Friedrich Ani Tatort München - Boersenblatt.net
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IM GESPRÄCH<br />
meisten ziehen sich den Kinderschuh<br />
völlig allein an.<br />
0 »Natürlich ist die<br />
Welche Alternativen sehen Sie?<br />
Warum teilt sich ein Paar nicht die Elternzeit?<br />
Wenn ein Elternpaar sich dafür entscheidet,<br />
dass das Kind die ersten zwei Jahre<br />
zu Hause bleiben soll, finde ich das völlig<br />
verständlich, ich würde das wahrscheinlich<br />
auch so machen. Dass die Frau zuerst zu<br />
Hause bleibt, ist auch klar, der Mann kann<br />
nun mal nicht stillen. Aber was kommt<br />
dann? Warum übernimmt der Mann nicht<br />
die zweite Hälfte der Elternzeit? Weil es ihm<br />
beruflich schadet, sagt er. Aber was ist mit<br />
dem Beruf der Frau? Und auch wenn er mehr<br />
Geld verdient als sie, ist es letztlich eine<br />
idiotische Rechnung, weil es doch auch um<br />
ihre Versorgungsansprüche geht. Und es<br />
geht zugleich um mehr als Geld: Es geht<br />
auch darum, dass die Frauen in der Welt<br />
sind, dass sie sich bewähren und Anerkennung<br />
finden und nicht emotional abhängig<br />
sind von ihren Männern.<br />
Dennoch: Wenn Mütter erwerbstätig bleiben,<br />
ist es extrem anstrengend, Kinder und Beruf<br />
zu vereinbaren, selbst wenn der Partner mitzieht.<br />
Ja, so ist es leider. Aber wir haben doch<br />
jetzt lange genug abgewartet, um zu erkennen,<br />
dass sich nichts tut. Wir müssen<br />
schon selbst dafür kämpfen, sonst passiert<br />
eben nichts. Nur wenn wir Frauen das<br />
Quote eine Krücke,<br />
aber eine, die<br />
wirklich hilft«<br />
männlich geprägte System nicht mehr unterstützen,<br />
wird sich etwas ändern.<br />
Wie ist das bei Ihnen: Sind Sie auch manchmal<br />
in Versuchung, nachzugeben und in eine typische<br />
Frauenrolle zu schlüpfen?<br />
Na klar. Es gibt eine starke Anziehungskraft<br />
der alten Rollen, wir sind ja auch alle<br />
auf sie hinsozialisiert. Deswegen rede ich in<br />
meinem Buch auch immer wieder von „wir“:<br />
weil ich glaube, dass fast alle Frauen die Verführungskraft<br />
der alten Rollen kennen.<br />
Es gibt aber auch Frauen, die nicht in den alten<br />
Rollen leben und die öffentlich sichtbar sind.<br />
Angela Merkel, Ursula von der Leyen, Anne<br />
Will oder Bascha Mika. Ist das nicht ein Zeichen<br />
dafür, dass alles bestens ist – jede Frau wählt<br />
sich eben das Leben aus, das sie haben will?<br />
Nein, es ist nicht alles bestens. Wenn<br />
viele Frauen, die eigentlich den Anspruch<br />
haben, gleich und frei zu sein, ihr Leben<br />
einem Mann unterordnen, ist das nicht in<br />
Ordnung. Und auch die Zahl der Frauen in<br />
Führungspositionen ist ein Witz.<br />
Was halten Sie von der Quote?<br />
Sehr viel. Sie ist eine Krücke, aber eine,<br />
die wirklich hilft. Wie sehr, habe ich bei<br />
der „taz“ erlebt: Sie war der erste Betrieb<br />
in Deutschland, der eine 50 : 50-Quote<br />
hatte. Es gibt in Deutschland über 300<br />
Zeitungstitel, und als ich Chefredakteurin<br />
wurde, hatte ich drei Kolleginnen im<br />
Regionalbereich, überregional keine. Als<br />
ich nach elf Jahren aufhörte, war die Situation<br />
unverändert, während ich bei der<br />
„taz“ schon die dritte Frau an der Spitze<br />
war, und nach mir kam eine weitere Chefin.<br />
Ich finde es wahnsinnig dumm, wenn<br />
Frauen gegen die Quote sind – sie hilft,<br />
und schließlich kommen Männer ja auch<br />
nicht nur durch Leistung und Engagement<br />
an die Spitze. Der einzige Unterschied<br />
ist, dass die Quote der Männerbünde<br />
inoffiziell ist.<br />
War es ein Ziel, ein Wunsch von Ihnen, Chefredakteurin<br />
zu werden, oder ist Ihnen das irgendwie<br />
passiert?<br />
Eine Führungsposition zu haben, entscheiden<br />
zu können, war immer mein Ziel.<br />
Ich war immer Klassensprecherin, und<br />
Ehrgeiz war für mich selbstverständlich.<br />
Dennoch, und das ist typisch feige Frau,<br />
hätte ich mich nicht in der Redaktion hingestellt<br />
und laut gesagt, dass ich Chefredakteurin<br />
der „taz“ werden will, auch<br />
wenn ich es wollte. Ich wurde gefragt.<br />
Aber Sie haben auch nicht Nein gesagt, obwohl<br />
die Chefredaktion damals ein Kamikaze-Unternehmen<br />
war: Sie waren die Nummer<br />
13 in acht Jahren. Warum haben Sie sich<br />
darauf eingelassen?<br />
Mich reizt das Risiko, und eine Sache,<br />
die ein bisschen gefährlich riecht, finde<br />
ich gut.<br />
70<br />
buchjournal 1/2011