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HINTERGRUNDAMTERIAL<br />
4<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 1
DIE MITwIRkENDEN IN PLAsTIc PLANET<br />
4<br />
Dokumentarfilme leben vor allem von den Mitwirkenden und den Gesprä<strong>ch</strong>spartner/innen der Regisseure/<br />
innen. Diese dienen ni<strong>ch</strong>t nur dazu, Sa<strong>ch</strong>verhalte zu erklären und Informationen zu vermitteln, sondern sie<br />
stehen au<strong>ch</strong> für unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Meinungen und Positionen. Bisweilen werden sie somit in PLASTIC PLANET<br />
sogar zum Spra<strong>ch</strong>rohr für Werner Boote – oder zu seinem Gegenspieler. Aber au<strong>ch</strong> der Regisseur selbst spielt<br />
in diesem Fall eine wi<strong>ch</strong>tige Rolle.<br />
werner Boote<br />
Boote führt die Zus<strong>ch</strong>auenden dur<strong>ch</strong> den Film. Er lädt zur Identifikation ein, weil er seine Dokumentation aus<br />
Neugierde beginnt. Boote will etwas erfahren über den Stoff, von dem sein Großvater so fasziniert war, und<br />
ihn plagen ehrli<strong>ch</strong>e Sorgen über die s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>en Nebenwirkungen und Folgen, die Plastik auf unsere Umwelt<br />
und Gesundheit haben kann. Boote ist wie sein Publikum: kein Wissens<strong>ch</strong>aftler, kein Experte, sondern ein<br />
ganz normaler Konsument, von Plastik umgeben. Aber ein Konsument, der na<strong>ch</strong>hakt. In fast jeder Szene steht<br />
Boote selbst vor der Kamera, fragt na<strong>ch</strong>, lässt si<strong>ch</strong> sogar selbst Blut abnehmen, um den Plastikgehalt testen<br />
zu lassen. Er ist der wi<strong>ch</strong>tigste Protagonist dieses Dokumentarfilms. Seine Stärke ist, dass er nie versu<strong>ch</strong>t,<br />
si<strong>ch</strong> unsi<strong>ch</strong>tbar zu ma<strong>ch</strong>en und seine Beoba<strong>ch</strong>tungen s<strong>ch</strong>einbar objektiv darzustellen. PLASTIC PLANET überzeugt<br />
dur<strong>ch</strong> Bootes subjektive, persönli<strong>ch</strong>e Herangehensweise.<br />
John Taylor<br />
John Taylor ist der ehemalige Präsident von PlasticsEurope, dem Verband der europäis<strong>ch</strong>en Kunststofferzeuger.<br />
Mehr als 100 Mitgliedsunternehmen des Verbands produzieren mehr als 90 % der Kunststoffe in den 27<br />
EU-Mitgliedsstaaten, in Kroatien, Norwegen, der S<strong>ch</strong>weiz und der Türkei.<br />
Beatrice Bortolozzo<br />
Beatrice Bortolozzo ist die To<strong>ch</strong>ter von Gabriele Bortolozzo, der an den dur<strong>ch</strong> eine Vinyl<strong>ch</strong>loridvergiftung<br />
verursa<strong>ch</strong>ten Krankheiten verstarb. Seine Beoba<strong>ch</strong>tungen und Aufzei<strong>ch</strong>nungen waren für den Prozess gegen<br />
den PVC-Hersteller Montedison in Venedig ents<strong>ch</strong>eidend.<br />
Felice casson<br />
Felice Casson ist italienis<strong>ch</strong>er Untersu<strong>ch</strong>ungsri<strong>ch</strong>ter, Staatsanwalt und gegenwärtig Senator im italienis<strong>ch</strong>en<br />
Parlament. Er führte den Prozess gegen Montedison.<br />
susan Jobling<br />
Das besondere Interesse der Umweltwissens<strong>ch</strong>aftlerin gilt der so genannten endokrinen Disruption. Darunter<br />
versteht man die Veränderung von Hormonrezeptoren dur<strong>ch</strong> Umweltgifte, die zu vers<strong>ch</strong>iedensten Störungen<br />
führen kann. Jobling war unter den ersten Wissens<strong>ch</strong>aftlern/innen, die dies am Phänomen der Intersexfis<strong>ch</strong>e<br />
(Fis<strong>ch</strong>e mit männli<strong>ch</strong>en und weibli<strong>ch</strong>en Fortpflanzungsorganen) untersu<strong>ch</strong>ten.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 2
4<br />
Hiroshi sagae<br />
Der japanis<strong>ch</strong>e Künstler formt Plastikskulpturen und ist si<strong>ch</strong> der Gefahren, die von seinem Arbeitsmaterial<br />
Kunststoff ausgehen, dur<strong>ch</strong>aus bewusst.<br />
Patricia Hunt<br />
Die renommierte Genfors<strong>ch</strong>erin Patricia Hunt arbeitet an der Case Western University, Cleveland, Ohio. 2003<br />
gelang es ihrem Fors<strong>ch</strong>ungsteam erstmals, dur<strong>ch</strong> Untersu<strong>ch</strong>ungen an Mäusen na<strong>ch</strong>zuweisen, dass die Verabrei<strong>ch</strong>ung<br />
von BPA (Bisphenol A) selbst in niedrigen Dosen bereits erbguts<strong>ch</strong>ädigend wirken und zum Beispiel<br />
das Down-Syndrom verursa<strong>ch</strong>en kann.<br />
scott Bel<strong>ch</strong>er<br />
Der Pharmakologe und Zellbiophysiker Scott Bel<strong>ch</strong>er von der University of Cincinnati konnte erstmals im Tierversu<strong>ch</strong><br />
beweisen, dass Bisphenol A bereits in kleinsten Dosierungen die Filmpädagogis<strong>ch</strong>es Begleitmaterial<br />
zum Dokumentarfilm PLASTIC PLANET Hirnentwicklung beeinflusst.<br />
Theo colborn<br />
Theo Colburn ist Professorin der Zoologie an der Universität von Florida, Gainesville und Präsidentin von „The<br />
Endocrine Disruption Ex<strong>ch</strong>ange” (TEDX). Sie untersu<strong>ch</strong>t die Auswirkungen der Umwelt auf die Gesundheit und<br />
ist bekannt für ihre Studien über Chemikalien, die Störungen des Hormonsystems verursa<strong>ch</strong>en.<br />
Fred vom saal<br />
Der Biologe Frederick vom Saal untersu<strong>ch</strong>t die Einflüsse von natürli<strong>ch</strong>en und synthetis<strong>ch</strong>en Hormonen und<br />
zählt zu den renommiertesten Wissens<strong>ch</strong>aftlern auf dem Gebiet der Endokrinologie. In seinen Studien belegt<br />
er, dass Bisphenol A in geringer Menge sogar stärker wirkt, weil es vom Körper im Gegensatz zu stärkeren<br />
Dosen dann ni<strong>ch</strong>t als S<strong>ch</strong>adstoff erkannt wird<br />
Frederick corbin<br />
Dr. Corbin zählt zu den renommiertesten S<strong>ch</strong>önheits<strong>ch</strong>irurgen Hollywoods.<br />
<strong>ch</strong>arles Moore<br />
Der wohlhabende Erbe eines US-Ölunternehmens entdeckte 1997 einen großen Müllteppi<strong>ch</strong>, der si<strong>ch</strong> im<br />
Nordpazifikwirbel („North Pacific Gyre“) angesammelt hat, zu großen Teilen aus Plastik besteht und seither<br />
als „Great Pacific Garbage Pat<strong>ch</strong>“ bezei<strong>ch</strong>net wird. Moore gründete daraufhin die Algalita Marine Resear<strong>ch</strong><br />
Foundation, um das Phänomen zu erfors<strong>ch</strong>en.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 3
4<br />
Peter Frigo<br />
Peter Frigo ist Hormonspezialist und Fa<strong>ch</strong>arzt für Frauenheilkunde. Er unterri<strong>ch</strong>tet an der Universität Wien und<br />
setzt si<strong>ch</strong> in Fa<strong>ch</strong>- und Populärzeits<strong>ch</strong>riften mit internationalen Studien über die Auswirkungen von Hormonen<br />
und hormonähnli<strong>ch</strong>en Substanzen auf die Fortpflanzungsfähigkeit, Karzinomhäufigkeit sowie Auswirkungen<br />
auf die Intelligenz des Mens<strong>ch</strong>en auseinander.<br />
kurt s<strong>ch</strong>eidl<br />
Der österrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Umweltanalytiker testet den aufblasbaren Globus, den Werner Boote im Film dabei hat,<br />
und findet in diesem einen bedenkli<strong>ch</strong>en Giftmix. Der in China produzierte Plastikglobus dürfte überhaupt<br />
ni<strong>ch</strong>t auf dem Markt sein.<br />
Margot wallström<br />
Margot Wallström ist derzeit Vizepräsidentin der Europäis<strong>ch</strong>en Kommission. Sie ist auf europäis<strong>ch</strong>er Ebene<br />
eine Wegbereiterin für die innovative Chemikaliengesetzgebung REACH, erzählt im Film von ihren eigenen<br />
Erfahrungen als Umweltministerin und s<strong>ch</strong>ildert den Widerstand der Kunststofferzeuger gegen REACH.<br />
klaus Rhomberg<br />
Klaus Rhomberg ist Fa<strong>ch</strong>arzt für Medizinis<strong>ch</strong>e Biologie in Innsbruck. Er kommt aus der Humangenetik und bes<strong>ch</strong>äftigt<br />
si<strong>ch</strong> seit über 20 Jahren mit den Auswirkungen von S<strong>ch</strong>adstoffen auf den mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Organismus.<br />
In seinen Studien warnt er vor den S<strong>ch</strong>adstoffeinflüssen auf das Kind im Mutterleib und vor der zunehmenden<br />
Unfru<strong>ch</strong>tbarkeit dur<strong>ch</strong> Umweltgifte.<br />
Ray Hammond<br />
Ray Hammond ist Zukunftsfors<strong>ch</strong>er und Autor zahlrei<strong>ch</strong>er in der Zukunft angesiedelter Romane. Seit seinem<br />
von der Kunststoffindustrie beauftragten Bu<strong>ch</strong> „The World in 2030” agiert er als Lobbyist für PlasticsEurope.<br />
Er glaubt an „kluges Plastik“ und „vertraut” auf die Ungefährli<strong>ch</strong>keit von Kunststoffen.<br />
Gunther von Hagens<br />
Der umstrittene deuts<strong>ch</strong>e Plastifikationskünstler mumifiziert mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Lei<strong>ch</strong>en dur<strong>ch</strong> die Injektion von<br />
Kunststoff. Seine Meinung, dass „der Mens<strong>ch</strong> immer mehr zu Plastik wird”, nimmt in seinem Werk Gestalt<br />
an.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 4
DIE kUNsTsToFFE IN UNsEREM LEBEN<br />
4<br />
Wir sind von Kunststoffen umgeben und haben tägli<strong>ch</strong> diverse Gegenstände aus unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Kunststoffen<br />
in der Hand. Aus wel<strong>ch</strong>em Kunststoff bestehen die meisten und gebräu<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>sten Plastikprodukte? Mit<br />
wel<strong>ch</strong>en Chemikalien kommt man dadur<strong>ch</strong> in Berührung? Sind einige Kunststoffe besser als andere? Wel<strong>ch</strong>e<br />
sollte man meiden? Woran erkennt man die vers<strong>ch</strong>iedenen Kunststoffe? Auf vielen Plastikprodukten ist ein<br />
Code eingeprägt, der Aufs<strong>ch</strong>luss darüber gibt, um wel<strong>ch</strong>e Sorte Kunststoff es si<strong>ch</strong> handelt und ob das Produkt<br />
recycelt werden kann. Viele Plastikgegenstände, darunter Verpackungen für Lebensmittel, enthalten keinen<br />
Hinweis.<br />
Die Liste auf folgender Seite hilft dabei, die Plastikprodukte zu unters<strong>ch</strong>ieden. 90 % der weltweit produzierten<br />
Kunststoffe in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit<br />
PLAsTIk IsT EIN GRossEs GEscHäFT<br />
Wie viel Plastik jährli<strong>ch</strong> weltweit tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> hergestellt wird, lässt si<strong>ch</strong> nur s<strong>ch</strong>ätzen. Man geht von bis zu<br />
240 Millionen Tonnen jährli<strong>ch</strong> aus. Ein knappes Viertel des Plastikverbrau<strong>ch</strong>s geht auf das Konto von Europa,<br />
wo der Anteil im Jahr 2008 na<strong>ch</strong> einer Studie von PlasticsEurope bei 48,5 Millionen Tonnen lag. Gefolgt<br />
von Italien und Frankrei<strong>ch</strong> ist Deuts<strong>ch</strong>land mit einem Bedarf von 11,5 Millionen Tonnen der größte europäis<strong>ch</strong>e<br />
Markt für Kunststoffe. Wenn man alle Arbeitsplätze einre<strong>ch</strong>net, die unmittelbar und mittelbar von der<br />
Kunststoffherstellung abhängig sind, kommt man auf die Summe von deutli<strong>ch</strong> mehr als 2 Millionen Mens<strong>ch</strong>en<br />
in Europa. Europäis<strong>ch</strong>e Plastikhersteller/innen und Verwerter/innen erwirts<strong>ch</strong>afteten 2008 einen Gewinn<br />
von ca. 13 Milliarden Euro. Die Einsatzgebiete der Kunststoffe in Europa verteilen si<strong>ch</strong> dabei zu 28 % auf<br />
Freizeit und medizinis<strong>ch</strong>e Zwecke, 6 % werden für Elektronik und Elektrik, 7 % im Automobilsektor und 21 %<br />
im Bauwesen verwendet. Den größten Anteil am Kunststoffverbrau<strong>ch</strong> haben Verpackungen mit 38 %. Quelle:<br />
PlasticsEurope MarketResear<strong>ch</strong> Group (PEMRG)<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 5
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 6<br />
9
PLAsTIkMüLL IsT üBERALL<br />
Die Menge an Kunststoff, die wir seit Beginn des Plastikzeitalters produziert haben, rei<strong>ch</strong>t bereits aus, um<br />
unseren gesamten Erdball se<strong>ch</strong>s Mal mit Plastikfolien einzupacken. (Werner Boote in PLASTIC PLANET)<br />
Der Markt für Verpackungsmaterialien ist der ents<strong>ch</strong>eidendste für die Kunststoffindustrie, zumal diese<br />
Materialien nur einen einmaligen Verwendungszweck haben und es einen laufenden – und offenbar stetig<br />
steigenden – Bedarf gibt. 2007 wurden in Deuts<strong>ch</strong>land über 2,6 Millionen Tonnen Kunststoffverpackungen<br />
verbrau<strong>ch</strong>t und davon 63 % der Wiederverwertung zugeführt. Der Rest – immerhin also eine Million Tonnen<br />
Kunststoffverpackungen – landete allein in Deuts<strong>ch</strong>land dementspre<strong>ch</strong>end im Restmüll. Während die<br />
Verwertungsquote von Kunststoffverpackungen seit Anfang der 1990er-Jahre deutli<strong>ch</strong> gestiegen ist, hat si<strong>ch</strong><br />
andererseits im glei<strong>ch</strong>en Zeitraum der Anteil von mehrmals verwendbaren Verpackungen (Mil<strong>ch</strong>, Joghurt,<br />
Mineralwasser) extrem verringert. Im Berei<strong>ch</strong> Mineralwasser hat si<strong>ch</strong> der Mehrweganteil (Glas- oder Plastikmehrwegflas<strong>ch</strong>en)<br />
in den Jahren 1993 bis 2007 von knappen 91 % auf knappe 47 % verringert. Die Gesamt-<br />
Mehrwegquote bei Getränkeverpackungen ist in der glei<strong>ch</strong>en Zeit von ungefähr 74 % auf 47 % gesunken.<br />
Quelle: Mehrweganteile am Getränkeverbrau<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Getränkeberei<strong>ch</strong>en in den Jahren 1991 bis 2007, sowie<br />
Verbrau<strong>ch</strong> von Verpackungen gesamt - Verbrau<strong>ch</strong>, Verwertung, Quoten 1991 bis 2007, Gesells<strong>ch</strong>aft für Verpackungsmarktfors<strong>ch</strong>ung<br />
mbH (GVM), Mai 2009<br />
DER PLAsTIkMüLL IM MEER<br />
4<br />
Wie viel Plastikmüll landet in den Meeren? 80 % des Kunststoffmülls – die UNO spri<strong>ch</strong>t von insgesamt<br />
weltweit jährli<strong>ch</strong> rund se<strong>ch</strong>s Millionen Tonnen – gelangen über Flüsse in die Ozeane. Die Meeress<strong>ch</strong>utzorganisation<br />
Oceana s<strong>ch</strong>ätzt, dass weltweit jede Stunde rund 675 Tonnen Müll direkt ins Meer geworfen werden;<br />
die Hälfte davon besteht aus Plastik. Laut einer Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP)<br />
treiben bis zu 18.000 Plastikteile in jedem Quadratkilometer der Weltozeane. Plastikmüllstrudel im Pazifik<br />
Östli<strong>ch</strong> von Hawaii hat si<strong>ch</strong> in der im Uhrzeigersinn drehenden Meeresströmung des Pazifiks, dem Nordpazifikwirbel<br />
(North Pacific Gyre), ein gigantis<strong>ch</strong>er Müllwirbel gebildet, in dessen Zentrum drei Millionen Tonnen<br />
Plastikmüll rotieren. Er wä<strong>ch</strong>st seit 60 Jahren unbea<strong>ch</strong>tet und ist na<strong>ch</strong> Eins<strong>ch</strong>ätzung von Wissens<strong>ch</strong>aftlern/<br />
innen doppelt so groß wie der US-Bundesstaat Texas. Unter Einwirkung von Sonne, Gezeiten, Wind und<br />
Wellen wird der Plastikmüll bis zu winzigen Partikeln zerrieben. In mehreren weiteren Wirbeln im Südpazifik,<br />
im Atlantik und im Indis<strong>ch</strong>en Ozean haben si<strong>ch</strong> ähnli<strong>ch</strong>e sol<strong>ch</strong>er Müllwirbel gebildet, wennglei<strong>ch</strong> in etwas<br />
geringeren Mengen. Tiere leiden und sterben dur<strong>ch</strong> Plastikmüll 267 vers<strong>ch</strong>iedene Tierarten fallen weltweit<br />
dem Müll im Meer zum Opfer – darunter S<strong>ch</strong>ildkröten, Robben, Fis<strong>ch</strong>e und Krebse. Jährli<strong>ch</strong> verenden etwa<br />
100.000 Meeressäuger qualvoll dur<strong>ch</strong> den Müll und sterben über eine Million Seevögel, wie zum Beispiel Albatrosse,<br />
die die Plastikteile irrtümli<strong>ch</strong> als Nahrung zu si<strong>ch</strong> nehmen und damit ihre Küken füttern. Sandkörner<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 7
aus Plastik? An jedem Strand der Weltmeere ist Plastik zu finden, diverser Kunststoffmüll und Pellets. Plastik<br />
baut si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ab wie natürli<strong>ch</strong>e Rohstoffe. Unter Einwirkung von Sonnenli<strong>ch</strong>t, Wellenbewegung und Abrieb<br />
zerfallen Plastikstücke in immer kleinere Partikel. Der Sand besteht bereits zu einem gewissen Prozentsatz<br />
aus Kunststoff. Plastik zieht Gift an Wissens<strong>ch</strong>aftler/innen vermuten, dass dieser Plastikmüll gefährli<strong>ch</strong>e<br />
Umweltgifte wie DDT oder PCB wie ein S<strong>ch</strong>wamm aufsaugt. Fors<strong>ch</strong>er/innen der Universität Tokio haben<br />
an der Oberflä<strong>ch</strong>e von Pellets Giftkonzentrationen gefunden, die bis zu eine Million mal höher sind als im<br />
umgebenden Wasser. Über die Nahrungskette rei<strong>ch</strong>ern si<strong>ch</strong> diese Gifte au<strong>ch</strong> in Fis<strong>ch</strong>en an, die wiederum auf<br />
unseren Tellern landen. Kann man das Plastik aus den Meeren holen? Selbst wenn die Mens<strong>ch</strong>heit morgen<br />
damit aufhören würde, Plastik zu produzieren, würden die vielen Millionen Tonnen, die bislang in die Ozeane<br />
gelangt sind, no<strong>ch</strong> Jahrhunderte mit den Strömungen um die Welt treiben.<br />
Derzeit erproben Umwelts<strong>ch</strong>ützern/innen und Wissens<strong>ch</strong>aftlern/innen Te<strong>ch</strong>niken, mit denen die Plastikpartikel<br />
in den Müllwirbeln im Ozean eingesammelt werden können, ohne den Meereslebewesen zu s<strong>ch</strong>aden.<br />
Außerdem soll erfors<strong>ch</strong>t werden, ob der Plastikmüll recycelt oder sogar als Brennstoff aufbereitet werden<br />
kann.<br />
PLAsTIk IM BLUT<br />
4<br />
Immer wieder ist im Film die Rede von zwei <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en Substanzen: Phthalaten und Bisphenol A. Wenn si<strong>ch</strong><br />
diese Chemikalien aus dem Kunststoff lösen und in den mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Körper gelangen, können sie gravierende<br />
Gesundheitss<strong>ch</strong>äden verursa<strong>ch</strong>en, von Allergien und Fettleibigkeit bis hin zu Unfru<strong>ch</strong>tbarkeit, Krebs und<br />
Herzerkrankungen. Phthalate Als Werner Boote bei seinen Dreharbeiten ein Unternehmen in Shanghai besu<strong>ch</strong>t,<br />
das Plastikfolien herstellt, zählt eine Spre<strong>ch</strong>erin der Firma vers<strong>ch</strong>iedene Wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>er für die Plastikprodukte<br />
auf, die je na<strong>ch</strong> Kundenwuns<strong>ch</strong> eingesetzt werden können. Wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>er werden vor allem in PVC<br />
(Polyvinyl<strong>ch</strong>lorid) eingesetzt, das ohne diese hart und spröde ist. Die klassis<strong>ch</strong>en Wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>er für PVC sind<br />
die Phthalate. Am häufigsten eingesetzt werden DIDP (Di-isodecyl-phthalat), DINP (Di-isonyl-phthalat), DHEP<br />
(Di(2-ethylhexyl)phthalat), DBP (Dibutylphthalat) und BBP (Benzylbutylphthalat). Der Name Phthalat kommt<br />
von "Naphtha", Rohöl. Wo sind Phthalate zu finden? Phthalate sind überall zu finden, au<strong>ch</strong> im Hausstaub, in<br />
unserem Blut, in der Muttermil<strong>ch</strong>. Wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>er sind im Kunststoff ni<strong>ch</strong>t fest gebunden und können verdampfen,<br />
ausgewas<strong>ch</strong>en oder abgerieben werden. Sie stammen hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> aus<br />
• PVC-Produkten, z.B. Bodenbelägen, Rohren und Kabeln, Teppi<strong>ch</strong>böden, Wandbeläge, Tapeten, Dus<strong>ch</strong>vorhänge,<br />
Babyartikel, Kinderspielzeug, S<strong>ch</strong>uhsohlen, Sport- und Freizeitartikel, Vinyl-Hands<strong>ch</strong>uhe, KFZ-Bauteile,<br />
Kunstleder)<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 8
4<br />
• Dispersionen, Lacke/Farben<br />
• Emulgatoren<br />
• Verpackungen (Von Seiten der Industrie wurde mehr und mehr auf wei<strong>ch</strong>gema<strong>ch</strong>tes PVC in der Lebensmittelverpackung<br />
verzi<strong>ch</strong>tet.)<br />
• Lebensmitteltransportbändern<br />
• Di<strong>ch</strong>tmassen<br />
• Zellulose-Kunststoffen<br />
• Nagellacken<br />
• Klebstoffen<br />
• Benetzungsmitteln in der Textilindustrie<br />
• Kosmetika<br />
• pharmazeutis<strong>ch</strong>en Produkten.<br />
wie gelangen Phthalate in den mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en organismus?<br />
Im Wesentli<strong>ch</strong>en über<br />
• die Atmung, z.B. dur<strong>ch</strong> ausdampfende PVC-Einri<strong>ch</strong>tungsartikel oder hohe Konzentrationen im Autoinnenraum<br />
(„Neuwagengeru<strong>ch</strong>“)<br />
• die Nahrung, z.B. dur<strong>ch</strong> Lebensmittel, die mit Phthalaten in Berührung kommen (Mil<strong>ch</strong>, Butter, Fis<strong>ch</strong>,<br />
Fleis<strong>ch</strong>, Wurstwaren), dur<strong>ch</strong> Wurzelgemüse, das Phthalate aus dem Boden aufnimmt<br />
• Kosmetika, z.B. Nagellack, Körperpflegemittel, Parfums, Deodorants)<br />
• pharmazeutis<strong>ch</strong>e Produkte, z.B. magensaftresistente Pillen und Tabletten, Blutbeutel, S<strong>ch</strong>läu<strong>ch</strong>e, Medikamentenverpackungen<br />
Kinder können au<strong>ch</strong> besonders hohe Mengen aufnehmen, wenn sie an PVC-Gegenständen saugen.<br />
wie gefährli<strong>ch</strong> sind Phthalate?<br />
Im Tierversu<strong>ch</strong> erwiesen si<strong>ch</strong> Phthalate, vor allem DEHP, als krebserregend, entwicklungstoxis<strong>ch</strong> und reproduktionstoxis<strong>ch</strong>.<br />
Wirkungen wurden vor allem bei den männli<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>kommen beoba<strong>ch</strong>tet und äußerten<br />
si<strong>ch</strong> unter anderem in verminderter Fru<strong>ch</strong>tbarkeit und Missbildungen der Genitalien. Fast bei jedem<br />
Mens<strong>ch</strong>en sind Phthalate und ihre Abbauprodukte im Blut und/oder Urin na<strong>ch</strong>weisbar. Bei wel<strong>ch</strong>en Dosen<br />
beim Mens<strong>ch</strong>en Effekte auftreten, ist no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t geklärt. Neueste Studien an unfru<strong>ch</strong>tbaren Männern deuten<br />
darauf hin, dass dies dur<strong>ch</strong> erhöhte Phthalat-Belastungen verursa<strong>ch</strong>t sein könnte. Die Mitgliedsstaaten der<br />
EU stuften die Phthalate DEHP, DBP und BBP als fortpflanzungsgefährdend ein. Für Babyartikel und Kinderspielzeug<br />
erteilte die EU-Kommission mittlerweile ein Anwendungsverbot dieser Substanzen. Allerdings<br />
werden etwa 80 % des in der EU erhältli<strong>ch</strong>en Spielzeugs importiert.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 9
Anrei<strong>ch</strong>erung in der Umwelt<br />
Die <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Industrie ersetzt seit einigen Jahren fortpflanzungsgefährdende Phthalate vor allem dur<strong>ch</strong><br />
DIDP und DINP, die in Europa aus Vorsorgegründen für Babyartikel und Kinderspielzeug ebenso verboten<br />
sind. DIDP und DINP stehen im Verda<strong>ch</strong>t, si<strong>ch</strong> in hohem Maß in Organismen anzurei<strong>ch</strong>ern und in Boden und<br />
Sedimenten langlebig zu sein. Die hohen Einsatzmengen für Wei<strong>ch</strong>-PVC (dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> 30 %, aber au<strong>ch</strong> bis<br />
zu 70 %) und die Strukturähnli<strong>ch</strong>keit zu DEHP lassen eine starke Ausbreitung in der Umwelt erwarten.<br />
sind wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>er in Getränkeflas<strong>ch</strong>en?<br />
Getränkeflas<strong>ch</strong>en aus Kunststoff bestehen meist aus PET (Polyethylenterephthalat). Für die Produktion von<br />
PET-Flas<strong>ch</strong>en sind keine Phthalate als Wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>er erforderli<strong>ch</strong>. Problematis<strong>ch</strong> sind vor allem die Kunststoffe<br />
Polyvenyl<strong>ch</strong>lorid (PVC) und Polycarbonat (PC). Do<strong>ch</strong> selbst die genaue <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Zusammensetzungen und<br />
damit eventuelle Risiken der allgegenwärtigen PET-Flas<strong>ch</strong>en sind selbst den Flas<strong>ch</strong>en- bzw. Getränkeproduzenten<br />
meist ni<strong>ch</strong>t bekannt.<br />
warum verzi<strong>ch</strong>tet man ni<strong>ch</strong>t auf Phthalate?<br />
• Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Bedeutung: Weltweit werden ca. fünf Millionen Tonnen Phthalate jährli<strong>ch</strong> hergestellt. In<br />
der EU beträgt das Marktvolumen ca. eine Million Tonnen. Mehr als 90 % gehen in die Produktion von Wei<strong>ch</strong>-<br />
PVC.<br />
• Dur<strong>ch</strong> die Wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>er erhält PVC erst die Produkteigens<strong>ch</strong>aften, die von PVC verlangt werden. Ersatzprodukte<br />
wie Fußbodenbeläge aus Linoleum oder Kork sind wesentli<strong>ch</strong> teurer.<br />
Quellen:<br />
Umweltbundesamt Deuts<strong>ch</strong>land:<br />
www.umweltbundesamt.de/uba-info-presse/hintergrund/wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>er.pdf<br />
Greenpeace: www.greenpeace.at/uploads/media/Phthalate.pdf<br />
4<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 10
BIsPHENoL A (BPA)<br />
4<br />
Seit 1953 ist Bisphenol A (BPA) Hauptbestandteil bei der Herstellung des Kunststoffs Polycarbonat. Heute<br />
ist BPA die heute weltweit am häufigsten eingesetzte Industrie<strong>ch</strong>emikalie. Für die Polycarbonaterzeugung<br />
werden etwa 65 % der weltweiten Produktion von Bisphenol A verwendet, weitere 30 % für die Herstellung<br />
von Epoxiden und Epoxidharzen (Lacke, Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungen, Kleber, Innenbes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungen von Getränkedosen,<br />
Konservendosen, Tetrapaks, Konserven- und Flas<strong>ch</strong>endeckeln).<br />
Bei der Produktion gelangt BPA in die Umwelt und wird vor allem ständig aus Kunststoff-Gebrau<strong>ch</strong>sartikeln<br />
freigesetzt. Es wurde in der Luft, in Staub, in Oberflä<strong>ch</strong>engewässern und au<strong>ch</strong> im Meerwasser na<strong>ch</strong>gewiesen.<br />
Selbst in fris<strong>ch</strong>em Treibhausobst und in Trinkwasser aus Kunststofftanks konnte BPA gefunden werden. Obwohl<br />
Bisphenol A ni<strong>ch</strong>t natürli<strong>ch</strong> vorkommt, ist diese Chemikalie in fast allen Umweltmedien vorhanden, au<strong>ch</strong><br />
im mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Körper: im Urin, Blut, Fru<strong>ch</strong>twasser, Gebärmuttergewebe und im Blut der Nabels<strong>ch</strong>nur.<br />
Die Chemikalie beeinflusst das Hormonsystem von Mens<strong>ch</strong>en und Tieren, indem die Substanz ähnli<strong>ch</strong> wie<br />
das weibli<strong>ch</strong>e Hormon Östrogen wirkt. Stoffe mit hormonartigen Wirkungen werden als „endokrin wirksame<br />
Substanzen“ (endocrine disrupting <strong>ch</strong>emicals, EDC) bezei<strong>ch</strong>net. Das endokrine (hormonelle) System reguliert<br />
viele Körperfunktionen, dazu gehören unser Stoffwe<strong>ch</strong>sel, Immunsystem, Verhalten und Wa<strong>ch</strong>stum sowie die<br />
Organentwicklung während der S<strong>ch</strong>wangers<strong>ch</strong>aft und in der Kindheit. Die Störung des Hormonsystems dur<strong>ch</strong><br />
sol<strong>ch</strong>e Chemikalien wurde mit verfrühter Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsreife bei Mäd<strong>ch</strong>en, Übergewi<strong>ch</strong>t bei Erwa<strong>ch</strong>senen und<br />
Jugendli<strong>ch</strong>en, Diabetes Typ 2 (früher als Altersdiabetes bezei<strong>ch</strong>net), einer Zunahme an Prostata- und Brustkrebsfällen,<br />
sowie mit der Abnahme der Spermienzahl und Fehlbildungen der Sexualorgane in Verbindung<br />
gebra<strong>ch</strong>t.<br />
wie gefährli<strong>ch</strong> ist die Bisphenol A-Dosis, die wir tägli<strong>ch</strong> zu uns nehmen?<br />
Ob und ab wel<strong>ch</strong>er Dosis BPA die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gesundheit gefährdet, wird von vers<strong>ch</strong>iedenen Behörden<br />
und Wissens<strong>ch</strong>aftlern so kontrovers diskutiert wie bei kaum einer anderen Chemikalie. Die Europäis<strong>ch</strong>e<br />
Behörde für Lebensmittelsi<strong>ch</strong>erheit (EFSA) und mit ihr die Mehrheit der europäis<strong>ch</strong>en Länder sehen kein<br />
Risiko, dagegen s<strong>ch</strong>ließen die USA, Kanada und die nordis<strong>ch</strong>en Länder ein Risiko ni<strong>ch</strong>t aus. Viele profilierte<br />
Wissens<strong>ch</strong>aftler/innen weisen auf ein Risiko hin, dabei au<strong>ch</strong> auf die besondere Eigens<strong>ch</strong>aft von hormonell<br />
wirksamen Substanzen, die bereits in geringen Dosen ihre größte Wirkung zeigen – so etwa Fred vom Saal in<br />
PLASTIC PLANET.<br />
warum wird Bisphenol A ni<strong>ch</strong>t verboten?<br />
Die Meinung der Europäis<strong>ch</strong>e Behörde für Lebensmittelsi<strong>ch</strong>erheit (EFSA) und andere Behörden, die kein Risiko<br />
dur<strong>ch</strong> Bisphenol A sehen, lautet: Ein Verbot von BPA würde unweigerli<strong>ch</strong> dazu führen, dass die Hersteller von<br />
Verpackungen und Bedarfsgegenständen (Produkte für den Lebensmittelkontakt) auf andere Stoffe auswei<strong>ch</strong>en<br />
müssten, deren Toxizität weniger gut bekannt ist. Das würde bedeuten, dass ein gut <strong>ch</strong>arakterisiertes<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 11
Risiko dur<strong>ch</strong> ein deutli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter eins<strong>ch</strong>ätzbares Risiko ersetzt würde.<br />
woran erkennt man, ob ein kunststoff Bisphenol A enthält?<br />
Polycarbonat ist ein klarer und relativ stabiler und bru<strong>ch</strong>fester Kunststoff, der bis 145°C temperaturbeständig<br />
und gegenüber vielen Säuren und Ölen widerstandsfähig ist. Viele (transparente) Haushaltsgeräteteile,<br />
S<strong>ch</strong>üsseln für Lebensmittel, hitzebeständige Flas<strong>ch</strong>en wie Babyflas<strong>ch</strong>en und mikrowellengeeignete Kunststoffprodukte<br />
sowie CD-Hüllen und Lebensmittelverpackungen bestehen aus Polycarbonat. Auf dem Gegenstand<br />
oder der Verpackung kann die Abkürzung „PC“ für Polycarbonat eingeprägt oder aufgedruckt sein. Der<br />
Aufdruck ist aber keine Pfli<strong>ch</strong>t: Bisphenol A muss ni<strong>ch</strong>t gekennzei<strong>ch</strong>net werden. Die Ziffer 7 als Recyclingcode<br />
(Bezei<strong>ch</strong>nung für „andere“ als die mit den Ziffern von 1 bis 6 angegebenen Kunststoffe) gibt einen Hinweis,<br />
dass au<strong>ch</strong> Polycarbonat im Produkt enthalten sein kann.<br />
PLAsTIk DER ZUkUNFT: ALTERNATIvEN IN ENTwIckLUNG<br />
4<br />
was ist Bioplastik?<br />
Als Biokunststoff oder au<strong>ch</strong> Bioplastik (englis<strong>ch</strong>: bioplastics) werden Kunststoffe bezei<strong>ch</strong>net, die auf der Basis<br />
na<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>sender Rohstoffen erzeugt werden, so genannte bio-basierte Kunststoffe.<br />
Diese Kunststoffe können aus vers<strong>ch</strong>iedenen Rohstoffen erzeugt werden: So können sie aus Maiskörnern<br />
oder Kartoffeln bestehen, die Stärkepulver enthalten. Mit einem bestimmten Behandlungsverfahren verbinden<br />
si<strong>ch</strong> die Stärkemoleküle zu langen Molekülketten und werden zu einer zähen Masse, die zu Granulat<br />
zerkleinert wird. Ans<strong>ch</strong>ließend lassen si<strong>ch</strong> daraus Kunststoffe mit vers<strong>ch</strong>iedenen Eigens<strong>ch</strong>aften herstellen.<br />
Am weitesten fortges<strong>ch</strong>ritten ist die Entwicklung bei Plastik aus Stärke (Mais, Kartoffel), aus Polymil<strong>ch</strong>säure<br />
(PLA) und Polyhydroxy-Buttersäure (PHB).<br />
Biokunststoffe kommen vor allem als Verpackungen und für Mul<strong>ch</strong>- und Saatfolien zum Einsatz, aber au<strong>ch</strong><br />
Trinkbe<strong>ch</strong>er werden bereits aus na<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>senden Rohstoffen gefertigt. Mittlerweile gibt es sogar Handys,<br />
deren Plastikhülle aus Maisstärke besteht.<br />
Biologis<strong>ch</strong> abbaubare kunststoffe sind ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> Biokunststoffe<br />
Biologis<strong>ch</strong> abbaubare Werk- beziehungsweise Kunststoffe können au<strong>ch</strong> aus fossilen, also ni<strong>ch</strong>t erneuerbaren<br />
Rohstoffen wie Erdöl)gewonnen werden und sind daher ni<strong>ch</strong>t mit Biokunststoff glei<strong>ch</strong>zusetzen. Sie werden<br />
je na<strong>ch</strong> Anwendungsgebiet und Intention unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> definiert. Im weitesten Sinne bezei<strong>ch</strong>net man alle<br />
Materialien als bioabbaubar, die dur<strong>ch</strong> Mikroorganismen oder Enzyme, beispielsweise im Boden, abgebaut<br />
werden.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 12
4<br />
Plastik der Zukunft<br />
Biologis<strong>ch</strong> abbaubare Kunststoffe aus erneuerbaren Rohstoffen gelten zunehmend als vielverspre<strong>ch</strong>ende<br />
Alternative für die gängigen Kunststoffe aus Erdölprodukten. Der Anteil von Bioplastik liegt heute bei 0,2<br />
%. Der immer no<strong>ch</strong> konkurrenzlos niedrige Preis für Grundstoffe aus Erdöl hemmt allerdings die Entwicklung<br />
neuer Verfahren und Produkte. Optimistis<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>nungen gehen aber davon aus, dass bis zum Jahr 2030 der<br />
Anteil von Bioplastik auf 15 bis 20 % gesteigert werden könnte. Bioplastik kann eine ungiftige, biologis<strong>ch</strong><br />
abbaubare Alternative zu herkömmli<strong>ch</strong>en Kunststoffprodukten bedeuten. Do<strong>ch</strong> unter anderem muss au<strong>ch</strong> der<br />
intensive Anbau der Rohstoffe wie Weizen, Mais, Kartoffeln oder Zuckerrüben in der Ökobilanz von Bioplastik<br />
berücksi<strong>ch</strong>tigt werden: Es besteht die Gefahr eines großen Pestizid- oder Gente<strong>ch</strong>nikeinsatzes oder<br />
klimas<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>er Emissionen dur<strong>ch</strong> lange Transportwege. Biokunststoff ist ni<strong>ch</strong>t grundsätzli<strong>ch</strong> eine na<strong>ch</strong>haltige<br />
Lösung für die Umwelt. Zudem ist Bioplastik, wie si<strong>ch</strong> in PLASTIC PLANET zeigt, au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t notwendig<br />
„gesundes“ Plastik: Au<strong>ch</strong> Bioplastik kann mit Wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>ern versetzt sein.<br />
Eine gute Alternative mit Hilfe riskanter Gente<strong>ch</strong>nik?<br />
Die Biote<strong>ch</strong>nologie, die Bakterien zu industriellen Zwecken einsetzt, ist erst am Anfang. Aus dem Material,<br />
das Mil<strong>ch</strong>säurebakterien erzeugen, kann Bioplastik hergestellt werden. Mit Hilfe der Genfors<strong>ch</strong>ung sollen<br />
si<strong>ch</strong> die Eigens<strong>ch</strong>aften der Bakterien einerseits genau bestimmen und andererseits optimieren lassen. In den<br />
USA sind Plastikartikel aus Bakterien bereits am Markt. No<strong>ch</strong> sind sie etwas teurer als herkömmli<strong>ch</strong>e Produkte.<br />
Bioplastik leistbar ma<strong>ch</strong>en sollen DNA-Eingriffe, die für ein s<strong>ch</strong>nelleres Wa<strong>ch</strong>stum der Bakterien sorgen,<br />
um den Produktionsprozess zu bes<strong>ch</strong>leunigen. Umwelts<strong>ch</strong>utzorganisationen begrüßen die Entwicklung von<br />
Bioplastik aus erneuerbaren Rohstoffen, kritisieren aber den Einsatz von genetis<strong>ch</strong> veränderten Organismen<br />
vehement. Denn die Auswirkungen der Gente<strong>ch</strong>nik auf Mens<strong>ch</strong> und Umwelt sind ni<strong>ch</strong>t ausrei<strong>ch</strong>end erfors<strong>ch</strong>t<br />
und stellen ein unvorhersagbares Risiko dar.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 13
sTATEMENTs voN INTERNATIoNALEN wIssENscHAFTLERINNEN ZU PLAsTIk<br />
4<br />
PATRIcIA HUNT<br />
Die renommierte Genfors<strong>ch</strong>erin Patricia Hunt wirkt an der Case Western University, Cleveland, Ohio. 2003<br />
gelang es ihrem Fors<strong>ch</strong>erteam erstmals, dur<strong>ch</strong> Untersu<strong>ch</strong>ungen an Mäusen na<strong>ch</strong>zuweisen, dass die Verabrei<strong>ch</strong>ung<br />
von BPA selbst in niedrigen Dosen bereits erbguts<strong>ch</strong>ädigend wirken und zum Beispiel das bekannte<br />
Dowsyndrom verursa<strong>ch</strong>en kann. (Titel der Studie: „Bisphenol A Exposure Causes Meiotic Aneuploidy in the<br />
Female Mouse“) Dur<strong>ch</strong> reinen Zufall stieß die Molekularbiologin 1998 auf die Gefahren der weitverbreiteten<br />
Industrie<strong>ch</strong>emikalie Bisphenol A: Fors<strong>ch</strong>er der Case Western University hatten Plastikkäfige und Plastikwasserflas<strong>ch</strong>en<br />
von Labormäusen mit einem s<strong>ch</strong>arfen Reinigungsmittel behandelt. Plötzli<strong>ch</strong> kam es zu einem<br />
sprunghaften und unerklärli<strong>ch</strong>en Anstieg an Fehlsegregationen unter den Mäusen. Bis zu 40 Prozent aller<br />
meiotis<strong>ch</strong>en Teilungen zeigten Defekte. Diese gravierenden Erbgutstörungen konnte Patricia Hunt s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />
mit der Ans<strong>ch</strong>affung neuer Käfige korrelieren. Die Käfige und die darauf montierten Wasserflas<strong>ch</strong>en enthielten<br />
Polycarbonat, das bei Bes<strong>ch</strong>ädigung - z.B. wenn Mäuse daran knabbern oder aggressive Reinigungsmittel<br />
eingesetzt werden - Bisphenol A freisetzt. BPA konnte dur<strong>ch</strong> Patricia Hunt eindeutig als der Stoff identifiziert<br />
weden, der diese Chromosomfehlverteilungen auslöste. Weitere Tests des Fors<strong>ch</strong>erteams ergaben, dass<br />
Chromosomens<strong>ch</strong>äden an Mäuseweb<strong>ch</strong>en über Generationen hinweg wirken. „Die Chemikalie s<strong>ch</strong>eint die Enkel<br />
der behandelten Mäuse zu beeinflussen, es ist also eine Art ´Großmutter-Effekt´, beri<strong>ch</strong>tet Hunt. Bisphenol<br />
A könnte in glei<strong>ch</strong>er Weise au<strong>ch</strong> die Entwicklung mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Eizellen stören, befür<strong>ch</strong>tet die Fors<strong>ch</strong>erin.<br />
Die von ihr beoba<strong>ch</strong>teten Chromosomendefekte spielen bei Fehlgeburten eine Rolle, Extra<strong>ch</strong>romosomen sind<br />
die Ursa<strong>ch</strong>e von genetis<strong>ch</strong> bedingten Krankheiten wie dem Down-Syndrom.<br />
cAPTAIN cHARLEs MooRE<br />
Der Kapitän und wohlhabende Erbe eines US-Ölunternehmens Charles Moore entdeckte 1994 das sogenannte<br />
„North Pacific Gyre", einen Tausende von Kilometern großen Plastikmüllteppi<strong>ch</strong> im Nordpazifik, etwa<br />
1.600 Kilometer vor der Küste Kaliforniens entfernt. Moore gründete daraufhin die Algalita Marine Resear<strong>ch</strong><br />
Stiftung, um das Phänomen zu erfors<strong>ch</strong>en. Er s<strong>ch</strong>ätzt, dass die Große Pazifis<strong>ch</strong>e Müllhalde heute aus 100<br />
Millionen Tonnen Treibgut besteht. Weiters konnte Moore feststellen, dass Müll, der vom Nordpazifikwirbel<br />
erfasst wird, bis zu 16 Jahre lang in diesem Gebiet bleibt. Moore bemerkt außerdem, dass bis zu se<strong>ch</strong>s<br />
Kilogramm Plastikabfall dort auf einen Kilogramm natürli<strong>ch</strong> vorkommenden Planktons kommen. Laut UNEP,<br />
dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, sind 90 Prozent des gesamten Ozeanmülls Plastik; auf jedem<br />
Quadratkilometer Meeresflä<strong>ch</strong>e befinden si<strong>ch</strong> 18.000 Plastikteile. Außerdem ist Plastikmüll, der von Tieren<br />
oft für Nahrung gehalten wird, für den Tod von über einer Million Seevögeln und von über 100.000 Meeressäugern<br />
verantwortli<strong>ch</strong>, s<strong>ch</strong>ätzt das UNEP. Der subtropis<strong>ch</strong>e Wirbel des Nordpazifik dur<strong>ch</strong>misst eine weite<br />
Strecke, und das Wasser fließt dort in einer langsamen Spirale im Uhrzeigersinn. Dadur<strong>ch</strong> dass die Winde<br />
s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> sind, treibt die Strömung alle s<strong>ch</strong>wimmenden Stoffe ins Zentrum des Wirbels so dass der Kunststoffunrat<br />
wird ni<strong>ch</strong>t an Land gespült werden kann. Moore stellte fest, dass bis zu se<strong>ch</strong>s Kilogramm Plastikabfall<br />
dort auf einen Kilogramm natürli<strong>ch</strong> vorkommenden Planktons kommen. Verheerende gesundheitli<strong>ch</strong>e Folgen<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 14
4<br />
könnte die Müllsuppe au<strong>ch</strong> für Mens<strong>ch</strong>en haben. Das Plastikgranulat fungiert als „<strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>wamm“ für<br />
Pestizide und andere S<strong>ch</strong>adstoffe, die so in die Nahrungskette gelangen. „Was in den Ozean kommt, kommt<br />
in die Tiere und am Ende wieder auf unsere Tis<strong>ch</strong>e“ sagt Moore.<br />
PETER FRIGo<br />
Dr Peter Frigo ist Hormonspezialist und Fa<strong>ch</strong>arzt für Frauenheilkunde und hat si<strong>ch</strong> auf die Gebiete „Östrogene<br />
in der Umwelt“, „Hormone und Krebs“, „neue Ultras<strong>ch</strong>allte<strong>ch</strong>niken“ sowie „hormonelle Probleme der Frau“<br />
spezialisiert. Dr Frigo unterri<strong>ch</strong>tet an der Universität Wien und ist Autor zahlrei<strong>ch</strong>er internationaler wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er<br />
Publikationen (s. unten). Das Ergebnis seiner Analysen von Abwässern zeigt die Prevalenz von<br />
Xenoestrogenen in der Umwelt, was na<strong>ch</strong> Meinung des Experten einerseits auf aktuelle Verhütungsmethoden<br />
(Pille), andererseits auf Industrie<strong>ch</strong>emikalien wie DDT, Bisphenol A und Phthalate zurückzuführen ist. Dr Frigo<br />
sieht darin eine mögli<strong>ch</strong>e Ursa<strong>ch</strong>e für abnehmende Fru<strong>ch</strong>tbarkeitsraten und die Zunahme von hormonabhängigen<br />
Tumoren. Frigo setzt si<strong>ch</strong> in Fa<strong>ch</strong> - und Populär – Zeits<strong>ch</strong>riften mit internationalen Studien über die<br />
Auswirkungen von Hormonen und hormonähnli<strong>ch</strong>en Substanzen auf die Fortpflanzungsfähigkeit, Karzinomhäufigkeit<br />
sowie Auswirkungen auf die Intelligenz des Mens<strong>ch</strong>en auseinander. Sein Bu<strong>ch</strong> „Die Frau der Zukunft“<br />
bes<strong>ch</strong>reibt, wie Gesundheit, S<strong>ch</strong>önheit und Wohlbefinden dur<strong>ch</strong> gezielte Hormontherapien gesteigert werden<br />
können. Dr Frigo bes<strong>ch</strong>reibt darin die wi<strong>ch</strong>tigsten Hormone, zeigt wie sie wirken und wel<strong>ch</strong>en Einfluss sie auf<br />
die Lebensqualität des Mens<strong>ch</strong>en haben. Der Hansdampf in allen Gassen hat au<strong>ch</strong> einen functional Drink auf<br />
der Basis von bioaktiven Pflanzenstoffen „Beauty & Power“ entwickelt.<br />
scoTT BELcHER<br />
Der Pharmakologe und Zellbiophysiker Scott Bel<strong>ch</strong>er von der University of Cincinnati konnte erstmals im<br />
Tierversu<strong>ch</strong> beweisen, dass Bisphenol A gerade in kleinsten Dosierungen die Hirnentwicklung beeinflusst.<br />
Die Substanz entfaltete in Bel<strong>ch</strong>ers Tierversu<strong>ch</strong>en wenige Minuten na<strong>ch</strong> Verabrei<strong>ch</strong>ung eine verheerende<br />
Wirkung: Sie stoppte den Signalweg des weibli<strong>ch</strong>en Sexualhormons Östrogen und damit die natürli<strong>ch</strong>e Entwicklung<br />
der Gehirnzellen - unabhängig vom Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t der Tiere. Bel<strong>ch</strong>er warnt davor, dass BPA insbesondere<br />
in jenen winzigen Mengen extrem zu wirken, denen der Mens<strong>ch</strong> im Alltag ausgesetzt ist. Je niedriger<br />
die Konzentration der Substanz, desto höher war in Bel<strong>ch</strong>ers Versu<strong>ch</strong>en die s<strong>ch</strong>ädigende Wirkung auf das<br />
Hirngewebe. Weiters hält Bel<strong>ch</strong>er es für „sehr wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>“, dass es die bei den Ratten beoba<strong>ch</strong>tete<br />
Wirkung au<strong>ch</strong> beim Mens<strong>ch</strong>en gibt. „Es gibt zwar wi<strong>ch</strong>tige Unters<strong>ch</strong>iede zwis<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong>en und Nagetieren“,<br />
so Bel<strong>ch</strong>er, „aber BPA hatte bisher bei jeder Art von Tieren - seien es Säugetiere, Fis<strong>ch</strong>e oder Amphibien<br />
- ähnli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>e Effekte.“ Do<strong>ch</strong> der neurotoxis<strong>ch</strong>e Effekt, den BPA auf das hormonelle System ausübt,<br />
dürfte weitaus größer sein als bislang angenommen. Um wel<strong>ch</strong>e Größenordnungen es si<strong>ch</strong> handelt, verdeutli<strong>ch</strong><br />
ein Verglei<strong>ch</strong>. Die von Bel<strong>ch</strong>er ausgema<strong>ch</strong>te toxis<strong>ch</strong>e Dosis entspri<strong>ch</strong>t in etwa der Menge eines Fünftel<br />
Würfelzuckers, der in einem Stausee mit 2,7 Milliarden Litern Wasser aufgelöst ist. Chemis<strong>ch</strong> ausgedrückt<br />
sind das etwa 0,23 Teile pro Trillion (ppt) oder 0,23 Nanogramm Bisphenol A pro Kilogramm Trägermaterial.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 15
4<br />
FRED voM sAAL<br />
Der Biologe Frederick vom Saal untersu<strong>ch</strong>t die Einflüsse von natürli<strong>ch</strong>en und synthetis<strong>ch</strong>en Hormonen und<br />
zählt heute zu den renommiertesten Wissens<strong>ch</strong>aftlern auf dem Gebiet der Endokrinologie. Vom Saal gilt als<br />
Wort führender Kritiker von Bisphenol A, einer der wi<strong>ch</strong>tigsten und meistproduzierten Chemikalien der Welt;<br />
drei Millionen Tonnen werden davon jährli<strong>ch</strong> produziert mit einem Umsatz in Milliardenhöhe. (Als Grundstoff<br />
zur Herstellung von Polykarbonat-Kunststoffen und Kunstharzen ist BPA allgegenwärtig: es steckt in Autoteilen,<br />
Baustoffen, CDs, Zahnfüllungen, Lebensmittelverpackungen und Babyfläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en. Aber es entwei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong><br />
in die Umwelt, gelangt etwa ins Grundwasser oder in den Hausstaub.) Seit Jahrzehnten ist die hormonelle<br />
Wirkung von Bisphenol A bekannt – unbekannt ist bisher aber die gesundheitss<strong>ch</strong>ädigende Wirkung, die<br />
bereits ganz geringe Dosen der Chemikalie verursa<strong>ch</strong>en können. Seit 1995 finden vom Saals Untersu<strong>ch</strong>ungen<br />
Hinweise darauf, dass BPA bereits in minimalen Dosen die Spermienproduktion verringert, die Entwicklung<br />
des Gehirns beeinflusst, das Gewi<strong>ch</strong>t der Prostata erhöht oder Veränderungen des Erbguts bewirkt, deren<br />
Auswirkungen si<strong>ch</strong> erst na<strong>ch</strong> Generationen zeigen. Diese endokrinologis<strong>ch</strong>e Realität widerspri<strong>ch</strong>t einer der<br />
ältesten Grundsätze toxikologis<strong>ch</strong>er Fors<strong>ch</strong>ungen, der seit dem 16. Jahrhundert unbestritten ist: Die Dosis<br />
ma<strong>ch</strong>t das Gift. Fred vom Saal stellt in seine Studien eindrucksvoll unter Beweis, dass Paracelsus’ Theorie auf<br />
dem Gebiet der... ni<strong>ch</strong>t anwendbar ist, und spaltet damit die Wissens<strong>ch</strong>aft. Weltweite mediale Aufmerksamkeit<br />
erlangte vom Saal ni<strong>ch</strong>t allein auf Grund seiner bemerkenswerten Fors<strong>ch</strong>ungsergebnisse, sondern au<strong>ch</strong><br />
dur<strong>ch</strong> seine s<strong>ch</strong>arfe Kritik an namhaften Chemiekonzernen, die er bes<strong>ch</strong>uldigt, Studienergebnisse gezielt zu<br />
manipulieren. Um dies zu beweisen, prüfte vom Saal insgesamt 163 Niedrigdosis-Studien, die bis November<br />
2006 veröffentli<strong>ch</strong>t worden waren. Dabei stellte er fest, dass 138 der 152 öffentli<strong>ch</strong> finanzierten Studien auf<br />
S<strong>ch</strong>äden hinweisen, während sämtli<strong>ch</strong>e elf industriell gesponserten Studien keine Hinweise auf S<strong>ch</strong>äden<br />
fanden. Er zeigt auf, wie si<strong>ch</strong> mit subtilen Tricks die Resultate von Untersu<strong>ch</strong>ungen in gewüns<strong>ch</strong>te Ri<strong>ch</strong>tungen<br />
lenken lassen und polarisiert mit Aussagen wie „Das Resultat einer Studie hängt offenbar davon ab, wer sie<br />
bezahlt.“ Fred vom Saal lehrt und fors<strong>ch</strong>t gegenwärtig an der Universität von Missouri, USA.<br />
sUsAN JoBLING<br />
Susan Jobling ist Umweltwissens<strong>ch</strong>aftlerin, ihr spezielles Interesse gilt endokriner Disruption in Gewässern.<br />
Jobling war unter den ersten Wissens<strong>ch</strong>aftlern, die das Phänomen der Intersexfis<strong>ch</strong>e (Fis<strong>ch</strong>e mit männli<strong>ch</strong>en<br />
und weibli<strong>ch</strong>en Fortpflanzungsorganen) untersu<strong>ch</strong>ten. Als Leiterin einer umfassenden Studie der britis<strong>ch</strong>en<br />
Brunel University, die drei Jahre lang Wasserproben aus 30 Flüssen Englands analysierte, weiß Jobling:<br />
Chemis<strong>ch</strong>e Ursa<strong>ch</strong>en für Hormons<strong>ch</strong>äden bei Tier und Mens<strong>ch</strong> seien weitaus komplexer als bisher angenommen.<br />
Sie weist die Argumente der Kunststoffindustrie, Tests an Fis<strong>ch</strong>en, Mäusen etc wären ni<strong>ch</strong>t auf den<br />
Mens<strong>ch</strong>en übertragbar, vehement zurück. „Dieselbe Kombination der die Fis<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>ädigenden Chemikalien<br />
ruft beim Mens<strong>ch</strong>en wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> dieselben Effekte hervor“, so die Biologin. In enger Zusammenarbeit<br />
mit Regierungen, Agenturen, akademis<strong>ch</strong>en Einri<strong>ch</strong>tungen und der Industrie will Jobling ergründen, wel<strong>ch</strong>e<br />
Chemikalien die Fortpflanzungsfähigkeit des Mens<strong>ch</strong>en so negativ beeinflussen.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 16
4<br />
kLAUs RHoMBERG<br />
Klaus Rhomberg ist Fa<strong>ch</strong>arzt für Medizinis<strong>ch</strong>e Biologie in Innsbruck. Er kommt aus der Humangenetik und bes<strong>ch</strong>äftigt<br />
si<strong>ch</strong> seit über 20 Jahren mit den Auswirkungen von S<strong>ch</strong>adstoffen auf den mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Organsimus.<br />
In seinen Studien warnt er vor den S<strong>ch</strong>adstoffeinflüssen auf das Kind im Mutterleib und vor der zunehmenden<br />
Unfru<strong>ch</strong>tbarkeit dur<strong>ch</strong> Umweltgifte. Kritik an Industriestudien wie vom Saal: „1986 zum Beispiel ist vom Bayeris<strong>ch</strong>en<br />
Landwirts<strong>ch</strong>aftsministerium eine Studie herausgekommen, wo der S<strong>ch</strong>adstoffgehalt von Biogemüse<br />
mit Industriegemüse vergli<strong>ch</strong>en wird. Da kommt heraus es ist kein Unters<strong>ch</strong>ied. Die Studie wurde von BASF,<br />
Hö<strong>ch</strong>st und no<strong>ch</strong> einer dritten Groß<strong>ch</strong>emiefirma gesponsert. Zwei Jahre später wurde in Tutzing eine kleine<br />
Pressekonferenz einberufen, wo diese Studie fundamental zerpflückt worden ist. Von der Probenziehung über<br />
die Analyse bis zum Weglassen der brisantesten Werte.“<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 17
sTUDIEN<br />
cHEMIkALIEN scHADEN DER FoRTPFLANZUNG<br />
Zusammenfassung der Greenpeace-studie<br />
„our reproductive health and <strong>ch</strong>emical exposure“<br />
„A PREsENT FoR LIFE“:<br />
GEFäHRLIcHE cHEMIkALIEN IM NABELscHNURBLUT<br />
Zusammenfassung der studie von wwF und Greenpeace<br />
4<br />
ENDokRINE sTöRFAkToREN: ALLGEMEINE BETRAcHTUNGEN, AM BEIsPIEL<br />
voN BIsPHENoL A UND PHTALATEN<br />
Prof. Jacques Diezi, biologis<strong>ch</strong>e und Medizinis<strong>ch</strong>e Fakultät Universität Lausanne<br />
HoRMoNE IN DER BAByFLAscHE<br />
Bisphenol A: Bispiele einer verfehleten <strong>ch</strong>emikalienpolitik<br />
Bund für Umqwelt- und Naturs<strong>ch</strong>utz Deuts<strong>ch</strong>land<br />
HoRMoNELL wIRkENDE sUBsTANZEN IN MINERALwAssER<br />
AUs PET-FLAscHEN<br />
Information Nr. 006/2009 des BfR vom 18. März 2009 zu einer studie der Universität<br />
Frankfurt am Main<br />
NEUE sTUDIEN ZU BIsPHENoL A sTELLEN DIE BIsHERIGE RIsIkoBEwERTUNG<br />
NIcHT IN FRAGE<br />
Information Nr. 036/2008 des BfR vom 19. september 2008<br />
FAkTENBLATT BIsPHENoL A<br />
Eidgenössis<strong>ch</strong>es Departement des Innern EDI<br />
Bundesamt für Gesundheit BAG<br />
Februar 2009<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 18
Chemikalien s<strong>ch</strong>aden der<br />
Fortpflanzung<br />
Zusammenfassung der Greenpeace-Studie<br />
„Our reproductive health and <strong>ch</strong>emical exposure“<br />
Immer mehr Studien weisen darauf hin,<br />
dass die zunehmende Belastung des<br />
Mens<strong>ch</strong>en mit Chemikalien die Fortpflanzung<br />
stören kann. Au<strong>ch</strong> wenn die genauen<br />
Zusammenhänge no<strong>ch</strong> diskutiert werden:<br />
Parallel zur Zunahme der Störungen hat<br />
au<strong>ch</strong> die Herstellung und Verwendung von<br />
Chemikalien zugenommen.<br />
S<strong>ch</strong>ätzungsweise 100.000 Chemikalien<br />
werden mittlerweile weltweit produziert.<br />
Deren Nutzung führt unvermeidli<strong>ch</strong> zur<br />
Belastung der Umwelt und damit au<strong>ch</strong> des<br />
Mens<strong>ch</strong>en. Über 300 vers<strong>ch</strong>iedene Chemikalien<br />
lassen si<strong>ch</strong> mittlerweile in unserem<br />
Körper na<strong>ch</strong>weisen. Und selbst am<br />
Ursprung des Lebens - im Mutterleib - sind<br />
unsere Kinder ni<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong>er vor S<strong>ch</strong>adstoffen.<br />
Die neue Greenpeace-Studie „Chemical<br />
Exposure and Reproductive Health“ (Mai<br />
2006) fasst den derzeitigen Wissensstand<br />
zusammen. Greenpeace fordert, dass<br />
gefährli<strong>ch</strong>e Chemikalien ersetzt werden,<br />
wenn es bessere Alternativen gibt. Die EU<br />
darf die geplante Chemikalienverordnung<br />
REACH ni<strong>ch</strong>t weiter aufwei<strong>ch</strong>en.<br />
Es mehren si<strong>ch</strong> die Anzei<strong>ch</strong>en, dass zwis<strong>ch</strong>en<br />
der Zunahme von Fortpflanzungsproblemen<br />
und der steigenden Belastung mit Chemikalien<br />
ein Zusammenhang besteht. Dies belegen<br />
Na<strong>ch</strong>weise von S<strong>ch</strong>adstoffen im mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />
Körper, Erkenntnisse über den Zusammenhang<br />
von Chemikalienbelastungen und dem Auftreten<br />
bestimmter Krankheiten oder Informationen<br />
über die Auswirkungen einzelner Chemikalien<br />
aus Laboruntersu<strong>ch</strong>ungen.<br />
Krankheiten bei Männern<br />
In den letzten 50 Jahren hat die<br />
Spermienkonzentration dramatis<strong>ch</strong><br />
abgenommen. In einigen europäis<strong>ch</strong>en<br />
Ländern haben 20 Prozent der jungen<br />
Männer eine zu niedrige Spermiendi<strong>ch</strong>te.<br />
Die Zahl der Hodenkrebsfälle ist signifikant<br />
gestiegen.<br />
2 - 5 Prozent der neugeborenen Jungen<br />
haben einen leeren Hodensack (Kryptor<strong>ch</strong>ismus)<br />
- Tendenz steigend: Die Hoden stecken<br />
no<strong>ch</strong> in der Bau<strong>ch</strong>höhle oder im Leistenkanal.<br />
Fehlbildungen der Harnröhre (Hypospadie)<br />
kommen heute in den USA doppelt so häufig<br />
vor wie in den 70er Jahren.<br />
In einigen Regionen geht die Anzahl der<br />
neugeborenen Jungen im Verglei<strong>ch</strong> zur<br />
Geburt von Mäd<strong>ch</strong>en zurück.<br />
Krankheiten bei Frauen<br />
In einigen Regionen setzt die Pubertät bei<br />
Mäd<strong>ch</strong>en immer früher ein.<br />
In man<strong>ch</strong>en Ländern erkranken sehr viele<br />
Frauen an Endometriose 1 . Es gibt Hinweise,<br />
dass die Belastung mit Chemikalien hierbei<br />
eine Rolle spielt.<br />
Steigende Belastung<br />
In den Industrieländern ist die Zahl der unfru<strong>ch</strong>tbaren<br />
Paare seit Anfang der se<strong>ch</strong>ziger<br />
Jahre von 7-8 Prozent auf heute 15-20 Prozent<br />
gestiegen. Viele Reproduktionsstörungen<br />
werden vermutli<strong>ch</strong> bereits im Embryonalstadium<br />
verursa<strong>ch</strong>t. Daher ist es besonders<br />
bedenkli<strong>ch</strong>, dass viele Chemikalien bereits das<br />
ungeborene Leben belasten. So wurden im Blut<br />
der Nabels<strong>ch</strong>nur die S<strong>ch</strong>adstoffe Alkylphenole,<br />
bromierte Flamms<strong>ch</strong>utzmittel, synthetis<strong>ch</strong>e<br />
Mos<strong>ch</strong>usduftstoffe, Phthalate und Bisphenol-A<br />
na<strong>ch</strong>gewiesen. Zudem rei<strong>ch</strong>ern si<strong>ch</strong> viele<br />
Chemikalien in der Muttermil<strong>ch</strong> an - neben<br />
Föten und Embryos sind also au<strong>ch</strong> Kleinkinder<br />
besonders gefährdet. Eine aktuelle Studie<br />
zeigt, dass Phthalate in der Muttermil<strong>ch</strong> bei drei<br />
Monate alten Jungen zu einer Veränderung der<br />
1 Gutartige Wu<strong>ch</strong>erungen der Gebärmutters<strong>ch</strong>leimhaut (Endometrium)<br />
außerhalb der Gebärmutter.<br />
V.i.S.d.P.:Ulrike Kallee, Greenpeace e.V., Große Elbstraße 39, 22767 Hamburg Mai 2006 · Seite 1<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 19
Reproduktionshormone führen. Das untermauert<br />
die These, dass die Hoden äußerst<br />
sensibel auf Industrie<strong>ch</strong>emikalien reagieren.<br />
Wirkung einzelner Chemikalien<br />
Bislang wurde vor allem erfors<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>e<br />
Dosis eines S<strong>ch</strong>adstoffs über kurze Zeit tödli<strong>ch</strong><br />
wirkt. Dabei kann bereits eine deutli<strong>ch</strong> geringere<br />
Belastung zu weitrei<strong>ch</strong>enden - wenn au<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t unmittelbar tödli<strong>ch</strong>en - S<strong>ch</strong>ädigungen<br />
führen. Langzeitbelastungen wurden bisher<br />
relativ wenig untersu<strong>ch</strong>t. Denno<strong>ch</strong> ist der ursä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />
Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en bestimmten<br />
S<strong>ch</strong>adstoffen und Reproduktionsstörungen<br />
dur<strong>ch</strong> Laboruntersu<strong>ch</strong>ungen eindeutig<br />
bewiesen:<br />
1. Alkylphenole und verwandte Chemikalien<br />
Verwendung:<br />
Früher: Reinigungsmittel im gewerbli<strong>ch</strong>en<br />
Berei<strong>ch</strong> und Haushaltsreiniger 2.<br />
Textil- und Lederverarbeitung<br />
Hygieneartikel<br />
Pestizidproduktion<br />
Auswirkung:<br />
Stört das Hormonsystem<br />
Verringert die männli<strong>ch</strong>e Fru<strong>ch</strong>tbarkeit, die<br />
Hodengröße und die Spermienqualität<br />
Phthalate<br />
Verwendung:<br />
Wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>er in PVC und spezifis<strong>ch</strong>en Polymer-Applikationen<br />
Geliermittel<br />
Lösemittel und Fixierstoff in Kosmetika und<br />
Hygieneartikeln<br />
Auswirkung:<br />
Toxis<strong>ch</strong> für die Hoden<br />
Verringert der Abstand zwis<strong>ch</strong>en Anus und<br />
Peniswurzel (anogenitale Distanz)<br />
Führt zu Penisspaltung, Hypospadie, Kryptor<strong>ch</strong>ismus<br />
2 Zahlrei<strong>ch</strong>e Anwendungen von Nonylphenol und Nonylphenol-<br />
Verbindungen sind seit kurzem europaweit untersagt (26.<br />
Änderung der Ri<strong>ch</strong>tlinie 76/769). S<strong>ch</strong>einbar gibt es freiwillige Vereinbarungen<br />
der Industrie, auf Octylphenol und Octylphenol-Verbindungen<br />
zu verzi<strong>ch</strong>ten, im Vorgriff auf die abs<strong>ch</strong>ließende Risikobewertung<br />
dur<strong>ch</strong> die EU. Außerhalb der EU gibt es nur geringe<br />
Auflagen und beide Stoffe sind immer no<strong>ch</strong> weit verbreitet, u.a. in<br />
gewerbli<strong>ch</strong>en Reinigungsprodukten und Haushaltsreinigern.<br />
Reduziert die Fru<strong>ch</strong>tbarkeit von Männern<br />
und Frauen<br />
S<strong>ch</strong>ädigt das Kind im Mutterleib (mögli<strong>ch</strong>e<br />
Folgen: Fehlgeburt oder Missbildungen)<br />
2. Bromierte Flamms<strong>ch</strong>utzmittel<br />
Verwendung:<br />
Flamms<strong>ch</strong>utzmittel in Elektrogeräten, Fahrzeugen,<br />
Leu<strong>ch</strong>tmitteln, elektris<strong>ch</strong>en<br />
Leitungen, Textilien, Innenausstattungen<br />
und Dämmstoffen wie Polystyrol<br />
Auswirkung:<br />
Ahmt die Wirkung von Östrogen na<strong>ch</strong><br />
Führt zu angeborenen Missbildungen bei<br />
Nagetieren<br />
S<strong>ch</strong>ädigt das Nervensystem und führt zu<br />
Verhaltensstörungen<br />
3. Organozinn Verbindungen<br />
Verwendung<br />
UV-Stabilisator von PVC<br />
Agrar<strong>ch</strong>emikalien und Biozide<br />
Bewu<strong>ch</strong>shemmer<br />
Katalysatoren<br />
Auswirkung:<br />
Stört die Bildung von Steroidhormonen<br />
S<strong>ch</strong>ädigt das Kind im Mutterleib (u.a. Fehlentwicklung<br />
der Genitalien beim männli<strong>ch</strong>en<br />
Fötus)<br />
4. Bisphenol A<br />
Verwendung:<br />
Produktion von Polycarbonaten, z.B. für<br />
Nuckelflas<strong>ch</strong>en, CDs, Motorads<strong>ch</strong>ilde<br />
Produktion von Epoxidharzen, z.B. zur<br />
Verpackung von Lebensmitteln<br />
Auswirkung:<br />
Ahmt die Wirkung von Östrogen na<strong>ch</strong><br />
Verändert die männli<strong>ch</strong>en Genitalien<br />
Verfrüht das Einsetzen der Pubertät<br />
Reduziert die Stillfähigkeit<br />
Vorsorgeprinzip anwenden<br />
Au<strong>ch</strong> wenn wir no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mit absoluter<br />
Si<strong>ch</strong>erheit sagen können, dass die<br />
zunehmenden Reproduktionsprobleme auf<br />
Chemikalien zurückzuführen sind: Die Anzei-<br />
V.i.S.d.P.:Ulrike Kallee, Greenpeace e.V., Große Elbstraße 39, 22767 Hamburg Mai 2006 · Seite 2<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 20
<strong>ch</strong>en müssen ernst genommen werden – es<br />
müssen endli<strong>ch</strong> Vorsorgemaßnahmen für den<br />
Umgang mit Besorgnis erregenden<br />
Chemikalien getroffen werden. Dafür sind<br />
Gesetze erforderli<strong>ch</strong>, die Mens<strong>ch</strong> und Umwelt<br />
vor der forts<strong>ch</strong>reitenden Belastung mit<br />
Chemikalien s<strong>ch</strong>ützen.<br />
Die Europäis<strong>ch</strong>e Union arbeitet an einer Verordnung<br />
REACH (Registration, Evaluation and<br />
Authorisation of Chemicals), die die Herstellung<br />
und Verwendung von Chemikalien zukünftig<br />
regeln soll. REACH könnte die Belastung mit<br />
einigen der gefährli<strong>ch</strong>sten Chemikalien verringern,<br />
wenn diese aus dem Verkehr gezogen<br />
und dur<strong>ch</strong> weniger gefährli<strong>ch</strong>e Alternativen<br />
ersetzt werden.<br />
Ende 2005 hat si<strong>ch</strong> das Europäis<strong>ch</strong>e Parlament<br />
dafür ausgespro<strong>ch</strong>en, dass Krebs erregende,<br />
Erbgut s<strong>ch</strong>ädigende oder reproduktionstoxis<strong>ch</strong>e<br />
Chemikalien mögli<strong>ch</strong>st dur<strong>ch</strong> Alternativstoffe<br />
ersetzt werden. Nur kurze Zeit später<br />
haben die Minister im EU-Wettbewerbsrat den<br />
Parlamentsbes<strong>ch</strong>luss allerdings ents<strong>ch</strong>eidend<br />
abges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>t: Da man die Risiken dieser<br />
besonders gefährli<strong>ch</strong>en Chemikalien „angemessen<br />
beherrs<strong>ch</strong>en“ könne, wollen sie die<br />
Verwendung dieser Stoffe weiter zulassen.<br />
Greenpeace fordert, diesen Bes<strong>ch</strong>luss unbedingt<br />
zu ändern.<br />
Greenpeace fordert:<br />
Gefährli<strong>ch</strong>e Chemikalien müssen ersetzt<br />
werden, wenn es bessere Alternativen gibt!<br />
Nur so können S<strong>ch</strong>ädigungen dur<strong>ch</strong><br />
reproduktionstoxis<strong>ch</strong>e und hormonell<br />
wirksame S<strong>ch</strong>adstoffe verhindert werden.<br />
Die Minister im EU-Wettbewerbsrat müssen<br />
den Bes<strong>ch</strong>luss im Europaparlament<br />
übernehmen.<br />
Ausrei<strong>ch</strong>ende Daten über Chemikalien<br />
müssen vorliegen!<br />
Die EU muss dafür sorgen, dass<br />
Produzenten und Importeure von<br />
Chemikalien ausrei<strong>ch</strong>ende Informationen<br />
über die Auswirkungen vorlegen. Nur dann<br />
können bisher unentdeckte Chemikalien<br />
erkannt werden, die zum Beispiel reproduktionstoxis<strong>ch</strong><br />
sind oder das Hormonsystem<br />
stören.<br />
Rückfragen an:<br />
• Ulrike Kallee, Greenpeace Deuts<strong>ch</strong>land,<br />
ulrike.kallee@greenpeace.de,<br />
Tel. +49-40-30618-328<br />
Komplette Studie:<br />
„Chemical exposure and reproductive health: A<br />
review of evidence for links between declines in<br />
human reproductive health and our exposure to<br />
hazardous <strong>ch</strong>emicals,Greenpeace, Mai 2006<br />
http://www.greenpeace.org/fragile.<br />
Weitere Lesetipps<br />
Chemie und Gesundheit<br />
A present for life: Hazardous <strong>ch</strong>emicals in umbilical<br />
cord blood, Greenpeace International/WWF,<br />
September 2005<br />
http://www.greenpeace.de/themen/<strong>ch</strong>emie/gefahren_risiken/artike<br />
l/studie_gefaehrli<strong>ch</strong>e_<strong>ch</strong>emikalien_im_nabels<strong>ch</strong>nurblut/<br />
Über 300 S<strong>ch</strong>adstoff in der Muttermil<strong>ch</strong>: Zeit für eine<br />
neue Chemikalienpolitik, BUND, Juni 2005<br />
http://www.bund.net/lab/reddot2/pdf/studie_muttermil<strong>ch</strong>.pdf<br />
Chemical Legacy: Contamination of the Child,<br />
Greenpeace UK, Oktober 2003<br />
http://www.greenpeace.org/international/press/reports/<strong>ch</strong>emicallegacy-contaminatio.pdf<br />
Human impacts of man-made <strong>ch</strong>emicals,<br />
Greenpeace UK, September 2003<br />
http://www.greenpeace.org.uk/Multimedia<strong>File</strong>s/Live/FullReport/59<br />
88.pdf<br />
REACH<br />
Effect thresholds and „adequate control“ of risks: the<br />
fatal flaws in the Council position on Authorisation<br />
within REACH, Greenpeace International, April 2006<br />
http://www.greenpeace.org/fatalflawsbrief<br />
REACH-Infoportal des Umweltbundesamtes<br />
www.rea<strong>ch</strong>-info.de<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 21<br />
V.i.S.d.P.:Ulrike Kallee, Greenpeace e.V., Große Elbstraße 39, 22767 Hamburg Mai 2006 · Seite 3
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73
Fortbildung / Formation continue<br />
Endokrine Störfaktoren: Allgemeine<br />
Betra<strong>ch</strong>tungen, am Beispiel von<br />
Bisphenol A und Phthalaten<br />
Jacques Diezi, Lausanne<br />
Übersetzung: Rudolf S<strong>ch</strong>laepfer, La Chaux-de-Fonds<br />
Seit mehreren Jahren erregen die Nebenwirkungen<br />
<strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>er Stoffe, die in unserer<br />
Umwelt auftreten und unter dem Begriff<br />
«endokrine Störfaktoren» (ES) zusammengefasst<br />
werden, unsere Aumerksamkeit.<br />
Ein ES wird definiert als «exogene Substanz<br />
oder Substanzgemis<strong>ch</strong>, wel<strong>ch</strong>es die Funktion<br />
des endokrinen Systems verändert<br />
und unerwüns<strong>ch</strong>te Wirkungen auf gesunde<br />
Individuen, auf ihre Na<strong>ch</strong>kommen oder auf<br />
ganze Bevölkerungsgruppen ausübt». Die<br />
betroffenen Substanzen können im Prinzip<br />
in die Funktion vers<strong>ch</strong>iedener endokriner<br />
Drüsen und ihrer Mediatoren eingreifen. Die<br />
zahlrei<strong>ch</strong>e Literatur zu diesem Thema betrifft<br />
im Wesentli<strong>ch</strong>en Störungen der dur<strong>ch</strong> endogene<br />
Steroide kontrollierten Sexual- und<br />
Fortpflanzungsfunktionen. Die ES können<br />
auf die natürli<strong>ch</strong>en Hormonrezeptoren eine<br />
agonistis<strong>ch</strong>e oder antagonistis<strong>ch</strong>e Wirkung<br />
ausüben oder in die Hormonproduktion oder<br />
–wirkung eingreifen. Es gehören <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong><br />
sehr vers<strong>ch</strong>iedenartige Verbindungen dazu<br />
(Pestizide, Medikamente, Wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>er,<br />
Brands<strong>ch</strong>utzmittel, Dioxine und Poly<strong>ch</strong>lorobiphenyle,<br />
Metallverbindungen, Phytoöstrogene<br />
etc.).<br />
Das Risiko sol<strong>ch</strong>er Nebenwirkungen wurde<br />
ausgiebig dur<strong>ch</strong> die Folgen des von 1938<br />
bis 1971 benutzten Diethylstilboestrols<br />
(DES, Distilben) illustriert. Dieses erste synthetis<strong>ch</strong>e<br />
Oestrogen wurde, auf Grund ungenügend<br />
abgestützter und dann wiederlegter<br />
Studien, von 1940 bis 1970 klinis<strong>ch</strong> bei<br />
mehreren Millionen Frauen zur Verhütung<br />
von Spontanborten verwendet. Die Folgen<br />
dieser Behandlung zeigten si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Jahren<br />
bei Kindern, die dur<strong>ch</strong> die Behandlung der<br />
Mutter während ihrem intrauterinen Leben<br />
einer Oestrogenstimulation ausgesetzt<br />
waren: Bei Mäd<strong>ch</strong>en Adenokarzinome der<br />
S<strong>ch</strong>eide und des Muttermundes, S<strong>ch</strong>wangers<strong>ch</strong>aftskomplikationen,<br />
Infertilität; Nebenhodencysten<br />
bei den Knaben. Diese<br />
Erfahrungen ma<strong>ch</strong>en es wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>,<br />
dass Gesundheitsrisiken unter anderem auf<br />
die intrauterinen Belastung dur<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e<br />
ES zurückzuführen sind.<br />
Weitere Beoba<strong>ch</strong>tungen verstärken diese<br />
Befür<strong>ch</strong>tungen no<strong>ch</strong>. So s<strong>ch</strong>eint es, dass<br />
die männli<strong>ch</strong>e Fertilität in den westli<strong>ch</strong>en<br />
Ländern, ausgedrückt dur<strong>ch</strong> die Spermaqualität,<br />
seit einigen Jahrzehnten progredient<br />
abnimmt. Dazu kommt die Beoba<strong>ch</strong>tung,<br />
dass die Prävalenz von Genitalmissbildungen<br />
(Kryptor<strong>ch</strong>ismus, Hypospadie) und von<br />
Hodenkrebs beim Knaben zunehmen (diese<br />
Anomalien werden unter dem Begriff<br />
«testikuläres Dysgenesie-Syndrom» zusammengefasst).<br />
Kürzli<strong>ch</strong>e Beoba<strong>ch</strong>tungen in<br />
Dänemark zeigten zudem ein um 12 Monate<br />
früheres Auftreten der Pubertätszei<strong>ch</strong>en<br />
(Brüste Tanner 2+) beim Mäd<strong>ch</strong>en im Verlaufe<br />
von 15 Jahren (9.9 Jahre 2006 gegenüber<br />
10.9 Jahre 1991).<br />
Die Korrelation zwis<strong>ch</strong>en diesen epidemiologis<strong>ch</strong>en<br />
Befunden und der Exposition<br />
des Mens<strong>ch</strong>en an eine wa<strong>ch</strong>sende Zahl<br />
<strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>er Produkte, insbesondere ES, legt<br />
einen Kausalzusammenhang nahe, ohne ihn<br />
zu belegen. Experimentelle Daten, in vitro<br />
und beim Tier, sowie die Beoba<strong>ch</strong>tung von<br />
Veränderung der Sexualorgane bei Amphibien,<br />
Reptilien und Fis<strong>ch</strong>en unterstützen die<br />
Hypothese eines Kausalzusammenhanges.<br />
Die Häufung sol<strong>ch</strong>er wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er<br />
Beoba<strong>ch</strong>tungen hat die Gesundheitsbehörden,<br />
insbesondere Amerikas und Europas,<br />
veranlasst, Studien zu diesen toxis<strong>ch</strong>en<br />
Auswirkungen in Auftrag zu geben und gesundheitspolitis<strong>ch</strong>e<br />
Massnahmen ins Auge<br />
zu fassen. Die EU hat 1999 ein Projekt für<br />
eine gemeinsame Strategie in Bezug auf<br />
ES, mit kurz- und langfristigen Zielen, verabs<strong>ch</strong>iedet.<br />
In diesem Rahmen wurde eine<br />
Prioritäten-Liste der 564 in der Literatur als<br />
ES bes<strong>ch</strong>riebenen Substanzen aufgesetzt.<br />
Zurzeit werden 66 Substanzen als ES für<br />
mindestens eine Tierart, und deshalb als<br />
Vol. 20 No. 4 2009<br />
für den Mens<strong>ch</strong>en besonders bedenkli<strong>ch</strong>,<br />
betra<strong>ch</strong>tet und prioritär einer Risikoevaluation<br />
unterworfen.<br />
Die derzeitigen Kenntnisse der Auswirkung<br />
von ES, denen der Mens<strong>ch</strong> ausgesetzt<br />
ist, werden von den Behörden jedo<strong>ch</strong><br />
als ungenügend era<strong>ch</strong>tet, um kurzfristig<br />
generelle Verbote ins Auge zu fassen.<br />
Die Prioritätenliste sollte es erlauben,<br />
Studien zum besseren Verständnis der<br />
Auswirkungen dieser Substanzen zu unternehmen,<br />
um dann angepasste Massnahmen<br />
ergreifen zu können. Diese europäis<strong>ch</strong>en<br />
Untersu<strong>ch</strong>ungen finden im<br />
Rahmen der neuen REACH-Verordnung<br />
statt, die Kriterien zur Klassifizierung von<br />
«CMR»-Substanzen (cancerogen, mutagen,<br />
reproduktions toxis<strong>ch</strong>) erstellt hat<br />
und die Zulassungsbedingungen sol<strong>ch</strong>er<br />
Produkte definiert. Die s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Reglementierung<br />
beruht auf der Verordnung<br />
zur Reduktion von Risiken beim Umgang<br />
mit bestimmten besonders gefährli<strong>ch</strong>en<br />
Stoffen, Zubereitungen und Gegenständen<br />
(Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung<br />
ChemRRV, 2005), die vorsieht, dass für die<br />
Reproduktion toxis<strong>ch</strong>e Substanzen als sol<strong>ch</strong>e<br />
auf der Verpackung bezei<strong>ch</strong>net werden<br />
müssen und ni<strong>ch</strong>t an das breite Publikum<br />
verteilt werden dürfen (im Einklang mit den<br />
derzeitigen europäis<strong>ch</strong>en Verordnungen).<br />
Eins<strong>ch</strong>ränkende Massnahmen wurden in<br />
Bezug auf Spezialfälle getroffen (siehe<br />
Bisphenol A und Phthalate weiter unten).<br />
Bisphenol A (BPA)<br />
BPA wird seit vielen Jahren in grossen<br />
Mengen (2003 über 2 Millionen Tonnen)<br />
zur Herstellung von harten, dur<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>tigen<br />
Kunststoffen (Polykarbonate), Epoxidharzen<br />
und weiteren geläufig gebrau<strong>ch</strong>ten<br />
Produkten benutzt. Es ist als Zusatzmittel<br />
bei der Herstellung von Kunststoffges<strong>ch</strong>irr,<br />
insbesondere von S<strong>ch</strong>oppen erlaubt. Die<br />
BPA-Belastung der Bevölkerung ist bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>,<br />
wie die Tatsa<strong>ch</strong>e zeigt, dass es im Urin<br />
von 93% von 2517 über 6-jährigen Personen<br />
in den USA messbar war (2003). Die Quellen<br />
sind für die Allgemeinbevölkerung vor allem<br />
ernährungsbedingt. Es wurde ges<strong>ch</strong>ätzt,<br />
dass die tägli<strong>ch</strong> eingenommene BPA-Menge<br />
zwis<strong>ch</strong>en 0.04 und 14 µg/kg Körpergewi<strong>ch</strong>t<br />
liegt (für berufli<strong>ch</strong> exponierte Personen bis<br />
zu 100 µg/kg).<br />
BPA wird ni<strong>ch</strong>t im Körper gespei<strong>ch</strong>ert,<br />
geht in die Muttermil<strong>ch</strong> und den foetalen<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL 64<br />
SEITE 25
Vol. 20 No. 4 2009<br />
Kreislauf über. BPA wird ras<strong>ch</strong> in der Leber<br />
metabolisiert (hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> Konjugation<br />
an Glucuronsäure, in geringerem Masse<br />
an S<strong>ch</strong>wefelsäure). Foetus und Säuglinge<br />
haben eine geringe Fähigkeit zur Glucuronierung,<br />
können jedo<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>wefelsäurekonjugate<br />
bilden. Nur «freie» (ni<strong>ch</strong>tkonjugierte)<br />
BPA-Formen sind biologis<strong>ch</strong><br />
aktiv. Die oestrogene Wirkung von BPA<br />
ist seit 1936 bekannt. Die Wirksamkeit ist<br />
s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>, do<strong>ch</strong> wurden kürzli<strong>ch</strong> Wirkungen<br />
auf andere Zielorgane bes<strong>ch</strong>rieben<br />
(Bindung an andere Rezeptoren, anti-Thyreoidea-,<br />
anti-androgene Wirkung etc.).<br />
Die toxis<strong>ch</strong>e Wirkung hoher BPA-Dosen<br />
auf die Reproduktion im Tierexperiment<br />
ist unbestritten und die hormonelle Wirkung<br />
wurde bei exponierten Mens<strong>ch</strong>en<br />
festgestellt. Hingegen bestehen bezügli<strong>ch</strong><br />
Wirkung kleiner Dosen erhebli<strong>ch</strong>e Meinungsvers<strong>ch</strong>iedenheiten<br />
unter den Fors<strong>ch</strong>ern;<br />
insbesondere ist die Frage na<strong>ch</strong><br />
der Aussagekraft der dur<strong>ch</strong> parenterale,<br />
und ni<strong>ch</strong>t orale, Verabrei<strong>ch</strong>ung erhaltenen<br />
toxikologis<strong>ch</strong>en Befunde umstritten<br />
(bei parenteraler Verabrei<strong>ch</strong>ung ist die<br />
Biotransformation beim ersten Dur<strong>ch</strong>gang<br />
geringer, was die Toxizität erhöht). Unsi<strong>ch</strong>erheit<br />
besteht au<strong>ch</strong> in Bezug auf die<br />
Biotransformation (Inaktivierung) dur<strong>ch</strong><br />
den mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Foetus/Säugling. Die<br />
europäis<strong>ch</strong>e Behörde für Lebensmittelsi<strong>ch</strong>erheit<br />
hat die erlaubte Tagesdosis<br />
(ETD) für BPA auf 50 µg/kg Körpergewi<strong>ch</strong>t<br />
festgesetzt. Wie s<strong>ch</strong>on ewähnt,<br />
übers<strong>ch</strong>reiten die gema<strong>ch</strong>ten Messungen<br />
ca. 15 µg/kg/d ni<strong>ch</strong>t, inbegriffen Messungen<br />
bei Säuglingen, die aus Polykarbonaten<br />
hergestellte S<strong>ch</strong>oppen benutzten.<br />
Diese Werte liegen also unter der EDT.<br />
Die kanadis<strong>ch</strong>e Regierung hat jedo<strong>ch</strong>,<br />
in Anwendung des Vorsi<strong>ch</strong>tsprinzipes,<br />
bes<strong>ch</strong>lossen, die Einfuhr und den Verkauf<br />
von BPA-haltigen Polykarbonats<strong>ch</strong>oppen<br />
zu untersagen. Amerikanis<strong>ch</strong>e und europäis<strong>ch</strong>e<br />
Produzenten haben im März<br />
2009 zudem erklärt, dass sie den Verkauf<br />
von BPA-haltigen Produkten einstellen<br />
würden. Wird dieser Ents<strong>ch</strong>eid befolgt, so<br />
wird er Eltern und Kinderärzte beruhigen,<br />
er wird aber ni<strong>ch</strong>t vermeiden, dass die<br />
Bevölkerung in steigendem Masse einem<br />
klar erkannten ES ausgesetzt ist. Eine<br />
kürzli<strong>ch</strong>e Studie bei jungen Erwa<strong>ch</strong>senen<br />
zeigt, dass die Auss<strong>ch</strong>eidung an BPA<br />
s<strong>ch</strong>on in der ersten Wo<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> Einnahme<br />
von in Polykarbonatflas<strong>ch</strong>en abgefüllten<br />
Getränken eindeutig zunimmt!<br />
Phthalate<br />
Diese Ester der Phthalatsäure werden in<br />
grossen Mengen produziert (die Produktion<br />
einer dieser Säuren, das DEHP beträgt ca.<br />
2000 Tonnen/Jahr) und in zahlrei<strong>ch</strong>en Verbindungen<br />
verwendet (Wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>er, Gleitmittel,<br />
Lösungsmittel etc.). Sie sind deshalb<br />
au<strong>ch</strong> in unserer Umwelt weit verbreitet,<br />
wie es direkte Expositionsmessungen am<br />
Mens<strong>ch</strong>en bezeugen. Experimentelle toxikologis<strong>ch</strong>e<br />
Studien weisen vers<strong>ch</strong>iedenartige<br />
endokrine Störungen, insbesondere eine<br />
anti-androgene Wirkung, dur<strong>ch</strong> Phthalate<br />
na<strong>ch</strong>, wobei die pränatale Exposition in<br />
dieser Hinsi<strong>ch</strong>t besonders kritis<strong>ch</strong> ist (die<br />
Phthalate sind fettlösli<strong>ch</strong>, übers<strong>ch</strong>reiten<br />
die Plazentars<strong>ch</strong>ranke und finden si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />
in der Muttermil<strong>ch</strong>). Drei in den letzten<br />
Jahren dur<strong>ch</strong>geführte, gut belegte Studien<br />
beim Mens<strong>ch</strong>en zeigen eine Korrelation<br />
zwis<strong>ch</strong>en mütterli<strong>ch</strong>er Phthalatexposition<br />
und einem anti-androgenen Index beim<br />
neugeborenen Knaben (verminderter anogenitaler<br />
Abstand). Diese Wirkungen beim<br />
Mens<strong>ch</strong>en treten s<strong>ch</strong>on bei «umweltbedingter»<br />
Belastung, die unter der experimentell<br />
verwendeten liegt, auf, was auf<br />
eine besondere Sensibilität des Mens<strong>ch</strong>en<br />
für diese S<strong>ch</strong>adstoffe hinweist. Wenn au<strong>ch</strong><br />
S<strong>ch</strong>welle und Ausmass der Toxizität no<strong>ch</strong><br />
umstritten sind, wird die Störung endokriner<br />
Funktionen dur<strong>ch</strong> mehrere Phthalate heute<br />
allgemein anerkannt. In Anbetra<strong>ch</strong>t dieser<br />
Risiken haben die europäis<strong>ch</strong>en Behörden<br />
bes<strong>ch</strong>lossen, den Gebrau<strong>ch</strong> gewisser Phthalate<br />
bei der Herstellung von Spielsa<strong>ch</strong>en und<br />
anderen Gegenständen, die von Kindern in<br />
den Mund genommen werden, sowie von<br />
Kosmetika zu verbieten.<br />
Referenzen<br />
Die Literatur zu diesem Thema ist sehr ausgiebig<br />
und ein Ende ist ni<strong>ch</strong>t abzusehen! Zwei<br />
dur<strong>ch</strong> R. Sharpe abgefasste Übersi<strong>ch</strong>ts artikel<br />
sind interessant und ausgegli<strong>ch</strong>en:<br />
R.M. Sharpe, D.S. Irwine: How strong is the<br />
evidence of a link between environmental<br />
<strong>ch</strong>emicals and adverse effects on human<br />
reproductive health? BMJ 328, 447–451,<br />
2004.<br />
R. Sharpe: Male reproductive health disorders<br />
and the potential role of exposure<br />
to environmental <strong>ch</strong>emicals. ChemTrust,<br />
May 2009. (Rapport de 51 pages, télé<strong>ch</strong>ar-<br />
Fortbildung / Formation continue<br />
geable du site: http://www.<strong>ch</strong>emtrust.org.<br />
uk/documents/ProfRSHARPE-MaleReproductiveHealth-CHEMTrust09.pdf).<br />
Folgende Internet-Adressen geben<br />
nützli<strong>ch</strong> Auskünfte:<br />
EU: http://ec.europa.eu/resear<strong>ch</strong>/<br />
endocrine/index_en.html<br />
http://ec.europa.eu/environment/<br />
endocrine/definitions/endodis_<br />
en.htm<br />
USA: http://www.epa.gov/endo/<br />
Korrespondenadresse<br />
Prof. hon. Jacques Diezi<br />
Dépt. de pharmacologie et de toxicologie<br />
Faculté de biologie et de médecine<br />
Université de Lausanne<br />
Jacques.Diezi@unil.<strong>ch</strong><br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 26<br />
65
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 1<br />
Hormone in der<br />
Babyflas<strong>ch</strong>e<br />
Bisphenol A:<br />
Beispiel einer verfehlten<br />
Chemikalienpolitik<br />
Sind Kunststoffbestandteile<br />
Ursa<strong>ch</strong>e vieler<br />
Zivilisationskrankheiten?<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 27
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 2<br />
Hormone in der Babyflas<strong>ch</strong>e<br />
Inhalt<br />
Vorwort 3<br />
Kurzfassung 4<br />
1. Hormonell wirksame Stoffe in unserer Umwelt:<br />
eine neue Dimension 6<br />
2. Bisphenol A: ein Portrait 8<br />
3. Quellen der Belastung 10<br />
4. Bisphenol A im mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Organismus 12<br />
5. Gesundheitss<strong>ch</strong>äden 13<br />
6. Eine verfehlte EU-Chemikalienpolitik 18<br />
7. REACH: Ein neuer Anfang? 22<br />
8. Hinweise für Verbrau<strong>ch</strong>erInnen 25<br />
Literatur 28<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Bund für Umwelt und Naturs<strong>ch</strong>utz<br />
Deuts<strong>ch</strong>land e.V. (BUND)<br />
Am Köllnis<strong>ch</strong>en Park 1<br />
10179 Berlin<br />
Telefon: 030/27586-40<br />
Telefax: 030/27586-440<br />
E-Mail: info@bund.net<br />
www.bund.net<br />
Autoren:<br />
Dr. Heribert Wefers und Patricia Cameron<br />
Diese Publikation basiert auf der englis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen Studie „Blissfully<br />
unaware of BPA -Reasons why regulators should live up to their responsibilities-“,<br />
Dr. Rye Senjen & David Azoulay, herausgegeben von<br />
Friends of the Earth Europe<br />
Gestaltung und Produktion:<br />
Natur & Umwelt Verlags GmbH, Marc Alexander Venner<br />
Titelbild: www.bildunion.de<br />
ViSdP: Dr. Norbert Franck<br />
Bestellnummer: 55.040K<br />
Druck: Z.B.! Kunstdruck, Köln<br />
Februar 2008<br />
Förderhinweis: Dieses Projekt wurde finanziell vom<br />
Bundesumweltministerium und vom Umweltbundesamt<br />
gefördert. Die Förderer übernehmen keine Gewähr für<br />
die Ri<strong>ch</strong>tigkeit, die Genauigkeit und Vollständigkeit<br />
unserer Angaben sowie für die Bea<strong>ch</strong>tung privater Re<strong>ch</strong>te<br />
Dritter. Die geäußerten Ansi<strong>ch</strong>ten und Meinungen müssen<br />
ni<strong>ch</strong>t mit denen der Förderer übereinstimmen.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 28
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 3<br />
Vorwort<br />
Ein Kunststoffbestandteil wirft ernsthafte Fragen zur Chemikalienbewertung<br />
auf.<br />
Ein si<strong>ch</strong>erer Umgang mit Chemikalien ist an zwei Voraussetzungen<br />
gebunden: Die Kenntnis der Auswirkungen dieser Stoffe<br />
auf Umwelt und mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gesundheit, und den politis<strong>ch</strong>en<br />
Willen sowie die Bereits<strong>ch</strong>aft der Verantwortli<strong>ch</strong>en, aus<br />
diesem Wissen die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.<br />
Bisphenol A ist ein Beispiel für einen Stoff, der in großen Mengen<br />
hergestellt und verarbeitet wird. Obwohl er natürli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
vorkommt, kann er in fast allen Umweltmedien na<strong>ch</strong>gewiesen<br />
werden, au<strong>ch</strong> im Körper des Mens<strong>ch</strong>en, im Blut und Urin – überall<br />
auf der Welt. Glei<strong>ch</strong>zeitig ist dieser Stoff in der Lage, bereits<br />
in sehr geringen Mengen die Gesundheit von Tieren und Mens<strong>ch</strong>en<br />
zu beeinträ<strong>ch</strong>tigen. Er zeigt hormonartige Wirkungen, die<br />
bereits bei extrem geringen Konzentrationen das sehr komplexe<br />
hormonelle Steuerungssystem unseres Körpers beeinflussen.<br />
Ges<strong>ch</strong>ieht dies während besonders sensibler Phasen, wie etwa<br />
während der S<strong>ch</strong>wangers<strong>ch</strong>aft oder in der Kindheit, kann dies<br />
gravierende Folgen z.b. bei der Entwicklung des Nervensystems<br />
und anderer Organe haben.<br />
Um die Bewertung der Gefährli<strong>ch</strong>keit der bereits jetzt vorliegenden<br />
Umwelt- und Humanbelastungen wird eine kontroverse<br />
Diskussion geführt. Eine Interessenpolitik, die S<strong>ch</strong>äden erst<br />
dann als wahr akzeptiert, wenn diese bereits in großem Umfang<br />
eingetreten sind, steht einer Politik entgegen, die si<strong>ch</strong> am Vorsorgeprinzip<br />
orientiert, d.h. Maßnahmen zum S<strong>ch</strong>utz von Umwelt<br />
und Gesundheit au<strong>ch</strong> dann einfordert, wenn es wiederholte<br />
und na<strong>ch</strong>vollziehbare Hinweise für ein beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>ädigungsvermögen<br />
gibt, au<strong>ch</strong> wenn der letzte Beweis im Detail<br />
no<strong>ch</strong> aussteht. Bei Asbest und Holzs<strong>ch</strong>utzmitteln hat Letzteres<br />
viele Jahre gedauert, mit gesundheitli<strong>ch</strong>en Auswirkungen, deren<br />
Ausmaß ers<strong>ch</strong>reckend ist.<br />
Prof. Dr. Ibrahim Chahoud<br />
Head of WHO Collaborating Center for<br />
Developmental Toxicity, Institut für Klinis<strong>ch</strong>e<br />
Pharmakologie und Toxikologie, Charité<br />
Universitätsmedizin Berlin<br />
Die vorliegende Studie stellt eine Vielzahl aktueller Informationen<br />
zum Stoff Bisphenol A zur Verfügung. Sie ermögli<strong>ch</strong>t eine<br />
fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema und eine begründete<br />
Positionsfindung. Am Beispiel hormonell wirksamer<br />
<strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>er Stoffe bietet sie glei<strong>ch</strong>zeitig Einblicke in die oft ers<strong>ch</strong>reckende<br />
Realität der aktuellen europäis<strong>ch</strong>en Chemikalienbewertung<br />
und der Dringli<strong>ch</strong>keit einer stringenten Umsetzung<br />
der REACH-Verordnung. Diese hat das Potential, den Umgang<br />
mit Chemikalien si<strong>ch</strong>erer zu ma<strong>ch</strong>en – allerdings nur dann,<br />
wenn eine kritis<strong>ch</strong>e Öffentli<strong>ch</strong>keit die Umsetzung kompetent<br />
und wa<strong>ch</strong>sam begleitet. I<strong>ch</strong> würde mi<strong>ch</strong> freuen, wenn die vorliegende<br />
Studie viele Mens<strong>ch</strong>en dazu motiviert, si<strong>ch</strong> mit diesem<br />
komplexen und wi<strong>ch</strong>tigen Thema zu befassen und aktiv zu werden.<br />
Prof. Dr. Ibrahim Chahoud<br />
Head of WHO Collaborating Center for Developmental<br />
Toxicity, Institut für Klinis<strong>ch</strong>e Pharmakologie und<br />
Toxikologie, Charité Universitätsmedizin Berlin<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 29<br />
3
ol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 4<br />
Hormone in der Babyflas<strong>ch</strong>e<br />
Kurzfassung<br />
Stellen Sie si<strong>ch</strong> vor, einer der weltweit am häufigsten eingesetzten<br />
<strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en Stoffe würde als Ursa<strong>ch</strong>e für dauerhafte<br />
Veränderungen des Nerven- und Hormonsystems in Frage kommen.<br />
Außerdem würde er in zahlrei<strong>ch</strong>en Untersu<strong>ch</strong>ungen mit<br />
Entwicklungs- und Verhaltensstörungen, verringerter Fru<strong>ch</strong>tbarkeit,<br />
Diabetes, sogar mit Erbguts<strong>ch</strong>äden und einer Krebs fördernden<br />
Wirkung in Verbindung gebra<strong>ch</strong>t, wobei während der<br />
S<strong>ch</strong>wangers<strong>ch</strong>aft und für Säuglinge die Gefährdung am hö<strong>ch</strong>sten<br />
wäre. Und dieser Stoff würde bei über 90% der Bevölkerung<br />
na<strong>ch</strong>weisbar sein, obwohl er im Organismus kontinuierli<strong>ch</strong> abgebaut<br />
wird.<br />
Dieser Stoff, er trägt die Bezei<strong>ch</strong>nung Bisphenol A (BPA), ist in<br />
vielen Kunststoffprodukten wie Babyflas<strong>ch</strong>en und Lebensmittelverpackungen<br />
zu finden – und in Lebensmitteln und Getränken,<br />
die damit in Berührung kommen. Das sollte ein Grund sein,<br />
zu handeln. Für KonsumentInnen, vor allem aber für die verantwortli<strong>ch</strong>en<br />
Behörden.<br />
Die vorliegende Studie zeigt, wie eindeutig die wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Hinweise zu den Risiken und Gesundheitsgefahren dieses<br />
Stoffes sind, wel<strong>ch</strong>e Ents<strong>ch</strong>eidungen auf europäis<strong>ch</strong>er Ebene<br />
lange überfällig sind und wie si<strong>ch</strong> Verbrau<strong>ch</strong>erInnen s<strong>ch</strong>ützen<br />
können.<br />
Das Leben ist heute ohne Kunststoffe kaum denkbar. BPA ist<br />
ein wi<strong>ch</strong>tiges Ausgangsmaterial und eine der weltweit am häufigsten<br />
verwendeten synthetis<strong>ch</strong>en Chemikalien. Hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
wird es bei der Herstellung von Polycarbonat-Kunststoffen und<br />
Epoxidharzen eingesetzt. Viele dur<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>tige, bru<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>ere<br />
Kunststoffartikel, wie Babyfläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en, Lebensmittelboxen und<br />
au<strong>ch</strong> Wasserbehälter bestehen aus Polycarbonat. Epoxidharze<br />
werden bei der Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung der Innenflä<strong>ch</strong>en von Konserven-,<br />
Bier- und Limonadendosen eingesetzt. BPA wird aus diesen<br />
zahllosen Kunststoffprodukten, vor allem au<strong>ch</strong> aus Materialien,<br />
die in direktem Kontakt mit Lebensmitteln stehen, abgegeben.<br />
Hormonell wirksame Stoffe: Bisphenol A ist ein <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>er<br />
Stoff, der das Hormonsystem von Mens<strong>ch</strong>en und Tieren beeinträ<strong>ch</strong>tigt,<br />
da er östrogenartige Wirkungen hat. Stoffe mit hormonartigen<br />
Wirkungen werden als „Endokrin wirksame Substanzen“<br />
(endocrine disrupting <strong>ch</strong>emicals, EDC) bezei<strong>ch</strong>net. Das<br />
endokrine (hormonelle) System reguliert viele Körperfunktionen,<br />
4<br />
dazu gehören unser Stoffwe<strong>ch</strong>sel, Immunsystem, Verhalten und<br />
Wa<strong>ch</strong>stum sowie die Organentwicklung während der S<strong>ch</strong>wangers<strong>ch</strong>aft<br />
und in der Kindheit. Die Störung des Hormonsystems<br />
dur<strong>ch</strong> EDCs wurde mit verfrühter Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsreife bei Mäd<strong>ch</strong>en,<br />
Übergewi<strong>ch</strong>t bei Erwa<strong>ch</strong>senen und Jugendli<strong>ch</strong>en, Diabetes Typ 2<br />
(früher als Altersdiabetes bezei<strong>ch</strong>net), einer Zunahme an Prostata-<br />
und Brustkrebsfällen, sowie mit der Abnahme der Spermienzahl<br />
und Fehlbildungen der Sexualorgane in Verbindung gebra<strong>ch</strong>t.<br />
Die vorhandenen Untersu<strong>ch</strong>ungen während der kritis<strong>ch</strong>en<br />
Entwicklungsphasen von Föten im Mutterleib weisen<br />
darauf hin, dass diese Chemikalie während der Phasen vor und<br />
na<strong>ch</strong> der Geburt besonders s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong> ist und sogar Auswirkungen<br />
auf Folgegenerationen hat.<br />
Neue Ergebnisse zu Bisphenol A: Wie in Untersu<strong>ch</strong>ungen an<br />
Nagetieren na<strong>ch</strong>gewiesen wurde, wirkt BPA über die Beeinflussung<br />
von Hormonrezeptoren s<strong>ch</strong>ädigend auf die Entwicklung<br />
des Gehirns und anderer Gewebe. Effekte auf Hormonrezeptoren<br />
wurden bereits bei Konzentrationen gezeigt, die beim Mens<strong>ch</strong>en<br />
häufig gemessen werden, oder sogar deutli<strong>ch</strong> darunter.<br />
Die Europäis<strong>ch</strong>e Behörde für Lebensmittelsi<strong>ch</strong>erheit sieht denno<strong>ch</strong><br />
keine Gefährdung des Mens<strong>ch</strong>en, weil der Abbau dort<br />
s<strong>ch</strong>neller erfolge, als bei Nagetieren. Eine aktuelle Studie<br />
(Leranth et al. 2008) zeigt nun, dass diese Eins<strong>ch</strong>ätzung ni<strong>ch</strong>t zu<br />
halten ist: Bei BPA-Dosiswerten, die laut EFSA angebli<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er<br />
sind, zeigten si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> bei Affen Störungen in der Entwicklung<br />
des Gehirns, die si<strong>ch</strong> in veränderter Gehirnstruktur und -funktion<br />
auswirken können. Dies könnte das Gedä<strong>ch</strong>tnis, das Lernen<br />
und das Verhalten verändern.<br />
No<strong>ch</strong> weitergehende Konsequenzen ergeben si<strong>ch</strong> aus einer umfangrei<strong>ch</strong>en<br />
epidemiologis<strong>ch</strong>en Untersu<strong>ch</strong>ung (Lang et al.2008):<br />
BPA-Konzentrationen im mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Körper (gemessen mit<br />
Hilfe der Uringehalte) zeigten einen signifikanten Zusammenhang<br />
mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Fettleibigkeit.<br />
BPA erhöht dana<strong>ch</strong> die Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit, an Diabetes<br />
oder an Herz-Kreislaufproblemen zu erkranken. Die Ergebnisse<br />
legen au<strong>ch</strong> die Frage nahe, ob das verstärkte Auftreten von Diabetes<br />
Typ 2 bei Kindern mit dem verstärkten Einsatz von BPA zusammenhängt.<br />
Die neuen Ergebnisse bestätigen Befür<strong>ch</strong>tungen von Toxikologen,<br />
die für Embryonen, für Säuglinge und Kleinkinder sehr wohl<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 30
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 5<br />
Gesundheitsgefahren annehmen und bereits seit Jahren dringenden<br />
Handlungsbedarf sehen.<br />
BPA ist allgegenwärtig. Es gelangt bei der Produktion in die<br />
Umwelt, und es wird vor allem ständig aus Kunststoff-Gebrau<strong>ch</strong>sartikeln<br />
freigesetzt. Es wurde in der Luft, in Stäuben, in<br />
Oberflä<strong>ch</strong>engewässern und au<strong>ch</strong> im Meerwasser na<strong>ch</strong>gewiesen.<br />
Selbst in fris<strong>ch</strong>em Treibhausobst und in Trinkwasser aus Kunststofftanks<br />
konnte BPA gefunden werden.<br />
Der Mens<strong>ch</strong> ist weltweit und kontinuierli<strong>ch</strong> BPA ausgesetzt.<br />
Zahlrei<strong>ch</strong>e Studien haben BPA in mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>em Blut, Urin,<br />
Fru<strong>ch</strong>twasser, Follikelflüssigkeit, Gebärmuttergewebe und im<br />
Blut der Nabels<strong>ch</strong>nur gefunden. Alle veröffentli<strong>ch</strong>ten Studien zu<br />
diesem Thema fanden bei Kindern die hö<strong>ch</strong>sten Belastungen,<br />
also bei dem Anteil der Bevölkerung, der gegenüber BPA und<br />
seinen Folges<strong>ch</strong>äden am empfindli<strong>ch</strong>sten reagiert.<br />
Die Politik muss handeln: Vor dem Hintergrund der wa<strong>ch</strong>senden<br />
Beweislast und einem steigendem öffentli<strong>ch</strong>en Problembewusstsein<br />
muss die offizielle Bewertung von BPA in der Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Union (EU) als skandalös bezei<strong>ch</strong>net werden. Der<br />
jüngste Ents<strong>ch</strong>eid der Europäis<strong>ch</strong>en Lebensmittelkommission<br />
(European Food Safety Authority, EFSA) ers<strong>ch</strong>eint wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>vollziehbar und fehlerhaft. Der Orientierungswert<br />
für die gefahrlose maximale tägli<strong>ch</strong>e Aufnahmemenge<br />
(TDI, tolerable daily intake) von BPA wurde dort auf der Basis<br />
einer zunä<strong>ch</strong>st ni<strong>ch</strong>t der Öffentli<strong>ch</strong>keit zugängli<strong>ch</strong>en und industriefinanzierten<br />
Studie von 10 auf 50 µg pro Kilogramm Körpergewi<strong>ch</strong>t<br />
erhöht. Trotz kritis<strong>ch</strong>er Einwände wurde diese Ents<strong>ch</strong>eidung<br />
dur<strong>ch</strong> die EFSA im Juli 2008 bestätigt. Dieser Wert<br />
steht in einem krassen Widerspru<strong>ch</strong> zum Vorsorgeprinzip und<br />
generell akzeptierten toxikologis<strong>ch</strong>en Risikobewertungen. Die<br />
EFSA sieht si<strong>ch</strong> dem Verda<strong>ch</strong>t ausgesetzt, in ihrer Ents<strong>ch</strong>eidung<br />
einseitig von Interessen der Industrie beeinflusst zu sein.<br />
Mit der neuen europäis<strong>ch</strong>en Chemikaliengesetzgebung REACH<br />
liegt ein Instrument vor, wel<strong>ch</strong>es erlaubt, die Auswirkungen endokrin<br />
wirksamer Stoffe zu erfassen und den Umgang damit<br />
besser zu reglementieren. Dazu müsste BPA jedo<strong>ch</strong> zunä<strong>ch</strong>st von<br />
der Europäis<strong>ch</strong>en Chemikalien Agentur (ECHA) oder einem der<br />
EU-Mitgliedstaaten auf die Liste der besonders besorgniserregenden<br />
Stoffe gesetzt werden, denn nur die dort geführten Stof-<br />
fe müssen das Zulassungsverfahren unter REACH dur<strong>ch</strong>laufen.<br />
Im Zulassungsverfahren müsste dann berücksi<strong>ch</strong>tigt werden,<br />
dass es für Bisphenol A aufgrund seiner Eigens<strong>ch</strong>aften keine „si<strong>ch</strong>eren<br />
Grenzwerte“ geben kann. Derartige Stoffe müssen ersetzt<br />
werden, sofern si<strong>ch</strong>erere Ersatzstoffe zur Verfügung stehen.<br />
Die kanadis<strong>ch</strong>e Regierung hat bereits ein Verbot von Babyfläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en<br />
aus Polycarbonat angekündigt. Es wird Zeit, dass<br />
Europa folgt.<br />
Solange Bisphenol A no<strong>ch</strong> in Produkten des tägli<strong>ch</strong>en Gebrau<strong>ch</strong>s<br />
enthalten ist, müssen si<strong>ch</strong> die Verbrau<strong>ch</strong>erInnen beim<br />
Einkauf selbst s<strong>ch</strong>ützen: Meiden Sie Produkte aus Polycarbonatkunststoff,<br />
die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen<br />
können, kaufen Sie keine mit Epoxidlacken bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>teten<br />
Konservendosen, insbesondere ni<strong>ch</strong>t für Säuglings- und Kindernahrung.<br />
• Der BUND hält es für erwiesen, dass die Belastung mit Bisphenol<br />
A (BPA) allgegenwärtig und weit verbreitet ist. Es<br />
sind dringend Maßnahmen erforderli<strong>ch</strong>, um die Belastung<br />
von Mens<strong>ch</strong> und Umwelt mit BPA zu reduzieren.<br />
• Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die europäis<strong>ch</strong>e<br />
Behörde für Lebensmittelsi<strong>ch</strong>erheit (EFSA) müssen<br />
in ihrer Bewertung von Bisphenol A die aktuellen Fors<strong>ch</strong>ungsergebnisse<br />
berücksi<strong>ch</strong>tigen und ein sofortiges Verbot<br />
von Babyflas<strong>ch</strong>en aus Polycarbonat auf den Weg zu<br />
bringen.<br />
• Ents<strong>ch</strong>eidungen dürfen ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> die Interessen der<br />
Industrie vorgegeben werden.<br />
• Die Bundesregierung muss si<strong>ch</strong>erstellen, dass BPA auf die<br />
Prioritätenliste der besonders besorgniserregenden Stoffe<br />
der REACH-Verordnung gesetzt wird.<br />
• Die Bisphenol A-Hersteller Bayer und Dow Chemicals werden<br />
aufgefordert, keine Anwendungen für Lebensmittelbehältnisse<br />
und Babyfläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en unter REACH zu registrieren.<br />
Der Handel muss Lebensmittelbehältnisse und Babyfläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en<br />
aus Polycarbonat umgehend aus dem Sortiment<br />
nehmen.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 31<br />
5
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 6<br />
Hormone in der Babyflas<strong>ch</strong>e<br />
1. Hormonell wirksame Stoffe: eine neue Dimension<br />
Bisphenol A (BPA) gehört zu einer Stoffgruppe, deren Vertreter<br />
das endokrine System (Hormonsystem) von Mens<strong>ch</strong>en und Tieren<br />
beeinträ<strong>ch</strong>tigen, indem sie si<strong>ch</strong> ähnli<strong>ch</strong> wie Hormone verhalten<br />
oder deren Wirkung blockieren. Die gesundheitli<strong>ch</strong>en Folgen<br />
einer Belastung des mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Körpers mit diesen „endokrin<br />
wirksamen Substanzen“ (endocrine disrupting <strong>ch</strong>emicals,<br />
EDC) ist völlig anders zu beurteilen, als die klassis<strong>ch</strong>e Bewertung<br />
Organ s<strong>ch</strong>ädigender, giftiger Stoffe, wie sie bei toxikologis<strong>ch</strong>en<br />
6<br />
Endokrin wirksame Stoffe, endocrine disrupting <strong>ch</strong>emicals<br />
(EDC) sind Chemikalien, die<br />
• in das Hormonsystem und das hormonelle Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t<br />
eines Organismus eingreifen,<br />
• Wa<strong>ch</strong>stums-, Entwicklungs- und Fortpflanzungsvorgänge<br />
beeinträ<strong>ch</strong>tigen können,<br />
• au<strong>ch</strong> unterhalb der übli<strong>ch</strong>erweise untersu<strong>ch</strong>ten Konzentrationen<br />
wirksam sind,<br />
• im Spurenberei<strong>ch</strong> oft entgegen gesetzte Effekte zeigen<br />
(Niedrig-Dosis-Wirkung)<br />
(vgl. Oehlmann, 2004)<br />
Während viele <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Stoffe s<strong>ch</strong>ädigende Wirkungen<br />
zeigen, indem sie zelleigene Moleküle verändern, zerstören<br />
oder blockieren, wirken endokrine Stoffe anders: Sie<br />
greifen in das hormonelle Steuerungssystem des Körpers<br />
ein und verändern die Balance etwa zwis<strong>ch</strong>en männli<strong>ch</strong>en<br />
und weibli<strong>ch</strong>en Sexualhormonen. Dies ges<strong>ch</strong>ieht<br />
bereits bei Konzentrationen, die extrem niedrig sind und<br />
in der Regel unterhalb des Wirkungsberei<strong>ch</strong>s akuter<br />
Effekte liegen.<br />
Die Untersu<strong>ch</strong>ung der Effekte dieser Stoffe ist ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong>,<br />
da sie (neben den spezifis<strong>ch</strong>en, toxis<strong>ch</strong>en Effekten)<br />
au<strong>ch</strong> Wirkungen zeigen können, die ähnli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> von<br />
natürli<strong>ch</strong>en, körpereigenen Hormonen hervorgerufen<br />
werden können. Zum fals<strong>ch</strong>en Zeitpunkt oder in fals<strong>ch</strong>em<br />
Umfang stattfindende Hemmungen oder Verstärkungen<br />
von Entwicklungsprozessen sind jedo<strong>ch</strong> alles andere<br />
als harmlos, wie daraus resultierende Fehlbildungen<br />
von Organen eindrückli<strong>ch</strong> belegen.<br />
Risikoabs<strong>ch</strong>ätzungen erfolgt. Hormonelle S<strong>ch</strong>adstoffe sind häufig<br />
bereits bei extrem geringen Konzentrationen wirksam und<br />
werden in Zusammenhang mit vielen gesundheitli<strong>ch</strong>en Problemen,<br />
eins<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> Organmissbildungen und Verhaltensstörungen<br />
gebra<strong>ch</strong>t. Die EU hat bereits über 200 sol<strong>ch</strong>er Substanzen<br />
bes<strong>ch</strong>rieben (Generaldirektion Umwelt der Europäis<strong>ch</strong>en Kommission<br />
2008).<br />
Das endokrine System des Körpers ist ein sehr fein ausbalanciertes<br />
und netzwerkartig funktionierendes Signalsystem aus<br />
Drüsen, Hormonen und Rezeptoren, das unseren Stoffwe<strong>ch</strong>sel,<br />
das Immunsystem, das Wa<strong>ch</strong>stum und viele andere Körperfunktionen<br />
reguliert. Es ist in die Entwicklungsprozesse der Zellen<br />
und Organe, eins<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> der Sexualorgane eingebunden. Die<br />
Hormone regulieren au<strong>ch</strong> die Körperreaktion auf Krankheiten<br />
und beeinflussen während unseres gesamten Lebens wesentli<strong>ch</strong><br />
das Verhalten untereinander, so z.B. au<strong>ch</strong> die frühe Mutter-<br />
Kind-Bindung.<br />
Hormonartige Stoffe folgen ni<strong>ch</strong>t den klassis<strong>ch</strong>en Konzepten<br />
der Toxikologie. Dort gilt die Vorstellung, dass die S<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>keit<br />
einer Substanz mit der Höhe der vorliegenden Konzentration<br />
wä<strong>ch</strong>st: Je höher die Dosis, desto stärker ist die Wirkung. Man<br />
geht dabei von der Existenz eines S<strong>ch</strong>wellenwertes aus, unter<br />
dem eine Chemikalie keinen Effekt auf den mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Körper<br />
hat. Dieses Konzept beruht auf der Vorstellung, dass Me<strong>ch</strong>anismen<br />
des Körpers in der Lage sind, mit einem Fremdstoff<br />
unterhalb dieses S<strong>ch</strong>wellenwertes umgehen zu können, ihn zum<br />
Beispiel entgiften zu können.<br />
Bei den endokrin wirksamen Stoffen ist diese traditionelle Herangehensweise<br />
in Frage zu stellen: Bereits extrem kleine Mengen<br />
endokrin wirksamer Stoffe können das hormonelle Netzwerk<br />
stören und S<strong>ch</strong>äden hervorrufen. Während beim Erwa<strong>ch</strong>senen<br />
eine bestimmte Konzentration eines Stoffes ohne<br />
Auswirkung bleiben kann, sind insbesondere während der<br />
S<strong>ch</strong>wangers<strong>ch</strong>aft, in der frühen Kindheit und in den sensiblen<br />
Phasen der Entwicklung des Fortpflanzungssystems gravierende<br />
Auswirkungen, mögli<strong>ch</strong>erweise mit Missbildungen und bleibenden<br />
S<strong>ch</strong>äden von Organfunktionen mögli<strong>ch</strong>.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 32
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 7<br />
Ein endokrin wirksamer Stoff kann bei unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Konzentrationen<br />
völlig vers<strong>ch</strong>iedene Wirkungen auf das Hormonsystem<br />
zeigen. Es kommt hinzu, dass Art und Ausmaß der S<strong>ch</strong>ädigung<br />
vom Zeitpunkt und der Dauer der Exposition (Einwirkung<br />
der Belastung) abhängt. Darüber hinaus können vers<strong>ch</strong>iedene<br />
Stoffe, die glei<strong>ch</strong>zeitig wirken, zu einer Addition der Wirkungen<br />
führen oder si<strong>ch</strong> gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken (synergistis<strong>ch</strong>e<br />
Wirkung). Somit können bei Konzentrationen S<strong>ch</strong>ä-<br />
Tabelle 1: Wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Konsens zu den Gefahren endokriner Stoffe<br />
Quelle Zentrale Aussage<br />
den entstehen, bei denen jeder Stoff allein keine Wirkung hervorruft.<br />
Für östrogene Stoffe wurde die Aussage getroffen, dass<br />
„Gefahrenabs<strong>ch</strong>ätzungen, wel<strong>ch</strong>e die Mögli<strong>ch</strong>keiten kombinatoris<strong>ch</strong>er<br />
Wirkung außer A<strong>ch</strong>t lassen, fast mit Si<strong>ch</strong>erheit zu einer<br />
signifikanten Unters<strong>ch</strong>ätzung des Risikos führen“ (Kortenkamp<br />
et al. 2007).<br />
Chapel Hill Bisphenol A 38 weltweit führende Bisphenol A-Experten warnen vor mögli<strong>ch</strong>en gesundheitsgefährdenden Wirkungen<br />
Expertenrunde 2007 einer weitläufigen Belastung dur<strong>ch</strong> BPA (Abs<strong>ch</strong>lussberi<strong>ch</strong>t)<br />
Vallombrosa 2005 Für die Beeinträ<strong>ch</strong>tigung der mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Fru<strong>ch</strong>tbarkeit sind Umweltgifte eins<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> der EDCs verantwortli<strong>ch</strong><br />
(Abs<strong>ch</strong>lussberi<strong>ch</strong>t)<br />
Prager Erklärung 2005 Die Prager Erklärung über endokrin wirksame Substanzen fordert die Berücksi<strong>ch</strong>tigung des Vorsorgeprinzips<br />
Internat. Programm für Die Bewertung des wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Fors<strong>ch</strong>ungsstandes zu endokrinen Disruptoren bekräftigt die Sorge<br />
Chemis<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>erheit<br />
(NIEHS-WHO), 2002<br />
über mögli<strong>ch</strong>e Gesundheitss<strong>ch</strong>äden beim Mens<strong>ch</strong>en<br />
US National Toxicology Program, Die wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Auswertung von Studien über Niedrig-Dosis-Belastungen bestätigt<br />
2000 gesundheitss<strong>ch</strong>ädigende Effekte und führt zu der Forderung, dass „Niedrig-Dosis-Effekte“ bei gesetzli<strong>ch</strong>en<br />
Regelungen zu berücksi<strong>ch</strong>tigen sind<br />
The Royal Society 2000 Zu endokrin wirksamen Substanzen (EDCs): „Gesetzli<strong>ch</strong>e Regelungen dürfen ni<strong>ch</strong>t aufges<strong>ch</strong>oben werden,<br />
bis alle Erkenntnisse zusammengetragen worden sind.“<br />
Yokohama 1999 Die Auswirkungen hormonell wirksamer S<strong>ch</strong>adstoffe auf Tiere und andere Lebewesen ma<strong>ch</strong>en deutli<strong>ch</strong>,<br />
dass au<strong>ch</strong> Untersu<strong>ch</strong>ungen zu den Gesundheitsgefahren dur<strong>ch</strong> EDCs beim Mens<strong>ch</strong>en notwendig sind.<br />
In der Zwis<strong>ch</strong>enzeit muss das Vorsorgeprinzip gelten<br />
National Resear<strong>ch</strong> Council 1999 Au<strong>ch</strong> wenn der Beweis no<strong>ch</strong> aussteht, ers<strong>ch</strong>einen die Risiken hormonell aktiver Substanzen in der Umwelt<br />
plausibel und gravierend<br />
Erice 1995 Umweltbedingte Belastungen mit endokrin wirksamen Substanzen haben Auswirkungen auf das Verhalten,<br />
das Nerven- und das endokrine System. Weltweit befinden si<strong>ch</strong> im Körper jeder s<strong>ch</strong>wangeren Frau endokrin<br />
wirksame S<strong>ch</strong>adstoffe, die auf den Fötus übertragen und über die Mil<strong>ch</strong> an den Säugling weitergegeben<br />
werden<br />
Wingspread 1995-II Chemikalien können Veränderungen bei der Entwicklung des Immunsystems bedingen<br />
Wingspread 1995-I Chemikalien können zu Veränderungen in der Entwicklung und bei der Fortpflanzung von Fis<strong>ch</strong>en führen<br />
Wingspread 1993 Veränderungen in der Entwicklung können können umweltbedingt sein<br />
Wingspread 1991 Chemikalien können Veränderungen in der sexuellen Entwicklung bedingen<br />
(übernommen und erweitert von http://www.ourstolenfuture.org/Consensus/consensus.htm)<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 33<br />
7
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 8<br />
Hormone in der Babyflas<strong>ch</strong>e<br />
2. Bisphenol A: ein Portrait<br />
Bereits in den 1930er Jahren wurde erkannt, dass BPA im Körper<br />
ähnli<strong>ch</strong>e Wirkungen wie das Hormon Östrogen verursa<strong>ch</strong>en<br />
kann. Eine seinerzeit geprüft Anwendung als synthetis<strong>ch</strong>es<br />
Östrogen wurde ni<strong>ch</strong>t weiterverfolgt, da es gegenüber anderen<br />
Substanzen Na<strong>ch</strong>teile zeigte. Der industrielle Einsatz von Bisphenol<br />
A zur Kunststoffherstellung begann dann in den 1950er<br />
Jahren. Hierüber gelangte es in die Umwelt und in die Nahrung.<br />
Bisphenol A (BPA) 1 ist heute weltweit eine der am häufigsten<br />
eingesetzten Industrie<strong>ch</strong>emikalien. Die beiden wi<strong>ch</strong>tigsten Einsatzberei<strong>ch</strong>e<br />
sind: Seit 1953 wird BPA als Hauptbestandteil bei<br />
der Herstellung von Polycarbonat eingesetzt. Polycarbonat ist<br />
ein klarer und relativ stabiler und bru<strong>ch</strong>fester Kunststoff, der bis<br />
145°C temperaturbeständig und gegenüber vielen Säuren und<br />
Ölen widerstandsfähig ist. 2001 wurden etwa 65 % der<br />
weltweiten Produktion des BPA für Polycarbonat eingesetzt.<br />
Verbrau<strong>ch</strong>erInnen kennen diesen Kunststoff von vielen (transparenten)<br />
Haushaltsgeräteteilen, S<strong>ch</strong>üsseln für Lebensmittel,<br />
hitzebeständigen Flas<strong>ch</strong>en wie Babyflas<strong>ch</strong>en und mikrowellengeeigneten<br />
Kunststoffprodukten.<br />
Abb. 1: Strukturformel für Bisphenol A (BPA)<br />
Bisphenol A ist außerdem ein Hauptbestandteil bei der Herstellung<br />
von Epoxiden und Epoxidharzen, etwa 30 % gehen in<br />
diesen Berei<strong>ch</strong>. Epoxide werden als Kleber, Oberflä<strong>ch</strong>enbes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungen<br />
und Lacke eingesetzt, die si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> ihre hohe<br />
Haftung und ihre Beständigkeit gegenüber vielen Chemikalien<br />
auszei<strong>ch</strong>nen. Für Verbrau<strong>ch</strong>erInnen ist wi<strong>ch</strong>tig, dass er zur Innenbes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungen<br />
von Konservendosen sowie zur Innenbes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung<br />
von Konserven- und Flas<strong>ch</strong>endeckeln verwendet<br />
wird. Darüber hinaus wird ein weiterer, mengenmäßig kleinerer<br />
Teil der BPA-Produktion für Flamms<strong>ch</strong>utzmittel, ungesättigte<br />
Polyesterharze, Polyacrylate, Polyetherimide und Polysulphonharze<br />
sowie andere Anwendungen wie Bremsflüssigkeiten und<br />
als Hilfsmittel für den Pestizideinsatz verwendet (ICIS 2007).<br />
Tabelle 2 zeigt Beispiele von Endprodukten, die BPA enthalten.<br />
8<br />
HO<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
OH<br />
1 2,2-Bis-(4-hydroxyphenyl)-propan, CAS-Nummer: 80-05-7<br />
Tabelle 2: Endprodukte, die Bisphenol A enthalten<br />
Polycarbonat-Kunststoffe • Transparente Kunststoffplatten<br />
(65 % der Produktion) (Kunstglas)<br />
• Lampens<strong>ch</strong>alen für Straßenlaternen<br />
• Teile von Haushaltsgeräten<br />
• Mobiltelefone, Teile von<br />
elektris<strong>ch</strong>en/elektronis<strong>ch</strong>en Geräten<br />
• Compact Discs (CDs)<br />
• Autoteile (transparente Kunststoffteile),<br />
Reflektoren<br />
• Flas<strong>ch</strong>en und Behälter für Lebensmittel<br />
und Getränke<br />
• Sonnenbrillen<br />
• Kühls<strong>ch</strong>rankeinsätze<br />
• mikrowellenfestes Ges<strong>ch</strong>irr, Kunststoffbestecke,<br />
Ko<strong>ch</strong>utensilien<br />
• Motorradhelme und -S<strong>ch</strong>utzs<strong>ch</strong>ilde<br />
Epoxydharze • Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungen, Lacke, Farben<br />
(30 % der Produktion) • Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung von Getränkedosen und<br />
Konservendosen<br />
• Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung für gedruckte Platinen<br />
in elektronis<strong>ch</strong>en Artikeln<br />
• Verbundstoffe<br />
• Klebstoffe<br />
• Nagellacke<br />
Andere Anwendungen • Hilfsmittel für Pestizide<br />
(5 %) • Hilfsmittel bei der Kunststoffherstellung<br />
(PVC)<br />
• Flamms<strong>ch</strong>utzmittel<br />
• Bremsflüssigkeit<br />
• Gummi- und PVC-Stabilisator<br />
• Zahnmedizinis<strong>ch</strong>e Versiegelungsmittel<br />
• Zusatzstoff für Thermopapier<br />
(u. a. Faxpapier)<br />
• Wasserfilter<br />
• Elektris<strong>ch</strong>e Isolatoren<br />
Quelle: Bro-Rasmussen 2006, Weise u. Szabo 2008.<br />
Im Jahr 2003 wurden ca. 3 Millionen Tonnen BPA jährli<strong>ch</strong> produziert,<br />
damit ist BPA mengenmäßig eine der weltweit wi<strong>ch</strong>tigsten<br />
Chemikalien. Die Produktion steigt jährli<strong>ch</strong> um ca. 6–<br />
7 % (Market Publishers 2007) und wurde für 2006 auf über vier<br />
Millionen Tonnen ges<strong>ch</strong>ätzt. Sie könnte 2015 einen Wert von<br />
über sieben Millionen Tonnen errei<strong>ch</strong>en (China Chemical Industry<br />
News 2005). Ungefähr ein Drittel der weltweit jährli<strong>ch</strong>en<br />
Produktion von BPA wird in der EU verwendet (Bro-Rasmussen<br />
2006).<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 34
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 9<br />
Die Hauptproduzenten von BPA sind Mitsubishi, Dow, Bayer und<br />
GE Plastics (CBGnetwork 2007, Bisphenol A org. 2007), andere<br />
Unternehmen, wie z.B. die BASF, produzieren ebenfalls große<br />
Mengen der Chemikalie. GE Plastics in Südspanien stellt allein<br />
über 250.000 Tonnen pro Jahr her (Fernandez et al. 2007).<br />
In Deuts<strong>ch</strong>land wird BPA von Bayer (Krefeld-Uerdingen) und<br />
Dow Chemicals (Rheinmünster) produziert, die zusammen etwa<br />
50 % zur westeuropäis<strong>ch</strong>en Produktion beitragen (Leisewitz und<br />
S<strong>ch</strong>warz 1997).<br />
BPA ist ein wesentli<strong>ch</strong>er Grundstoff für die Herstellung von Polycarbonat,<br />
und die Polycarbonatproduktion ist ein gewaltiges<br />
Ges<strong>ch</strong>äft. Bayer Material Science hat in der Sparte Polycarbonat<br />
2006 jährli<strong>ch</strong>e Erträge von ca. 2,5 Milliarden Euro erwirts<strong>ch</strong>aftet<br />
(Babe 2007). GE Plastics wurde Mitte 2007 von SABIC (Saudi<br />
Arabian Basic Industry Corporation) für 11,6 Milliarden US-<br />
Dollar aufgekauft. SABIC, eine saudi-arabis<strong>ch</strong>e Firma, ist eines<br />
Abbildung 2: Bisphenol in der Polycarbonat- und Epoxidharz-Produktion (oberer Teil na<strong>ch</strong> Babe 2007)<br />
Rohöl<br />
Rohöl<br />
><br />
><br />
Phenol<br />
Aceton<br />
Chlor<br />
CO<br />
Phenol<br />
Aceton<br />
Allyl<strong>ch</strong>lorid<br />
Hypo<strong>ch</strong>lorit<br />
Bisphenol A<br />
Phosgen<br />
Bisphenol A<br />
Epi<strong>ch</strong>lorhydrin<br />
* alternative Verfahren setzen Diphenylcarbonat anstelle von Phosgen ein<br />
Tabelle 3:<br />
Polycarbonat-Hersteller, Marktanteile und Handelsnamen<br />
Hersteller Marktanteil Handelsnamen<br />
Bayer 32 % MAKROLON®<br />
GE Plastics (SABIC) 29 % LEXAN®<br />
Mitsubishi 12 % Lupilon, Novarex<br />
Teijin Chemicals 11 % PANLITE<br />
Dow Chemicals 9 % CALIBRE®, PARABIS®<br />
Quelle: Babe 2007; KunststoffWeb GmbH (2008)<br />
der führenden Unternehmen der Petro<strong>ch</strong>emie und produziert<br />
und verkauft die Rohstoffe für die Herstellung von zahlrei<strong>ch</strong>en<br />
auf Öl basierenden Produkten, wie Grund<strong>ch</strong>emikalien, Polymere,<br />
Düngemittel und Metalle (Saudi Commerce and Economic<br />
Review 2007).<br />
*<br />
Polycarbonat<br />
Epoxidharz<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 35<br />
9
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 10<br />
Hormone in der Babyflas<strong>ch</strong>e<br />
3. Quellen der Belastung<br />
Die Umweltbelastung dur<strong>ch</strong> Bisphenol A (BPA) ist beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>:<br />
Es wurde in Flusswasser, Meerwasser, Trinkwasser, Klärs<strong>ch</strong>lamm,<br />
in der Luft und in Staubpartikeln na<strong>ch</strong>gewiesen (NTP 2007). Die<br />
Gesamtemission von BPA in Europa werden für 1999 mit 2,1<br />
Tonnen (t) in die Luft, 199 t in Gewässer und 30 t in den Boden<br />
ges<strong>ch</strong>ätzt (Directoraat- Generaal Rijkswaterstaat. Ministerie van<br />
Verkeer en Waterstaat 2001). Aufgrund der zwis<strong>ch</strong>enzeitli<strong>ch</strong>en<br />
weltweiten Verdopplung der BPA-Produktion ist anzunehmen,<br />
dass die Emissionen entspre<strong>ch</strong>end gestiegen sind. In Proben aus<br />
europäis<strong>ch</strong>en Flüssen wurden im Mittel 4,7 Nanogramm pro<br />
Liter (ng/l) gemessen (Ku<strong>ch</strong> u. Balls<strong>ch</strong>mitter 2001).<br />
Untersu<strong>ch</strong>ungen in den USA belegen, dass BPA in der Mehrzahl<br />
der untersu<strong>ch</strong>ten Luft- und Staubproben aus Innenräumen<br />
na<strong>ch</strong>weisbar ist (Wilson et al. 2003; Wilson et al. 2007). Staubproben<br />
ergaben Werte von 0,2–17,6 Mikrogramm BPA pro<br />
Gramm Staub (µg/g) (Rudel et al. 2003). Im Zusammenhang mit<br />
der Untersu<strong>ch</strong>ung von 257 Vors<strong>ch</strong>ulkindern in zwei Staaten der<br />
USA wurde festgestellt, dass bei Innenraumluftproben sowie<br />
Proben von Oberflä<strong>ch</strong>en und Wis<strong>ch</strong>tü<strong>ch</strong>ern 50 % belastet<br />
waren. Zusammen mit den nahrungsbedingten Belastungen<br />
summierte si<strong>ch</strong> eine mögli<strong>ch</strong>e Gesamtbelastung der Kinder<br />
dur<strong>ch</strong> BPA auf bis zu 1,57 Mikrogramm pro Kilogramm (µg/kg)<br />
pro Tag und Kind (Wilson et al. 2007).<br />
In einer Studie der EU werden vers<strong>ch</strong>iedene Szenarien für die<br />
Aufnahmepfade ausgewertet (European Union 2003). Dana<strong>ch</strong><br />
sind die Aufnahmemengen über kontaminierte Nahrungsmittel<br />
wesentli<strong>ch</strong> höher als umweltbedingte Belastungen. Als wi<strong>ch</strong>tigste<br />
Belastungsquelle sind in erster Linie Flas<strong>ch</strong>en und Behältnisse<br />
für Lebensmittel aus Polycarbonat anzunehmen sowie mit<br />
Epoxidharz bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tete Konservendosen und andere Behälter,<br />
etwa bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tete Lagerbehälter für Wein.<br />
Bisphenol A (BPA) gelangt aus Bedarfsgegenständen und Verpackungen<br />
in Lebensmittel. Die Menge des übertretenden BPA<br />
hängt von der Art des Lebensmittels oder der Flüssigkeit ab<br />
sowie von der Temperatur und der Dauer des Erhitzens. Es wurde<br />
na<strong>ch</strong>gewiesen, dass BPA unter normalen Einsatzbedingungen<br />
aus Lebensmittelbehältern und -flas<strong>ch</strong>en, Epoxydharz-Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungen<br />
(von Konservendosen), Babyfläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en, Lebensmittelverpackungen<br />
für Take-away-food und Kunststofffolien<br />
freigesetzt wird (Tabelle 4). BPA wurde in Gemüse, Fis<strong>ch</strong>, Obst<br />
10<br />
(au<strong>ch</strong> fris<strong>ch</strong>em Obst), Instantkaffee, Mil<strong>ch</strong>pulver und Babynahrung,<br />
Dosenmil<strong>ch</strong> sowie Honig na<strong>ch</strong>gewiesen (Vandenberg<br />
2007).<br />
Untersu<strong>ch</strong>ungen von Polycarbonat-Flas<strong>ch</strong>en, die zur Aufbewahrung<br />
von Trinkwasser und anderen Getränken dienen, zeigen,<br />
dass BPA aus den Flas<strong>ch</strong>en in das Wasser austritt, unabhängig<br />
davon, ob die Flas<strong>ch</strong>en zuvor s<strong>ch</strong>on benutzt wurden. Wurde die<br />
Flas<strong>ch</strong>e mit ko<strong>ch</strong>endem Wasser gefüllt, stieg die Menge des austretenden<br />
BPA um das 15- bis 55-fa<strong>ch</strong>e. Außerdem akkumuliert<br />
BPA mit der Zeit im Wasser; über einen Zeitraum von sieben<br />
Tagen wurden bis zu 250 Nanogramm (ng) in dem Volumen<br />
eines übli<strong>ch</strong>en Wasserglases gemessen. Untersu<strong>ch</strong>ungen in<br />
Deuts<strong>ch</strong>land wiesen Bisphenol A-Einträge in das Wasser na<strong>ch</strong><br />
Benutzung bestimmter elektris<strong>ch</strong>er Wasserko<strong>ch</strong>er na<strong>ch</strong> (Ökotest<br />
2007). Zwar ist die absolute Menge des ausgetretenen BPAs<br />
aus Lebensmittelverpackungen ni<strong>ch</strong>t sehr ho<strong>ch</strong>, es ist jedo<strong>ch</strong> zu<br />
berücksi<strong>ch</strong>tigen, dass es si<strong>ch</strong> um eine hormonell wirksame Substanz<br />
handelt, die bereits bei sehr geringen Konzentrationen Effekte<br />
zeigt. Dies gilt insbesondere bei We<strong>ch</strong>selwirkungen mit<br />
anderen EDCs. Insofern trägt diese BPA-Menge zu einer „EDC-<br />
Gesamtlast“ bei, der wir als KonsumentInnen ständig ausgesetzt<br />
sind (Le et al. 2008).<br />
In Trinkwasser wurde Bisphenol A (BPA) in einer Höhe von bis<br />
zu zwei Nanogramm pro Liter (ng/l) na<strong>ch</strong>gewiesen (Ku<strong>ch</strong> u. Balls<strong>ch</strong>miter<br />
2001). Ursa<strong>ch</strong>e können neben diffusen Einträgen in<br />
Oberflä<strong>ch</strong>enwasser au<strong>ch</strong> Wasserbehälter und Tanks zur Lagerung<br />
von Wasser sein, wenn diese aus Polycarbonat bestehen<br />
oder mit Epoxidlacken bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tet sind. In Büros und öffentli<strong>ch</strong>en<br />
Einri<strong>ch</strong>tungen werden häufig 5-Liter-Trinkwasserbehälter<br />
aus Polycarbonat eingesetzt, die von Bes<strong>ch</strong>äftigten oder Kunden<br />
bedient werden können. Die Austrittsmenge von BPA in Wasser<br />
könnte zusätzli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Chlor verstärkt werden (Fernandez<br />
2007).<br />
Für Lebensmittel und Getränke kommen als wesentli<strong>ch</strong>e Quellen<br />
für eine direkte Belastung in Frage (siehe Tabelle 4) :<br />
• Behältnisse aus Polycarbonat, insbesondere Babyfläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en,<br />
• PVC-Folien,<br />
• Recyclingkartons,<br />
• Innenbes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungen (Epoxidlacke oder PVC) von Konservendosen.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 36
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 11<br />
Fetthaltige Lebensmittel nehmen relativ viel BPA aus Kunststoffen<br />
auf. Eine unerwartete Quelle von BPA stellen fris<strong>ch</strong>es<br />
Obst und Gemüse aus Treibhäusern dar. Eine japanis<strong>ch</strong>e Untersu<strong>ch</strong>ung<br />
wies es in fris<strong>ch</strong>en Erdbeeren, eine italienis<strong>ch</strong>e in 8 von<br />
14 fris<strong>ch</strong>en Gemüseproben na<strong>ch</strong>, mit Konzentrationen von 250-<br />
1000 Nanogramm pro Gramm (ng/g) (Vivacqua et al. 2003). Wie<br />
das BPA in das Obst gelangte, ist ni<strong>ch</strong>t klar. Es wurde jedo<strong>ch</strong> angenommen,<br />
dass BPA in diesen Fällen aus PVC-Materialien<br />
herrührt (Platten, Folien), aus denen die Wände der Gewä<strong>ch</strong>shäuser<br />
bestehen, wobei das BPA über die Luft in das Obst und<br />
Gemüse gelangt sein könnte (Sajiki et al. 2007).<br />
Tabelle 4: Quellen der Belastung von Lebensmitteln und Wasser mit Bisphenol A<br />
Die Freisetzung von BPA aus zahnmedizinis<strong>ch</strong>en Produkten ist<br />
umfassend belegt. BPA wird für die Produktion von Zahnversiegelungsmitteln,<br />
Kleb- und Füllstoffen verwendet (Vandenberg et<br />
al. 2007). Sowohl im Spei<strong>ch</strong>el als au<strong>ch</strong> im Urin von Mens<strong>ch</strong>en,<br />
die zuvor mit diesen Materialien behandelt worden waren,<br />
konnte BPA in relevanten Mengen na<strong>ch</strong>gewiesen werden. BPA-<br />
Konzentrationen, wie sie na<strong>ch</strong> einer Behandlung beim Mens<strong>ch</strong>en<br />
im Blut festgestellt wurden, zeigten in Untersu<strong>ch</strong>ungen<br />
an Nagetieren negative, östrogenartige Auswirkungen (Joskow<br />
et al. 2006).<br />
Kunststoffartikel Konzentration Belastung im Lebensmittel/ Literatur Bemerkung<br />
im Kunststoff Getränk/ Wasser/Prüfmedium<br />
Babyfläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en 28,1 µg/g (ø) 8,4 ± 1,2 ng/ml (ø) Brede et al. (2003) Belastung steigt signifikant na<strong>ch</strong><br />
wiederholter Benutzung<br />
400 ng/cm 2 (M) Wong et al. (2005)<br />
Polycarbonat bei Raumtemperatur, na<strong>ch</strong> 7 Tagen: Le et al. (2008) 55-fa<strong>ch</strong>e Steigerung der Belastung,<br />
Kunststoffflas<strong>ch</strong>en 1 ng/ml (neue Flas<strong>ch</strong>e) wenn die Flas<strong>ch</strong>e mit ko<strong>ch</strong>endem<br />
0,7ng/ml (gebr. Flas<strong>ch</strong>e); Wasser gefüllt wird<br />
na<strong>ch</strong> Erhitzen:<br />
3,84–7,67 ng/ml (neue Fl.)<br />
1,92 ng/ml (gebrau<strong>ch</strong>te Fl.)<br />
Mikrowellenges<strong>ch</strong>irr 30 µg/g mögli<strong>ch</strong>er Eintrag in Lebensmittel: Nerin et al. (2003) erhöhter Eintrag na<strong>ch</strong> Erhitzung<br />
aus Polycarbonat 6.500 ng/g des Behälters<br />
Polyvinyl<strong>ch</strong>lorid 483 µg/g (M) 307 ng/cm 2 Lopez-Cervantes et al. na<strong>ch</strong> Kontakt der Folie mit<br />
Fris<strong>ch</strong>haltefolie (2003) Wasser, Olivenöl u. Essigsäure<br />
Kartons<strong>ch</strong>a<strong>ch</strong>teln für BPA in 47 % Lopez-Espinosa et al. getestet wurden 32 S<strong>ch</strong>a<strong>ch</strong>teln<br />
Fast Food der Proben, (2007) aus EU-Ländern<br />
(“take away food”) 18,2 µg/g (M)<br />
Recycling 24,1µg/g (M) Vingaard et al. (2000) neues Papier enthält signifikant<br />
Papierhandtü<strong>ch</strong>er 26 µg/g (M) Ozaki et al. (2004) weniger BPA<br />
Polycarbonat- 4,8 ng/ml (Flusswasser 37°C, n. 24 h) Sajiki et al. Auslaugungsrate ist<br />
Kunststoffrohr 11 ng/ml (Meerwasser, 37°C, n. 24 h) (2003, 2004) temperaturabhängig<br />
Innenbes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung Insgesamt 13 Untersu<strong>ch</strong>ungen, Mungula-Lopez et al. Gemüse, Fis<strong>ch</strong>, Obst, Instantkaffee,<br />
von Konservendosen hö<strong>ch</strong>ster Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittswert bei (2006) Mil<strong>ch</strong>pulver, Babymil<strong>ch</strong>pulver<br />
Thunfis<strong>ch</strong>: 103 ng/ml (M)<br />
Gemüse- u. Obstkon- 95,3 ng/g (M) Yoshida et al. (2001) Übersi<strong>ch</strong>tsstudie<br />
serven (feste Anteile)<br />
Fris<strong>ch</strong>e Nahrungsmittel 2 ng/g in fris<strong>ch</strong>en Erdbeeren Sajiki et al. (2007) Quelle unklar, mögli<strong>ch</strong>erweise aus<br />
250–1000 ng/g in fris<strong>ch</strong>em Gemüse Vivacqua et al. (2003) PVC-Elementen in Treibhäusern<br />
zitiert na<strong>ch</strong> Vandenberg et al. 2007; Lopez-Espinoza et al. 2007; Le et al. 2008;<br />
ø: Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittswert, M: Maximalwert<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 37<br />
11
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 12<br />
Hormone in der Babyflas<strong>ch</strong>e<br />
4. Bisphenol A im mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Organismus<br />
Die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Exposition gegenüber Bisphenol A (BPA) ist<br />
weltweit und flä<strong>ch</strong>endeckend. Zahlrei<strong>ch</strong>e Studien haben BPA<br />
in mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>em Blut, Urin, Fru<strong>ch</strong>twasser, follikularer Flüssigkeit,<br />
Gebärmuttergewebe und im Blut der Nabels<strong>ch</strong>nur gefunden<br />
(Vandenberg et al. 2007).<br />
Eine repräsentative Studie (über 2.500 Teilnehmer) wies für<br />
92,6 % der US-Bevölkerung BPA im Urin na<strong>ch</strong>. Die Konzentrationen<br />
rei<strong>ch</strong>en dabei von 0,4 bis 149 Mikrogramm pro Liter<br />
(µg/l). Die hö<strong>ch</strong>ste BPA-Konzentration wurde bei Kindern gemessen,<br />
dana<strong>ch</strong> folgten die Werte von Jugendli<strong>ch</strong>en, erwa<strong>ch</strong>senen<br />
Frauen und s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> erwa<strong>ch</strong>senen Männern (Calafat et al.<br />
2007). Dies bestätigt eine frühere Studie (Weise u. Szabo 2007).<br />
Es kann davon ausgegangen werden, dass die meisten Föten,<br />
Kinder und Erwa<strong>ch</strong>sene in den Industrieländern eine Konzentration<br />
im Berei<strong>ch</strong> von 0,3 bis 4,4 µl/l BPA im Gewebe und in Körperflüssigkeiten<br />
aufweisen (Chapel Hill Abs<strong>ch</strong>lussberi<strong>ch</strong>t 2007).<br />
Für Kinder und Säuglinge wurden um bis zu einem Faktor 10<br />
höhere Werte ermittelt wie für Erwa<strong>ch</strong>sene. Dies steht im Einklang<br />
mit einem aktuellen Beri<strong>ch</strong>t im Auftrag der kanadis<strong>ch</strong>en<br />
Regierung, die die tägli<strong>ch</strong>e Aufnahme auf 0,8 bis 4,3 Mikrogramm<br />
pro Kilogramm (µg/kg) Körpergewi<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>ätzt, wobei<br />
der Aufnahmepfad Nahrung der bedeutendste ist (Health Canada<br />
2008).<br />
In mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>em Fettgewebe wurde <strong>ch</strong>loriertes BPA gefunden.<br />
Dies ist insofern besorgniserregend, als hierfür eine Zunahme<br />
des Wa<strong>ch</strong>stums von Brustkrebszellen (MCF-7) in Kultur gezeigt<br />
wurde (Fernandez et al. 2007).<br />
Die Tatsa<strong>ch</strong>e, dass Bisphenol A (BPA), obwohl es im Körper des<br />
Mens<strong>ch</strong>en in wenigen Stunden abgebaut werden kann, in<br />
relativ hohen Konzentrationen im Blut und in den Gewebsflüssigkeiten<br />
na<strong>ch</strong>gewiesen werden kann, deutet auf eine<br />
kontinuierli<strong>ch</strong>e Aufnahme hin, die si<strong>ch</strong> aus einer Vielzahl vers<strong>ch</strong>iedener<br />
Belastungspfade zusammensetzen muss (Vandenberg<br />
et al. 2007).<br />
Bei 20 untersu<strong>ch</strong>ten Muttermil<strong>ch</strong>proben (USA) war in 90 % der<br />
Proben Bisphenol A (BPA) na<strong>ch</strong>weisbar, der Mittelwert betrug<br />
1,9 Mikrogramm pro Liter (µg/l) (Ye et al. 2006), in einer japanis<strong>ch</strong>en<br />
Studie wird ein Mittelwert von 3,4 µg/l genannt (Kurutu<br />
et al. 2007). In 2008 wurde die BPA-Belastung von Frauen mit<br />
12<br />
Kinderwuns<strong>ch</strong> untersu<strong>ch</strong>t. Bei denjenigen, die s<strong>ch</strong>wanger wurden,<br />
stieg die BPA-Menge im Urin an. Ob dies au<strong>ch</strong> mit höheren<br />
Belastungen des Fötus einhergeht, ist ni<strong>ch</strong>t klar (Mahalingaiah<br />
et al. 2008, Dolinoy et al. 2007). Eine besonders hohe Empfindli<strong>ch</strong>keit<br />
des Embryos gegenüber BPA ist jedo<strong>ch</strong> unbestritten.<br />
In Tierversu<strong>ch</strong>en wurde das geringe Belastungsvermögen neugeborener<br />
Mäuse gegenüber BPA erneut belegt. Wenn neugeborene<br />
und erwa<strong>ch</strong>sene Mäuse entspre<strong>ch</strong>ende Dosen BPA erhalten,<br />
verzei<strong>ch</strong>neten die neugeborenen Tiere signifikant höhere<br />
BPA-Werte im Blut. Die Ursa<strong>ch</strong>e mag darin liegen, dass sie<br />
über weniger Enzyme zum Abbau des BPA verfügen. Vorläufige<br />
Daten legen nahe, dass Kleinkinder im Verglei<strong>ch</strong> zu Erwa<strong>ch</strong>senen<br />
ebenfalls über niedrigere Enzymgehalte verfügen. Dies bestätigt<br />
einmal mehr die Aussage der Pädiatrie „Babys sind keine<br />
kleinen Erwa<strong>ch</strong>senen“, und es betont, dass Ents<strong>ch</strong>eidungsträger<br />
berücksi<strong>ch</strong>tigen müssen, dass Chemikalien eine no<strong>ch</strong> stärkere<br />
S<strong>ch</strong>adwirkung auf die Gesundheit von Embryonen, Säuglingen<br />
und Kindern haben als dieses auf Erwa<strong>ch</strong>sene der Fall ist (Taylor<br />
et al. 2008).<br />
Unter Berücksi<strong>ch</strong>tigung der Versu<strong>ch</strong>sergebnisse an Tieren und<br />
eines s<strong>ch</strong>nelleren Abbaus von Bisphenol A (BPA) beim Mens<strong>ch</strong>en<br />
im Verglei<strong>ch</strong> zu Nagetieren kommt eine aktuelle Übersi<strong>ch</strong>tsstudie<br />
(Vandenberg et al. 2007) zum S<strong>ch</strong>luss, dass die derzeitige Exposition<br />
des Mens<strong>ch</strong>en wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> bereits s<strong>ch</strong>ädigende Folgen<br />
auf die Funktion mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Zellen und Organe hat. Die<br />
Konzentration freien (d.h. ni<strong>ch</strong>t abgebauten und biologis<strong>ch</strong> aktiven)<br />
BPAs im mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Blut lagen im Berei<strong>ch</strong> von 0,2 bis<br />
20 µg/l, in einem Fall bei 100 µg/l. Bei diesen Konzentrationen<br />
oder darunter wurden zahlrei<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>adwirkungen von BPA an<br />
mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en und tieris<strong>ch</strong>en Zellen festgestellt. Der Stoffwe<strong>ch</strong>sel<br />
des BPA kann bei einer derartigen <strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>en Niedrig-<br />
Dosis-Exposition mittels der klassis<strong>ch</strong>en pharmakokinetis<strong>ch</strong>en<br />
Modelle (die akute Wirkungen bei hohen Dosen untersu<strong>ch</strong>en)<br />
ni<strong>ch</strong>t bes<strong>ch</strong>rieben oder vorausgesagt werden.<br />
Die Konzentrationen von Bisphenol A, die regelmäßig im<br />
mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Blut gemessen werden, liegen in einem Berei<strong>ch</strong><br />
der bei Tieren S<strong>ch</strong>äden hervor ruft. Untersu<strong>ch</strong>ungen an Affen<br />
bestätigen, dass die Ergebnisse für den Mens<strong>ch</strong>en von Bedeutung<br />
sind.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 38
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 13<br />
5. Gesundheitss<strong>ch</strong>äden<br />
Hormonartige Wirkungen von Bisphenol A<br />
Bisphenol A (BPA) wird mit zahlrei<strong>ch</strong>en Beeinträ<strong>ch</strong>tigungen der<br />
mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Gesundheit in Verbindung gebra<strong>ch</strong>t. Dazu gehören<br />
die verfrühte Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsreife bei Mäd<strong>ch</strong>en, eine Abnahme<br />
der Spermienzahl bei Männern und Hinweise, die eine Zunahme<br />
von Prostata- und Brustkrebsfällen mögli<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>einen<br />
lassen, außerdem Nervens<strong>ch</strong>äden und eine Zunahme von Verhaltensstörungen<br />
wie das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms<br />
mit Hyperaktivität (ADHD), eine Zunahme von Fettleibigkeit bei<br />
Jugendli<strong>ch</strong>en und Erwa<strong>ch</strong>senen und das Auftreten von Diabetes<br />
Typ 2.<br />
Untersu<strong>ch</strong>ungen an japanis<strong>ch</strong>en Frauen legen einen Zusammenhang<br />
zwis<strong>ch</strong>en erhöhten BPA-Blutwerten und dem polyzystis<strong>ch</strong>en<br />
Ovarsyndrom PCOS nahe (Takeu<strong>ch</strong>i et al. 2004).<br />
Au<strong>ch</strong> eine Verbindung zwis<strong>ch</strong>en BPA im Blut und wiederholten<br />
Fehlgeburten wurde bei japanis<strong>ch</strong>en Frauen aufgezeigt (Sugiura-Ogasawara<br />
et al. 2005). Vom Saal und Hughes (2006) weisen<br />
darauf hin, dass diese Ergebnisse im Einklang mit Studien sind,<br />
die S<strong>ch</strong>äden bei Tieren bereits bei BPA-Konzentrationen na<strong>ch</strong>gewiesen<br />
haben, die ni<strong>ch</strong>t höher als die im mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Blut<br />
gefundenen waren.<br />
Es gibt Hypothesen, dass die in den letzten 50 Jahren in den USA<br />
und Europa zu beoba<strong>ch</strong>teten Trends (verringerte Fru<strong>ch</strong>tbarkeit,<br />
erhöhtes Auftreten von Brustkrebs und Missbildungen der Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsorgane)<br />
mit der Einwirkungen von endokrin wirkenden<br />
Stoffen wie Bisphenol A zusammenhängen (Sharpe und Skakkebaek<br />
1993; Skakkebaek et al. 1998; Munoz de Toro et al.<br />
2005; zitiert na<strong>ch</strong> Vandenbeck 2007).<br />
Au<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>ädigung der Nervenentwicklung im Gehirn dur<strong>ch</strong><br />
Bisphenol A wurde als östrogenartige Wirkung bes<strong>ch</strong>rieben (Le<br />
et al. 2008).<br />
Die Aussagen zur Wirkung auf den Mens<strong>ch</strong>en sind zunä<strong>ch</strong>st Annahmen,<br />
die jedo<strong>ch</strong> auf der Grundlage einer sehr großen Zahl<br />
tierexperimenteller Befunde basieren: Es gibt zahlrei<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>weise<br />
dafür, dass Bisphenol A (BPA) si<strong>ch</strong> an bestimmte Hormonrezeptoren<br />
bindet, diese verändert und in Folge hormonell<br />
gesteuerte Körperfunktionen beeinträ<strong>ch</strong>tigt (Review siehe Ri<strong>ch</strong>ter<br />
et al. 2007). Aktuelle Fors<strong>ch</strong>ungsergebnisse zeigen, dass<br />
estimmte Wirkungen bereits bei extrem niedrigen BPA -Konzentrationen<br />
zu erwarten sind: Die erst vor kurzer Zeit na<strong>ch</strong>gewiesenen<br />
Östrogenrezeptoren der Zellmembran werden bereits<br />
im Konzentrationsberei<strong>ch</strong> von parts per trillion dur<strong>ch</strong> BPA stimuliert<br />
(Quesada et al. 2005; Walsh et al. 2005; Wozniak et al.<br />
2005; Zsarnovszky et al. 2005).<br />
Die aktuellen wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Ergebnisse lassen anzunehmen,<br />
dass Bisphenol A (BPA) über mehrere Me<strong>ch</strong>anismen<br />
wirksam ist:<br />
• Als s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> wirkende, östrogenartige Substanz kann<br />
es an die Östrogenrezeptoren binden und entspre<strong>ch</strong>ende<br />
Wirkungen hervorrufen, die denen des natürli<strong>ch</strong>en<br />
Östrogen ähnli<strong>ch</strong> sind. Sie können jedo<strong>ch</strong> Fehlentwicklungen<br />
bewirken, da sie ni<strong>ch</strong>t zum ri<strong>ch</strong>tigen (Entwicklungs-)Zeitpunkt<br />
erfolgen und ni<strong>ch</strong>t auf das Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t<br />
und die Bedürfnisse des Organismus oder des<br />
Organs abgestimmt sind.<br />
• BPA kann unter bestimmten Bedingungen (situations-,<br />
orts- und konzentrationsabhängig) au<strong>ch</strong> den entgegen<br />
gesetzten Effekt hervorrufen: Es blockiert die Rezeptoren<br />
und hemmt damit die Funktion des Östrogens<br />
(anti-östrogene Wirkung).<br />
• Östrogenrezeptoren liegen au<strong>ch</strong> im Zellkern vor und<br />
spielen eine Rolle bei der Genregulation. BPA kann<br />
diese Regulation stören.<br />
• Eine Bindung an die Östrogenrezeptoren der Zellmembran<br />
kann über deren Aktivierung den Informationsaustaus<strong>ch</strong><br />
zwis<strong>ch</strong>en Zellen und die Genexpression der<br />
Zellen beeinträ<strong>ch</strong>tigen.<br />
Allerdings ist die Wirkung von Bisphenol A ni<strong>ch</strong>t auf die Reduzierung<br />
oder die Erhöhung des Östrogens und/oder der Störung<br />
der Östrogenrezeptoren bes<strong>ch</strong>ränkt. BPA zeigt eine Vielzahl weiterer<br />
Wirkungen, dazu gehören die Beeinträ<strong>ch</strong>tigung des androgenen<br />
System, das das Wa<strong>ch</strong>stum, die Entwicklung und die<br />
Funktion des männli<strong>ch</strong>en Fortpflanzungssystems reguliert,<br />
Störung der S<strong>ch</strong>ilddrüsenhormone, diverse Einflüsse auf die Entwicklung,<br />
Differenzierung und Funktionsfähigkeit des zentralen<br />
Nervensystems, und mögli<strong>ch</strong>erweise negative Auswirkungen auf<br />
das Immunsystem.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 39<br />
13
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 14<br />
Hormone in der Babyflas<strong>ch</strong>e<br />
Bei Mäusen wurde ein Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en der BPA-Exposition<br />
und Übergewi<strong>ch</strong>tigkeit festgestellt, wenn sie vor oder<br />
na<strong>ch</strong> der Geburt einer BPA-Belastung ausgesetzt waren. Dies ist<br />
insofern von besonderer Bedeutung, als Fettleibigkeit zu einer<br />
höheren Anfälligkeit für Krebs und Diabetes führen kann. Die<br />
Studie liefert konkrete Hinweise darauf, dass BPA, wie au<strong>ch</strong> andere<br />
hormonartig wirkende Substanzen, die Aktivierung, d.h.<br />
das „Ans<strong>ch</strong>alten” oder „Abs<strong>ch</strong>alten” von Genen beeinflussen<br />
kann. Die Genaktivierung ist ein komplexer Me<strong>ch</strong>anismus, bei<br />
dem es S<strong>ch</strong>utzme<strong>ch</strong>anismen gibt, die eine Aktivierung zur<br />
fals<strong>ch</strong>en Zeit (zum Beispiel im fals<strong>ch</strong>en Lebensalter) verhindern<br />
sollen. Es liegen Hinweise vor, dass derartige S<strong>ch</strong>utzme<strong>ch</strong>anismen<br />
dur<strong>ch</strong> BPA außer Kraft gesetzt werden können. BPA s<strong>ch</strong>eint<br />
die Moleküle verändern zu können, die normalerweise Gene<br />
davor s<strong>ch</strong>ützen, zum fals<strong>ch</strong>en Zeitpunkt oder im fals<strong>ch</strong>en Gewebe<br />
aktiviert zu werden (Dolinoy et al. 2007).<br />
Geringe Konzentrationen von Bisphenol A (BPA) riefen ein um<br />
70 % gesteigertes Wa<strong>ch</strong>stum bei Prostatakrebszellen im Verglei<strong>ch</strong><br />
zu einer 100fa<strong>ch</strong> höheren Konzentration hervor (Wetherill<br />
et al. 2002). Au<strong>ch</strong> signifikante Anstiege von Zelltumoren im<br />
Bindegewebe der Prostata wurden bes<strong>ch</strong>rieben. Tierversu<strong>ch</strong>e<br />
weisen darauf hin, dass eine Belastung in frühen Lebensstadien<br />
das Risiko für Prostatakrebs und Mammakarzinome (Brustkrebs)<br />
erhöht (Soto et al 2008). Insgesamt deuten die Erkenntnisse<br />
darauf hin, dass BPA über eine Einwirkung auf Entwicklungsprozesse<br />
eine höhere Anfälligkeit für Krebs hervorruft, wenn<br />
eine Exposition in der Wa<strong>ch</strong>stumsphase des Fötus oder kurz<br />
na<strong>ch</strong> der Geburt bestanden hat.<br />
Unter Berücksi<strong>ch</strong>tigung der Vielzahl von Studien an Tieren und<br />
Untersu<strong>ch</strong>ungen an Zellkulturen muss BPA – abhängig von der<br />
Entwicklungsphase des Organismus – au<strong>ch</strong> bei sehr geringen<br />
Konzentrationen und in einer Vielzahl von Geweben als ein<br />
ho<strong>ch</strong>wirksamer endokriner Stoff (EDC) bezei<strong>ch</strong>net werden (Vandenberg<br />
et al. 2007).<br />
Au<strong>ch</strong> hormonartigen Wirkungen auf Wasserorganismen und<br />
damit zusammenhängende ökologis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>äden wurden bei<br />
sehr niedrigen Konzentrationen festgestellt (Oehlmann et al.<br />
2000); die aquatis<strong>ch</strong>e Toxizität, insbesondere die Fis<strong>ch</strong>giftigkeit<br />
wird bei Konzentrationen na<strong>ch</strong>gewiesen, die real in der Umwelt<br />
auftreten können (Health Canada 2008). Die Kanadis<strong>ch</strong>e Gesundheitsbehörde<br />
fasst die Ergebnisse zu Bisphenol A wie folgt<br />
zusammen:<br />
14<br />
„Bisphenol A kann die Entwicklung von Organismen beeinträ<strong>ch</strong>tigen.<br />
S<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>e Wirkungen auf Entwicklungsprozesse<br />
wurden für aquatis<strong>ch</strong>e Organismen, Vögel und Säugetiere gezeigt.<br />
Es wurde na<strong>ch</strong>gewiesen, dass die einmalige oder mehrmalige<br />
Exposition mit BPA, insbesondere während der sensiblen<br />
Phasen der Entwicklung, zu dauerhaften Veränderungen<br />
der hormonellen Funktionen und der Entwicklungs- und<br />
Fortpflanzungsleistungen führen kann (Health Canada 2008).<br />
Effekte im Niedrig-Dosis-Berei<strong>ch</strong><br />
Für konventionelle toxikologis<strong>ch</strong>e Risikobewertungen einer Chemikalie<br />
wird im Tierversu<strong>ch</strong> die hö<strong>ch</strong>ste Dosis ohne negativen<br />
Effekt ermittelt (NOAEL, no adverse effect level). Bei BPA wird<br />
von der Behörde für Lebensmittelsi<strong>ch</strong>erheit der Wert 5 mg/kg<br />
Körpergewi<strong>ch</strong>t genannt (European Food Safety Authority, 2006).<br />
Aus diesem Wert wird mit Hilfe eines Si<strong>ch</strong>erheitsfaktors (in diesem<br />
Fall wurde der Si<strong>ch</strong>erheitsfaktor 100 festgelegt) eine Dosis<br />
bere<strong>ch</strong>net, von der angenommen wird, dass au<strong>ch</strong> eine langfristige<br />
tägli<strong>ch</strong>e Aufnahme ohne gesundheitli<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>teile beim<br />
Mens<strong>ch</strong>en ist (ADI-Wert, acceptable daily intake, au<strong>ch</strong> TDI, tolerable<br />
daily intake). Für BPA ergibt si<strong>ch</strong> damit der TDI-Wert zu<br />
50 Mikrogramm (µg) BPA pro Tag und kg Körpergewi<strong>ch</strong>t2 , eine<br />
Dosis, die von Umwelt- und Gesundheitsverbänden als viel zu<br />
ho<strong>ch</strong> bewertet wird (siehe Kapitel 6.2).<br />
Zahlrei<strong>ch</strong>e Untersu<strong>ch</strong>ungsergebnisse zeigen s<strong>ch</strong>ädigende Wirkungen<br />
von BPA jedo<strong>ch</strong> unterhalb des NOAEL-Wertes, über 40<br />
Befunde sogar unterhalb des TDI-Wertes (Vandenberg 2007),<br />
der als si<strong>ch</strong>erer S<strong>ch</strong>wellenwert für die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gesundheit<br />
angegeben wird. Diese „Niedrig-Dosis-Effekte” entspre<strong>ch</strong>en<br />
ni<strong>ch</strong>t der klassis<strong>ch</strong>en Denkweise der Toxikologie und werden vor<br />
allem in industriefinanzierten Studien (vgl. Kapitel 6) aber au<strong>ch</strong><br />
von Behörden (vgl. NTP, FDA, EFSA) immer wieder in Frage gestellt.<br />
Mögli<strong>ch</strong>erweise au<strong>ch</strong>, weil ihre Berücksi<strong>ch</strong>tigung zu weitrei<strong>ch</strong>enden<br />
Konsequenzen im Umgang mit Bisphenol A und anderen<br />
endokrin wirksamen Chemikalien führen müsste (siehe<br />
Kapitel 7).<br />
Die Vielzahl aktueller Studien und die Konsequenzen, die zum<br />
Beispiel dur<strong>ch</strong> Länder wie Kanada gezogen werden, ma<strong>ch</strong>en jedo<strong>ch</strong><br />
deutli<strong>ch</strong>, dass Niedrig-Dosiseffekte von BPA ni<strong>ch</strong>t mehr<br />
ernsthaft bestritten werden können. So zeigen 93 % der neueren<br />
Untersu<strong>ch</strong>ungen, dass BPA im Niedrig-Dosis-Berei<strong>ch</strong> negative<br />
Auswirkungen hervorrufen kann (vom Saal 2006).<br />
2 50 µg/(kg KG * d) ist eine tägli<strong>ch</strong>e Aufnahmemenge von 50 µg eines<br />
Stoffes pro kg Körpergewi<strong>ch</strong>t, bei einer Person von 70 kg also 3500<br />
µg/d = 3,5 mg/d<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 40
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 15<br />
Der Niedrig-Dosis-Effekt (low-dose-effect)<br />
Der von Paracelsus (1491–1543) formulierte Zusammenhang<br />
„allein die Dosis ma<strong>ch</strong>t, dass ein Ding kein Gift ist“,<br />
wird in der Toxikologie häufig missverstanden: Als eine<br />
dogmatis<strong>ch</strong>e Fests<strong>ch</strong>reibung eines monotonen (z.B. stetig<br />
ansteigenden) Zusammenhangs zwis<strong>ch</strong>en der Dosis und der<br />
beoba<strong>ch</strong>tbaren Wirkung. Je höher die Konzentration, desto<br />
stärker sei die Wirkung. Und: Unterhalb einer bestimmten<br />
Konzentration ist ein Stoff „kein Gift mehr“.<br />
Für hormonartige Stoffe, wie Bisphenol A, gilt jedo<strong>ch</strong>:<br />
• Wirkungen werden bereits im Niedrig-Dosisberei<strong>ch</strong> festgestellt,<br />
unterhalb der übli<strong>ch</strong>erweise untersu<strong>ch</strong>ten Berei<strong>ch</strong>e.<br />
• Eine Wirkung kann si<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>erweise bei niedrigeren<br />
Konzentrationen in einen gegenteiligen Effekt umkehren.<br />
• Bei niedrigerer Konzentration zeigt si<strong>ch</strong> eine Verstärkung<br />
der Wirkung (die bei hohen Konzentrationen mögli<strong>ch</strong>erweise<br />
gehemmt wird).<br />
• Eine Überkompensation des Organismus kann eine<br />
Gegenreaktion hervorrufen, die die ursprüngli<strong>ch</strong>e Reaktion<br />
überdeckt.<br />
• Die Wirkungen sind häufig sehr stark vom Entwicklungsstand<br />
des individuellen Organismus abhängig.<br />
Eine wi<strong>ch</strong>tige Konsequenz dieser Niedrig-Dosis-Effekte ist,<br />
dass na<strong>ch</strong> den klassis<strong>ch</strong>en Methoden kein S<strong>ch</strong>wellenwert<br />
Auswirkungen von Bisphenol (BPA) bei Niedrig-Dosis-Belastung<br />
• Entwicklung der weibli<strong>ch</strong>en Sexualorgane<br />
Niedrig-Dosis-Exposition neugeborener Mäuse mit BPA führte<br />
zu Fehlbildungen des Genitalsystems (Markey et al. 2005, Honma<br />
et al. 2002, S<strong>ch</strong>önfelder et a. 2002, S<strong>ch</strong>önfelder et al. 2004).<br />
• Entwicklung der männli<strong>ch</strong>en Sexualorgane<br />
Bei männli<strong>ch</strong>en Ratten wurden Veränderungen des Genitalsystems<br />
festgestellt (Ramos et. al. 2003, Chitra et al. 2003).<br />
Exposition von heranwa<strong>ch</strong>senden oder adulten Mäusen und<br />
Ratten bewirkte eine Reduktion der tägli<strong>ch</strong>en Spermienproduktion<br />
und der Fru<strong>ch</strong>tbarkeit (Al Hyasat et al. 2002, Chitra et<br />
al. 2003, Sakaue et al. 2001) und das Gewi<strong>ch</strong>t der Hoden<br />
nahm ab (Kawai et al. 2003)<br />
bestimmt werden kann, unterhalb dessen eine Wirkung<br />
si<strong>ch</strong>er auszus<strong>ch</strong>ließen ist. Vielmehr können au<strong>ch</strong> bei einer<br />
extrem niedrigen Dosis Wirkungen auftreten, die dur<strong>ch</strong>aus<br />
anders und mögli<strong>ch</strong>erweise s<strong>ch</strong>werwiegender sind als diejenigen<br />
bei hoher Dosis (vgl. au<strong>ch</strong> Oehlmann 2004).<br />
Die Chemieindustrie wie au<strong>ch</strong> einige für Chemikalienpolitik<br />
zuständige Behörden stellen den »low-dose-effect« in<br />
Frage. Deren Si<strong>ch</strong>tweise ist, dass die Wirkung eines Stoffes<br />
grundsätzli<strong>ch</strong> bei einer bestimmten, niedrigen Konzentration<br />
kleiner sein muss als die Wirkung bei einer höheren,<br />
untersu<strong>ch</strong>ten Konzentration. Unterhalb eines dann festgelegten<br />
S<strong>ch</strong>wellenwertes liegende Konzentrationen werden<br />
demzufolge häufig ni<strong>ch</strong>t untersu<strong>ch</strong>t. Oft wird au<strong>ch</strong> davon<br />
ausgegangen, dass S<strong>ch</strong>utzme<strong>ch</strong>anismen des Organismus<br />
ausrei<strong>ch</strong>en, um eine Wirkung völlig auszus<strong>ch</strong>ließen.<br />
Allerdings häufen si<strong>ch</strong> die wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Ergebnisse<br />
sowohl für Bisphenol A als au<strong>ch</strong> für andere EDCs, die das<br />
Gegenteil belegen.<br />
Dem Konzept, mit den klassis<strong>ch</strong>en Methoden der Toxikologie<br />
einen si<strong>ch</strong>eren S<strong>ch</strong>wellenwert festlegen zu können,<br />
unterhalb dessen s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>e Wirkungen von EDCs verna<strong>ch</strong>lässigbar<br />
sind, liegt eine These zugrunde, die wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong><br />
bereits widerlegt ist. Es darf daher ni<strong>ch</strong>t länger Basis<br />
für Risikobewertungen von Chemikalien sein.<br />
• Verfrühte Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsreife<br />
Verabrei<strong>ch</strong>ung niedriger BPA-Dosen an mütterli<strong>ch</strong>e Tiere bewirkt<br />
bei Mäusen den verfrühten Beginn der Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsreife<br />
(Honma et al. 2002, Nikaido et al. 2004, Howdeshell et al.<br />
1999, Susiarja et al. 2007).<br />
• Störungen der Zellteilung<br />
Mäuse zeigten na<strong>ch</strong> niedrigen BPA-Dosen bei der Bildung der<br />
Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tszellen verstärkt Störungen in der Reifeteilung<br />
(Meiose) und Chromosomenveränderungen in den Eizellen<br />
und Embryonen (Hunt et al. 2003, Can et al. 2005).<br />
• Entwicklung der weibli<strong>ch</strong>en Brustdrüse<br />
Niedrig-Dosis-Exposition stimulierte die Entwicklung der<br />
Brustdrüse (Muñoz-de-Toro et al. 2005). BPA-Exposition von<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 41<br />
15
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 16<br />
Hormone in der Babyflas<strong>ch</strong>e<br />
16<br />
Föten erzeugte neoplastis<strong>ch</strong>e (krebsartige) und präneoplastis<strong>ch</strong>e<br />
(Vorstufen neoplastis<strong>ch</strong>er Zellen) Veränderungen in der<br />
Brustdrüse (Murraya et al. 2007)<br />
• Prostata-Krankheiten und Krebs<br />
Niedrig-Dosis-Exposition von Mäusen (Gupta and Chhanda<br />
2000, Timms et al. 2005) und deren Föten (Nagel et al. 1997)<br />
mit BPA bewirkte eine Vergrößerung der Prostata bei den<br />
Na<strong>ch</strong>kommen. Die Exposition neugeborener Ratten mit niedrigen<br />
Dosen BPA erhöhte die Empfängli<strong>ch</strong>keit der Prostata gegenüber<br />
der krebserzeugenden Wirkung anderer Stoffe (Verstärkung<br />
der induzierten Kanzerogenese; Shuk-Mei et al.<br />
2006). Niedrige Dosen BPA bewirkten eine Aktivierung von<br />
Prostatakrebszellen (Wetherill et al. 2002).<br />
• Diabetes und Fettsu<strong>ch</strong>t<br />
Chronis<strong>ch</strong>e Niedrig-Dosis-Exposition löste bei ausgewa<strong>ch</strong>senen<br />
Mäusen eine Resistenz gegen Insulin aus (Alonso-Magdalena<br />
et al. 2006, Ropero et al. 2008). Insulinresistenz wird<br />
mit Typ 2- Diabetes, Blutho<strong>ch</strong>druck und Herzkrankheiten in<br />
Verbindung gebra<strong>ch</strong>t. Eine andauernde Exposition von Mäusen<br />
vor und kurz na<strong>ch</strong> der Geburt bewirkte Übergewi<strong>ch</strong>t und<br />
erhöhte Blutfettwerte (Miyawaki et al. 2007).<br />
• Gestörte Funktion des Immunsystems<br />
Niedrige BPA-Dosen bewirken Störungen des Immunsystems<br />
(Sawai et al. 2003, Yoshino et al. 2003, Yoshino et al. 2004).<br />
• Hemmung der Synapsenbildung im Gehirn<br />
BPA bewirkt eine signifikante Hemmung der neuronalen<br />
Synapsenbildung in bestimmten Gehirnregionen bereits bei<br />
Dosiswerten von 40 µg pro Kilogramm Körpergewi<strong>ch</strong>t (Mac-<br />
Lusky 2005). Dieser Wert liegt unterhalb des europäis<strong>ch</strong>en<br />
TDI-Wertes.<br />
Diese Zusammenstellung und die Literaturangaben wurden einer Studie<br />
der US-amerikanis<strong>ch</strong>en Umwelt- und Gesundheitsorganisation Environment<br />
& Human Health Inc. (EHHI 2008) entnommen und vom Autor ergänzt<br />
Aktuelle Ergebnisse: Eine im September 2008 veröffentli<strong>ch</strong>te<br />
Studie bestätigt nun die Annahmen, die Toxikologen<br />
bereits seit Jahren aus den vorliegenden Daten gezogen<br />
haben und ma<strong>ch</strong>t deutli<strong>ch</strong>, dass dringender Handlungsbedarf<br />
besteht. Bei BPA-Dosiswerten, die dur<strong>ch</strong><br />
zuständige Behörden (EFSA) als si<strong>ch</strong>er angesehen werden,<br />
und die im Berei<strong>ch</strong> der tägli<strong>ch</strong>en Aufnahmemenge liegen,<br />
wurden in Untersu<strong>ch</strong>ungen an Affen S<strong>ch</strong>äden bei der<br />
Gehirnentwicklung na<strong>ch</strong>gewiesen (Leranth 2008). Dies<br />
könnte das Gedä<strong>ch</strong>tnis, das Lernen und das Verhalten<br />
verändern. Die Ergebnisse an Affen sind auf den Mens<strong>ch</strong>en<br />
übertragbar.<br />
No<strong>ch</strong> weitergehende Konsequenzen ergeben si<strong>ch</strong> aus<br />
einer umfangrei<strong>ch</strong>en epidemiologis<strong>ch</strong>en Untersu<strong>ch</strong>ung an<br />
1455 Erwa<strong>ch</strong>senen (Lang et al. 2008): BPA-Konzentrationen<br />
im mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Körper (gemessen mit Hilfe der<br />
Uringehalte) zeigten einen signifikanten Zusammenhang<br />
mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Fettleibigkeit<br />
und Veränderungen der Leberenzyme. BPA erhöht dana<strong>ch</strong><br />
die Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit, an Diabetes oder an Herz-Kreislaufproblemen<br />
zu erkranken und könnte somit zum Auftreten<br />
der wi<strong>ch</strong>tigsten Zivilisationskrankheiten beitragen.<br />
Die Ergebnisse legen au<strong>ch</strong> die Frage nahe, ob das gehäufte<br />
Auftreten von Diabetes Typ 2 bei Kindern mit dem verstärkten<br />
Einsatz von BPA zusammenhängt.<br />
Insbesondere für Säuglinge, Embryos und Kleinkinder, die<br />
in einer besonders empfindli<strong>ch</strong>en Entwicklungsphase sind,<br />
ers<strong>ch</strong>eint eine gesundheitli<strong>ch</strong>e Gefährdung mögli<strong>ch</strong>.<br />
Bisphenol A kann von der Mutter an den Embryo weitergegeben<br />
werden. Säuglinge nehmen zusätzli<strong>ch</strong>e Mengen<br />
BPA auf, wenn sie Nahrung aus Polycarbonatflas<strong>ch</strong>en<br />
erhalten.<br />
Auswirkungen auf na<strong>ch</strong>folgende Generationen<br />
In Tierversu<strong>ch</strong>en führte die Niedrig-Dosis-Belastung trä<strong>ch</strong>tiger<br />
Mäuse mit Bisphenol A (BPA) zur S<strong>ch</strong>ädigung reifender Eizellen<br />
und beeinträ<strong>ch</strong>tigte au<strong>ch</strong> die daraus entstehenden Na<strong>ch</strong>kommen<br />
(Susiarjo et al. 2007).<br />
Offenbar manifestieren si<strong>ch</strong> östrogene Effekte s<strong>ch</strong>on sehr früh<br />
in der Entwicklung der Eizelle und führen zu Chromosomen-An-<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 42
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 17<br />
omalien. Die Befunde sind generationsübergreifend: Wenn die<br />
Föten zu erwa<strong>ch</strong>senen Tieren herangewa<strong>ch</strong>sen waren, zeigten<br />
sie eine signifikant größere Anzahl von Eizellen und Embryonen<br />
mit abnormen Chromosomen. Das heißt, Niedrig-Dosis-Belastung<br />
während der S<strong>ch</strong>wangers<strong>ch</strong>aft hat Auswirkungen auf<br />
mehrere Generationen; sie erhöht die Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit, dass<br />
die Enkel abnorme Chromosomen haben“ (Susiarjo et al. 2007).<br />
Die vorhandenen Untersu<strong>ch</strong>ungen von niedrigen und kurzzeitigen<br />
Dosierungen während der kritis<strong>ch</strong>en Entwicklungsphasen<br />
von Föten im Mutterleib legen nahe, dass BPA während dieser<br />
Zeitabs<strong>ch</strong>nitte besonders s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong> ist und Auswirkungen<br />
haben kann, die si<strong>ch</strong> erst in den Folgegenerationen manifestieren<br />
(Chapel Hill Expertenrunde Abs<strong>ch</strong>lussberi<strong>ch</strong>t 2007).<br />
Der Zeitpunkt der Belastung dur<strong>ch</strong> BPA ist offenbar sehr ents<strong>ch</strong>eidend:<br />
Im Frühstadium der S<strong>ch</strong>wangers<strong>ch</strong>aft oder in der<br />
frühen Kindheit kann BPA die s<strong>ch</strong>werwiegendsten negativen<br />
Auswirkungen haben. Toxikologis<strong>ch</strong> begründete Risikobewertungen,<br />
die dies ni<strong>ch</strong>t hinrei<strong>ch</strong>end berücksi<strong>ch</strong>tigen, führen zu<br />
einer dramatis<strong>ch</strong>en Unters<strong>ch</strong>ätzung des Gefährdungspotenzials.<br />
Für eine angemessene Risikobewertung für S<strong>ch</strong>wangere und<br />
(Klein-)Kinder müssten zusätzli<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>erheitsfaktoren berücksi<strong>ch</strong>tigt<br />
werden.<br />
Wel<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>lüsse ergeben si<strong>ch</strong> daraus für den Mens<strong>ch</strong>en? Interessanterweise<br />
wurde s<strong>ch</strong>on früher eine Verbindung zwis<strong>ch</strong>en der<br />
BPA-Belastung im Blut und wiederholten Fehlgeburten bei Frauen<br />
gezogen (Sugiura-Ogasawara et al. 2005). Die oben genannte<br />
Studie von 2007 bietet nun konkrete Hinweise. Die Untersu<strong>ch</strong>ungen<br />
zeigen eindeutig, dass die Umweltbelastung dur<strong>ch</strong> Chemikalien<br />
den Prozess der Zellteilung bei Säugetieren beeinflussen<br />
kann. Sie zeigt au<strong>ch</strong>, dass die ents<strong>ch</strong>eidenden gesundheitli<strong>ch</strong>en<br />
Folgen erst na<strong>ch</strong> zwei folgenden Generationen deutli<strong>ch</strong> werden<br />
können. Für die Ents<strong>ch</strong>eidungsfindung und für Behörden, die mit<br />
gesetzli<strong>ch</strong>en Regelungen befasst sind, ist dies eine besondere<br />
Herausforderung. Eine Studie, die den gegenwärtig akzeptierten<br />
statistis<strong>ch</strong>en und wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Prinzipien genügt, wie etwa<br />
eine ausrei<strong>ch</strong>ende und repräsentative Anzahl von Probanden,<br />
würde die Untersu<strong>ch</strong>ung einer großen repräsentativen Zahl von<br />
Frauen im gebärfähigen Alter (mögli<strong>ch</strong>erweise etwa 2.000), als<br />
au<strong>ch</strong> die Untersu<strong>ch</strong>ung ihrer weibli<strong>ch</strong>en Kinder und ihrer Enkel<br />
erfordern (Hawley u. Warburton 2007). Abgesehen von den of-<br />
fensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en ethis<strong>ch</strong>en Implikationen würde der Prozess der<br />
Datenerhebung extrem lange dauern.<br />
Das Vorsorgeprinzip ist allgemein anerkannt. Es wäre vernünftiger,<br />
dieses au<strong>ch</strong> anzuwenden, anstatt 30 Jahre auf eine Bestätigung<br />
für das zu warten, was aus zahllosen Untersu<strong>ch</strong>ungen<br />
heute s<strong>ch</strong>on gefolgert werden kann.<br />
Das Vorsorgeprinzip<br />
Das spezifis<strong>ch</strong>e Merkmal des Vorsorgeprinzips ist die<br />
Risikovermeidung au<strong>ch</strong> dann, wenn abs<strong>ch</strong>ließende wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Si<strong>ch</strong>erheit (no<strong>ch</strong>) ni<strong>ch</strong>t vorliegt. Maßnahmen<br />
zur Verringerung von Risiken müssen somit<br />
no<strong>ch</strong> vor dem eindeutigen „Na<strong>ch</strong>weis” von Gefahren<br />
getroffen werden, wenn s<strong>ch</strong>werwiegende und unumkehrbare<br />
Auswirkungen zu erwarten sind.<br />
„Einer Katastrophe zuvorzukommen erfordert für gewöhnli<strong>ch</strong><br />
ein Handeln, no<strong>ch</strong> bevor S<strong>ch</strong>äden deutli<strong>ch</strong><br />
si<strong>ch</strong>tbar werden, vor allem, wenn die S<strong>ch</strong>äden erst spät<br />
eintreten und unumkehrbar sind.” (Europäis<strong>ch</strong>e Umweltagentur<br />
Kopenhagen; 2002) Das Vorsorgeprinzip ist<br />
heute allgemein anerkannte Grundlage in der Umweltund<br />
Gesundheitspolitik. Es liegt laut Artikel 174 (2) des<br />
EG-Vertrages der Umweltpo-litik der Gemeins<strong>ch</strong>aft zugrunde<br />
und wurde im Dezember 2000 auf die Berei<strong>ch</strong>e<br />
Gesundheits- und Lebensmittelpolitik erweitert.<br />
Die Hinweise auf ernsthafte S<strong>ch</strong>äden dur<strong>ch</strong> Bisphenol A sind<br />
erdrückend. Bisphenol A gehört zu den am besten untersu<strong>ch</strong>ten<br />
<strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en Stoffen. Denno<strong>ch</strong>: Die Diskussion hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />
der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Mens<strong>ch</strong>en und die<br />
daraus zu folgernden Konsequenzen ist no<strong>ch</strong> sehr kontrovers.<br />
Aufgrund der Vielzahl experimenteller Untersu<strong>ch</strong>ungen im<br />
Niedrig-Dosis-Berei<strong>ch</strong> und eins<strong>ch</strong>lägiger Hinweise von Endokrinologen<br />
und Toxikologen hätte die Anwendung des Vorsorgeprinzips<br />
bereits dringend Maßnahmen zum S<strong>ch</strong>utz der<br />
Gesundheit erfordert.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 43<br />
17
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 18<br />
Hormone in der Babyflas<strong>ch</strong>e<br />
6. Eine verfehlte EU-Chemikalienpolitik<br />
USA und Kanada als Vorreiter?<br />
Eine Studie des National Toxicology Program (NIEH, National Institute<br />
for Environment and Health, Umwelt- und Gesundheitsbehörde<br />
der USA) drückte 2008 zum ersten Mal „eine gewisse<br />
Besorgnis“ aus, dass Bisphenol A (BPA) die Entwicklung des Nervensystems<br />
und des Verhaltens „beim Fötus, bei Säuglingen und<br />
Kindern bei den derzeitigen Belastungen des Mens<strong>ch</strong>en“ beeinträ<strong>ch</strong>tigen<br />
könnte. Au<strong>ch</strong> die verfrühte Pubertät bei Mäd<strong>ch</strong>en<br />
und die Hyperaktivität gehört zu den angespro<strong>ch</strong>enen mögli<strong>ch</strong>en<br />
„Entwicklungsstörungen“. Hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> eines Krebsrisikos,<br />
Diabetes und weiteren ernsthaften Gesundheitsproblemen bei<br />
Erwa<strong>ch</strong>senen wurden nur geringe Bedenken geäußert (NTP<br />
2008). No<strong>ch</strong> wesentli<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong>er ist die Stellungnahme der kanadis<strong>ch</strong>en<br />
Gesundheitsbehörde:<br />
18<br />
Im April 2008 veröffentli<strong>ch</strong>te die kanadis<strong>ch</strong>e Regierung<br />
den Entwurf eines Beri<strong>ch</strong>ts zu den Auswirkungen von BPA<br />
mit einem S<strong>ch</strong>werpunkt auf Neugeborene und Kleinkinder<br />
bis zu 18 Monaten. Die Studie kam zu dem S<strong>ch</strong>luss, dass<br />
die Lücke zwis<strong>ch</strong>en tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Exposition/der real vorhandenen<br />
Belastung und einer gesundheitli<strong>ch</strong>en Beeinträ<strong>ch</strong>tigung<br />
dur<strong>ch</strong> BPA ni<strong>ch</strong>t ausrei<strong>ch</strong>end groß ist, um als<br />
si<strong>ch</strong>er angesehen zu werden. Es besteht nur ein geringer<br />
Abstand zwis<strong>ch</strong>en Konzentrationen, die die Entwicklung<br />
des Nervensystems beeinträ<strong>ch</strong>tigen und zu Verhaltensstörungen<br />
führen könnten und denjenigen, die in der Umwelt<br />
festgestellt werden.<br />
„Die Wirkungen können au<strong>ch</strong> bei Dosen auftreten, die<br />
niedriger sind als diejenigen, die übli<strong>ch</strong>erweise in anerkannten<br />
Testverfahren eingesetzt werden und manifestieren<br />
si<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>erweise erst in späteren Lebensphasen<br />
oder in Folgegenerationen” Die Folgerung daraus ist, dass<br />
Bisphenol A als eine Substanz betra<strong>ch</strong>tet werden kann,<br />
die eine tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e oder mögli<strong>ch</strong>e Gefahr für Mens<strong>ch</strong>en<br />
und ihre Gesundheit darstellt.<br />
Als Konsequenz und unter Berücksi<strong>ch</strong>tigung des Vorsorgeprinzips<br />
(siehe Kap. 7) beabsi<strong>ch</strong>tigt die kanadis<strong>ch</strong>e Regierung,<br />
Polycarbonat-Babyflas<strong>ch</strong>en zu verbieten und<br />
strenge Zielwerte für BPA in Instant-Säuglingsnahrung<br />
festzulegen (Health Canada 2008).<br />
Es ist das erste Mal in der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des BPA, dass eine Regierung<br />
ein Produkt mit diesem Inhaltsstoff verbietet. Viele Handelsketten<br />
(eins<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> Wal Mart und große Handelsketten<br />
aus Kanada und weiteren Ländern) haben ni<strong>ch</strong>t auf eine gesetzli<strong>ch</strong>e<br />
Regelung gewartet und bereits begonnen, Babyflas<strong>ch</strong>en<br />
und Wasserflas<strong>ch</strong>en aus Polycarbonat aus ihren Regalen<br />
zu entfernen (Austin 2008).<br />
Für medizinis<strong>ch</strong>e Produkte müssen Hersteller erklären, ob ihre<br />
Produkte BPA oder daraus hergestellte Materialien enthalten<br />
(Health Canada 2008a).<br />
Die Ents<strong>ch</strong>eidung der Europäis<strong>ch</strong>en Behörde für Lebensmittelsi<strong>ch</strong>erheit<br />
Auf Grund der vorgestellten Ergebnisse und der amerikanis<strong>ch</strong>en<br />
und vor allem der kanadis<strong>ch</strong>en Position stellt si<strong>ch</strong> bei Betra<strong>ch</strong>tung<br />
der europäis<strong>ch</strong>en Vorgehensweise die Frage, ob Bisphenol<br />
A in Europa deutli<strong>ch</strong> weniger s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong> für die Mens<strong>ch</strong>en ist. Im<br />
Verglei<strong>ch</strong> zu den USA und Kanada kann die Position der zuständigen<br />
europäis<strong>ch</strong>en Behörde für Lebensmittelsi<strong>ch</strong>erheit (EFSA,<br />
European Food Safety Authority) nur als äußerst fragwürdig bezei<strong>ch</strong>net<br />
werden.<br />
Im Jahr 2002 hatte die EU einen vorläufigen Grenzwert für die<br />
tolerierbare tägli<strong>ch</strong>e Aufnahmemenge (TDI, tolearable daily intake)<br />
festgelegt. Die Basis dieser Festlegung waren wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Studien, aus denen die EFSA einen Dosiswert ermittelte,<br />
bei dem keine s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>e Wirkung mehr beoba<strong>ch</strong>tet werden<br />
konnte (NOAEL-Wert, No Observed Adverse Effect Level).<br />
Der NOAEL-Wert betrug laut EFSA 5 mg (= 5.000 µg) pro kg<br />
Körpergewi<strong>ch</strong>t und Tag.<br />
Die berücksi<strong>ch</strong>tigten Untersu<strong>ch</strong>ungen waren zu dieser Zeit<br />
dur<strong>ch</strong>aus umstritten, au<strong>ch</strong> heute ers<strong>ch</strong>eint dieser Wert äußerst<br />
fragwürdig, da es eine Vielzahl von Untersu<strong>ch</strong>ungen gibt, die<br />
Wirkungen au<strong>ch</strong> unter diesem NOAEL-Wert bes<strong>ch</strong>reiben (siehe<br />
Kap. 5). Der NOAEL-Wert wurde seinerzeit dur<strong>ch</strong> den Si<strong>ch</strong>erheitsfaktor<br />
500 dividiert, so dass ein TDI für den Mens<strong>ch</strong>en auf<br />
10 µg pro Kilogramm Körpergewi<strong>ch</strong>t und Tag festgelegt wurde.<br />
Dieses Vorgehen ist ein in der Toxikologie gängiges Verfahren,<br />
man versu<strong>ch</strong>t etwa die Unsi<strong>ch</strong>erheiten dur<strong>ch</strong> die Übertragung<br />
von Tierversu<strong>ch</strong>en auf den Mens<strong>ch</strong>en, sowie unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e<br />
Empfindli<strong>ch</strong>keit einzelner Individuen zu berücksi<strong>ch</strong>tigen.<br />
In 2006 erfolgte eine Überprüfung dieser Werte dur<strong>ch</strong> die EFSA.<br />
Zielsetzung war, die Auswirkungen von BPA in Zusammenhang<br />
mit Materialien, die mit Nahrungsmitteln in Berührung kom-<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 44
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 19<br />
men, auf das reproduktive und das endokrine System zu bewerten.<br />
Eine industriefinanzierte und zu diesem Zeitpunkt unveröffentli<strong>ch</strong>te<br />
Studie war eine ents<strong>ch</strong>eidende Quelle, auf deren Basis<br />
die EFSA ihre Ents<strong>ch</strong>eidung zur Si<strong>ch</strong>erheit von BPA fällte. Eine<br />
Einbeziehung von Experten für den Berei<strong>ch</strong> Niedrig-Dosis-Wirkungen<br />
von BPA oder für endokrine Disruptoren war ni<strong>ch</strong>t zu erkennen.<br />
Das Gremium bestand überwiegend aus (Lebensmittel-)<br />
Toxikologen, von denen mehrere Verbindungen zur Industrie,<br />
au<strong>ch</strong> zur Kunststoffindustrie, und zu industriefinanzierten<br />
NGOs hatten (siehe Tabelle 5).<br />
In der Anfang 2007 veröffentli<strong>ch</strong>ten Stellungnahme kommt die<br />
EFSA – im deutli<strong>ch</strong>en Gegensatz zu den meisten aktuellen und<br />
übereinstimmenden Erkenntnissen der Wissens<strong>ch</strong>aft – in ihrer<br />
Stellungnahme zu den folgenden S<strong>ch</strong>lussfolgerungen:<br />
• die früher bestimmte NOAEL- Wert (No Observed Adverse Effect<br />
Level – hö<strong>ch</strong>ste Dosis eines S<strong>ch</strong>adstoffes, bei der no<strong>ch</strong><br />
keine s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>e Wirkung erkennbar ist) behält seine Gültigkeit:<br />
5 mg pro Kilogramm Körpergewi<strong>ch</strong>t und Tag.<br />
• Zahrei<strong>ch</strong>e Beri<strong>ch</strong>te über die Wirkungen niedriger Dosen von<br />
Bisphenol A hält die EFSA für fragwürdig. Sie seien ni<strong>ch</strong>t »belastbar«<br />
oder zeigen keine Auswirkungen, die auf Mens<strong>ch</strong>en<br />
übertragbar wären,<br />
• Auf Grund der neuen Fors<strong>ch</strong>ungsergebnisse sei deutli<strong>ch</strong> geworden,<br />
dass der Mens<strong>ch</strong> BPA s<strong>ch</strong>neller abbaut als die Nagetiere,<br />
an denen die meisten Untersu<strong>ch</strong>ungen vorgenommen<br />
wurden. Der Si<strong>ch</strong>erheitsabstand zwis<strong>ch</strong>en den Aufnahmemengen,<br />
die s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>e Wirkungen hervorrufen, und der tolerierbaren<br />
Aufnahmemenge für den Mens<strong>ch</strong>en könne deshalb<br />
verringert werden.<br />
• Die neue tolerierbare tägli<strong>ch</strong>e Aufnahmemenge (TDI) wurde<br />
um den Faktor 5 heraufgesetzt. Sie beträgt 50 µg pro kg<br />
Körpergewi<strong>ch</strong>t und Tag.<br />
• Die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Exposition mit Bisphenol A über Lebensmittel<br />
liegt laut Meinung der EFSA deutli<strong>ch</strong> unter diesem neuen<br />
TDI-Wert.<br />
Da in 2007 deutli<strong>ch</strong> wurde, dass unter anderem die kanadis<strong>ch</strong>e<br />
Umweltbehörde zu deutli<strong>ch</strong> anderen S<strong>ch</strong>lussfolgerungen kam,<br />
erfolgte in 2008 eine Überprüfung des TDI dur<strong>ch</strong> die EFSA. Allerdings<br />
fand ledigli<strong>ch</strong> eine Bestätigung des Bes<strong>ch</strong>lusses aus<br />
2007 statt. Das in Deuts<strong>ch</strong>land für die Si<strong>ch</strong>erheit von Lebensmitteln<br />
und Produkten zuständige Bundesinstitut für Risikobe-<br />
wertung (BfR) sieht keine Gesundheitsgefährdung bei Einhaltung<br />
des von der EFSA festgelegten TDI-Wertes.<br />
Kritik an der EFSA-Ents<strong>ch</strong>eidung<br />
Toxikologen, darunter au<strong>ch</strong> ein Mitarbeiter des Umweltbundesamtes,<br />
bezei<strong>ch</strong>neten dagegen diese Ents<strong>ch</strong>eidung in einer gemeinsamen<br />
Stellungnahme als skandalös. Die Behauptungen<br />
der Behörde seien „in keiner Weise akzeptabel“ (Charisius 2008).<br />
Es sei zu befür<strong>ch</strong>ten, dass Ungeborene und Kinder dur<strong>ch</strong> die allgegenwärtige<br />
Chemikalie S<strong>ch</strong>aden nehmen könnten.<br />
Die neuesten in 2008 veröffentli<strong>ch</strong>ten Untersu<strong>ch</strong>ungsergebnisse<br />
(vgl. Kapitel 5) bestätigen die seit Jahren geäußerten Bedenken<br />
erneut. Die an Affen festgestellte S<strong>ch</strong>ädigung der Gehirnentwicklung<br />
fand bereits bei Konzentrationen statt, die unterhalb<br />
des von der EFSA als si<strong>ch</strong>er bezei<strong>ch</strong>neten Dosiswertes<br />
liegen (Leranth et al. 2008). Die genannten epidemiologis<strong>ch</strong>en<br />
Befunde zum Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en BPA-Gehalten und<br />
Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes (Lang et al. 2008)<br />
legen eine Rolle des Bisphenol A beim Auftreten der wi<strong>ch</strong>tigsten<br />
Zivilisationskrankheiten nahe. Das Argument, die Ergebnisse aus<br />
Tierversu<strong>ch</strong>en seien auf Grund des s<strong>ch</strong>nelleren Abbaus des Bisphenol<br />
A beim Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t auf diesen übertragbar, ist dur<strong>ch</strong><br />
die neuen Ergebnisse ni<strong>ch</strong>t mehr haltbar.<br />
Au<strong>ch</strong> das Umweltbundesamt äußert si<strong>ch</strong> kritis<strong>ch</strong> zur Ents<strong>ch</strong>eidung<br />
der EFSA (Umweltbundesamt 2008): „Beinahe ausnahmslos<br />
zeigten die Messungen in mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Proben relativ hohe<br />
Spiegel des Bisphenol A. Bislang fehlen Gründe, warum die europäis<strong>ch</strong>e<br />
Bewertung diese Ergebnisse ni<strong>ch</strong>t berücksi<strong>ch</strong>tigt hat.“<br />
Außerdem wird ausdrückli<strong>ch</strong> auf die Vielzahl der wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er<br />
Studien hingewiesen, die s<strong>ch</strong>ädigende Wirkungen bei Tieren<br />
unterhalb der Dosis aufgezeigt haben, die von der EFSA als<br />
si<strong>ch</strong>er bezei<strong>ch</strong>net wird.<br />
Es ist offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>, dass die Ents<strong>ch</strong>eidung der EFSA einer wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Kritik ni<strong>ch</strong>t standhält und der Überprüfungsprozess<br />
der EU angemessene Steuerung, Transparenz und na<strong>ch</strong>vollziehbare<br />
Ri<strong>ch</strong>tlinien vermissen lässt. Eine Erklärung könnte<br />
in unzulässiger Beeinflussung dur<strong>ch</strong> Industrieinteressen zu su<strong>ch</strong>en<br />
sein.<br />
Die EU sollte ni<strong>ch</strong>t hinter dem generellen wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Konsens und den Ents<strong>ch</strong>eidungen in Kanada zurückbleiben.<br />
Der BUND fordert von der EFSA eine umgehende Revision<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 45<br />
19
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 20<br />
Hormone in der Babyflas<strong>ch</strong>e<br />
ihrer Ents<strong>ch</strong>eidung zu BPA und erwartet, dass aktuelle Fors<strong>ch</strong>ungsergebnisse<br />
berücksi<strong>ch</strong>tigt und das Vorsorgeprinzip angewandt<br />
wird.<br />
Einflussnahme der Industrie<br />
Die Frage na<strong>ch</strong> den Ursa<strong>ch</strong>en für die irritierende Politik der EU<br />
lenkt den Blick auf Interessengruppen, die hier mögli<strong>ch</strong>erweise<br />
unangemessen berücksi<strong>ch</strong>tigt wurden.<br />
Fasst man die wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Untersu<strong>ch</strong>ungen zu BPA unterhalb<br />
des klassis<strong>ch</strong>en Dosis-Wirkungsberei<strong>ch</strong>es zusammen, ergibt<br />
si<strong>ch</strong> folgendes Bild: Ende 2006 zeigten 149 von 176 (93%)<br />
Untersu<strong>ch</strong>ungen, dass BPA im Niedrig-Dosis-Berei<strong>ch</strong> negative<br />
Auswirkungen hervorrufen kann. Von den 27 Experimenten, die<br />
keine negativen Auswirkungen ergaben, waren 13 von der Industrie<br />
finanziert. Die anderen Untersu<strong>ch</strong>ungen arbeiteten mit<br />
Ratten, die auf östrogenartige Stoffe eins<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> BPA unempfindli<strong>ch</strong><br />
reagieren und damit für diese Untersu<strong>ch</strong>ungen unbrau<strong>ch</strong>bar<br />
waren (vom Saal 2006). Bis zum Ende des Jahres<br />
2007 wurden 19 weitere Laboruntersu<strong>ch</strong>ungen über die Effekte<br />
von BPA im Niedrig-Dosis-Berei<strong>ch</strong> veröffentli<strong>ch</strong>t, alle belegten<br />
s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>e Auswirkungen (Senjen 2008).<br />
Als Beipiel kann eine industriefinanzierte Studie an 8000 Ratten<br />
dienen, die bei der Festlegung des TDI-Wertes der EFSA in<br />
2002 berücksi<strong>ch</strong>tigt wurde. Sie zeigte keine Auswirkungen auf<br />
Tabelle 5: Liste der EFSA-Mitglieder mit mögli<strong>ch</strong>en Interessenkonflikten<br />
20<br />
Fortpflanzung oder Entwicklung (Tyl 2002) der Tiere. Den Tieren<br />
wurden über die Nahrung unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e (sehr niedrige bis<br />
sehr hohe) Mengen Bisphenol A zugeführt. Allerdings muss die<br />
Aussagekraft dieser Studie ernsthaft angezweifelt werden: So<br />
war die ausgewählte Rattenzü<strong>ch</strong>tung von vorneherein gegenüber<br />
BPA unempfindli<strong>ch</strong> und es wurde keine Positiv-Kontrolle<br />
dur<strong>ch</strong>geführt, die bestätigt hätte, dass die Tiere überhaupt empfindli<strong>ch</strong><br />
auf die untersu<strong>ch</strong>ten Parameter Fortpflanzungss<strong>ch</strong>ädigung<br />
und Entwicklungstoxizität reagieren (Hillman 2003). Die<br />
Untersu<strong>ch</strong>ung wurde als wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t verwertbar und<br />
fehlerhaft bezei<strong>ch</strong>net (vom Saal 2006a).<br />
Eine weitere Studie, finanziert dur<strong>ch</strong> die Kunststoff-Industrie<br />
(Polycarbonate/BPA Global Group), war offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> Grundlage<br />
für die jüngste Ents<strong>ch</strong>eidung der EFSA zu Beginn des Jahres<br />
2007, den S<strong>ch</strong>wellenwert für BPA zu verfünffa<strong>ch</strong>en. Öffentli<strong>ch</strong><br />
zugängli<strong>ch</strong> war diese Studie erst in 2008 (Tyl et al. 2008). Offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />
konnten hierin bei Untersu<strong>ch</strong>ungen an zwei Generationen<br />
von Mäusen na<strong>ch</strong> BPA-Applikation keine negativen<br />
Auswirkungen gezeigt werden. Zur Zeit der EFSA-Ents<strong>ch</strong>eidung<br />
war diese Untersu<strong>ch</strong>ung ni<strong>ch</strong>t veröffentli<strong>ch</strong>t und ni<strong>ch</strong>t einer Beguta<strong>ch</strong>tung<br />
dur<strong>ch</strong> unabhängige Wissens<strong>ch</strong>aftler unterworfen.<br />
Somit hätte diese Untersu<strong>ch</strong>ung niemals Grundlage für die Ents<strong>ch</strong>eidung<br />
de EFSA sein dürfen (Roegner 2007).<br />
Name Expertise/derzeitige Zugehörigkeit Mögli<strong>ch</strong>e Interessenkonflikte<br />
Dr. Fernando Aguilar Lebensmitteltoxikologe, Fren<strong>ch</strong> Food Safety Agency Frühere Tätigkeit für Nestlé, Ehefrau arbeitet no<strong>ch</strong> für Nestlé<br />
Prof. Herman Autrup Toxikologe, Institute of Public Health, Greenfacts* Vorstandsmitglied (siehe Kap. 6.2)<br />
University of Aarhus Mitglied des wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Beirats von CEFIC<br />
Dr. Susan Barlow Toxikologin, ehemalige UK-Bürokratin, Consultant für Unilever, Tesco, GNT, Grant/Son<br />
(Vorsitzende) derzeitig freiberufli<strong>ch</strong> tätig Greenfacts* Mitglied, Mitarbeit an Arbeiten zu EDCs<br />
Prof. Karl-Heinz Engel Lebensmittel<strong>ch</strong>emiker, Lehrstuhl für allgemeine Verträge mit Degussa, Kraft, Südzucker, Frey and Lau,<br />
Lebensmittelte<strong>ch</strong>nologie, Dr. Willmar S<strong>ch</strong>wabe GMBH, T. Hasegawa Japan, indirect<br />
Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Universität Mün<strong>ch</strong>en Monsanto, Symrise, Ajinomoto<br />
Prof. Ivonne Rietjens Lebensmitteltoxikologe, Professur für Toxikologie, Fors<strong>ch</strong>ungszusammenarbeit mit TNO Zeist, Consultant/<br />
Wageningen University, Niederlande Fors<strong>ch</strong>ung für Nestle, Mitglied des Expertengremiums der<br />
Flavour and Extract Manufacters Association (FEMA)<br />
Beratender Vorstand Nanotox BV<br />
Prof. Paul Tobback Emeritus Professor, Faculty of Bioscience Engineering, Mitglied des wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Beirates der Belgian food<br />
Katholieke Universiteit Leuven, Belgien industry assoc., Consultant für Carrefour, SGS S&SC<br />
Prof. Fidel Toldra Lebensmittel<strong>ch</strong>emiker, Institut für Agro<strong>ch</strong>emie und Förderung dur<strong>ch</strong> Vanquera meat industry<br />
Lebensmittelte<strong>ch</strong>nologie (CSIC), Spanien Verbände der Fleis<strong>ch</strong>industrie<br />
Dr. Frank Sullivan Toxikologe, Consultant CEFIC Consultant<br />
Quelle: http://www.efsa.europa.eu/en/science/afc/afc_members.html<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 46
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 21<br />
Da eine Vielzahl von unabhängigen Niedrig-Dosis-Studien Wirkungen<br />
auf Gewebe zeigen, die empfindli<strong>ch</strong> auf Hormone reagieren,<br />
verlegt si<strong>ch</strong> die Industrie auf Argumente, dass diese tierexperimentellen<br />
Befunde auf den Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t übertragbar<br />
wären, da dort unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e physiologis<strong>ch</strong>e Verhältnisse vorlägen.<br />
Insgesamt drängt si<strong>ch</strong> der Eindruck auf, dass es si<strong>ch</strong> hier<br />
um einen industrieabhängigen Versu<strong>ch</strong> handelt, in einem kleinen<br />
Kreis, ohne Beteiligung der Öffentli<strong>ch</strong>keit und der Fa<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft<br />
festzulegen, was als legitime, relevante und zuverlässige<br />
wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Fors<strong>ch</strong>ung zu gelten hat, um dadur<strong>ch</strong><br />
eine ordnungsgemäße Reglementierung von BPA so lange<br />
wie mögli<strong>ch</strong> zu verzögern (Vogel 2008).<br />
Der Fall BPA erinnert an die Kampagne der Tabakindustrie, die<br />
dazu diente, die Gesundheitsgefährdung dur<strong>ch</strong> Rau<strong>ch</strong>en abzustreiten.<br />
Diese interessengebundene Leugnung wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er<br />
Beweise ist eingehend dokumentiert worden (Sass 2006;<br />
Hayes 2004; Barrow u. Conrad 2006). Zweifel zu säen ist eine<br />
der Methoden, die die Industrie benutzt, um ihre ökonomis<strong>ch</strong>en<br />
und politis<strong>ch</strong>en Ziele zu verfolgen (Ong u. Glatz 2001). Es<br />
s<strong>ch</strong>eint, als falle die Diskussion um BPA in dieselbe Kategorie. Im<br />
Fall BPA s<strong>ch</strong>eint die Taktik vorzuherrs<strong>ch</strong>en, unabhängige Fors<strong>ch</strong>ung<br />
zu Niedrig-Dosis-Effekten zu unterbinden, zu verzögern,<br />
oder zurückzuweisen. Ein offenbar besonders effektives Mittel<br />
ist die Dur<strong>ch</strong>führung industriefinanzierter Studien, die Niedrig-<br />
Dosis-Effekte ni<strong>ch</strong>t bestätigen.<br />
Der Widerstand der EFSA und anderen Institutionen gegenüber<br />
der Notwendigkeit, BPA zumindest aus Artikeln mit Kontakt zu<br />
Lebensmitteln zu eliminieren ist offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>. Die <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Industrie<br />
s<strong>ch</strong>eint weiterhin fals<strong>ch</strong>e oder irreleitende Informationen<br />
zu verbreiten und zu finanzieren, und Druck auf Regierungsstellen<br />
und wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Gremien auszuüben, beziehungsweise<br />
diese Gremien mit ihren eigenen Mitgliedern auszustatten.<br />
Dass EU-Behörden, in diesem Fall die EFSA, eng mit der <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en<br />
Industrie und ihren Institutionen verflo<strong>ch</strong>ten sind, zeigt<br />
die Auflistung mögli<strong>ch</strong>er Interessenkonflikte in der Tabelle 5.<br />
Bemerkenswert ist das Vers<strong>ch</strong>leiern der tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Interessen.<br />
„Greenfacts” z. B. gibt si<strong>ch</strong> als umweltorientierte Ni<strong>ch</strong>tregierungsorganisation<br />
– tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> ist es eine industriefinanzierte<br />
Lobbyeinri<strong>ch</strong>tung.<br />
„Der Finanzier ist ein zuverlässiger Prädiktor (Voraussager) für<br />
das Ergebnis”, so fasst der Umwelttoxikologe Prof. Jörg Oehl-<br />
Greenfacts – Industriefinanzierte Fakten ?<br />
GreenFacts, vormals GreenFacts Foundation, ist eine internationale<br />
„non profit”-Organisation, die 2001 in Brüssel/Belgien<br />
gegründet wurde. Sie wird hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> von<br />
Industrieunternehmen wie Solvay finanziert. Solvay ist<br />
aufgrund seiner Informationspolitik bereits in die öffentli<strong>ch</strong>e<br />
Kritik geraten.<br />
Greenfacts bezei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> selbst als „unabhängige,<br />
gemeinnützige Organisation”, die „aus diversen Teilhabern<br />
der Umwelt- und Gesundheitsdebatte besteht”<br />
(www.greenfacts.org).<br />
Im Jahr 2006 verfügte Greenfacts über ein Budget von<br />
über 500.000 Euro, 50 % davon stammten aus der Industrie,<br />
etwa von Carrefour (eine europäis<strong>ch</strong>e Supermarktkette),<br />
CEFIC (Europäis<strong>ch</strong>er Da<strong>ch</strong>verband der <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en<br />
Industrie), Euro Chlor, PlasticsEurope, die European Crop<br />
Protection Association, GlaxoSmithKline Biologicals,<br />
Proctor&Gamble, Raffinerie Tirlemontoise (Zuckerfabrikation),<br />
Suez und Total Petro<strong>ch</strong>emie, Solvay und Ferrari<br />
Textilien. Für das Jahr 2007 sind zusätzli<strong>ch</strong>e Geldgeber zu<br />
nennen: Cumerio, DSM, Floridienne und Umicore (Sourcewat<strong>ch</strong><br />
2008).<br />
mann von der Universität Frankfurt die Situation im Zusammenhang<br />
mit endokrinen Stoffen zusammen (Willems, 2007).<br />
Forderung an die EU-Gesetzesgebung:<br />
Abgrenzung gegenüber fremden Interessen<br />
• Die Beeinflussung (wahrnehmbar oder ni<strong>ch</strong>t) beratender Gremien<br />
muss aufhören.<br />
• In den Gremien müssen eins<strong>ch</strong>lägige Experten sein. Im Moment<br />
sitzen im EFSA-Gremium, das Bisphenol A bewerten soll,<br />
hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> Nahrungsmitteltoxikologen und Lebensmittel<strong>ch</strong>emiker<br />
an Stelle von Experten für hormonelle S<strong>ch</strong>adstoffe.<br />
• Es ist wi<strong>ch</strong>tig, dass Daten aus unabhängigen Quellen stammen<br />
und ni<strong>ch</strong>t von der Industrie und ihren Interessen beeinflusst<br />
sind. Gültige und wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> belastbare Daten müssen<br />
denjenigen von der Industrie gegenübergestellt werden (Lyons<br />
2006).<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 47<br />
21
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 22<br />
Hormone in der Babyflas<strong>ch</strong>e<br />
7. REACH – ein neuer Anfang?<br />
Kernpunkte von REACH<br />
Am 1. Juni 2007 ist das neue EU-Chemikaliengesetz REACH in<br />
Kraft getreten. REACH steht für die Registrierung, Bewertung,<br />
Zulassung und Bes<strong>ch</strong>ränkung <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>er Stoffe (Registration,<br />
Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals). Diese<br />
Verordnung stellt einen neuen Ansatz zur Kontrolle von Herstellung,<br />
Import und Anwendung von Chemikalien in der EU dar.<br />
Sie ersetzt das bisherige mangelhafte System in Europa, das aus<br />
einem Flickenteppi<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedener Ri<strong>ch</strong>tlinien und Verordnungen<br />
bestand, die im Großen und Ganzen als Reaktion auf Skandale<br />
seit 1967 entstanden sind, aber keine präventiven S<strong>ch</strong>utzmaßnahmen<br />
ermögli<strong>ch</strong>ten. REACH s<strong>ch</strong>afft dazu eine neue<br />
Behörde, die die si<strong>ch</strong>ere Handhabung von Chemikalien beaufsi<strong>ch</strong>tigt<br />
– die Europäis<strong>ch</strong>e Agentur für <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Stoffe (ECHA),<br />
die ihren Sitz in Helsinki (Finnland) hat.<br />
Die Kernberei<strong>ch</strong>e von REACH sind:<br />
• Registrierung von Stoffen, die in Mengen über eine Tonne pro<br />
Jahr und Produzent oder Importeur in der EU hergestellt oder<br />
in die EU importiert werden, unter Angabe festgelegter Si<strong>ch</strong>erheitsinformationen.<br />
Die Daten müssen von den Unternehmen<br />
bereitgestellt werden;<br />
• Bewertung der registrierten (und weiterer) Informationen<br />
dur<strong>ch</strong> die Europäis<strong>ch</strong>e Agentur für <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Stoffe sowie<br />
dur<strong>ch</strong> die zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten, um Gefahren<br />
und Risiken zu ermitteln; und<br />
• Zulassungsverfahren für besonders besorgniserregende Stoffe.<br />
Dies beinhaltet au<strong>ch</strong> ihren Ersatz dur<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>erere Alternativen<br />
und die Bes<strong>ch</strong>ränkung ihres Imports und Gebrau<strong>ch</strong>s innerhalb<br />
der EU.<br />
Eine der Hauptkontroversen, die si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> den gesamten Gesetzgebungsprozess<br />
von REACH zog, war die Frage, wie mit den<br />
„besonders besorgniserregenden Stoffen“ umzugehen ist. Dazu<br />
gehören Stoffe, die Krebs erregen, erbguts<strong>ch</strong>ädigend oder fortpflanzungsgefährdend<br />
sind (CMR), die s<strong>ch</strong>wer abbaubar, bioakkumulierend<br />
und toxis<strong>ch</strong> (PBT), sehr s<strong>ch</strong>wer abbaubar oder sehr<br />
bioakkumulierend (vPvB) sind. Außerdem diejenigen Stoffe, von<br />
denen anzunehmen ist, dass sie ähnli<strong>ch</strong> wie die oben genannten,<br />
ernsten Anlass zur Sorge geben (REACH, Art. 57f). Hierzu<br />
zählen au<strong>ch</strong> die endokrinen S<strong>ch</strong>adstoffe (EDC), wie au<strong>ch</strong> Bisphenol<br />
A (BPA).<br />
22<br />
REACH: Besonders besorgniserregende Stoffe sind<br />
• karzinogene (Krebs hervorrufende), mutagene (das Erbgut<br />
s<strong>ch</strong>ädigende) und reproduktionstoxis<strong>ch</strong>e (die Fortpflanzung<br />
gefährdende) Stoffe, zusammengefasst als<br />
CMR (cancerogens, mutagens, reproductive toxins);<br />
• persistente (s<strong>ch</strong>wer abbaubare), bioakkumulierende<br />
(si<strong>ch</strong> anrei<strong>ch</strong>ernde) und toxis<strong>ch</strong>e (giftige) Stoffe, zusammengefasst<br />
als PBT (persistant, bioaccumulative,<br />
toxic);<br />
• sehr persistente und stark bioakkumulierende Stoffe, als<br />
vPvB bezei<strong>ch</strong>net (very persistant, very bioaccumulative);<br />
sowie<br />
• andere Stoffe von ähnli<strong>ch</strong> hohem Besorgnisgrad, wie<br />
hormonell wirksame Substanzen (EDCs, endocrine disrupting<br />
<strong>ch</strong>emicals)<br />
Diese <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en Stoffe werden auf Vors<strong>ch</strong>lag der in den<br />
einzelnen EU-Mitgliedstaaten zuständigen Behörden auf<br />
eine Vors<strong>ch</strong>lagsliste der Europäis<strong>ch</strong>en Chemikalienbehörde<br />
ECHA gesetzt. Na<strong>ch</strong> Veröffentli<strong>ch</strong>ung und ggf. Kommentierung<br />
einer Prioritätenliste der ECHA erfolgt eine<br />
Bes<strong>ch</strong>lussfassung der Kommission. Diese Substanzen sind<br />
dann zulassungspfli<strong>ch</strong>tig (Annex XIV-Liste). Die ECHA soll<br />
spätestens alle zwei Jahre Vors<strong>ch</strong>läge für neu auf die<br />
Annex XIV-Liste aufzunehmende Stoffe ma<strong>ch</strong>en.<br />
Chemikalien müssen ni<strong>ch</strong>t registriert sein, um ins Zulassungsverfahren<br />
zu kommen. Es kann alle besonders besorgniserregenden<br />
Stoffe eins<strong>ch</strong>ließen, unabhängig von den hergestellten<br />
oder importierten Mengen. Bei Zulassungspfli<strong>ch</strong>t muss au<strong>ch</strong> die<br />
Verwendung kleiner Mengen genehmigt werden.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 48
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 23<br />
Das Zulassungsverfahren verläuft in fünf S<strong>ch</strong>ritten:<br />
1<br />
Die ECHA oder ein Mitgliedsstaat erstellen ein Dossier, in<br />
dem sie Stoffe vors<strong>ch</strong>lagen, die aus wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er<br />
Si<strong>ch</strong>t zu der Gruppe der besonders besorgniserregenden<br />
Stoffe gehören. Eine daraus gebildete Vors<strong>ch</strong>lagsliste<br />
wurde erstmalig im Juni 2008 veröffentli<strong>ch</strong>t und enthielt<br />
ledigli<strong>ch</strong> 16 Stoffe, eine aus Si<strong>ch</strong>t der Umwelt und Gesundheitsverbände<br />
enttäus<strong>ch</strong>end kleine Zahl. (http://e<strong>ch</strong>a.<br />
europa.eu/consultations/authorisation/svhc/svhc_cons_en.<br />
asp). Zu diesen Stoffen können alle interessierten Gruppen<br />
(z.B. NGOs) Daten einrei<strong>ch</strong>en und Kommentare abgeben.<br />
Na<strong>ch</strong> einer Bewertung der Daten und Kommentare erstellt<br />
die ECHA eine Kandidatenliste. Die erste Kandidatenliste<br />
wird für Herbst 2008 erwartet.<br />
2<br />
Die ECHA entwirft basierend auf der Kandidatenliste einen<br />
Vors<strong>ch</strong>lag für die Chemikalien, die in das Verzei<strong>ch</strong>nis der<br />
zulassungspfli<strong>ch</strong>tigen Stoffe (Prioritätenliste) aufgenommen<br />
werden sollen (Anhang XIV). Na<strong>ch</strong> REACH werden diejenigen<br />
besonders besorgniserregenden Stoffe, die breit<br />
angewendet oder die in großen Mengen hergestellt werden,<br />
vorrangig berücksi<strong>ch</strong>tigt. Der erste Vors<strong>ch</strong>lag der<br />
Agentur soll bis zum 1. Juni 2009 (Artikel 58.3) veröffentli<strong>ch</strong>t<br />
werden.<br />
3<br />
Die Kommission wird gemeinsam mit den Mitgliedstaaten<br />
die letzte Ents<strong>ch</strong>eidung treffen, wel<strong>ch</strong>e Stoffe zulassungspfli<strong>ch</strong>tig<br />
werden (Anhang XIV) und ob bestimmte Anwendungen<br />
ausges<strong>ch</strong>lossen werden sollen.<br />
4<br />
Sobald ein Stoff in Anhang XIV aufgenommen ist, ist dieser<br />
Stoff zulassungspfli<strong>ch</strong>tig. Diejenigen, die ihn weiter<br />
produzieren oder verwenden wollen, müssen für jede Anwendung<br />
eine Zulassung beantragen sowie mögli<strong>ch</strong>e<br />
si<strong>ch</strong>erere Alternativen analysieren.<br />
5<br />
Dana<strong>ch</strong> folgt die Ents<strong>ch</strong>eidung der Kommission, ob sie für<br />
den jeweiligen Stoff und für die jeweilige Anwendung einer<br />
Zulassung zustimmt oder ni<strong>ch</strong>t. Dafür gibt es, abhängig<br />
von der Gefährli<strong>ch</strong>keit der Chemikalie, zwei Wege: die „angemessene<br />
Kontrolle“ und den Substitutionsweg.<br />
Der Weg der „angemessenen Kontrolle”: Die Zulassung für<br />
CMR und ähnli<strong>ch</strong> besorgniserregende Stoffe ist zu erteilen,<br />
wenn der Antragsteller belegen kann, dass es einen si<strong>ch</strong>eren<br />
S<strong>ch</strong>wellenwert (Unbedenkli<strong>ch</strong>keitsgrenze) gibt, unterhalb dem<br />
keine ernsten na<strong>ch</strong>teiligen Effekte zu erwarten sind, und dass<br />
das Risiko, das dur<strong>ch</strong> die Verwendung des Stoffes entsteht, „angemessen<br />
kontrolliert“ wird.<br />
Der Substitutionsweg: Wenn es keinen si<strong>ch</strong>eren S<strong>ch</strong>wellenwert<br />
gibt oder wenn das Unternehmen ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>weisen kann, dass<br />
es den Stoff „angemessen kontrolliert“, muss der Stoff den Substitutionsweg<br />
dur<strong>ch</strong>laufen. Eine Zulassung kann dana<strong>ch</strong> nur erteilt<br />
werden, wenn der sozio-ökonomis<strong>ch</strong>e Nutzen die Risiken<br />
für Gesundheit und Umwelt überwiegt und wenn keine si<strong>ch</strong>ereren<br />
Alternativen verfügbar sind. Sobald diese zur Verfügung stehen,<br />
muss der Stoff dur<strong>ch</strong> eine si<strong>ch</strong>erere Alternative ersetzt werden.<br />
Das Substitutionsverfahren stellt einen deutli<strong>ch</strong> klareren, zuverlässigeren<br />
und s<strong>ch</strong>ützenderen Ansatz für das Management<br />
gefährli<strong>ch</strong>er Stoffe dar. Es stellt si<strong>ch</strong>er, dass ihr Gebrau<strong>ch</strong> nur<br />
dann gestattet wird, wenn keine si<strong>ch</strong>ereren Alternativen zur<br />
Verfügung stehen und die Vorteile ihrer Verwendung ni<strong>ch</strong>t zu<br />
leugnen sind. Außerdem ermuntert es die Fors<strong>ch</strong>ung, si<strong>ch</strong>ere<br />
Alternativen zu finden.<br />
Für weitere Informationen siehe „REACH-Kompass”,<br />
www.bund.net/bundnet/themen_und_projekte/<strong>ch</strong>emie/service<br />
Endokrine Stoffe unter REACH<br />
Bisphenol A gehört zu den über 200 hormonartig wirkenden<br />
Stoffen (EDCs), die bis heute identifiziert wurden. Ob EDCs zu den<br />
zulassungspfli<strong>ch</strong>tigen Stoffen unter REACH gehören, unterliegt<br />
einer Einzelfallents<strong>ch</strong>eidung. Na<strong>ch</strong> den vorliegenden Informationen<br />
sollte BPA als besonders besorgniserregend entspre<strong>ch</strong>end<br />
REACH Artikel 57 (f) (d.h. verglei<strong>ch</strong>bar besorgniserregende Stoffe)<br />
eingestuft werden und wäre damit zulassungspfli<strong>ch</strong>tig. Die<br />
NGOs werden mit den Mitgliedstaaten, Wissens<strong>ch</strong>aftlern und<br />
forts<strong>ch</strong>rittli<strong>ch</strong>en Unternehmen auf eine entspre<strong>ch</strong>ende Einstufeng<br />
von BPA und anderen EDCs hinwirken.<br />
Wie aus der vorliegenden Studie hervorgeht, besteht bei unabhängigen<br />
Wissens<strong>ch</strong>aftlern weitgehende Übereinstimmung,<br />
dass für BPA wie au<strong>ch</strong> für andere EDCs keine S<strong>ch</strong>wellenwerte<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 49<br />
23
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 24<br />
Hormone in der Babyflas<strong>ch</strong>e<br />
festgelegt werden können, unterhalb derer keine negativen Wirkungen<br />
mehr zu befür<strong>ch</strong>ten sind. Endokrine Stoffe können<br />
außerdem in Kombination eine vielfa<strong>ch</strong> stärkere Wirkung zeigen.<br />
Die Komplexität des hormonellen Regelsystems und die<br />
Tatsa<strong>ch</strong>e, dass es (situationsabhängig) ho<strong>ch</strong>empfindli<strong>ch</strong> auf<br />
Hormone und hormonartige Stoffe reagiert, führen dazu, dass<br />
die toxikologis<strong>ch</strong>en Eigens<strong>ch</strong>aften von endokrin wirksamen<br />
Stoffen nur sehr s<strong>ch</strong>wierig zu bes<strong>ch</strong>reiben, zu quantifizieren und<br />
vorauszusagen sind (Santillo et al. 2000). Die Risikobewertung<br />
der EU für EDCs und insbesondere für BPA muss dementspre<strong>ch</strong>end<br />
überprüft werden. Au<strong>ch</strong> wenn heute no<strong>ch</strong> Fragen offen<br />
sind, gebietet das Vorsorgeprinzip zu handeln. Eine Zulassung<br />
dieser Stoffe über den Weg der „angemessenen Kontrolle” ist<br />
ni<strong>ch</strong>t haltbar.<br />
Die Europäis<strong>ch</strong>e Kommission ist verpfli<strong>ch</strong>tet, bei einer Juli 2013<br />
stattfindenden Revision der Verordnung zu ents<strong>ch</strong>eiden, ob sie<br />
für endokrin wirksame Substanzen eine Bewilligung entspre<strong>ch</strong>end<br />
der „angemessene Kontrolle“ auss<strong>ch</strong>ließt (REACH Art.<br />
138.7).<br />
Spätestens dann sollte die Kommission für EDCs auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />
ein Zulassungsverfahren über die Substitutionsroute bes<strong>ch</strong>reiten.<br />
Der anhaltende Gebrau<strong>ch</strong> und die Vermarktung wären<br />
damit nur no<strong>ch</strong> zulässig, wenn die sozioökonomis<strong>ch</strong>en Vorteile<br />
die Risiken überwiegen und keine si<strong>ch</strong>eren Alternativen zur Verfügung<br />
ständen. Darüber hinaus bedeutet dieser Weg, dass die<br />
Zulassung nur für einen begrenzten Zeitraum gewährt wird und<br />
na<strong>ch</strong> Ablauf einer Neubewertung zu unterziehen ist. Dies würde<br />
einen Anreiz für die Industrie s<strong>ch</strong>affen, na<strong>ch</strong> alternativen Stoffen<br />
zu su<strong>ch</strong>en.<br />
BPA und viele andere endokrin wirkende Stoffe könnten somit<br />
so bald wie mögli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>ere Alternativen ersetzt werden,<br />
zum S<strong>ch</strong>utz der mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Gesundheit und der Umwelt.<br />
24<br />
Die Europäis<strong>ch</strong>e Kommission und die Europäis<strong>ch</strong>e Agentur<br />
für <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Stoffe (ECHA) muss si<strong>ch</strong>erstellen, dass BPA<br />
auf die Prioritätenliste der besonders besorgniserregenden<br />
Stoffe gelangt. Der BUND erwartet von der ECHA anzuerkennen,<br />
dass es keine si<strong>ch</strong>eren S<strong>ch</strong>wellenwerte für die Belastung<br />
mit BPA geben kann.<br />
REACH ist auf der Basis des Vorsorgeprinzips in Kraft getreten<br />
und die ECHA auf dieser Basis ges<strong>ch</strong>affen worden. Die<br />
ECHA muss dieses Prinzips berücksi<strong>ch</strong>tigen und eine Zulassungspfli<strong>ch</strong>t<br />
für BPA über den Substitutionsweg erlassen.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 50
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 25<br />
8. Hinweise für Verbrau<strong>ch</strong>erInnen<br />
Die Belastung dur<strong>ch</strong> Bisphenol A (BPA) rührt in erster Linie aus<br />
Kunststoffartikeln aus Polycarbonat oder von Epoxid-Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungen<br />
in Konservendosen her (Kapitel 2). Auf diese Anwendungen<br />
können Verbrau<strong>ch</strong>erInnen relativ lei<strong>ch</strong>t verzi<strong>ch</strong>ten. Verbrau<strong>ch</strong>erInnen<br />
können si<strong>ch</strong> außerdem beim Handel dafür einsetzen,<br />
BPA-haltige Produkte aus dem Sortiment zu nehmen.<br />
Allerdings gibt es leider au<strong>ch</strong> einige Anwendungen von BPA, die<br />
s<strong>ch</strong>wieriger zu erkennen sind, und denen Verbrau<strong>ch</strong>erInnen<br />
kaum aus dem Weg gehen können. Hierzu gehören PVC-Produkte,<br />
wie Folien, und leider au<strong>ch</strong> indirekte Belastungen über die<br />
Atemluft und das Trinkwasser.<br />
1<br />
Auf Polycarbonat sollte bei Lebensmittelkontakt verzi<strong>ch</strong>tet<br />
werden.<br />
Kunststoff mit dem Recyclingcode 7 („andere Kunststoffe“)<br />
ist häufig Polycarbonat, das Bisphenol A enthält. Man<strong>ch</strong>mal<br />
werden diese Produkte mit dem Kürzel „PC“ (als Abkürzung<br />
für Polycarbonat) gekennzei<strong>ch</strong>net.<br />
2<br />
Ni<strong>ch</strong>t gekennzei<strong>ch</strong>nete Kunststoffe meiden<br />
Häufig erfolgt keine nähere Kennzei<strong>ch</strong>nung der Kunststoffe.<br />
Diese Produkte sind ebenfalls ni<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong>er, denn au<strong>ch</strong><br />
hier kann es si<strong>ch</strong> um Polycarbonat oder andere bedenkli<strong>ch</strong>e<br />
Kunststoffe handeln. Fragen Sie Ihren Händler, weshalb<br />
keine Kennzei<strong>ch</strong>nung erfolgt. Im Zweifelsfall sind Alternativen<br />
aus Glas, Keramik, Edelstahl oder den entspre<strong>ch</strong>end<br />
gekennzei<strong>ch</strong>neten und geeigneten Kunststoffen besser.<br />
3<br />
PVC ist keine Alternative, es ist aus mehreren Gründen<br />
problematis<strong>ch</strong>: Produkte aus PVC (Recyclingcode 3) und<br />
PVC-Folien können ebenfalls BPA enthalten. Neben den<br />
mögli<strong>ch</strong>erweise vorhandenen toxis<strong>ch</strong>en Monomer-Resten<br />
(Vinyl<strong>ch</strong>lorid) sind in PVC in der Regel hohe Konzentrationen<br />
von Wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>ern (Phthalate) enthalten, die ebenfalls<br />
die Gesundheit gefährden können. PVC s<strong>ch</strong>ädigt darüber<br />
hinaus bei der Herstellung und der Entsorgung die Umwelt.<br />
Die Fris<strong>ch</strong>haltefolien, die an Endverbrau<strong>ch</strong>er verkauft werden,<br />
sind jedo<strong>ch</strong> in der Regel aus Polyethylen und unproblematis<strong>ch</strong>.<br />
Lebensmittelverpackungen und -lagerung:<br />
Die si<strong>ch</strong>ere Alternative wählen<br />
• Lebensmittel in Glas-, Keramik- oder Edelstahlbehältern<br />
lagern<br />
• Fris<strong>ch</strong>e und lokal erzeugte Produkte sind die erste Wahl<br />
• Bei Kontakt zu Lebensmitteln sollten die relativ<br />
si<strong>ch</strong>eren Kunststoffe benutzt werden: Polyethylen,<br />
PE (Recyclingcode 2 oder 4) und Polypropylen PP<br />
(Recyclingcode 5)<br />
4<br />
Lebensmittel sollten ni<strong>ch</strong>t in Kunststoffbehältern erhitzt<br />
werden<br />
Lebensmittel sollten grundsätzli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in Kunststoffbehältern<br />
erhitzt werden. Für die Lagerung in Kunststoffbehältern<br />
sollten erhitzte Lebensmittel vorher abgekühlt<br />
werden.<br />
5 Konservendosen:<br />
Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tete Konservendosen können Bisphenol A an den<br />
Inhalt abgeben. Vor allem bei Säuglingen und Kindern gilt:<br />
Auf Konservendosen verzi<strong>ch</strong>ten<br />
6<br />
Beim Zahnarzt:<br />
Frage Sie Ihren Zahnarzt, ob die Zahnversiegelung oder<br />
Kunststofffüllungen Bisphenol A enthalten. Gegebenenfalls<br />
verzi<strong>ch</strong>ten Sie darauf.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 51<br />
25
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 26<br />
Hormone in der Babyflas<strong>ch</strong>e<br />
Babys und Säuglinge sind gegenüber BPA besonders empfind-<br />
li<strong>ch</strong> und somit besonders gefährdet. Die wi<strong>ch</strong>tigsten Empfehlungen<br />
sind:<br />
• Die Muttermil<strong>ch</strong> ist die optimale Nahrung für das Kind. Die<br />
WHO (Weltgesundheitsorganisation) empfiehlt se<strong>ch</strong>s Monate<br />
auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> Stillen (ohne zusätzli<strong>ch</strong>e Nahrung). Instant-<br />
Säuglingsnahrung ist dann in der Regel ni<strong>ch</strong>t notwendig.<br />
• Wenn Instant-Säuglingsnahrung erforderli<strong>ch</strong> ist, sollten auf<br />
keinen Fall Kunststoffflas<strong>ch</strong>en aus Polycarbonat benutzt werden,<br />
da sie mögli<strong>ch</strong>erweise BPA freisetzen. Alternativen sind<br />
Babyflas<strong>ch</strong>en aus Glas oder als BPA-frei gekennzei<strong>ch</strong>nete<br />
Fläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en. Ein Tipp: Einige der bekannteren Hersteller von<br />
Babyfläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en bieten relativ günstige BPA-freie Alternativen<br />
an, ohne aber explizit darauf aufmerksam zu ma<strong>ch</strong>en. Diese<br />
erkennen Sie am Recycling-Code 5 und dem Kürzel „PP“ (für<br />
Polypropylen).<br />
• Auf keinen Fall sollte heißes Wasser in Kunststoffgefäße gegeben<br />
werden oder Babynahrung in Kunststoffgefäßen erhitzt<br />
werden.<br />
• Auf Nahrung aus Konservendosen sollte verzi<strong>ch</strong>tet werden, da<br />
diese mögli<strong>ch</strong>erweise innen mit Epoxidlacken bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tet<br />
sind, die BPA freisetzen.<br />
• Keine fertige Säuglingsnahrung kaufen, die si<strong>ch</strong> in dur<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>tigen<br />
und harten Kunststoffflas<strong>ch</strong>en oder –behältern befindet,<br />
deren Kunststoffart ni<strong>ch</strong>t angegeben ist, oder die mit „PC” gekennzei<strong>ch</strong>net<br />
sind.<br />
• Au<strong>ch</strong> für Babyflas<strong>ch</strong>en und -tassen gilt: Nur Glasflas<strong>ch</strong>en oder<br />
Kunststoffflas<strong>ch</strong>en und –tassen benutzen, die als BPA-frei<br />
gekennzei<strong>ch</strong>net sind, oder aus Polyethylen oder Polypropylen<br />
bestehen.<br />
• Der BUND ruft Verbrau<strong>ch</strong>erInnen und Einzelhändler dazu auf,<br />
über ihre Händler und Lieferanten dafür zu sorgen, dass Bisphenol<br />
(BPA) aus Konsumprodukten vollständig vers<strong>ch</strong>windet.<br />
Bitten Sie Ihren Händler, Polycarbonat-Flas<strong>ch</strong>en, Behälter und<br />
andere Produkte, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen,<br />
auszulisten.<br />
26<br />
• Tragen Sie dazu bei, dass Stoffe mit endokriner Wirkung, wie<br />
BPA, mit Hilfe der neuen europäis<strong>ch</strong>en Chemikaliengesetzgebung<br />
REACH ausrei<strong>ch</strong>end reguliert werden. Unterstützen Sie<br />
die Arbeit der Verbände des Umwelt- und Gesundheitss<strong>ch</strong>utzes<br />
bei der Forderung na<strong>ch</strong> Aufnahme von BPA auf die<br />
Kandidatenliste der Europäis<strong>ch</strong>en Agentur für <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Stoffe<br />
(ECHA). Fordern Sie Politiker auf, si<strong>ch</strong> für den S<strong>ch</strong>utz vor<br />
endokrin wirksamen Chemikalien einzusetzen.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 52
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 27<br />
Forderungen des BUND:<br />
Der BUND hält es für erwiesen, dass die Belastung mit Bisphenol A (BPA) allgegenwärtig und weit verbreitet ist.<br />
Es sind dringend Maßnahmen erforderli<strong>ch</strong>, um die Belastung von Mens<strong>ch</strong> und Umwelt mit BPA zu reduzieren.<br />
• Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die europäis<strong>ch</strong>e Behörde für Lebensmittelsi<strong>ch</strong>erheit (EFSA)<br />
müssen in ihrer Bewertung von Bisphenol A die aktuellen Fors<strong>ch</strong>ungsergebnisse berücksi<strong>ch</strong>tigen und ein sofortiges<br />
Verbot von Babyflas<strong>ch</strong>en aus Polycarbonat auf den Weg bringen.<br />
• Ents<strong>ch</strong>eidungen dürfen ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> die Interessen der Industrie vorgegeben werden.<br />
• Die Bundesregierung muss si<strong>ch</strong>erstellen, dass BPA auf die Prioritätenliste der besonders besorgniserregenden Stoffe<br />
der REACH-Verordnung gesetzt wird. Die europäis<strong>ch</strong>e Chemikalienbehörde (ECHA) sollte anerkennen, dass keine<br />
si<strong>ch</strong>eren S<strong>ch</strong>wellenwerte für die Belastung mit BPA benannt werden können.<br />
• Die Bisphenol A-Hersteller Bayer und Dow Chemicals werden aufgefordert, keine Anwendungen für Lebensmittelbehältnisse<br />
und Babyfläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en unter REACH zu registrieren. Der Handel muss Lebensmittelbehältnisse und Babyfläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en<br />
aus Polycarbonat umgehend aus dem Sortiment nehmen.<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 53<br />
27
Bisphenol A RZ 09.10.2008 11:48 Uhr Seite 31<br />
Materialien für eine Zukunft ohne Gift<br />
Der BUND setzt si<strong>ch</strong> seit Jahren für<br />
eine Zukunft ohne Gift ein. Wir üben<br />
politis<strong>ch</strong>en Druck aus und informieren<br />
die Öffentli<strong>ch</strong>keit über S<strong>ch</strong>adstoffe in<br />
Alltagsprodukten. Die folgenden Veröffentli<strong>ch</strong>ungen<br />
können bestellt werden<br />
unter: Tel: 030/27586-463 oder<br />
bundladen@bund.net.<br />
In der Muttermil<strong>ch</strong>lassen<br />
si<strong>ch</strong> über<br />
300 S<strong>ch</strong>adstoffena<strong>ch</strong>weisen.<br />
Kein<br />
Wunder, denn<br />
wir sind tägli<strong>ch</strong>tausenden<br />
von Chemikalienausgesetzt.<br />
Viele davon sind ni<strong>ch</strong>t fest<br />
gebunden: Sie gasen aus oder werden<br />
dur<strong>ch</strong> Hautkontakt gelöst. „Über 300<br />
S<strong>ch</strong>adstoffe in der Muttermil<strong>ch</strong>. Zeit<br />
für eine neue Chemikalienpolitik“, die<br />
erste Studie aus der Reihe „Endstation<br />
Mens<strong>ch</strong>“, fasst aktuelle Untersu<strong>ch</strong>ungen<br />
zusammen und erklärt, warum wir eine<br />
neue Chemikalienpolitik brau<strong>ch</strong>en (47<br />
Seiten).<br />
Unser Ratgeber „Hineinwa<strong>ch</strong>sen in<br />
eine giftfreie Zukunft“ mit praktis<strong>ch</strong>er<br />
Messtabelle fürs Kinderzimmer zeigt Eltern,<br />
wie sie ein giftfreies Umfeld für<br />
ihre Kinder s<strong>ch</strong>affen können und liefert<br />
Informationen über die europäis<strong>ch</strong>e<br />
Chemikalienreform REACH.<br />
Das Faltblatt<br />
„Endstation<br />
Mens<strong>ch</strong> –<br />
Chemikalien<br />
im Alltag“<br />
zeigt, wo<br />
Chemikalien<br />
versteckt sind,<br />
was sie anri<strong>ch</strong>ten<br />
und<br />
gibt Tipps, wie sie zu vermeiden sind.<br />
In zahlrei<strong>ch</strong>enMedizinprodukten<br />
deuts<strong>ch</strong>er Firmen<br />
werden<br />
Wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>er<br />
eingesetzt, so<br />
au<strong>ch</strong> bei der<br />
Intensivversorgung<br />
von<br />
Neugeborenen. Diese s<strong>ch</strong>ädigen Leber<br />
und Niere und beeinträ<strong>ch</strong>tigen die Fortpflanzungsfähigkeit.<br />
Der BUND und<br />
Health Care Without Harm legten im<br />
Juni 2004 die Studie „Gift am Krankenbett“<br />
vor und forderten strengere<br />
Ri<strong>ch</strong>tlinien (39 Seiten).<br />
Das Faltblatt<br />
„Nur ni<strong>ch</strong>t<br />
giftig werden!<br />
– Forderungen<br />
an<br />
eine neue<br />
Chemikalienpolitik“verdeutli<strong>ch</strong>t<br />
an<br />
konkreten<br />
Stoffbeispielen, warum bestimmte<br />
Na<strong>ch</strong>besserungen an der geplanten<br />
Chemikalienverordnung REACH notwendig<br />
sind. Es soll Verbrau<strong>ch</strong>erInnen<br />
zum politis<strong>ch</strong>en Handeln motivieren<br />
und Ents<strong>ch</strong>eidungsträger über Lücken in<br />
REACH informieren.<br />
Was haben S<strong>ch</strong>minke, Quiets<strong>ch</strong>eent<strong>ch</strong>en<br />
und das Lecken an Lackstiefeln<br />
gemein? Darüber klärt der BUND in<br />
einem Kinospot „Für eine Zukunft<br />
ohne Gift“ auf. Mitgewirkt haben u.a.<br />
die S<strong>ch</strong>auspielerin Anna Thalba<strong>ch</strong> und<br />
der Komiker Kurt Krömer. Der 30-<br />
Sekunden Spot kann auf DVD bestellt<br />
werden.<br />
Gefährli<strong>ch</strong>e Chemikalien lassen si<strong>ch</strong><br />
mittlerweile im Blut, im Urin, in den<br />
Haaren und in der Muttermil<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>weisen.<br />
Wird der Mens<strong>ch</strong> zur Sondermülldeponie?<br />
Mit se<strong>ch</strong>s großen Plakaten<br />
ma<strong>ch</strong>t der BUND auf das Thema<br />
aufmerksam!<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 54<br />
31<br />
Alle Publikationen<br />
sind kostenlos, nur<br />
das Porto wird in<br />
Re<strong>ch</strong>nung gestellt.
Hormonell wirkende Substanzen in Mineralwasser aus PET-Flas<strong>ch</strong>en<br />
Information Nr. 006/2009 des BfR vom 18. März 2009 zu einer Studie der Universität<br />
Frankfurt am Main<br />
In einer kürzli<strong>ch</strong> veröffentli<strong>ch</strong>ten Untersu<strong>ch</strong>ung von Mineralwässern unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Hersteller<br />
haben Wissens<strong>ch</strong>aftler der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main<br />
festgestellt, dass ein Teil der untersu<strong>ch</strong>ten Proben in einem in vitro Testsystem die Anwesenheit<br />
von ni<strong>ch</strong>t näher identifizierten Substanzen mit hormonartiger Wirkung anzeigte. Die<br />
Wissens<strong>ch</strong>aftler geben an, dass die Wirkung insbesondere bei Proben na<strong>ch</strong>gewiesen wurde,<br />
die in Flas<strong>ch</strong>en aus dem Kunststoff PET abgefüllt waren. Dies hat in der Öffentli<strong>ch</strong>keit Fragen<br />
na<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>en gesundheitli<strong>ch</strong>en Auswirkungen beim Konsum von Mineralwässern aus<br />
PET-Flas<strong>ch</strong>en aufgeworfen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat eine erste vorläufige<br />
Bewertung der Studienergebnisse vorgenommen.<br />
Bei einer ersten Dur<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>t der Studie stellt das BfR fest, dass die Studie Hinweise auf die<br />
Anwesenheit von Kontaminationen mit östrogenartiger Aktivität in einigen der untersu<strong>ch</strong>ten<br />
Proben gibt. Allerdings wurde ni<strong>ch</strong>t untersu<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>e Substanzen für die Ergebnisse verantwortli<strong>ch</strong><br />
sind. Der Wirkungsna<strong>ch</strong>weis erfolgte in einem artifiziellen in vitro-System mit genetis<strong>ch</strong><br />
veränderten Hefezellen (YES-Test). Die Hefezellen enthalten Teile der mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />
Hormonsignal-Kaskade und reagieren sehr empfindli<strong>ch</strong> auf das Hormon 17-Estradiol und<br />
ähnli<strong>ch</strong> wirksame Substanzen. Die Autoren interpretieren ihre Ergebnisse dahingehend, dass<br />
Substanzen in einer effektiven östrogenen Wirkkonzentration vorliegen müssen. Dabei ist<br />
jedo<strong>ch</strong> zu berücksi<strong>ch</strong>tigen, dass bekannte Xenoöstrogene au<strong>ch</strong> in dem hier genutzten Testsystem<br />
signifikant s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>er wirken, z.B. wirkt das Nonylphenol ca. um den Faktor 10.000<br />
s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>er als das natürli<strong>ch</strong>e Hormon 17-Estradiol. Das bedeutet, dass entspre<strong>ch</strong>end hohe<br />
Konzentrationen von Substanzen vorliegen müssten, was ni<strong>ch</strong>t plausibel ers<strong>ch</strong>eint.<br />
Proben von unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Mineralwassermarken zeigten erhebli<strong>ch</strong>e Unters<strong>ch</strong>iede in dem<br />
eingesetzten Testsystem. Aus den Daten lassen si<strong>ch</strong> aber keine Unters<strong>ch</strong>iede in Bezug auf<br />
die Verpackung (Glas gegenüber PET) ableiten. Die von den Autoren diskutierte Mögli<strong>ch</strong>keit<br />
der Herkunft dieser Substanzen aus dem Kunststoff PET selbst ist eher zweifelhaft, weil sowohl<br />
in Wasserproben aus Glasflas<strong>ch</strong>en als au<strong>ch</strong> in Wasserproben aus PET-Flas<strong>ch</strong>en der<br />
glei<strong>ch</strong>en Mineralwassermarke in dem verwendeten Testsystem eine verglei<strong>ch</strong>bare Aktivität<br />
gemessen wurde. Unters<strong>ch</strong>iede zeigten si<strong>ch</strong> insbesondere bei Wässern vers<strong>ch</strong>iedener Herkunft.<br />
Wüns<strong>ch</strong>enswert wären daher Verglei<strong>ch</strong>sdaten mit Mineralwasserproben, die direkt der<br />
Quelle entstammen.<br />
In einem zweiten Versu<strong>ch</strong> wurde ein S<strong>ch</strong>necken-Modell verwendet. Hier wurden die S<strong>ch</strong>necken<br />
in handelsübli<strong>ch</strong>en Glas- bzw. PET-Flas<strong>ch</strong>en mit speziellem zugefügtem Wasser als<br />
Kulturmedium (also kein Mineralwasser) gehalten. Na<strong>ch</strong> 54 Tagen wurde die Zahl der von<br />
den S<strong>ch</strong>necken produzierten Embryonen gezählt. Die Reproduktionsrate der in den Glas-<br />
oder PET-Flas<strong>ch</strong>en gehaltenen Tiere wurde vergli<strong>ch</strong>en mit der Reproduktionsrate von Tieren,<br />
die in mit Östrogen angerei<strong>ch</strong>ertem Wasser gehalten wurden. Es zeigte si<strong>ch</strong>, dass die<br />
Reproduktionsrate der in PET-Flas<strong>ch</strong>en gehaltenen Tiere und der in Östrogenangerei<strong>ch</strong>ertem<br />
Wasser gehaltenen Tiere verglei<strong>ch</strong>bar war. Im Verglei<strong>ch</strong> dazu fiel die Reproduktionsrate<br />
bei den Tieren in den Glasflas<strong>ch</strong>en niedriger aus. Ob dieses Testsystem<br />
überhaupt relevante Aussagen zum gesundheitli<strong>ch</strong>en Risiko des Verbrau<strong>ch</strong>ers zulässt, ist<br />
eher zweifelhaft.<br />
Dem BfR sind keine bei der PET-Herstellung eingesetzten Substanzen bekannt, die in das<br />
Mineralwasser übergehen und für die östrogenartige Aktivität in den Proben aus PET-<br />
Seite 1 von 2<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 55
Bundesinstitut für Risikobewertung<br />
Flas<strong>ch</strong>en verantwortli<strong>ch</strong> sein könnten. Es ist bekannt, dass zum Beispiel in Kunststoffen wie<br />
PVC bestimmte Wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>er verwendet werden, die si<strong>ch</strong> als endokrine Modulatoren erwiesen<br />
haben. Für die Herstellung von PET werden jedo<strong>ch</strong> derartige Wei<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t verwendet.<br />
Die Ergebnisse der Studie werfen daher primär Fragen hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> der wirksamen<br />
Substanzen selbst und deren Herkunft auf. Diese können auf der Grundlage der vorliegenden<br />
Daten aus der Studie jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t beantwortet werden.<br />
Eine mögli<strong>ch</strong>e Erklärung für die Kontamination in den untersu<strong>ch</strong>ten Mineralwässern könnten<br />
Deckeldi<strong>ch</strong>tungen sein. Hier gab es in der Vergangenheit Probleme mit Nonylphenol, einer<br />
Chemikalie, die eine östrogenartige Wirkung aufweist. In den letzten Jahren wurden dem BfR<br />
aber keine Nonylphenol-Funde aus der Untersu<strong>ch</strong>ung von Deckeln (Deckelscreening) mehr<br />
beri<strong>ch</strong>tet. Es ist ferner zu berücksi<strong>ch</strong>tigen, dass für Glas- und PET-Flas<strong>ch</strong>en unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e<br />
Vers<strong>ch</strong>lüsse verwendet werden und es daher ni<strong>ch</strong>t zu ähnli<strong>ch</strong> hohen östrogenen Aktivitäten<br />
in den Wasserproben aus Glas- und PET-Flas<strong>ch</strong>en kommen sollte, wie sie im YES-Test<br />
si<strong>ch</strong>tbar wurden.<br />
Bisher ist ni<strong>ch</strong>t bekannt, dass unverarbeitetes Mineralwasser direkt aus der Quelle östrogenartige<br />
Aktivität zeigt. Mineralwasser wird aus tiefen S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten ho<strong>ch</strong>gepumpt und kann daher<br />
kaum mit östrogen wirkenden Umweltkontaminanten in Berührung kommen. Allerdings ist ein<br />
Eintrag von entspre<strong>ch</strong>end wirksamen Substanzen dur<strong>ch</strong> Materialien im Herstellungs- und<br />
Abfüllprozess ni<strong>ch</strong>t auszus<strong>ch</strong>ließen.<br />
Grundsätzli<strong>ch</strong> hält das BfR östrogenartige Wirkungen dur<strong>ch</strong> Mineralwässer für problematis<strong>ch</strong>.<br />
Aus Si<strong>ch</strong>t des BfR ist eine Bestätigung der vorliegenden Testergebnisse allerdings<br />
erforderli<strong>ch</strong>. Für eine rationale Bewertung der beoba<strong>ch</strong>teten Effekte wäre darüber hinaus<br />
jedo<strong>ch</strong> vor allem die Identifizierung der verantwortli<strong>ch</strong>en Kontaminanten und die analytis<strong>ch</strong>e<br />
Bestimmung der vorhandenen Konzentrationen von vorrangiger Bedeutung. Weiterhin hält<br />
es das BfR für wi<strong>ch</strong>tig, die mögli<strong>ch</strong>en Eintragspfade aufzudecken. Eine Abs<strong>ch</strong>ätzung des<br />
gesundheitli<strong>ch</strong>en Risikos für die Verbrau<strong>ch</strong>er würde jedo<strong>ch</strong> weitere Studien in vivo unter Berücksi<strong>ch</strong>tigung<br />
robuster Endpunkte erfordern.<br />
Aus den Ergebnissen der Studie ergibt si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Ansi<strong>ch</strong>t des BfR für die Verbrau<strong>ch</strong>er keine<br />
Notwendigkeit, auf Mineralwasser aus PET-Flas<strong>ch</strong>en zu verzi<strong>ch</strong>ten und auf glasverpackte<br />
Produkte auszuwei<strong>ch</strong>en.<br />
Seite 2 von 2<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 56
Neue Studien zu Bisphenol A stellen die bisherige Risikobewertung ni<strong>ch</strong>t in<br />
Frage<br />
Information Nr. 036/2008 des BfR vom 19. September 2008<br />
Zwei neue Studien aus den USA haben in dieser Wo<strong>ch</strong>e den Stoff Bisphenol A erneut in die<br />
Diskussion gebra<strong>ch</strong>t. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat geprüft, ob die Studien<br />
Erkenntnisse liefern, die eine Änderung der gesundheitli<strong>ch</strong>en Risikobewertung erforderli<strong>ch</strong><br />
ma<strong>ch</strong>en. Das Institut sieht unter Berücksi<strong>ch</strong>tigung der Daten aus beiden Studien keinen<br />
Anlass, die bisherige Risikobewertung für Bisphenol A zu ändern. Wird die von der Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Behörde für Lebensmittelsi<strong>ch</strong>erheit (EFSA) 2007 festgelegte tolerierbare tägli<strong>ch</strong>e Aufnahmemenge<br />
(TDI) von 0,05 Milligramm Bisphenol A pro Kilogramm Körpergewi<strong>ch</strong>t eingehalten,<br />
besteht für Verbrau<strong>ch</strong>er kein gesundheitli<strong>ch</strong>es Risiko. Die beiden Studien ma<strong>ch</strong>en<br />
aber deutli<strong>ch</strong>, dass es weiterhin Fors<strong>ch</strong>ungsbedarf zur Wirkung von Bisphenol A auf den<br />
mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Organismus gibt. Neue Fors<strong>ch</strong>ungsergebnisse werden vom BfR kontinuierli<strong>ch</strong><br />
beguta<strong>ch</strong>tet und in der Risikobewertung berücksi<strong>ch</strong>tigt.<br />
Bisphenol A ist eine Ausgangsverbindung zur Herstellung von Kunststoffen und Kunstharzen<br />
und damit in zahlrei<strong>ch</strong>en verbrau<strong>ch</strong>ernahen Produkten enthalten. Verbrau<strong>ch</strong>er kommen beispielsweise<br />
über Trinkbe<strong>ch</strong>er, Aufbewahrungsboxen und Babyfläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en aus Polycarbonat<br />
damit in Kontakt. Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungen von Getränke- und Konservendosen können ebenfalls<br />
Bisphenol A freisetzen. Geringe Mengen des Stoffes können aus diesen Gegenständen in<br />
Lebensmittel übergehen und so von Verbrau<strong>ch</strong>ern aufgenommen werden.<br />
Bisphenol A ist toxikologis<strong>ch</strong> gut untersu<strong>ch</strong>t. Die Substanz hat eine geringe akute Giftigkeit,<br />
es gibt keine Hinweise auf eine Krebs auslösende Wirkung. Bisphenol A gehört aber zu einer<br />
Gruppe von Substanzen, die s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> hormonartig (östrogen) wirken können. Diese Substanzen<br />
werden wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> als endocrine disruptors“ bezei<strong>ch</strong>net. Im mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />
Körper wird Bisphenol A jedo<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>nell in ein Stoffwe<strong>ch</strong>selprodukt umgewandelt, das keine<br />
östrogene Wirkung mehr hat und über die Nieren ausges<strong>ch</strong>ieden wird. Hierin besteht ein<br />
wesentli<strong>ch</strong>er Unters<strong>ch</strong>ied zu Nagetieren: Sie s<strong>ch</strong>eiden Bisphenol A wesentli<strong>ch</strong> langsamer<br />
aus, so dass im Tierversu<strong>ch</strong> eine hormonelle Wirkung des Stoffes beoba<strong>ch</strong>tet worden ist.<br />
Auf der Grundlage aller verfügbaren wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Daten hat die Europäis<strong>ch</strong>e Behörde<br />
für Lebensmittelsi<strong>ch</strong>erheit (EFSA) im vergangenen Jahr Bisphenol A gesundheitli<strong>ch</strong> bewertet<br />
und eine tolerierbare tägli<strong>ch</strong>e Aufnahmemenge (TDI) festgelegt. Demna<strong>ch</strong> können Verbrau<strong>ch</strong>er<br />
ein Leben lang tägli<strong>ch</strong> 0,05 Milligramm Bisphenol A pro Kilogramm Körpergewi<strong>ch</strong>t aufnehmen,<br />
ohne dass ein gesundheitli<strong>ch</strong>es Risiko besteht. Das BfR unterstützt die Bewertung<br />
der EFSA. Dur<strong>ch</strong> die bekannten Expositionen von Verbrau<strong>ch</strong>ern gegenüber Bisphenol A wird<br />
der TDI bei weitem ni<strong>ch</strong>t ausges<strong>ch</strong>öpft. Au<strong>ch</strong> andere nationale und internationale wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Gremien, so zum Beispiel die amerikanis<strong>ch</strong>e Food and Drug Administration<br />
(FDA), vertreten die Auffassung, dass bei der derzeit bekannten Bisphenol A-Aufnahme über<br />
die Nahrung keine gesundheitss<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>en Wirkungen für Verbrau<strong>ch</strong>er zu erwarten sind.<br />
Na<strong>ch</strong> Prüfung der beiden neuen Studien aus den USA zur Wirkung von Bisphenol A (Leranth<br />
et al. in Proceedings of the National Academy of Science 105 (2008) 14187-14191 und Lang<br />
et al. in Journal of the American Medical Association 300 (2008) 1303-1310) kommt das BfR<br />
zu dem S<strong>ch</strong>luss, dass die darin präsentierten Befunde die bisherige Risikobewertung ni<strong>ch</strong>t in<br />
Frage stellen. Die Studie von Leranth et al. lieferte Hinweise auf Bisphenol A-Effekte in einigen<br />
Hirnregionen von Affen. Für die Studie wurden den Tieren Bisphenol A-freisetzende Minipumpen<br />
unter die Haut implantiert. Die Substanz gelangte damit direkt in den Blutkreislauf<br />
und in alle inneren Organe der Tiere, eins<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> des Gehirns, ohne dass sie zuvor<br />
Seite 1 von 2<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 57
Bundesinstitut für Risikobewertung<br />
verstoffwe<strong>ch</strong>selt worden war. Bei der Aufnahme über die Nahrung wird Bisphenol A hingegen<br />
beim Mens<strong>ch</strong>en und beim Affen s<strong>ch</strong>nell in der Darmwand und der Leber abgebaut und<br />
über die Nieren ausges<strong>ch</strong>ieden.<br />
In der Studie von Lang et al. vergli<strong>ch</strong>en Wissens<strong>ch</strong>aftler die Bisphenol A-Gehalte im Urin von<br />
1455 erwa<strong>ch</strong>senen Amerikanern und dazugehörige Angaben aus Gesundheits-Fragebögen.<br />
Die Fragestellung war, ob es eine Korrelation zwis<strong>ch</strong>en der Auss<strong>ch</strong>eidung von Bisphenol A<br />
zu einem bestimmten Zeitpunkt und <strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>en Erkrankungen wie Diabetes und diverser<br />
Ausprägungsformen von koronarer Herzkrankheit gibt. Auf der Grundlage der erhobenen<br />
Daten lässt si<strong>ch</strong> eine Korrelation zwis<strong>ch</strong>en dem einmalig erhobenen Bisphenol A-Gehalt im<br />
Urin und den genannten Erkrankungen feststellen. Allerdings weisen die Autoren der Studie<br />
selbst darauf hin, dass dadur<strong>ch</strong> kein Kausalzusammenhang zwis<strong>ch</strong>en der Bisphenol A-<br />
Exposition und den Erkrankungen belegt ist. Ein sol<strong>ch</strong>er Zusammenhang könnte dur<strong>ch</strong> diese<br />
Art von Studie au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t belegt werden, denn ein einmalig, weit na<strong>ch</strong> der Entstehung einer<br />
<strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>en Erkrankung gemessener Urinwert lässt keine Rücks<strong>ch</strong>lüsse auf die Verhältnisse<br />
zu Beginn und während des Verlaufes dieser Krankheit zu.<br />
Die aktuellen Studien ma<strong>ch</strong>en denno<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong>, dass es zur Wirkung von Bisphenol A im<br />
mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Körper neue Fragestellungen gibt, die weiterer Fors<strong>ch</strong>ung bedürfen. Das BfR<br />
wird au<strong>ch</strong> weiterhin alle Fors<strong>ch</strong>ungsergebnisse daraufhin prüfen, ob sie für die gesundheitli<strong>ch</strong>e<br />
Bewertung von Bisphenol A relevant sind und bei der Festlegung des TDI-Wertes berücksi<strong>ch</strong>tigt<br />
werden müssen.<br />
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3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 58
Faktenblatt<br />
Datum: Februar 2009<br />
Bisphenol A<br />
Eidgenössis<strong>ch</strong>es Departement des Innern EDI<br />
Bundesamt für Gesundheit BAG<br />
Abteilung Direktionsstab<br />
Viele Verpackungen und Gefässe aus Kunststoff werden unter Verwendung von Bisphenol A<br />
hergestellt. Bisphenol A kann deshalb in Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen<br />
na<strong>ch</strong>gewiesen werden, zum Beispiel au<strong>ch</strong> in S<strong>ch</strong>oppenflas<strong>ch</strong>en aus Polycarbonat. Das BAG<br />
hat die wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Beri<strong>ch</strong>te vers<strong>ch</strong>iedener Lebensmittelsi<strong>ch</strong>erheitsbehörden<br />
ausgewertet und ist der Meinung, dass die Einnahme von Bisphenol A dur<strong>ch</strong> Lebensmittel kein<br />
Risiko für den Konsumenten darstellt. Dies gilt au<strong>ch</strong> für Neugeborene und Säuglinge.<br />
Grundlagen<br />
Was ist Bisphenol A und wo kommt es vor?<br />
Bisphenol A (BPA) ist eine synthetis<strong>ch</strong>e Substanz und wird für die Herstellung von vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
Kunststoffen verwendet, wel<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong> für den Kontakt mit Lebensmitteln vorgesehen sind. Es ist ein<br />
Bestandteil des Epoxidharzes, wel<strong>ch</strong>es zur Auskleidung der Innenseite von Konserven- und<br />
Getränkedosen verwendet wird. BPA ist au<strong>ch</strong> Bestandteil von Polycarbonat, das unter anderem zur<br />
Herstellung eines Typs von S<strong>ch</strong>oppenflas<strong>ch</strong>en verwendet wird.<br />
Es gibt kein Material, wel<strong>ch</strong>es völlig inert ist. Da bilden au<strong>ch</strong> die Kunststoffe keine Ausnahme und je<br />
na<strong>ch</strong> Bedingungen bei der Verwendung werden sie angegriffen bzw. teilweise zersetzt und geben<br />
Ausgangsstoffe und Zersetzungsprodukte ab. Dur<strong>ch</strong> diesen Me<strong>ch</strong>anismus werden au<strong>ch</strong> kleine<br />
Mengen von Bisphenol A freigesetzt und migrieren in die Lebensmittel.<br />
Was sind die Risiken und Auswirkungen auf die Gesundheit?<br />
BPA ist eine hormonaktive Substanz (endocrine disruptor) mit östrogenartiger Wirkung; das heisst,<br />
dass es ähnli<strong>ch</strong> wie Estradiol (Östradiol, ein Östrogen), das weibli<strong>ch</strong>e Sexualhormon, wirkt und den<br />
hormonellen Zustand des mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Körpers beeinflussen kann. BPA hat jedo<strong>ch</strong> eine viel<br />
s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ere Wirkung als Estradiol (ca. 10'000 mal s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>er). Bei höheren Dosen zeigt BPA zuerst<br />
einen negativen Einfluss auf die Fru<strong>ch</strong>tbarkeit und die fetale Entwicklung.<br />
Risikobeurteilung und tolerierbare tägli<strong>ch</strong>e Aufnahmemenge.<br />
BPA wird seit 50 Jahren untersu<strong>ch</strong>t und die Risiken wel<strong>ch</strong>e von einer Exposition ausgehen sind<br />
deshalb gut bekannt. Die letzten Risikoevaluationen ergeben eine tolerierbare tägli<strong>ch</strong>e<br />
Aufnahmemenge von 50 µg/kg Körpergewi<strong>ch</strong>t. Dieser Wert wurde aus Erkenntnissen bei<br />
Tierversu<strong>ch</strong>en abgeleitet. Er basiert auf der Dosis, bei wel<strong>ch</strong>er keine na<strong>ch</strong>teiligen Effekte beoba<strong>ch</strong>tet<br />
werden konnten (NOAEL) und der Anwendung eines übli<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheitsfaktors von 100.<br />
Weitere Informationen:<br />
Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Direktionsstab, Sektion Kommunikation, 031 322 95 05 , sabina.helfer@bag.admin.<strong>ch</strong>, www.bag.admin.<strong>ch</strong><br />
Diese Publikation ers<strong>ch</strong>eint ebenfalls in französis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e.<br />
Februar 2009 1/3<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 59
Position der EFSA<br />
Die europäis<strong>ch</strong>e Behörde für Lebensmittelsi<strong>ch</strong>erheit (EFSA) hat das Risiko von BPA im<br />
Zusammenhang mit Lebensmitteln 2002, 2006 und 2008 jeweils neu beurteilt. Die EFSA stützt si<strong>ch</strong> in<br />
ihren Beurteilungen auf konsolidierte wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Grundlagen. In ihrer Abs<strong>ch</strong>ätzung kommt sie<br />
zum S<strong>ch</strong>luss, dass die Exposition über die Nahrung weit unter der tolerierbaren tägli<strong>ch</strong>en<br />
Aufnahmemenge bleibt und damit ein genügender Si<strong>ch</strong>erheitsabstand für alle Konsumenten, inklusive<br />
Säuglinge und Feten gewährleistet ist.<br />
Situation in Canada, wel<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>oppenflas<strong>ch</strong>en aus Polycarbonat verbieten mö<strong>ch</strong>te<br />
In ihrer Risikobeurteilung kommen die Experten der kanadis<strong>ch</strong>en Gesundheitsbehörde au<strong>ch</strong> zur<br />
Feststellung, dass die Exposition unterhalb der S<strong>ch</strong>welle liegt, ab wel<strong>ch</strong>er Auswirkungen auf die<br />
Gesundheit erwartet werden könnten, au<strong>ch</strong> für Kinder im Alter von unter 18 Monaten. Andererseits<br />
existieren Studien, in wel<strong>ch</strong>en bei Labortieren s<strong>ch</strong>on bei sehr geringen Dosen von BPA Effekte<br />
gefunden wurden, die jedo<strong>ch</strong> in andern Studien ni<strong>ch</strong>t reproduziert werden konnten. Trotzdem hat die<br />
Behörde als Vorsorgemassnahme vorges<strong>ch</strong>lagen den Verkauf von S<strong>ch</strong>oppenflas<strong>ch</strong>en aus<br />
Polycarbonat zu verbieten, um die Exposition von Säuglingen weiter zu verringern.<br />
Was ma<strong>ch</strong>t das BAG?<br />
Haltung des BAG<br />
Betreffend der Toxizität von BPA teilt das BAG die Meinung der Experten der EFSA, dass die<br />
abgeleitete tolerierbare tägli<strong>ch</strong>e Aufnahmemenge für die Konsumenten ein ausrei<strong>ch</strong>endes<br />
S<strong>ch</strong>utzniveau gewährleistet. Das BAG berücksi<strong>ch</strong>tigt in seiner Eins<strong>ch</strong>ätzung, dass die Befunde bei<br />
"tiefen Dosen" bisher unter normierten Versu<strong>ch</strong>sbedingungen ni<strong>ch</strong>t reproduziert werden konnten. Es<br />
kommt au<strong>ch</strong> zum S<strong>ch</strong>luss, dass ein Verbot von S<strong>ch</strong>oppenflas<strong>ch</strong>en aus Polycarbonat die Aufnahme<br />
von BPA bei Säuglingen nur minim verringern würde und daher au<strong>ch</strong> keine Verbesserung des<br />
Gesundheitss<strong>ch</strong>utzes errei<strong>ch</strong>t würde. Konsumenten, wel<strong>ch</strong>e trotzdem die mögli<strong>ch</strong>e Aufnahme von<br />
BPA weiter vermindern mö<strong>ch</strong>ten, empfiehlt das BAG die Verwendung von S<strong>ch</strong>oppenflas<strong>ch</strong>en aus<br />
Glas.<br />
Getroffene Massnahmen und dur<strong>ch</strong>geführte Analysen<br />
2004 haben die Laboratorien des BAG ein Monitoring der auf dem S<strong>ch</strong>weizer Markt erhältli<strong>ch</strong>en<br />
S<strong>ch</strong>oppenflas<strong>ch</strong>en dur<strong>ch</strong>geführt und die Abgabe von BPA in Abhängigkeit der Benutzung analysiert.<br />
Die Resultate zeigen, dass bei normaler Benutzung die Konzentration von BPA in der<br />
Grössenordnung von 1 Mikrogramm (millionstel Gramm) pro Liter liegt, das heisst rund 600 Mal<br />
unterhalb des gesetzli<strong>ch</strong>en Grenzwertes. Au<strong>ch</strong> bei härteren Anwendungsbedingungen (zum Beispiel<br />
überlange Erhitzungszeit, häufig wiederholte Benutzung) bleiben die gemessenen Gehalte unter 10<br />
Mikrogramm pro Liter. Eine ähnli<strong>ch</strong>e Studie wurde 2007 am kantonalen Laboratorium in Züri<strong>ch</strong><br />
dur<strong>ch</strong>geführt und gelangte zu denselben Resultaten.<br />
Warum BPA in der S<strong>ch</strong>weiz ni<strong>ch</strong>t verbieten?<br />
Ein Verbot von BPA würde unweigerli<strong>ch</strong> dazu führen, dass die Hersteller von Verpackungen und<br />
Bedarfsgegenständen (Produkte für den Lebensmittelkontakt) auf andere Stoffe auswei<strong>ch</strong>en müssten,<br />
deren Toxizität weniger gut bekannt ist. Das würde bedeuten, dass ein gut <strong>ch</strong>arakterisiertes Risiko<br />
dur<strong>ch</strong> ein deutli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter eins<strong>ch</strong>ätzbares Risiko ersetzt würde.<br />
Zusätzli<strong>ch</strong>e Informationen<br />
Wie erkennt man S<strong>ch</strong>oppenflas<strong>ch</strong>en aus Polycarbonat?<br />
Es gibt keine einfa<strong>ch</strong>e Mögli<strong>ch</strong>keit um eine S<strong>ch</strong>oppenflas<strong>ch</strong>e aus Polycarbonat si<strong>ch</strong>er zu erkennen.<br />
Wenn die Flas<strong>ch</strong>e wei<strong>ch</strong> und/oder wenig transparent ist, handelt es si<strong>ch</strong> wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t um<br />
Polycarbonat. Der Recyclingcode, wel<strong>ch</strong>er oft auf dem Boden der Flas<strong>ch</strong>e angebra<strong>ch</strong>t ist, kann zur<br />
Weitere Informationen:<br />
Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Direktionsstab, Sektion Kommunikation, 031 322 95 05 , media@bag.admin.<strong>ch</strong>, www.bag.admin.<strong>ch</strong><br />
Diese Publikation ers<strong>ch</strong>eint ebenfalls in französis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e.<br />
Februar 2009 2/3<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 60
Identifizierung des Kunststoffs beitragen. Eine Ziffer von 1 bis 6 im Triangel zeigt eindeutig an, dass<br />
es si<strong>ch</strong> um einen bestimmten Kunststoff, aber ni<strong>ch</strong>t um Polycarbonat handelt. Die Ziffer 7 steht für alle<br />
übrigen Kunststoffe inklusive Polycarbonat. Wenn neben dem Symbol zusätzli<strong>ch</strong> die Bu<strong>ch</strong>staben PC<br />
stehen, so handelt es si<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er um Polycarbonat.<br />
Verhinderung der Abgabe von BPA bei der S<strong>ch</strong>oppenzubereitung<br />
Wenn die folgenden Punkte bea<strong>ch</strong>tet werden, wird aus einer Flas<strong>ch</strong>e aus Polycarbonat kein BPA<br />
freigesetzt (si<strong>ch</strong>er kleiner 1 Mikrogramm pro Liter):<br />
Wasser, das zum Sterilisieren von S<strong>ch</strong>oppenflas<strong>ch</strong>en gebrau<strong>ch</strong>t wurde (ausko<strong>ch</strong>en im<br />
Wasserbad), wegs<strong>ch</strong>ütten und ni<strong>ch</strong>t für die Herstellung eines Getränks verwenden.<br />
Aufgeko<strong>ch</strong>tes Wasser erst na<strong>ch</strong> etwas Abkühlen in die S<strong>ch</strong>oppenflas<strong>ch</strong>e giessen.<br />
Weiter wird empfohlen, die Zubereitungshinweise auf den Verpackungen der S<strong>ch</strong>oppenpulver zu<br />
bea<strong>ch</strong>ten.<br />
Erklärung: Die Abgabe von Bisphenol A aus der Polycarbonatflas<strong>ch</strong>e wird primär dur<strong>ch</strong> den pH-Wert<br />
beeinflusst. Hartes (kalkhaltiges) Wasser wird beim Ausko<strong>ch</strong>en alkalis<strong>ch</strong> (pH-Wert von ca. 9 na<strong>ch</strong> 5-<br />
10 Minuten ausko<strong>ch</strong>en), da Kohlendioxid entwei<strong>ch</strong>t und Kalk ausgefällt wird. Alkalis<strong>ch</strong>es Wasser kann<br />
Polycarbonat angreifen und zur Freisetzung von Bisphenol A führen (im Mikrogrammberei<strong>ch</strong>).<br />
Getränke wie Mil<strong>ch</strong>, Frü<strong>ch</strong>tetees usw. greifen Polycarbonat ni<strong>ch</strong>t an, da sie auf Grund ihrer<br />
Zusammensetzung ni<strong>ch</strong>t so einfa<strong>ch</strong> alkalis<strong>ch</strong> werden können.<br />
Gibt es Alternativen?<br />
Die S<strong>ch</strong>oppenflas<strong>ch</strong>e aus Glas bleibt die Alternative der Wahl, aber man findet au<strong>ch</strong><br />
S<strong>ch</strong>oppenflas<strong>ch</strong>en aus anderen Kunststoffen als Polycarbonat (Polypropylen, Polyamid,<br />
Polyethersulfon).<br />
Weitere Auskünfte:<br />
Bundesamt für Gesundheit, Sektion Kommunikation, Tel 031 322 95 05, media@bag.admin.<strong>ch</strong><br />
Weitere Informationen:<br />
Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Direktionsstab, Sektion Kommunikation, 031 322 95 05 , media@bag.admin.<strong>ch</strong>, www.bag.admin.<strong>ch</strong><br />
Diese Publikation ers<strong>ch</strong>eint ebenfalls in französis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e.<br />
Februar 2009 3/3<br />
3 HINTERGRUNDMATERIAL SEITE 61