bauernhof mit vielen<br />
Tieren interessiert fast jedes Kind,<br />
entsprechende Bücher sind beliebt. Aber<br />
was passiert dort eigentlich in der Nacht?<br />
Ein Pappband aus der Reihe „Licht an!“ erzählt,<br />
was die Tiere machen, wenn die Menschen<br />
schlafen gehen. Da kommt der Igel aus<br />
seinem Versteck, ein Kälbchen wird geboren,<br />
Ferkel liegen unter der Wärmelampe<br />
und im Stall sind die Hühner in Sicherheit<br />
vor dem streunenden Fuchs. Mit einem weißen<br />
Pappekegel können sich die Betrachter<br />
auf Überraschungsfolien dann selbst auf<br />
Entdeckungstour begeben.<br />
Ein altes Bauernhaus steht auch im Mittelpunkt<br />
des neuen Buchs von Sprachspieler<br />
Lewis und Bilderzauberer Innocenti, die vor<br />
acht Jahren mit „Hotel zur Sehnsucht“ ein<br />
wunderbares kulturgeschichtliches Puzzle<br />
mit Zitaten aus Literatur und Film geschaffen<br />
haben. In „Ein Haus erzählt“ (Sauerländer,<br />
ab 6) erleben wir in großformatigen, detailreichen<br />
Bildern die Geschichte eines 1656<br />
erbauten italienischen Bauernhauses. Im<br />
Lauf der Jahrhunderte erfährt es Sommer<br />
und Winter, Freud und Leid, Armut und<br />
Reichtum, Pest und Faschismus, Krieg und<br />
Frieden, Landfl ucht und beginnenden Zerfall,<br />
Wiederinstandsetzung durch wohlhabende<br />
Städter. Innocenti bietet eine grandiose<br />
Zeitreise in Bildern, die allerdings eines<br />
historischen Wissens bedürfen. Am besten<br />
lässt sich das Bilderbuch mit Erwachsenen<br />
gemeinsam betrachten, denn beim Schauen<br />
und Blättern entstehen Entdeckungen und<br />
Nachfragen. Neben den einleitenden Versen<br />
kann sich der Vorleser einbringen – und wer<br />
könnte das hier besser als Großeltern mit ihren<br />
Erinnerungen an früher? –, kann mit<br />
dem Kind gemeinsam den Personen und<br />
Handlungen nachspüren und sich Gedanken<br />
machen. Nur so erschließt sich die Vielschichtigkeit<br />
der Bilder.<br />
Gemälde sind auch das Thema von „Natur<br />
pur“ (Horncastle, ab 10). Mona Horncastle<br />
hat sich mit Fünftklässlern jede Menge Gedanken<br />
zu Landschaftsbildern von Dürer bis<br />
Lesezeichen<br />
1. Licht an! Nachts auf dem Bauernhof. Meyers,<br />
24 S., 8,95 € (D) • 9,20 € (A) • 15,90 sFr., ab 4<br />
2. Maja Nielsen: Marie Curie. Die Entdeckung der<br />
Radioaktivität. Gerstenberg, 64 S., 12,90 € (D) •<br />
13,30 € (A) • 22,50 sFr., ab 11<br />
3. Karin Feuerstein-Praßer, Karin Schneider-Ferber:<br />
Da hielt die Welt den Atem an. Ravensburger, 192 S.,<br />
22,95 € (D) • 23,60 € (A) • 36,90 sFr., ab 13<br />
90<br />
© ullstein bild - Reuters<br />
© Alex Kraus<br />
Brisante Themen<br />
im Fokus: Das<br />
Sachbuch „Da hielt<br />
die Welt den Atem an“<br />
behandelt auch die<br />
Attentate vom<br />
11. September 2001<br />
Magritte gemacht. Sie berichtet locker über<br />
das, was man auf den Bildern sieht, und verbindet<br />
sie mit kreativen Aufträgen an die<br />
Leser. So lässt sie zu Turners Dampfer K<strong>net</strong>boote<br />
schwimmen, zu Cézannes Bergen<br />
Backpulvervulkane speien und zu van Goghs<br />
Sternennacht Luftwirbel entstehen.<br />
„Forscher aufgepasst!“ heißt ihr Appell,<br />
der auch für Maja Nielsens Buch über Marie<br />
Curie gilt. Leicht verständlich bereitet Nielsen<br />
einen schwierigen Stoff auf: Anhand der<br />
packend erzählten Lebensgeschichte von<br />
Curie, der einzigen Frau mit zwei Nobelpreisen,<br />
zeigt sie die Entdeckung der Radioaktivität,<br />
die Fluch und Segen gleichermaßen<br />
nach sich zieht. Selbst wer mit Chemie und<br />
Physik nichts am Hut hat, wird nach der<br />
Lektüre ein kleiner Experte sein.<br />
Die Erkenntnisse der rastlosen Forscherin<br />
wurde in Kriegen aber auch unheilvoll eingesetzt:<br />
„Da hielt die Welt den Atem an“ berichtet<br />
von gewaltsamen Auseinandersetzungen,<br />
vom Kalten Krieg, dem Völkermord<br />
in Ruanda, dem 11. September oder der problematischen<br />
Situation in Afghanistan. Das<br />
Buch erklärt 13 weltgeschichtliche Entwicklungen<br />
seit 1945 und informiert über die<br />
Hintergründe, unterstützt durch zahlreiche<br />
Fotos und Stichwortkästen. Die Lektüre jener<br />
politischen Brennpunkte ist kein Spaziergang<br />
– aber die nüchterne Kenntnis der<br />
Realität ist entscheidend, um sich ein eigenes<br />
Urteil bilden zu können. <br />
buchjournal 1/2011
AnyBook DRP-4000D<br />
GESCHICHTEN<br />
ERZÄHLER<br />
Kinder sollten Märchen und Geschichten zusammen mit ihren<br />
Eltern oder Großeltern erleben. Manchmal fehlt aber die Zeit,<br />
den Kleinen vorzulesen.<br />
Mit dem AnyBook nehmen Eltern und Großeltern Bücher auf.<br />
Die Kinder können dann selbstständig, mit der vertrauten Stimme<br />
der Erwachsenen, die Geschichten weiter erleben. Um dabei<br />
immer auf der richtigen Seite zu sein, werden ablösbare<br />
Sticker in das Buch geklebt. Das AnyBook scannt die Sticker<br />
und weiß genau, welcher Abschnitt gerade gelesen werden<br />
soll. Dadurch funktioniert das AnyBook wirklich mit jedem<br />
Buch. Kinder lernen schneller den Umgang mit dem Medium<br />
Buch, sie können entweder nur zuhören oder auch mitlesen.<br />
Und das so oft sie wollen.<br />
Das AnyBook gibt es in zwei Varianten:<br />
mit 15 oder mit 60 Stunden Aufnahme- und Wiedergabekapazität.<br />
www.franklin.com/de/anybook<br />
Achten Sie auf die<br />
Produktvorführung bei<br />
Ihrem Buchhändler!<br />
In jeder Sprache zu Hause
JUGENDBUCH_INTERVIEW<br />
Sie ist witzig, sie schreibt gern über die Liebe – und sie mag die Abwechslung: Mal<br />
sind Kerstin Giers Bücher für erwachsene, dann wieder für jüngere Leser. Jetzt ist<br />
mit „Smaragdgrün“ der dritte Band ihrer Edelstein-Trilogie erschienen.<br />
„Oft schreibe<br />
ich fieberhaft<br />
Tag und Nacht“<br />
INTERVIEW: MEIKE DANNENBERG<br />
K erstin<br />
Gier blickt von ihrer Schreibstube<br />
auf ihr Heimatdorf, in dem etwa<br />
so viele Kühe, Schafe und Pferde leben wie<br />
Menschen. Weiden säumen die Straße, die<br />
zu dem weißen Einfamilienhaus mit dem<br />
idyllischen Garten führt. Hier lebt sie mit<br />
ihrem zehnjährigen Sohn und ihrem<br />
Mann. Die Autorin ist Vielschreiberin: Sie<br />
hat seit ihrem ersten Roman von 1996,<br />
„Männer und andere Katastrophen“, über<br />
30 Bücher veröffentlicht, etliche davon unter<br />
Pseudonym. Mit ihrer humorvollen<br />
Frauenliteratur hat sie sich eine umfangreiche<br />
Fangemeinde erschrieben, und mit<br />
ihrer Edelstein-Trilogie um die Zeitreisende<br />
Gwendolyn begeistert sie viele junge Leser.<br />
Nach „Rubinrot“ und „Saphirblau“ ist<br />
jetzt deren dritter Band erschienen: „Smaragdgrün“,<br />
der sofort auf Platz 1 der Bestsellerlisten<br />
einstieg. Das Buchjournal<br />
sprach mit Kerstin Gier über ihre Bücher<br />
und ihre Lust am Schreiben.<br />
Frau Gier, Sie haben vor der Edelstein-Trilogie<br />
schon viele erfolgreiche Frauenromane verfasst.<br />
Fühlt es sich trotzdem an wie ein Durchbruch,<br />
dass alle drei Titel Ihrer Trilogie gleichzeitig auf<br />
der Bestsellerliste waren?<br />
Eigentlich nicht. Mit den Taschenbuchauflagen<br />
habe ich bisher sehr viel<br />
mehr Leser erreicht, ich glaube fast drei<br />
Millionen, und vorletztes Jahr hat „In<br />
Wahrheit wird viel mehr gelogen“ es auch<br />
schon auf Platz elf der Bestsellerliste ge-<br />
© Olivier Favre<br />
schafft. Von den Jugendbüchern wurden<br />
weniger verkauft – aber Platz eins war natürlich<br />
... ziemlich toll!<br />
Wie kamen Sie auf die Idee mit den Zeitreisen<br />
in der Edelstein-Trilogie?<br />
Die ursprüngliche Idee kam von meinem<br />
Verleger Albrecht Oldenbourg. Man sollte<br />
mal eine Persiflage über Zeitreisen schreiben,<br />
sagte er. Wir haben das dann wie ein<br />
Aufsatzthema in Erwägung gezogen. Aber<br />
Persiflagen schreibe ich nicht, sondern es<br />
sollte eine romantische Liebeskomödie<br />
sein. Und beim Planen der Geschichte habe<br />
ich völlig verdrängt, dass die Idee „Zeitreise“<br />
eigentlich von Herrn Oldenbourg war.<br />
Sie haben sich auf dem ausgebauten Dachboden<br />
Ihres Hauses eine Schreibstube eingerichtet.<br />
Entstehen dort die Romane?<br />
Der Raum unter dem Giebel ist sehr schön<br />
geworden – nichts für Leute über 1,70 Meter,<br />
aber für mich ideal. Dort schreibe ich die<br />
Bücher, mit Bergen von Notizbüchern und<br />
bisher erstaunlich wenig Kleinkram, gebastelten<br />
Figuren oder Mut machenden Sinn-<br />
Unbedingt Grün – Farben haben es Kerstin Gier angetan. Und<br />
das Schreiben – mindestens ein Buch pro Jahr muss sein<br />
»Meine Geschichte<br />
über Zeitreisen<br />
sollte eine<br />
Liebeskomödie sein«<br />
sprüchen an der Wand. Das ist alles im Arbeitszimmer<br />
geblieben, dort mache ich jetzt<br />
nur noch Inter<strong>net</strong>recherchen. Und Steuerkram.<br />
Dafür braucht man definitiv auch Beschützerfiguren.<br />
Wann schreiben Sie?<br />
Eigentlich morgens, wenn mein Sohn in<br />
der Schule ist. Aber es läuft doch oft auf ein<br />
fieberhaftes Tag-und-Nacht-Schreiben hinaus<br />
– sehr ungesund und wenig kompatibel<br />
mit einem Familienleben.<br />
Sind Sie also eine manische Vielschreiberin?<br />
Ich versuche viel zu planen, auch Raum<br />
für Privates und Erholung. Wenn ich mei-<br />
92<br />
buchjournal 1/2011
Zur Person<br />
Kerstin Gier, geboren 1966, wollte immer schon<br />
Schriftstellerin werden. Mit 28 begann sie, diesen<br />
Plan in die Tat umzusetzen. Seitdem hat sie<br />
sehr erfolgreich mehr als 30 humorvolle Frauenbücher<br />
veröffentlicht, „Männer und andere Katastrophen“<br />
wurde mit Heike Makatsch verfi lmt.<br />
Auch ihre Jugendbücher sind sehr erfolgreich,<br />
zuletzt „Smaragdgrün“, der dritte Teil ihrer<br />
Edelstein-Trilogie. Kerstin Gier lebt mit Mann,<br />
Sohn und Katze in einem kleinen Dorf<br />
im Bergischen Land.<br />
nen Zeitplan im Beruf nicht einhalte, geht<br />
das immer zulasten des Privaten, und das<br />
ist sehr schade. Einen Roman im Jahr zu<br />
schreiben, dazu noch Lesereisen – das kann<br />
man auch schaffen, ohne ein manischer<br />
Vielschreiber oder Workaholic zu sein.<br />
Theoretisch – aber dann kommt es doch<br />
eben oft wieder anders.<br />
Kommen Sie mit Ihren jungen Fans in Kontakt?<br />
Oh ja. Auf Lesungen, und dann sind es leider<br />
auch seeehr viele auf einmal. Das klingt<br />
jetzt gemein, so meine ich das auch nicht.<br />
Aber ich war geblendet wie ein Kaninchen<br />
von den Blitzen der Fotoapparate und ich<br />
möchte nicht wissen, was für gruselige Bilder<br />
jetzt von mir bei Facebook kursieren.<br />
Außerdem, wenn sie sich anstellen, um zu<br />
signieren, dann sind sie ganz schüchtern<br />
und nuscheln so, dass ist sehr niedlich, aber<br />
wenn ich zum fünften Mal einen Namen<br />
nicht verstehe, ist mir das schon peinlich.<br />
Und sie haben teilweise so fantasievolle Namen,<br />
Korintiana oder Liabella! (lacht) Ich<br />
bekomme auch ganz viele Bilder und selbst<br />
geschriebene Geschichten und rund 80 E-<br />
Mails am Tag. Die kann ich kaum noch alle<br />
beantworten. Aber ich fi nde, wer sich so viel<br />
Mühe macht und etwas malt oder schreibt,<br />
der soll auch eine Antwort bekommen. Inzwischen<br />
gibt es zudem eine Website zur<br />
Edelstein-Trilogie, die von zwei ganz zauberhaften<br />
Studentinnen aufgebaut wurde,<br />
und hier gibt es dann auch Informationen.<br />
Was wollen die Fans von Ihnen wissen?<br />
Meist ist es das Gleiche: Ob es einen<br />
vierten Band gibt und ob sie im Film Gwendolyn<br />
spielen dürfen! Da muss ich leider zu<br />
beidem Nein sagen. Es gibt keinen vierten<br />
Band und auf die Auswahl der Gwendolyn<br />
habe ich keinen Einfl uss!<br />
buchjournal 1/2011 93<br />
Wie geht es mit den Plänen zur Verfi lmung der<br />
Trilogie voran? Die Rechte sind ja längst verkauft.<br />
Die Mühlen im Filmgeschäft mahlen<br />
langsam ... die ersten Drehbuchfassungen<br />
sind fertig, aber wie weit die anderen Planungen<br />
gediehen sind, weiß ich nicht. Da<br />
habe ich keinerlei Mitspracherecht und<br />
freue mich schon über jede Information.<br />
Die Umsetzung liegt ganz in den Händen<br />
der Filmcrew.<br />
Planen Sie schon das nächste Buch?<br />
Zurzeit arbeite ich an einer Komödie für<br />
Erwachsene, die sich mit der großen Frage<br />
nach der perfekten Beziehung beschäftigt.<br />
Sie wird auch ein winzig kleines magisches<br />
Element erhalten. Und anschließend würde<br />
ich gern ein neues Jugendbuchprojekt<br />
angehen.<br />
Planen Sie die Bücher ganz durch? War Ihnen<br />
zum Beispiel das überraschende Ende Ihrer Trilogie,<br />
der Clou, den ich hier natürlich nicht verraten<br />
möchte, von Anfang an klar?<br />
Sie meinen, dass Gwendolyn ... ist? Das<br />
stand von Anfang an fest, allerdings<br />
wusste ich noch nicht genau, wie ich es<br />
lösen würde. Und beim Schreiben von<br />
„Smaragdgrün“ gab es für mich selber<br />
auch noch einige Überraschungen, die zu<br />
Änderungen geführt haben.<br />
Setzt Sie der Erfolg bei der Ideenfi ndung unter<br />
Druck oder ist es eher ein Ansporn, dass die<br />
Menschen Ihre Werke so gern lesen?<br />
Beim Ausdenken der Geschichte denke<br />
ich noch gar nicht an den Leser, das kommt<br />
erst beim Schreiben. Aber klar! Es ist auf<br />
jeden Fall ein Ansporn, zu wissen, dass<br />
viele Menschen das Buch lesen werden. <br />
Lesezeichen<br />
j<br />
Kerstin Gier: Smaragdgrün. Arena, 496 S.,<br />
18,95 € (D) • 19,50 € (A) • 29,50 sFr.<br />
Kerstin Gier: Smaragdgrün. Gelesen von Josefi ne Preuß.<br />
Arena, 6 CDs, 22,99 € (D) • 23,20 € (A) • 34,90 sFr.<br />
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15-Punkte-<br />
Reihe:<br />
Basiswissen fürs Abi<br />
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Das Abi-Wissen im Griff:<br />
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LERNHILFEN<br />
Am besten lernen Kinder, wenn der Spaßfaktor stimmt: Spiele, Rätselblöcke,<br />
Lesestift – wir haben für Sie ein paar frische Ideen für Vor- und Grundschüler.<br />
Spielerisch<br />
durchs ABC<br />
TEXT: KATHARINA HORST<br />
B evor<br />
Kinder eingeschult werden, haben<br />
sie in der Regel bereits Formen,<br />
Farben, Zahlen und erste Buchstaben kennengelernt.<br />
Viele fi nden sich im Straßenverkehr<br />
zurecht und manche können sogar<br />
schon die Uhr lesen. Bücher, Spiele und Vorschulblöcke<br />
sind beliebte Hilfsmittel, um<br />
Kindern Wissen zu vermitteln, doch spielerisches<br />
Lernen kann auch anders gehen: mit<br />
dem Tiptoi, einem neuen elektronischen<br />
Lesestift aus dem Hause Ravensburger.<br />
Tippt der Stift auf ein Bild oder einen<br />
Text, erklingen Geräusche, Sprache oder<br />
Musik. Der besondere Clou: Die codierten<br />
Flächen sind gleich mehrfach belegt. So<br />
spielt der Stift bei der zweiten Berührung<br />
oftmals eine andere Sounddatei ab als beim<br />
ersten Mal. Damit soll der Entdeckergeist<br />
der Kinder geweckt werden. Bislang sind<br />
zehn Titel lieferbar: vier Bücher aus der<br />
Reihe „Wieso? Weshalb? Warum?“, fünf<br />
Lernspiele und ein Globus-Puzzleball. Bei<br />
den Lernspielen übernimmt der Stift zugleich<br />
die Rolle des Spielleiters. Er gibt Anweisungen,<br />
zählt die Punkte der Spieler<br />
und merkt auch, wenn ein Kind zum Beispiel<br />
beim Rechnen etwas schwächer ist –<br />
dann bekommt es beim nächsten Mal einfach<br />
eine etwas leichtere Aufgabe.<br />
Am besten lernen Kinder, wenn der Spaßfaktor<br />
stimmt – zum Beispiel mit den „Spiel<br />
dich schlau!“-Spielen, die Duden und Haba<br />
gemeinsam entwickelt haben. Mit Würfel,<br />
Spielfi gur und Legeplättchen werden auf<br />
dem Spielfeld fast nebenbei Formen gelegt,<br />
Buchstaben erkannt. Wer schon lesen kann<br />
und mehr über die Welt lernen möchte, öff<strong>net</strong><br />
die Brainbox aus dem Moses Verlag, die<br />
Wissen als Gedächtnisquiz aufbereitet.<br />
Auch die „Snäp“-Kombinationsspiele,<br />
ebenfalls von Moses, vermitteln Grundrechenarten<br />
und Sachthemen.<br />
Eine solide Vorbereitung auf den Schulstart<br />
bieten bewährte Reihen wie „Jetzt lerne<br />
ich …“ (Duden), „Die kleinen Lerndrachen“<br />
(Klett) oder „Der kleine Lernzauberer“ (Ravensburger).<br />
Für die notwendige Portion<br />
Spaß bei der Vorbereitung auf den Ernst des<br />
Lebens sorgen die Duden Vorschulblöcke,<br />
die es unter anderem zum Thema Konzentration<br />
gibt. Peppig gemacht sind auch die<br />
Ravensburger-Blöcke „Auf die Plätze ...<br />
Schulanfang!“ und „Ri-Ra-Rätselspaß für<br />
Lesezeichen<br />
Soll den kindlichen Entdeckergeist wecken: der elektronische Lesestift Tiptoi<br />
die Vorschule“, mit Mini-Sudoku, Fehlersuchbildern<br />
und Reimpaar-Suchspielen.<br />
Der spielerische Umgang mit Sprache<br />
lässt sich auch schon bei den Kleinsten fördern<br />
– etwa mit dem neuen „Wimmel-Wörterbuch“<br />
von Duden für Kinder ab drei. Eine<br />
raffi nierte Gucklochtechnik hilft, den Wortschatz<br />
zu erweitern. Kinder mit Migrationshintergrund,<br />
die ihre Sprachkompetenz<br />
verbessern sollten, seien mehrsprachige Bücher<br />
empfohlen, etwa die Geschichte „Der<br />
Farbenverdreher“ (Edition bi:libri), die in<br />
sieben verschiedenen Sprachen zu haben ist<br />
– Hör-CD für die Aussprache inklusive. <br />
1. Tiptoi: Puzzeln, Entdecken, Erleben – Die Ritterburg. Ravensburger, 11,99 € (D / A) • 19,90 sFr.<br />
2. Spiel dich schlau! Das große Abc-Spiel. Duden, Haba. 19,95 € (D / A) • 34,50 sFr.<br />
3. Brainbox Deutschland. Moses, 14,95 €<br />
4. Ulrike Rylance, Jessica Störmer: Der Farbenverdreher. Edition bi:libri, 32 S., 15,95 € (D) • 16,40 € (D) • 24,70 sFr.<br />
94<br />
buchjournal 1/2011<br />
© Ravensburger
SCHREIBWETTBEWERB 2011<br />
Sie schreiben gern und haben tolle, ungewöhnliche Ideen? Dann<br />
schicken Sie uns eine Kurzgeschichte. Einzige Voraussetzung ist:<br />
Sehen Sie rot!<br />
M öglicherweise<br />
fließt Blut. Weil Sie die<br />
Idee zu einem schrägen Krimi haben,<br />
in dem nicht nur Ihr Goldfisch eine<br />
zentrale Rolle spielt. Oder Sie erfinden das<br />
Vampirgenre neu. Vielleicht sehen Sie aber<br />
auch in anderer Hinsicht rot und Sie bringen<br />
Wut, Hass und Rache zu Papier. Oder<br />
Sie gehen es gefühlvoll an und sehen Rot als<br />
die Farbe der Liebe. Beim Buchjournal-<br />
Schreibwettbewerb 2011 ist Ihrer Fantasie<br />
nur eine Grenze gesetzt: Lassen Sie sich vom<br />
Thema „Rot“ inspirieren. Und dann legen<br />
Sie los: dramatisch, witzig, leidenschaftlich,<br />
wütend – wie immer Sie mögen. Beurteilt<br />
werden Ihre Geschichten von einer Jury,<br />
zu der neben den Buchjournal-Redakteuren<br />
unter anderen Cordelia Borchardt, Lektorin<br />
beim S. Fischer Verlag, und Ines Thorn, Autorin<br />
historischer Romane, gehören.<br />
Für den Sieger oder die Siegerin gibt es einen<br />
BücherScheck über 250 Euro – und die<br />
Geschichte wird im Oktoberheft des Buchjournals<br />
veröffentlicht. An den Zweit- und<br />
Drittplatzierten gehen BücherSchecks über<br />
150 Euro. Weitere 17 von unserer Jury Ausgewählte<br />
erhalten einen BücherScheck über<br />
buchjournal 1/2011 95<br />
50 Euro. Die 20 besten Geschichten werden<br />
ab 12. September unter www.buchjournal.de<br />
zu lesen sein – ebenso die beste Geschichte<br />
junger Autoren.<br />
Mit dem Sonderpreis für Kinder und Jugendliche<br />
sind insbesondere auch junge<br />
Autorinnen und Autoren eingeladen, sich<br />
am Wettbewerb zu beteiligen. Wir freuen<br />
uns, wenn Ihr eine spannende, fantastische<br />
oder abgedrehte Geschichte zum Thema<br />
„Rot“ einreicht! Bitte gebt in Eurer E-Mail<br />
Euer Alter an, damit wir wissen, dass Ihr<br />
Euch für diesen Sonderpreis bewerbt. <br />
Info<br />
© doga yusuf dokdok / istockphoto<br />
Bitte nehmen Sie<br />
Platz – und lassen<br />
Sie Ihren Fantasien<br />
freien Lauf. Thema<br />
des Buchjournal-<br />
Schreibwettbewerbs<br />
2011 ist „Rot“<br />
Schreiben Sie Ihre Buchjournal-Kurzgeschichte<br />
zum Thema „Rot“. Der<br />
Prosa-Beitrag darf maximal 10 000 Zeichen<br />
umfassen (inklusive Leerzeichen)<br />
und muss bislang unveröffentlicht und<br />
frei von Rechten Dritter sein. Einsendungen<br />
– bitte nur per E-Mail – unter<br />
schreibwettbewerb@buchjournal.de.<br />
Einsendeschluss: 31. Mai 2011.<br />
Weniger Fehler.<br />
Bessere Noten.<br />
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des Lernerfolgs<br />
Gibt es für die Fächer Deutsch,<br />
Englisch und Mathematik<br />
Schroedel. Gut gemacht.
© Manuel Andrack<br />
Bücherköpfe<br />
Manuel Andrack<br />
13 Jahre lang war er Redaktionsleiter bei Harald<br />
Schmidt, acht Jahre mit ihm auf der Bühne – als<br />
Gesprächspartner, nicht selten auch als Punchingball.<br />
Vielleicht auch deshalb zog es den bekennenden<br />
Fußball- und Bierfan oft in die freie Natur:<br />
zum Durchatmen, Abschalten und zum Wiederaufbau<br />
der verletzten Seele. Als Manuel<br />
Andrack 2008 seinen Job bei Harald Schmidt aufgab,<br />
begann er Kolumnen, Reportagen und Bücher<br />
zu schreiben, und jetzt ist ein neuer Titel<br />
über seine Lust am mehr oder weniger sportlichen<br />
Gehen erschienen: „Das neue Wandern“<br />
(Berliner Taschenbuch Verlag) lädt Anfänger wie<br />
auch Fortgeschrittene ein, sich selbst auf die Socken<br />
zu machen. Mal kürzer, mal länger, wie es<br />
beliebt, aber immer auf der Suche nach der perfekten<br />
Wanderung, wobei der Experte verspricht,<br />
den rechten Weg zu weisen. Das ist gesund und<br />
steht, Andrack sei Dank, längst nicht mehr unter<br />
Spießerverdacht. <br />
Er kennt den Weg: Manuel Andrack gibt Tipps für<br />
die perfekte Wanderung<br />
Bertina Henrichs<br />
Die Wahl-Pariserin hat erlebt, wovon jede Autorin,<br />
jeder Autor träumen dürfte – ihr erster Roman,<br />
„Die Schachspielerin“, war ein Überraschungserfolg:<br />
Bestseller in Deutschland und Frankreich,<br />
Corine-Buchpreis für das<br />
beste Debüt, und das<br />
Buch wurde verfi lmt: 2010<br />
kam „Die Schachspielerin“<br />
in die Kinos. Und natürlich<br />
schreibt Bertina Henrichs<br />
weiter. 2009 erschien ihr<br />
zweiter Roman „That’s all<br />
right, Mama“, jetzt gibt es<br />
wieder Nachschlag: „Ein<br />
Garten am Meer“ (Hoff- Traumstart:<br />
mann und Campe). Bertina Henrichs<br />
© Ulf Andersen / laif<br />
© Thomas Morice / ZDF<br />
Marietta Slomka<br />
Eine perfekte Erscheinung im ZDF-<br />
Studio – so kennen viele Zuschauer<br />
die „heute journal“-Moderatorin Marietta<br />
Slomka. Die Journalistin sitzt<br />
aber nicht nur vor der Kamera und<br />
übermittelt die Nachrichten, die ihre<br />
Kollegen aus aller Welt zusammentragen.<br />
Sie ist auch selbst unterwegs,<br />
voriges Jahr auf dem schwarzen Kontinent,<br />
Anlass war die Fußball-WM 2010. Sie<br />
hat mit ihrem Team die ZDF-Dokumentation<br />
„Afrikas Schätze“ gedreht, um den Zuschauern<br />
neben den vielen Bildern, die es zu den<br />
Sportereignissen gab, auch Eindrücke des<br />
Kontinents jenseits der Stadien zu vermitteln.<br />
Über diese Reise, die sie durch mehrere Länder<br />
führte, über die Begegnungen mit vielen<br />
Christoph Maria Herbst<br />
TV-Ekel Stromberg ist seine Paraderolle, und als er<br />
das Angebot bekam, den Sascha Hehn der so<br />
ganz anders gelagerten ZDF-Serie „Traumschiff“<br />
zu geben, lehnte er dann auch entschieden ab.<br />
Als er aber hörte, was er verpassen würde – „die<br />
Reise geht die komplette südamerikanische<br />
Westküste entlang mit Panama, Costa Rica, Ecuador,<br />
Peru und Chile und von da fl iegen die in die<br />
Südsee nach Bora Bora“ – gab Christoph Maria<br />
Herbst nach. Und war erst einmal begeistert (oder<br />
tat zumindest so): „Das Traumschiff ist neben der<br />
‚Sendung mit der Maus‘ und dem Leopard-Panzer<br />
der größte deutsche Exportschlager. Ein Dampfer<br />
von Weltruf. Und ich fahre mit. Det is’n Kracha!“<br />
Die Ernüchterung kam dann aber erwartungsgemäß<br />
bald: „Mit schwerer Breitseite hatte ich Text<br />
© picture-alliance / dpa<br />
Menschen und ihre Eindrücke hat sie<br />
auch geschrieben: „Mein afrikanisches<br />
Tagebuch“. Wenn sie jetzt<br />
von diesen Erfahrungen in Afrika erzählt<br />
und zugleich über die Vergangenheit<br />
und Gegenwart der bereisten<br />
Länder informiert, geht es ihr vor<br />
allem darum, unterschiedliche Bilder<br />
eines vielfältigen Kontinents zu zeigen.<br />
Denn – das ist eine ihrer Hauptbotschaften:<br />
„Afrika ist so viel mehr als exotische<br />
Kulisse für Herzschmerzfi lme einerseits oder<br />
Hort der Finsternis andererseits.“ sc<br />
^ Marietta Slomka: „Mein afrikanisches<br />
Tagebuch. Reise durch einen Kontinent im<br />
Aufbruch“. C. Bertelsmann, 256 S., 17,99 € (D) •<br />
18,50 € (A) • 30,90 sFr.<br />
abzusondern, den ich im Normalfall nicht mal lesen<br />
würde.“ Die drei Wochen Ernstfall mit der<br />
„schwimmenden Schwarzwaldklinik“ hat der Comedian<br />
schließlich mit therapeutischem Schreiben<br />
verarbeitet. Herausgekommen ist „eine Art<br />
Roman“: „Ein Traum von einem Schiff“ (Scherz).<br />
Ziemlich schräg: Herbst hatte erholsame Sonnentage<br />
und anschließend genügend Zeit, Serie und<br />
Mitstreiter durch den Kakao zu ziehen. <br />
96<br />
Ein Lächeln für die Kamera: Im<br />
Fernsehstudio ist Marietta<br />
Slomka zu Hause, voriges Jahr<br />
war sie aber auch unterwegs –<br />
auf dem schwarzen Kontinent<br />
Christoph Maria<br />
Herbst ging an<br />
Bord – und gibt<br />
das Ekel vom<br />
Traumschiff<br />
buchjournal 1/2011
uchjournal 1/2011 97<br />
14 FRAGEN AN<br />
Mirjam Pressler<br />
Beatles oder Beethoven? Sowohl als auch.<br />
Obere oder untere Brötchenhälfte? Vollkornbrot mit Käse und<br />
dazu Weintrauben.<br />
Margeriten oder Rosen? Löwenzahn sieht auch schön aus.<br />
Brief oder E-Mail? Bücher, Bücher, Bücher.<br />
Schokolade oder Popcorn? Popcorn nie, Schokolade selten.<br />
Was gibt’s noch?<br />
Rot oder ...? Schwarzwälder Kirschtorte.<br />
Italien oder Alaska? Sonne, blauer Himmel und Spaghetti.<br />
Tanzen oder Gläserschwenken? Sowohl als auch.<br />
Fahrrad oder Auto? Fahrräder haben keine Sitzheizung.<br />
Stadt oder Land? Je nach Wetter, Lust und Laune.<br />
Hund oder Katze? Hund und Katze und Ziege und Ratte<br />
und so weiter. Und Fische nur aus der Pfanne.<br />
Morgen oder übermorgen? Heute.<br />
Ans Meer oder in die Berge? Warmer Sand, Muscheln, Krabben und<br />
Austern. Im Überfl uss bitte.<br />
Frühaufsteher oder Langschläfer? Kennen Sie deutsche Hotels?<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.<br />
Redaktionsleiter<br />
Eckart Baier, e.baier@buchjournal.de ......................................................-373<br />
Redakteurin<br />
Dr. Sabine Schmidt, s.schmidt@buchjournal.de ...................................... -278<br />
Grafi k<br />
Denis Stanisic, d.stanisic@mvb-online.de ...............................................-398<br />
Schlussredakteurin<br />
Dr. Andrea Rinnert, a.rinnert@mvb-online.de<br />
Redaktionsservice<br />
Yvonne Messer, y.messer@mvb-online.de ..............................................-468<br />
Verlag<br />
MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH<br />
Geschäftsführer<br />
Ronald Schild<br />
Verlagsleiter<br />
Dr. Torsten Casimir<br />
Anschrift des Verlags und der Redaktion<br />
Großer Hirschgraben 17 – 21, 60311 Frankfurt am Main<br />
Postfach 10 04 42, 60004 Frankfurt am Main<br />
Tel.: 069 / 1306-0 • Fax: 069 / 1306-424<br />
mail@buchjournal.de, www.buchjournal.de<br />
Anzeigen<br />
Dr. Jörg Gerschlauer (verantwortlich)<br />
Florian Böhler, f.boehler@mvb-online.de ................................................ -219<br />
Stefanie Fries, s.fries@mvb-online.de ..................................................... -213<br />
Daniele Kahl, d.kahl@mvb-online.de ...................................................... -237<br />
Jessica Klein, j.klein@mvb-online.de ....................................................... -218<br />
Marisa Wirth, m.wirth@mvb-online.de ...................................................-612<br />
Fax: 069 / 13 06-209; anzeigen@mvb-online.de<br />
Anzeigen-Preisliste<br />
Es gilt Tarif Nr. 64 vom 1.1.2011<br />
Marketing & Vertrieb<br />
Serviceline, serviceline@mvb-online.de..................................................-550<br />
Fax: 069 / 13 06-255<br />
Litho und Druck<br />
Druckhaus Main-Echo GmbH & Co. KG, Aschaffenburg<br />
Durchwahl<br />
Sie wählen 069 / 1306 und die angegebene Durchwahl, dann sind Sie<br />
gleich direkt verbunden.<br />
GANZ ODER GAR NICHT<br />
^ Mirjam Pressler, 1940 geboren, ist Schriftstellerin und<br />
hat viele Bücher aus dem Hebräischen, Englischen und<br />
Niederländischen übersetzt, unter anderem das Tagebuch<br />
der Anne Frank. 2010 erhielt sie den<br />
Deutschen Jugend literaturpreis für<br />
ihr Gesamtwerk.<br />
Mirjam Pressler: Ein Buch für Hanna.<br />
Beltz, 352 S., 17,95 € (D) •<br />
18,50 € (A) • 27,90 sFr.<br />
Erscheint am 7. März<br />
Die Rubrik Buchtipps ist von Verlagen fi nanziert. Eine Verwertung der urheberrechtlich<br />
geschützten Zeitschrift und aller in ihr enthaltenen Beiträge<br />
und Abbildungen, insbesondere durch Vervielfältigung oder Verbreitung,<br />
ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig<br />
und strafbar, soweit sich aus dem Urheberrechtsgesetz nichts anderes ergibt.<br />
Insbesondere ist eine Einspeicherung oder Verarbeitung der auch in<br />
elektronischer Form vertriebenen Zeitschrift in Datensystemen ohne Zustimmung<br />
des Verlages unzulässig.<br />
Preisangaben in redaktionellen Beiträgen und im Anzeigenteil erfolgen<br />
ohne Gewähr, die mit € gekennzeich<strong>net</strong>en Preise für Bücher sind die in<br />
Deutschland geltenden gebundenen Ladenpreise. Preisangaben deutscher<br />
Verlage in € (A) sind unverbindliche Preisempfehlungen gemäß<br />
österreichischem Preisbindungsgesetz. Preisangaben in Schweizer Franken<br />
sind unverbindliche Preisempfehlungen.<br />
Abonnement: Inland 30,– €, Ausland 40,50 € pro Jahr inkl. Versandkosten<br />
und MwSt.<br />
Das Buchjournal erscheint sechsmal im Jahr und ist in etwa 2500 Buchhandlungen<br />
in Deutschland, Österreich und der Schweiz erhältlich.<br />
Das Buchjournal ist Mitglied der Informationsgemeinschaft<br />
zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW).<br />
© picture-alliance / Frank May
© Klaus J.A. Mellenthin<br />
Ratelust<br />
extrem<br />
Haftzeherechse<br />
Pampasstrauß<br />
dt.<br />
Krimiautor<br />
griech.<br />
Philosoph<br />
der<br />
Antike<br />
dt.<br />
Fantasyautor<br />
Schauspieler<br />
vertreten<br />
tätiger<br />
Vulkan<br />
auf<br />
Sizilien<br />
Zahlenglücksspiel<br />
5<br />
Atoll<br />
in der<br />
Südsee<br />
Quantum,<br />
Menge<br />
ein<br />
Bindewort<br />
1 2 3 4 5 6<br />
6<br />
deutsche<br />
Vorsilbe<br />
Initialen<br />
der<br />
Bachmann<br />
kampfunfähig<br />
(Abk.)<br />
lateinisch:<br />
Erde<br />
Zigarettenpapierrolle<br />
Hochgebirgsweide<br />
Kindertrompete<br />
stechen<br />
(ugs.)<br />
australischesBeuteltier<br />
4<br />
Tropenkrankheit<br />
(Kala-...)<br />
Uhr<br />
orientalischer<br />
Nomade<br />
schwed.<br />
Krimiautor<br />
Kobold<br />
Teil des<br />
Heeres<br />
dt.<br />
Komikerin<br />
(Cordula)<br />
biblischer<br />
König<br />
folglich,<br />
somit<br />
italienischer<br />
Name<br />
des Ätna<br />
Anregung<br />
ägyptisches<br />
Gewicht<br />
(449 kg)<br />
eingedickterFruchtsaft<br />
Abk.<br />
für ein<br />
Hohlmaß<br />
Strom<br />
durch<br />
Gerona<br />
(Span.)<br />
Auerochse<br />
Impfstoffe<br />
ängstlich,<br />
besorgt<br />
98<br />
3<br />
Wort am<br />
Gebetsende<br />
wissenschaftliche<br />
Arbeit<br />
Senden Sie Ihre Lösung per Postkarte an: Redaktion Buchjournal, Postfach 10 04 42, 60004 Frankfurt / Main, oder per<br />
E-Mail an raetsel@buchjournal.de. Bitte teilen Sie uns dabei mit, in welcher Buchhandlung Sie das Buchjournal erhalten<br />
haben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsendeschluss: 1. April 2011<br />
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Sein Metier ist es, Vermisstenfälle<br />
aufzuklären; Krimiautor<br />
<strong>Friedrich</strong> <strong>Ani</strong> hat den charis -<br />
matischen Ermittler erdacht.<br />
Sollten Sie mit der Zusendung weiterer Informationen des Buchjournals per E-Mail nicht einverstanden sein, teilen Sie uns dies bitte in Ihrer Einsendung<br />
mit. Der Zusendung des Newsletters können Sie jederzeit unter newsletter@buchjournal.de widersprechen. Die Teilnahme am Gewinnspiel ist von der<br />
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Ausfüllen und Einsenden von Lösungskarten dienen, werden nicht berücksichtigt.<br />
j<br />
6. – 10. Preis Je ein BücherScheck<br />
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Kosewort<br />
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2<br />
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Schwung<br />
schmal<br />
DEIKE-PRESS-1812-1<br />
Das nächste<br />
Buchjournal<br />
erscheint am<br />
15. April<br />
getrock<strong>net</strong>e<br />
Traube<br />
Aschengefäß<br />
Aufl ösung aus Heft 6 / 2010<br />
A L U I O N<br />
F A N T A S Y L I N D E N B E R G<br />
E S C H E R M U R A K A M I R<br />
T E W A B E I N G A I O<br />
H A N S E<br />
A N O D E<br />
M M P I<br />
T U N E S<br />
F A S T L<br />
F L E S<br />
E E E N S F S E E L E<br />
M E L O D R A M T A T L I L<br />
P I N L P I C O U L T S A<br />
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REINHARD JIRGL<br />
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buchjournal 1/2011
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