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Friedrich Ani Tatort München - Boersenblatt.net

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© Robert Simon / istockphoto Lesestoff Romane<br />

DREIECKSGESCHICHTE<br />

Eitelkeit und Eifersucht<br />

„Leben ist immer ein Problem“,<br />

stellt Serge auf der<br />

letzten Seite von Helmut<br />

Kraussers Roman „Die<br />

letzten schönen Tage“ ernüchtert<br />

fest. Seine<br />

Freundin Kati hat mit ihm<br />

endgültig Schluss gemacht,<br />

hat die Koffer gepackt<br />

und ist nun vielleicht<br />

sogar schon mit David, Serges Arbeitskollegen,<br />

zusammen, mit dem sie ihn vorher<br />

monatelang betrogen hat. Doch was heißt<br />

schon betrogen? Hat der manisch-depressive<br />

Serge nicht auch Kati hintergangen, als er ihr<br />

hinterherspionierte, ihr Handy kontrollierte und<br />

dem Liebhaber unter Katis Namen E-Mails geschrieben<br />

hat? Dass es keine absolute Wahrheit,<br />

sondern nur verschiedene Sichtweisen auf<br />

die Realität geben kann, führt Krausser in seiner<br />

virtuos komponierten Dreiecksbeziehung<br />

ebenso überzeugend wie schmerzhaft vor. Abwechselnd<br />

erzählen Serge, Kati und David, wie<br />

sie die Geschichte erleben; daraus entsteht ein<br />

dicht gewebtes Netz aus Eitelkeit und Eifersucht,<br />

Lügen und Wahn, in das sich die Protagonisten<br />

auf der Suche nach Glück und Erfüllung<br />

unlösbar verstricken. bai<br />

^ Helmut Krausser: „Die letzten schönen Tage“.<br />

DuMont, 224 S., 19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />

Rätselhafter<br />

Schreibtisch ...<br />

JÜDISCHE VERGANGENHEIT<br />

Spurensuche<br />

Während Jonathan Safran Foer derzeit mit<br />

„Tiere essen“ von sich reden macht, setzt<br />

sich seine Frau, die Schriftstellerin Nicole<br />

Krauss, erneut mit der Frage nach jüdischer<br />

Vergangenheit auseinander. Ein Kunsthändler<br />

jagt dem Familienbesitz hinterher,<br />

der seiner Familie vor dem Abtransport in<br />

ein Konzentrationslager geraubt wurde. Im<br />

Zentrum steht dabei ein Unglück bringender<br />

Schreibtisch auf seiner rätselhaften<br />

Reise zwischen New York, Chile und Israel.<br />

Daraus entspinnt sich eine berührende,<br />

komplexe Geschichte, wie nur Nicole<br />

Krauss sie schreiben kann. Sprachmächtig,<br />

intensiv und schön. Nach „Die Geschichte der<br />

Liebe“ schenkt uns die Amerikanerin einen<br />

neuen bewegenden Roman, mit dem sie auf<br />

die Shortlist des<br />

National Book<br />

Award gewählt<br />

wurde. nf<br />

^ Nicole Krauss:<br />

„Das große Haus“.<br />

Übersetzt von<br />

Grete Osterwald.<br />

Rowohlt, 384 S.,<br />

19,95 € (D) •<br />

20,60 € (A) •<br />

30,50 sFr.<br />

DEBÜTSENSATION AUS ITALIEN<br />

Fasziniert von Fanatismus<br />

Italien im Jahr 1978. Der<br />

Politiker Aldo Moro wird<br />

von den Roten Brigaden<br />

entführt und schließlich<br />

ermordet. Drei elfjährige<br />

Jungen in Palermo sind<br />

fasziniert von der kalten<br />

Kompromisslosigkeit in<br />

der Sprache der Terroristen<br />

und ihrer unbeirrten<br />

Tat. Mit überwachen Sinnen und vorpubertärem<br />

Existenz-Ekel sezieren sie ihre Lebenswelt.<br />

Da ist kein Raum für Kindlichkeit und Empathie,<br />

nur das „kreolische Mädchen“ vermittelt eine<br />

Ahnung von Emotionalität. „Infi ziert wie von<br />

einer Krankheit“, gründen die drei Jungen eine<br />

eigene Zelle, driften ab in einen Rausch aus<br />

Machtwahn und Gewalt. Für deutsche Leser<br />

drängen sich Parallelen zum Herbst 1977 und<br />

der RAF auf. Der 40-jährige Autor Giorgio Vasta<br />

öff<strong>net</strong> am Ende seines in Italien gefeierten,<br />

düsteren Debütromans über eine Fanatisierung<br />

ein schmales Fenster der Hoffnung auf läuternde<br />

Erkenntnis. jo<br />

^ Giorgio Vasta: „Die Glasfresser“. Übersetzt<br />

von Ulrich Hartmann. DVA, 320 S., 19,99 € (D) •<br />

20,60 € (A) • 30,90 sFr.<br />

JUNGENINTERNAT MIT SUCHTFAKTOR<br />

Wahnsinnszeiten<br />

Das Seabrook College in<br />

Dublin ist ein von Priestern<br />

geführtes Jungeninternat.<br />

Dort leben der ebenso geniale<br />

wie übergewichtige<br />

Ruprecht, sein Zimmernachbar<br />

Skippy, der Gelegenheitsdrogendealer<br />

Carl<br />

und frustrierte Lehrer, die<br />

zu allem fähig sind. Wie<br />

durch ein Vergrößerungsglas blickt der Ire Paul<br />

Murray seinen Figuren mitten ins Herz und macht<br />

daraus einen witzigen, ideenreichen Roman über<br />

den alltäglichen Wahnsinn, den man Erwachsenwerden<br />

nennt. Mit seiner Romantrilogie ergeht es<br />

einem wie mit einer guten Soap: Man wird süchtig<br />

danach und muss einfach wissen, wie es weitergeht.<br />

Zum Glück besteht „Skippy stirbt“ gleich aus<br />

den drei Bänden mit den bezeichnenden Titeln<br />

„Hopeland“, „Heartland“ und „Ghostland“. nf<br />

^ Paul Murray: „Skippy stirbt“. Übersetzt von<br />

Martina Tichy und Rudolf Hermstein. A. Kunstmann,<br />

782 S., 26,– € (D) • 26,60 € (A) • 39,50 sFr.<br />

42<br />

buchjournal 1/2011

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