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Aufgabe 12.4 Vergleichen Sie das triadische (dreiseitige) Zeichenmodell nach Ch. S. Peirce<br />
mit dem dualen (zweiseitigen) Zeichenmodell von Saussure (vgl. Einheit 4.2 und 12.1). Wo<br />
liegt ein Vorteil des Peirceschen Modells? Welcher Zeichentypus ist für die Literaturwissenschaft<br />
besonders relevant?<br />
Der Vorteil des Modells von Peirce liegt in seiner Berücksichtigung der Beziehung zwischen<br />
Zeichen und Objekt, wodurch das Zeichen nicht mehr – wie das zweiseitige Modell<br />
nach de Saussure suggerieren könnte – als von der Wirklichkeit entkoppelt und rein willkürlich<br />
bedingt erscheint. Für literarische Texte wiederum ist vor allem das Symbol von<br />
besonderem Interesse: Es eröffnet dem Text neue Sinndimensionen und zählt als typischer<br />
Fall von Polyvalenz zu den zentralen literarischen Gestaltmitteln.<br />
Aufgabe 12.5 Weshalb thematisiert Eco einen “rapporto fruitivo”, also eine Beziehung<br />
zwischen Leserschaft und Text, im Rahmen der literarischen Rezeption, wenn er auf die<br />
‘Offenheit’ des Kunstwerks hinweist? Was versteht er unter dem ‘Spiel’ (“gioco”) der<br />
Signifikate, das im Laufe der Textgeschichte entsteht?<br />
Die Rezeption (Wahrnehmung) literarischer Werke unterliegt einem starken historischen<br />
Wandel, der zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Deutungen des Textes befördert.<br />
Diese hermeneutische Erkenntnis wendet Eco nun ebenfalls auf die wissenschaftliche Herangehensweise<br />
an einen Text an: Was heute als ‘objektive’ Struktur erscheinen mag, beruht<br />
auf der verwendeten Fragestellung und den impliziten theoretischen Grundannahmen,<br />
die sich ihrerseits im Lauf der Zeit verändern. ‘Objektivität’ ist demnach lediglich ein relativer<br />
Begriff, ebenso die Definition von ‘Strukturen’.<br />
Das ‘Spiel’ der Bedeutungen ergibt sich, geht man wieder vom literarischen Text selbst aus,<br />
aus den einander überlagernden Sinnschichten oder Deutungsmöglichkeiten, die mit ein<br />
und demselben Signifikanten in Verbindung gebracht werden können. Das sich frei entfaltende<br />
‘Spiel’ der unterschiedlichen möglichen Deutungen ist somit als Gegenbegriff zum<br />
Unbeweglichkeit ausdrückenden Begriff der festen ‘Struktur’ anzusehen.<br />
Aufgabe 12.6 In welchem Verhältnis steht der medizinische Diskurs über den Wahnsinn<br />
zur Kommunikation allgemein? Welche Auswirkungen hat diese Feststellung für das hier<br />
vertretene Konzept von ‘Sprache’? Was meint Foucault schließlich mit “Archäologie”?<br />
Foucault verdeutlicht am Beispiel des Wahnsinns, dass das Sprechen über einen Gegenstand<br />
– also der betreffende Diskurs – bereits die Wahrnehmungsmöglichkeiten des Einzelnen<br />
definiert: Seit der Einführung des medizinischen Konzeptes vom ‘Wahnsinn’ kann<br />
man nur noch ‘vernünftig’ über den Wahnsinn sprechen, ‘wahnsinniges’ Sprechen selbst<br />
aber hat in unserer Alltagswelt keinen Platz mehr. Kommunikation ist demnach stets bedingt<br />
durch die epochenspezifischen Diskurse bzw. deren Grundannahmen (ein umfassendes<br />
System solcher Weltsicht nennt Foucault ‘Epistemé’). ‘Sprache’ ist demnach nicht mehr<br />
ein unproblematisches Medium des gegenseitigen Austausches über ein bestimmtes Thema,<br />
sondern zeigt sich als durchdrungen von handlungsleitenden Positionen der ‘Macht’ und<br />
des ‘Wissens’, hier der medizinischen Lehre vom ‘Wahnsinn’ bzw. der zwangsweisen Aus-<br />
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