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Friedrich Ani Tatort München - Boersenblatt.net

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ROMANE_MIDLIFE-CRISIS<br />

Bei seinem Welterfolg „Die Stunden“ stand Virginia Woolf Pate, bei seinem neuen Buch Thomas<br />

Mann. Eine Begegnung mit dem Pulitzer-Preisträger Michael Cunningham in Venedig.<br />

„Entspann<br />

dich, genieß<br />

das Leben“<br />

TEXT: SABINE SCHMIDT<br />

E r<br />

ist im Hotel Bauer abgestiegen, einem<br />

der elegantesten Hotels in Venedig.<br />

Michael Cunningham gibt sich aber lässig<br />

in Jeans und legerem Hemd, räkelt sich<br />

quer in einem der auf alt getrimmten Sessel,<br />

ist zurückhaltend, aber freundlich.<br />

Starallüren scheinen nicht sein Ding zu<br />

sein – ja, er ist Pulitzer-Preisträger, ein gefeierter<br />

Star nicht nur in den USA, aber er<br />

hebt deswegen nicht ab.<br />

Von seinem ganz großen Erfolg erzählt er<br />

dennoch gern: von dem Roman „Die Stunden“,<br />

einer Hommage an Virginia Woolfs<br />

„Mrs. Dalloway“. „Ich war 15, als ich den<br />

Roman das erste Mal las“, sagt Cunningham.<br />

„Ich wollte mit der Lektüre ein Mädchen<br />

beeindrucken, aber dann hat mich<br />

das Buch tatsächlich fasziniert.“ Die Faszination<br />

blieb – und schließlich ließ er sich<br />

drei Jahrzehnte später zu einem eigenen<br />

Roman anregen, den er unter dem ursprünglichen<br />

Arbeitstitel von Virginia<br />

Woolfs Roman veröffentlichte: „The<br />

Hours“. Dafür gab es 1999 den Pulitzer-<br />

Preis, und 2002 wurde sein Werk mit Starbesetzung<br />

verfilmt: mit Nicole Kidman, die<br />

einen Oscar erhielt, mit Meryl Streep und<br />

Julianne Moore.<br />

Für seinen nächsten Roman „Helle Tage“<br />

spielte der amerikanische Dichter Walt<br />

Whitman eine wichtige Rolle. Und bei seinem<br />

neuen Buch „In die Nacht hinein“<br />

stand jetzt einer der Größten Pate: Thomas<br />

Mann. Auch dieses Mal war der Schatten<br />

der Vergangenheit nicht erdrückend, son-<br />

Michael Cunningham in Venedig: In die Lagunenstadt kehrt der US-Amerikaner<br />

immer wieder gern zurück – auch wegen Thomas Manns berühmter Novelle<br />

dern anregend – Cunningham war es anfangs<br />

allerdings auch nicht bewusst, dass<br />

ihm eine andere Geschichte durch den<br />

Sinn ging. „Ich merkte erst nach einer Weile,<br />

dass ich Thomas Manns Novelle im Kopf<br />

hatte. Manche Bücher, die wir lieben, werden<br />

ein Teil von uns, und so ist es mir mit<br />

‚Tod in Venedig‘ ergangen.“<br />

Weil die Novelle ihm viel bedeutet, ist er<br />

ihr nachgegangen. Nicht bei diesem Venedigbesuch,<br />

aber bei einem früheren war er<br />

am Lido. „Damals habe ich einen kleinen,<br />

braunen Stein mitgenommen, der jetzt auf<br />

meinem Schreibtisch liegt. Und wenn es<br />

nur ist“, sagt er lächelnd, „um mich daran<br />

zu erinnern, mein Haar nicht zu färben<br />

und kein Make-up zu tragen, weil nichts<br />

Gutes dabei herauskommt.“<br />

Er spielt darauf an, dass in Manns Novelle<br />

Gustav von Aschenbach sich in den jungen<br />

Tadzio verliebt. Am Ende liegt er ge-<br />

schminkt und mit gefärbten Haaren in<br />

einem Liegestuhl, schaut dem unerreichbaren<br />

Geliebten nach und stirbt – ein Witwer,<br />

der erst spät die Neigung zu einem<br />

Jungen in sich entdeckt hat und zur Parodie<br />

eines Homosexuellen wird.<br />

Davon ist Cunningham weit entfernt –<br />

der kleine Stein vom Lido scheint seine<br />

Schuldigkeit getan zu haben. Der Autor,<br />

der seit 20 Jahren mit seinem Partner in<br />

Zur Person<br />

Michael Cunningham, geboren 1952 in Cincinnati,<br />

Ohio, lebt in New York City und Provincetown und<br />

unterrichtet Creative Writing an der Columbia<br />

University. Für „Die Stunden“ wurde er mehrfach<br />

ausgezeich<strong>net</strong>, unter anderem mit dem Pulitzerpreis<br />

und dem PEN / Faulkner-Award. „In die<br />

Nacht hinein“ ist Cunninghams vierter Roman.<br />

44<br />

buchjournal 1/2011<br />

© Getty Images

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